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N I EDERSAC HSEN

F E B R UA R 2 0 1 0 | W W W. S P D - N I E D E R S A C H S E N . D E

EDITORIAL
WIR MÜSSEN DEN PULS
DER MENSCHEN FÜHLEN
Was 2010 für die SPD auf der Agenda steht: Partei öffnen, Urwahlen und eine soziale Wirtschaftspolitik
Von Garrelt Duin
Wir Sozialdemokraten quälen uns noch
mit den Mühen der Ebene. Aber wir
haben den Berg wieder nahe vor Augen,
der vor uns liegt. Wohl wissend, dass der
Sturm auf den Gipfel nur Schritt für
Schritt klappt und viel Puste verlangt.
Aber wir sind auf gutem Weg.
Als Mann von der Küste weiß ich, wie
LIEBE GENOSSINNEN, wichtig ein fester Anker ist, damit ein
Schiff selbst bei Sturm nicht ziellos her-
LIEBE GENOSSEN, umtreibt. Unsere SPD war immer im Volk
es gibt Leute, die nichts aus der verankert wie keine zweite Organisati-
Finanz- und Wirtschaftskrise lernen – on. Sportvereine, Taubenzüchter, Kirche,
oder verdrängen, dass sie und ihre Gewerkschaften, Arbeiterwohlfahrt oder
Brüder im Geiste die Hauptschuld daran Reichsbund – überall warfen Sozialde-
tragen. »Der Staat ist ein teurer mokraten stabile Anker. Die Zeiten haben
Schwächling«, posaunte neulich FDP- sich gewandelt, und die Einstellungen
Generalsekretär Lindner. Und beleidigte vieler Menschen auch. Aber eines bleibt
gleich im nächsten Satz Millionen für uns immer eine vorrangige Aufgabe:
arbeitende Menschen: »Zu viele erwar- Wir müssen verankert bleiben, den Puls
ten immer mehr vom Staat und immer der Menschen fühlen.
weniger von sich.« Die FDP, die in Berlin Ich gebe zu: Das haben wir etwas
als Schwanz mit dem Hund wedelt, will verlernt. Wir kommen aus dem Tief nur
den Staat immer nur schwächen. In heraus, wenn wir unsere Partei wieder
ihrer verbohrten Ideologie kann die Pri- öffnen, mit den Menschen reden und
vatwirtschaft grundsätzlich alles ihnen zuhören. In Expertenrunden, auf
besser als der Staat. Natürlich erledigt der Straße und überall, wo sich die Leu-
der Staat nicht alles. Aber gerade jetzt te treffen. Auf Bundes- und Landesebe-
in der Krise muss er investieren – in ne richten wir Foren zu verschiedenen Unsere Aufgabe für 2010:
Forschung, Bildung, Sicherheit und in Themen ein. Aber auch jeder Unterbe- große Rolle. Leider wird sie in Berlin und Mitmischen und Einfluss
das Gesundheitswesen. Und Banken zirk und jeder Ortsverein kann und Hannover von Politikern gemacht, die nehmen, auf der Straße, an
zähmen, dass diese nicht noch einmal muss direkt auf die Menschen zugehen, wenig zustande bringen. Die Regierung Stammtischen, in Vereinen
fast komplette Volkswirtschaften zum Beispiel regelmäßige Stammti- in Berlin wirkt seit dem Ausscheiden von und Verbänden.
verzocken. Doch weder mit der Regie- sche einrichten, mit Meinungsführern Steinmeier, Steinbrück, Gabriel, Scholz Foto: Lopo
rung in Berlin noch mit der Regierung in Vereinen und Institutionen in Kon- und anderen wie eine Laienspielschar.
Wulff ist Staat zu machen. Mit 383 Euro takt kommen und in öffentlichen Treffs Umso mehr werden wir in Berlin und
pro Einwohner investiert Niedersachsen über brennende Themen informieren Hannover deutlich machen, was wir
so wenig wie kein anderes Bundesland, und diskutieren. unter einer Wirtschaftspolitik verstehen,
fand die Bertelsmann-Stiftung heraus. Unsere Mitglieder müssen mehr als die den Menschen nützt. Wir brauchen
bisher wieder am politischen Leben teil- Wachstum, das dem gesellschaftlichen
Euer nehmen, Einfluss nehmen und über den Zusammenhalt dient.
Kurs der Partei mitreden. Ein Mittel dazu Dazu gehören ordentlich bezahlte
sind Mitgliederbefragungen und Urwah- Arbeitsplätze und keine Nullrunden bei
len. Ich gehe davon aus, dass beispiels- Tarifverhandlungen, um so bei schwä-
weise auch unser nächster Spitzenkan- chelndem Export die Binnennachfrage Im Niedersachsen-vorwärts:
didat in Niedersachsen von der gesam- anzukurbeln; Verlängerung des Kurzar- »TiL – Themen im Landtag«
Garrelt Duin ten Partei aufgestellt wird. Wirtschafts- (Mittelteil Seiten 1–4)
Landesvorsitzender politik spielt in diesem Jahr wieder eine Fortsetzung auf Seite 2
II NIEDERSACHSEN 02/2010 vorwärts

Fortsetzung von Seite 1 und Kredithilfen; schließlich die Konzen- Die Landesregierung Wulff investiert viel
beitergeldes; Weiterbildung und Qualifi- tration der Forschungsausgaben auf zu wenig in Forschung und Infrastruktur.
zierung – gerade bei Kurzarbeit; gute Zukunftsmärkte. Das sind in Niedersach- Sie trägt bei Investitionen pro Kopf der
Ausbildung und ein Studium ohne sen die Autoindustrie, Erneuerbare Ener- Bevölkerung in Deutschland sogar die
Gebühren; Hilfe für kleine und mittlere gien, Logistik, Gesundheitswirtschaft Rote Laterne. Wir werden den Menschen
Unternehmen durch gezielte Förderung und maritime Wirtschaft. klar machen: Die SPD kann es besser. ■

