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ANDREAS OKOPENKO DAS LIED VON DER EGALITT Wir sind die Genossen der Egalitt, nicht der

Gleichheit a la Marseillaise, o nein, wir triefen vor Legalitt (soweit es halt zu vereinbaren geht mit Eigen- und Fremdkapital), aber uns ist alles egal. Wenn sie im Kongo und nherwo foltern, uns ist alles egal. Wenn Eisenbahnbrcken in Abgrnde poltern, uns ist alles egal. Was anderes wre auch zuviel verlangt, da man weint, da man flucht, da man betet und bangt bei der groen Zahl? Da wird alles egal, da wird alles, alles egal. Die Nachrichtenflut, die berieselt uns blo, gut, da sie uns nicht ersuft. Die Pumpe in uns, die verkieselt blo, aber sie luft, sie luft. Wenn sie am Hauptplatz Minister henken und der jubelnden Menge dazu Schnaps ausschenken, wenn sie bei einem Atomtest nicht minder als hunderttausend leukmische Kinder erdenken

und wenn sie ein Fhrboot versenken und Gefangenen die Fe ausrenken, das klingt alles so schal, in so groer Zahl, da wird alles, alles egal.

Die Friedensgedichte, der ganze Chor, der kommt uns allen zum Einschlafen vor. In seinem Schlaf wird kein Schwein gestrt von einem Alarm, den man immerzu hrt. Remarque und Borchert, die haben geschrien, und ihr Schrei wird oft noch ausgeliehen vom Bibliotheken-Regal. Doch bleibt ihr Quken egal. Wir wissen, da auch unsere Haut zu Markte getragen wird. Doch auch diese Sorge ist abgeflaut. Wir reden davon und schnarchen laut. Erst wenn wir sie richtig spren, die Haut, als Wundschorf, als Grammel, da hilft uns kein Kraut, da werden wir engagiert. Doch heut wenn sich wieder wer anznden will und Madame Nhu sagt Buddhisten am Grill, dann freut uns der Aphorismus mehr in unserem Witz-Arsenal

als den Ku-Klux zwanzig Neger im Teer, und auch die sind uns klarerweise egal, wie jede Qual und die Wahl und der Malstrom aus Stahl, Wir sind die Genossen der Egalitt. Wir sind der wahre Skandal.

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