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• bessere Lebensqualität
• persönliche Freiheit
• und zahlreiche Möglichkeiten, die wir heute noch nicht einmal erahnen kön-
nen.
Jede Medaille hat jedoch zwei Seiten: Wenn wir den Energieverbrauch – bei
heutigen Erzeugungsmodalitäten – steigern, hätte dies eine zunehmende Belastung
unserer Umwelt zur Folge. Um es der Erde trotzdem zu ermöglichen uns auch
weiterhin zu ertragen, müssen wir daher Wege finden, eine möglichst saubere und
sichere Energieversorgung zu vertretbaren Preisen zu schaffen.
Die Bereitstellung von nutzbarer Energie in stets ausreichender Menge und zu
akzeptablen Preisen, ist die Grundvoraussetzung für eine freiheitliche Gesellschaft.
Ab einer gewissen Bevölkerungsdichte, ist dies sogar die notwendige Voraussetzung
für das Überleben der Menschheit überhaupt.
Energiepolitik ist daher viel zu wichtig, um sie selbsternannten ”Experten“ und
den bekannten ”Heilsbringern und Zwangsbeglückern“ des Politikbetriebs zu über-
lassen.
Diese Schrift stellt daher den Versuch dar, das Spannungsdreieck aus Technik,
Wirtschaft und Umwelt in einer allgemein verständlichen Sprache abzuhandeln.
Auf ”Fachchinesisch“ und ”Hochschulmathematik“ wird bewußt verzichtet – was
dem Autor die Arbeit nicht eben erleichtert hat. Man möge mir meinen unerschüt-
terlichen Glauben an die Kraft der Aufklärung verzeihen. Meine lieben Kollegen
3
seien gewarnt: Ich werde mich zu gegebener Stunde wieder mit fürchterlichsten
Gleichungen und Integralen zurückmelden!
Zugegebenermaßen hat es mir diebische Freude bereitet, die sprachlichen Schöp-
fungen ”fortschrittlicher gesellschaftlicher Kräfte“ in Bumerangs für die Aufklärung
zu verwandeln. Sie sind in vorstehender Weise typographisch gekennzeichnet. Mag
das für manchen Leser den Text etwas unruhig erscheinen lassen, erschien es mir
dennoch für alle Leser notwendig, die nicht so vertraut sind mit ”Rot–Grüner
Rethorik“. Liest man einfach so, über das „Neusprech“ hinweg, geht viel der inne-
wohnenden Komik und Theatralik verloren.
Für alle, die Anregungen oder Kritik haben, bin ich unter Klaus-Dieter.Humpich
@gmx.de zu erreichen. Es seien aber alle, die mir Informationen schicken wollen
über Windräder, die ohne Wind oder Sonnenkollektoren, die ohne Sonne Strom
produzieren, vorgewarnt – ich halte es mit solchen Dingen, wie weiland das kai-
serliche Patentamt mit dem Perpetuum-Mobile. Ansonsten dürfen mir gern alle
Experten – auch wenn sie nicht gelernter Sozialwirt oder Deutschlehrer sind – mal
”wegen Klima“ schreiben. sozusagen über’s Netz, einfach wie auf’m Platz.
4
Inhaltsverzeichnis
1 Energiebedarf 9
1.1 Energiebedarf der Menschheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
1.2 Nutzenergie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
1.3 Weltenergiebedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
1.3.1 Bedarf und Prognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
1.3.2 Umwelt und Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
2 Wirtschaftlichkeit 19
2.1 Berechnungsansätze für die Wirtschaftlichkeit . . . . . . . . . . . . 19
2.2 Deutschland innerhalb Europas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
2.2.1 Was bisher geschah . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
2.2.2 Was geschehen wird . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
2.2.3 Der Weg dahin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
2.3 Die Kapitalvernichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
2.4 Der tatsächliche Wert von Wind und Sonne . . . . . . . . . . . . . 26
2.5 Die Preisfindung für Kohlendioxid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
2.5.1 Zusätzliche Kosten auf dem Energiesektor . . . . . . . . . . 28
2.5.2 Das planwirtschaftliche Märchen von guten und schlechten
Sektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
2.5.3 Die Problematik der Internalisierung von externen Kosten . 31
2.5.4 Verteuerung über Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
2.5.5 Verteuerung durch Zuweisung und Handel . . . . . . . . . . 33
2.5.6 Verteuerung durchSanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
3 Fossile Energien 37
3.1 Erdöl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
3.2 Erdgas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
3.3 Kohle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
3.3.1 Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
3.3.2 Verwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
3.3.3 Umweltschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
3.3.4 Bergbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
3.3.5 Braunkohle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
5
Inhaltsverzeichnis
3.3.6 Steinkohle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
3.4 Problematik des Kohlendioxids . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
3.4.1 Abscheidung von Kohlendioxid . . . . . . . . . . . . . . . . 49
3.4.2 Lagerung von Kohlendioxid . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
4 Regenerative Energien 53
4.1 Sonnenenergie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
4.1.1 Photovoltaik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
4.1.2 Solarthermische Kraftwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
4.2 Wasserkraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
4.3 Windenergie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59
4.4 Biomasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
4.4.1 Biogas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
4.4.2 Ethanol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
4.4.3 Biodiesel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64
4.4.4 Pflanzenöl (”Pöl“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
4.4.5 BtL (Biomass to Liquid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
4.5 Erdwärme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
4.5.1 Nutzungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
5 Kerntechnik 69
5.1 Kernenergie heute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
5.2 Zukünftige Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71
5.3 Reaktorgenerationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72
5.4 Kernenergiestrategie in den USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
5.4.1 Weiterbetrieb der heutigen Flotte von Leichtwasserreaktoren 75
5.4.2 Erweiterung der Flotte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76
5.4.3 Anwendungen für Hochtemperaturreaktoren außerhalb der
Stromerzeugung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77
5.4.4 Brennstoffversorgung der USA . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
5.4.5 Kernenergienutzung für einen sehr langen Zeitraum . . . . . 78
5.4.6 Führungsrolle der USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
5.4.7 Verwicklungen zwischen der Nicht-Weiterverbreitung und ge-
schlossenen Brennstoffkreisläufen . . . . . . . . . . . . . . . 80
5.4.8 F&E für LWR und ALWR in den USA . . . . . . . . . . . . 82
5.4.9 F&E für HTR in den USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84
5.4.10 F&E für Schnelle Reaktoren in den USA . . . . . . . . . . . 85
5.4.11 Zusammenfassung aus amerikanischer Sicht . . . . . . . . . . 86
5.5 Generation IV roadmap . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87
5.5.1 Nachhaltigkeit der Kerntechnik . . . . . . . . . . . . . . . . 88
5.5.2 Wirtschaftlichkeit der Kerntechnik . . . . . . . . . . . . . . 89
6
Inhaltsverzeichnis
6 Prozesse 127
6.1 Koppelprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127
6.1.1 Unterschiedliche Wirkungsgrade . . . . . . . . . . . . . . . . 127
6.1.2 Unterschiedliche Arbeitsausnutzung . . . . . . . . . . . . . . 128
6.2 Wasserstofferzeugung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129
6.2.1 Dampfreformierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129
6.2.2 Elektrolyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130
6.2.3 Jod–Schwefel–Prozeß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130
6.2.4 Kalzium-Brom-Prozeß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131
6.2.5 Metalloxid–Kreisprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131
6.3 Fernwärme und Fernkälte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131
6.4 Meerwasserentsalzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133
6.4.1 Umkehrosmose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134
6.4.2 Entspannungsverdampfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
7 Netze 137
7.1 Das öffentliche Stromnetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137
7.2 Regelleistung bei Stromnetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139
7.3 Ausgleichsenergie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142
7
Inhaltsverzeichnis
8 Anhang 145
8.1 Vollaststunden oder Auslastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145
8
1 Energiebedarf
1.1 Energiebedarf der Menschheit
In der Natur läuft kein einziger Vorgang ohne den Verbrauch von (nutzbarer)
Energie ab. Somit ist ohne Nutzenergie auch kein menschliches Leben denkbar.
Für den gesamten Energieverbrauch der Menschheit – auch als Weltenergiebedarf
bezeichnet – sind folgende Gründe ausschlaggebend:
• der Lebensstandard,
• die Umweltbedingungen.
9
1 Energiebedarf
Berlin nach Hamburg laufen und würde dabei keinen Tropfen Benzin verbrauchen.
Es würde nur (sehr viel) länger dauern! Energie ist in diesem Sinne ein Ersatz für
menschliche Arbeitskraft.
10
1.2 Nutzenergie
1.2 Nutzenergie
Die Erfahrung lehrt, daß es verschiedene Energieformen gibt. Sie lassen sich –
wenn auch mit Verlusten – beliebig ineinander umwandeln. Dabei geht zwar keine
Energie verloren, aber mit jeder Umwandlung wird der weiterhin nutzbare Anteil
kleiner. Je nach Sichtweise, gibt es unterschiedliche Definitionen.
Technische Definition Die Nutzbarkeit einer Energie hängt von ihrer Anwen-
dung ab. In einem Fahrzeug mit Benzinmotor kann man nicht mit Dieselkraftstoff
fahren. Der Diesel wäre für solch ein Auto in des Wortes Bedeutung nutzlos. An je-
der Tankstelle kann man bereits eine Tendenz der technischen Entwicklung sehen:
Es gibt immer hochspezialisiertere Energieträger. Je spezialisierter ein Energieträ-
ger ist (z. B. Superbenzin), je mehr Verfahrensschritte hat er bei seiner Herstellung
aus dem Rohstoff durchlaufen. Je mehr Verfahrensschritte, je mehr
Energie wird dabei zwangsläufig in nutzlose Formen umge-
wandelt.
11
1 Energiebedarf
Vom Nutzen als relativem Begriff Wegen der grundsätzlichen Bedeutung für
Technik und Wirtschaft – und damit der Gesellschaft – sei hier nocheinmal auf den
unterschiedlichen Nutzen der unterschiedlichen Energieformen eingegangen: Für
jede Energieform läßt sich eine naturbedingte Obergrenze
ihres Nutzens angeben. So läßt sich beispielsweise Holz im Gegensatz zu
Erdgas nicht direkt in einem Verbrennungsmotor verfeuern. Es müßte vorher das
Holz in eine geeignete – nutzbare – Energie umgewandelt werden, was bereits mit
erheblichen Verlusten verbunden wäre oder es müßte ein anderer technischer Pro-
zeß angewendet werden. Würde man einen Dampfkraftprozeß wählen, wäre auch
hierbei das Erdgas thermodynamisch ”nützlicher“, weil mit ihm generell eine höhe-
re Verbrennungstemperatur erzielbar wäre und somit mehr mechanische Energie
12
1.3 Weltenergiebedarf
gewinnbar ist. Der springende Punkt ist hierbei die benötigte (wofür auch immer)
mechanische Energie. Würden wir die Aufgabe ein Gebäude zu beheizen betrach-
ten, wären diese Überlegungen gänzlich sinnlos. Die ”Heizwärme“ hat so geringe
Temperatur, daß sie sich sogar durch Erdwärme oder Abwärme aus einem Koppel-
prozeß bereitstellen ließe. Allenfalls gilt hier der Umkehrschluß, daß Erdgas viel zu
”wertvoll“ für’s Heizen ist. An dieser Stelle sei vermerkt, daß es sich hier um rein
physikalische Betrachtungen handelt.
1.3 Weltenergiebedarf
In den letzten 40 Jahren ist der Primärenergieverbrauch kontinuierlich angestie-
gen. Rückrat der Energieversorgung sind weltweit die fossilen Energieträger. Kohle
wird wegen seiner technisch aufwendigen Verbrennung hauptsächlich im industri-
ellen Sektor (z. B. Stahlproduktion) und in Kraftwerken genutzt. Erdöl ist leicht
13
1 Energiebedarf
14
1.3 Weltenergiebedarf
• Mit jedem Import und Export wird nicht nur Geld sondern auch Energie
bewegt. Hier können für ein und dasselbe Produkt auf Grund von staatlich
festgelegten Energiepreisen und Wechselkursen völlig unterschiedliche spezi-
fische Energieverbräuche vorliegen.
15
1 Energiebedarf
16
1.3 Weltenergiebedarf
parks zerstört werden oder psychische Belastungen (die aber durchaus individuell
gesundheitsbelastend sein können) entstehen ( ”Atomindustrie“, ”Klimakatastro-
phe“, Bergbau). Energieformen müssen auch gesellschaftlich–kulturell akzeptiert
werden. Diese Akzeptanz kann sehr unterschiedlich sein und sich regional sprung-
haft ändern. Betrachtet man vorstehendes Bild, kann man sehr anschaulich den
Zusammenhang zwischen gesellschaftlicher Entwicklung und Umweltbelastung in
der Zukunft (hier 2035) erkennen: Die Größen der Flächen sind ein unmittelbares
Maß für die Umweltbelastung der Erde. Die Flächenbreite ist die jeweilige Bevölke-
rung, die Höhe die spezifische Schadstoffproduktion (hier CO2 ). Wenn man die drei
Regionen Rußland, China und Europa betrachtet, ist der höhere Schadstoffausstoß
pro Kopf nicht nur in einem unterschiedlichen technischen Entwicklungsstand be-
gründet, wie dies immer wieder gern dargestellt wird. Sondern es müßte Europa
ein entsprechender Anteil zugeschlagen werden, da Rußland sein Rohstofflieferant
und China seine verlängerte Werkbank ist. In diesem ursächlichen Zusammenhang
liegt die maßgebliche Begründung für einen internationalen Handel mit Schadstoff-
zertifikaten.
17
2 Wirtschaftlichkeit
2.1 Berechnungsansätze für die Wirtschaftlichkeit
Üblicherweise wird in der Stromwirtschaft ein Preis für die Kilowattstunde berech-
net, der die gesamten Betriebs- und Investitionskosten über die gesamte Lebens-
dauer der Anlage abdeckt. Allen anfallenden Kosten für diesen Zeitraum steht die
in diesem Zeitraum (wahrscheinlich) produzierte Energiemenge gegenüber. Da die
Kosten zu unterschiedlichen Zeitpunkten anfallen und die Zeiträume recht lang
sind, müssen sie auf einen Gegenwartswert umgerechnet werden. Hierfür sind An-
nahmen für Zinssätze und Inflationsraten nötig. Die zugrunde gelegten Zinssätze
können – je nach Unternehmen und dessen ”Risikoaufschlages“ und den angesetz-
ten Zeiträumen – recht unterschiedlich sein. Ein staatlicher Energieversorger hat
günstigere Kreditkonditionen als ein privates Unternehmen. Eine Anleihe mit ei-
ner Laufzeit von 15 Jahren (normalerweise) geringere Sätze als eine Anleihe über
50 Jahre. Bei den speziellen Inflationsraten gestaltet sich die Abschätzung noch
schwieriger. Wie die Erfahrungen der Vergangenheit zeigen, können beispielswei-
se Lohn-, Material- und Brennstoffkosten sehr unterschiedliche Steigerungsraten
haben. Für eine vergleichende Wirtschaftlichkeitsrechnung sind die Ergebnisse als
übliche ”€/MWh“ nur bedingt aussagekräftig. Sie sind ohne genaue Kenntnis der
Berechnungsmethode und deren konkreten Zahlenwerte mit äußerster Vorsicht zu
genießen. Dies gilt insbesondere, wenn sich die Zahlenwerte nur geringfügig unter-
scheiden.
Andere Ansätze Der obige Ansatz kommt aus der Zeit der öffentlichen Ver-
sorger mit Monopolstellung. Der Strompreis (für den Verbraucher) ergibt sich aus
allen Kosten plus einem Gewinn für das Unternehmen. Wegen der Monopolstellung
sind diese Preise genehmigungspflichtig. Für ”freie“ Strommärkte und unabhängi-
ge Erzeuger sind eigentlich andere Modelle erforderlich. Bei einem Versorger mit
ausschließlichem Versorgungsgebiet ergibt sich der ”Strompreis“ als Mittelwert aus
seinem Kraftwerkspark. Es ist allenfalls eine interne Optimierung möglich. Wird z.
B. die Leistung der Gaskraftwerke wegen zu hoher Gaspreise gedrosselt, reduzieren
sich zwar die Ausgaben für das Gas, aber gleichzeitig gehen die spezifischen Strom-
kosten der Produktion in den Gaskraftwerken wegen der geringeren Auslastung in
die Höhe. Als eigentliche Einsparung verbleibt nur die Differenz.
19
2 Wirtschaftlichkeit
Gibt es unabhängige Lieferanten, stellt sich die gleiche Situation völlig anders
dar. Hier ergibt sich der Strompreis nicht aus den Kosten wie vor, sondern wird
auf dem Markt (z. B. an einer Strombörse) gemacht. Steigt der Gaspreis und die
Besitzer der Gaskraftwerke können diese Preissteigerung nicht am Markt durchset-
zen, machen sie Verluste. Es ist jedoch nicht sinnvoll, ihre Kraftwerke vollständig
vom Netz zu nehmen, denn dann hätten sie überhaupt keine Einnahmen mehr.
Sie müssen – wohl oder übel – mindestens so viel Strom zum Marktpreis liefern,
daß ihre Verluste ein Minimum erlangen. Wieviel das sein muß, hängt von der Hö-
he des Gaspreises und von der Zusammensetzung des gesamten Kraftwerksparkes
des ”Liefergebietes“ ab. Es ergeben sich für einen sog. ”liberalisierten Strommarkt“
folgende Besonderheiten:
• Die Gestehungskosten setzen sich aus der Summe der Fixkosten (hauptsäch-
lich Investition) und variablen Kosten (hauptsächlich Brennstoff) zusammen.
Sind die Gestehungskosten höher als der Marktpreis, macht das einzelne Un-
ternehmen Verlust.
• Der einzelne Kraftwerksbetreiber kann den Brennstoff-
preis (als Nachfrager) und den Strompreis (als Liefe-
rant) nur sehr begrenzt beeinflussen. Ist der Markt groß genug,
spielt selbst sein Verschwinden keine Rolle.
• In einem Strommarkt trägt derjenige, der hohe Investi-
tionen getätigt hat und damit hohe Fixkosten zu tragen
hat, ein erhöhtes finanzwirtschaftliches Risiko. In dem Ma-
ße, wie eine Umwandlung von einem Versorgungssystem in einen Strommarkt
in Deutschland politisch (angeblich) gewünscht war, nahm der Neubau von
Kombikraftwerken (auch GuD genannt) zu. Dieser Kraftwerkstyp besitzt ge-
ringe spezifische Investitionskosten.
• Ein ”liberalisierter Strommarkt“ hat die Tendenz wieder ein
Monopol zu bilden, da durch die steigende Anzahl von Anbietern die
Möglichkeit einer internen Risikostreuung immer geringer wird. Gerade die
kleinen Anbieter sind gehalten, möglichst kleine Amortisationszeiträume an-
zustreben, um überhaupt kalkulierbare Kreditkonditionen zu erhalten. Um
eine Konkurrenz in einem Versorgungsgebiet aufrechtzuerhalten, muß der
Kreis der Lieferanten immer weiter ausgedehnt werden. Der Prozeß wird auf
größerem Gebiet fortgesetzt. Am Ende steht eine Situation, vergleichbar in
der Mineralölwirtschaft: Es gibt einige wenige Konzerne, die weltweit tätig
sind.
