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Institut für Stochastik

Prof. Dr. G. Last · Dr. M. Folkers · B. Ebner

Übungsaufgaben zur Vorlesung Mathematik 1 für die


Fachrichtung Wirtschaftswissenschaften im WS 2007/08

Die folgenden Aufgaben gehören zum Thema ”differenzierbare Funktionen”. Die Lösungen zu
diesen Aufgaben werden in der 13. Vorlesungswoche am Freitag, den 1. Februar 2008 im Hörsaal
vorgeführt.

Aufgabe 54 (Wird im Hörsaal vorgeführt.) Vorgegeben sei in Abhängigkeit von dem Parameter
a ∈ R die stetige Funktion


⎨ a · (x − 1)3 + 6 · x2 − 4 · x + 4, falls x ≤ 1,
fa : R → R, x → y = fa (x) :=

2 · x3 + 2 · x + 2, falls x > 1.

1. Zeigen Sie, dass die Funktion fa bei beliebiger Wahl von a ∈ R im Punkt x0 := 1 zweimal
differenzierbar ist, und geben Sie die Ableitungswerte fa (1) und fa (1) an.
2. Es sei speziell a = 2. Zeigen Sie, dass die Funktion f2 streng monoton wächst, und
begründen Sie, dass die Funktion f2 bijektiv ist.
3. Kann man den Parameter a ∈ R so wählen, dass die Funktion fa im Punkt x0 := 0
eine lokale Minimalstelle besitzt? Falls eine derartige Wahl möglich ist, geben Sie alle
derartigen a ∈ R an.

Lösung:

1. Die Funktion fa , a ∈ R, ist offensichtlich differenzierbar in allen Punkten x ∈ R \ {1},


und es gilt

⎨ 3 · a · (x − 1)2 + 12 · x − 4, falls x < 1,
fa (x) =

6 · x2 + 2, falls x > 1.

Weiter gilt

lim fa (x) = 8 = lim fa (x),


x↓1 x↑1

und da die Funktion fa stetig ist auf ganz R, folgt nach dem Mittelwertsatz (*), dass fa
im Punkt x = 1 differenzierbar ist mit

fa (1) = 8.

Weiter folgt, dass die Ableitung fa auf ganz R stetig ist.

1
(*) Bemerkung:
Mittelwertsatz: Sei f : [a, b] → R eine stetige Abbildung, die auf dem offenen Intervall
(a, b) differenzierbar ist. Dann gibt es ein ξ ∈ (a, b) mit

f (b) − f (a)
f  (ξ) = .
b−a
Betrachten wir nun die Funktion f auf Intervallen der Form [1 − ε, 1] mit ε > 0, so lässt
sich der Mittelwertsatz anwenden:
f (1) − f (1 − ε)
f  (ξ) = ,
1 − (1 − ε)

wobei ξ ∈ (1 − ε, 1) ist.
Wenn wir nun ε gegen 0 konvergieren lassen, geht zwangsläufig ξ gegen 1 und wir erhalten
die Ableitung an die Funktion im Punkt x = 1, die durch Anlegen der Tangente von links
entsteht:
f (1) − f (1 − ε)
= f  (ξ) = 3 · a · (ξ − 1)2 + 12 · ξ − 4 → 8 (für ξ → 1)
1 − (1 − ε)
  
→f  (1) (für ε→0)

Analog ergibt sich eine ¨rechtsseite Ableitung¨ mit dem Wert 8 im Punkt x = 1, wenn
wir Intervalle der Form [1, 1 + ε] betrachten.
Die Stetigkeit der Funktion f garantiert nun, dass kein Sprung vorhanden ist. Insgesamt
existiert also die Ableitung im Punkt x = 1 und es gilt f  (1) = 8.

Die Funktion fa ist offensichtlich differenzierbar in allen Punkten x ∈ R \ {1}, und es gilt

⎨ 6 · a · (x − 1) + 12, falls x < 1,
fa (x) =

12 · x, falls x > 1.

Weiter gilt

lim fa (x) = 12 = lim fa (x),


x↓1 x↑1

und da die Funktion fa stetig ist auf ganz R folgt nach dem Mittelwertsatz

fa (1) = 12.

2
2. Für a = 2 ergibt sich

⎨ 2 · (x − 1)3 + 6 · x2 − 4 · x + 4, falls x ≤ 1,
f2 (x) =

2 · x3 + 2 · x + 2, falls x > 1.

und es gilt

⎨ 6 · (x − 1)2 + 12 · x − 4, falls x ≤ 1,
f2 (x) =

6 · x2 + 2, falls x > 1.