WEISSE FLECKEN MIT ROTER


VERTRETUNG
Die SPD-Landesgruppe im Bundestag ordnet die Vertretung sozialdemokratischer Interessen für Wahlkreise,
die ohne Abegordnete in Parlamenten sind.
Von Lars Wegener
Seit Herbst vergangenen Jahres ist die nie-
dersächsische SPD mit 19 Abgeordneten
aus 30 Wahlkreisen im Deutschen Bundes-
tag vertreten. Es gibt viele Unterbezirke im
Norden und im Westen Niedersachsens,
die weder durch einen MdB noch durch
einen MdL parlamentarisch vertreten sind.
Intern wird dabei von »weißen Flecken«
gesprochen und alle wissen, was gemeint
ist. Während die Fraktion im Landtag
bereits ein eingespieltes Team in der
Betreuung der »weißen Flecken« ist, steht
Lars Wegener, Büroleiter der die SPD-Landesgruppe im Bundestag nun
Landesgruppe Niedersachsen auch in engem Kontakt mit den Unterbe-
in der SPD-Bundestags- zirksvorsitzenden in den verloren gegan-
fraktion genen Wahlkreisen. »Unsere Vorschläge
zur Betreuung von 11 Bundestagswahlkrei-
sen liegen auf dem Tisch und werden von
meinen Kolleginnen und Kollegen vor Ort Die Landesgruppe Niedersachsen/Bremen der SPD Bundestagsfraktion sorgt für flächendeckende
besprochen«, erklärt der Vorsitzende der Vertretung Niedersachsens im Bundestag. Foto: shutterstock.com
Landesgruppe, Holger Ortel.
Persönlich betreut der Delmenhor- Im Februar kommen Niedersachsens SPD- Oktober die 21-MdB starke Landesgruppe
ster den Wahlkreis Cloppenburg/Vechta Bundestagsabgeordnete mit den Vorsit- Niedersachsen/Bremen im Deutschen

»
Gesellschaftliches
und nimmt seine Aufgabe sehr ernst.
Holger Ortel ist der Überzeugung die
zenden der Unterbezirke der »weißen Flek-
ken« während einer Klausurtagung in Ver-
Bundestag. »Alle Bundesministerien, die
Geld an die Länder zu verteilen haben, lie-
SPD-Bundestagsfraktion müsse auch auf den zusammen. Dann wird abschließend gen in der Hand von süddeutschen Uni-
Leben vor Empfängen und wichtigen Veranstal- darüber beraten, wie die betroffenen ons- oder FDP-Politikern«, empört sich der
Ort nicht der CDU
überlassen. «
Holger Ortel
tungen in den »weißen Flecken« vor Ort
sein: »Das dürfen wir nicht den Schwar-
Regionen unterstützt werden. Dabei arbei-
ten die Niedersachsen mit den beiden Bre-
leidenschaftliche Niedersachse Holger
Ortel. Deshalb müssen jetzt norddeutsche
zen überlassen«, ist seine feste Überzeu- mern Uwe Beckmeyer und Carsten Sieling Interessen gebündelt werden, damit der
gung. Die Landesgruppe hat nach regio- zusammen. Gemeinsam bilden sie seit »Norden nicht abgehängt
g g wird«. ■
nalen Gesichtspunkten jeweils einen
Hauptansprechpartner für jeden Betreu-
ungswahlkreis. Es gibt aber auch Abge-
ordnete, die neben ihrem eigenen zwei
NEUE AUFGABE FÜR MATTHIAS MIERSCH
weitere Wahlkreise betreuen. Im Elbe- Matthias Miersch, Bundestagsabgeordneter aus Laat-
Weser-Raum ist Lars Klingbeil als einzi- zen, ist ins Kuratorium der Deutschen Bundesstiftung
ger Abgeordneter verblieben. Auch er Umwelt (DBU) berufen worden.
weiß um seine Verantwortung. »Wir Mit einem Stiftungskapital von 1,3 Milliarden Euro
dürfen nicht zulassen, dass sozialdemo- ist die DBU eine der größten Umweltstiftungen der
kratische Interessen von ganzen Regio- Welt. Seit Bestehen der Stiftung 1990 sind mehr als
nen nicht mehr in Berlin vertreten sein 7.500 Projekte unterstützt worden. Schwerpunkt ist
werden«, so sein Fazit. die Förderung von umweltfreundlichen Ideen und
Die politische Öffentlichkeitsarbeit Projekten im Mittelstand.
der Landesgruppe wird zur Zeit vom Vor- »Ich werde die neue Aufgabe nutzen, um den
stand umgestaltet. Klar ist: Die Landes- Gedanken der Nachhaltigkeit noch stärker in unserer Gesellschaft zu verankern.
gruppe wird auch »weiterhin Fachkonfe- Unsere Umwelt steht vor dem Abgrund und wir dürfen keine Chance auslassen,
renzen der SPD-Bundestagsfraktion in gegenzusteuern«, so Miersch, der in dieser Wahlperiode zum umweltpolitischen
den Betreuungswahlkreisen veranstal- Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion gewählt worden ist. ■ eb.
ten«, sagt Holger Ortel.
02/2010 vorwärts NIEDERSACHSEN III

»WIR MACHEN UNS


AUF DEN WEG«
Empowerment, Organizing und atmende Organisation: innerparteiliche Demokratie und neue Formen
von Beteiligung sind notwendig, damit die SPD wieder die Rolle einnimmt, die unser Land braucht.

Von Michael Rüter

Michael Rüter,
In Niedersachsen – einer der Herzkam- 2. Die strategische Dimension: Dem ges Mitgliedermanagement, dass Mit- Landesgeschäftsführer der
mern der Sozialdemokratie – erzielte die SPD-Bundestagswahlkampf hat es glieder nicht als Vorgang und Nummer SPD Niedersachsen
SPD mit 29,3% das schlechteste Ergebnis 2009 an einer klar erkennbaren und begreift, sondern als Gewinn für neue
der Wahlgeschichte. Wir können und wir vermittelbaren Machtoption gefehlt. Handlungsfähigkeit und Potenzierung
dürfen mit unserem Abschneiden abso- Für die SPD gilt, dass wir nur dann als unserer Kreativität ist ein MUSS.
lut nicht zufrieden sein. Partei und Frak- ernst zu nehmende politische Kraft
Organizing – Weiterentwicklung
tion verlieren politische Gestaltungs- wahrgenommen werden, wenn wir
der Kampagnenstrategie?
kraft und auch die Personal-, Finanz- und glaubhaft die Chance auf die Füh-
Organisationskraft sind eingeschränkt. rung und die Gestaltung der Regie- Vor etlichen Jahren war es noch Glau-
Innerparteiliche Reformen sind unum- rung beanspruchen können. bensfrage, ob mit der Methodik der Kam-
gänglich.

