1. Wortbildung
2. Wortentlehnung
3. Bedeutungswandel
4. Bildung von Phraseologismen
Allgemeine Lexikologie
Allgemeine Lexikologie untersucht
wort- und wortschatzbezogene
Phänomene, die für viele (die meisten)
Sprachen gelten.
M4 : L2 = DP + L1 – Urzeit
M6 : L2 = L1 + DS – Achtung
Bundesverfassungsgericht
101
PARADIGMATISCHE RELATIONEN
102
PARADIGMATISCHE RELATIONEN
103
PARADIGMATISCHE RELATIONEN
In paradigmatischen Beziehungen
zueinander stehen auch die
verschiedenen Flexionsformen eines
Wortes, da sie ein Flexionsparadigma
bilden.
104
SYNTAGMATISCHE RELATIONEN
105
Beispiel:
Während die syntagmatische Beziehung auf
horizontaler Ebene definiert wird, wird die
paradigmatische Beziehung auf vertikaler
Ebene definiert.
Monika → läuft → im → Park.
rennt
schläft
sitzt
spaziert
106
Unterscheidungskriterien
→ Syntagmatisch: durch Kombinierbarkeit
definiert (hier: Beziehung zwischen
Monika, läuft, im und Park)
↓ Paradigmatisch:a) durch
Austauschbarkeit definiert (hier: läuft,
rennt, schläft, sitzt...)
107
Arten der paradigmatischen
Relationen
108
Polysemie
Unter Mehrdeutigkeit/Polysemie versteht man
die Fähigkeit eines Wortes, mehrere
miteinander verbundene Bedeutungen zu
haben.
109
Polysemie
110
Beispiele der Polysemie
Himmel, der oder die (religiöser Ort, metaphysisches Jenseits)
Himmel, der (astronomischer Ort)
111
Homonyme
Homonyme sind Wörter mit verschiedenem Formativ
und völlig unterschiedlichen Bedeutungen.
▪Arm, der (Körperteil) und arm (Adjektiv - mittellos)
▪Elf, der (Märchengestalt) und elf (Zahl)
▪Fest, das (Feier) und fest (Adjektiv - beständig, hart)
▪Kiefer, die (Baum) und Kiefer, der (beweglicher Teil
des Gesichtsschädels)
▪Reif, der (Ring) und Reif, der (Eiskristalle) und reif
(Adjektiv - ausgereift)
▪sieben (Zahlwort) und sieben (Verb - durch ein Sieb
geben)
▪Strauß, der (Vogel) und Strauß, der (Blumengebinde) 112
Arten der Homonyme
Homographe - Lexeme mit gleicher Schreibung, aber
unterschiedlicher Lautung/Aussprache: Montage –
Montage, übersetzen, umfahren, Band
Homophone - Lexeme mit gleicher
Lautung/Aussprache, aber unterschiedlicher
Schreibung: Ställe – Stelle! – Stelle, Waise –Weise –
weise – Weise!, leeren – lehren – Lehren, Gäste – Geste.
Homographe und Homophone: lesen, die Schnur,
dichten, der Ball, der Kater, das Pferd, die Mutter
113
Wege der Entstehung der Homonyme
Auf phonetischem Wege – durch den Zusammenfall
etymologisch nicht verwandter Wörter: Seite/Saite;
Weise/Waise; der/das Tau; die/das Mark, der Ball
Ball1 m. ‘Kugel, Spielgerät’ (< 9. Jh.). Mhd. bal, ahd. bal
aus g. *ballu- m. ‘Ball, Kugel’
Ball2 m. ‘Tanzfest’ (< 17. Jh.). Entlehnt aus frz. bal, einer
Ableitung von frz. baller ‘tanzen’
Auf phonetisch-wortbildendem Wege: der/die Leiter,
der/das Messer, der/die Kunde
Auf semantischem Wege: das Schloss, pflegen, der
Flügel
114
Synonyme
Studienbuch Linguistik: Synonymie ist
eine paradigmatische Bedeutungsrelation
und zwar die der Bedeutungsähnlichkeit.
115
Synonyme
(SCHWARZ 1993: 54)
Synonymie ist die Bedeutungsgleichheit
zwischen Wörtern, wobei verschiedene
Wortformen dem gleichen Inhalt zugeordnet
werden.
„Wir können im Satz die Synonyme
vertauschen, ohne dass sich am Sinn oder
dem Wahrheitsgehalt des Satzes etwas
ändert.“
116
Synonyme
ALLAN (1986: 174)):
„Synonymie is a special case of semantic
implication, namely symmetrical
implication.“
117
Keine Synonymie:
Referenzidentität
Synonymie ist als Bedeutungsrelation im
mentalen Lexikon gespeichert, die
Referenzidentität nicht.
Goethe und der Verfasser von Faust
Nachbars Hund und Waldi, Köter, Flohhaufen
ein Student aus dem Seminar: der Student, der
Nachbar von..., der faule Mensch
bei Frege: Morgenstern/Abendstern
118
Keine Synonymie:
Ambiguität/Mehrdeutigkeit
– Was machst du wenn du im Dschungel eine
Schlange siehst?
– Ich stelle mich hinten an.
119
Synonymie als Teilungsprozess
120
Synonyme
Wie die Leute aus dem Leben scheiden
Der Gelehrte – gibt den Geist auf
Der Färber – ist verblichen
Der Maurer – kratzt ab
Der Romanschriftsteller – endet
Der Matrose – läuft den letzten Hafen ein
Der Pfarrer – segnet das Zeitliche
Der Schauspieler – tritt von der Bühne ab
Der Vegetarier – beißt ins Gras
Der Musiker – geht flöten
Der Schaffner – liegt in den letzten Zügen
Der Straßenfeger – kehrt nie wieder 121
2 Arten von Synonymen (V.
Vinogradov)
Vollständige Synonyme:
122
Vollständige Synonyme
123
Beispiele für vollständige
Synonyme
- Augenlid – Lid
- Beginnen – anfangen
- BRD - Bundesrepublik Deutschland
- Linguistik – Sprachwissenschaft
- Apfelsine – Orange
124
Territoriale Dubletten
Norden Süden
Sonnabend Samstag
Treppe Stiege
Junge Bub
arbeiten schaffen
125
Unvollständige Synonyme
126
Ideographische Synonyme
Unabhängige Synonyme:
127
Beispiele:
128
Kontextuale Synonyme
mehrere Bedeutungen
konkrete Bedeutung nur im Kontext
ersichtlich
129
Stilistische Synonyme
Besondere stilistische Färbung
- Wellen – Wogen
- Gesicht – Antlitz – Fratze – Frätzchen – Visage
- essen – fressen – speisen – genießen
- Kopf - Haupt
- jemandem ist etwas egal – gleich – gleichgültig –
wurst
130
Die Ursachen der Entstehung der
Synonyme:
1) Durch den Einfluß des fremden Wortgutes (Entlehnungen):
Anschrift – Adresse; Briefumschlag – Kuvert (n);
Fahrkarte – Ticket; Arbeit – Job;
2) Durch den Einfluß der Wortbildung:
das Bild – das Bildnis; der Lauf – das Laufen;
3) Durch die Beeinflussung der Mundarten
Kartoffeln – Erdäpfel; Streichholz – Zündholz
4) Durch euphemistische Umschreibungen
schwanger sein – guter Hoffnung sein; sterben –
einschlafen – einschlummern.
131
Funktionen der Synonyme:
1) Sie dienen zur Variation des sprachlichen
Ausdrucks, zur Ausdrucksverstärkung;
2) Sie geben eine zusätzliche Information,
indem sie das Gesagte konkretisieren;
3) Sie drücken eine subjektive Bewertung aus,
die die Einstellung des Sprechers zum
Gegenstand der Rede offenbart.
132
Synonymreihen
133
Beispiel: Synonymreihe
134
Antonyme
135
Antonymie (Kontrarität)
Schippan 1991:
"Die Negation eines Ausdrucks impliziert nicht
notwendigerweise die Behauptung des
anderen, sondern zwischen zwei
antonymischen Polen gibt es Übergänge.
heiß vs. kalt
warm vs. kühl
hübsch vs. häßlich
Mangel vs. Überfluss
136
Komplementarität bzw.
