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Literarisches Lernen

anbahnen, vertiefen, nachhaltig sichern

Grundlegende Kenntnisse narrativer Texte


vermitteln

Kurzprosa

10/2011 Dr. Schmitt-Kaufhold


Lesekompetenz und Leseförderung
Schüler: Zwei Risikogruppen

keine Voraussetzungen: Lektüre Stabile Lesemotivation /


eines längeren literarischen Textes Motivationskrise

Zwei Ansätze der Förderung:


Steigerung der Leselust Legitimation: Lesearbeit
= unterhaltungsor. Lesen = erkenntnisor. Lesen

textnah lesen
Beide Ansätze miteinander vereinen:
• verlangsamter Prozess
• gründliche
Leselust weckenUntersuchung: Kleinigkeiten
durch gründliche Erarbeitungbeachten
u. Methodenwechsel
• wiederholtes Lesen
10/2011 Dr. Schmitt-Kaufhold
Kombination beider Ansätze

Leseförderung durch methodische Variation


• Einstieg: verzögertes Lesen
 wichtige narrative Merkmale des Textes erfassen

• Lesefördernde Methoden: z.B. Szenische Darstellung

• Kursstufe: Schwerpunkt auf textnahem Lesen: Die


Schichten eines literarischen Textes erkennen, ihre
Funktion für die Sinnaussage benennen können

10/2011 Dr. Schmitt-Kaufhold


Merkmale literarischer Texte
• Literarische Texte entwerfen fiktionale Welten. Diese
bilden eine eigene Welt, einen in sich geschlossenen
Kosmos. Sie sind selbstreferentiell.
• Typisch ist eine extreme Verknüpfungsdichte:
Systematische Unbestimmtheit, Indirektheit und
Mehrdeutigkeit.
– Semantische Bezüge zwischen unterschiedlichen
Textstellen
– Gewolltes Aussparen von Informationen: Leerstellen
– Indirektheit und Mehrdeutigkeit: Bildersprache,
Andeutungen, Ironiesignale, etc.
• Sie sind Alternativmodelle zur Realität.
• Sie erlauben mehrere Bezugsmöglichkeiten.
10/2011 Dr. Schmitt-Kaufhold
Literarische Lesekompetenz (Teilkompetenzen)
• Beim Lesen und Hören Vorstellungen entwickeln
• Subjektive Involviertheit und genaue Wahrnehmung
miteinander ins Spiel bringen
• Sprachliche Gestaltung aufmerksam wahrnehmen
• Perspektiven literarischer Figuren nachvollziehen
• Narrative und dramaturgische Handlungslogik verstehen
• Mit Fiktionalität bewusst umgehen
• Metaphorische und symbolische Ausdrucksweise verstehen
• Sich auf die Unabschließbarkeit des Sinnbildungs-prozesses
einlassen
• Mit dem literarischen Gespräch vertraut werden
• Prototypische Vorstellungen von Gattungen/Genres gewinnen
• Literaturhistorisches Bewusstsein entwickeln
Kaspar H. Spinner

10/2011 Dr. Schmitt-Kaufhold


Aufgabe von Lehrenden
Didaktische Ebene (Planung) Ebene des Unterrichtens
• Teilkompetenz bestimmen (Was
kann ein Schüler, der … kann?):
z.B. Narrative Handlungslogik
• Verknüpfung von
verstehen
Handlungssituationen, -strängen –
Aufbau eines Textes erkennen

• Inhalt zuordnen: Text • Kriterien der Eignung: Abfolge der


Vermittlung des Geschehens –
Was wird wann erzählt?
(chronologisch, verschachtelt, … )

• Handlungsanweisung für Schüler Bsp.:


formulieren • „Die Fülle des Moments ist
wichtig, der Augenblick mit seiner
Vielschichtigkeit ...“ (A. Döblin)
Untersuchen Sie, wie in dem
Text … die Fülle des Moments
10/2011 zum Ausdruck kommt.
Dr. Schmitt-Kaufhold
Ziel

Texte eigenständig, mit persönlichem


Gewinn erschließen

Schulung im textnahen Lesen


Kumulatives Lernen als Prinzip

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Kompetenzaufbau / Literarisches Lernen
Kumulatives Lernen / Schwerpunkte setzen

TK 1 TK 2 TK 3 TK 4

TK 5
1. Hj.

2. Hj.

TK 6
Anleitung
3. Hj.