• Gegenüber konventionellen Kraftwerken besitzen Wind- und Photovoltaik-
kraftwerke exorbitant hohe Investitionskosten. Ihre Stromerzeugungskosten
20
2.2 Deutschland innerhalb Europas
• Da aber keine Mauer mehr die ”Neue Planwirtschaft“ stützt, wird zusätzlich
noch Strom aus den Nachbarstaaten auf den Deutschen Markt drängen. So
paradox dies klingt, der zwar ”politisch nicht so korrekte“, aber billigere
Strom aus dem Ausland ist sogar erwünscht, damit die Inlandspreise nicht
explodieren. Hier findet dann die zweite Verlagerung von
Gewinnen, Steuern und Arbeitsplätzen statt.
21
2 Wirtschaftlichkeit
22
2.2 Deutschland innerhalb Europas
nicht bloß zur ”Rettung der Menschheit“, sondern gleich zur ”Rettung der Erde“
einsetzen. Vielleicht diesmal sogar mit Erfolg? Mag das heute alles etwas grotesk
erscheinen, darf man nicht verkennen, welch schweren Stand ”Linke Politik” zu
dieser Zeit in Deutschland hatte: Hartz IV einerseits und leere Staatskassen ande-
rerseits. Man durfte beim Betreten des ”Dritten Weges“ zwischen Kapitalismus und
Kommunismus nicht die neugewonnene ”Mitte der Gesellschaft“ durch allzu offenes
Eintreten für die Planwirtschaft verprellen. Planwirtschaft war selbst im ”Beitritts-
gebiet” zu negativ besetzt, obwohl dort Sozialismus nach wie vor salonfähig war,
wie der Anteil der ”SED Nachfolgepartei“ mit zunehmendem Stimmenanteil zeigte.
Die regierenden Parteien SPD und Grüne wollten die ”Regenerativen Energien“
durchsetzen. Einerseits um sich in der liebsten Rollen der Politiker als ”Retter der
Menschheit“ gegen die ”Klimakatastrophe” und ”Erschaffer von Arbeitsplätzen“
zu geben und andererseits die ”eigene Klientel“ zu stützen. Klassische staatliche
Investitionsprogramme hätten weitere Steuergelder gekostet und den ”Gestaltungs-
spielraum als Politiker“ weiter eingeschränkt. In dieser Zwangslage verfielen die Ar-
chitekten der Planwirtschaft auf das ”Einspeisegesetz“. Die eigene Klientel wurde
gefördert, indem sie für ein unverkäufliches Produkt eine staatliche Absatzgaran-
tie zu überhöhten Preisen bekam. Nicht einmal eine neue Erfindung: Ganz ähnlich
wurde schon ”Landwirtschaftspolitik“ zur Produktion von ”Milchseen“ und ”But-
terbergen“ betrieben. Allerdings muß man damaligen Politikern zu gute halten, daß
die Subventionen direkt aus dem ”Steuersäckel“ flossen und damit auch die Verant-
wortung für Steuererhöhungen und Staatsverschuldung zu tragen war. Die ”Neue
Linke“ ging geschickter vor. Sie machte das Geschäft zu Lasten Dritter: Die Subven-
tionen mußten durch die Stromversorger aufgebracht werden, die diese Kosten aber
an den Stromverbraucher durchreichen durften. Der perfekte ”Schattenhaushalt“
war geschaffen. Die Politik konnte – befreit von Etatzwängen – be-
stimmen, welche Energieformen und wieviel davon eingesetzt
werden. Stellschraube hierfür, sind die staatlich festgelegten (unterschiedlichen)
Preise bei staatlich festgelegtem Abnahmezwang. Eigentlich eine höchst interes-
sante Fragestellung für Verfassungsrechtler! So eine tiefgreifende ”Industriepolitik“
hat es in der Geschichte der Bundesrepublik noch nicht gegeben. Tiefgreifender wa-
ren auch nicht die Eingriffe des Staates in der ehemaligen ”DDR“. Allerdings mit
einem gravierenden Unterschied: In der ”DDR“ übernahm die alleinige und vol-
le Verantwortung die ”Partei“. Beim ”Einspeisegesetz“ wird die Verantwortlichkeit
geschickt kaschiert. Die Preisfestsetzung und Aktualisierung erfolgt unbeobachtet
von Öffentlichkeit und Parlament. Die Wirkung (Strompreise) tritt zeitlich stark
verzögert und gedämpft auf. Der Staat hat sich durch die Aufhebung der früher um-
fassenden Genehmigungspflicht für Stromtarife geschickt aus der Verantwortung
gestohlen. Strompreiserhöhungen sind für Politiker nicht länger eine direkte und
unmittelbare Folge ihrer Gesetzgebung, sondern ausschließlich das Ergebnis der
23
2 Wirtschaftlichkeit
24
2.3 Die Kapitalvernichtung
ersetzt werden. Eine Erkenntnis, die sich inzwischen sogar in Schweden durch-
gesetzt hat und dort gesellschaftlich akzeptiert wird. In diesem Zusammenhang
sollte vielleicht nicht vergessen werden, daß die Stillegung für unsicher befundener
Kernkraftwerke allen Ostblockstaaten beim Beitritt zu Europa abverlangt worden
ist. Vielleicht fühlen sich diese Staaten eines Tages durch nicht mehr dem Stand
der Technik entsprechende deutsche Kernkraftwerke genauso bedroht, wie sich
Deutschland durch die Kernkraftwerke sowjetischer Bauart gefährdet fühlte. Aus
der Erfahrung mit der deutschen ”Anti-Atomkraft-Bewegung“ sollte man gelernt
haben, wie stark sich ”Atomängste“ verstärken lassen, wenn sie mit dem Wunsch
”gesellschaftlicher Veränderung“ kombiniert werden.
• Doppelt teurer Strom (wegen der Subventionen für den preiswerten Strom)
für ”profitgierige Konzerne und Banken“, ”umweltschädliche Betriebe“, ”Bes-
serverdiener“ usw.
Die Festlegung der Preise wird – insbesondere vor jedem Wahlkampf – in un-
endlichen Talkshows diskutiert und in ”Montagsdemos manifestiert“ werden. Der
Strompreis wird zu einer neuen Sondersteuer mutieren, die die schwer durchsetzba-
re Vermögenssteuer als ”Instrument im Klassenkampf“ nicht nur ersetzt, sondern
in ihrer ”Feinsteuerung“ noch übertrifft.
25
2 Wirtschaftlichkeit
26
2.5 Die Preisfindung für Kohlendioxid
€ € €
Strompreis < 0, 681·Erdgaspreis +1, 42·Steinkohlepreis
kW h kW h kW h
(2.4.1)
Dies ist eine Abschätzung des maximalen Wertes, weil z. B. erhöhte Netzkosten
(Transport von der Nordseeküste nach Bayern), Kosten für Regelenergie und Teil-
lastbetrieb der vorhandenen Kraftwerke etc. noch gar nicht berücksichtigt wur-
den. Setzt man in obige Formel die Preise für Erdgas und Kesselkohle von 2007
ein, ergibt sich eine marktgerechte Vergütung von weniger als 2 Cent! Es dürf-
te für jeden Kreditsachbearbeiter einer Bank kein Problem
sein, mal die Kreditgewährungen mit diesem Strompreis neu
zu berechnen. Ein Schelm wer da an die Hypothekenkriese in den USA denkt.
27
2 Wirtschaftlichkeit
soll den Mangel (in diesem Fall für den Lagerraum in der Erdatmosphäre) wi-
derspiegeln. Allerdings wird hier die Modellvorstellung des ”Kappheitspreises“ –
wie schon bei der Energiesteuer – leicht überdehnt. Normalerweise hat ein ”knap-
pes Gut“ wegen der hohen Nachfrage auch eine entsprechend hohe Gewinnspanne.
Genau dieser ”Profit“ ist es aber, der andere Produzenten anregt, ebenfalls die-
ses Gut zu produzieren. Durch die Erhöhung des Angebotes bildet sich ein neuer
”Gleichgewichtspreis“ auf niedrigerem Niveau. Genau hierin liegt aber die Schwä-
che der Modellvorstellung für die Umkehr auf Schadstoffe: Durch die Einführung
eines künstlichen Preises für den Schadstoff wird kein Gewinn erzeugt, sondern im
Gegenteil Kosten produziert. Diese Kosten belasten die Unternehmen. Sie verrin-
gern ihren Gewinn oder müssen über den Preis an die Verbraucher weitergegeben
werden. Gleichzeitig sind aber zur Vermeidung von CO2 gewaltige Investitionen
nötig, die zusätzlich – bei fallenden Einnahmen – finanziert werden müssen. Dieser
Zusammenhang ist schon von der ”Lohnfindung“ her bekannt: Werden die Löhne
aus politischen Überlegungen (Gewerkschaften, Parteiinteressen) erhöht, müssen
diese Kosten entweder weitergegeben werden – sofern das überhaupt möglich ist –
oder sog. ”Rationalisierungsmaßnahmen“ setzen ein. Es entsteht entweder Inflation
und/oder (angeblich nicht gewollte) Arbeitslosigkeit. Beides ist volkswirtschaftlich
nachteilig.
28
2.5 Die Preisfindung für Kohlendioxid
den Bereich der Energieversorger. Die Aktienkurse sinken und die Kredite
werden teurer. Um diesen Beginn eines bekannten Teufelskreises so lange
wie möglich hinauszuzögern, wird das ”De–investment” selbst vorgenommen.
Gewinne werden nicht ”re–investiert“ sondern ausgeschüttet oder damit Ak-
tienrückkaufprogramme durchgeführt. Reicht dies nicht aus oder werden die
Aussichten der Branche zukünftig noch düsterer eingeschätzt, wird Kasse
gemacht und Anlagenteile (noch) günstig verkauft. Mit diesen (außerordent-
lichen) Einnahmen wird im Ausland investiert. Das Kapital ist halt scheu
wie ein Reh!
Wer den vorgenannten Thesen kritisch gegenübersteht, sollte sich etwas aufmerk-
samer mit den Abläufen in der deutschen ”Stromindustrie“ beschäftigen. Der Per-
sonalabbau bei den Energieversorgern und deren Zulieferindustrie in Deutschland
in den letzten Jahrzehnten war gigantisch. Dagegen fallen die künstlich geschaf-
fenen und am Leben gehaltenen Arbeitsplätze in den ’”Alternativenergien“ kaum
ins Gewicht. Der Kraftwerkspark in Deutschland ist so alt wie noch nie. Jeder
Neubau, auch auf international höchstem Niveau (Umweltschutz, Wirkungsgrad
und sogar Kraft-Wärme-Kopplung) wird sofort mit allen zur Verfügung stehenden
Mitteln diffamiert und bekämpft. Der Abfluß von Kapital aus Deutschland geht
schleichend, aber stetig weiter. Wenn sich nur ein Bruchteil der Neubaupläne für
29
2 Wirtschaftlichkeit
Zusammenfassend muß noch einmal in aller Deutlichkeit gesagt werden: Wenn die
Freisetzung von Kohlendioxid aus Umweltschutz verringert werden soll, muß dies
bei geringsten wirtschaftlichen Nachteilen erfolgen. Die Freisetzung von CO2 ist
kein Selbstzweck, sondern ein Abfallprodukt. Eine Bevorzugung einzelner Sektoren
oder Verfahren ist nicht zulässig. Man muß Entwicklungs- und Schwellenländer
technisch und wirtschaftlich unterstützen.
30
2.5 Die Preisfindung für Kohlendioxid
31
2 Wirtschaftlichkeit
gaben (über die Aufstellung und Beratung eines Haushaltes) diese Einnahmen
verwendet werden. Die Diskussion, welche Steuern in welcher Höhe erhoben wer-
den sollen, ist so alt wie die Steuersysteme. Jede Steuer verteuert das zugehörige
Produkt, verschiebt damit die relativen Preise und wirkt somit lenkend. Steu-
ern und Steuersätze festzulegen, ist deshalb eine rein politische Aufgabe. Diese
Zusammenhänge waren zu Beginn der ”ökologischen Bewegung“ ein leidenschaft-
lich und ausführlich diskutiertes Thema. Wichtig war in diesem Zusammenhang
die Betrachtung neue ”Ökosteuern“ aufkommensneutral zu erheben und damit ihre
lenkende Wirkung noch zu verstärken. Je mehr die ”Ökobewegung“ von Sozialisten
und Kommunisten vereinnahmt worden ist, je mehr wurden solche Betrachtungen
schon im Ansatz erstickt und die ”Ökosteuer“ ist zu einem reinen Abkassieren ver-
kommen. Ja, teilweise wurde ihr ursprünglicher Sinn sogar ins Gegenteil verkehrt
(”Rasen für die Rente“).
• Bei einem Vermeidungs-Modell über Steuern, ergibt sich der folgende grund-
sätzliche Widerspruch: Durch die Steuern wird Kapital entzo-
gen, welches aber gleichzeitig für Investitionen zur Ver-
meidung von Kohlendioxid benötigt wird. Ein solches Modell
hat daher – in Bezug auf den Umweltschutz – den gleichen Konstruktions-
fehler wie die ”Ökosteuer“.
32
2.5 Die Preisfindung für Kohlendioxid
• Die Festlegung der Gesamtmenge ist recht robust gegen Irrtümer und sollte
iterativ erfolgen: War sie zu hoch angesetzt, wird der Handelspreis mangels
Nachfrage sehr gering. Umgekehrt ist der Handelspreis ein Maßstab für die
wirtschaftlich vertretbare Geschwindigkeit der Absenkung. Wird der Preis
und die daraus resultierenden Konsequenzen als zu nachteilig angesehen,
muß die Rate der Verringerung entsprechend verkleinert werden.
33
2 Wirtschaftlichkeit
34
2.5 Die Preisfindung für Kohlendioxid
35
2 Wirtschaftlichkeit
der Festlegung von Grenzwerten für den CO2 –Ausstoß bei Autos. Diese sind nach
naturwissenschaftlichen Gesichtspunkten völlig aus der Luft gegriffen. Sie sollen
lediglich Kosten verursachen und damit den ”Transport“ in eine politisch gewollte
Richtung lenken. Dies ist ein eindeutiger Mißbrauch von Grenzwerten, der
dessen wichtige Funktion auf ewig diskreditieren wird (und soll?). Wir sollten uns
daher hüten, die CO2 –Problematik weiterhin auf diesem Weg lösen zu wollen.
36
3 Fossile Energien
3.1 Erdöl
Erdöl wird auch ”Schwarzes Gold“ genannt, da aus ihm die Treibstoffe praktisch
aller Verkehrs- und Transportmittel gewonnen werden und es der Rohstoff nahezu
der gesamten chemischen Industrie ist. Durch seine geringere Dichte als Wasser,
steigt es in der Erdkruste auf und tritt (trat) an manchen Orten sogar an der
Oberfläche hervor. Dort reagiert es mit Luft und bildet asphaltartige Stoffe.
Die Förderung konventionellen Erdöls erfolgt heute in folgenden Phasen:
1. In der ersten Phase wird Öl durch den natürlichen Druck des eingeschlosse-
nen Erdgases oder durch Pumpen an die Oberfläche gefördert (primary oil
recovery)
2. In der zweiten Phase (secondary oil recovery) werden Wasser oder Gas unter
hohem Druck in das Reservoir gepresst und damit zusätzliches Öl aus der
Lagerstätte gefördert.
3. In einer dritten Phase (tertiary oil recovery) werden Dampf (Verringerung
der Viskosität), Polymere (Aufrechterhaltung der Porösität), Chemikalien
(Fließverbesserung) eingespritzt, mit denen die Nutzungsrate nochmals er-
höht wird. Interessant im Zusammenhang mit CO2 –Abscheidung ist das Ver-
pressen von CO2 zur gleichzeitigen Ölgewinnung und Entsorgung.
Je nach Vorkommen werden in den beiden ersten Phasen jeweils 10–30 % des vor-
handenen Öls gefördert; insgesamt in der Regel also nur 20–60 % des vorhandenen
Öls. Mit steigenden Ölpreisen ist damit zu rechnen, daß sich die tertiäre Förderung
verstärken wird.
Weltreserven Für das Jahr 2004 wurden die bestätigten Weltreserven je nach
Quelle auf etwa 1100 bis 1300 Milliarden Barrel geschätzt. Reserven sind Öl-
vorräte, die geortet sind und mit der heute zur Verfügung
stehenden Technik wirtschaftlich gewonnen werden können.
Oder mit anderen Worten: Je höher der aktuelle Ölpreis ist, je höher dürfen die
Förderkosten sein. Hinzu kommen technische Entwicklungen in der Bohrtechnik,
Förderung in größeren Wassertiefen, bessere Entölung vorhandener Lagerstätten
37
3 Fossile Energien
usw. Die ”Endlichkeit“ der Ölvorräte ist daher sehr relativ. Solange es Ölförde-
rung gibt, haben die Weltvorräte immer für etwa 30 bis 50 Jahre ausgereicht – ein
eher finanzmathematisches Ergebnis. Schon die Ölsuche und die Erschließung von
Ölfeldern ist sehr kapitalintensiv. Ein zu schnelles Bereitstellen von Ersatz wäre
schlicht weg unwirtschaftlich. Nichts desto trotz, wird das baldige
Versiegen der Ölvorräte von politisch interessierten Kreisen
gerne zur Panikmache mißbraucht. Viel wahrscheinlicher ist es, daß
das ”Ende des Ölzeitalters“ ebenso wenig wegen des Versiegens der Vorräte endet,
wie die Steinzeit wegen des Mangels an Steinen zu Ende gegangen ist.
Transport und Lagerung Einer der Hauptgründe für den ”Siegeszug des Erd-
öls“ über andere Energieträger, ist seine einfache Transportierbarkeit: Erdöl ist
bei moderaten Temperaturen flüssig und damit pumpbar. Es ist weder gasförmig
noch fest. Es kann somit in großen Mengen von Punkt zu Punkt durch Rohr-
leitungen oder weltweit flexibel in einfachen Schiffen kostengünstig transportiert
werden. Eine Lagerung zur zeitlichen Entkoppelung von Förderung und Verbrauch
kann in einfachen Tanklagern oder in unterirdischen Kavernen erfolgen. Durch
diese Flexibilität ist es zur ”Leitwährung“ für alle Energie-
träger geworden. Erst durch die relativ geringen Transportkosten und die
nahezu beliebige Umleitung von Tankern zwischen den Verbrauchszentren ist eine
Preisbildung nach Angebot und Nachfrage möglich. Nicht selten, wechseln Tanker-
ladungen an den Rohstoffbörsen während ihrer Reise mehrfach den Besitzer. Die
vielgescholtenen ”Spekulanten“ übernehmen hierbei die Funktion einer Versiche-
rung. Es kann wegen der großen Entfernungen Monate dauern, bis das an einer
Quelle geförderte Rohöl in einer Raffinerie verbraucht wird. Der ”Spekulant“ wet-
tet nun auf einen unbekannten Preis in der Zukunft. Würde es den Spekulanten
nicht geben, müßte das Risiko der Preisänderung von den Lieferanten bzw. Ver-
brauchern übernommen werden. Es wäre jedenfalls nicht aus der Welt. Es müßte
auf jeden Fall anderweitig abgedeckt werden, allerdings weniger transparent.
Weltverbrauch Der tägliche Verbrauch weltweit lag im Jahr 2008 bei etwa 87
Millionen Barrel. USA (20,1 Millionen Barrel), Volksrepublik China (6 Millionen
Barrel), Japan (5,5 Millionen Barrel) und Deutschland (2,7 Millionen Barrel) waren
im Jahr 2003 Hauptverbraucher des Erdöls. Der Weltverbrauch steigt derzeit um
2 % pro Jahr an. Der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch liegt bei den Industriestaaten
deutlich höher als bei Entwicklungsländern. So lag der Verbrauch in den USA
2003 bei 26,0 Barrel pro Einwohner, in Deutschland bei 11,7, während in China
statistisch auf jeden Einwohner 1,7 Barrel kamen, in Indien 0,8 und in Bangladesch
nur 0,2 Barrel pro Kopf verbraucht wurden.
