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11.05.2009
DEBATTE: Kein Allgemeinwohl ohne Eigentum  
Ein Volkswirt zum Griebnitzsee­Streit 
 
Mit dem Gastbeitrag von Steffen Hentrich setzen wir unsere Debatte über Eigentum und Freiheit am Beispiel des freien Wasser­Zugangs fort.  
Es gibt Situationen, in denen der Schutz individuellen Eigentums mit den Interessen des Allgemeinwohls zu kollidieren scheint. Regelt nicht das Grundgesetz, dass 
Eigentum verpflichtet und sein Gebrauch dem Allgemeinwohl zu dienen hat? Unter R ückgriff auf die sogenannte Sozialpflichtigkeit des Eigentums werden die 
exklusiven Nutzungsrechte von Privateigent ümern immer wieder in Frage gestellt, manchmal gar Enteignungen zum Wohle der Allgemeinheit gefordert.   
Ein prominenter Fall, der seit Jahren die Gemüter bewegt, ist der Streit um den Uferweg der Villenkolonie am Griebnitzsee in Potsdam ­Babelsberg. Dass einige 
private Grundst ücksbesitzer hier letztlich auf Rechtssicherheit pochten und nach einem langen Gezerre mit der Stadt Potsdam nun von ihrem Eigentumsrecht 
Gebrauch machten und den Weg f ür die Öffentlichkeit sperrten, ist für viele ein Affront gegen das Allgemeinwohl. Doch wer die Geschichte  über die letzen Jahre 
genau verfolgte, der wird den Verdacht nicht los, dass es den vermeintlichen Verfechtern des Allgemeinwohls wohl weniger um die Belange aller B ürger, als um ein
politisches Alles­oder ­Nichts­Spiel, einen künstlich hochstilisierten Konflikt zwischen privatem und  öffentlichen Interesse ging.   
Bereits das inzwischen in die Jahre gekommene Uferkonzept der von den Grundstückseigent ümern ins Leben gerufenen Initiative Historische Uferregion 
Griebnitzsee e.V. war beredtes Zeugnis daf ür, dass nie ein echter Gegensatz zwischen den Eigentümerinteressen und dem Gemeinwohl bestand. Auch später 
machten die Eigentümer der Stadt Potsdam Angebote, die den Zugang der Öffentlichkeit mit der privaten Nutzung der Grundst ücke verbinden sollten. Lediglich 
gewisse Einschr änkungen für die Öffentlichkeit, wie eine Wegenutzung nur für Fußgänger zur Tageszeit, eine flache Heckenbegrenzung des Weges und ein auf 
einen Teil der Grundstücke beschränkter direkter Seezugang, sollten das Nebeneinander privater und  öffentlicher Belange sicherstellen.   
Überdies hatten die Eigent ümer der Öffentlichkeit bereits mit dem Rückerwerb der Grundst ücke vom Bund einen finanziellen Dienst erwiesen, von der Stadt als 
Vertreterin der Öffentlichkeit erhielten die Eigentümer dagegen nie ein ernstzunehmendes Entsch ädigungsangebot. Erst die z ähe Kompromisslosigkeit der 
Potsdamer Stadtv äter und die lautstarke Enteignungsdrohung f ührten bei den Eigentümern zu der Erkenntnis, dass ihnen das Entgegenkommen gegen über den 
Interessen der Allgemeinheit keinerlei W ürdigung der eigenen Belange einbrachte. Einen Widerspruch zwischen privatem Eigentum und Allgemeinwohl hat es nie 
gegeben, der Widerspruch zwischen der Allgemeinwohlrhetorik der Politik und einer bewusst provozierten Rechtsunsicherheit ist indes nicht zu übersehen.   
Insofern zeigt die Debatte um den Uferweg am Griebnitzsee, wie wenig die Bedeutung des Eigentums f ür das Allgemeinwohl im Bewusstsein der Politik und der 
Öffentlichkeit verankert ist. Ist es wirklich nur die direkte Teilhabe der Allgemeinheit an der Nutzung von privatem Eigentum, die dem Gemeinwohl dient? Oder 
motiviert nicht gerade der Schutz der Eigent ümerinteressen zu einem Verhalten im Interesse der Allgemeinheit?   
Eigentum und das Genussrecht an seinen Fr üchten motiviert die Menschen zu Leistungen. Jeder, der seinem Leben ein Sinn geben möchte, seiner Familie ein 
schönes Leben erlauben will und f ür die Zukunft vorsorgt, baut darauf, am Ende des Monats den Lohn harter Arbeit behalten, Eigentum bilden und  über dessen 