Kontradiktion
Schippan 1991: die polaren Lexeme
schließen einander aus.
Zwischenstufen sind nicht möglich. ...
Die Behauptung des einen impliziert
die Verneinung des anderen."
tot vs. lebendig
verheiratet vs. ledig
männlich vs. weiblich
137
Konversivität
Schippan 1991: Verben drücken die gleiche
Handlung unter gegensätzlichen
Sehweisen aus."
138
Reversivität
Lutzeier 1995: Der Anfangszustand des ersten
Geschehens der Endzustand des zweiten
Geschehens und der Endzustand des
ersten Geschehens der Anfangszustand
des zweiten Geschehens sein."
beladen vs. entladen
anbinden vs. abbinden (losbinden)
abdrehen vs. andrehen
139
Hyponynymie (Unterordnung) und
Hyperonymie (Überordnung)
Über- und Unterordnung von Begriffen, Hierarchie-
Beziehung von Wortbedeutungen unter verschiedenenen
Aspekten
übergeordneter Begriff: s Hyperonym
untergeordneter Begriff: s Hyponym
nebengeordneter Begriff: s Kohyponym
Die meisten unserer konkreten Nomina lassen sich
bestimmten Hyperonymen zuordnen:
Pflanze/Blume/Nelke
Lebewesen/Tier/Fuchs
Fahrzeug/Auto/BMW
140
Wortfamilien
141
Beispiel: Wortfamilie
142
Wortfelder
Von J. TRIER [1931] eingeführter Terminus zur
Bezeichnung einer Menge von sinnverwandten
Wörtern, deren Bedeutungen sich gegenseitig
begrenzen und die lückenlos (mosaikartig) einen
bestimmten begrifflichen oder sachlichen
Bereich abdecken sollen.
143
Wortfeld sterben
144
Wege der Bereicherung des
deutschen Wortschatzes
Die Wortbildungsarten im
Deutschen
Prof. Dr. Alla J. Paslawska
Das Ziel:
201
Die Ursachen der zeitlichen
Wortschatzentwicklung
• Bildung und Übernahme neuer lexikalischer
Einheiten (Neologismen)
• Rückgang oder Ausscheiden vorhandener
lexikalischer Einheiten (Archaismen)
Warum kommen neue Wörter?
Hauptgrund: Benennungsbedürfnis:
Beziehung, Produkte, Institutionen. Man
kann über die Realität nicht sprechen,
wenn sie sprachlich nicht verbalisiert ist.
203
Neue Wörter
Seit Kriegsende: 50 000 neue Wörter:
2/3 der Neubildungen: Kombination alter Wörter
(Machwerk):
Und so ein Machwerk wird auch noch zum Bestseller!
11% – Ableitungen (Unfäller, Betankung):
Die Betankung ist das Befüllen eines Kraftstoffbehälters mit einem
flüssigen oder gasförmigen Kraftstoff.
7% – eingedeutschte Fremdwörter (Computer,
mailen, checken).
Um 1910: 3,7 Mln.; Um 2000: 5,3 Mln. Wörter204
Bildung und Übernahme neuer
lexikalischer Einheiten
• Neologismen sind usuelle Bildungen.
• Okkasionalismen: sind nicht usualisiert;
einzeltextgebunden, nur potentielle
Wortschatzelemente
3 Arten von Neologismen:
• Neubildung (Neuschöpfung)
• Neubedeutung
• Neuwörter bzw. Entlehnungen
Neubildung
neue Lexeme, die auf dem Wege der Wortbildung
gebildet werden; häufigster Weg der
Entstehung neuer Wörter – ca. 83 % der
Neologismen
Hauptform der Neubildung ist die
Zusammensetzung – ca. 76 % der
Neubildungen
Neubedeutung
Zuordnung ist umstritten, neue Seme zu schon
vorhandenen Lexemen. Anteil der
Neubedeutungen an den Neologismen
beträgt ca. 12 %. Im Sprachgebrauch
besitzen diese Neusememe eine relative
Relevanz z.B. Wendehals (eigentlich ein
Vogel); Typ (Bezeichnung für einen Mann)
Phraseologische Neubildungen
• Jugendsprache - z. B. jmdm. auf den Keks
gehen (jmdm. äußerst lästig werden):
• "Du gehst mir mit deiner ewigen Fragerei gewaltig auf den
Keks!"
• Bock auf etw. haben (auf etw. Lust haben):
• "Ich hätte jetzt total Bock auf ein Eis!“
• Anglizismen - z. B. ganz down sein, golden
goal
• Medienausdrücke - z. B. außer Spesen
nichts gewesen; das ist der absolute
Hammer
Neuwörter bzw. Entlehnungen
lexikalische Einheiten, die aus anderen Sprachen
übernommen sind, aus Sicht der dt. Sprache
ummotiviert worden. – 5 % der Neologismen. Der
Großteil davon stammt aus dem Englischen bzw.
Amerikanischen.
Neologismen kann man auch onomasiologisch
klassifizieren, auf die Fachgebiete aufgeteilt, wo sie
auftreten: Wirtschaft: ca. 30%; Wissenschaft und
Technik: ca. 23%; gesellschaftl., polit. Leben: ca.
21%; Kultur, Sport, Bildung: ca. 23%
Im Alltagsleben treten kaum Neologismen auf, hier
verändert sich relativ wenig.
Beispiele für Neologismen 1
• Das Starterkit war ein Münzbeutel,
welcher vor Einführung des Euro in den
Banken der ursprünglich zwölf Staaten
erhältlich war. Es hatte den Nutzen, die
Bevölkerung in Europa mit dem Euro
vertraut zu machen und die Einführung -
vor allem des Münzgeldes - zu
erleichtern.
Beispiele für Neologismen 2
• Eine Babyklappe ermöglicht es Müttern in
Not, ihr Neugeborenes anonym zur Adoption
freizugeben. Eine Klappe dient als Erste-
Hilfe-Stelle, um ungewollte Kinder vor Tötung
oder Aussetzung zu schätzen. Zunehmend
richten gemeinnützige private und kirchliche
Organisationen und Krankenhäuser
Babyklappen ein. Wegen unklarer Rechtslage
sind sie umstritten.
Beispiele für Neologismen 3
• Ostalgie bezeichnet die Rückbesinnung auf
Dinge aus dem Alltagsleben in der
ehemaligen DDR. Der Begriff entstammt
einem Wortspiel aus den Worten “Osten" und
“Nostalgie" und wird an sich ohne feste
positive oder negative Konnotation
verwendet. Manche Ostalgiker empfinden es
aber als abwertend, wenn ihre Ansicht so
bezeichnet wird.
Archaismen
(griech. archaios – alt, veraltet)
• sind Lexeme oder Lexembedeutungen, die
von einer Gemeinschaft zu einem
bestimmten Zeitpunkt als veraltet und nicht
mehr zeitgemäß empfunden werden.
• Sie sind noch Bestandteile des Wortschatzes
mit abnehmenden und zunehmend
spezialisiertem Sprachgebrauch.
Der Prozess des Veraltens
• Neologismen und Archaismen sind parallele
Vorgänge.
• Das Veralten von Bezeichnungen und
Bedeutungen ist aber noch schwerer zu
beobachten.
Beispiele für Archaismen
Die Archaismen sind z.B. Minne (Liebe),
Wonne (Glück), Schulmeister (Lehrer),
Oheim (Onkel), beiten (warten), Váland
(Teufel), Schnurr (Schwiegertochter)
Gruonet der walt allenthalben.
wâ ist mîn geselle alsô lange?
der ist geriten hinnen.
owî! wer sol mich minnen?
Übersetzung:
Es grünt der Wald überall.
Wo ist mein Geliebter so lange?
Der ist fortgeritten.
O weh! Wer wird mich lieben?