38
3.2 Erdgas
3.2 Erdgas
39
3 Fossile Energien
3.3 Kohle
Kohle ist ein schwarzes oder schwarz-bräunliches Material, welches aus pflanzlichen
Resten entstanden ist. Sie besteht zu mehr als 50 Gewichtsprozent bzw. 70 Vo-
lumenprozent aus Kohlenstoff. Technisch unterscheidet man zwischen Braun- und
Steinkohle. Die Braunkohle ist dabei noch oberflächennahe ”junge Kohle“, während
Steinkohle durch weitere Umwandlung in tieferen Erdschichten entstanden ist.
3.3.1 Entstehung
Kohle ist aus pflanzlichen Überresten unter Luftabschluß entstanden. Vor etwa 350
bis 300 Millionen Jahren (Erdzeitalter des Karbon) wuchsen auf der Erde riesige
Farne mit baumartigen Ausmaßen. Wenn diese Farne in Sümpfe fielen, konnten sie
wegen Sauerstoffmangels nicht verrotten und begannen sich umzuwandeln. Wur-
den diese Sümpfe abgedeckt, wurden sie infolge des Gewichts entwässert. Je dicker
die Deckschicht war, je höher wurde der Druck und die Temperatur und der so ge-
nannte Prozeß der ”Inkohlung“ setzte ein, an dessen heutigem Ende die Steinkohlen
stehen. Demgegenüber sind die Braunkohlen jüngeren Datums. Sie entstanden vor
etwa 65 bis 3 Millionen Jahren (Erdzeitalter des Tertiär) aus versunkenen Bäumen.
Ohne auf die komplizierten chemischen Prozesse und die erdgeschichtlichen Zu-
sammenhänge näher einzugehen, lassen sich einige wichtige Konsequenzen für die
Gewinnung und Nutzung ableiten:
40
3.3 Kohle
3.3.2 Verwendung
Kohle besteht im wesentlichen aus Kohlenstoff. Damit ist sie nicht nur als Brenn-
stoff verwendbar, sondern kann auch als Ausgang für chemische Produkte verwen-
det werden. Prinzipiell kann sie Erdöl und Erdgas vollständig ersetzen. In einigen
Bereichen wie z. B. der Roheisengewinnung ist sie sogar überlegen. Ihre ”stein-
artige“ Beschaffenheit wird hier zum Vorteil. Ansonsten gereicht ihr ”ihre feste
Form“ wegen der damit verbundenen ”Dosierbarkeit“ zum Nachteil und sie ist auch
bei der allgemeinen Wärmeerzeugung verdrängt worden. Der Nachteil mangelnder
41
3 Fossile Energien
3.3.3 Umweltschutz
Kohle besteht (mehr oder weniger) aus Kohlenstoff. Deshalb wird bei gleicher Wär-
memenge der höchste Anteil Kohlendioxid freigesetzt. Dies wird von vielen sog.
Umweltschützern als Nachteil gegenüber Erdgas mit seinem hohem Wasserstoffan-
teil angeführt. Kohle ist wegen ihrer festen Form nur sehr aufwendig zu verbren-
nen und in den meisten Wärmekraftmaschinen (Dieselmotoren, Gasturbinen usw.)
überhaupt nicht einsetzbar. Ihre Nutzung geschieht deshalb fast ausschließlich über
eine Verbrennung und Umwandlung in Wärme (Dampfkessel). Kombiprozesse wie
beispielsweise in GuD-Kraftwerken mit ihren höheren Wirkungsgraden scheiden
daher für Kohle aus. Der geringere Wirkungsgrad heutiger Dampfkraftwerke führt
zu einem größeren spezifischen Energieeinsatz.
Kohle enthält Mineralien, die nach der Verbrennung als Asche anfallen. Die-
se Aschen besitzen je nach Kohlensorte unterschiedliche Mengen und Eigenschaf-
ten. Die Verbrennung von Kohle ist daher schwierig und die Kohlen lassen sich
nicht oder nur sehr schwer untereinander austauschen. Die direkte Verbrennung in
Gasturbinen oder Großdieseln konnte deshalb bisher nicht zufriedenstellend ver-
wirklicht werden. Die Asche verschleißt die Bauteile wie ein Sandstrahlgebläse.
Bei manchen Aschen oder Verfahren liegt die Verbrennungstemperatur über dem
Schmelzpunkt der Mineralien: Die Asche verflüssigt sich und wird nach der Ab-
lagerung an den Bauteilen wieder fest. Bei Turbinen führt dies durch Unwuchten
zur sofortigen Zerstörung. In mit Kohlenstaub gefeuerten Kesseln fällt die Asche
nach erfolgter Verbrennung in einer sehr feinen Körnung an, die treffend als ”Flug-
asche“ bezeichnet wird. Teilweise ist sie lungengängig und muß aufwendig aus dem
Abgasstrom herausgefiltert werden.
Kohle enthält Schwefel, der sich im Abgas zu schwefliger Säure umwandelt.
Diese Schwefelsäure kann sich über hunderte von Kilometern ausbreiten, bis sie
abregnet. In den 1970er Jahren hat dies zum sog. ”Wald- und Seensterben“ ge-
führt. Der Schwefel muß daher aus dem Rauchgas entfernt werden. Dies erfordert
kostspielige Anlagen und ist deshalb leider immer noch nicht weltweiter Standard.
Die Kohle enthält Stickstoffverbindungen, aus denen bei der Verbrennung Stick-
oxide entstehen. Dieser Reaktionsweg ist über Primärmaßnahmen (Verbrennungs-
temperatur, gestufte Verbrennung) nicht vollständig beherrschbar. Stickoxide wir-
ken in der Natur als Dünger und bilden unter Sonneneinstrahlung Ozon. Düngung
zum falschen Zeitpunkt und Ozon sind für alle Pflanzen sehr schädlich. Teilweise
42
3.3 Kohle
werden daher die Abgase einer sog. ”Entstickung“ unterzogen. Leider sind die zu-
lässigen Grenzwerte für Stickoxide in vielen Gegenden der Welt aus Kostengründen
noch sehr hoch.
Quecksilber ist ein Nervengift. Es gibt deshalb weltweit die Bestrebung, eine
Freisetzung in die Umwelt vollständig zu unterbinden. Manche Kohlen enthalten
recht viel Quecksilber, das nach der Verbrennung zum großen Teil mit den Abgasen
in die Umwelt gelangt. Besonders in den USA ist mit so scharfen Grenzwerten zu
rechnen, daß eine Abscheidung erforderlich wird.
3.3.4 Bergbau
Jede Form von Bergbau stellt einen Eingriff in die Umwelt dar. Es werden Löcher
(Tagebau) und Gänge gegraben. Dabei wird die Landschaft zwangsläufig zerstört
und umgeformt. Dort, wo die Kohle abgebaut wurde, verbleibt ein Hohlraum. Bei
verlassenen Tagebauen ergibt dies eine Seenlandschaft. Verlassene Bergwerke stür-
zen im Laufe der Zeit ein, was zu kleinen Erdbeben und Absenkungen an der
Oberfläche führt. Die Bergsenkungen führen zu Schäden an Gebäuden und dau-
erhaften Landschaftsveränderungen: Das Ruhrgebiet ist bereits so tief abgesackt,
daß es teilweise unter Wasser stehen würde. Dies führt zu dem maßgeblichen Pro-
blem: Um Bergbau überhaupt betreiben zu können, muß ständig Wasser aus den
Gruben abgepumpt werden. Bei Tagebauen führt dies zu großflächigen Grundwas-
serabsenkungen. Die Grundwasserleiter bleiben oft auch nach Aufgabe des Berg-
werkes dauerhaft zerstört. Bei Bergwerken in größerer Tiefe werden Wasserleiter
angeschnitten, die eigentlich keinen Kontakt zur Oberfläche haben. Mit dem Gru-
benwasser gelangen darin gelöste Stoffe in die Flüsse, die sehr umweltschädigend
sein können.
3.3.5 Braunkohle
Braunkohle ist bräunlich-schwarz und enthält bis zu 50 % Wasser, wodurch ihr
Heizwert wesentlich geringer als bei Steinkohle ist. Eine Verbrennung ist erst nach
erfolgter Trocknung möglich. Sie enthält bis zu 3 % Schwefel und viel Asche. Der
Kohlenstoffgehalt der Trockenmasse beträgt über 50 % (70 % ihres Volumens).
Es lohnt daher nur, sie in unmittelbarer Nähe der Grube zu verarbeiten. Heute
wird sie fast ausschließlich in Kraftwerken verbrannt. Braunkohlen werden je nach
Kohlenstoffgehalt in: Weich-, Hart-, Matt- und Glanzbraunkohle unterschieden.
43
3 Fossile Energien
44
3.3 Kohle
und teuer.
Vorräte Im Jahre 2005 wurden weltweit über 909 Million Tonnen gefördert. Die
drei größten Förderländer sind Deutschland (176 MioTo/a), China (100 MioTo/a)
und die USA (76 MioTo/a).
Die zu heutigen Preisen förderbaren Reserven werden weltweit mit über 283.000
Millionen Tonnen und die nachgewiesenen Vorräte mit 3.000.000 Millionen Tonnen
angegeben.
Allein in Deutschland würden die Vorräte, die nach Angaben der BGR (Bun-
desanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe) zu gegenwärtigen Preisen und
mit dem Stand der heutigen Technologie gewinnbar sind, bei konstanter Förde-
rung (176,3 Millionen Tonnen im Jahre 2006) noch für etwa 230 Jahre ausreichen.
Grenzen sind somit allenfalls durch den Umweltschutz gegeben. Es ist im Gegen-
teil bei einer Verteuerung des Rohöls und Erdgases auch in Deutschland von einer
verstärkten Nutzung auszugehen. Es sei daran erinnert, daß allein die ”DDR“ vor
ihrem Untergang 300 Millionen Tonnen pro Jahr gefördert hat! Nimmt man die
exorbitant hohen Preise für Wind- und Sonnenenergie als Basis, dürften erhöhte
Umweltschutzkosten keine Einschränkung sein. Selbst die Abscheidung und La-
gerung von CO2 verliert dann ihren wirtschaftlichen Schrecken. In Kombination
mit Kernenergie, dürfte bereits zu heutigen Rohölpreisen die Produktion von syn-
thetischen Kraftstoffen aus Braunkohle konkurrenzfähig sein. Nötig, ist allein ein
politisches Umdenken!
3.3.6 Steinkohle
Steinkohle ist der deutsche Sammelbegriff für hochwertige Kohlen mit geringem
Wasser- und Aschengehalt. International klassifiziert man eher nach ”hard coals“
(Hartkohlen) die auch die Hartbraunkohlen und Anthrazit umfassen, die jedoch in
Deutschland kaum vorkommen.
45
3 Fossile Energien
langen, leuchtenden und stark rußenden Flamme. Aus Esskohle kann ein gesin-
terter Koks hergestellt werden, der mit kurzer Flamme und vergleichsweise wenig
Rauchentwicklung verbrennt und deshalb besonders für Hausbrandkessel geeignet
ist. Am oberen Ende der Kohlen steht Anthrazit (griechisch: Glanzkohle) mit über
91 % Kohlenstoff (waf). Sie besitzt einen hohen Heizwert bei großer Härte und hat
ein metallisch glänzendes dunkles Grau als Farbton. Da im Anthrazit nur wenige
flüchtige Bestandteile gebunden sind, verbrennt sie mit sehr kurzer und heißer,
bläulicher Flamme. Ruß und sichtbare Verbrennungsgase entstehen kaum.
46
3.4 Problematik des Kohlendioxids
Eigenschaften Kohlendioxid ist ein farb- und geruchloses Gas. Es ist mit einer
Konzentration von ca. 0,04 % ein natürlicher Bestandteil der Luft. Es entsteht so-
wohl bei der vollständigen Verbrennung von kohlenstoffhaltigen Substanzen unter
47
3 Fossile Energien
ausreichendem Sauerstoff als auch im Organismus von Lebewesen bei der Zellat-
mung. Umgekehrt sind Pflanzen in der Lage, CO2 durch die Kohlenstoffdioxid-
Fixierung in Biomasse umzuwandeln. So produzieren Pflanzen beispielsweise bei
der Photosynthese aus anorganischem CO2 Glukose (”Traubenzucker“). CO2 ist
aufgrund seiner inneren Dipolmomente gut in Wasser löslich. Bei Raumtempe-
ratur unter Normaldruck liegt die Sättigung bei 1700 mg/l, während sie bei O2
bereits bei 9 mg/l und bei N2 bei 20 mg/l erreicht wird. Es besitzt im technischen
Sinne drei herausragende Eigenschaften:
1. Unterhalb einer Temperatur von -78°C ist es bei Umgebungsdruck fest. Dieser
Zustand wird ”Trockeneis“ genannt, da es sublimiert, das heißt direkt – ohne
Flüssigkeit – in den Gaszustand übergeht.
2. Sein Dampfdruck bei 20°C beträgt lediglich 57,3 bar. Es ist also in einer
Druckgasflasche (Zapfanlage, CO2 –Kartusche) bereits flüssig und kann des-
halb leicht (geringes Volumen) transportiert werden.
3. Der kritische Punkt von CO2 ist bei 31,0 °C und 73,8 bar. Oberhalb dieses
Punktes ist die Dichte von Flüssigkeit und Dampf gleich. Die Unterschiede
beider Aggregatzustände hören an diesem Punkt auf zu existieren. Über-
kritische Fluide kombinieren das hohe Lösevermögen von Flüssigkeiten mit
der niedrigen Viskosität ähnlich den Gasen. Weiterhin verschwinden sie bei
Druckminderung vollständig (verdampfen). Somit eignen sie sich als idea-
le Lösungsmittel. Überkritisches Kohlendioxid wird beispielsweise großtech-
nisch zum Entzug von Koffein aus Kaffee, zur Entfettung in der Halblei-
terindustrie und neuerdings zur chemischen Reinigung verwendet. In die-
sem Sinne, sind einige interessante Anwendungen im Zusammenhang mit
der Endlagerung von CO2 zu erwarten (z. B. Ölgewinnung aus versiegten
Feldern, Methanförderung aus Methanhydratvorkommen im Meeresgrund).
Kohlendioxid als Dünger in Gewächshäusern und Aquakulturen: Das in der na-
türlichen Umgebungsluft enthaltene CO2 liegt mit einem Anteil von ca. 350 ppm
unterhalb des für die Pflanzen zum Wachstum förderlichen Anteils von ca. 800
bis 1000 ppm. Durch eine Anreicherung der im Gewächshaus vorhandenen Luft
mit CO2 kann das Pflanzenwachstum um bis zu 40 % gesteigert werden. Bisher
wird diese Methode aus Kostengründen nur in Kombination mit der (notwendigen)
Heizung von Treibhäusern angewandt.
48
3.4 Problematik des Kohlendioxids
Konzentration Auswirkungen
0,038 % Derzeitige Konzentration in der Luft.
0,15 % Hygienischer Innenraumluftwert für frische Luft.
0,3 % MIK–Wert, unterhalb dessen keine Gesundheits-
bedenken bei dauerhafter Einwirkung bestehen.
0,5 % MAK–Grenzwert für tägliche Exposition von acht
Stunden pro Tag.
4% Atemluft beim Ausatmen.
5% Auftreten von Kopfschmerzen, Schwindel und Be-
wußtlosigkeit.
8% Bewußtlosigkeit, Krämpfe, Eintreten des Todes
nach 30–60 Minuten.
Tabelle 3.1: CO2 –Konzentration in der Luft und Auswirkungen auf den Menschen.
Die Sonne strahlt sehr viel Energie zur Erde. Durch ihre Oberflächentemperatur
von etwa 5600°C ergibt sich das sichtbare Licht, welches nahezu ungehindert die
Erdatmosphäre passiert (Transparenz). Die Erdoberfläche absorbiert dieses Licht
und erwärmt sich dadurch auf etwa 30°C. Die erwärmten Gegenstände strahlen
nun ebenfalls, jedoch wegen ihrer geringeren Temperatur mit erhöhter Wellen-
länge (Wiensches Verschiebungsgesetz). Für diese ”Rückstrahlung“ ist jedoch die
Erdatmosphäre weniger durchlässig, als für das sichtbare Licht. Manche Inhalts-
stoffe (Wasserdampf, CO2 , Methan etc.) können die absorbierte Wärmestrahlung
weit besser abgeben, als Sauerstoff und Stickstoff. Da sie gleichmäßig in alle Rich-
tungen – also auch zur Erdoberfläche – strahlen, erhält der Boden eine zusätzliche
Wärmestrahlung (Atmosphärische Gegenstrahlung). CO2 absorbiert einige schma-
le Teile des elektromagnetischen Spektrums im Bereich der Infrarotstrahlung. Es
trägt bei der heutigen Konzentration von etwa 380 ppm in der Atmosphäre ca.
20 % zum natürlichen Treibhauseffekt bei. Demgegenüber beträgt der Anteil des
Wasserdampfes allein über 60 %. Schon aus diesem Grunde scheint eine durch die
Verbrennung fossiler Brennstoffe ausgelöste ”Klimakatastrophe“ mehr als fragwür-
dig.
49
3 Fossile Energien
unmittelbarer Maßstab hierfür, ist die Differenz aus Brennwert (oberer Heizwert
Ho ) und unterem Heizwert (Hu ). Der Wasserdampf läßt sich durch eine entspre-
chende Abkühlung der Verbrennungsgase in den flüssigen Zustand überführen und
somit sehr einfach abtrennen. Wird mit Luft verbrannt, enthält das Abgas ungefähr
nur 10 bis 15 % CO2 bei konventionellen Kohlekraftwerken oder sogar nur 3 bis 6
% bei Erdgas-Kombi-Kraftwerken, da mit einem gewissen Luftüberschuß gefahren
werden muß und die Luft überwiegend aus Stickstoff besteht. Für eine Abschei-
dung ist ein solch geringer Partialdruck eine sehr ungünstige Voraussetzung. Der
Partialdruck kann wesentlich durch eine Verbrennung mit reinem Sauerstoff er-
höht werden. Hierfür ist jedoch eine vorherige Luftzerlegung erforderlich, die sehr
energieaufwendig ist.
Die drei Wege Nach dem heutigen Kenntnisstand, bieten sich großtechnisch drei
Wege zur CO2 –Abscheidung an:
2. Der Brennstoff – insbesondere Kohle – wird mit reinem Sauerstoff und Was-
serdampf zu sogenanntem Synthesegas vergast. Das enthaltene Kohlenmon-
oxid wird unter Zuhilfenahme von Katalysatoren und Wasserdampf einer
Shift-Reaktion unterzogen und bildet ebenfalls Wasserstoff und CO2 . Das
Kohlendioxid läßt sich einfach durch Verflüssigung vom Wasserstoff tren-
nen (pre-combustion). Der Wasserstoff wird anschließend in chemischen
und verfahrenstechnischen Anlagen (Zementwerke, Stahlwerke, Ölraffineri-
en usw.) genutzt oder in Energiewandlungsanlagen (Motoren, Gasturbinen,
Brennstoffzellen etc.) verbrannt. Diese produzieren im wesentlichen Wasser-
50
3.4 Problematik des Kohlendioxids
dampf als Abgas. Dieser Weg würde den Einstieg in die ”Wasserstoffwelt“
bedeuten.
