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Sepsis

S3-Leitlinie Sepsis – Prävention, Diagnose, Therapie und Nachsorge


Basiert auf Sepsis-3 Taskforce 2016
Definition
• Eine Sepsis ist eine akut lebensbedrohliche Organdysfunktion,
hervorgerufen durch eine inadäquate Wirtsantwort auf eine Infektion.
Diagnose
Sepsis-1 und Sepsis-2 Taskforce (1992 & 2001) Sepsis-3 Taskforce (2016)
Sepsis Sepsis
• V.a Infektion + SIRS Kriterien • V.a Infektion + ≥ 2 qSOFA bzw. ≥ 2 SOFA Score
Schwerer Sepsis
• Sepsis + Hypotonie, Hipoxie, Laktatanstieg (oder
andere Laborparameter für Organdysfunktion)
Septischer Schock Septischer Schock
• Sepsis + eine trotz adäquater Volumentherapie • Sepsis + eine trotz adäquater Volumentherapie
persistierende arterielle Hypotension persistierende arterielle Hypotension +
Notwendigkeit für Vasopressor (um einen mittleren
arteriellen Blutdruck von ≥ 65 mmHg zu erreichen)
+ Laktatwert im Serum > 2 mmol/l
SIRS vs qSOFA
SOFA Score
Initiale hämodynamische Stabilisierung
• Balancierte Kristalloid 30 ml/kg Körpergewicht innerhalb 3 Stunden
• zusätzliche Flüssigkeitsgaben nach dem initialen Flüssigkeitsbolus im
Rahmen der weiteren initialen Stabilisierung nach häufig wiederholten
Kontrollen des hämodynamischen Status (Herzfrequenz, Blutdruck, arterielle
Sauerstoffsättigung, Atemfrequenz, Temperatur, Urinausscheidung,
zentralvenöse SaO2)
• zusätzliche hämodynamische Beurteilung (wie z.B. die echokardiographische
Beurteilung der Herzfunktion) zur Ermittlung der Art des Schocks, falls die
klinische Untersuchung nicht zu einer eindeutigen Diagnose führt.
(Ausschluss Perikarderguss und -tamponade, akute Rechtsherzbelastung bei
LAE, eingeschränkte Pumpfunktion, Klappenvitium, usw)
Flussigkeitstherapie
• Balancierte Kristalloid (z.B Ringer Lösung)
• 0,9 % NaCl sollte NICHT verwendet warden
• Nur bei Nachweis einer Hypoperfusion nach “Fluid-Challenge”
• Verwendung von Albumin oder Gelatine bei der Behandlung von
Patienten mit septischem Schock -> nicht enpfohlen, nur wenn die
hämodynamische Stabilität durch Kristallioden nicht erreicht werden
kann.
• Hydroxyethylstärke -> höhere Sterberesiko und Bedarf für
Nierenersatztherapie (nicht empfohlen)
Steuerung der Flüssigkeittherapie
• Dynamische Variablen sind empfohlen
• die Pulse Pressure Variation (PPV),
• die Schlagvolumenvariation,
• die systolische Druckvariation,
• die Vena cava inferior-Variabilität,
• die passive Beinhochlagerung oder die probatorische Zufuhr definierter Flüssigkeitsboli unter gleichzeitigen
Schlagvolumenmessungen.
• Voraussetzungen für die valide Anwendung der PPV zur Prädiktion der Volumenreagibilität:
• Maschinelle Beatmung
• Keine Spontanatmungsanteile
• Keine Arrhythmie
• Tidalvolumen ≥ 8 ml/kg Idealgewicht
• Herzfrequenz/Atemfrequenz > 3,6
• Totale respiratorische Compliance > 30 ml/cm H2O
• Ausreichende Rechtsherzfunktion (gemäß Echokardiographie)
Hämodynamische Kontrolle
• Vasopressor (z.B Norepinephrine) bei Patienten mit septischem
Schock
• Ziel :mittleren arteriellen Druck (MAP) von 65 mm Hg
• Laktat Kontrolle bei Patienten mit erhöhtem Laktat-Wert (als Folge
einer Gewebehypoperfusion)
• Ziel : eine Normalisierung der Laktatwerte.
