Sie sind auf Seite 1von 22

Als Zorko geschnappt

wurde
Eine Geschichte über eine kleine Maus

Von Jan Eric Arvastson

Mit Bildern von Christel Spangenberg

1
Zorko sieht gut aus. Er ist nett. Aber er
kann auch schrecklich lästig sein.
Er hat ein feines Fell. Das schimmert braun.
Die Barthaare sind elegant. Er hat
schwarze, runde, klare Augen und kleine,
nackte, schön geformte Pfötchen. Der

2
Schwanz ist so lang, dass es schon fast
unpraktisch ist.
Ist er eine Feldmaus, Waldmaus,
Hausmaus oder einfach nur eine
gewöhnliche, kleine Ratte? Er denkt
darüber nicht weiter nach.

Immer Sommer ist die Maus ganz ok. Man


findet ihn zwischen Blättern und Grünzeug
hinter dem Sommerhaus und dem
Tischlerschuppen. Hier schleicht er herum,
auf der Suche nach etwas Gutem. Die
Kinder sehen ihn manchmal. Winken ihm
zwischen den Blättern zu. Er blinzelt
zurück.

3
Er frisst ein paar Kleinigkeiten, die er findet.
Und nimmt sich einen Blattstängel als
Nachtisch. Er macht überhaupt keinen
Unfug.

4
Aber im Winter ist es anders. Da gibt es
großen Ärger. Die Maus zieht in den
Tischlerschuppen. Oder sogar ins Haus.
Sucht nach Fressen, das ist klar. Das wäre
vielleicht gar nicht so gefährlich.
Aber er zerstört einiges. Ja, er richtet
Schaden an! Er beißt Sachen kaputt, die
man nicht empfehlen sollte. Elektrische
Leitungen zum Beispiel.

5
Matratzen und Polster.

6
Oder er knabbert Löcher in Tüten und
zerstört den Inhalt. Wie hier.

Zorko kann es einfach nicht bleiben lassen.

7
„Es gibt Mäuse, die man in die
Hosentasche stecken kann. Oder die einem
über die Schulter klettern,“ sagen die
Kinder. „Die haben gelernt, lieb zu sein.
Diese hier ist bestimmt auch lieb.
Eigentlich. Aber ungehorsam.“
Papa schüttelt den Kopf.
„Die hier wird sicher kein Haustier.“
Manche Menschen meinen, dass Mäuse
Dinge kaputt beißen, weil sie
Wachstumsschmerzen in den Zähnen
haben. Andauernd. Um die Schmerzen zu
mildern brauchen sie etwas zum Knabbern
und Beißen.
Andere Leute finden, dass alle Ratten
unangenehm sind. Man muss sich nicht
darum kümmern, wie die sich fühlen.
Einfach nur fort mit ihnen!

8
„Wir brauchen hier keine Ratten und
Mäuse. Die alles zerstören,“ sagt Papa.
„Wir müssen sie fangen.“
„Und dann?“, fragen die Kinder.
„Sie totschlagen.“
„Bloß nicht!“, schreien die Kinder.

Die Maus hat während des Winters


gewütet.
Als die Familie ins Sommerhaus kommt,
setzt der Papa eine Falle aus um sie zu
fangen. Papa legt ein Stückchen Käse rein.
Käse sagt man soll das beste sein, was
Mäuse und Ratten kennen.
Papa stellt sie Falle recht hoch auf, in ein
Fenster.

9
Meint er, der Gefangene soll eine gute
Aussicht haben, wenn er da sitzt?

„Nein,“ sagt Papa. „Das ist ein Kniff. Mäuse


sind stolz auf sich selbst. Schon fast
hochnäsig. Die wollen zeigen, dass sie

10
überall hin kommen. So, nun locke ich sie
mit dem Käse hierauf.“
Ein paar Tage vergehen. Nichts passiert.
Die Falle bleibt leer.
Aber eines Morgens – ist etwas im Käfig.
Zorko.

11
Die Kinder hüpfen vor Eifer auf und ab.
Zorko wird ganz unruhig. Er wirft sich
gegen die Käfiggitter und zischt ihnen
entgegen.

„Die Maus kann beißen, wenn sie raus


kommt“, behauptet Papa.
12
„Uns nicht,“ antworten die Kinder.
„Ich nehme sie jetzt mit. Und bringe sie
um.“, sagt ihr Papa.
„Du darfst ihr nichts tun!“
„Was denn sonst? Es geht nicht, sie einfach
wieder frei zu lassen. Ich will sie hier nicht
ums Haus rum haben.“
„Sie müsste in ein anderes Land umziehen.
Und dort wohnen.“ erklären die Kinder.
„Wie? In ein anderes Land?“ Papa schüttelt
den Kopf.
Die Kinder zeigen den Weg entlang.
„Ein Stück weiter Richtung Stadt, da ist
doch die Brücke über den Fluss. Auf die
können wir die Maus setzen. Und den Käfig
öffnen.“

13
Papa stellt den Mäusekäfig in eine
Papiertüte. Und die Tüte auf den Rücksitz
im Auto.

„Dann fahre ich da mal hin.“


Die Kinder kommen mit.

14
Die Brücke ist alt, aus Holz. Sie ist die
schönste in der ganzen Gegend.

Auf der anderen Seite gibt es nur Äcker und


Wiesen. Keine Häuser und Höfe. Hier gibt
es nur Gras und nichts anderes zum
Kaputtbeißen.
15
Die Kinder klatschen in die Hände. Sie
rufen:
„Da kann sie ein neues Leben beginnen!“
Papa kratzt sich am Kopf.
„Wenn sie bloß nicht zurückkommt!“
Er geht mit der Papiertüte auf die Brücke.

16
Nimmt den Käfig raus. Zorko, der im Auto
ruhig gewesen war, wird unruhig.

Papa stellt den Käfig ab.

17
Die Kinder hatten sich es so vorgestellt:
Nach einer Weile öffnen sie die Käfigtür.
Die Maus hüpft vor und setzt sich in die
Öffnung. Schaut sich verwundert um. Dann
sagen sie: Lauf davon, kleine Maus! Ab mit
dir! Und dann hopst die Maus munter über
die Brücke.
18
Oder vielleicht springt sie in meine Hand,
denkt eines der Kinder.

Aber es kommt ganz anders.


Zorko wird ganz wild vor Aufregung. Über
das starke Sonnenlicht, die Weite des
Himmels und alles, was er um sich herum
sieht.

19
Er wartet nicht.
Er strängt sich mit all seinen Kräften an.
Und quetscht sich in einem Augenblick aus
dem Käfig. Obwohl die Luke geschlossen
ist.
„Was denn nun!?“, schreit Papa.
Zorko hopst nicht ruhig und still über die
Brücke zum anderen Ufer. Wie die Kinder
sich das gedacht hatten. Er ist wütend,
ängstlich und froh, alles gleichzeitig.
Im Hui wirft er sich von der Brücke und
direkt ins Wasser.

20
Da schwimmt er. Ganz schön schnell, über
den halben Fluss.

21
Bald hat er Land erreicht.
„Oj oj oj!“ rufen die Kinder.

22

Das könnte Ihnen auch gefallen