Ziele
• Das alles soll möglichst wenig Energie verbrauchen und möglichst wenig Ko-
sten verursachen.
51
3 Fossile Energien
Lager als Endlager Soll das CO2 dauerhaft von der Atmosphäre zurückgehal-
ten werden, benötigt man dichte Lagerstätten wie sie z. B. ehemalige Erdgasfelder
darstellen. Diese haben ihre Dichtigkeit nachgewiesen, indem sie für Jahrtausen-
de und mehr, das Erdgas gespeichert haben. Es muß lediglich auf einen sicheren
Verschluß der alten Bohrlöcher geachtet werden.
52
4 Regenerative Energien
4.1 Sonnenenergie
Die Sonne ist die Mutter aller regenerativen und fossilen Energien. Meist wird je-
doch unter ”Sonnenenergie“ die direkte Nutzung der Sonneneinstrahlung verstan-
den. Man unterscheidet zwischen der auf direktem Weg von der Sonne zum Objekt
gelangten Strahlung (Direktstrahlung), der durch Reflexion, Streuung, Beugung
usw. abgelenkten (Diffussttrahlung) und der Summe aus allen Strahlungsarten
(Globalstrahlung).
Solarkonstante E0 Die Solarkonstante ist die über viele Jahre gemittelte Son-
neneinstrahlung außerhalb der Erdatmosphäre. Der Mittelwert für die Solarkon-
stante wurde 1982 von der Weltorganisation für Meteorologie in Genf festgelegt:
W
E0 = 1367 (4.1.1)
m2
Die Strahlungsleistung der Sonne selbst ist nahezu konstant. Sie schwankt aber we-
gen der Bahnexzentrizität zwischen 1325 und 1420 W/m2 auf der Erde. Die Erdat-
mosphäre und ihr Klima beeinflussen die Globalstrahlung auf der Erdoberfläche.
Den geometrischen Einfluß beschreibt die ”Air Mass“ (AM), als den entspre-
chenden Weg durch die Atmosphäre, den die Strahlung durchdringen muß. Man
hat nun AM = 0 als das Spektrum außerhalb der Atmosphäre im Weltraum mit der
Solarkonstante definiert. AM = 1 ist das Spektrum der senkrecht auf die Erdober-
fläche fallenden Sonnenstrahlen, d. h. die Sonne muß dafür genau im Zenit stehen;
die Strahlen legen dann den kürzesten Weg auf die Erdoberfläche zurück. Für AM
= 1,5 ergibt sich ein Zenitwinkel von etwa 48,2°. Bei diesem Spektrum beträgt die
globale Strahlungsleistung 1000 W/m2 , weshalb man AM = 1,5 als Standardwert
für die Vermessung von Solarmodulen eingeführt hat. Für Berlin beträgt beispiels-
weise zur Wintersonnenwende mittags der Zenitwinkel 76° (entsprechend AM =
4,13) und demgegenüber zur Sommersonnenwende bei Sonnenhöchststand ca. 29°
(entsprechend AM = 1,14).
53
4 Regenerative Energien
• Sie hängt stark vom Wetter (Regen, Bewölkung) und vom Zustand der At-
mosphäre (Luftverschmutzung) ab.
• Sie hängt stark von der Tageszeit ab. Nachts ist es (nahezu) dunkel. Wegen
des veränderlichen Einfallswinkels des Direktstrahlungsanteils ist die Global-
strahlung mittags stärker als morgens und abends.
• Sie hängt vom Breitengrad ab. Am Äquator ist sie stärker, da sie nahezu
senkrecht am Himmel steht. Die Jahressumme der Globalstrahlung liegt in
Deutschland zwischen 900 und 1.200 kWh pro m2 und Jahr. In Spanien
beträgt die Globalstrahlung etwa 2.000 kWh und in der Sahara 2.500 kWh pro
m2 und Jahr. Für Deutschland ergibt sich je nach Breitengrad und Wetter:
54
4.1 Sonnenenergie
δ(J) = 0, 3948−23, 2559·cos(J0 +9, 1)−0, 3915·cos(2·J0 +5, 4)−0, 1764·cos(3·J0 +20, 6)
(4.1.3)
J0 ist der Tag des Jahres J multipliziert mit 360°, geteilt durch 365 für ein nor-
males und 366 Tage für ein Schaltjahr. Für die Nutzung der Sonneneinstrahlung
ergibt sich nun folgender Zusammenhang: Ist einer der beiden Faktoren ϕ (Brei-
tengrad am Äquator) oder δ (die Deklination) = 0, so ist das Produkt 0 (da arccos
0 = 90) und der ganze Tag 12 Stunden lang. Die Sonne hat zweimal im Jahr die
Deklination 0, nämlich zum Frühlingsanfang und zum Herbstanfang. Dann ist der
Tag überall auf der Welt 12 Stunden lang. Auf der nördlichen Erdhalb-
kugel sind leider im Winter – gerade wenn die meiste Energie
benötigt wird – die Tage kürzer und damit die mögliche Ener-
giegewinnung prinzipiell geringer.
Tageszeit Die Erde hat definitionsgemäß einen Umfang von 360° und eine mitt-
lere Tagesdauer von 24 Stunden. Das bedeutet, daß der Sonnenaufgang (auf dem
gleichen Breitengrad, siehe oben) jeweils alle 15 Längengrade um eine Stunde ver-
schoben ist. Damit läßt sich schon der Mythos von der Stromversorgung aus Afrika
mit Sonnenkraft widerlegen: Afrika dehnt sich von etwa 20° westlicher bis etwa 50°
östlicher Länge aus. Mit anderen Worten: Es ist nur eine Zeitverschiebung von
weniger als 4 Stunden nutzbar. Hinzu kommt noch die Ausrichtung der Arbeits-
zeit nach der Mitteleuropäischen Zeit. Die berühmte Wüste Sahara, erstreckt sich
grob vom nördlichen Wendekreis bis etwa 35° nördlicher Breite. Man kann also mit
Sicherheit feststellen: Wenn es Nacht ist in der Sahara, ist es auch
in Deutschland dunkel. Man verzichtet daher entweder auf
elektrischen Strom oder erzeugt ihn anders!
55
4 Regenerative Energien
4.1.1 Photovoltaik
Unter Photovoltaik versteht man die direkte Umwandlung der Sonneneinstrahlung
in elektrische Energie. Die ”Sonnenzelle“ beruht auf dem inneren photoelektrischen
Effekt. Zusätzlich wird ein p-n-Übergang benötigt. An dem Übergang findet bei
Lichteinwirkung eine Ladungstrennung statt. Das entstehende elektrische Span-
nungsgefälle wird für die Wandlung der Strahlungsenergie in elektrische Energie
genutzt. Es wird ein Gleichstrom erzeugt, der für eine Nutzung im Stromnetz noch
in einen Wechselstrom gewandelt werden muß.
Definition der Nennleistung bei Sonnenzellen Da die Leistung sehr stark von
der Intensität der Bestrahlung und der Modultemperatur abhängt, wurde interna-
tional (STC) eine Nennleistung Wp (”Wattpeak“) definiert: Es ist die elektrische
Leistung, die ein Modul bei einer Modultemperatur von 25°C, einer Bestrahlungs-
leistung von 1000 W/m2 , einem Sonnenlichtspektrum der Luftmasse 1,5 und einem
senkrechten Strahlungseinfall erzeugt. In Deutschland können mit einer An-
lage von 1 kWp zwischen 700 und 1000 kWh elektrischer Energie pro
Jahr erzeugt werden. Im Jahr 2007 wurden in Deutschland mit einer Ausle-
gungsleistung von 3811 MWp 3075 GWh Elektroenergie erzeugt, was rund 807
Vollbenutzungsstunden entspricht. In diesem Zusammenhang sei noch einmal aus-
drücklich darauf verwiesen, daß Wp nicht die Höchstleistung, sondern eine definier-
te Leistung ist. Sie dient nur dem Vergleich und wird für betriebswirtschaftliche
Rechnungen verwendet.
56
4.1 Sonnenenergie
mit Netzspannung umgeformt werden. Wechselrichter haben heute sehr gute Wir-
kungsgrade von bis zu 98 % im Auslegungspunkt. Ihre Kennlinie fällt aber bei
(kleiner) Teillast stark ab. Die über das Jahr gemittelten Verluste für diesen Pro-
zeß betragen etwa 3 bis 7 %.
Turmkraftwerk Bei ihm wird durch ein Feld von computergesteuerten Spiegeln
(Heliostaten) das Sonnenlicht auf einen Wärmeerzeuger in einem 50 bis 150 m ho-
hen Turm konzentriert. Mit dieser Methode lassen sich Temperaturen von bis zu
1000 °C erzeugen, die anschließend in einer Gasturbine oder einem konventionel-
len Dampfturbinenkreislauf in elektrischen Strom gewandelt werden. Das derzeit
größte Solarturm-Kraftwerk ”Solar Two“ steht in der Mojave–Wüste in Kaliforni-
en/USA und liefert eine Leistung von ca. 10 MW.
57
4 Regenerative Energien
deshalb nur wirtschaftlich, wenn sehr billiges Erdgas am Standort zur Verfügung
steht. Ökologischer wäre es, das Erdgas in einem konventio-
nellen Kombikraftwerk – mit entsprechend hohem Wirkungs-
grad – zu verfeuern.
4.2 Wasserkraft
Man kann sowohl die kinetische Energie von Wasserströmungen (Flußläufe, Gezei-
ten), als auch die potentielle Energie (Staubecken) nutzen. Bei den Stauseen ist eine
gewisse Entkopplung von Wasserangebot und Strombedarf möglich. Dies hat sie
seit jeher für den Netzbetrieb besonders attraktiv gemacht. Frühzeitig hat man ge-
eignete Örtlichkeiten zu Pumpspeicherkraftwerken ausgebaut: In Tageszeiten mit
einem Überangebot an elektrischer Energie, wird diese genutzt um Wasser in das
Oberbecken zu pumpen. Bei Bedarf an Spitzenleistung kann dieses Wasser wieder
über eine Turbine geleitet werden. Hauptsächlich werden Stauseen dort angelegt,
wo sie primär dem Hochwasserschutz, der Wasserversorgung oder der Schiffbar-
machung von Flüssen dienen. Ansonsten sind die Baukosten meist zu hoch und
die Eingriffe in die Landschaft werden nicht toleriert. Deshalb sind fast alle gut
geeigneten Standorte bereits ausgeschöpft. Im Gegenteil, manche Projekte sind so
umstritten, daß man sie heute nicht mehr realisieren würde.
58
4.3 Windenergie
4.3 Windenergie
Windenergie ist die kinetische Energie der bewegten Luftmassen der Erde. Sie ent-
steht indirekt aus der Sonnenenergie und zählt deshalb zu den regenerativen Ener-
gien. Durch die unterschiedliche Einstrahlung (Tag – Nacht, Sommer – Winter,
Bewölkung, Wasser – Erdboden etc.) wird die Oberfläche und die darüber liegende
Atmosphäre unterschiedlich erwärmt. Dies führt zu Temperatur- und Druckunter-
schieden, die durch den resultierenden ”Wind“ ausgeglichen werden. Die Leistung
P eines Windrades, steigt mit der 2. Potenz seines Durchmessers und der 3. Potenz
der Windgeschwindigkeit.
Ekin ρ
PW ind = = πr2 v 3 (4.3.1)
t 2
59
4 Regenerative Energien
Dies führt zu entsprechend hohen Türmen (etwa 120 m Nabenhöhe bei etwa 110
m Rotordurchmesser bei 4 MW Nennleistung) und einem relativ kleinen Band der
Windstärke, in dem effektiv Strom erzeugt werden kann. Üblicherweise beträgt die
sog. Anlaufgeschwindigkeit etwa 2 m/s (Windstärke 2) und die Abschaltgeschwin-
digkeit etwa 35 m/s (Windstärke 12). In diesem Band verhält sich die Leistung also
wie 1 : 5359! Man erkennt sofort, daß Windböen eine außerordentliche Herausfor-
derung für die Regelung von Stromnetzen darstellen und zusätzliche Regelleistung
bereitgestellt werden muß.
60
4.4 Biomasse
4.4 Biomasse
Als Biomasse bezeichnet man alle biochemisch synthetisierten Stoffe in einem Öko-
system. Sie enthält also alle Lebewesen, die abgestorbenen Organismen und deren
Stoffwechselprodukte. Die jährliche Produktion an organischem Kohlenstoff auf der
Erde wird auf etwa 118 · 109 im Festlands- und 55 · 109 Tonnen im maritimen Be-
reich geschätzt. Pflanzen sind die Primärproduzenten, die über die Photosynthese
aus Wasser, CO2 und Mineralstoffen unter Energiezufuhr Kohlehydrate aufbauen.
Sie sind wiederum die Nahrung für Tiere und Menschen.
Vorteile:
• Biomasse ist Nahrung oder Rohstoff und kann stufenweise mehrfach genutzt
werden (Bauholz => Brennstoff, Nahrung => Biogas usw.)
• Biomasse setzt nur das CO2 frei, das vorher der Atmosphäre entnommen
worden ist.
Nachteile:
61
4 Regenerative Energien
• Die Energiedichte ist gering, sodaß sie nur regional genutzt bzw. umgeformt
werden kann. Bei einer nachhaltigen Nutzung verringert sich die Energie-
dichte nocheinmal auf einen Bruchteil. Bei der Holzernte beispielsweise, muß
der größere Teil in Form von Wurzeln, Stümpfen, Kronen etc. im Wald ver-
bleiben, da sonst das Ökosystem vernichtet wird.
• Betrachtet man den erforderlichen Energieeinsatz für die gesamte Kette von
Pflanzung, Transport und Veredelung (Treibstoffe), so ist nur ein einstelliger
Prozentsatz tatsächlich ”klimaneutral“.
4.4.1 Biogas
Biogas ist durch sauerstoffreie Vergärung entstandenes Faulgas. Die Zusammen-
setzung und Ausbeute ist je nach Ausgangsmaterial sehr verschieden. Im Durch-
schnitt besteht es aus 60 % Methan und 35 % Kohlendioxid. Die Gewinnung aus
Bioabfall und Gülle, sowie deren ortsnahe Nutzung auf dem Bauernhof kann als
Umweltschutz bezeichnet werden, demgegenüber ist die industrielle Herstellung
von Biogas äußerst umweltschädlich:
• Die Ausbeute aus Gülle (25 bis 80 m3 /t) ist nur gering gegenüber z. B.
Maissilage (202 m3 /t). Aus förderungstechnischen Gründen kommt daher
vermehrt oder ausschließlich Silage zum Einsatz. Maissilage ist aber ein Fut-
termittel und eines der umweltbelastensten (Pflanzenschutz, Grundwasser-
verseuchung) landwirtschaftlichen Produkte überhaupt.
62
4.4 Biomasse
• Bei der industriellen Produktion kann das erzeugte Biogas meist nicht am
Standort genutzt werden. Die vermeintliche Lösung heißt ”synthetisches Erd-
gas“ und Einspeisung in das vorhandene Netz. Die notwendige Aufbereitung
zu ”Erdgas“ und die anschließende Verdichtung ist sehr kostenaufwendig und
würde nur einen Bruchteil des eingesetzten Biogases übriglassen. Aus po-
litischen Gründen erfolgt jedoch die Herstellung dieses
”Bio-Erdgases“ durch preiswerte konventionelle Energie.
Beispielsweise wird die elektrische Energie, die zum Antrieb der Verdichter
notwendig ist, aus dem öffentlichen Stromnetz entnommen und nicht aus
Biogas auf dem Hof erzeugt. Es wird also der ”tödliche Atomstrom“ auf
wundersame weise, in der Biogasanlage in ”politisch korrektes“ Biogas umge-
wandelt. Ein Schelm, wer dabei an Subventionsbetrug denkt. Dieses politisch
gewollte und hochsubventionierte Produkt ”Biogas“ ist umweltpolitisch äu-
ßerst fragwürdig.
• Um die Sache halbwegs profitabel zu machen, müssen Nahrungs- und Futter-
mittel unter die Gülle gemischt werden. Je mehr diese Produktion ausgewei-
tet wird, ergibt sich neben der Umweltbelastung auch eine ethische Frage:
Die Verwendung von Futtermitteln (Mais) zur Energieer-
zeugung hier, verdrängt die Nahrungsmittelproduktion
(Soja, Getreide) irgendwo anders auf dieser Erde.
4.4.2 Ethanol
Bio-Ethanol entsteht durch Vergärung aus zucker- oder stärkehaltigen Materialien
(Rüben oder Rohrzucker, Getreide) durch Hefe oder Bakterien. Diese biologischen
Prozesse sterben bei einem Alkoholgehalt von ca. 15 % von selbst ab. Als Treibstoff
muß der Wassergehalt möglichst gering sein, damit dieser ”brennbar“ wird. Der
Rohalkohol muß deshalb durch Destillation (energieaufwendig) veredelt werden.
• Bio-Ethanol als Treibstoff wird direkt aus Nahrungsmitteln hergestellt. Be-
reits heute wird der vermeintliche Umweltschutz men-
schengefährdend. Sichtbare Auswirkungen waren z. B. die ”Tortilla
Aufstände“ in Mexiko 2008.
• In Brasilien gibt es ebenfalls politische Unruhen, wegen der Ausweitung der
Zuckerrohrplantagen: Vertreibung von Kleinbauern, Abgraben der Wasser-
vorräte, Rodungen des Amazonasurwaldes zur Kompensation der verringer-
ten Sojaanbauflächen etc.
• Auch hier werden aus politischen Gründen erhebliche Rohölmengen bei der
Herstellung von ”Bio–Alkohol“ verbraucht, anstatt aus dem Öl direkt Moto-
rentreibstoffe herzustellen.
63
4 Regenerative Energien
4.4.3 Biodiesel
Ist die umgangssprachliche Bezeichnung für Fettsäuremethylester. Sie werden aus
Pflanzenölen unter Zugabe von Methanol und weiteren Chemikalien bei erhöh-
ter Temperatur gewonnen. Nebenprodukt dieser Umesterung ist Glycerin. Ziel ist
die Herstellung eines dem aus Mineralöl gewonnenen Dieselöl möglichst ähnlichen
Kraftstoffes. Will man Spezialmotoren vermeiden, ist eine Beimischung nur im
einstelligen Prozentbereich sinnvoll. Dies entspricht aber ohnehin dem in Europa
durch Eigenanbau produzierbaren Anteil.
37M J/kg
kRapsmethylester = = 1, 48 (4.4.2)
25M J/kg
64
4.5 Erdwärme
4.5 Erdwärme
Geothermie oder Erdwärme ist die in der Erdkruste gespeicherte Wärme. Sie wird
zu den regenerativen Energien gezählt. Sie stammt (geschätzt 30 - 50 %) aus der
Restwärme aus der Zeit der Erdentstehung, zum anderen Teil (geschätzt 50 - 70 %)
aus radioaktiven Zerfallsprozessen. In der obersten Schicht (weniger als ca. 10 m,
65
4 Regenerative Energien
4.5.1 Nutzungsmöglichkeiten
Nur wenn eine Erdschicht mit deutlich über 100 °C wirtschaftlich (Bohrungstiefe)
erreichbar ist, ist überhaupt eine Stromproduktion möglich. Wegen des geringen
Temperaturniveaus müßte aber etwa die zehnfache Wärmeleistung dem Boden
entzogen werden. Dies ist im großtechnischen Maßstab ökonomisch fragwürdig und
ökologisch nicht tragbar. In Regionen wie Deutschland kann daher Geothermie
bestenfalls als Niedertemperaturwärme zur Gebäudeheizung genutzt werden. Die
oft von Laien zitierte ”Grundlastfähigkeit“ ist eine Fiktion. Zwar kann Erdwärme
ganztägig genutzt werden, aber nur bei geringsten Leistungen.
