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Sprachliche Perspektiviertheit:

Aktiv und Passiv

Dr. Marina Iakushevich Chisinau Oktober


1
2015
Die Perspektive
Bei der Perspektive geht es um die Art und
Weise, wie der Sprecher den Sachverhalt
darstellt, welche Perspektive er einnimmt. Es
geht um das Sprecher-Welt-Verhältnis, um die
Darstellungsfunktion im Sinne des
Organonmodells nach K. Bühler.

Dr. Marina Iakushevich Chisinau Oktober


2
2015
Die Perspektive
Aus dem Perspektivierungspotenzial
sprachlicher Formen muss der Sprecher eine
Auswahl treffen. Er muss den Sachverhalt von
einem der Referenten aus darstellen, sein
Koordinatensystem der subjektiven Orientierung
auf einen der Referenten richten.

Dr. Marina Iakushevich Chisinau Oktober


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2015
Die Perspektive – die Egozentriertheit

Das Prinzip der Egozentriertheit: Der Sprecher


formuliert seine Äußerungen, wählt sprachliche
Mittel nach dem Prinzip der größtmöglichen Ich-
Nähe.
a) Ich habe gestern auf der Party Nastassja
getroffen.
b) ?? Nastassja hat mich gestern auf der
getroffen.
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2015
Aktiv und Passiv
Die Perspektive äußert sich in der Wahl
sprachlicher Formen, z. B. der syntaktischen
Strukturen. Aufgrund des Prinzips der
größtmöglichen Ich-Nähe wird das Subjekt des
Satzes gewählt.
a) Ich wasche den Wagen.
b) Der wagen wird von mir gewaschen.
Was meinen Sie, warum sind diese Sätze
unterschiedlich formuliert? Wie könnte jeweils der
Kontext sein?
Dr. Marina Iakushevich Chisinau Oktober
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2015
Aktiv und Passiv
(a) Werden-Passiv: werden + Partizip II (es wird
gesagt)
(b) Sein-Passiv: sein + Partizip II (es ist gesagt)
(c) Bekommen-Passiv:
bekommen/kriegen/erhalten + Partizip II (sie
bekommt es gesagt)

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2015
Aktiv und Passiv
Der Subjektausdruck des Aktivsatzes erscheint
im Passivsatz entweder gar nicht oder als
Präpositionalgruppe (von/durch/seitens … +
Verursacher/Ursache/Instrument), das
Akkusativobjekt erscheint als Subjekt, ein
Dativobjekt bleibt:

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2015
Aktiv und Passiv
a) Paula öffnet das Fenster. Das Fenster ist geöffnet.
b) Sarah verkauft das Auto. Das Auto wird (von
Sarah) verkauft.
c) Man hilft ihr. Ihr wird geholfen.
Beim Bekommen-Passiv erscheint das
Dativobjekt als Subjekt:
d) Ihr Vater schenkt ihr ein Buch. Sie bekommt (von
ihrem Vater) ein Buch geschenkt.

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2015
„unpersönliches Passiv“
a) Ihm wird vergeben. (intransitives Verb)
b) Jetzt wird ausgepackt (transitives Verb)
c) Ihr wurde gekündigt. Man hat ihr gekündigt.
d) Zwischen Computern, Unterlagen und Telefonen
wurde „verfasst, gefeiert, beraten, gekichert, und
manchmal auch geweint“, so Teigler – aus
Erschöpfung, Frust oder auch aus Freude. (
http://ww.derwesten.de/staedte/luenen/Gefeiert-
gekichert-und-geweint-id2123169.html
, 18.6.2011)
Dr. Marina Iakushevich Chisinau Oktober
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2015
Das werden-Passiv
Eine spezifische Ereignisperspektivierung: Es
wird von dem Ereignis ausgegangen, es wird in
einen vom Verb beschriebenen Prozess gesetzt
und die verursachende Größe kann ausgespart
werden. Durch das prozessuale Konzept von
werden erfahren auch punktuelle Ereignisse
eine zeitliche (leichte) Streckung.

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2015
Das werden-Passiv
a) Paula weckt Paul auf.
b) Paul wird (von Paula) aufgeweckt.
(Orientierung an den Prozess des Aufweckens,
der eine Zeit lang dauern kann, z. B. Paul
wachrütteln, ansprechen, Musik anmachen,
einen nassen Lappen ins Gesicht werfen usw.)

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2015
Das werden-Passiv: das Fehlen des Subjekts

Der Handelnde versteht sich von selbst:


a) Der Angeklagte wurde bei der Razzia
festgenommen.
In Gebrauchsanweisungen ist es klar, wer
handelt:
b) Was ist Budes Easyhaler® und wozu wird es
angewendet?

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2015
Das werden-Passiv
Die Identität des Handelnden ist abstrakt,
unbekannt, soll verschwiegen werden:
a) Geschichte wird gemacht. (Songtitel)
b) Wolfgang Joop
Sein Familiengrab wurde beschädigt.
(Zeitungsausschnitt)

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2015
Das sein-Passiv
Das sein-Passiv drückt für das Subjekt einen
Zustand als Resultat eines Vorgangs aus (den
Turm umwerfen – der Turm ist umgeworfen, die
Stadt zerstören – die Stadt ist zerstört).
a) Die Entscheidung ist getroffen. (transitives Verb)
b) Der Gegner ist geschlagen. (transitives Verb)
c) Damit ist dir geholfen. (intransitives Verb)
d) Wir sind verliebt. (echt reflexives Verb)
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2015
Das bekommen-Passiv
Das bekommen-Passiv bezieht einen Vorgang
auf das Subjekt als Rezipienten
(„Rezipientenpassiv“), der im Subjekt
versprachlicht ist. Im Konzept des
Rezipientenpassivs ist verankert, dass jemand
etwas – ursprünglich einen Gegenstand –
entgegennimmt.
a) Er bekommt von seinem Vater einen Gutschein geschenkt.
b) Das kriegst du per Post geschickt.
c) Sie bekommt ihre Urkunde überreicht.
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15
2015
Übung
1. Finden Sie im folgenden Satz die Passivform!
2. Was ist das für ein Passiv?
3. Warum wird in diesem Kontext diese Passivfrom
verwendet?
Ich verkünde im Namen des Volkes folgendes Urteil:
Der Angeklagte Matthias Puhlmann wird wegen
Nötigung und Widerstands gegen
Vollstreckungsbeamte zu einer Gesamtgeldstrafe
von fünfundfünfzig Tagessätzen zu je zehn Euro
verurteilt.
Dr. Marina Iakushevich Chisinau Oktober
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2015
Übung
1. Finden Sie im folgenden Text das Passiv!
2. Was ist das für ein Passiv?
3. Warum fehlt hier das Subjekt?
4. Welche Funktion hat die präpositionale Gruppe durch Schüsse?
Am 1. Juni 2001 wurde nahezu die gesamte
nepalesischen Königsfamilie durch Schüsse getötet. Nach
dem offiziellen Untersuchungsbericht gilt Kronprinz
Dipendra als Täter. Es bestehen aber erhebliche Zweifel,
ob der Tathergang wie im offiziellen Bericht dargestellt,
sich auch so zugetragen hat.
(http://de.wikipedia.org/wiki/Dipendra, 17.6.2011)

Dr. Marina Iakushevich Chisinau Oktober


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2015
Literatur
Hoffmann, Ludger: Deutsche Grammatik.
Grundlagen für Lehrerausbildung, Deutsch als
Zweitsprache und Deutsch als Fremdsprache.
Berlin 2013. S. 285-292.

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2015

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