(Carmina Burana, Sammlung von im
11. und 12. Jh. entstandenen Lied- und
Dramentexten.
Ліс зеленіє навколо
Немає коханого довго
Покинути мусив він хату
А хто ж мене має кохати?
Funktionen von Archaismen
Man verwendet die Archaismen, um etwas
hervorzuheben, bedeutender zu machen,
besser zu charakterisieren usw. Archaismen
haben eine Indizfunktion im Fall, wenn ältere
Leute sie in ihrer Rede gebrauchen. Sie
dienen dann als Indikatoren der sozialen
Differenz verschiedener Altersgruppen in einer
Sprachgemeinschaft (Cherubim 1988: 533);
Funktionen von Archaismen 2
Im spontanen Sprachgebrauch können Archaismen
Lebensumstände und Erfahrungen des Sprechers
signalisieren (Schippan 2002: 250);
• Archaismen werden auch aus ideologischen Gründen
gebraucht: z.B. der Gau – 1) großer landschaftlicher
Bezirk; 2) (im nationalsozialistischen Deutschland
regionale Organisationseinheit der NSDAP
• z.B. die Maid – iron. Mädchen
• - In der Presse und Publizistik verwendet man oft
Archaismen, um kritische und pejorative Expressivität
zu schaffen;
Funktionen von Archaismen 3
• Verwendung der Archaismen kann auch
einen ironischen oder pathetischen Akzent
haben, z.B. das Ross für das Pferd;
• Eine spezifische Funktion haben die
Archaismen in der Literatur: um Zeitkolorit zu
schaffen. Veraltete Ausdrücke und
Bezeichnungen für historische Gegenstände
helfen dem Leser sich die beschriebene
Situation und Umgebung vorzustellen.
Funktionen von Archaismen 4
227
Entlehnung: Definition
228
Entlehnungsarten
229
Ursachen der Entlehnung
Historischer Hintergrund:
231
Ursachen der Entlehnung: 1
Entlehnung mit der Sache:
z.B. in der Zeit der römischen Besetzung
wurde lateinisches Wortgut übernommen:
Straßenbau, Garten- u. Weinbau,
Militärwesen
Straße (spätlat. (via) strata – geplasterter Weg
– römische Heerstraße); Mauer (mūrus), Keller
(cellarium), Kammer (camera);
232
Ursachen der Entlehnung: 2
Kultureller Einfluss:
z.B. Christianisierung
Altar (lat. altare), Tafel (lat. tabula),
schreiben (lat. schribere)
Ritterwesen (französischer Einfluss)
Turnier, Reim, Tanz
233
Ursachen der Entlehnung: 3
Literarische Entlehnungen aus dem Lateinischen:
Lehnübersetzungen und Bedeutungsentlehungen:
Solis dies: Sonntag (ahd. sunnuntag)
Lunae dies: Montag (ahd. manatag)
Martis dies: Dienstag (ahd. ziostag)
Sturm im Wasserglas
(Cicero: fluctus in simpulo (dt.: Тurmflut im Schöpflöffel)).
234
Ursachen der Entlehnung: 4
Termini, Fachwortschätze
Philologie, Semasiologie, Phraseologie
235
Ursachen der Entlehnung: 5
236
Ursachen der Entlehnung: 6
Handelsbeziehungen:
Zucker, Alkohol aus dem Arabischen
Zobel, Zander, Vodka aus dem Slawischen
237
Klassifikation des Lehngutes
(Betz/König1998)
238
239
240
241
242
243
244
Direkte/indirekte Entlehnung
Direkte Entlehnung: durch Sachentlehnung,
literarischen u. kontaktive Übernahme
Indirekte Entlehnung: ein Wort über ein anderes
Land ermittelt wurde
Bsp.: Meeting, Festival aus dem Englischen über
das Russische
Rückentlehnung: germanisches/deutsches Wort
wurde von einer anderen Sprache übernommen
und kehrte von dort zurück: Hamburger
245
Lateinische Entlehnungen
1. Die "Erste lateinische Welle" (ca.50 v.Chr. -500 n. Chr.)
Erste römisch-germanischen Kontakte (von Christi Geburt bis
zum Beginn der Völkerwanderung nach dem Niedergang des
Römischen Imperiums)
Hausbau (Mauer-murus, Fenster-fenestra (Öffnung), Tisch-
discus (Schüssel), Keller-cellarium (Vorratsraum), Kammer-
camera (Gewölbe), Landwirtschaft (Wein-vīnum, Frucht-
fructus, Kohl-caulis, Kirsche/cerasa, Straße), alltägliches
Leben (Vater, Mutter-mater).
Handel: Markt, Kiste, Münze, kaufen. Tiere: Esel, Maultier.
Kochen: Küche (coquere), Koch (coquus).
Verwaltung und Recht: Kaiser < lat. Caesar, Kerker, Kette.
christliche Mission: Schreiber < scriban < scribere, Tinte
246 <
2. Die "Zweite lateinische Welle (ca. 500 - 800 n.
Chr.) Christianisierung
Angelsächsisch-fränkische Mission. Liturgischer
Bereich: Engel (griech. ängelos), Kreuz (lat. crux).
Messe, Chor, Schule, Tafel, Priester, Dom, Münster,
Kapelle, Kloster, Abt, Mönch, Nonne, Prälat (=
Klosterwesen), Beichte < ahd. bi-jiht (jehan 'sagen';
daher eine Lehnübersetzung aus lat. confessio),
Gewissen < lat. conscientia (Lehnübersetzung),
Samstag < ntl-gr. sábbton < hebr. sabbat= (andere
Formen: Satertag < Lehnübers. von lat. Saturni dies,
Sonnabend < Lehnübersetzung).
247
3. Humanismus - "Dritte lateinische Welle" (14.– 16.Jh.).
Das Latein ist die Sprache der Humanisten, Sprache der
Verwaltung und der Rechtssprechung. In der Literatur
erlebt das Latein im 15. Jh. einen Höhepunkt. Um 1500
sind 90 Prozent der Bücher in lat. Sprache abgefasst,
1570 sind es noch 70 Prozent. (1680 beträgt der Anteil
nur noch 50 Prozent und sinkt in der Folge weiter auf 28
Prozent 1740 und 17 Prozent 1770.) Latein dient als
Unterrichtssprache und wird für die gebildete Schicht
beinahe eine zweite Muttersprache.
Mit der Einführung des Latein als Gelehrtensprache grenzt
sich die gebildete Schicht (homines literati) von den
Ungebildeten (homines illiterati) ab. Die Sprache dient
der sozialen Differenzierung und als Prestigesymbol.
248
Französische Entlehnungen 1
1) Das Mittelalter 12.-14. Jh. im
Zusammenhang mit dem Einfluss des
französischen Rittertums.
Entlehnungen, die Kultur, Lebenshaltung und
höfisches Leben repräsentierten: Tanz,
tanzen, fein, klar, prüfen, Platz, Preis,
Palast, Turm.
249
Französische Entlehnungen 2
2) Vom (späten) 16. und im 17. Jh.
Einfluss des fr. Absolutismus durch den Adel, an
dessen Höfen Französisch gesprochen wurde und
wo das Frankreich des Sonnengotts (Ludwig
XIV.) Vorbild war. „Alamodezeit“: Galerie,
Loge, Fassade, Balkon, Nische, Terrasse,
Garderobe, Sofa, Frisur, Torte, Sauce, Dame,
Balett.
250
Französische Entlehnungen 3
251
Italienische Entlehnungen 1
1) 14. – 16. Jh. Handesbeziehungen Süddeutschlands zu
Oberitalien
Aus dem Italienischen sind entlehnt: Bankwesen (sämtliche
15. Jh.): Konto (< it. conta), Magazin, Bank (< it. banco),
brutto (< it. brutto), Kredit (< it. credito), Kapital (< it.
capitale), Bilanz (< it. bilancio 'Waage', 'Gleichgewicht');
Fernhandel: Kompass (< it. compasso; 15. Jh.), Post (< it.
posta; 16. Jh.), Strapaze (< it. strapezzo; 17. Jh.), Pirat (<
it. pirata; 15. Jh.); Kriegswesen: Alarm (< it. alarme; 15.