Diagnose
• Entnahme von geeigneten Materialien für die mikrobiologische Diagnostik
vor die antimikrobielle Therapie bei Patienten mit V.a Sepsis oder septischen
Schock (Dies darf zu keiner wesentlichen Verzögerung in Bezug auf den
Beginn der antimikrobiellen Therapie führen)
• Blut, Urin, Liquor, Wundsekret, Atemwegssekret.
• Bemerkungen: mindestens zwei (sowohl aerobe als auch anaerobe) BlutkulturSets
• Bei V.a ZVK assozierte Sepsis: Blutkultur von ZVK als auch peripheren Gefäße
• Hyper- oder Hypothermie gehören zu den Kardinalsymptomen für das
Vorliegen einer Infektion.
• zentrale Messungen der Körperkerntemperatur (rektal, zentralvenös, Harnblase,
Ösophagus) oder, falls nicht verfügbar, mittels Infrarotthermometer in Ohr oder
Mund
Antimikrobielle Therapie
• Innerhalb einer Stunde nach der Diagnose
• Breitspektrum Antibiose (single oder Kombination) z.B
Imipenem/Cilastatin, Cefepim, Ceftriaxon und Ertapenem
• Anpassung der Antibiose nach Erregernachweis
• Umstellen einer initiale Kombinationstherapie auf eine Monotherapie
bei klinischer Verbesserung des Patienten innerhalb der ersten 72
Stunden auch ohne Erregernachweis.
• zusätzliche kalkulierten antimykotischen oder antiviralen Therapie bei
Risikopatienten
• Z.B bei Candida : Echinocandin, Triazole, Amphotericin-B
Antimikrobielle Therapie
• Antimikrobiellen Prophylaxe bei Patienten mit schweren
inflammatorischen Zuständen nichtinfektiösen Ursprungs (z.B.
schwere Pankreatitis, Brandverletzung) -> nicht empfohlen
• Die Dosierung der Antiinfektiva soll basierend auf anerkannten
pharmakokinetischen /pharmakodynamischen Prinzipien und
spezifischen Medikamenteneigenschaften bei Patienten mit Sepsis
oder septischem Schock optimiert werden (Drug-Monitoring ist
wichtig)
Antimikrobielle Therapie
• Antimikrobielle Behandlungsdauer von 7 bis 10 Tagen (14 Tagen für
s.Aures Bakteriämie)
• Längere Behandlungsdauer bei Patienten mit verzögertem
Therapieansprechen, mit persistierenden Infektionsherden, mit
bestimmten Pilz- und Virusinfektionen oder mit Immundefizienz
einschließlich Neutropenie
• Messungen des Procalcitonin-Werts ist empfohlen um die Dauer der
antimikrobiellen Therapie bei SepsisPatienten zu verkürzen.
Fokuskontrolle
• Operative/ interventionelle Fokussanierung so schnell wie medizinisch
und logistisch möglich (Zeitfenster 6-12 Stunden)
• Intravaskulärer Zugänge, die einen möglichen Ausgangspunkt für die
Sepsis oder den septischen Schock darstellen, sollten zügig entfernt
werden.
Vasoaktive Medikation
• Noradrenaline -> Therapie der Wahl.
• Vasopressin oder Epinephrin zusätzlich zu Noradrenaline
• Dopamin & Levosimendan-> sollen nicht benutzt werden.
• Dobutamin bei Patienten mit Nachweise für eine persistierende
Hypoperfusion trotz angemessener Flüssigkeitszufuhr und dem Einsatz
von Vasopressoren
• Alle Patienten, die Vasopressoren benötigen, sollen einen arteriellen
Katheter haben -> zur Messung des Blutdrucks.