Weiter gilt für alle x ∈ R

6 · (x − 1)2 + 12 · x − 4 = 6 · x2 − 12 · x + 6 + 12 · x − 4 = 6 · x2 + 2 > 0

folglich ist die Funktion f2 streng monoton wachsend auf R, insbesondere ist die Funktion
f2 injektiv. Ausserdem gilt

lim f2 (x) = +∞ und lim f2 (x) = −∞,


x→∞ x→−∞

da die Funktion f2 stetig auf ganz R ist, folgt aus dem Zwischenwertsatz die Surjektivität
der Funktion f2 . Insgesamt ist f2 also bijektiv.

3. Damit fa eine lokale Minimalstelle im Punkt x0 = 0 besitzt, muss fa (0) = 0 gelten, also

fa (0) = 3 · a − 4 = 0 ⇐⇒ a = 43 .

4
Weiter gilt für a = 3

fa (0) = 6 · 43 · (−1) + 12 = −8 + 12 = 4 > 0,

also muss a = 43 gesetzt werden, damit die Funktion fa im Punkt x0 = 0 ein lokales
Minimum besitzt.

3
Aufgabe 55 (Wird im Hörsaal behandelt.)
Vorgegeben seien in Abhängigkeit vom Parameter t ∈ R die Funktionen

⎧ 2
⎨ x + sin(x + t) − t , falls x = −t,

gt : R → R, x → gt (x) := x+t

⎩ 1 − 2 · t, falls x = −t.

1. Es sei speziell t = 0.

(a) Zeigen Sie, dass die Funktion g0 stetig auf R ist.


(b) Zeigen Sie, dass die Funktion g0 auf R differenzierbar ist, und bestimmen Sie die
Ableitung g0 .

2. Bestimmen Sie alle t ∈ R, für die die Funktion gt stetig auf R ist.

Lösung:

1. Es sei t = 0.
⎧ 2
⎪ x + sin(x)
⎨ , falls x = 0,
g0 (x) = x


1, falls x = 0.

(a) Aus

x2 + sin(x) sin(x)
=x+
x x
1

x2n+1
=x+ · (−1)n
x n=0 (2n + 1)!
1 ∞
x2n
=x+ ·x· (−1)n
x n=0
(2n + 1)!
x0 ∞
x2n
=x+ + (−1)n
1
 n=1
(2n + 1)!
=1


x2n
= 1+x+ (−1)n
n=1
(2n + 1)!

folgt (unter Verwendung der gleichmäßigen Konvergenz in kompakten Intervallen bei


Potenzreihen und der daraus resultierenden Stetigkeit der Grenzfunktion)

4
x2 + sin(x)
lim g0 (x) = lim
x→0,x=0 x→0 x


x2n
= lim (1 + x + (−1)n )
x→0 (2n + 1)!
n=1


x2n
= 1 + 0 + lim (−1)n
x→0 (2n + 1)!
n=1
= 1.

Daher ist die Funktion g0 stetig auf R.


(b) Für x = 0 gilt
(2 · x + cos(x)) · x − (x2 + sin(x)) x2 + x · cos(x) − sin(x)
g0 (x) = = .
x2 x2
Zur Differenzierbarkeit im Punkt x = 0:
1. Möglichkeit: Es gilt

x2 + x · cos(x) − sin(x)
lim g0 (x) = lim
x→0 x→0 x2
de l’Hospital 2 · x + cos(x) − x · sin(x) − cos(x)
= lim
x→0 2·x
2 · x − x · sin(x)
= lim
x→0 2·x
sin(x)
= 1 − lim
x→0 2
= 1,

und da die Funktion g0 stetig ist im Punkt x = 0, folgt mit dem Mittelwertsatz

g0 (0) = 1.

2. Möglichkeit: Es gilt

g0 (x) − g0 (0)
g0 (0) = lim
x→0 x−0
x2 +sin(x)
x
−1
= lim
x→0 x
x2 + sin(x) − x
= lim
x→0 x2
sin(x) − x
= 1 + lim
x→0 x2
= 1,

5
da die Gleichung

1

sin(x) − x n x
2n+1
= · ( (−1) − x)
x2 x2 n=0 (2n + 1)!
1

x2n+1
= 2· (−1)n
x n=1 (2n + 1)!


x2n−1
= (−1)n
n=1
(2n − 1)!

eine Potenzreihe liefert, die analog zum Fall in (a) gegen 0 konvergiert für x → 0.