Jh.), Bastei (< it. bastione; 17. Jh.), Proviant (< it.
provianda; 15. Jh.); Speisen und Küche: Bankett (< it.
banchetto; 15. Jh.), Kartoffel (< it. tartuficolo; 17. Jh.),
Porzellan (< it. porzellana; 15. Jh.), Marzipan (< it.
marzapane; 16. Jh.), Pasta (< it. 'Teig'); 252
Italienische Entlehnungen 2
2) 17. – 18. Jh. Fachwörter der Musik
Oper, Konzert, Mandoline, Arie, Bariton, Duett,
Operette, Solo, Sopran, Chello
253
Englische Entlehnungen 1
1649 wird Karl I. im Zuge der Revolution hingerichtet, es
folgt ein kurzer Abschnitt unter Oliver Cromwell, eine
freiheitliche politische Struktur entsteht.
Die ersten Fremdwörter stammen oft aus dem Wortfeld des
Manufakturwesens.
Sprechen Engländer mit Gelehrten, so wird Latein
gesprochen, sprechen sie mit Hofleuten, so wird dem
Französischen der Vorzug gegeben. Göttingen und
Hamburg sind die Zentren des englischen Sprachkontakts.
Zum Englischen erscheinen weit weniger Grammatiken als
zum Französischen (s. o.). Goethe konnte relativ gut
Englisch. 254
Englische Entlehnungen 2
Bedeutend wird die engl. Sprache erstmals zur Zeit der
Empfindsamkeit durch den Ossian, Goldsmith,
Milton, Fielding u. a. Im Wörterbuch von Adelung
(1780er) gibt es aber noch kein einziges engl. Wort.
Früh entlehnt (vor 1740) werden Akte, Plantation,
Puritaner, Parlament, Punsch, Komitee, Rum,
elektrisch, zwischen 1740 und 1750 Nonsense,
Pantheismus, Ticket, ab 1750 folgen City, Club,
Closet, Bankomat, Meeting, Nationalcharakter,
negativ, positiv, Roastbeef, Ventilator, Virtuose.
255
Englische Entlehnungen 3
Der Einfluss des Englischen als Prestige- und
Bildungssprache, auch im Bereich der Werbungs-
und Jugendsprache.
Die Aussprache wird heute nur noch selten bei der
Entlehnung verändert (USA, lynchen). Einer der
größten Vorteile, den die Anglizismen mit sich
bringen, ist ihre Kürze und Prägnanz. Sie sind
handlicher (eigentlich sprachlicher) als viele dt.
Wörter (fit, boy, sex, box). Oft dienen
Anglizismen als Euphemismen: hostess, sex,
playboy.
256
Funktionen fremden Wortgutes
1. Verwendung als Terminus (eindeutig,
ohne Wertung)
2. Als Synonym (Station / Haltestelle,
Kollektiv / Team, Schriftsteller / Autor).
3. Als emotionell stärkerer Ausdruck
(attraktiv / anziehend, sensibel /
empfindsam).
4. als Euphemismus (WC-Manager, Callgirl)
257
Deutsche Begriffe als Fremdwörter
in anderen Sprachen
Im Bulgarischen: kartof (Kartoffel), shnitsel (Schnitzel), pauza
(Pause), vunderkind (wunderkind)
Im Englischen: bratwurst, poltergeist, realpolitik,
fräuleinwunder, zugzwang
Im Französischen: le berufsverbot, le doppelgänger, la
choucroute (Sauerkraut), la weltanschauung
Im Finnischen: besserwisser(i), kaffipausi (Kaffeepause), pullo
(Pulle für: Flasche), wursti (Wurst)
Im Italienischen: lo jodler (Jodelgesang), la schadenfreude, lo
stoccafisso (Stockfisch), il kindergarten, il kitsch
Im Polnischen: buda (Bude), elwa (Elfer = Elfmeter im
Fußball), hochsztapler, kumpel, szajs (Co to za szajs! (ugs.)
– im Sinn von "Was für ein Scheiß!")
258
Im Türkischen: laytmotif, haymatlos, otobahn (Autobahn)
Literaturliste
Akulenko,
Akulenko, V.V.:
V.V.: Nimec'kyj
Nimec'kyj vplyvvplyv na
na rozvytok
rozvytok ukrajins'koji
ukrajins'koji movy.
movy. Problemy
Problemy metodologiji.
metodologiji. In: In: Movoznavstvo
Movoznavstvo 1997,1997, 1,
1, S.
S. 12-19.
12-19.
Bestcrs-Dilger,
Bestcrs-Dilger, J. J. Deutsche
Deutsche lexikalische
lexikalische Entlehnungen
Entlehnungen im Ukrainischen. Zur Frage der polnischen Vermittlung und heutigen Aktualität. In: Pospíšil, Ivo (Hrsg.):
Crossroads
Crossroads of of Cultures:
Cultures: Central
Central Europe.
Europe. Brno
Brno 2002,
2002, S.
S. 25-51
25-51 (= (= Litteraria
Litteraria Humanitas
Humanitas XI). XI).
Höfinghoff,
Höfinghoff, M.:M.: Deutsche
Deutsche Entlehnungen
Entlehnungen im im Ukrainischen
Ukrainischen an an der
der Wende
Wende vomvom 19.19. zum
zum 20.
20. Jahrhundert.
Jahrhundert. Bestand
Bestand undund Entwicklung
Entwicklung bis bis zur
zur Gegenwart.
Gegenwart. Broschiert,
Broschiert, 2006.
2006
Hrincenko,
Hrincenko, B.:B.: Slovar'
Slovar' ukrajins'koji
ukrajins'koji movy,
movy, t.t. I-IV,
I-IV, Kyjiv
Kyjiv 1907
1907 -- 1909.
1909.
Kaestner,
Kaestner, W.:W.: Die
Die deutschen
deutschen Lehnwörter
Lehnwörter im im Polnischen,
Polnischen, I. I. Teil:
Teil: Einleitung
Einleitung undund Lautlehre.
Lautlehre. Leipzig
Leipzig 1939
1939 (=
(= Veröffentlichungen
Veröffentlichungen des des Slavischen
Slavischen Instituts
Instituts an
an der
der
Friedrich-Wilhelm-Universität
Friedrich-Wilhelm-Universität Berlin Berlin 23).
23).
Kobyljans'kyj,
Kobyljans'kyj, B. B. V.:
V.: Do
Do vyvcennja
vyvcennja hermanizmiv
hermanizmiv ta ta polonismiv
polonismiv vv ukrajinskij
ukrajinskij movi.
movi. In:
In: Movoznavstvo
Movoznavstvo 1976, 1976, 6,
6, S.
S. 31-35.
31-35.
Kocergan,
Kocergan, M.P.:
M.P.: Nimec'ki
Nimec'ki leksycni
leksycni zapozycennja
zapozycennja vv pivdenno-zachidnych
pivdenno-zachidnych hovorach hovorach ukrajins'koji
ukrajins'koji movy.
movy. In:In: Movoznavstvo
Movoznavstvo 1997,1997, 1,
1, S.
S. 19-23.
19-23.
Kuzelja,
Kuzelja, Z./Cajkivs
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260
Gegenstand und Terminologie
SS 2017 261
Syntaktische, stilistische und semantische
Vielfalt der Phraseologismen
mit dem Feuer spielen
j-n übers Ohr hauen
im Adamskostüm sein
die verbotene Frucht
Auge um Auge, Zahn um Zahn
Die Zeit ist der beste Arzt.
Eulen nach Athen tragen
wie aus dem Ei gepellt
seinen Friedrich Wilhelm daruntersetzen
SS 2017 262
Phraseologie im engeren Sinne
Phraseologismen (Phraseme,
Phraseolexeme, Redewendungen oder
Idiome) sind nichtsatzwertige Wortgruppen
mit unterschiedlicher syntaktischer Struktur
und mehr oder weniger ausgeprägter
Umdeutung der Komponenten.