• ß-1 Selektive Betablocker für Behandlung von tachykarden
Rhythmusstörungen kommt in Frage
Corticosteroid
• Intravenöse Hydrocortison bei einer Dosis von 200 mg pro Tag -> nicht
empfohlen, NUR wenn hämodynamische Stabilisierung durch
Flüssigkeitstherapie und hoch dosierte Vasopressor-Therapie nicht
erreicht werden sollte.
Blutbestandteile
• Eks -> nur bei Erwachsenen mit Hb-Wert von < 7,0 g/dl (wenn keine
Zeichen auf anämische Hypoxie vorliegen)
• Erythropoietin ->nicht empfohlen
• Plasmapräparate (gefrorene Frischplasma (GFP), das Solvent-Detergent
(SD)- behandelte Plasma (SDP), das MethylenblauLicht-behandelte
Plasma (MLP), das lyophilisierte Humanplasma (LHP)) zur Korrektur von
Gerinnungsanomalien bei septischen Patienten -> NICHT genutzt werden
• es sei denn es liegen aktive Blutungen vor oder es sind invasive Eingriffe geplant
mit Koagulopathie (Quickwerten < 50% oder APTT > 45 s und/oder
Fibrinogenspiegel < 1 g/l)
• Dosis: 15-20 ml/kg Körpergewicht
Blutbestandteile
• Thrombozytenkonzentrat -> erst bei Thrombozytenzahlen < 10.000/μl
vor.
• Thrombozytenzahlen von 20.000/µl bis zu 100.000/µl, wenn eine Operation
geplant ist oder bei Einnahme eines Thrombozytenfunktion
beeinträchtigenden Medikaments.
Immunoglobulin
• intravenösen Immunglobulinen -> nicht empfohlen
Blutreinigung – kein Vorteil
• Hochvolumen-Hämofiltration und Hämoadsorption mit Polymyxin-B
(oder Hämoperfusion)
• Plasma-Austausch oder die Plasma-Filtration
• Plasma-Filtration-Adsorption (Coupled plasma filtration adsorption,
CPFA)
Antikoagulanzen
• Zur Vermeidung / Therapie eines DIC
• Antithrombin : erhöht Blutungsrisiko, kein Vorteil -> soll nicht genutzt
werden
• Thrombomodulin oder Heparin : wenig Studien, keine Erhöhung des
Blutungrisikos
Blutzuckerkontrolle
• BZ-Messung :Arterielle (durch arteriellen Katheter) > Kapilläre
• Alle 1-2 Std bis BZ- und Isulininfusion Stabil sind, danach alle 4 Std bei
Patienten mit Insulininfusion
• Insulindosisgabe beginnt, wenn zwei aufeinanderfolgende Messungen
einen Blutzuckerspiegel von >180mg/dl ergeben (Ziel : obere BZ < 180
mg/dl)
Nierenersatztherapie
• Nierenersatzverfahren : Hämodialyse, Peritonealdialyse
• Nierentransplantation
• Bei septischen Patienten mit akutem nierenversagen UND Indikationen
für ein Nierenersatzverfahren (z. B. therapierefraktäre Überwässerung,
Azidose, Hyperkaliämie oder Urämiesymptome)
• Erhöhte Kreatinin und Oligourie -> keine Indikation
• Kontinuierliche Therapien zum besseren Management des
Flüssigkeitshaushalts bei hämodynamisch instabilen septischen
Patienten
• Dosis : 20-25 ml/kg/Stunde.