Nachteile:
• Immer wenn kein Dampf der Erde direkt entströmt, muß Wasser als Wärme-
trägermedium verwendet werden. Wasser ist bekanntermaßen ein gutes Lö-
sungsmittel für Salze und Mineralien. Zudem ist die Lösungsfähigkeit tempe-
raturabhängig. Mit anderen Worten: Wenn ”kaltes“ Wasser die Erdschichten
durchströmt um aufgewärmt zu werden, löst es – je wärmer werdend, je bes-
ser – alle möglichen Stoffe auf. Wenn es dann zur Nutzung an der Oberfläche
abgekühlt wird, fällt ein Teil dieser Stoffe dort aus. Dies ist nicht nur ein
technisches Problem (Verstopfung und Korrosion bei Leitungen und Wär-
metauschern) sondern auch eine erhebliche Umweltverschmutzung. Würde
66
4.5 Erdwärme
67
5 Kerntechnik
In Deutschland wurde (aus rein ideologischen Gründen) die Weiterentwicklung der
Kerntechnik brutal und konsequent abgebrochen:
Es dürfte in der Geschichte einmalig sein und bleiben, daß eines der führenden
Industrieländer seiner Zeit, die Spitzenposition in der Entwicklung einer Zukunfts-
technologie freiwillig und ohne Not aufgibt. Mit dem Ausstieg aus der Kerntechnik
begann auch der Niedergang der konventionellen Kraftwerksindustrie in Deutsch-
land. Es wurden hunderttausende hochqualifizierter – und entsprechend auch ver-
güteter – Arbeitsplätze vernichtet und eine Generation von Ingenieuren ins Aus-
land vertrieben, auf Frührente gesetzt oder in berufsfremde Tätigkeiten abgescho-
ben. Ein Vorgang, der in seiner gesellschaftlichen Tragweite bis heute verdrängt
wurde und allenfalls von der ”Wiedervereinigung“ übertüncht wurde. Ganz neben-
bei gesagt, die Kraftwerksindustrie in der ehemaligen ”DDR“ hat innerhalb des
Ostblocks ebenfalls eine Spitzenstellung eingenommen. Sie wurde gleich vollstän-
dig abgewickelt und bestenfalls als ”Steinbruch für qualifizierte Arbeitskräfte mit
russisch-Kenntnissen und Ostblock-Kontakten“ behandelt. Wenn irgendein Polito-
loge oder Wirtschaftswissenschaftler ein ergiebiges Forschungsthema sucht, sollte
er sich mit der Selbstvernichtung der deutschen Kraftwerksindustrie beschäftigen.
Da hier in Deutschland eine bewußte Realitätsverweigerung stattfindet – siehe
die Nicht-Teilnahme an internationalen Projekten – muß man sich also am Ausland
orientieren. Besonders erfrischend ist hierbei das Studium der USA. Nicht nur aus
technischer Sicht, sondern gerade was die Einschätzung der Bedeutung von Technik
für die Weiterentwicklung einer Gesellschaft besitzt und welche (außen)politischen
Konsequenzen technischen Vorgaben beigemessen werden.
69
5 Kerntechnik
70
5.2 Zukünftige Anforderungen
• Die radioaktiven Abfälle müssen in ihrer Menge verringert werden und die
Zeitdauer ihrer Existenz entscheidend verkürzt werden. Eine Beseitigung
muß vor einer (End)lagerung Vorrang haben.
• Die notwendigen Brenn- und Hilfsstoffe müssen so effektiv wie möglich ge-
nutzt werden, um die Ressourcen zu schonen und die mit dem Abbau und der
Weiterverarbeitung verbundenen Umweltbelastungen so gering wie möglich
zu halten.
• Die Sicherheit muß auf allen Ebenen – vom Bergbau über die Verfahrens-
und Kraftwerkstechnik bis zur Restmüllbeseitigung – kontinuierlich verbes-
sert werden. Eine gute Orientierung, wie trotz steigender Nutzung durch
konsequente Ursachenforschung die Anzahl der Unfälle verringert werden
kann, bietet die Luftfahrt.
71
5 Kerntechnik
• Gleiches muß für die Verbesserung des Arbeitsschutzes und der Arbeitsbe-
dingungen gelten.
5.3 Reaktorgenerationen
Die vorhandenen und in naher Zukunft realisierten Reaktoren, werden vier Gene-
rationen zugeordnet:
Generation I: Hierzu zählen die in den 1950er und 1960er Jahren gebauten Kraft-
werke. Es waren Demonstrationsanlagen wie Shippingport, Dresden, Fermi I
oder die Magnox-Typen in Großbritannien.
Generation II: Sind die kommerziellen Reaktoren der 1970er bis 1990er Jah-
re. Es waren weltweit hauptsächlich Druckwasser– und Siedewasserreaktoren, die
heute noch in Betrieb sind. Sie wurden ständig nachgerüstet und können (theore-
tisch) noch weitere Jahrzehnte in Betrieb bleiben. In geringerer Stückzahl wurden
mit schwerem Wasser moderierte (kanadische CANDU) und gasgekühlte Reakto-
ren (AGR in Großbritannien) gebaut.
72
5.4 Kernenergiestrategie in den USA
Verringerung des Atommülls ist die Grundvoraussetzung für eine Akzeptanz in der
Bevölkerung. Ferner müssen Hochtemperaturreaktoren entwickelt werden, die Pro-
zeßwärme für eine Wasserstoffproduktion und sonstige chemischen Anwendungen
liefern können. Nur so kann der Einsatz fossiler Brennstoffe wirksam verringert
werden.
Abbildung 5.4.1: Möglicher Mix der Stromerzeugung in USA bei einer deutlichen
Reduzierung der Kohlendioxid-Freisetzung (aus PRISM-Studie
des EPRI).
Die USA stehen – nach eigenem Bekunden – vor einer beispiellosen Herausforde-
rung ihrer Energieversorgung bezüglich Klimawandel und Versorgungssicherheit.
Präsident Obama hat zu einer Reduktion des CO2 –Ausstoßes auf das Niveau von
1990 bis zum Jahre 2020 und einer weiteren Reduzierung um 80 % bis 2050 auf-
gerufen. Das Electric Power Research Institute (EPRI) hat ein ähnliches Szenario
in einer Studie im Jahr 2008 durchgespielt. Dabei wurde in 2020 ein Preis von
10 $/ton für die Abscheidung und Lagerung von CO2 (CCS) und 64 $/MWh für
Kernenergie unterstellt. Die im Bild dargestellte Verteilung der Stromproduktion
ergibt sich aus Modellrechnungen, die von einer vergleichbaren Wirtschaftlichkeit
bei den Energieträgern ausgehen. In ihr steigt bis 2020 der Kernenergieanteil um
etwa 20 % und bis 2050 um rund 200 %. Die Entwicklung und der Einsatz der
Kernenergie kann nach Meinung der USA dazu dienen, mehreren Schlüsselanfor-
derungen zu begegnen:
73
5 Kerntechnik
74
5.4 Kernenergiestrategie in den USA
75
5 Kerntechnik
stellen notwendig. Diese wurden in den letzten Jahren in den USA verstärkt in
Angriff genommen. Die NRC erwartet erste Anträge für eine Verlängerung der Be-
triebsgenehmigung über einen Zeitraum von 60 Jahren hinaus für das Zeitfenster
2014 bis 2019. Dies erfordert gemeinsame Anstrengungen über die nächsten 5 bis
10 Jahre, um dieses Ziel zu ermöglichen. Es kann sich nicht einfach nur um eine
Verlängerung der Genehmigung handeln, sondern die Nutzung muß sich auf dem
gleich hohen Niveau wie bisher vollziehen. Ein guter Maßstab hierfür, ist die Ver-
fügbarkeit. Die vorhandene Flotte arbeitet heute mit einer mittleren Verfügbarkeit
von über 90 %. Weit mehr als die Verfügbarkeit von 56 % vor etwa 25 Jahren. In
erster Linie ist dies einer Verbesserung der Betriebsabläufe, der Wartung und In-
standhaltung und des allgemeinen technischen Fortschritts zu verdanken. Noch
mehr, spiegelt dieser Anstieg die ständige Verbesserung der Organisation und den
Austausch von Betriebserfahrungen und Sicherheitserkenntnissen wieder.
Nach vielen Jahren der Vorbereitung sind für 26 Anlagen bei der NRC Genehmi-
gungsverfahren beantragt worden. Selbst wenn die ersten Anlagen erfolgreich ans
Netz gehen, ergeben sich in den USA zahlreiche Schwierigkeiten für die Indienst-
stellung großer Stückzahlen. Die Infrastruktur zum Bau und der Inbetriebnahme
einer großen Anzahl von Anlagen muß wiederbelebt werden. Beispielsweise müssen
76
5.4 Kernenergiestrategie in den USA
HTR’s sind die Speerspitze der Generation IV Entwicklung in den USA. Äußere
Entwicklungen können diese Ziele maßgeblich beeinflussen: Eine zunehmende Zahl
von Elektrofahrzeugen (plug-in hybrid electric vehicles PHEV’s) und eine Zunahme
der Meerwasserentsalzung.
77
5 Kerntechnik
Die ersten beiden Punkte schaffen ein flexibles und sicheres System für die Hand-
habung von abgebrannten Brennelementen und Atommüll. Soll letztendlich ein
offener Kreislauf eingerichtet werden, kann der Inhalt der Zwischenlager in das
Endlager überführt werden. Wird ein geschlossener Kreislauf eingerichtet, werden
Aufbereitung und Brennelemente–Neu–Produktion möglichst in der Nähe gebaut
und lediglich die Spaltprodukte werden in das Endlager überführt.
Der zweite Punkt betrifft Brennelemente aus Versuchsreaktoren etc.
Für Punkt drei sollte der Abbrand erhöht werden. Dies reduziert nicht nur den
Transport und die Zwischenlagerung, sondern verlängert auch die Ladezyklen wo-
durch die Arbeitsausnutzung der Kraftwerke noch weiter ansteigen kann.
78
5.4 Kernenergiestrategie in den USA
muß. Allerdings vergrößert sich das Volumen 3 an Leicht- und Mittelaktiven Ab-
fällen durch die Wiederaufbereitung.
Schnelle Reaktoren erfordern höhere Investitionskosten als LWR’s und ALWR’s.
Sie reichen von ”Brütern“ bis ”Brenner“ 4 . Die Strategie ist, schnelle Reaktoren
mit einer Konversionsrate nahe 1 zu bauen, die die Wiederaufbereitung ein we-
nig vereinfachen durch die Vermeidung von Brennstoffen mit hohem Anteil von
Transuranen und die Handhabung von Plutonium aus anderen Reaktoren. Die
Entscheidung solche Reaktoren zu Brütern zu machen, kann später erfolgen, wenn
zahlreiche Erfahrungen gewonnen worden sind. Diese Strategie schließt
die Beseitigung nahezu aller Aktiniden und damit die Beseiti-
gung der Endlagerungsproblematik ein.
Die Entscheidung über die Einführung wird einerseits von den Kosten für Natur-
uran und Anreicherung getrieben, andererseits von der Fähigkeit die hochaktiven
Abfälle und damit den Bedarf an ”Endlagern“ zu verringern. Die – für Mitte des
Jahrhunderts – anstehende Entscheidung über die Schließung des Brennstoffkreis-
laufes über schnelle Reaktoren wird über folgende zwei Punkte beeinflußt:
79
5 Kerntechnik
Punkt 1 zielt auf die Länder ab, die eine wesentliche Rolle bei der kommerziellen
Anwendung der Kerntechnik spielen (GEN IV) und anderen, wie Indien.
Historie An dieser Stelle ist es wichtig, auf die Entstehungsgeschichte der Wie-
deraufbereitung unmittelbar aus der atomaren Rüstung während des 2. Weltkriegs
zu verweisen. In den 40er Jahren des vorigen Jahrhunderts ging es darum, ein
80
5.4 Kernenergiestrategie in den USA
Die ”neuen Regeln“ Der Hauptgrund für die Schließung des Brennstoffkreislau-
fes ist eine weltweite, über lange Zeit nachhaltige Nutzung:
• bei Einführung von Schnellen Brütern eine Versorgung für Jahrhunderte aus
den vorhandenen Lagerbeständen,
Der geschlossene Kreislauf ist (nach Auffassung des EPRI) kein Ersatz für ein
geologisches Tiefenlager. Durch den Baustopp für das Yuka-Mountain-Projekt in
Nevada durch Präsident Obama im März 2009 ist die ideolologisch festgefahre-
ne Diskussion wieder für Lösungsansätze offen. Die insbesondere von Deutschen
Linken wie ein Mantra wiederholte Formel: ”Plutonium strahlt für Jahrtausen-
de => dafür kann es kein sicheres Endlager geben => Kernenergie zu nutzen,
ist unmoralisch“ ist damit auch offiziell vom Tisch. Es war ein schwerwiegender
Fehler der Befürworter der Kernenergie, den ”gesunden Menschenverstand“ der
Bevölkerung zu ignorieren und sich auf eine mögliche, sichere ”Endlagerung“ für
Jahrtausende zu versteifen. Auch hier muß man noch einmal auf die Folgen der
Rüstungsprogramme verweisen: Die Unmengen aus der Waffenproduktion bereits
angefallenen Müllmengen sollten möglichst ”kostengünstig“ beseitigt werden. Ins-
besondere für die marode Sowjetunion hätte jeder zusätzlich ausgegebene Rubel
für die Atommüllbeseitigung für die zusätzliche Produktion von Atombomben zur
”Zwangsbeglückung“ der Welt gefehlt. Hatte man doch bereits spätestens mit der
81
5 Kerntechnik
82
5.4 Kernenergiestrategie in den USA
Wartung und Reparatur sind entsprechend anzupassen und auszuweiten. Die Anla-
gen müssen für digitale Steuerungen und Regelungen nach dem Stand der Technik
ertüchtigt werden. Der Abbrand sollte auf 80.000 MWd/tonne erhöht werden um
die Flexibilität beim Betrieb zu erhöhen.
Die Herausforderung bei neuen ALWR’s ist ihre Wirtschaftlichkeit und fristge-
rechte Fertigstellung; sie mit so hoher Verfügbarkeit zu betreiben wie die bisherigen
LWR’s und ihre Lebensdauer beständig auszubauen. Fortgeschrittene Fertigung,
Bau und Inspektionsmethoden müssen entwickelt und eingeführt werden. Die US
Infrastruktur und Belegschaft muß wiederbelebt werden, einschließlich der Aus-
weitung und Modernisierung des Stromnetzes für die Ansprüche des 21ten Jahr-
hunderts.
Eine Reihe von F&E-Projekten sollte gestartet werden, um folgende Ziele zu
erreichen:
• Entwicklung von Techniken für die Sicherheit der Anlage mit dem Schwer-
punkt weniger Personalbedarf.
83
5 Kerntechnik
• Brennstoff – Das DOE hat die Kapazitäten für die Produktion und Tests
von ummantelten Brennstoffkörnern wieder in Betrieb genommen. Die Ar-
beit muß fortgesetzt werden, um die reproduzierbare Herstellung von Um-
mantelung und Kernen in kommerziellem Umfang zu demonstrieren und si-
chere Prüfungen in Übereinstimmung mit den atomrechtlichen Vorschriften
zu entwickeln.
• Material – Das DOE hat ein Konzept entworfen, für kriechfähige Gra-
phitumhüllungen, Dauerfestigkeit, und Umwelteinflüsse auf Hochtempera-
turwerkstoffe für die Anwendung in Zwischenwärmetauschern. Eine Men-
ge Arbeit verbleibt für die Auswahl und Untersuchung von Materialien für
84
5.4 Kernenergiestrategie in den USA
Es werden etwa 2 Milliarden $ für F&E im Zeitraum 2010 bis 2015 benötigt. Ziel
ist der Bau eines HTR–Demonstrationsreaktors nach 2020 in den USA. Geplante
Aufteilung der Kosten: 20 % Industrie, 80 % öffentliche Mittel.
85
5 Kerntechnik
Kurzfristig:
86
5.5 Generation IV roadmap
Mittelfristig:
Langfristig:
2. Wirtschaftlichkeit,
87
5 Kerntechnik
Leitgedanke des GIF (Generation IV International Forum) ist es, für den Zeitho-
rizont 2030 fortschrittliche Reaktortypen zu entwickeln, um dann damit die zur
Zeit in Betrieb befindlichen Kernkraftwerke zu ersetzen. Dafür wurden die vorher-
gehenden Ziele definiert. Sie dienen gleichzeitig drei Zwecken:
1. Sie sollen als Basis für die Vorgaben beim Entwurf und zur Abschätzung des
Erfolgs und zum Vergleich der Systeme untereinander dienen.
2. Sie sollen als Herausforderung betrachtet werden und anregen neue Systeme
aus Reaktoren und Brennstoffkreisläufen zu bilden.
3. Sie sollen als Leitfaden für Forschung und Entwicklung dienen und als An-
regung für gemeischftliche Entwicklungen.
88
5.5 Generation IV roadmap
• Die Kernenergie sollte einen positiven Einfluß auf die Umwelt haben, indem
sie ”schmutzige“ Energien bzw. Verfahren ersetzt. Dies kann durch Kern-
kraftwerke (Stromerzeugung) und die Produktion von Wasserstoff (Verkehr,
Verfahrenstechnik) in großem Maßstab erfolgen.
• Um die geologischen Tiefenlager zu schonen und sie für viele weitere zu-
sätzliche Reaktorbetriebsjahre verfügbar zu machen, sollte die Menge des
radioaktiven Abfalls und seine Zerfallswärme sehr stark verringert werden.
• Um den Nachweis einer sicheren Lagerung des restlichen ”Atommülls“ für ei-
ne sehr lange Zeit (größer tausend Jahre) zu gewährleisten, muß die Lebens-
dauer und Giftigkeit der Spaltprodukte auf ein (wirtschaftlich gerade noch
vertretbares) Minimum gesenkt werden. Sie müssen in eine für ein geologi-
sches Tiefenlager optimale Form (chemisch, physikalisch) überführt werden.
89
5 Kerntechnik
90
5.5 Generation IV roadmap
91
5 Kerntechnik
92
5.5 Generation IV roadmap
5.5.5 Kernwaffen
Atomwaffen sind Massenvernichtungsmittel. Auf Grund dieser Tatsache waren sie
im sog. Zeitalter des ”Kalten Kriegs“ das zentrale Abschreckungsmittel. Jeder der
beiden Blöcke verfügte über genügend Sprengköpfe um die Gegenseite mehrfach zu
vernichten. Selbst ein Überraschungsangriff schied deshalb wegen der sog. ”Zweit-
schlagfähigkeit“ aus. Heute stellt sich die strategische Situation gänzlich anders
dar. Die beiden Blöcke sind in mehrere Machtzentren zerfallen. Insbesondere von
den Randmächten, die sich früher einem der Blöcke anschließen mußten, gehen
Unwägbarkeiten aus. Je mehr Staaten es gibt, die über Atomwaffen verfügen, um
so mehr steigt die Wahrscheinlichkeit des Einsatzes in einem regional begrenzten
Konflikt.