SS 2017 263
Phraseologie im weiteren Sinne
alle festen Wortverbindungen, darunter
Kollokationen, Sprichwörter, Zitate,
kommunikative Formeln, Kinegramme usw.):
Bäume wachsen nicht in den Himmel.
Liebe, sagt man, lehrt sogar die Esel tanzen
(Romain Rolland)
SS 2017 264
Phraseologismen oder freie
Wortgruppen
Bahnhof verstehen
=>nur phraseologisch: nichts verstehen
jm den Zahn ziehen
=>frei: wörtliche Bedeutung
=> phraseologisch: jn einer Illusion berauben
der rote Faden
=> frei: wörtliche Bedeutung
=> phras.: der leitende Gedanke
SS 2017 265
Aktualisierung beider Bedeutungen
Das ist mein voller Ernst", sagte die Ehefrau, als sie
gegen drei Uhr nachts ein Poltern im Treppenhaus
hörte.
Kommt ein Pferd in die Kneipe. Fragt der Wirt:
"Warum so ́n langes Gesicht?"
Ich installiere gerade Windows, was soll ich drücken?
- Am besten beide Daumen ...
- Ich habe Probleme mit dem einschlafen.
- Mir hilft es, wenn ich bis drei zähle.
- Hilft das wirklich?
- Na ja... Manchmal zähle ich bis halb vier...266
Merkmale der Phraseologismen
SS 2017 268
2. Das Kriterium der Idiomatizität
Die Idiomatizität ist die Umdeutung, die
semantische Transformation, die die
Komponenten im Phraseologismus
erfahren.
(1) Hans hat bei seinem Vater ein Auto in der
Garage.
(2) Hans hat bei seinem Vater einen Stein im
Brett.
SS 2017 269
Die Interpretationsbreite
Die Mutter hat gestern Abend dem Jungen den Kopf
gewaschen.
Lesart l: Wörtliche Bedeutung:
Lesart 2: Idiomatische Bedeutung: Die Mutter hat
gestern Abend den Jungen gescholten.
Tertium comparationis, ein gemeinsames Drittes.
Reinigung
Lesart l: des Haares, des Kopfes
Lesart 2: der Atmosphäre, Beseitigung der Spannung
Metapher
SS 2017 270
Arten der Idiomatizität
a) Durchsichtige Metaphorisierungen
weg vom Fenster sein – etwas verpassen; nicht
dabei sein;
jn vor die Tür setzen – jemanden entlassen /
hinauswerfen
passen wie die Faust aufs Auge – nicht
zusammenpassen
auf dem Teppich bleiben – realistisch denken; bei
der Wahrheit bleiben;
eine lahme Ente sein –SS langsamer
2017 Mensch 271
Arten der Idiomatizität
b) Undurchsichtige Metaphorisierungen
einen Narren an jm gefressen haben
jemanden / etwas sehr mögen / bevorzugen /
kritiklos schätzen
alle(s) über einen Leisten schlagen
nicht differenzieren; keine Unterschiede machen;
alles gleich behandeln
auf dem Holzweg sein
sich irren
SS 2017 272
Grade der Idiomatizität
a) Vollidiomatische Phraseologismen
kein Blatt vor den Mund nehmen – offen sein, direkt reden
nach jemandes Pfeife tanzen – j-m gehorchen, folgen
b) Teilidiomatische Phraseologismen
von Tuten und Blasen keine Ahnung haben – etw nicht
wissen oder können
jm etw hoch und heilig versprechen – etw fest,
nachdrücklich versprechen
Mund und Nase aufsperren – als Zeichen des Erstaunens
mit offenem Mund dastehen
aus der Schule plaudern – interne Dinge oder
Geheimnisse ausplaudernSS 2017 273
Die Vergleichsrelation der Metapher
j-m. auf die Nerven gehen/fallen – jmdm. lästig
werden
etw. unter den Hammer bringen – etw. versteigern
bis an die Zähne bewaffnet sein – schwer bewaffnet
sein
Die Ersatzrelation der Metonymie
in die Röhre gucken – nichts
abbekommen/fernsehen
(sich) seine Brötchen verdienen – den
Lebensunterhalt verdienen
SS 2017 274
Idiomatizität und Konnotation
A) Die emotionalen Bedingungen des Phrasemgebrauchs
scherzhaft:
im Adamskostüm sein nackt sein
nur noch in den Gräten hängen sehr abgemagert sein
ironisch:
passen wie die Faust aufs Auge
Da blieb kein Auge trocken.
nicht nein sagen können
verhüllend:
ums Leben kommen sterben
Freund Hein der Tod
Tüten kleben müssen Niedriglohnjob haben, im Gefängnis sitzen
SS 2017 275
Idiomatizität und Konnotation
B) Die kommunikative Ebene des Phrasemgebrauchs
umgangssprachlich:
über alle Berge sein weit weg sein
leben wie Gott in Frankreich angenehm leben; das Leben genießen
offiziell:
in Amt und Würden seineinen Posten bekleiden;
Ein Amt bekleiden einen Posten bekleiden;
Dienst nach Vorschrift verrichten alles pedantisch machen
feierlich, gehoben:
jn zu Grabe tragen
den bitteren Kelch bis zur Neige leeren müssen bis zum Ende
derb, vulgär
jm die Fresse polieren jemanden verprügeln
zum Kotzen sein schlimm / unerträglich sein
Beweg deinen Arsch / Hintern! Beweg dich! 276
Hummeln im Hintern / Arsch haben nicht still sitzen können
Idiomatizität und Konnotation
C) Die Funktionsbereiche des Phrasemgebrauchs
juristisch:
etw unter Beweis stellen
Medizin, Pflege:
örtliche Betäubung
wieder auf den Beinen sein
Militär:
Krieg ist Krieg
der kalte Krieg
die fünfte Kolonne
Sport:
ein Eigentor schießen SS 2017 277
Idiomatizität und Konnotation
D) Die soziale Geltung des Phrasemgebrauchs
Jugendsprache:
etw auf der Pfanne haben: etwas (Geheimes) vorhaben
einen Sprung in der Schüssel haben: leicht verrückt sein
das ist fett: ist toll
einen Schuh machen: abhauen
der Laden ist gepackt: die Disco ist brechend voll
kannst du in die Tonne treten: vergiss es
Koteletts ans Ohr quatschen: jemandem hartnäckig zureden
lass uns den Lift nehmen: mit dem Auto fahren
macht mal einen Kreis: hört zu
SS 2017 278
Familie:
ein Bäuerchen machen rülpsen (bei Babys)
klein machen (müssen) pinkeln
Bildungssprache:
wie ein Damoklesschwert über j-m hängen
einer ständigen Bedrohung ausgesetzt sein
SS 2017 279
Idiomatizität und Konnotation
E) Die Regionalität des Phrasemgebrauchs
berlinisch:
etw aus Daffke tun etw. aus Trotz, ohne besonderen Grund tun
norddeutsch:
alles in Klump schlagen etwas zerstören
ostmitteldeutsch:
auf der Plauze liegen krank sein
schweizerhochdeutsch:
ein Extrazüglein fahren auf eigene Faust vorgehen
österreichisch:
sich ziehen wie ein Strudelteig sich in die Länge ziehen
SS 2017 280
Idiomatizität und Konnotation
F) Die Zeitgebundenheit des Phrasemgebrauchs
Archaismen:
den Bund der Ehe eingehen
in Ermangelung eines besseren
von der Wiege bis zur Bahre
SS 2017 281
Die zentralen Idiomatisierungs-
strukturen des Deutschen
Partizip + sein (+ ...)
verkauft und verraten sein von allen im Stich gelassen sein
Partizip + haben {+ ...)
etw ausgefressen haben einen Schaden anrichten
... werden
jm zu bunt werden jemandes Geduld ist zu Ende
zum + substantivierter Infinitiv (+
zum Anbeißen (sein) jemand ist schön / reizend / sexy
Infinitiv + Modalverb
nicht bis drei zählen können dumm sein
etw ausbaden müssen für ein unangenehmes Ereignis die
Folgen tragen müssen
SS 2017 282
Das Kriterium der
Stabilität/Fixiertheit/Festigkeit
a) an morphosyntaktischen Irregularitäten
- unflektierte attributive Adjektive im Phraseologismus:
auf gut Glück – ohne Gewissheit eines Erfolges,
sich lieb Kind machen – sich bei jemandem einschmeicheln
- Voranstellen des attributiven Genitivs:
auf des Messers Schneide stehen – in einer bedrohlichen /
gefährlichen Lage
des Pudels Kern – der wahre / eigentliche Sachverhalt
- Einschränkungen im Artikelgebrauch:
vor (Ø) Ort sein – am Ort des Geschehens
SS 2017 283
Das Kriterium der
Stabilität/Fixiertheit/Festigkeit
b) an mophosyntaktischen und lexikalisch-
semantischen Restriktionen
- keine prädikative Verwendung attributiver
Adjektive:
das ist kalter Kaffee ? * Der Kaffee ist kalt.