Organisationspolitische Defizite
3. Die soziologisch-demographische
Dimension: Weniger Jung- und Erst-
pagnenstrategie gearbeitet werden soll
oder nicht. Mittlerweile ist diese Metho- »
Die Mitglieder
wähler und gleichzeitig mehr »reife- dik in allen Bereichen und Ebenen der
schnell beheben
re Wähler«, die vergleichsweise kon- Partei, in vielen Großorganisationen und
fühlen sich zur SPD
hingezogen oder
Weitreichende Vorschläge aus den Par- servative Wertvorstellungen präfe- auch Unternehmungen Grundlage des
teireform-Kommissionen, insbesondere rieren, stellen neue Anforderungen Planens und des Handelns:
in ihr beheimatet,
aus der Beck Kommission »Moderne Mit- an unsere programmatische und — Konzentration auf wenige, dafür
weil sie eben kein
gliederpartei« – etwa zur direkten Betei- strukturelle Aufstellung. nachvollziehbare Punkte(Inhalte
»Kanzlerwahlver-
ligung von Mitgliedern an inhaltlichen 4. Die innerparteiliche Dimension: Die oder Maßnahmen),
ein« und keine
und personellen Entscheidungen - liegen elf Jahre in der Regierung haben den — Planung des Ressourceneinsatzes,
Vereinigung zur
bereits vor. Für viele organisationspoliti- Wert der innerparteilichen Willens- — Auswahl der Instrumente abge-
Absicherung
politischer Macht
sche Fragestellungen gibt es weniger ein
Erkenntnisdefizit, sondern ein Umset-
bildung stark zurückentwickelt. Mehr
als einmal wurde die Parteimitglied-
stimmt mit allen politischen, organi-
satorischen und kommunikativen
ist.« Michael Rüter
zungsdefizit, auf allen Ebenen der Partei. schaft mit der Sackgassenstrategie Handelnden einer Kampagne,
Beteiligungsformen und –wege müssen »dieser Weg ist alternativlos« kon- — klare und transparente Steuerung /
gelebt werden, die Kultur des Empower- frontiert. Dieser Vertrauensverlust Leitung der Kampagne.
ments muss für Gesellschaft und Partei wirkt sich fatal aus: Es hat die Partei Der Kern von Organizing ist ein Leitbild
etabliert werden. Einfluss, Möglichkeiten, Kreativität von »beteiligungsorientierter Parteiar-
Der programmatische »Mainstream und auch SPD Mitglieder gekostet. beit«. Potenzielle Mitglieder werden als
der Moderne« – die Verabschiedung von Die Mitglieder fühlen sich zur SPD hinge- mobilisierungsfähige Aktivisten organi-
grundsätzlicher Umverteilungspolitik zogen oder in ihr beheimatet, weil sie siert, die dann zukünftig selber den Kern
zugunsten von Fragmenten eines neoli- eben kein »Kanzlerwahlverein« und kei- der lokalen Parteiarbeit bilden. Dem tradi-
beralen Staatsverständnisses – wurde in ne Vereinigung zur Absicherung politi- tionellen Stellvertretermodell wird damit
wenigen Nuancen nach den jeweiligen scher Macht ist, vor allem aber weil sie ein basisnahes Selbstvertretungsmodell
Wahlniederlagen angepasst. Das »Diktat damit konkret die Teilhabe an Gestal- entgegengesetzt. Bei den Gewerkschaf-
des Handelns« wurde mit Regierungs- tungsmöglichkeiten im eigenen Umfeld ten ist es ein konkretes Ziel – in der Regel
treue übersetzt und beantwortet. Die (Arbeitsplatz oder Kommune, aber auch ein Tarifvertrag oder die Einleitung von
Entscheidungskaskade: Erst Staat und Wohlfahrtsverbände, Umweltorganisa- Betriebsratswahlen. In die Parteiarbeit
Regierung, dann Fraktion, dann Partei tionen und Sportvereinen) verbinden. übersetzt, werden es lokale und regionale
und Mitgliedschaft, wurde immer effek-
tiver weiterentwickelt und hat sicherlich
Veränderte Anforderungen
Projekte sein müssen, die der sozialen
und/oder ökologischen Verbesserung der
»
Die SPD muss das
auch seinen Teil zum Glaubwürdigkeits- Wir müssen akzeptieren, dass die Mit- Lage dienen. Bei ver.di und bei der IG Leitbild der
und Vermittlungsproblem beigetragen. gliederinteressen zwischen Vollzeit- und Metall wird seit einigen Jahren mit der beteiligungsorien-
Teilzeit-Engagement schwanken, die Organizing Methode gearbeitet. Vor allem tierten Parteiar-
Welche Fehler sind gemacht
Anforderungen der Menschen an die in den Branchen und Regionen, in den die beit in den Mittel-
worden?
SPD haben sich gewandelt. Deshalb Gewerkschaften traditionell wenige Mit- punkt stellen.
1. Die inhaltliche Dimension: Begin- gewinnt die Dienstleistungsfunktion glieder und damit wenig Einfluss hatten. Potenzielle Mit-
nend mit der Entscheidung für den des Parteiapparates weiter an Bedeu- Die Durchsetzung des Mindestlohns und glieder werden als
Kosovo-Einsatz gab es Glaubwürdig- tung. Neumitglieder müssen sofort die Steigerung der Mitgliederzahlen gera- mobilisierungs-
keitsverluste. Die Agenda 2010 und betreut werden, die Mitglieder brauchen de in diesen Branchen (Sicherheitsgewer- fähige Aktivisten
deren Umsetzung ab 2003 sind von verlässliche Informationen und die Teil- be, Reinigungskräfte, Ingenieure) belegen organisiert, die
großen Teilen der klassischen SPD- habe an Entscheidungen muss vorberei- den Erfolg dieser Methode. Wenn die SPD dann zukünftig
Wählerschaft nicht akzeptiert wor- tet und sichergestellt werden. Dabei hieraus lernt und den eingeschlagenen selber den Kern
den und die »Rente mit 67« ist in wei- muss nicht jede Dienstleistung gleich- Weg konsequent weiter beschreitet, wird der lokalen Partei-
ten Bereichen der Arbeitnehmer-
schaft auf Ablehnung gestoßen.
zeitig und an allen Orten vorgehalten
werden. Ein modernes und schlagkräfti-
auch sie wieder viele Tore schießen und
erfolgreich sein. ■
arbeit bilden. «
Michael Rüter
IV NIEDERSACHSEN 02/2010 vorwärts

