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Liebe ... !

W. schrieb mir, Du habest nach meinem Brief drei Tage geweint.


Ich bin froh, daß Du geweint hast, wenn es ein Weinen über Gott
war und nicht beleidigte Eigenliebe.
Aus ganzer Seele wünsche ich Dir, du mögest Deine Sünden sehen
und sie nicht drei Tage beweinen, sondern das ganze Leben, um
nicht nach dem Tod ewig weinen zu müssen ...
Wenn wir vor den unbestechlichen Richter gestellt werden, der
unser Innerstes kennt, welcher Spruch wird über uns gefällt
werden? Womit können wir uns vor ihm rechtfertigen? Auf eine
einzige Weise: unsere Unwürdigkeit vor Gott und den Menschen
erkennen, solange wir leben, und uns aufrichtig vergegenwärtigen,
daß wir unnütz und untauglich sind und eine unbeglichene Schuld
vor Gott haben und deshalb keinen Anspruch darauf erheben
dürfen, von den Menschen irgend etwas zu fordern. Halten wir uns
dies vor Augen, weinen wir, und bitten wir noch hienieden um
Gnade und Vergebung unserer Schuld. Weinen wir darüber, daß wir
unsere seelischen und körperlichen Kräfte unnütz verschwendet
haben und Gottes Liebe unablässig kränken, und bitten wir, der
Herr möge sich nicht unserer Sünden und Unwahrheiten entsinnen,
sondern uns in sein Haus aufnehmen, wie er den verlorenen Sohn
aufgenommen hat.
Das soll unsere ganze Sorge sein. Täglich vor dem Einschlafen
müssen wir uns erforschen und alle Gebotsübertretungen bereuen,
die wir am selben Tag zugelassen haben. Rufen wir uns auch unser
ganzes früheres Leben in Erinnerung, und bereuen wir alles so
lange, bis wir deutlich spüren, daß Gott uns unsere Sünden
verziehen hat. Bitten wir dabei den Herrn aus vollem Herzen, er
möge uns helfen, fortan nicht mehr zu sündigen noch seinen
heiligen, in den Geboten niedergelegten Willen zu beleidigen. Hüten
wir uns auf jede erdenkliche Weise, unseren Nächsten zu
beleidigen, denn es ist leichter, sich mit Gott zu versöhnen als mit
den Mitmenschen ...
Sei demütig vor allen, sei nach Kräften allen dienstbar, mache
niemandem Vorwürfe, richte nicht, urteile nicht. Versöhne Dich mit
allen, vergib allen, sonst wirst auch Du von Gott keine Vergebung
erhalten. Diese Bedingung hat er selbst gestellt: Wo ihr den
Menschen ihre Sünden nicht vergebt, so wird euch euer Vater im
Himmel eure Sünden auch nicht vergeben" (Mt 6, 15).
Bring in diesen Tagen der Großen Fasten Dein Leben in Ordnung,
versöhne Dich mit Gott und den Menschen. Sei reumütig und
beweine Deine Unwürdigkeit und Deinen Untergang, und Du wirst
Vergebung erhalten und auf Erlösung hoffen können. "Ein
geängstigtes und zerschlagenes Herz wirst du, 0 Gott, nicht
verachten." Ohne diese Haltung helfen Dir die größten Opfer und
Almosen nichts. "Du hast nicht Lust zum Opfer, ich wollte dir's
sonst wohl gebenj Brandopfer gefallen dir nicht. Die Opfer, die
Gott gefallen, sind ein geängsteter Geist" (Ps 5 I). Bitte Gott, den
Herrn, innig um die größte und notwendigste aller Gaben: die
eigenen Sünden zu sehen und darüber zu weinen. Wer diese Gabe
besitzt, hat alles. Der Herr erleuchte Deinen Verstand und segne
Dich!
Gruß und Gottes Segen an alle.

http://www.scribd.com/doc/27159986/Briefe-Eines-Russischen-Starzen-an-
Seine-Geistlichen-Kinder

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