(phraseologische Bedeutung verloren)
- keine Transformation des attributiven Adjektivs
in einen Relativsatz: *der Kaffee, der kalt ist
- keine Pluralbildung: *Das sind kalte Kaffees
SS 2017 284
Die Stabilität nichtidiomatischer
Konstruktionen
die Hand heben
Bericht erstatten
eine Erlaubnis einholen
keinen Aufschub dulden
Spaß machen
SS 2017 285
Kollokationen oder
Nominationsstereotype
a) Nichtidiomatisierte Wortpaare:
Tag und Nacht rund um die Uhr
Bruder und Schwester Geschwister
b) Sprechaktgebundene phraseologische Einheiten
oder Sprechaktformeln (-klischees)
Das kann doch nicht wahr sein!
Unberufen, toi, toi, toi!
c) Sprüche:
Vorsicht ist die MutterSSder
2017
Porzellankiste 286
d) Formelhafte Ausdrücke aus der Welt der Massenmedien:
nach dem Fall der Mauer
Thema Nummer eins sein
an der Tagesordnung sein
e) Stehende Epitheta
gesunder Menschenverstand
frische Luft
ein eingefleischter Junggeselle
SS 2017 287
f) Terminologische Benennungsstereotype
a) Nichtidiomatisierte Termini:
der Eiserne Vorhang
der wunde Punkt
der kalte Krieg
b) Idiomatisierte Termini:
leichte Kost
eine harte Nuss
eine kalte Dusche
ernste Absichten
SS 2017 288
3. Das Kriterium der Lexikalisierung
und Reproduzierbarkeit
Die Speicherung eines Phraseologismus im
mentalen Lexikon bezeichnet man als
Lexikalisierung.
Er ist als Einheit mental gespeichert und kann
auch als ganzer wieder abgerufen werden.
Dieses Wiederabrufen wird als
Reproduzierbarkeit bezeichnet.
SS 2017 289
Das Schiff ist mit Mann und ? untergegangen.
vollständig
Peter und Susanne halten wie Pech und ?
zusammen. unzertrennlich
SS 2017 290
Die strukturelle Klassifikation
der Phraseologismen
SS 2017 291
Phraseologismen mit besonderen
syntaktischen Strukturen
a) Phraseologisierte Teilsätze
wissen, wo der Schuh drückt
nicht wissen, wo einem der Kopf steht
b) Komparative Phraseologismen
Verb oder Adjektiv/Adverb + wie + Substantiv:
dumm wie Bohnenstroh
arm wie eine Kirchenmaus
schwarz wie die Nacht
aussehen wie eine gebadete Maus
schwimmen wie eine bleierne SS 2017 Ente 292
Verb + wie + Partizip:
sich fühlen wie gerädert
dastehen wie bestellt und nicht abgeholt
Verb + wie + Satz:
reden, wie einem der Schnabel gewachsen ist
d) Substantiv + wie:
ein Kerl wie ein Baum
c) Phraseologische Wortpaare
SS 2017 293
Substantive
das Wohl und Weh jemandes Schicksal
Knall auf Fall plötzlich
Verben:
hegen und pflegen etwas sorgfältig behandeln
Adjektive/Adverbien:
fix und fertig
kurz und bündig
SS 2017 294
Pragmatische Klassifikation nach
Harald Burger 1998
SS 2017 295
Klassifikation
der Phraseologismen (H. Burger)
SS 2017 297
Nominative Phraseologismen
1. Idiome. Idiomatische Phraseologismen:
den Teufel an die Wand malen
2. Teilidiome. Teilidiomatische
Phraseologismen: dumm wie
Bohnenstroh
3. Nicht- bzw. schwachidiomatische
Phraseologismen: sich die Zähne putzen.
SS 2017 298
Propositionale
Phraseologismen
1. Feste Phrasen: jmds. Thron wackelt
(Subjekt + finites Verb).
2. Topische Formeln:
a) Sprichwörter:
Der Teufel ist nicht so schwarz, wie man ihn
malt
b) Gemeinplätze:
Man lebt ja nur einmal.
SS 2017 299
Syntaktische Klassifikation
1) Phraseologismen, die kleiner als ein Satzglied
sind (im Laufe, ohne zu)
2) Satzgliedwertige Phraseologismen
ein armer Teufel – ein Bettler, ein armseliger
Mensch; Haus und Hof – jmds. gesamter
Besitz
3) Phraseologismen, die einem Satz oder einer
noch größeren Einheit entsprechen
Da liegt der Hase im Pfeffer – hier ist die
Ursache der Schwierigkeit
SS 2017 300
Semantische Klassifikation
1) Idiome (bzw. vollidiomatische
Phraseologismen),
mit jmdm. ein Hühnchen zu rupfen haben –
jmdn. wegen etwas zur Rechenschaft ziehen).
2) Teilidiome
einen Streit vom Zaun brechen – einen Streit
beginnen, provozieren;
3) Nichtidiomatische Phraseologismen
die Zähne putzen, hin und her
SS 2017 301
Paradigmatische Relationen im
Phraseolexikon
Synonyme: reizen, verärgern
jn auf die Palme bringen
der Kragen platzt jm
jm auf die Nerven gehen
jm die Krallen zeigen
Synonyme: Verrücktheit
eine Meise haben
einen Knall haben
nicht alle Daten im Speicher haben
bei jm piept's SS 2017 302
Paradigmatische Relationen im
Phraseolexikon
Antonyme
mit dem Strom schwimmen=>gegen den Strom schwimmen
aber
nicht alle Tassen im Schrank haben
*alle Tassen im Schrank haben
Antisprichwort
Wer A sagt, muss auch die weiteren Raten zahlen.
Jedem das seine! Jedem die Seine!
Ein Unglück kommt selten allein.
Ein Zwilling kommt selten allein.
SS 2017 305
Phraseologie im weiteren Sinne
Sagwörter (Wellerismen)
Alter schützt vor Torheit nicht, sagte die Greisin,
und ließ sich liften.
SS 2017 306
Phraseologie im weiteren Sinne
Geflügelte Worte
Vita brevis, ars longa. Das Leben ist kurz, lang die Kunst.
Omnia vincit amor. Alles überwindet die Liebe.
Коні не винні
Караюсь, мучусь, але не каюсь.
Всякому городу нрав і права.
Grau, teurer Freund, ist alle Theorie.
Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral.
Vom Winde verweht.
La dolce vita.
Im Westen nichts Neues. SS 2017 307
Keine Phraseologismen?
Valenzstrukturen
jm einen Brief schreiben
jm etw schenken
Funktionsverbgefüge (Streckformen des Verbs)
etw in Gang setzen
in Gang bringen
im Gange sein
durativ in Verbindung/Beziehung stehen
inchoativ Herzklopfen bekommen, ins Rollen kommen
kausativ ins Rollen bringen, in Bewegung setzen
SS 2017 308
Literatur 1
Баран Я.А. Основні питання загальної та німецької
фразеології. – Л., 1980.