STRAHLENDE ALTLASTEN
Die Ko-Finanzierung der Stillegung atomarer Anlagen aus Mitteln des Forschungsministeriums
muss beendet werden.
Von Petra Emmerich-Kopatsch

Wer beim Thema Forschungsförderung Würden die notwendigen Kosten für die Verglichen mit den Kosten für den Abbau
an Investitionen in die Zukunft denkt, Behandlung und Beseitigung von ato- des Versuchsreaktors AVR in Jülich sind
sollte sich den Haushalt des Bundesfor- maren Altlasten tatsächlich nach dem die Uentroper Millionen beinahe »Pea-
Petra Emmerich-Kopatsch, schungsministeriums einmal genau Verursacherprinzip aufgelistet, dann nuts«. Seit der Jülicher Reaktor nach
MdL, umweltpolitische anschauen. Dort ist mit vielen Milliar- wäre die Diskussion über längere Lauf- »desolatem Projektverlauf«, so das Bun-
Sprecherin der SPD-Fraktion den Euro die strahlende deutsche Ver- zeiten von alten Atommeilern zügig desforschungsministerium, 1988 abge-
im Niedersächsischen gangenheit verbuddelt. Über vier Milli- beendet. schaltet werden musste, sind die Kosten
Landtag arden Euro sind für aktuelle Forschungs- Prägnantestes Beispiel für die ver- für die Zwischen- und eventuelle Endla-
und Entwicklungsprojekte eingestellt, fehlte Verwendung von Forschungsmit- gerung des atomaren Materials der
die vor allem ein Ziel haben: die Behand- teln ist aus wissenschaftspoltischer Sicht Atomruine mit gut zwei Milliarden Euro
lung und Beseitigung von Altlasten der der Hochtemperaturreaktor THTR 300 in veranschlagt worden. Der Forschungs-
etat wird allein für den vollständigen
Abbau der Anlage mit 443,7 Millionen
Euro belastet.

»
Legende vom
Noch höher sind die Kosten für die
Abwicklung der Wiederaufbereitungs-
anlage (WAK) in Karlsruhe. Stilllegung
›billigen‹ Atom- und Rückbau kosten das Forschungsmi-
strom hat schon nisterium und damit die steuerzahlende
jetzt 12 Milliarden Bevölkerung 2,631 Milliarden Euro. Die
Euro Steuern
verschlungen.
Petra Emmerich-Kopatsch
« Stromkonzerne, denen die WAK zur Bear-
beitung ausgedienter Brennelemente
aus ihren hochprofitablen Atomkraft-
werken diente, zahlen lediglich 1,4 Milli-
arden Euro. So werden Verluste vergesell-
schaftet, um den Mythos vom »billigen
Atomstrom« aufrecht zu erhalten.
Wer bei diesen Summen ins Frösteln
gerät, sollte sich richtig warm anziehen,
denn was an Kosten für die Rückführung
der atomaren Abfälle aus der ASSE auf-
gewendet werden muss, wird das Vorge-
nannte um ein Vielfaches übertreffen.
Im mittlerweile maroden »Versuchsend-
Forschung ohne Fortschritt: lager« hat die Atomwirtschaft ihren Müll
Die Altlasten der Atomindu- jahrelang für ein Trinkgeld entsorgt. In
strie werden den Steuerzah- Zeiten billiger Energie fiel das nicht
ler weitere Milliarden kosten. besonders auf. Heute jedoch ist klar, dass
Foto: Shutterstock.com der billige Atomstrom krimineller Lage-
rung bedurfte. Wer bis in die 50er Jahre
Atomindustrie. Angesichts der Proble- Hamm-Uentrup. Den hielt die Energie- des vergangenen Jahrhunderts zurück-
me m it de m e i n s t m a l ige n »Ve r- wirtschaft, nachdem er 1983 in Betrieb geht und das Einmaleins anwendet,
suchsendlager« Asse müssen da alle gegangen war, für das atomare Zu- kommt auf direkte und indirekte Zuwen-
Alarmglocken klingeln, denn einmal kunftsprojekt. Die Zukunft dauerte vier dungen an die Atomindustrie von 160
mehr soll der Lastenausgleich für die Jahre, dann wurde der THTR 300 nach Milliarden Euro.
Pannen der Atomindustrie zu Lasten der nur 423 Tagen mit voller Leistung ange- Das würde reichen, um 34 Jahre lang
steuerehrlichen Mehrheit der Bevölke- sichts schwerer Störfälle vom Netz alle Kitas und Schulen in Niedersachsen
rung abgewickelt werden. genommen. Die Hinterlassenschaft die- zu finanzieren. Diese Summen lassen
Das ist nicht neu, denn seit gut 20 ses Zukunftsprojekts: 5997 Kubikmeter sich sicherlich nicht wieder einfordern,
Jahren werden Stilllegungsmaßnah- Atommüll, jede Menge verseuchte aber eines zumindest ist ohne Probleme
men, geadelt mit dem Siegel wissen- Gebäude und bis heute ein Abwicklungs- ad hoc machbar: Die Streichung aller
schaftlicher Forschung, aus Steuermit- kostenaufwand von rund einer Milliarde Zuwendungen aus dem Bundesfor-
teln subventioniert. Nach vorsichtigen Euro. Wieviele Millionen Euro davon tat- schungshaushalt für die Behandlung
Impressum
Herausgeber: SPD Niedersachsen Schätzungen dürften auf diesem Wege sächlich auf die öffentliche Hand umge- und Beseitigung von Altlasten der Atom-
Verantwortlich: Michael Rüter mittlerweile gut 12 Milliarden Euro aus legt worden sind, lässt sich nur schätzen. industrie. Die dort eingesparten Mittel
Redaktion: Lothar Pollähne,
Sebastian Schumacher Steuermitteln aufgewendet worden Bekannt ist lediglich, dass das Bundes- ließen sich wirklich zukunftsweisend
Anschrift: Odeonstraße 15/16 sein, um die Legende vom »billigen forschungsministerium unter der Lei- einsetzen für die Förderung des wissen-
30159 Hannover
E-Mail: lopo.vorwaerts@gmx.de Atomstrom« fortzuschreiben. Diese Art tung von Annette Schavan 94,5 Millio- schaftlichen Nachwuchses in Deutsch-
Layout & Satz: Anette Gilke von Geldgeschenken verdient ein ande- nen Euro zur »geordneten Restabwick- land, der seine Neugier nachhaltig unter
mail@AnetteGilke.de
res Prädikat: »Wettbewerbsverzerrung«. lung« bereitgestellt hat. Beweis stellen möchte. ■
02/2010 vorwärts NIEDERSACHSEN V

