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Amaryllis e.G.

in Gründung

gemeinsam Bauen – gemeinsam Wohnen


mit Amaryllis e.G.

Immer wieder wird gefragt, warum ausgerechnet eine Genossenschaft das


Wohnbauprojekt Amaryllis tragen soll. Und auf der Suche nach einer geeigneten
Unternehmensform werden Mischformen1 diskutiert, bei der die Genossenschaft zwar
erhalten werden kann, aber in Kombination mit Eigenfinanzierung, für diejenigen, die,
aus welchen Gründen auch immer, dem Eigenheim den Vorzug geben.
Nicht allen will es einleuchten, dass die Entstehung von verschiedenen
Unternehmensformen in Zusammenhang mit unterschiedlichen Zielen zu sehen ist.
Auch wird der Gesetzgeber nicht grundlos Grenzen zwischen der einen und der
anderen Unternehmensform festgelegt, sondern sich dabei was gedacht haben.
Verständlich sollte doch zumindest den meisten sein, dass nicht zu erwarten ist, dass
man von jeder Unternehmensform sich nur das Beste sichern kann und auf die
Nachteile verzichten. Sich für alle möglichen Fördermittel qualifizieren, dabei die
günstigsten Kreditlinien sichern und gleichzeitig das niedrigste Risiko eingehen, mag
erstrebenswert klingen, erinnert aber schnell an die Schnäppchenjagd bei Lidl. Darüber
hinaus aber gleichzeitig Privatkapital (im Sinne der Alterssicherung) aufbauen und doch
Gemeinschaft wagen und pflegen zu können, das klingt schon nach einer Neckermann
Pauschalreise.
In der ausgebreiteten Diskussion um die Vorteile und die Nachteile von
Genossenschaft, Dauerwohnrecht, Wohnungseigentümergemeinschaft und aller
möglichen Zwischenformen und Kombinationsmöglichkeiten haben die
finanztechnischen Argumente sehr stark dominiert. Zur Sprache gekommen sind
zwischendurch gewisse praktische Erwägungen, wie beispielsweise die Frage nach
dem Aufwand, den die Niederschrift der Teilungserklärung oder die vertragliche
Einigung zwischen DauerwohnrechtlerInnen und Genossenschaft mit sich bringt. Was
aber vollkommen vernachlässigt wurde sind die fundamentalen Beweggründe, warum
Menschen alternative Formen des Zusammenlebens suchen. Und ob der
Genossenschaftsgedanke nicht unmittelbar in Zusammenhang zu bringen ist mit dem
Bedürfnis sich gegen den durch Individualismus und Kapitalismus beherrschten
Zeitgeist zu stellen, wurde nicht wirklich thematisiert. Es konnte auch deswegen nicht
wirklich thematisiert werden, denn die Diskussion um die Unternehmensform kam auf in
Zusammenhang mit finanztechnischen Aspekten. Und wenn es um Finanzen geht,
dann hört die Mehrheit der Menschen vorzugsweise auf Steuerberaterinnen,
Betriebswirte und Juristen, aber weniger auf Ideologen, Politologinnen und
Agrarökonomen.
Nun ist es aber so, dass Amaryllis sich nicht geformt hat, um billigen Wohnraum zu
schaffen und die Eigenheimsträume von Mittelständlern zu erfüllen, sondern weil neue
Wohnformen und gemeinschaftliches Leben praktiziert werden wollen. Es geht bei
Amaryllis grundsätzlich gerade nicht um das mögliche Spekulationsobjekt Eigenheim.
Amaryllis will stattdessen etwas Gemeinschaftliches entstehen lassen, was von Anfang
an gemeinschaftlich entwickelt wird, um dann gemeinschaftlich getragen und verwaltet
zu werden. Aus der Gemeinschaft heraus entfaltet sich die eigentliche Kraft des

1
Die Unternehmensform Genossenschaft zu vermischen mit Eigenheimmodellen kann schon
deswegen als kritisch betrachtet werden, weil fundamental gegensätzliche Konzepte versucht
werden miteinander zu vereinigen. Der Erfahrung nach muss diese Vermischung zum
Interessenskonflikt führen.