4. Hj.
Selbstständigkeit

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Abitur
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Rainer Brambach: Känsterle
Beziehungen zwischen Figuren erkennen

„Mach den Ton leiser, die Buben schlafen!" ruft Rosa, die in der
Küche Geschirr gespült hat und nun hereinkommt.
Känsterle gehorcht.
„Es ist kalt draußen", plaudert sie, „wie gut, dass wir Winterfenster
haben. Nur frisch anstreichen sollte man sie wieder einmal.
Wallfried, im Frühjahr musst du unbedingt die Winterfenster
streichen. Und kitten muss man sie! Überall bröckelt der Kitt.
Niemand im Haus hat so schäbige Winterfenster wie wir! Ich ärgere
mich jedesmal, wenn ich die Winterfenster putze. Hast du gehört?"
„Ja, ja", sagt Känsterle abwesend.
„Was macht denn derKompetenz
Literarische da?" fragt Rosa und deutet auf den
Fernsehschirm. „Der könnte seine Kraft auch für was Besseres
•Sprachliche
gebrauchen! Stell das doch ab, ich
Gestaltung hab mit dir zu
aufmerksam reden!"
wahrnehmen
„Gleich, gleich!" sagte literarischer
•Perspektiven Känsterle und Figuren
beugt sichnachvollziehen
etwas näher zum
Schirm.
10/2011 Dr. Schmitt-Kaufhold
10/2011 Dr. Schmitt-Kaufhold
Julia Franck: Streuselschnecke
(Reziprokes Lesen üben)
Der Anruf kam, als ich vierzehn war. Ich wohnte seit einem Jahr nicht mehr bei
meiner Mutter … Eine fremde Stimme meldete sich, der Mann nannte
seinen Namen, sagte mir, er lebe in Berlin, und fragte, ob ich ihn kennen
lernen wolle. …
Er trug Jeans, Jacke und Hose. Ich hatte mich geschminkt. Er führte mich ins
Café …
Einige Male durfte ich ihn bei seiner Arbeit besuchen. Er schrieb Drehbücher
und führte Regie bei Filmen. Ich fragte mich, ob er mir Geld geben
würde, wenn wir uns treffen, aber er gab mir keins, …
Er starb ein Jahr lang, ich besuchte ihn im Krankenhaus …
Literarische
Er sagte, erKompetenz
hätte gerne mit mir gelebt, …
Kurz nach meinem siebzehnten Geburtstag war er tot. …
… zurLesen
• Beim Beerdigung.
und Hören Vorstellungen entwickeln
• Narrative Handlungslogik verstehen: Erwartungsbruch nutzen
Meine Mutter kam nicht. Ich nehme an, sie war mit anderem beschäftigt,
• Mitaußerdem
Fiktionalität
hatte siebewusst umgehen
meinen Vater zu wenig(Leerstellen füllen)
gekannt und nicht geliebt

10/2011 Dr. Schmitt-Kaufhold


Jenny Erpenbeck: Haare
(Prozess der Identitätsfindung erkennen)
Im Bauch meiner Mutter sind mir lange schwarze Haare gewachsen,…
… Maidemonstration, aber zu Hause liegen fünfzehnZentimeter von mir im
gläsernen Sarg! An diesem Morgen defilieren Tausende an meinem
kurzgeschorenen Kopf vorüber, sie zeigen mir ihre Zähne, sie lachen,
nein, sie lachen mich aus.
Als ich sechzehn bin, verfängt sich der erste Mann in meinem Haar, und
da, wie es scheint, haben die Fangschnüre ihren Zweck endlich erfüllt.
Es wandelt mich eine Lust an, die ich bis dahin nicht kannte: diesen
Flachs, der mir als Mädchen gewachsen ist, von mir zu trennen.
Die Revolution auf meinem Kopf sieht nicht rot oder lila aus wie bei meinen
Altersgenossinnen – mich emanzipiert sie zum Weihnachtsengel.
Literarische
Offene Haare!Kompetenz
Was bisher Feiertagsfrisur war, erlaube ich mir jetzt für
immer, natürlich und
Metaphorische musssymbolische
ich nun selber kämmen. …
Ausdrucksweise verstehen
Es gibt aber nichts mehr, das sich verwirren könnte.

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Judith Hermann: Rote Korallen
Erzählstruktur

Russland / Ende 19./Anfang 20. Jh. Gegenwart

Liebesgeschichte der Urgroßmutter Liebesgeschichte der Erzählerin


Trennung vom Ehemann Trennung vom Geliebten

Urgroßvater Der Geliebte


Literarische Kompetenz
•Isaak Baruw und dramaturgische Handlungslogik
Narrative Urenkel von Isaak Baruw
verstehen:
Erzählstruktur
•Mit Fiktionalität bewusst umgehen
Emanzipation Emanzipation
• • aus einer unglücklichen Ehe • aus einer unglücklichen
Metaphorische und symbolische Ausdrucksweise verstehen
Beziehung
• von der Urgroßmutter
Die Erzählerin

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Ernest Hemingway: Das Ende von Etwas
Dialoganalyse