ABWÄGUNGEN ZU AFGHANISTAN
Selten hat eine Einmischung für so viel
Aufregung gesorgt, wie die Neujahrs-
predigt der Ratsvorsitzenden der Evan-
gelischen Kirche Deutschlands, der
Hannoverschen Landesbischöfin Mar-
got Käßmann, gehalten in der Frauen-
kirche in Dresden. Ihr Thema, das hinter
Zitatfetzen fast übersehen wurde, war
eine Reflexion über den Satz »Euer Herz
erschrecke nicht« Afghanistan war
dabei nur eines jener Schrecknisse,
denen sich Margot Käßmann in ihrer
Predigt gewidmet hat. Andere waren
die unbefriedigenden Ergebnisse des
Klimagipfels in Kopenhagen und die
zunehmende Kinderarmut in Deutsch-
land. Viele Kritiker, quer durch alle Par-
teien, sind öffentlich zu Wort gekom-
men und haben versucht, der Bischöfin
die Leviten zu lesen. Die meisten hätten
zunächst einmal den vollen Wortlaut Foto: Lawrenz
der von ihnen inkriminierten Passage
lesen sollen. Der Niedersachsen-vor-
»NICHTS IST GUT IN
wärts dokumentiert Margot Käßmanns Der Wehrbeauftrage des Bundestages, Reinhold Robbe (SPD), hier bei einem Besuch in Afghanistan,
AFGHANISTAN.«
Gedanken zu Afghanistan und hat Ben- hatte sich zunächst drastisch zu Margot Käßmanns Einlassungen geäußert, danach jedoch
no Haunhorst und Lars Klingbeil um einen persönlichen Brief an die Bischöfin geschrieben, auf den es bei Redaktionsschluss noch keine All diese Strategien, sie
Stellungnahmen gebeten. ■ Antwort gab. Foto: Amt WB haben uns lange darüber
hinweggetäuscht, daß Sol-
daten nun einmal Waffen
benutzen und eben auch

WIDERSPRUCH IN DER SACHE


Nur klare Ziele und eine internationale Kraftanstrengung führen in Afghanistan zum Erfolg.
Zivilisten getötet werden.
Wir brauchen Menschen,
die nicht erschrecken vor
der Logik des Krieges, son-
dern ein klares Frie-
VonLars Klingbeil
denszeugnis in der Welt
Klar ist: Wir brauchen diese gesellschaftli- die Verantwortung an die Afghanen zu abgeben, gegen Gewalt
che Debatte zum Thema Afghanistan und übergeben. Diesen Weg müssen wir kon- und Krieg aufbegehren
wir brauchen sie jetzt. Viel zu lange ist die sequent weitergehen. In anderen Teilen und sagen: Die Hoffnung
Diskussion nur unter Experten geführt des Landes hat sich die Situation ver- auf Gottes Zukunft gibt
worden. Eine offene gesellschaftliche schärft. Dort wird es nur mit einer mir schon hier und jetzt
Debatte über den Einsatz fand nicht statt. Mischung aus erhöhter militärischer Prä- den Mut von Alternativen
Eine gesellschaftliche Mehrheit für unser senz und einem massiven Ausbau ziviler zu reden und mich dafür
Engagement gibt es nicht mehr. Dies war Aktivitäten gelingen, dauerhafte Stabili- einzusetzen. Manche fin-
früher anders: Nach den Terroranschlä- tät zu erreichen. Nur durch größere den das naiv. Ein Bundes-
gen vom 11. September 2001 haben wir Anstrengungen beim Aufbau von Armee, wehroffizier schrieb mir,
mit einem großen innenpolitischen Kon- Polizei und Justiz werden die Afghanen etwas zynisch, ich meinte
sens auf die neue Bedrohung durch den Verantwortung übernehmen können. wohl, ich könnte mit weib-
internationalen Terrorismus reagiert und Hier muss unser Schwerpunkt liegen. Alle lichem Charme Taliban
Lars Klingbeil, MdB, Mitglied des Verteidi- beschlossen, den Afghanen bei der Stabi- diese Maßnahmen müssen auf Augenhö- vom Frieden überzeugen.
gungsausschusses des Deutschen Bundestags. lisierung ihres Landes zu helfen. Nach he mit der afghanischen Seite entwickelt Ich bin nicht naiv. Aber
Foto: Marco Urban acht Jahren am Hindukusch ist es jedoch werden. Doch es gilt auch, den Druck auf Waffen schaffen offen-
an der Zeit, eine ehrliche Bilanz des Ein- die afghanische Regierung zu erhöhen: sichtlich auch keinen Frie-
Mit dem Ausspruch in ihrer Neujahrspre- satzes zu ziehen. Dafür kann es ein »Wei- Das Vertrauen der Bevölkerung in die den in Afghanistan. Wir
digt »Nichts ist gut in Afghanistan« hat die ter so« in Afghanistan nicht geben. Weder staatlichen Strukturen kann nur wach- brauchen mehr Phantasie
Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche der sofortige Abzug noch ein unbefriste- sen, wenn Korruption und Missbrauch für den Frieden, für ganz
in Deutschland, Margot Käßmann, provo- tes Engagement in Afghanistan können wirksam bekämpft werden. andere Formen, Konflikte
ziert, eine Lawine des Protests ausgelöst Antworten auf die Aufgabe sein, die wir Wenn wir klare Ziele entwickeln und zu bewältigen. Das kann
und, und das ist für mich entscheidend, für international übernommen haben. Statt- zu einer internationalen Kraftanstren- manchmal mehr bewirken
eine breite Diskussion in der Öffentlichkeit dessen müssen wir in einer breiten öffent- gung kommen, bin ich überzeugt: Wir als alles abgeklärte Ein-
zum Thema Afghanistan gesorgt. Ich bin lichen Diskussion den Einsatz beleuchten. können Afghanistan stabilisieren. Kein stimmen in den vermeint-
Frau Käßmann daher für ihren Impuls Hierzu einige Gedanken: In einigen Teilen deutscher Soldat darf auch nur einen Tag lich so pragmatischen Ruf
dankbar, in der Sache muss ich ihr jedoch des Landes herrschen friedliche Verhält- länger am Hindukusch bleiben, als unbe- zu den Waffen.
widersprechen. nisse. Dort haben wir bereits begonnen dingt notwendig. ■ Margot Käßmann
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ERST DURCHS KREUZFEUER –