Politische Konsequenz
93
5 Kerntechnik
Machtansprüche sieht und dies wiederholt praktiziert, ist eine Zumutung. Die in-
ternationale Staatengemeinschaft wird für dieses Problem schnellstens Lösungen
finden müssen, wenn sie sich nicht länger dem Vorwurf aussetzen will, daß der
Vorwurf einer (vermeintlich) angestrebten atomaren Bewaffnung nur der Vorwand
für politische Abhängigkeiten sein soll. Wird keine akzeptable Lösung gefunden,
wird der Drang nach sensitiver Technik um so größer werden und der Gedanke
einer ”Nichtverbreitung“ kann getrost auf den Müllhaufen der Geschichte geworfen
werden. In letzter Zeit werden verstärkt Vorschläge zur Einrichtung eines interna-
tional garantierten Brennstofflagers diskutiert, aus dem sich Staaten (z. B. Iran)
garantiert versorgen können, wenn sie im Gegenzug auf eigene Anreicherung und
Wiederaufbereitung verzichten.
Technische Erfordernisse
Bisher wurden nur Atomwaffen aus spaltbarem Uran 235 U und Plutonium 239 Pu
gebaut. Aus neutronenphysikalischen Gründen wird dies auch für absehbare Zeit
so bleiben. Die Wasserstoffbombe beruht auf der Kernfusion und nicht der Kern-
spaltung. Sie ist im Zusammenhang mit Kernkraftwerken daher nicht sonderlich
relevant. Allerdings könnte es bei mit ”Schwerem Wasser“ moderierten Reaktoren
und der damit notwendigen Produktion von Deuterium zu ähnlichen Konflikten
wie bei der Technologie zur Anreicherung von Uran kommen. Auch die Produktion
von Deuterium kann als eine ”doppelt nutzbare Technik“ verstanden werden.
• Der Bau von Atombomben ist heute eher Allgemeinwissen, denn ein durch
Geheimhaltung schützbares Spezialwissens.
Daß dieses auch von relativ armen Ländern aufgebracht werden kann, sofern der
politische Wille dafür vorhanden ist, zeigt Pakistan und Indien. Wenn man die
Weiterverbreitung wirksam verhindern will, muß man dies in erster Linie durch
politische Maßnahmen machen. Die Technik kann nur dort helfen, wo Regierungen
ihre Aufrüstung verheimlichen wollen. In diesem Sinne gilt es bei der friedlichen
Nutzung solche Verfahren zu bevorzugen, die die Abzweigung von waffentaugli-
chem Material sehr aufwendig oder unmöglich machen. Der hierfür notwendige
94
5.5 Generation IV roadmap
Aufwand muß so groß und schlecht zu tarnen sein, daß es einfacher ist, ein di-
rektes nukleares Rüstungsprogramm durchzuführen. Dann wird der Weg über ein
ziviles Atomprogramm sinnlos.
Administrative Maßnahmen
Die internationalen Kontrollinstanzen müssen ausgebaut werden. Wichtiger ist je-
doch, die Durchsetzbarkeit von Überwachungen – insbesondere bei Staaten, die
sich bewußt abschotten wollen – zu gewährleisten. Allerdings muß umgekehrt auch
verhindert werden, daß solche Kontrollen z. B. für Industriespionage ausgenutzt
werden. Für ”kleine“ Länder wird es ohnehin nötig sein, ein Angebot zu schaffen,
welches eine wirtschaftliche Nutzung der Kernenergie in ”Teilbereichen“ erlaubt.
Beispielsweise nur Kernkraftwerke zu betreiben und bewußt auf einen vollständi-
gen Brennstoffkreislauf zu verzichten. Dies würde eine Kontrolle auf die Kraftwer-
ke und den Transport des Brennstoffs von und zu den Kraftwerken reduzieren.
Nur eine etwaige Anreicherung und Wiederaufbereitung müßte in international
geschützten und kontrollierten “Nuklearparks“ erfolgen. Diese müßten in entspre-
chend stabilen Regionen der Erde geschaffen werden und als Freihandelszonen
mit Sonderstatus – ähnlich diplomatischen Vertretungen – ausgestaltet werden.
Die Zwischenprodukte (z. B. angereichertes Uran) sollten standardisiert sein und
für sich jeweils höchst ungeeignet zur Waffenproduktion (Isotopengemische). Nur
wenn es gewährleistet ist, eine Versorgungssicherheit und einheitliche Preise für
alle Abnehmer über den kompletten Nutzungszeitraum zu garantieren, kann sich
eine verantwortungsbewußte nationale Regierung auf solche Restriktionen einlas-
sen. Ein Umdenken scheint dringend erforderlich: Die Kernspaltung nicht
als Bedrohung, sondern vielmehr als gemeinsames Erbe der
Menschheit zu betrachten.
95
5 Kerntechnik
aus Stahl und Beton setzt auch jeden ”Selbstmordattentäter“ außer Gefecht. Um
ein Eindringen von gefährlichen Personen (auch geistig verwirrte Menschen) zu
verhindern, sind ohnehin Objektschutzmaßnahmen und übergeordnete polizeiliche
Maßnahmen notwendig. Auch hier gilt: Je besser die (technischen) Schutzmaß-
nahmen sind, je höher ist der Aufwand für die Terroristen diese zu überwinden.
Mit dem logistischen Aufwand steigt aber die Wahrscheinlichkeit bereits in der
Vorbereitung entdeckt zu werden. Sollte tatsächlich ein Anschlag gelingen, wirken
die ohnehin vorhandenen Sicherheitseinrichtungen (z. B. Feuerschutz) schadensbe-
grenzend. Ein Anschlag auf eine industrielle Anlage mit technischen Sicherheitsein-
richtungen und Fachpersonal ist viel weniger erfolgsversprechend, als ein Anschlag
auf ein Bürogebäude oder eine Menschenansammlung.
Radioaktive Stoffe Wir haben heute – auch durch bedauerliche Unfälle – ein
sehr genaues Wissen über die biologischen Schäden durch radioaktive Stoffe und
deren Ausbreitung. Die Gefahr einer ”Schmutzigen Bombe“ wird von Laien maß-
los überschätzt. Um großflächige Schäden zu verursachen, sind erhebliche Men-
gen Material erforderlich. Die Geschichten von ”wenigen Gramm Plutonium im
Trinkwasser“ entbehren jeglicher wissenschaftlicher Grundlage und sind ein reines
Phantasieprodukt. Außerdem spricht gegen die Verwendung von Spaltprodukten
die leichte Erkennbarkeit und schwierige Handhabung im Vergleich zu Sprengstof-
fen: Spaltprodukte sind in beliebig kleiner Menge mit einfachen und preiswerten
Methoden nachweisbar. Sie sind immer schädlich, auch schon während des Trans-
ports. Im Vergleich zu chemischen und biologischen Waffen sind sie die denkbar
ungünstigste Waffe für Terroristen. Es sei allerdings nicht verkannt, daß sie in un-
aufgeklärten Gesellschaften eine enorme psychologische Wirkung ausüben können.
Die Angst vor oder nach einem Anschlag, kann zu Massenpanik führen. Ein proba-
tes Mittel hiergegen, kann nur die konsequente Aufklärung der Bevölkerung sein.
In diesem Sinne, zieht gerade Deutschland solche Anschläge an.
96
5.6 Generation IV Reaktorsystem
Auswahlkriterien
Diese Typen wurden im Rahmen des internationalen Verfahrens aus über 100
eingereichten Vorschlägen ausgewählt. Dabei spielten folgende Überlegungen die
maßgebliche Rolle:
1. Es wurden die Systeme ausgewählt, die bezüglich der gesetzten Ziele die
größten Fortschritte erwarten lassen,
Referenzanlage
Die geplante Referenzanlage baut auf der Erfahrung mit vorhandenen schnellen
Reaktoren und gasgekühlten Hochtemperaturreaktoren auf und soll eine Leistung
von 288 MWelektrisch bei 600 MWthermisch haben. Sie soll Helium als Kühlmittel
97
5 Kerntechnik
verwenden, welches mit einer Temperatur von 850 °C austreten soll. Um einen
hohen thermischen Wirkungsgrad zu erzielen, wird das Kraftwerk mit einem ge-
schlossenen Gasturbinen–Kreisprozeß betrieben werden.
Brennelemente
Verschiedene Brennstoffkonzepte werden noch in Betracht gezogen. Haupt Aus-
wahlkriterium ist das Verhalten bei möglichst hohen Temperaturen und eine sehr
gute Rückhaltung von Spaltprodukten: Keramische Verbundwerkstoffe, fortschritt-
liche Brennstoff–Partikel oder keramisch umhüllte Teilchen für Akteniden. Es wer-
den auch noch verschiedene Anordnungen für den Reaktorkern untersucht: Basie-
rend auf stab- oder plattenförmigen Elementen oder prismatischen Blöcken.
Ausblick
Bei der Bewertung der Nachhaltigkeit nimmt das GFR System eine Spitzenstellung
ein:
• Es hat einen in sich geschlossenen Brennstoffkreislauf,
• es nutzt das in der Natur vorkommende Uran (nahezu) vollständig
• und es besitzt ein hervorragendes Aktinidenmanagement – mit anderen Wor-
ten – es hinterläßt (fast) keinen langlebigen Atommüll!
Es läßt sehr gute Sicherheitseigenschaften, hohe Wirtschaftlichkeit und gute Ei-
genschaften bezüglich Weiterverbreitung und Schutz vor Terrorismus erwarten.
Es ist in erster Linie zur Stromproduktion und Beseitigung von Aktiniden ge-
dacht. Könnte aber auch eine Wasserstoffproduktion unterstützen. Hierfür ist das
Erreichen einer möglichst hohen Austrittstemperatur (etwa 850 °C) entscheidend.
Ein solcher Reaktor könnte die Umwandlung von Erdgas in Wasserstoff und Koh-
lendioxid durchführen. Der Wasserstoff könnte an Raffinerien und die chemische
Industrie abgegeben werden. Das Kohlendioxid in Lagerstätten verpreßt werden.
Dies wäre der sanfte Einstieg in eine ”Wasserstoffwirtschaft“.
Betrachtet man die noch notwendigen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten
für den Brennstoff und seine Wiederaufbereitung, wird die Indienststellung auf
2025 geschätzt.
98
5.6 Generation IV Reaktorsystem
Anlagengrößen
Es gibt drei Optionen für unterschiedliche Baureihen:
1. Sogenannte ”Batterien“ mit einer Leistung von 50 bis 150 MWelektrisch und
extrem langen Intervallen (10 bis 30 Jahre) bis zu einem nötigen Brennstoff-
wechsel. Dieser Typ wird insbesondere in Rußland zur Versorgung von abge-
legenen Siedlungen verfolgt. Er beruht auf der Erfahrung mit den Antrieben
russischer Atom–U–Boote. Er ist aber auch zur Versorgung von Industriebe-
trieben geeignet.
2. Modulare Systeme mit einer Leistung von 300 bis 400 MWelektrisch .
Bewertung
Bei der Bewertung der Nachhaltigkeit und Weiterverbreitung nimmt das LFR
System eine Spitzenstellung ein:
• Es hat einen in sich geschlossenen Brennstoffkreislauf,
• der Reaktor wird im Herstellerwerk versiegelt und braucht wegen seiner lan-
gen Brennstoffintervalle nicht geöffnet werden
99
5 Kerntechnik
Ausblick
Die Natrium gekühlten schnellen Reaktoren sind bezüglich der Nachhaltigkeit mit
sehr gut zu bewerten, da sie abgereichertes Uran verwenden können und das Pro-
blem einer Endlagerung mit historischen Zeiträumen beseitigen. Die Forschung
und Entwicklung konzentriert sich auf den Brennstoff und seinen Kreislauf, insbe-
sondere mit dem Ziel die Wirtschaftlichkeit des Gesamtsystems zu verbessern. Es
existieren international breite Erfahrungen mit unterschiedlichen SFR Systemen,
die auch eine gute Beurteilung der Sicherheit zulassen. Es soll jedoch nicht ver-
schwiegen werden, daß Natrium wegen seiner chemischen Eigenschaften ein nicht
unproblematisches Kühlmittel ist. Es reagiert heftig, wenn es mit Wasser oder
Luft in Kontakt kommt. Deshalb sind einschlägige Entwicklungen im Gange, die
die passive Sicherheit erhöhen sollen. Dies gilt auch für den Wechsel der Brennele-
mente.
Die SFR Systeme werden sinnvollerweise zur Stromproduktion in der Grundlast
und zur Beseitigung von Aktiniden eingesetzt werden. Es ist das am schnellsten
realisierbare System zur Beseitigung der Endlagerproblematik. Auf der Basis von
oxidischen Brennstoffen und der bisherigen Wiederaufbereitungstechnologie nach
dem Purex-Verfahren könnte es ab 2015 realisiert werden. Demgegenüber benötigt
100
5.6 Generation IV Reaktorsystem
Ausblick
101
5 Kerntechnik
Für beide Varianten ist an eine Leistung von 1500 MWelektrisch bei einem Druck
von 25 MPa und einer Austrittstemperatur von 550 °C gedacht.
Ausblick
102
5.6 Generation IV Reaktorsystem
Ausblick
Das VHTR System erfordert noch viel Forschungs- und Entwicklungsarbeit be-
züglich des Brennstoffs und hoch temperaturbeständiger Werkstoffe. Es kann al-
lerdings auf zahlreiche erfolgreiche Betriebsjahre von gasgekühlten Reaktoren mit
prismatischen Brennelementen oder Kugelhaufen zurückgreifen. Ähnliches gilt für
Hochtemperatur–Werkstoffe in der Verfahrenstechnik und im konventionellen Kraft-
werksbau. Es wird eine gegenseitige, befruchtende Entwicklung auf den Gebieten
der Legierungen mit hoher Zeitstandsfestigkeit, faserverstärkter Keramik und Ver-
bundwerkstoffen geben.
Das VHTR System wird es ermöglichen, Wasserstoff großtechnisch und umwelt-
verträglich zu geringen Kosten, bei gleichzeitig sehr hohem Sicherheitsstandard
zu produzieren. Wie in Deutschland gezeigt wurde, gehören mit Helium gekühlte
Kugelhaufenreaktoren zu den denkbar sichersten Systemen überhaupt. Sie haben
bezüglich Weiterverbreitung und Terrorismus beste Werte. Ein System zur groß-
technischen Wasserstoffproduktion könnte ab 2020 einsatzbereit sein.
103
5 Kerntechnik
104
5.7 Kerntechnische Kostenmodelle
105
5 Kerntechnik
andererseits besteht eine Menge Diskussionsbedarf über die Aufteilung der Kosten
auf die Produkte.
106
5.7 Kerntechnische Kostenmodelle
ge aus und sind mit den ganz normalen Hilfsmitteln erfaßbar. Zusammenfassend
kann man festhalten:
• Ist der ”Schaden meßbar“ (in Geldwert), sollte er über eine Versicherung
abgedeckt werden.
Jede ”Internalisierung von externen Kosten“ ist somit nichts anderes als Planwirt-
schaft. Es werden beliebig Kosten erfunden, um das angebliche ”Marktversagen“
aufzudecken. Mit anderen Worten: Es wird der in Wirklichkeit von Anfang an
vorhandene ”politische Wille“ mit wirtschaftlichen Argumenten kaschiert, um an-
geblich daraus ein ”politisch notwendiges“ Handeln herzuleiten.
107
5 Kerntechnik
gangbarer Weg. Die Anfertigung von zahlreichen Prototypen zu Übungs- und Test-
zwecken – wie z. B. im Automobilbau üblich – scheidet im Anlagenbau aus. Diese
schrittweise Vorgehensweise erleichtert die Kalkulation und verringert das Risiko.
Eine Besonderheit der Kerntechnik stellt das sehr umfangreiche und damit kosten-
intensive Genehmigungsverfahren dar. Schon frühzeitig war man daher bestrebt,
nicht jede Anlage individuell auszulegen. Je mehr baugleiche Anlagen geplant sind,
um so besser lassen sich die Kosten hierfür auf mehrere Projekte verteilen. Aller-
dings besteht die Gefahr von Serienfehlern und der technische Fortschritt wird
entsprechend verlangsamt. Als guter Kompromiß hat sich der ”Konvoi“ ergeben,
bei dem man jeweils 3 bis 6 Anlagen baugleich ausführt.
Kostendegression Man darf jedoch bei allen Verlockungen bezüglich einer in-
dustriellen Produktion nicht vergessen, daß es eine ”natürliche“ Kostendegression
bei Kraftwerken gibt. Bis zu apparativen und technischen Grenzen bezieht sich
das auf einzelne Bauteile. Darüber hinaus wirkt sich jede Investition natürlich
auch auf die Betriebskosten aus. Mit zunehmender Anlagengröße verbessert sich
der Wirkungsgrad im Auslegungspunkt (weniger Reibungsverluste durch vergrö-
ßerte Kanalquerschnitte, geringere Wärmeverluste durch kleinere relative Oberflä-
chen usw.). Wird demgegenüber besonderer Wert auf das Teillastverhalten gelegt,
kann eine modulare Anlage durch Teilabschaltung weniger Brennstoff verbrau-
chen. Ebenso kann die Verfügbarkeit einer modular aufgebauten Anlage höher
sein. Allerdings sind solche Zusammenhänge sehr komplex und bedürfen vor der
Wirtschaftlichkeitsberechnung einer sehr genauen qualitativen und quantitativen
Klärung, sowie mathematischen Modellierung.
108
5.7 Kerntechnische Kostenmodelle
109
5 Kerntechnik
110
5.7 Kerntechnische Kostenmodelle
111
5 Kerntechnik
Herstellung von Spaltmaterial In sog. Brütern kann aus 238 U mehr spaltbares
Plutonium erzeugt werden, als in ihnen verbraucht wird. Ähnliches gilt für das
Erbrüten von spaltbarem 233 U aus Thorium. Wirtschaftlich besonders vielverspre-
chend sind Reaktorlinien, die eine Kombination dieser Brennstoffe benutzen.
112
5.7 Kerntechnische Kostenmodelle
5.7.4 Integrationsmodul
Um die Wirtschaftlichkeitsmodelle für die Teilbereiche wirksam miteinander zu
verbinden, ist ein übergeordneter Integrationsmodul notwendig. Er muß beispiels-
weise die verschiedenen Ansätze für unterschiedliche Reaktorlinien miteinander
verbinden, damit vergleichende Studien möglich sind. Selbst innerhalb einer Kon-
figuration müssen die unterschiedlichen Bedingungen zu jedem Zeitpunkt unter-
sucht werden. Ein einfaches Beispiel mag die umfangreichen Fragestellungen und
ihre Wechselwirkungen verdeutlichen: Aufbau eines Kraftwerksparks aus Leicht-
wasserreaktoren, Errichtung einer Wiederaufbereitungsnalage, Inbetriebnahme ei-
nes ”Schnellen Brüters“ zum Ersatz von Natururan. Selbst für dieses eine Szenario
sind für unterschiedlichste Zeitpunkte und Größenrelationen in Abhängigkeit von
äußeren Randbedingungen (z. B. Weltmarktpreise für Uran) Varianten durchzu-
rechnen. Damit solche Rechnungen effektiv ausgeführt werden können, sind Daten–
Schnittstellen zwischen den Programmen notwendig und eine übergeordnete Da-
tenbank, die stets gewährleistet, daß in allen Modulen mit den gleichen Werten (z.
B. Uranpreis) gerechnet wird. Sind Daten von der Berechnung selbst abhängig (z.
B. Kosten für Plutonium), muß automatisch eine Itteration durchgeführt werden.
113
5 Kerntechnik
5.8 Brennstoffkreisläufe
Die Brennstoffkreisläufe lassen sich in vier Gruppen gliedern:
1. Offener Brennstoffkreislauf (once–through fuel cycle), bei dem das Uran nur
einmalig einem Reaktor zugeführt wird.