Гаврись В.Г., Пророченко О.П. Німецько-український
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словник-довідник на основі існуючої фразеології
німецької мови з перекладом прикладів на українську та
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Burger H. Phraseologie. Eine Einführung am Beispiel des
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Duden, Bd. 11: Redewendungen und sprichwörtliche
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Fleischer, Wolfgang: Phraseologie der deutschen
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Iskos A., Lenkowa A. Deutsche Lexikologie. – Leningrad:
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Oguy O. D. Lexikologie der deutschen Sprache. Winnyts’a:
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Römer Chr., Matzke B. Lexikologie des Deutschen. Eine
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Schippan Th. Lexikologie der deutschen
Gegenwartssprache. Tübingen:
SS 2017 Niemeyer, 1992. 310
Lexikographie
333
Worum es in dieser Vorlesung geht?
Natürliche Sprache sind heterogen
Man spricht von der Standartsprache,
Dialekten, Umgangssprachen,
Fachsprachen, Sondersprachen usw.
Die Erscheinungs- bzw. Existenzformen
der Sprache werden in der
Sprachwissenschaft Sprachvarietäten
genannt.
334
Sprachvarietäten
Sprache ist den verschiedenartigen
Bedingungen der gesellschaftlichen
Kommunikation angepasst und so bilden sich
ihre besonderen Erscheinungsformen heraus.
„Konzept der inneren Mehrsprachigkeit“
(von H.Henne) - man spricht zu Hause und im
Beruf oder in der Öffentlichkeit verschiedene
Sprachen.
Code-Switching / Sprachwechsel – Man
wechselt von der Alltagssprache zur
Feiertagssprache, von der Kultursprache zur
Vulgärsprache. 335
I. Schriftsprache
Die allgemeingültige Erscheinungsform der
deutschen Sprache wird in der Germanistik
traditionell Schriftsprache genannt.
Dieser Terminus meint auch die gesprochene
Sprache und ist durch die Geschichte dieser
Erscheinungsform bedingt.
336
Einigung in der Schreibung
337
Schriftsprache als Norm
Die Schriftsprache ist normalisierte Form,
bzw. präskriptive Norm der deutschen
Sprache, die gesprochen wird: auf der
Bühne, im Funk, im Film, am Rednerpult,
im offiziellen Gespräch; die geschrieben
wird: in der schöngeistigen und
wissenschaftlichen Literatur, in der
Presse, im amtlichen Brief.
338
Literatursprache
Anfang der 60-er Jahre wurde für die
Schriftsprache die Bezeichnung
Literatursprache von der Germanistik
der DDR übernommen.
339
Hochsprache
Die Realisierung der Norm nennt man
Hochsprache; sie ist also eine
aktivisierte Schriftsprache mit gewissen
landschaftlichen Färbungen.
340
Kultur- vs. Standardsprache
Sie ist die Sprache der kulturellen
Funktion, also Kultursprache
neuerdings auch Standardsprache
genannt.
341
Gemeinsprache
Sie überwindet die landschaftliche und
soziale Begrenztheit und ist damit die
Einheitssprache oder
Gemeinsprache.
342
II. Umgangssprache
Eine weitere Erscheinungsform, die mit
gewissen Einschränkungen zu den
gemeinsprachlichen Formen gehört, ist die
Umgangssprache – eine Mittelstellung
zwischen Literatursprache und Mundart.
Beispiele: nachgucken, süß, niedlich, doof,
bescheuert, beschissen, Mist, einen Schiss
kriegen, Mensch!, Mann!, na und?, kotzen,
kacken, Klamotten
343
Merkmale der Umgangssprache
344
Typen der Umgangsprache
1) hochdeutsche bzw. literarische
Umgangssprache der Gebildeten (weist
einige landschaftliche Eigenheiten auf);
2) großlandschaftliche Umgangssprachen;
3) kleinlandschaftliche Umgangssprachen
(in einem kleineren Gebiet üblich,
enthalten mundartliche Merkmale).
345
Ursachen
Bedeutende territoriale und landschaftliche
Unterschiede in Lexik und Phraseologie der
Umgangssprache gehören zu den Eigenarten
der d. Sprache.
Die historischen und sprachsoziologischen
Ursachen für diese Eigenart liegen in den
Besonderheiten des Entwicklungsprozesses
der d. Nation und der d. nationalen Schrift-
und Gemeinsprache.
346
Gründe der späten Herausbildung
der deutschen Nation und ihrer
Nationalsprache
1. Das Scheitern der frühbürgerlichen
Revolution (der Reformation des 16.
Jhs.),
2. die darauffolgende feudale
Zersplitterung,
3. der erst im 18. Jh. einsetzende
Aufstieg der Produktivkräfte
4. späte Bildung des einheitlichen
kapitalistichen Staates (1871). 347
Das Diasystem der
Sprachvarietäten nach
Coseriu
Diaphasische Unterschiede / funktionale
Sprachvarietäten, Funktiolekte
Diatopische Unterschiede
(raumgebundene) / Dialekte, Regiolekte
Diastratische Unterschiede (an eine
soziale Gruppe gebundene) / Soziolekte
348
Diaphasische Unterschiede
349
Diatopische Unterschiede
350
Diastratische Unterschiede
Die soziale Gliederung des Wortschatzes ist durch die
Art der sozialen Beziehungen bestimmt.
Klassische soziale Parameter:
- Schicht / soziale Herkunft
- Berufszugehörigkeit
- Alter
- Geschlecht
- Ethnie (ethnische / regionale / kulturelle
Herkunft)
351
Soziale Differenzierung des
Lexik
Allgemeinwortschatz Sonderwortschatz /
- die Lexik, die von gruppenspezifischer
allen Wortschatz
Sprachbenutzern - die Lexik, in der sich
verstanden und Beruf, Alter,
gebraucht wird. Geschlecht, Interessen
des sozialen Trägers
sprachlich auswirken.
352
Alterssprachen
Kindersprache (Erstspracherwerb, bis ins
Vorschulalter)
Schüler- und Jugendsprache (Schwerpunkte bei
den Wertausdrücken fett, geil, Personen- und
Gruppenbezeichnungen Zeus, Macker,
provokanten Lexemen, Tabuwörtern, Wortspielen
Er ist in Topf-Form)
Erwachsenensprache während der
Berufstätigkeit (gilt als Normalstufe)
Seniorensprache (starke Frequenz der veralteten
Lexeme, häufiger Gebrauch der Phraseologismen
353
Fachsprachen
sind die Sprachvarietäten, die Fachleute
sprechen, wenn sie über Fragen und
Gegenstände ihres Faches reden.
Man unterscheidet fachinterne (Arzt –
Arzt), interfachliche (Arzt – Psychologe)
und fachexterne Kommunikation (Arzt –
Patient).
354
Merkmale von Fachsprachen:
sie beeinflussen die Standartsprache heute
wesentlich (standartsprachliche
Verwissenschaftlichung), z.B. Fremdwörter.
sie kennen keine eigene Grammatik, Syntax.
Besonderheiten der FS:
- Passiv und Passivsynonyme,
- Satzglieder anstelle Gliedsätze,
- Nominalisierung von Verben und Adjektiven.
355
Deutsch [ahd. diutisc volksmäßig,
zu diot(a) ‚Volk’]
Zum westgermanischen Sprachzweig des
Indoeuropäischen zählende Sprache, die in
verschiedenen Dialektvarianten von ca. 100
Millionen Sprechern in Deutschland,
Österreich, der Schweiz, Liechtenstein,
Elsaß, Südtirol, Luxemburg u a. als
Muttersprache gesprochen wird.
Hochdeutsche
Lautverschiebung
Stimmlose Verschlusslaute [p,t,k] je nach
Stellung wurden zu Reibelauten oder
Affrikaten verschoben
vgl. engl. ship,foot, book
dt. Schiff, Fuß, Buch
bzw. engl. apple, sit
dt. Apfel, sitzen.