2. Es sei t ∈ R beliebig.
⎧ ⎫

⎪ x2 + sin(x + t) − t ⎪
⎨ , falls x = −t, ⎪

gt (x) = x+t

⎪ ⎪

⎩ 1 − 2 · t, falls x = −t. ⎭

Die Funktion gt ist offensichtlich stetig in allen Punkten x = −t. Eine notwendige Bedin-
gung für die Stetigkeit der Funktion gt im Punkt x = −t lautet

lim (x2 + sin(x + t) − t) = t2 − t = t · (t − 1) = 0,


x→−t

da ansonsten eine Polstelle bei x = −t vorliegt. Also ist die Funktion für alle t = 0 und
t = 1 unstetig.
1. Fall: t = 0 Die Funktion g0 (x) ist stetig, wie bereits in (a) gezeigt wurde.
2. Fall: t = 1 Es gilt
x2 + sin(x + 1) − 1 x2 − 1 sin(x + 1)
lim = lim ( + )
x→−1 x+1 x→−1 x + 1 x+1
(x + 1) · (x − 1) sin(y)
= lim + lim
x→−1 x+1 y→0 y
sin(y)
= lim (x − 1) + lim
x→−1 y→0 y
= −2 + 1 = −1

und der Funktionswert an der Stelle x = −1 ist

1 − 2 · 1 = −1.

Somit ist die auch die Funktion g1 (x) stetig.

Also ist die Funktion gt stetig auf R für

t = 0 und t = 1.

Für alle anderen Werte von t ist die Funktion gt unstetig im Punkt x = −t.

6
3

–3 –2 –1 0 1 2 3
x
–1

–2

–3

Schaubild des Graphen der Funktion g0

view
2

–4 –2 0 2 x 4

–2

–4

Schaubild des Graphen der Funktion g 1


2

–3 –2 –1 1 x 2 3
0

–1

–2

–3

Schaubild des Graphen der Funktion g1

7
Aufgabe 56 (Wird im Hörsaal behandelt.)
Gegeben sei die Funktion f : (0, ∞) → (1, ∞), die durch

ex
y = f (x) := .
1+x

definiert ist.

1. Zeigen Sie: f ist bijektiv und besitzt eine differenzierbare Umkehrfunktion

f −1 : (1, ∞) → (0, ∞), y → x = f −1 (y).

2. Bestimmen Sie die Gleichung der Tangente an den Graph von f −1 mit Berührpunkt
(f (1), 1).

Lösung:

3
y
2

0 0.5 1 1.5 2 2.5 3


x
Schaubild der Funktion f (x)

1. f ist auf ganz (0, ∞) differenzierbar mit Ableitung

ex · (1 + x) − ex x · ex
f  (x) = = > 0.
(1 + x)2 (1 + x)2

Hieraus folgt die strenge Monotonie und damit die Injektivität der Funktion f .
Weiter gilt
e0
lim f (x) = =1
x↓0 1+0
und 2
ex 1 + x + x2
lim f (x) = lim ≥ lim = ∞.
x→∞ x→∞ 1 + x x→∞ 1+x

8
Wegen der Monotonie von f erhalten wir mit den gerade berechneten Grenzwerten

f ((0, ∞)) = (1, ∞)

und damit die Bijektivität der Funktion.


f ist auf dem ganzen Definitionsbereich injektiv und differenzierbar. Die Ableitung ist
stets = 0. Mit dem Satz über die Umkehrfunktion folgt sofort, dass f −1 auf (1, ∞) diffe-
renzierbar ist.

2. Nach dem Umkehrsatz gilt


1 4
(f −1 ) (f (1)) = = .
f  (1) e
Damit erhalten wir die Tangentengleichung im Punkt (f (1), 1) = ( 2e , 1),

y = m · x + b,

wobei die Steigung m durch 4


e
gegeben ist und der Punkt (f (1), 1) = ( 2e , 1) die Geraden-
gleichung erfüllen muss:
4 e
1= · + b ⇐⇒ b = −1.
e 2
Also ist die Tangentengleichung
4
y= · x − 1.
e

9
Aufgabe 57 (Wird im Hörsaal behandelt.)
Vorgegeben sei die Abbildung

f : [0, 4] → R, x → f (x) := max((x − 2)3 , cos( π·x


2
), 0)

1. Skizzieren Sie den Graphen der Abbildung f .

2. Ist die Abbildung f stetig?

3. Geben Sie die Menge D ⊂ [0, 4] aller Punkte x ∈ [0, 4] an, in denen die Abbildung f
differenzierbar ist, und berechnen Sie die Ableitung f  (x) in diesen Punkten.

4. Bestimmen Sie das Infimum und das Supremum der Abbildung f . Handelt es sich hier
auch um das Minimum, bzw. das Maximum der Abbildung f ?

Lösung:
Es gilt



⎪ cos( π·x ), falls 0 ≤ x ≤ 1,


2

f (x) = 0, falls 1 ≤ x ≤ 2,





(x − 2)3 , falls 2 ≤ x ≤ 4.