114
5.8 Brennstoffkreisläufe
sie verbleiben. Ob sie damit ”endgelagert“ sind oder irgendwann als wertvolles
Erz wiedergewonnen werden, mögen zukünftige Generationen frei entscheiden. Bis
zu diesem Schritt, wurde noch kein radioaktives Material beseitigt: Es wurde le-
diglich getrennt, anschließend sortiert und in jeweils geeignetster Form gelagert.
Der entscheidende Durchbruch für die Nachhaltigkeit geschieht erst, wenn man
radioaktives Material beseitigt. Alle Transurane sollten in den Kreislauf zurück-
geführt werden und durch Spaltung einen Beitrag zur Energiegewinnung liefern.
Gleichzeitig wird hiermit das ”Jahrtausendproblem“ Atommüll beseitigt, da die
Transurane extrem lange Halbwertszeiten besitzen. Ist man gewillt die ”nukleare
Asche“ noch weiter zu separieren, könnte es sinnvoll (auch wirtschaftlich) werden,
die besonders langlebigen Spaltprodukte (beispielsweise Halbwertszeiten über 30
Jahre) ebenfalls einer kerntechnischen Umwandlung zu unterziehen. Die ”Atom-
müllproblematik“ würde sich damit auf Gefährdungszeiträume reduzieren, wie sie
bei chemischen Stoffen nicht unüblich und allgemein akzeptiert sind.
115
5 Kerntechnik
116
5.8 Brennstoffkreisläufe
117
5 Kerntechnik
• Alle Alpha–Strahler bleiben erhalten und schaffen somit erst das ”Endlager
Problem“ (gemeint ist der erforderliche Schutz über sehr lange Zeiträume).
Historie Zu Beginn der Nutzung der Kernenergie in den 1950er–Jahren mußte sie
mit sehr billiger Kohle und – später – billigem Öl und Gas konkurrieren. Geringste
Kosten hatten daher oberste Priorität. Heute stellt sich die Situation entgegenge-
setzt dar: Nicht nur die Preise der fossilen Energieträger sind stark angestiegen,
sondern die Kernenergie steht wegen ihrer ”CO2 –Freiheit heute in unmittelbarer
Konkurrenz zu den sehr teuren ”Regenerativen Energien“. Es sei ein Umkehrschluß
erlaubt: Wenn tatsächlich ein Verzicht auf fossile Energieträger angestrebt wird,
wird das Energiepreisniveau so stark ansteigen müssen, daß die Kosten der Kern-
energie praktisch keine Rolle mehr spielen würden. Selbst eine Vervielfachung ihrer
Stromerzeugungskosten würde sie immer noch konkurrenzlos billig erscheinen las-
sen. Es ist also ausreichend Elastizität vorhanden, die als Nachteile empfundenen
Erscheinungen der Kernenergie zu beseitigen oder deutlich zu reduzieren.
5.8.2 Wiederaufbereitungsverfahren
Jeder Reaktortyp hat seinen speziellen Brennstoff, der optimal auf seine Einsatz-
bedingungen abgestimmt ist. Man unterscheidet oxidische (heutige Leichtwasser-
reaktoren), metallische, karbidische und nitridische Brennstoffe. Eine Sonderstel-
lung nehmen die Salzbäder ein, bei denen Brennstoff und Kühlmittel gleich sind.
118
5.8 Brennstoffkreisläufe
Die Brennstoffe müssen die Spaltprodukte sicher zurückhalten und müssen daher
chemisch und physikalisch möglichst widerstandsfähig sein. Dies ist im Hinblick
auf eine Wiederaufbereitung natürlich eine genau gegenteilige Anforderung. Für
eine Wiederaufbereitung müssen die chemischen Verbindungen geknackt werden
und das n–Stoffgemisch mit hoher Reinheit getrennt werden. Aus diesem Grunde,
sind die Wiederaufbereitungsverfahren nicht vom Reaktorbetrieb losgelöst zu be-
trachten. Für jeden Reaktor- und damit Brennstofftyp ist ein speziell angepasstes
Verfahren zu entwickeln.
Sinn und Zweck der Wiederaufbereitung Von Anfang an, galt in der Kern-
technik der Gedanke des Recycling: Es sollte aus den ”abgebrannten“ Brennele-
menten soviel ”Wertstoff“ wie möglich, zurückgewonnen werden. Hierzu muß man
sich vergegenwärtigen, daß nach dem notwendigen Entfernen der Brennstäbe aus
dem Reaktor erst rund 3 % der Atome gespalten worden sind. Lediglich dieser
Anteil stellt die nukleare Asche dar und muß endgelagert werden. Die Frage der
Wiederaufbereitung war eine wirtschaftliche Fragestellung, die in unterschiedli-
chen Ländern unterschiedlich beantwortet wurde. In Ländern mit großen eigenen
Uranvorkommen (USA) erschien es wirtschaftlicher, die Brennelemente nach einem
Durchlauf wegzuwerfen. In Ländern mit Importbedarf für Uran (Japan, Deutsch-
land, Frankreich) erschien es von Anfang an wirtschaftlicher, die Brennelemente
zu recyceln.
119
5 Kerntechnik
Fortschrittliches PUREX-Verfahren
Das fortschrittliche PUREX–Verfahren ist eine Weiterentwicklung des PUREX–
Prozesses für die heutigen Anforderungen einer ausschließlich zivilen Nutzung. Das
klassische PUREX–Verfahren wurde in den 1940ger Jahren entwickelt, um hoch-
reines Plutonium für den Bau einer Atombombe zu gewinnen. Alles andere war
Abfall. Für eine ausschließlich zivile Nutzung, sind die Anforderungen völlig an-
ders: Nur die Spaltprodukte sind hierbei Abfall. Sowohl das Uran, wie auch das
Plutonium sollen in Leichtwasserreaktoren als sog. Mischoxid wieder eingesetzt
werden oder in Reaktoren mit schnellem Neutronenspektrum Verwendung finden.
Ferner ist es im Sinne einer Nichtverbreitung von Atomwaffen gar nicht sinnvoll,
hochreines Plutonium zu erzeugen. Um einer militärischen Nutzung entgegen zu
120
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5.8 Brennstoffkreisläufe
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Uranium
Mine
Thermal
Reactors New Fuel Enrichment and
Fabrication
Recycled Fuel
Fast
Reactor
Shear Organic
Solvent Fuel
Fabrication
Centrifugal
Contactor Plutonium,
Fission Products
and Actinides
Dissolver
Actinide
Separation
Cladding Hulls
Fission Products
and Trace Actinides
Wasteform
Fabrication
Shielded
Central Facility
Repository
02-GA50807-08
"#$%&'()*)+,#-)./0.1#2)3#4%(%3.56)(#78#9:&*%.3#;(%3+,#<,=5%0=
Abbildung 5.8.3: Brennstoffkreislauf vom Uranbergwerk bis zum Atommüllager für
eine Wiederaufbereitung mit wässrigem Verfahren.
121
5 Kerntechnik
wirken, ist sogar eine Verunreinigung mit allen möglichen Aktinoiden erwünscht.
Bei der Nutzung in Reaktoren mit schnellem Neutronenspektrum sind solche Ver-
unreinigungen neutronenphysikalisch kein besonderes Problem. Sie können dort
problemlos ”mit verbrannt“ werden. Je reiner – im Sinne von Verunreinigung mit
Aktinoiden – der Atommüll jedoch ist, desto kurzlebiger ist er und umso unpro-
blematischer ist somit seine ”Endlagerung“.
5.9 Atommüllagerung
Die Lagerung von abgebrannten Brennelementen oder anderen hochaktiven Resten
in geologischen Lagerstätten wird von den meisten Ländern bevorzugt. Es gibt auch
Lager an der Erdoberfläche oder unterirdische rückholbare Deponien.
Die verstärkte Nutzung der Kernenergie erfordert jedoch einen sorgsamen Um-
gang mit dem vorhandenen Lagerraum und eine möglichst baldige Schließung des
122
!" 5.9 Atommüllagerung
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Uranium
Mine
Thermal
Reactors Enrichment and
New Fuel Fabrication
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Recycle
Cadmium
Fission Products
and Trace Actinides
Wasteform
Fabrication
Repository
02-GA50807-07
#$%&'()*+*,-$.*/01/2$3*4$5&)&4/67*)$89$:;'+&/4$<)&4,-$=->6&1>
Abbildung 5.8.4: Brennstoffkreislauf vom Uranbergwerk bis zum Atommüllager für
eine Wiederaufbereitung mit Pyro–Prozeß.
123
5 Kerntechnik
Forderungskatalog
• Für jedes Isotop müssen klare und eindeutige Grenzwerte festgelegt wer-
den. Es ist ein Segen der Kernphysik, daß radioaktive Stoffe praktisch noch
als einzelnes Atom nachgewiesen werden können. Nachweisgrenzen, wie sie
von chemischen Verbindungen bekannt sind, gibt es praktisch nicht, allen-
falls der Aufwand für die Analyse ist bedeutend. Dieser – an und für sich
sehr beruhigende Zustand – hat in der Öffentlichkeit zu einer Reihe von
(propagandistisch gewollten) Mißverständnissen geführt. Wird irgendwo das
Plutoniumatom gefunden, wird von einschlägigen Medien der Weltuntergang
propagiert. Die alljährlich wieder auftauchenden Meldungen von Funden in
der Nordsee, die aus der Wiederaufbereitung stammen, sind ein Beispiel hier-
für.
124
5.9 Atommüllagerung
125
6 Prozesse
6.1 Koppelprozesse
Unter Koppelprozessen versteht man die kombinierte Produktion von elektrischer
Energie und Wärme. Die Wärme kann als Prozeßwärme in der Industrie oder
für Heizungen genutzt werden. Charakteristisch für alle Koppelpro-
zesse ist, daß die Produktion von Wärme und Strom immer
gleichzeitig und in festem Verhältnis, abhängig vom Tempe-
raturniveau erfolgt. Üblicherweise erfolgt die Stromproduktion bei hohen
Temperaturen (z. B. in einer Gasturbine) und die Abwärme dieses Prozeßschrittes
wird in einem zweiten Schritt bei niedrigeren Temperaturen (z. B. Dampfprodukti-
on) weiter genutzt. In manchen Fällen schließt sich sogar noch eine dritte Nutzung
(z. B. Fernheizung) bei noch geringerer Temperatur an.
127
6 Prozesse
für Kraftwerke auch nur Kraftwerke zur reinen Stromproduktion sinnvoll mitein-
ander verglichen werden. Der leider immer wieder zu hörende Vergleich beider
Wirkungsgrade ist unsinnig und er ist schlichtweg irreführend. Dies wird im fol-
genden noch deutlicher werden.
An dieser Stelle sei noch einmal vermerkt, daß die Wirkungsgrade immer kleiner
1 sind. Was nichts anderes zum Ausdruck bringt, als daß immer mehr Brennstoff in
die Anlage gesteckt werden muß, als Produkt (Strom oder Strom und Nutzwärme)
herauskommen kann. Es gibt in der Realität keine Prozesse ohne
Verluste. Hinzu kommt, daß bei der Umwandlung von Wärme
in elektrische Energie immer ein entsprechender Anteil als
Abwärme anfallen muß. Ob diese Abwärme Abfall ist, hängt von ihrer
Verwendbarkeit in Bezug auf Temperatur und Bedarf ab.
128
6.2 Wasserstofferzeugung
6.2 Wasserstofferzeugung
Wasserstoff ist für die chemische Industrie ein wichtiger Massenrohstoff. Zukünftig
wird die Bedeutung insbesondere auf dem Sektor der Energietechnik noch zuneh-
men: Konversion von schwersten Erdölen und Bitumen aus Teersänden zu leichter
zu verarbeitenden Rohölen, Entschwefelung von Treibstoffen, Herstellung von syn-
thetischen Kraftstoffen, bis hin zur direkten Verwendung in Brennstoffzellen.
6.2.1 Dampfreformierung
Heute wird Wasserstoff fast ausschließlich aus Kohlenwasserstoffen (Erdgas und
Mineralöle) gewonnen. In einem ersten Schritt wird Methan mit Wasserdampf zu
Kohlenmonoxid und Wasserstoff zersetzt.
CH4 + H2 O ⇐⇒ CO + 3H2 ∆H = +206, 2kJ/mol (6.2.1)
Erdgas liefert im Vergleich mit den anderen Ausgangsstoffen (Kohle, Benzin usw.)
den höchsten Anteil an Wasserstoff im Verhältnis zu Kohlenmonoxid. Da es sich
um eine endotherme Reaktion handelt, muß in konventionellen Anlagen ein nicht
unerheblicher Teil des Erdgases zur Beheizung verbrannt werden. Das Methan
wird bei einer Temperatur von 800 bis 900 °C und einem Druck von etwa 25–30
bar an einem Nickelkatalysator mit Wasser zur Reaktion gebracht. Üblich sind
heute Großanlagen mit über 100.000 m3 /h. Um die Ausbeute zu erhöhen, wird
in einem zweiten Schritt über eine Shiftreaktion das Kohlenmonoxid ebenfalls mit
Wasserdampf an einem Eisen(III)-oxidkatalysator in Kohlendioxid und Wasserstoff
umgewandelt.
CO + H2 O ⇐⇒ CO2 + H2 ∆H = −35, 7kJ/mol (6.2.2)
129
6 Prozesse
Die Dampfreformierung ist zur Zeit die wirtschaftlichste und am weitesten ver-
breitete (≈ 90%) Methode, Wasserstoff zu erzeugen. Sie hat auch den höchsten
Wirkungsgrad.
6.2.2 Elektrolyse
Die Elektrolyse von Wasser besteht aus zwei Teilreaktionen, die an den beiden
Elektroden ablaufen. Das Gesamt-Reaktionsschema dieser Redoxreaktion lautet:
Elektrolyse
2H2 O −→ 2H2 + O2 (6.2.3)
Der abgeschiedene, gasförmige Wasserstoff steigt an der Kathode auf, der gasför-
mige Sauerstoff an der Anode. Der elektrische Energiebedarf zur Herstellung von
1 N m3 Wasserstoff definiert den Wirkungsgrad eines Elektrolyseurs. In einem mo-
dernen Hochdruck-Elektrolyseur liegt dieser Energiebedarf bei etwa 4,8 kWh pro
N m3 bei einem Druck von 12 bar. Damit liegt der Wirkungsgrad bei rund 62 %
(bezogen auf den unteren Heizwert von Wasserstoff). Großtechnisch wird meist
mit einer 20-40 % Kalilauge bei 70-90 °C als Elektrolyt gearbeitet, die eine bessere
elektrische Leitfähigkeit besitzt als reines Wasser. Hochtemperaturelektrolyseure
arbeiten bei Arbeitstemperaturen von etwa 900 °C. Dabei wird ein Teil der notwen-
digen Reaktionsenthalpie als Wärme eingekoppelt. Dies führt zu einem geringeren
Strombedarf.
6.2.3 Jod–Schwefel–Prozeß
Ist ein thermochemisches Verfahren zur Wasserzerlegung, bei dem die notwendige
Energie durch Wärme hinzugefügt wird. Es wird H2 SO4 (Schwefelsäure) und HI
(Jodwasserstoff) in Wasser gebildet.
9I2 + SO2 + 16H2 O −→ (2HI + 10H2 O + 8I2 ) + (H2 SO4 + 4H2 O) (6.2.4)
130
6.3 Fernwärme und Fernkälte
6.2.4 Kalzium-Brom-Prozeß
Der Ca–Br–Prozeß bietet die Aussicht, mit geringeren Temperaturen von etwa
725–800 °C auszukommen. Allerdings benötigt dieses Verfahren vier Gas–Feststoff–
Reaktionen (CaO / CaBr und F eBr2 / F e3 O4 ) die in Festbetten ablaufen und
es ist weniger Effizient, da der Wasserstoff und Sauerstoff aus einem Hochdruck–
Dampfstrom abgetrennt werden müssen. Es ist mit Korrosionsproblemen bei den
hohenTemperaturen und mit Staubbildung in den Festbetten zu rechnen. Dies
führt zu Problemen in den zahlreichen Rohrleitungen und Ventilen.
6.2.5 Metalloxid–Kreisprozesse
Zur thermochemischen Wasserstofferzeugung können sowohl Metall–Metalloxid–
Redoxpaare als auch Metalloxide in unterschiedlichen Oxidationsstufen verwendet
werden. Die am häufigsten verwendeten Systeme beruhen auf den Elementen Zn,
Fe, Mn und Ni, ihren reinen Oxiden sowie ihren Mischoxiden. Ein viel verspre-
chendes System stellen die Eisenmischoxide, besonders die Ferrite dar.
131
6 Prozesse
Bei Dampf lassen sich wegen der hohen Verdampfungswärme (> 2000 kJ/kg Was-
ser) sehr große Leistungen bei kleinsten Rohrdurchmessern und Wämeübergabe-
stationen transportieren. Sie sind jedoch wegen der Kondensatableitung und der
notwendigen Wasseraufbereitung im Betrieb teurer als Wassernetze (≈ 4 kJ/°Ckg
Wasser). Für Wassernetze strebt man daher eine möglichst große Temperatursprei-
zung zwischen Vor- und Rücklauf an. Diese Tatsache macht die Realisierung von
”Kältenetzen“ so aufwendig. In ihnen kann nur eine tiefste Temperatur von etwa 4
°C gefahren werden, um eine Eisbildung ohne chemische Zusätze (Umweltschutz)
zu verhindern. Andererseits liegt die Obergrenze bei etwa 30 °C für den Rücklauf,
da diese Netze üblicherweise zur Versorgung von Klimaanlagen benutzt werden.
Die geringe Temperaturspreizung ergibt somit große umlaufende Wassermengen
(Pumpenstrom).
132
6.4 Meerwasserentsalzung
gelöst zu betrachten.
6.4 Meerwasserentsalzung
In vielen Gebieten der Welt, stellt die ausreichende Versorgung mit Trinkwasser
das wesentliche Problem dar. Mit zunehmender Weltbevölkerung und Bevölke-
rungsdichte in einigen Gebieten, wird die Bereitstellung von ausreichend Süßwas-
ser für die Landwirtschaft und die Bevölkerung immer schwieriger. Als einziger
Ausweg erscheint die Aufbereitung von Meerwasser. Dieses aufbereitete Wasser,
sollte nach erfolgter Benutzung geklärt und der Landwirtschaft zugeführt werden.
Doppelsysteme aus Meer- und Trinkwasser (z. B. Hong Kong) sind auf Dauer nicht
praktikabel, da sich Abwasser mit hohem Salzgehalt nicht in biologischen Kläran-
lagen behandeln läßt und somit zu einer erheblichen lokalen Belastung der Küsten
führt. Bereits heute werden weltweit über 35 Mio. m3 /T ag (2006) Trinkwasser aus
Meerwasser hergestellt.
Meerwasser Meerwasser ist chemisch gesehen eine wässrige Lösung von verschie-
denen Salzen. Meerwasser hat einen durchschnittlichen Salzgehalt von 3,5 % Mas-
senanteil. Der Gesamtsalzgehalt schwankt jedoch je nach Meer und Meeresregion
(z. B. Ostsee: 0,4–2,0, Golf und Rotes Meer: 3,7–4,3 Gew.%). Den Hauptanteil der
Salze bilden die Chloride, darunter fällt besonders das Kochsalz (Natriumchlorid)
ins Gewicht. Einen geringen Anteil bilden Magnesiumchlorid, Magnesiumsulfat,
Kalziumsulfat, Kaliumchlorid und Kalziumkarbonat. In Spuren sind noch weitere
Salze im Meerwasser enthalten. Ungefiltertes Meerwasser enthält feine Partikel,
Mikroorganismen und Plankton. Die Dichte des Meerwassers liegt (abhängig vom
Salzgehalt) zwischen 1020 und 1030 kg/m3. Der pH-Wert ist leicht alkalisch (7,5
bis 8,4).