Michael Schneider Oktober 2005, Seite 1


Amaryllis e.G. in Gründung

Projektes, aus der gemeinschaftlichen Gesinnung heraus und dem gemeinschaftlichen


Konzept. Amaryllis geht es nicht darum privaten Wohnraum zu schaffen, sondern einen
ökologisch attraktiven Lebensraum. Und denjenigen, die vertraut sind mit der
Diskussion um qualitatives Wachstum versus quantitativem Wachstum2, werden
nachvollziehen können, warum finanztechnische Argumente in gewisser Hinsicht den
Blick auf die wesentlichen Aspekte des nachhaltigen Bauens verschleiern.
Und auch wenn es dem ein oder der anderen befremdlich klingen mag, so muss in
diesem Zusammenhang doch einiges mehr an Überbau mitgedacht werden, als ein
beschränkter Blick auf die Finanzierung. Dieser Überbau besteht unter anderem aus
der Einsicht, dass die Industrieländer gegenwärtig weit mehr Ressourcen verbrauchen,
als es die Tragfähigkeit der Erde zulässt. Ein radikaler Wandel hinsichtlich des
individuellen und durchschnittlichen Energieverbrauches ist gefordert, wenn unsereiner
tatsächlich einen Beitrag zu den Millenniums Entwicklungszielen beitragen will3. Das
Leben in der Stadt stellt eine besondere Herausforderung an umweltbewusste und
politisch verantwortungsvoll agierende dar: Woher kommen denn unsere Lebensmittel
und unsere Baustoffe, woher kommen die Ressourcen, die uns ein angenehmes Leben
gestatten. Sind das nicht die Fragen, die wir uns zu stellen haben anstelle der Wahrung
unserer persönlichen finanziellen Interessen?
Sicher, wir alle und die Genossenschaft haben mit beschränkten Ressourcen zu
wirtschaften. Wir sollten es vermeiden Luftschlösser zu planen und müssen auf
kostenträchtigen Firlefanz verzichten. Die Kosten einer ökologisch zukunftsweisenden
Wärmetechnik und einer technisch ausgereiften und effizienten Wasserverwendung-
und Verwertung können jedoch beachtlich werden. Ökologisch verantwortbare
Baustoffe und Dämmstoffe, Fensterrahmen und Fußböden haben ihren Preis. Wenn
sich die Genossenschaft in diesem Zusammenhang nicht auf gemeinschaftliche Ziele
einigen kann und stattdessen der Individualfinanzierung zusätzliche Freiheiten
verschafft, werden auch die Qualitätskriterien signifikant fallen. In der Gemeinschaft
aber können auch hohe Ansprüche und Ziele erreicht werden, was jedoch ein Vertrauen
in die Genossenschaft voraussetzt und eine Bereitschaft finanzielle Mittel in das
Gemeinschaftsunternehmen einzubringen, damit eine entsprechende Finanzierung
erwirkt werden kann. Als Gemeinschaft, als Kooperative, sind wir in der Lage
Außenstehende zu beeindrucken in dem wir einen gemeinschaftlichen Geist
demonstrieren. Wenn es uns aber um nichts anderes geht, als unseren privaten
Wohnraum zu sichern und unsere Rücklagen zu vermehren, dann werden wir weder
hohe Standards erfüllen, noch ein Beispiel setzen im Sinne der Lokalen Agenda 21.
Die Organisation in Form einer Genossenschaft ist mit Hinblick auf die hochgesteckten
Ziele in Bezug auf Ökologie, Sozialverträglichkeit und Generationenmix die einzig
erstrebenswerte. Die Genossenschaft bietet ein Maximum an Schutz vor Willkür und
gibt allen Beteiligten die gleiche Mitsprachemöglichkeit unabhängig von Geldbeutel und
Wohnfläche. Dabei kann auf viele juristische Formalitäten verzichtet und können
rechtliche Unwägbarkeiten vermieden werden. Voraussetzung dabei ist, dass sich ein
Vertrauen zwischen den Genossenschaftsmitgliedern entwickeln kann. Am Vertrauen
sollte gearbeitet werden, in der Form, dass wir uns besser kennen lernen und mehr
voneinander erfahren als dies bislang der Fall ist. Denn nur auf Basis von Vertrauen
werden wir die notwendigen finanziellen Mittel zusammenzutragen imstande sein und
uns gegenseitige Unterstützung gewähren. Und nur wenn wir einander zu vertrauen
lernen, werden wir als starke Gemeinschaft unsere Ziele erreichen und Förderer wie
Neugierige, Nachbarn und Finanzinstitute beeindrucken können.

2
Vergl. hierzu auch Ernst Ulrich v. Weizsäcker, Earth Politics
3
Siehe hierzu das Buch Fair Future, Ein Report des Wuppertal Instituts

Michael Schneider Oktober 2005, Seite 2

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