1. Skizze

0 1 2 3 4
x

10
2. Die Funktion ist stetig, da das Maximum stetiger Funktionen stetig ist.

3. Die Funktion ist offensichtlich differenzierbar in allen Punkten x ∈ [0, 4] \ {1, 2}. Weiter
gilt
π · x  π π · x x↑1 π
cos( ) = − · sin( ) → − = 0,
2 2 2 2

folglich ist die Funktion f im Punkt x = 1 nicht differenzierbar. Im Punkt x = 2 ist die
Funktion f wegen

lim 3 · (x − 2)2 = 0
x↓2

differenzierbar, und es gilt f  (0) = 0.

4. Es gilt

inf{f (x) : x ∈ [0, 4]} = 0 sup{f (x) : x ∈ [0, 4]} = 8

min{f (x) : x ∈ [0, 4]} = 0 max{f (x) : x ∈ [0, 4]} = 8

11
Aufgabe 58 (Wird im Hörsaal behandelt.)
Vorgegeben sei die Funktion f : [−1, 1] → R, x → y = f (x) := (1 − x2/3 )3/2 .

a) Zeigen Sie, dass die Funktion f in allen Punkten x ∈ [−1, 1] \ {0} differenzierbar ist, und
berechnen Sie die Ableitung in diesen Punkten.

b) Skizzieren Sie die Funktion f .

c) Stellen Sie in einem Punkt (x0 , y0 ) = (x0 , f (x0 )), x0 ∈ (−1, 1) \ {0} die Tangentenglei-
chung auf und berechnen Sie die Schnittpunkte dieser Tangente mit der x-Achse und
der y-Achse. Zeigen Sie weiter, dass die Länge des Tangentenabschnittes zwischen diesen
beiden Schnittpunkten eine Konstante (also unabhängig vom Punkt (x0 , y0)) ist.

Lösung:

1. f : [−1, 1] → R, x → y = f (x) = (1 − x2/3 )3/2 ,


für x = 0 gilt

f  (x) = 3
2
· (1 − x2/3 )1/2 · (− 23 ) · x−1/3 = −x−1/3 · (1 − x2/3 )1/2 .

2. Schaubild der ”Asteroide”

0.8

0.6

0.4

0.2

–1 –0.8 –0.6 –0.4 –0.2 0 0.2 0.4 x 0.6 0.8 1

Schaubild der Funktionen f (x) = (1 − x2/3 )3/2

12
1

0.5

–1 –0.5 0.5 1
x

–0.5

–1

Schaubild der ebenen Kurve (Asteroide) y 2/3 = (1 − x2/3 )


2/3
3. Es sei x0 ∈ (−1, 1) \ {0} und y0 = f (x0 ) = (1 − x0 )3/2 ,
Tangentengleichung
−1/3 2/3
y − y0 = −x0 · (1 − x0 )1/2 · (x − x0 )
√ 2/3 √
⇐⇒ 3 x0 · (y − y0 ) = −(1 − x0 )1/2 · (x − x0 ) = − 3 y0 · (x − x0 )
√ √
⇐⇒ 3 x0 · (y − y0 ) + 3 y0 · (x − x0 ) = 0.

Schnittpunkt der Tangente mit der y− Achse x = 0


√ √
3 x0 · (y − y0 ) = 3 y0 · x0
√ 2/3 2/3 2/3 2/3
⇐⇒ y = y0 + 3 y0 · x0 = (1 − x0 )3/2 + (1 − x0 )1/2 · x0
2/3 2/3 2/3 2/3
= (1 − x0 )1/2 · (1 − x0 + x0 ) = (1 − x0 )1/2 ,

der gesuchte Schnittpunkt lautet also



2/3
(x1 , y1 ) = (0, 1 − x0 ).

Schnittpunkt der Tangente mit der x− Achse y = 0


√ √
x0 · (−y0 ) + 3 y0 · (x − x0 ) = 0
3

√ √ √
⇐⇒ 3 y0 · x = 3 x0 · y0 + 3 y0 · x0
√ 2/3 √ 2/3 2/3 √
⇐⇒ x = 3 x0 · y0 + x0 = 3 x0 · (1 − x0 + x0 ) = 3 x0 ,

der gesuchte Schnittpunkt lautet also



(x2 , y2 ) = ( 3 x0 , 0).

Für die Bestimmung des Abstandes d((x1 , y1 ), (x2 , y2 )) der beiden Schnittpunkte ergibt
sich unter Verwendung des Satzes von Pythagoras
 
2/3 2/3
d((x1 , y1 ), (x2 , y2)) = (x1 − x2 ) + (y1 − y2 ) = x0 + 1 − x0 = 1.
2 2

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