Verfahren zur Entsalzung Es sind zahlreiche Methoden erdacht worden. Das äl-
teste Verfahren dürfte hierbei die Verdunstung durch Sonneneinstrahlung und die
anschließende Kondensation des trinkbaren Süßwassers sein. Grundsätzlich sind
133
6 Prozesse
6.4.1 Umkehrosmose
Die Umkehrosmose ist ein physikalisches Verfahren zur Aufkonzentrierung von in
Flüssigkeiten gelösten Stoffen, bei der mit Druck der natürliche Osmose-Prozess
umgekehrt wird. Das Medium (Trinkwasser), in dem die Konzentration eines be-
stimmten Stoffes (darin gelöstes Meersalz) verringert werden soll, ist durch eine
semipermeable Membran von dem Medium (Meerwasser) getrennt, in dem die
Konzentration erhöht werden soll. Dieses wird einem Druck ausgesetzt, der höher
sein muß als der Druck, der durch das osmotische Verlangen zum Konzentrations-
ausgleich entsteht. Dadurch können die Moleküle des Lösungsmittels gegen ihre
”natürliche“ osmotische Ausbreitungsrichtung in den Bereich wandern, in dem die
gelösten Stoffe bereits geringer konzentriert sind. Meerwasser weist mit etwa 30
bar einen wesentlich höheren osmotischen Druck auf, als Trinkwasser mit etwa 2
bar. Um Druckverluste etc. auszugleichen, muß das Meerwasser in technischen An-
lagen mit etwa 80 bar Druck in die Anlage gepumpt werden. Dies erfordert recht
große Antriebsleistungen. Die osmotische Membran, die nur das Süßwasser durch-
läßt und die im Meerwasser gelösten Salze zurückhält, muß diesem hohen Druck
standhalten können. Wenn der Druckunterschied das osmotische Gefälle mehr als
ausgleicht, passen die Wassermoleküle wie bei einem Filter durch die Membran,
während die ”Verunreinigungsmoleküle“ zurückgehalten werden. Im Gegensatz zu
einem klassischen Membranfilter verfügen Osmosemembranen nicht über durchge-
hende Poren. Vielmehr wandern die Ionen und Moleküle durch die Membran hin-
durch, indem sie durch das Membranmaterial diffundieren. Der osmotische Druck
steigt mit zunehmendem Konzentrationsunterschied. Würde der osmotische Druck
gleich dem angelegten Druck, käme der Prozeß zum Stehen. Nur ein stetiger Abfluß
des Konzentrats kann dies verhindern. Um Energie einzusparen, empfiehlt sich eine
Energierückgewinnung aus dem Druckgefälle zur Umgebung. Das Auskristallisie-
ren der Salze in den Membranen muß verhindert werden. Dies kann beispielsweise
durch Zugabe von Säuren erreicht werden. Eine Reinigung der Membranen ist von
Zeit zu Zeit erforderlich. Um Beschädigungen der Membran zu verhindern, müssen
Filter vorgeschaltet werden. Ein Feinfilter kann mechanische, ein Aktivkohlefilter
chemische Beschädigungen verhindern. Außerdem ist es nötig, die Anlage von bio-
logischer Verschmutzung zu befreien. Hierfür müssen die sich bildenden Biofilme
mit Bioziden beseitigt werden. Die Verwendung der Chemikalien kann zu einer
Belastung der Küstengewässer werden. Nach Schätzungen, werden allein in der
Golfregion täglich etwa 20 to Chlor und 55 to Acrylsäure mit dem Solerückfluß ins
Meer geleitet. Die Durchsatzleistung und die Schlupfrate einer Umkehrosmosean-
134
6.4 Meerwasserentsalzung
6.4.2 Entspannungsverdampfung
Das gefilterte Meerwasser wird unter Druck auf etwa 120 °C erwärmt. Höhere
Temperaturen sind nicht empfehlenswert, da sonst mit vermehrter Ausfällung von
Mineralien zu rechen ist, die die Rohrleitungen verstopfen und die Wärmeüber-
tragung verschlechtern. Für die Erwärmung wird üblicherweise Dampf aus einer
Dampfturbine entnommen, der schon vorher entsprechende Arbeit geleistet hat.
Modernste Anlagen, wie z. B. Shuweihat in Abu Dhabi (1500 M Welektrisch , 450.000
m3 Trinkwasser täglich) haben trotz der nachgeschalteten Entsalzung elektrische
Wirkungsgrade von 55 %. Insofern ist der Primärenergieaufwand nur gering. Das
heiße Meerwasser wird nun auf einen Druck entspannt, der einem geringeren Sätti-
gungsdruck entspricht. Durch diese Entspannung bildet sich in der Kammer schlag-
artig Sattdampf, d. h. ein Gemisch aus (überwiegend) Wasser und Dampf. Das
Meerwasser kühlt sich durch diesen Vorgang auf die zugehörige Sättigungstempe-
ratur ab. Der Dampf ist chemisch nahezu reines Wasser. Das Salz verbleibt in der
flüssigen Phase, wodurch sich ihr Salzgehalt erhöht. Man geht nun schrittweise,
in mehreren hintereinander geschalteten Entspannungskammern vor. Üblich sind
heute bis zu 20 Stufen, bei einer Leistung von 75.000 m3 /T ag. Wird eine Tempera-
tur von etwa 100 °C unterschritten, müssen diese Kammern im Vakuum betrieben
135
6 Prozesse
werden. Bis zu welcher Temperatur, das heißt bis zu welchem Unterdruck man mit
wie viel Stufen geht, ist eine Optimierungsfrage. Eine erhebliche Verbesserung des
Wirkungsgrades erreicht man nun, indem man den Dampf (des erzeugten Trink-
wassers) nutzt um das Meerwasser vorzuwärmen. Das unter Druck stehende Meer-
wasser läuft hierfür im Gegenstrom zu den Destillationsstufen und dient jeweils als
”Kühlwasser“ zur Kondensation des Dampfes. Zur Verdampfung eines Kubikmeters
Meerwasser werden rund 700 kWh Wärme benötigt. Durch die Wärmerückgewin-
nung benötigen heutige mehrstufige Entspannungsverdampfer lediglich 12 bis 24
kW hW aerme /m3 zur Trinkwassergewinnung. Hinzu kommen allerdings noch etwa
5 kW hStrom /m3 für die Pumpen und Hilfsaggregate. Das Destillat solcher Anla-
gen enthält nur 10 bis 20 mg/l Salz (Verschleppung durch Nebel) und muß daher
anschließend noch verschnitten werden, um Trinkwasserqualität zu erhalten. Für
landwirtschaftliche Zwecke wird es gerne direkt genutzt, da es durch seinen gerin-
gen Salzgehalt eine Versalzung des Bodens entgegenwirken kann. Das Trinkwasser
aus solchen Anlagen ist durch die Erhitzung und Verdampfung keimfrei. Allerdings
müssen Verschmutzungen des Meerwassers mit niedrig siedenden Stoffen verhin-
dert werden, da diese sonst in das Trinkwasser mit übertreten. Üblicherweise, will
man mit diesen Anlagen kein Salz gewinnen, sondern muß im Gegenteil ein auskri-
stallisieren sicher verhindern. Man zieht deshalb kontinuierlich Sole bei erreichen
etwa des doppelten Salzgehaltes ab und leitet sie zurück ins Meer.
136
7 Netze
Spannungsebenen Stromnetze teilt man nach der Spannung ein, bei der sie
Strom übertragen:
• Mittelspannung: 6 kV bis 30 kV .
Die Höchst-, Hoch- und Niederspannungen sind für Westeuropa weitgehend stan-
dardisiert. Bei der Mittelspannung ist das zu aufwändig, da man sehr viele alte
Erdkabel uneinheitlicher Spannung austauschen müßte.
137
7 Netze
138
7.2 Regelleistung bei Stromnetzen
Allerdings sind die Größen solcher Netze beschränkt. Ab etwa 3000 km Durchmes-
ser treten wegen der Endlichkeit der Lichtgeschwindigkeit immer größere Probleme
auf. Einzelne Drehstromleitungen sollten nicht länger als 1000 km sein. Das deut-
sche Stromnetz ist ca. 1,6 Mio. km lang, davon sind ca. 71 % unterirdisch verlegt.
Stromausfall Unter einem Stromausfall versteht man den Ausfall der Versor-
gung mit elektrischer Energie. Sie muß im selben Moment erzeugt und transpor-
tiert werden, in dem sie gebraucht wird. Daher ist der Grund eines Stromausfalles
die Unterbrechung des Stromkreises oder ein Ungleichgewicht von Erzeugung und
Verbrauch. Überregionale Stromnetze werden nach dem (n-1)-Kriterium betrieben.
Das bedeutet, daß zu jeder Zeit ein elektrisches Betriebsmittel, Transformator, Lei-
tung oder Kraftwerk ausfallen darf, ohne daß es zu einer Überlastung eines anderen
Betriebsmittels kommen darf oder gar zu einer Unterbrechung der Energieversor-
gung. Wird mehr elektrische Leistung verbraucht, als gerade erzeugt wird, fällt die
Spannung und die Netzfrequenz ab. Gelingt es nicht augenblicklich, diese Abwei-
chung durch zusätzliche Stromproduktion auszuregeln, kann das Verhängnis seinen
Lauf nehmen: Beim über- oder unterschreiten von Grenzwerten der Netzfrequenz
müssen Turbinen sofort abschalten um Schäden zu vermeiden. Dadurch geht noch
mehr Leistung verloren. Jetzt fließen dem Gebiet, in dem der Schaden aufgetre-
ten ist, hohe Leistungen aus den Nachbarnetzen zu. Die Ströme für jede einzelne
Leitung, Trafo- und Schaltanlage sind jedoch sicherheitstechnisch begrenzt: Wer-
den sie überschritten, müssen die daran angeschlossenen Verbraucher abgeworfen
werden. Dieser Vorgang muß solange fortgesetzt werden, bis sich das Netz in ei-
nem neuen Gleichgewicht befindet. In unserem dicht mit Kraftwerken besetzten
zentraleuropäischen Raum sind solche Vorkommnisse höchst selten und von ih-
ren Auswirkungen zeitlich und örtlich eng begrenzt. In großflächigen Ländern mit
dünnmaschigen Netzen (USA) und abgelegenen Großkraftwerken (z. B. Stauseen)
sind sie häufiger und von bekannten Auswirkungen. Soll dies aus politi-
schen Gründen in Europa übernommen werden (Sonnenenergie
aus der Sahara, Windenergie aus der Nordsee), werden sich
auch hier ähnliche Ausfälle ereignen.
139
7 Netze
140
7.2 Regelleistung bei Stromnetzen
Beschaffung und Kosten Die Beschaffung von Regelleistung erfolgt durch die
Betreiber von Übertragungsnetzen. Dabei ist ein Ausschreibungsverfahren durch-
zuführen, welches diskriminierungsfrei und transparent ist (§ 22 Abs. 2 EnWG).
Seit dem 1. Dezember 2006 erfolgt die tägliche Ausschreibung der Minutenre-
serve auf einer gemeinsamen Internetplattform und seit dem 1. Dezember 2007
die gemeinsame monatliche Ausschreibung der Primär- sowie Sekundärregelung.
Die Kosten für die Bereitstellung der Regelleistung betragen bereits etwa 40 Pro-
zent des gesamten Übertragungsnetzentgeldes. Je mehr die Produktions- und Ver-
brauchsstandorte auseinandergerissen werden (z. B. Windpark in der Nordsee, aber
Verbrauchsschwerpunkt in München), bzw. je mehr für den Regelzonenbetreiber
unbeeinflußbare Erzeuger (Windkraft, wärmegeführte BHKW etc.) geschaffen wer-
den, desto höher steigen die Kosten. Die Kostenverlagerung von den Erzeugern
”regenerativer Energien“ auf die Allgemeinheit, ist ausdrücklich politisch gewollt.
Die Anrechnung der resultierenden zusätzlichen Umweltbelastungen darf ebenfalls
nicht erfolgen, damit die ”Schöne Neue Welt“ der ”Erneuerbaren“ nicht belastet
wird:
141
7 Netze
7.3 Ausgleichsenergie
Unter Ausgleichsenergie versteht man die elektrische Energie, um die der tatsächli-
che Verbrauch eines Bilanzkreises vom prognostizierten Verbrauch abweicht. In ei-
nem Bilanzkreis werden beliebig viele Entnahme- (Verbraucher oder Stromkunden)
und Einspeisestellen (Einspeiser oder Kraftwerke) zusammengefaßt. In der Regel
bilden die Kunden eines Stromhändlers einen Bilanzkreis. Diese benennen im Vor-
aus einen prognostizierten Verbrauch ihres Bilanzkreises für eine Zeiteinheit (meist
15 Minuten). Dabei muß der einem Bilanzkreis zugeordnete prognostizierte Ver-
brauch durch Einspeisungen (Produktion oder Einkauf von elektrischer Energie)
genau gedeckt werden. Die während der Zeiteinheit auftretenden unvorhersehba-
ren Schwankungen im Verbrauch (oder auch in der Produktion) des Bilanzkreises
werden dabei durch den Übertragungsnetzbetreiber durch Lieferung von positiver
oder negativer Ausgleichsenergie ausgeglichen. Wichtig ist dabei die Unterschei-
dung, daß die Bilanzkreise und die Regelzone meist nicht identisch sind. Für die
Regelleistung ist die Summe der Abweichungen in den zugehörigen Bilanzkreisen
ausschlaggebend. Abhängig von den tatsächlichen Vorzeichen, kann die resultie-
rende Regelenergie kleiner oder größer als die entsprechenden Ausgleichsenergien
sein. Auf diesen Gedanken beruht die Idee der ”virtuellen Kraftwerke“. Es werden
beliebige und örtlich getrennte Kraftwerke zu einem Bilanzkreis zusammengelegt.
Neuerdings auch noch (Anteile) von Pumpspeicherkraftwerken für nicht beein-
flußbare Wind- und Sonnenkraftwerke. Es wird nun versucht, die Kraftwerke des
eigenen Bilanzkreises über das Internet so zu steuern, daß sie möglichst genau
den Verbrauch des eigenen Bilanzkreises abdecken. Mit dieser Argumentation will
man sich dann nicht in entsprechendem Maße an den Kosten für Regelleistung und
Verteilkosten beteiligen.
142
7.4 Schattenkraftwerke
7.4 Schattenkraftwerke
”Regenerative Energien“, wie Sonne, Wind und Wasserkraft sind von der Natur ge-
steuert und nicht vom Menschen beeinflußbar. Es gibt Situationen, wo der Wind
nicht oder orkanartig weht. Die Sonne des nachts nicht scheint. Flüsse Niedrigwas-
ser führen. Will man in diesen Situationen nicht auf eine Stromproduktion verzich-
ten – also nicht zu einer mittelalterlichen Gesellschaft zurückkehren – muß man
anderweitig Strom bereitstellen. Da sich elektrische Energie großtechnisch nicht
speichern läßt, muß man sie entweder zur Speicherung umformen oder anderwei-
tig bereitstellen. Eine Umformung ist nur selten möglich, da solche Anlagen sehr
kapitalintensiv und mit großen Verlusten behaftet sind. Die Wirkungsgrade der
Verwandlung und Rückwandlung müssen miteinander zum Gesamtwirkungsgrad
der Umwandlung multipliziert werden. Wenn bei der Umwandlung und Rückwand-
lung der Wirkungsgrad jeweils 80 % (ein sehr guter Wert!) beträgt, beträgt der
Gesamtwirkungsgrad trotzdem nur 64 %. Es wird deutlich, daß damit sehr große
Anlagen erforderlich sind und der ”gespeicherte Strom“ sehr teuer wird.
In Deutschland fällt regelmäßig im Winter für mehrere Tage die komplette Win-
denergie aus. Wegen der Wirkungsgrade der Speicherung müßte also eine Vollver-
sorgung mit Windkraft um ein vielfaches größer sein. Auch jahrelange Propaganda
der ”Windenergielobby“ hat daran nichts geändert. Die Argumentation, daß der
Wind immer irgendwo in Deutschland wehen würde, hat sich experimentell längst
widerlegt. Ähnliches gilt auch für die alle paar Jahre wieder auftauchende Legende
vom Strom aus der Sahara. Bemüht man mal einen Globus, so erkennt man, daß
die Zeitzonen von Nordafrika und Europa nahezu synchron sind. Wenn es in der
Sahara dunkel ist, gibt es von dort auch keinen Strom! Photovoltaik scheidet des-
halb völlig aus. Thermische Kraftwerke (Solarrinnen) müßten mehr als ihre halbe
Wärmeproduktion speichern, um bedarfsgerecht Strom zu produzieren. Oder man
muß bei zu geringer Sonneneinstrahlung die Wärme ersatzweise mit fossiler Energie
erzeugen. Auch dies wäre – in des Wortes Bedeutung – ein Schattenkraftwerk.
Wichtig ist, daß die kompletten Investitionskosten für Schattenkraftwerke der
regenerativen Energie hinzugerechnet werden müssen. Sie kompensieren lediglich
die (sehr hohen) Zusatzkosten, die diese Energieträger für eine zusätzliche Speiche-
rung aufbringen müßten. Die Bereitstellung konventioneller Kraftwerke als Schat-
tenkraftwerke, ist eine weitere (versteckte) Subvention der Alternativenergien“.
143
8 Anhang
8.1 Vollaststunden oder Auslastung
Mit Volllaststunden wird der Quotient aus der Jahresenergieproduktion (in kWh)
eines Kraftwerks und dessen Nennleistung (in kW) bezeichnet. Das Ergebnis ist
ein rechnerischer Wert und gibt an, wie hoch die Ausnutzung der Anlage ist: Er
gibt an, wie viele Stunden die Anlage mit Nennleistung hätte laufen müssen, um
die gleiche Energiemenge zu erzeugen.
Jahresarbeit [kW h]
V ollaststunden [h] = (8.1.1)
N ennleistung [kW ]
Der Wert ist nicht mit den tatsächlichen Betriebsstunden zu verwechseln. Kraft-
werke können auch im Teillastbereich betrieben werden, wenn es das Netz erfordert.
Bei Wind- und Solaranlagen kommt es zwangsläufig zu einer verminderten Vol-
laststundenzahl bei höheren Betriebsstunden, da das Primärenergieangebot (Wind
und Sonne) starken natürlichen Schwankungen unterliegt. Grundlastkraftwerke er-
reichen die höchsten Vollaststundenanzahl pro Jahr, jedoch müssen auch sie in
regelmäßigen Abständen gewartet werden. Der prozentual auf die Gesamtstunden
eines Jahres bezogene Wert heißt Auslastung. Für diesen Zweck wird von einem
Jahr mit 365 Tagen zu 24 Stunden entsprechend 8760 Stunden ausgegangen.
145
Abbildungsverzeichnis
1.3.1 Weltenergieverbrauch von 1971 - 2005 . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
1.3.2 Energieverbrauch über Pro-Kopf-Einkommen 1970 - 2005 . . . . . . 15
1.3.3 Pro-Kopf-Freisetzung von Kohlendioxid in Tonnen über Bevölke-
rung in Milliarden im Jahr 2035 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
147
Tabellenverzeichnis
3.1 CO2 –Konzentration in der Luft und Auswirkungen auf den Menschen. 49
149