DANN ZUM AMTSANTRITT
Anhörungen: Eine Option für Niedersachsen?
Von Bernd Lange, MdEP

Kurz vor Redaktionsschluss dieser Aus-


Bernd Lange, MdEP gabe hat die bulgarische Kommissions-
Foto: Anette Gilke anwärterin für internationale Zusam-
menarbeit Rumjana Schelewa ihre Kan-
didatur zurückgezogen. Für mich ist dies
die logische Konsequenz aus ihrem fach-
lich inkompetenten Auftritt vor dem
Europäischen Parlament (EP). Dazu
»
Die Anhörung
kamen ungenaue Angaben über Ein-
künfte aus Nebentätigkeiten. Seit dem
ist Ausdruck eines 11. Januar müssen sich die designierten
modernen Kommissare der Europäischen Kommis-
demokratischen sion – aus jedem Mitgliedsland der EU
Systems. « Bernd Lange
einer – jeweils 3-stündigen Anhörungen
durch die Fachausschüsse des EP stellen.
Das Mittel der Anhörung ist Ausdruck
e i nes mo de r ne n de mok rat i sc he n Das Europäische Parlament spricht mit bei wichtigen Personalentscheidungen. Foto: shutterstock.com
Systems, welches es den gewählten
Europaabgeordneten ermöglicht, die Bulgarien hat bereits die derzeitige und Beschäftigung in Europa. Damit der
Qualifikation der künftigen Kommissa- Weltbank-Vizepräsidentin Kristalina Beschluss mehr als ein Lippenbekennt-
re für das angestrebte Amt zu prüfen. G e or g ie w a a l s ne u e K a n d i d at i n nis wird, hat der spanische Ministerprä-
An dem Beispiel der Bulgarin zeigt benannt. Die für Ende Januar geplante sident Zapatero angeregt, verbindliche
sich, dass die neue Kommission ohne Abstimmung des EP über die neue Kom- Zielvorgaben einzuführen. Es geht um
eine Zustimmung des EP ihre Arbeit mission wird sich nun auf Anfang Regulierung der Finanzmärkte, Erneue-
nicht aufnehmen kann. Die Anhörun- Februar verschieben. rung der Infrastruktur, Förderung von
gen sind die Stunde des Parlaments. Ein Bereits am 11. Februar treffen sich die Innovationen, eine ökologische Indu-
Modell, mit dem auch die Landesmini- Staats- und Regierungschefs zu einem striepolitik, Qualifizierung und sozialen
ster in Niedersachsen vor der Amtsüber- Sondergipfel in Spanien, welches in der Zusammenhalt.
nahme auf Herz und Nieren geprüft ersten Jahreshälfte 2010 die halbjähr- Dabei muss europäische Politik eng
werden sollten. Künftige Regierungs- lich wechselnde Ratspräsidentschaft mit nationaler und niedersächsischer
vertreter müssen vor den Volksvertre- inne hat. Dort geht es um die Ausrich- Politik abgestimmt werden, damit nach
tern ihre Eignung unter Beweis stellen. tung der EU-Strategie im gerade begon- der Krise nicht vor der Krise ist und die
Wer weiß, ob ein Minister Sander dann nenen Jahrzehnt. Ziel der EU-Strategie Wirtschafts- und Beschäftigungspoli-
überhaupt p ins Amt gekommen
g wäre? 2020 ist die Förderung g von Wachstum tik der EU auf soliden Füßen steht. ■