Na-Bicarbonat
• Natriumbicarbonattherapie zum Zwecke einer Verbesserung der
Hämodynamik oder zur Verringerung des Vasopressorbedarfs bei
Patienten mit hypoperfusionsinduzierter Laktatazidose und einem
pH-Wert von ≥7,15 -> nicht empfohlen
• PH-Wert < 7,15 : ??? (keine Daten)
Thromboseprophylaxe
• Prophylaxe einer venösen Thromboembolie (VTE) mittels
unfraktioniertem Heparin (UFH) oder niedermolekularem Heparin
(NMH) ist empfohlen
• UFH vs NMH, Folgendes soll berücksichtigt werden :
• Entwicklung einer Heparin-induzierten Thrombopenie (HIT)-II
• Dosierung & Monitoring
• Applikationsweise (intravenöse vs. subkutane VTE-Prophylaxe)
• Renale Dysfunktion
Thromboseprophylaxe
• Kombination aus einer pharmakologischen VTE-Prophylaxe und einer
mechanischen Prophylaxe ist empfohlen
• Z.B intermittierender pneumatischer Kompression (IPK) und/oder
medizinischen Thromboseprophylaxestrümpfen (MTPS)
Stressulkusprophylaxe
• Bei septischen Patienten mit Risikofaktoren für GI-Blutungen
• Prädiktoren des gastrointestinalen Blutungsrisikos :
• eine mechanische Beatmung über einen Zeitraum von > 48 Stunden
• eine Koagulopathie
• eine vorbestehende Lebererkrankung
• die Notwendigkeit einer Nierenersatztherapie
• ein höherer Schweregrad eines Organversagens
• Therapie der Wahl : Protonenpumpenhemmer oder Histamin-2-
RezeptorAntagonisten
• Keine Risikofaktoren -> Stressulkusprophylaxe nicht notwendig
Ernährung
• Enterale Ernährung so früh wie möglich
• eine frühzeitige minimale „trophische“ enterale Ernährung möglichst innerhalb der ersten 48
Stunden nach Beginn der Sepsis -> soll innerhalb der ersten 7 Tage entsprechend der
metabolischen und gastrointestinalen Toleranz gesteigert werden
• Kontraindikationen zur frühzeitigen enteralen Ernährung (ESICM-Leitlinien (2017)):
• unkontrollierter Schock,
• metabolische Entgleisung mit unkontrollierter Hypoxämie und Azidose,
• unkontrollierte obere Gastrointestinalblutung,
• Magenresidualvolumen >500ml/6 h,
• mesenteriale Ischämie,
• Darmobstruktion,
• Kompartment-Syndrom,
• HighOutput-Fistel ohne distalen Zugang zur Ernährung.
Ernährung
• Messungen des gastrischen Restvolumens NUR bei Patienten mit
gastraler Intoleranz und hohem Reflux sowie bei Patienten mit hohem
Aspirationsrisiko
• Einsatz von Prokinetika bei kritisch kranken Patienten mit Sepsis oder
septischem Schock und gastrointestinaler Intoleranz
• Metoclopramid, Domperidon und Erythromycin
• EKG-Kontrolle -> Vorsicht auf QT-Verlängerung
Ernährung
• Platzierung von postpylorischen Ernährungssonden bei kritisch
erkrankten Patienten mit Sepsis oder septischem Schock mit gastraler
Intoleranz sowie bei Patienten mit hohem Aspirationsrisiko
• Eine Ernährungsintoleranz : Erbrechen, abdominelle Distension oder hohes GRV
• Intravenöse Selen zur Korrektur der Selendefizit im Rahmen der Sepsis
und Antioxidant -> nicht empfohlen (keinen Unterschied mit Placebo)
• Glutamin:
• Niedrige Glutaminspiegel sind Ausdruck der Schwere der Erkrankung und einer
Infektion
• Nicht empfohlen (keine statistische Signifikanz)
Ernährung
• Verwendung von Omega-3- Fettsäuren als Immunsupplement bei
kritisch kranken Patienten mit Sepsis oder septischen Schock ist nicht
empfohlen (dies betrifft nicht den Einsatz Omega-3- fetthaltiger
Lipidemulsionen im Rahmen der parenteralen Ernährung)

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