Zehn Jahre später war nur noch der zerfallene, weiße Kalkstein der
Grundmauern von dem Sägewerk übrig, den Nick und Marjorie, als sie
am Ufer entlang ruderten, durch die sumpfige, in zweiter Blüte
stehende Wiese schimmern sahen. Sie angelten am Rande der
Fahrrinne, wo der Grund plötzlich von flachem Sand bis zu zwölf Fuß
tiefem, dunklem Wasser abfiel. Sie angelten auf ihrem Weg zu der
Stelle, wo sie für die Regenbogenforellen nachts Leinen auslegen
wollten.
„Da ist unsere alte Ruine, Nick”, sagte Marjorie.
Nick blickte beim Rudern auf die weißen Steine zwischen den grünen
Bäumen.
„Ja, daLiterarische
ist sie”, sagte Kompetenz
er.
„Kannst du dich daran erinnern, als es ein Sägewerk war?”, fragte
Marjorie.•Sprachliche Gestaltung aufmerksam wahrnehmen
•Perspektiven
„Ja, grade”, sagte Nick.literarischer Figuren nachvollziehen
„Es sieht eher wie ein Schloss aus”, sagte Marjorie.
Nick sagte nichts.
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Ernest Hemingway: Das Ende von Etwas
Dialoganalyse
Er fuhr fort: „Weißt du, mir ist, als ob alles in mir zum Teufel gegangen ist. Ich
weiß nicht, Marge. Ich weiß nicht, was ich sagen soll.“
Er blickte weiter auf ihren Rücken.
„Ist denn Liebe nicht schön?”, sagte Marjorie.

Literarische
„Nein”, sagte Nick. Kompetenz
Marjorie stand auf. Nick saß da, den Kopf in die Hände
gestützt.
„Ich nehme das Boot”, rief ihm Marjorie zu. „Du kannst um die Landspitze
• Sprachliche Gestaltung aufmerksam wahrnehmen
rum zu Fuß zurückgehen.”
• Perspektiven
„Schön”, sagte Nick.literarischer
„Ich stoße dasFiguren nachvollziehen
Boot für dich ab.“
„Ist nicht nötig”, sagte sie. Sie trieb mit dem Boot auf dem mondbeschienenen
Möglicher Schwerpunkt
Wasser. Nick ging zurück undder legte
Behandlung
sich nebenim
das Unterricht:
Feuer, mit dem Gesicht
-aufReduktion
der Decke.der Handlung
Er konnte Marjorie auf dem Wasser rudern hören.
- Verknappter
Er lag dort eine lange Stil: Sparsame
Zeit. Er lag da, Einschübe des Erzählers
während er hörte, wie Bill, der durch den
-Wald strich, in die Lichtung
Erzählverhalten: neutralkam. Er spürte, wie Bill sich dem Feuer näherte.
Auch Bill berührte ihn nicht.
- Erschließung der Figurenbeziehung durch Dialoganalyse
„Ist sie glücklich weg?”, sagte Bill.

10/2011 Dr. Schmitt-Kaufhold


Andrea Maria Schenkel: Tannöd
Visualisieren / Konnektoren erkennen (Zeit)

Den ersten Sommer nach Kriegsende verbrachte ich bei entfernten


Verwandten auf dem Land.
In jenen Wochen erschien mir dieses Dorf als eine Insel des Friedens. Einer
der letzten heil gebliebenen Orte nach dem großen Sturm, den wir soeben
überstanden hatten.
Jahre später, das Leben hatte sich wieder normalisiert und jener Sommer
war nur noch eine glückliche Erinnerung, las ich von eben jenem Dorf in der
Zeitung.
Mein Dorf war zum »Morddorf« geworden, und die Tat ließ mir keine Ruhe
mehr.
Mit gemischten Gefühlen bin ich in das Dorf gefahren.
Die, die ich dort traf, wollten mir von dem Verbrechen erzählen. Reden mit
einem Fremden und doch Vertrauten. Einem, der nicht blieb, der zuhören und
wieder gehen würde.
Literarische Kompetenz
Andrea Maria Schenkel, Tannöd. Büchergilde Gutenberg, 2007, S. 5
Sprachliche Gestaltung aufmerksam wahrnehmen

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Andrea Maria Schenkel: Tannöd (Einleitung)

Einleitung / Rückblick des Erzählers


Vergangenheit
Den ersten Sommer nach Kriegsende
Insel des Friedens

Mord

Jahre später
glückliche Erinnerung  (Kontrast)
„Morddorf“

in das Dorf gefahren


Mit gemischten Gefühlen

Gegenwart

Kriminalgeschichte Lesekompetenz:
Konnektoren
erkennen
10/2011 Dr. Schmitt-Kaufhold
10/2011 Dr. Schmitt-Kaufhold Ralf Büttner
Kompetenzaufbau: Kumulatives Lernen
Kurzprosa: Erzählende Texte erschließen können

Gattung Erzähler Stoff Poet. Mittel


Dialoge
(Erzähl-)Struktur Erzähl- Thema Sprache
Genre strategien Motive

Agnes

Homo faber

Dantons Tod: Dramatische Texte erschließen können

10/2011 Dr. Schmitt-Kaufhold


Kompetenzaufbau / Kumulatives Lernen

Lehrkraft Lernende

• Schwerpunkte bestimmen • Teilkompetenzen erwerben

• Lernangebote machen • selbstständig arbeiten


– entdeckendes Lernen
• Angebote für – selbstständiges Erschließen
– Wiederholen – den eigenen Lernprozess
reflektieren (Metakognition)
– Üben
– Vertiefen
– Differenzierung

Verantwortung für das eigene


Begleitung
Lernen übernehmen

10/2011 Dr. Schmitt-Kaufhold

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