ANSTIFTUNG ZU HOFFNUNG UND MUT


Den Aufschrei über die Neujahrspredigt In diesem Zusammenhang rief sie dazu schon einmal Käßmanns Grenzen mar-
von Bischöfin Käßmann kann ich nicht auf, zur Entschärfung des bestehenden kieren.
nachvollziehen. Sie diffamierte keine Konflikts in Afghanistan mehr Hoff- Christen haben aus ihrem Glauben
Soldaten und griff auch nicht die Politik nung, Mut und Fantasie zu zeigen, um heraus nicht den besseren politischen
der Bundesregierung an. Ihre Worte ste- nach Wegen jenseits des Krieges zu Sachverstand. Aber aus ihrem Glauben
hen in nichts den Äußerungen des katho- suchen: »Waffen schaffen offensichtlich heraus haben sie drei politische Aufga-
lischen Militärbischofs Walter Mixa auch keinen Frieden in Afghanistan.« ben: Erstens die Erinnerung an das noch
nach, der dennoch weitgehend unange- Politisch hat Käßmann recht, auch wenn nicht Eingelöste, an die Rücksicht auf
tastet blieb. Die Bischöfin sprach über sie keine konkrete Strategie kritisiert die an den Rand Gedrängten sowie an
die Jahreslosung »Euer Herz erschrecke und keine konkrete Alternative entwirft. die Sehnsucht nach einer besseren Welt.
nicht – glaubt an Gott und glaubt an Das ist auch nicht ihre Aufgabe als Zweitens die Anstiftung zu Hoffnung
Benno Haunhorst, Sprecher mich.« Sie benannte die Krisen, die es Bischöfin. Trotzdem wirft man ihr vor, und Mut und damit zu Verantwortung
der Christinnen und Christen auch Christen schwer machen nicht zu sie politisiere und polarisiere. Was steckt und Solidarität. Drittens die Mahnung,
in der SPD erschrecken. Das ist gut so; alles andere dahinter? dass die Würde des Menschen, die Frei-
Foto: privat wäre billige Vertröstung über das wahre Wahrscheinlich wollen ihre Kritiker heit des Gewissens, der Sinn des Lebens
Leben hinweg. Käßmann sprach über verdecken, dass in der Bevölkerung und und die Verpflichtung auf Recht und
ihre persönlichen Rückschläge und bezog bei den Experten der Rückhalt für den Gerechtigkeit der Politik vorgegeben
die mangelnden Erfolge beim Einsatz für Afghanistaneinsatz schwindet. Und und nicht abstimmbar sind. Nichts
Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung einige ihrer alten Gegner wollen anderes hat Bischöfin Käßmann in ihrer
der Schöpfung mit ein. zugleich zu Beginn ihres EKD- Vorsitzes Neujahrspredigt entfaltet! ■
02/2010 vorwärts NIEDERSACHSEN VII

OLAF SUND ZUM GEDENKEN


Am 8.Januar 2010 hat ein erfülltes Leben sein Ende gefunden. Sund 1977 zum Senator für Arbeit und Soziales in die Berliner
Unser früherer Bundestagsabgeordneter Olaf Sund ist nach Jah- Regierung.
ren schwerer Krankheit in Beedenbostel verstorben. In den Achtzigern brauchte man ihn dann in Nordrhein-
Er war ein ganz besonderer Mensch. Sein lebenslanger Westfalen als Präsidenten des Landesarbeitsamts. Auch diese
Einsatz für viele Mitbürger, für ihre soziale Sicherheit und für Position füllte er erfolgreich aus, die Arbeit brachte Herausforde-
Gerechtigkeit wurde schon früh zum Vorbild für eine ganze Gene- rung und Freude.
ration politisch Engagierter im Celler Bereich. Hier lagen Anfang Neue Perspektiven gab es nach der deutschen Vereinigung
und Ende seines Wirkens. In den sechziger Jahren des vorigen Jahr- 1990. Damals rief ihn die junge Brandenburger SPD zu Hilfe. Er trat
hunderts übernahm er zunächst für einige Jahre die Leitung der als Staatssekretär in die Regierung ein. Jahre später wurde Regine
Heimvolkshochschule Hustedt. In dieser Bildungseinrichtung Hildebrand, seine damalige Sozialministerin, im Fernsehen befragt,
werden seit Kriegsende Arbeitnehmer und Gewerkschafter wei- wie sie es - als Querseinsteigerin- denn habe schaffen können, eine
tergebildet. so extrem schwierige Aufgabe erfolgreich zu meistern „Ich habe
1970 wurde er in den niedersächsischen Landtag gewählt. einen Staatssekretär, der kann alles und weiß alles“ war die Antwort
Zwei Jahre später kandidierte er für den deutschen Bundestag von Regine Hildebrandt und sie meinte Olaf Sund.
und gewann als erster Sozialdemokrat den Wahlkreis Celle- Burg- Für uns Celler Sozialdemokraten war Olaf Sund von
dorf direkt. Olaf Sund war nämlich nicht nur ein hochbegabter Anfang an ein besonderer Glücksfall. In einer Reihe mit Lisa Kors-
Pädagoge, sondern auch ein mitreißender, glänzender Redner, der peter, Fritz Riege und Peter Struck bleibt er für seine Celler Freunde
mit seinen lebendigen Gesten, mit einfühlsamer Stimme und mit ein leuchtendes Vorbild. Soziale Gerechtigkeit und die Teilhabe der
klaren, klugen Argumenten überzeugen konnte. Im Bundestag in Beschäftigten am Haben und am Sagen in der Arbeitswelt waren
Olaf Sund Bonn bekam sein Name schon bald einen herausragenden Klang. seine Lebensziele. Quer durch die politische Landschaft haben
* 31. August 1931 in Heide Man übertrug ihm das Amt des stellvertretenden Frakti- gewinnendes und bescheidenes Auftreten und gleichzeitig Kom-
† 8. Januar 2010 in Beedenbostel onsvorsitzenden der SPD- Bundestagsfraktion. Bundeskanzler petenz und Durchsetzungsvermögen ihm bundesweit Achtung
Helmut Schmidt schätzte ihn menschlich hoch und achtete ihn und Respekt verschafft.
als Sozialpolitiker. Noch Jahrzehnte später wurde diese Wertschät- Wer diesen Olaf Sund, seine andauernde Arbeit für die
zung bei verschiedenen Treffen der beiden sehr deutlich. Aber Gesellschaft aber besonders seine menschliche Wärme gekannt
auch Hans-Jochen Vogel kannte seine herausragenden Fähigkei- hat, wird ihm dankbar bleiben und ihn nicht vergessen!
ten. So berief Vogel als Regierender Bürgermeister von Berlin Olaf Rüdiger von Borcke
VIII NIEDERSACHSEN 02/2010 vorwärts