Sprachen als Muttersprache:
1. Chinesisch (1000)
2. Englisch (350)
3. Spanisch (250)
4. Hindi (200)
5. Arabisch (150)
6. Bengali (150)
7. Russisch (150)
8. Portugiesisch (135)
9. Japanisch (120)
10. Deutsch (100)
Sprachen als Amtssprachen
1. Englisch (1400)
2. Chinesisch (1000)
3. Hindi (700)
4. Spanisch (280)
5. Russisch (270)
6. Französisch (220)
7. Arabisch (170)
8. Portugiesisch (160)
9. Malaiisch (160)
10. Bengali (150)
11. Japanisch (120)
12. Deutsch (100)
Die Top 10 der Deutschlerner
Russische Föderation: 4 657 500
Polen: 2 202 813
Frankreich: 1 603 813
Ukraine: 1 235 647
Variation in der Sprache
Unter Variante verstehen wir
unterschiedliche Realisierungen
abstrakter linguistischer Einheiten auf
allen Beschreibungsebenen.
Sprachebenen der Variation
Photo-Foto, Graphik-Grafik (graphisch)
Phonem r als Zungenspitzen-r (dental-alveolar),
Zäpfchen/Rachen-r (uvular), sowie den
Gaumen-Hinterzungen, sog. Reibe-r
(phonetisch)
Dativendung (am Tage danach - am Tag einmal)
(morphologisch)
Suffixe Schönheit, Übelkeit, Schnelligkeit
(derivativ)
Sprachebenen der Variation 2
fegen – kehren, Sonnabend - Samstag,
Fleischer - Metzger, Brötchen - Semmel,
(lexikalisch)
wegen des Regens – weil es regnet
(syntaktisch)
Deutsch als plurizentrische
Sprache
Die plurizentrische Auffassung des
Deutschen bedeutet, dass sprachliche
Besonderheiten nationaler Zentren nicht als
Abweichungen von einer
nationenübergreifenden deutschen
Standardsprache gelten, sondern als
gleichberechtigt nebeneinander bestehende
standardsprachliche Ausprägungen des
Deutschen. (Ammon 2004: XXXII)
Varietäten des Deutschen
mediale Aspekte – gesprochene und
geschriebene Sprachvarietäten
nationale Aspekte – nationale Varietäten
regionale Aspekte – regionale
Gebrauchsstandards
diatopische, diastratische und
diaphasische Varietäten.
Mediale Varietäten
gesprochene (mündliche) und
geschriebene (schriftlich fixierte)
sprachliche Formen.
Sprachliche Merkmale der
gesprochenen Sprache:
- reduzierter Wortschatz,
- hohe Frequenz an Wiederholungen,
- keine vollständigen Sätze,
- phonetische Reduzierungen
- sprunghafter thematischer Verlauf,
- häufiger Gebrauch von nonverbalen Mitteln
als Ersatz verbaler Äußerungen,
- häufiger Gebrauch von Umgangssprache
und Dialekt.
Nationale Varianten des Deutschen
Apfelsine (= Orange) nur in Deutschland
gebräuchlich,
Karfiol (= Blumenkohl) nur in Österreich,
Estrich, m (= Dachboden) in der Schweiz,
Gemeindevorsteher (= Bürgermeister) in
Liechtenstein,
Affaire (= Gerichtsprozess) in Luxemburg,
Hydrauliker (= Klempner) in Südtirol,
relax (= entspannt) in Belgien gebräuchlich.
Nationale Standardvarietäten
Österreichische Standardvarietät
(Austriazismen):
Z.B.: Fleischhauer, allfällig, Jänner, Feber,
Marillen, Karfiol, Paradeiser, Topfen.
Schweizerdeutsche
Standardvarietät
Schweizerhochdeutsch (Helvetismen)
z:.B.: Bonbon in der Schweiz je nach
Dialektregion: Zältli, Tröpsli, Täfeli,
Zückerli
Deutsche Standardvarietät
Binnendeutsch, Bundesdeutsch;
Teutonismus, Deutschlandismus,
Bundesgermanismus.
Nord- versus Süddeutsch
Wenn einem das sprachlich geschieht und begegnet, dann ist man zweifellos
im Kern eines sprachlichen Süddeutschland…“ (Eichinger 2001: 63ff.)
Diatopische Varietäten
(sprachgeographische Gliederung)
Die geographisch bedingten Subsysteme
innerhalb einer historischen Einzelsprache
bezeichnet man als Dialekte. Die
Bezeichnungen ‚Dialekt’ und ‚Mundart’ werden
in der Regel synonym gebraucht. Sie beziehen
sich auf raum- und ortsgebundene
Sprachformen, die eine lange historische
Tradition und auch eine sprachsoziologische
Differenzierung aufweisen.
Der Dialekt
Ein Dialekt ist ein Teilsystem oder eine
Varietät, die in einem bestimmten
geographischen Gebiet gesprochen wird,
regional eingeschränkt gebraucht wird, sich
von den anderen besonderen Formen der
gleichen Sprache auf einer oder allen
sprachlichen Ebenen (Lautebene/Phonologie,
Morphologie, Lexik, Syntax, Idiomatik)
unterscheidet.
Dialekte: Einteilung
Dialekte: Begrüßung
Die Grundlage der deutschen
Schriftsprache
die ostmitteldeutschen Dialekte von
Obersachsen und Ostthüringen
Mundartengliederung
Durch die zweite hochdeutsche
Lautverschiebung ist das deutsche Sprachgebiet
in eine südliche und eine nördliche Sprachzone
geteilt worden. Nur im Süden ist die
Verschiebung ganz wirksam geworden. Südlich
des Mitteldeutschen erstrecken sich die
oberdeutschen Mundarten, nördlich von ihm die
niederdeutschen. Mitteldeutsch und Oberdeutsch
werden zum Hochdeutsch zusammengefasst.
Oberdeutsche Dialekte
Zum Oberdeutschen gehören das
Südfränkische, das Ostfränkische, das
Bairisch-Österreichische und das
Schwäbisch-Alemannische.
Mitteldeutsche Dialekte
Das Mitteldeutsche gliedert sich in das
Westmitteldeutsche mit Mittelfränkisch
(Ripuarisch, Moselfränkisch),
Rheinfränkisch (Rheinpfälzisch und
Hessisch) und das Ostmitteldeutsche
mit Thüringisch, Obersächsisch,
Lausitzisch.
Niederdeutsche Dialekte
Das Niederdeutsche ist einheitlicher als
das Oberdeutsche oder das
Mitteldeutsche, und seine Mundarten sind
großräumiger: Niederfränkisch,
Niedersächsisch mit Ost- und
Westfälisch, Nordniedersächsisch und
Ostniederdeutsch mit Märkisch-
Brandenburgisch und Mecklenburgisch.
Zweiteilung des Sprachgebietes
niederdeutsche Mundarten (ohne Lautverschiebung von p, t, k)
im Norden und
hochdeutsche Mundarten (mit Lautverschiebung) im Süden,
wobei letztere wieder untergliedert werden in
oberdeutsche Mundarten und mitteldeutsche Mundarten (mit
vollständiger Lautverschiebung).
Durch die Lautverschiebung werden die germanischen Laute p,
t, k nach Vokal zu ss (s), ff (f), ch. Im Anlaut, sowie im In- und
Auslaut nach Konsonant und in der Verdoppelung gehen sie in
die Affrikaten t(tz), pf (f) über.
nd. eten, schlapen, maken, setten, Holt
hd. essen, schlafen, machen, setzen, Holz.
Die ik/ich-Linie
Hauptgrenzlinie zwischen nieder- und
hochdeutschen Mundarten.
Innerhalb des Hochdeutschen werden diejenigen
Mundarten als oberdeutsch bezeichnet, in denen
pp und mp verschoben wurde (Apfel, Kopf,
Strumpf) und die Verkleinerung mit einem l-Suffix
gebildet wird (Männel). Im Mitteldeutschen wird
dagegen altess pp und mp bewahrt (Appel, Kopp,
Strump) und die Verkleinerung mit einem ch-Suffix
gebildet (Männchen).