Verwendung frei entscheiden zu dürfen. Macht man den Menschen dieses Recht streitig oder l ässt sie im Unklaren über den Umfang ihrer Eigentumsrechte, dann 
hinterlässt man bei ihnen ein Gef ühl der Unsicherheit gegen über der Zukunft ­ mit dem Ergebnis, dass ihre Motivation schwindet, ihre Leistung nachlässt und die 
Pflege des Eigentums ins Hintertreffen ger ät. Die Mühe lohnt nicht, wenn die Allgemeinheit willk ürlich versucht, sich einen ordentlichen Teil vom Kuchen 
abzuschneiden. Viel schlimmer noch: Die Menschen beginnen Zeit und Aufwand darauf zu verwenden, ihr Eigentum vor dem Zugriff anderer zu schützen ­ Mühen, 
für die auf andere Dinge verzichtet werden muss. Im Fall des Griebnitzsees bleibt der  Öffentlichkeit nun ein Teil des Uferwegs versperrt. Unsere Gesellschaft und 
unser Wohlstand leben von der Leistungsmotivation der Bürger, davon, dass jeder von uns ein Interesse hat, seine Fähigkeiten zusammen mit seinem Eigentum 
zu Markte zu tragen, um sie zum Vorteil aller zum Tausch anzubieten. Weniger Eigentumsrechte und weniger Rechtssicherheit bedeuten weniger Leistung des 
Einzelnen für die Allgemeinheit.   
Doch wie steht es mit der Sozialpflichtigkeit der Allgemeinheit, wenn sie ihre Nutzungsanspr üche an privatem Eigentum geltend macht, sich selbst dabei aber 
wenig um die Pflege des in Anspruch genommenen Eigentums schert? Jeder kennt den achtlos weggeworfen Unrat auf öffentlichen Wegen und wei ß, wie leicht es 
fällt, unbekümmert mit dem Eigentum anderer umzugehen. Wer weder die Verantwortung noch die finanziellen Konsequenzen für selbstverursachte Sch äden 
trägt, der hat auch wenig Grund, sich um die Konsequenzen seines Handelns für andere zu sorgen. Zudem ist es häufig das Eigentum anderer, selten das eigene, 
dessen Schutz hinter dem Interesse der Allgemeinheit zurückzutreten hat. Verantwortung f ür die Allgemeinheit wird sehr gern delegiert, aber nur ungern selbst 
übernommen. Zwar lässt sich niemand gern auf derlei Schwächen ansprechen, doch  ändert das nichts daran, dass beispielsweise die Pflege öffentlicher 
Parkanlagen h äufig ein teures und manchmal sogar hoffnungsloses Unterfangen ist. Auch die Grundst ückseigent ümer am Griebnitzsee wissen ein Lied davon zu 
singen. Gleichzeitig gilt es als selbstverständlich, wenn so mancher Grundstücksbesitzer mit Ordnungsliebe und akribisch gepflegten Blumenrabatten die 
Allgemeinheit gratis mit erfreut. Waren es nicht gerade die prachtvoll renovierten Fassaden der Villenkolonie und die liebevoll angelegten Gärten, die viele 
Besucher auf diese Seeseite lockten?   
Eigentum ist der Allgemeinheit verpflichtet, wenn sich die Allgemeinheit dem Eigentum verpflichtet. Nur so hält der vielzitierte Grundsatz der 
Gemeinwohlorientierung der Realität stand. Eine Gesellschaft, in der jeder Bürger um sein Eigentum und dessen Vorteile bangen muss, in der die Allgemeinheit 
permanent geneigt ist, die Spielregeln für das private Eigentum zu ändern, ist eine unsichere, argwöhnische und arme Gesellschaft. So eine Gesellschaft ist sicher 
nicht im Sinne des Allgemeinwohls. Die traurigen Umst ände, unter denen die Geschichte des Uferwegs am Griebnitzsee begann, mögen uns daran erinnern.   
Steffen Hentrich, geb. 1968 in Königs Wusterhausen, studierte Volkswirtschaftslehre an der TU Berlin. Er arbeitete u. a. im Sachverständigenrat für Umweltfragen der 
Bundesregierung. Seit 2008 ist er Mitarbeiter des Liberalen Instituts der Friedrich ­Naumann­Stiftung für die Freiheit am Griebnitzsee.  

Mehr zum Thema  
 
» LESERBRIEF vom 11.05.2009: Umgekehrt wird ein Schuh daraus : http://www.maerkischeallgemeine.de/cms/beitrag/11503992/3730327/

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