VORWÄRTS
RÄTSEL
NARRHALLA-MARSCH, DIE HERREN
Mit ihrem Eintreten gegen die Umweltzone der Landeshauptstadt torpedieren Umweltminister
Hans-Heinrich Sander und Ministerpräsident Christian Wulff die kommunale Verantwortung
Von Lothar Pollähne
Niedersachsens Umweltminister Hans-
Heinrich Sander (FDP) bleibt auch 2010
Im Lexikon linker Leitfiguren seinem Ruf treu, kein Fettnäpfchen aus-
von 1988 heißt es über ihn pro- zulassen. Per »Ordre de Mufti« hat San-
phetisch: »Viele sehen in ihm der die Stadt Hannover Anfang Januar
den Präsidenten eines von der a ngew iesen, d ie z weite St u fe der
weißen Herrschaft befreiten Umweltzone um zwei Jahre herauszu-
Südafrika«. Da hatte Nelson schieben. Dabei hat sich der Minister
Mandela bereits 26 Jahre hinter offenkundig auf veraltete Gutachten
Gittern unterschiedlicher Ge- gestützt.
fängnisse des Apartheid-Re- Die Umweltzone, als Erfolgsmodell
gimes verbracht. Nelson Rolih- mittlerweile in vielen deutschen Städten
lahla Mandela, am 18. Juli 1918 in in Kraft, setzt die europäische Luftquali-
eine Häuptlingssippe des Volkes tätsrichtlinie auf kommunaler Ebene
der Xhosa geboren, war schon um, obwohl vom Prinzip her das Land
vor seiner Inhaftierung eine cha- zuständig ist. Vor drei Jahren jedoch hat-
rismatische Figur des schwarzen te das Land gekniffen und den Städten
Widerstands gegen Apartheid. und Gemeinden die Verantwortung
1944 gründete er mit Walter übertragen. »So kann man nicht mit den
Sisulu und Oliver Tambo die Kommunen und letztlich auch nicht mit
Jugendliga des bis dahin eher den Autofahrern umgehen«, lautet der
gemäßigten Afrikanischen Nati- Kommentar des Präsidenten des Nieder-
onalkongresses (ANC). Der ANC sächsischen Städtetages, Ulrich Mädge.
und etliche andere Anti-Apart- Der Lüneburger Oberbürgermeister wer-
heid-Organisationen wurden tet das Verhalten des Ministers als »Tor- Spitzensportler Sander: Seine Tollität Hans-Heinrich Sander auf dem Weg zum nächsten
im April 1960 verboten, was pedierung der kommunalen Verantwor- Fettnäpfchen. Karikatur: Ernst Schröder
notgedrungen zu verstärkten tung«.
Untergrund-Aktivitäten führte. Bernd Lange (MdEP) hat den Sander- Begründung seiner Anfrage: »Ich bin Hannover, die Zahl der Feuerwerke und
Die Speerspitze der Bewegung Erlass zum Anlass genommen, eine enttäuscht, dass für den niedersächsi- damit das Ausmaß an Feinstaub zu redu-
hieß tatsächlich »Speer der Nati- Dringliche Anfrage an die Europäische schen Umweltminister der Schutz von zieren. Die diplomatisch formulierte
on« (Umkhonto we Sizwe). Kommission zu stellen. »Es darf nicht Menschen und Umwelt so weit hinten Antwort von OB Stephan Weil: »Der
Deren Absicht war es zunächst, sein, dass ein Landesminister durch sein ansteht.« Ministerpräsident ist leider nicht umfas-
die weißen Herrscher mittels Verhalten die Umsetzung der europä- Wenige Tage nach Inkraftsetzen setz- send informiert«. Wulff ist wohl entgan-
gezielter Sabotageaktionen ischen Luftreinhalte-Richtlinie boykot- te seine Tollität Hans-Heinrich Sander gen, dass es längst nicht mehr vorrangig
ohne Blutvergießen so zu tref- tiert, mit ideologischen Scheuklappen seinen Erlass wieder außer Kraft und um Feinstaub sondern um Stickoxide
fen, dass sie sich Verhandlungen die Umweltpolitik in Hannover angreift bekam dafür Rückendeckung von sei- geht. Sanders Verhalten und Wulffs
mit den Vertretern der schwar- und dabei die Interessen der Menschen nem Chef. Christian Wulff hält Sanders populistische Obertöne lassen jahres-
zen Bevölkerungsmehrheit besonders in höchstbelasteten Straßen Entscheidung für »plausibel und nach- zeitlich bedingt nur einen Kommentar
nicht mehr verschließen konnte. mit den Füßen tritt«, erklärte Lange zur vollziehbar« und empfiehlt der Stadt zu: Narrhalla-Marsch, die Herren. ■
Ein fataler Irrtum. Nelson Man-
dela, der die Führung von
Umkhonto we Sizwe übernom-
men hatte, wurde 1962 verhaf-
tet und zu fünf Jahren Gefäng-
BRAUNSCHWEIGER NEUJAHRSGRÜSSE
nis verurteilt. Im so genannten Mehr als 300 Gäste konnten SPD-
Rivona-Prozess wurde Mandela Bezirkschef Hubertus Heil und die
1964 zu lebenslanger Haft ver- Braunschweiger UB-Vorsitzende Carola
urteilt und auf einer Insel inhaf- Reimann als Gastgeber beim SPD-Neu-
tiert. Am 11. Februar 1990 kam jahrsempfang am 23. Januar begrüßen.
Mandela endlich frei. Wie heißt Unter ihnen die Sozialministerin aus
die Insel, auf der Nelson Mande- Mecklenburg-Vorpommern, Manuela
la 18 Jahre verbrachte? Zu ge- Schwesig, die mit ihrer Neujahrsanspra-
winnen gibt es Mandelas Auto- che zum Thema »Bildung und Familie«
biographie »Der lange Weg zur ganz auf der Linie des Bundesparteita-
Freiheit«. ■ lopo ges lag und darüber nachdachte, was
Die Lösung bitte an den Kinder wirklich brauchen. Es war ein
vorwärts, Odeonstr. 15/16 etwas anderer Neujahrsempfang mit
30159 Hannover vielen ehrenamtlich Tätigen aus Sport-
Steppenwolf heißt die Schwer- vereine, freiwilligen Feuerwehren oder
metall-Combo. Gewonnen hat Kleingärten, Menschen also, die Tag für
Regina Schmidt aus Hannover. Tag Basisarbeit machen. ■ eb.

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