Sie sind auf Seite 1von 12

ZHW / CB / AnC3 NMR-Spektroskopie

2.3 Spin-Spin-Kopplung

2.3.1 Kopplung magnetischer Kernmomente


Experimenteller Befund: In vielen Fällen beobachtet man im NMR-Spektrum einer Substanz mehr
Signale als der Anzahl chemisch nicht äquivalenter Gruppen von Atomen entspricht: Das zu einer
bestimmten chemischen Verschiebung gehörende Signal ist in mehrere Einzelbanden aufgespalten,
die symmetrisch um das erwartete δ angeordnet sind.
1
H-NMR
O

CH2 C O
b d
H3C CH2 CH e CH3
g
a c

CH3 f

4 3 2 1 0
PPM

13
C-NMR
O

CH2 C O
b d
H3C CH2 CH e CH3
g
a c

CH3 f

220 200 180 160 140 120 100 80 60 40 20 0


PPM

G
Modell: Ein Kern mit einem magnetischen Moment µ ≠ 0 erzeugt in seiner näheren Umgebung ein
schwaches Magnetfeld BI (Analogie: Kompassnadel ist auch ein Stabmagnet). Dieses Zusatzfeld wird
von andern magnetischen Kernen in der Nähe verspürt (sog. Dipol-Dipol-Kopplung): je nach Orien-
tierung verstärkt es deren Beff oder schwächt es ab.

D:\Daten gae\ZHW\AnC3\Skript AnC3\SkriptNMR2.doc Seite 15 von 26 20.09.2005/Gae


ZHW / CB / AnC3 NMR-Spektroskopie

Beff Beff+BI Beff-BI


1H 1H BI
BI

Energie

0 hν 0 hν hν

B0

13C 1H 13C

13
C-Atom im Magnetfeld Beff
Wird das Lokale Feld beim beobachteten Kern
13
(in der obigen Grafik ist dies C) verstärkt, so
wird dessen Larmorfrequenz etwas höher, und
damit das Resonanzfeld beim Field Sweep etwas
erniedrigt. Ist das Kernmoment des Protons 13 1 13
J( C- H) C-Atom koppelt mit 1H;
umgekehrt orientiert, resultiert eine gleich Magnetfeld Beff +/- BI
grosse Abschwächung von Beff, bzw. Erniedri-
gung der Larmorfrequenz, und die Resonanz
verschiebt sich zu höherem Feld. νL
Der Unterschied zwischen den beiden Larmorfrequenzen ist ein Mass für die Kopplung zwischen den
-1
beiden Kernen und wird als Kopplungskonstante J mit der Masseinheit s (Hertz) bezeichnet.
Eigenschaften der Kopplungskonstanten J
• J ist unabhängig von B0 und damit vom Spektrometertyp, solange es in Hertz gemessen wird und
nicht in ppm.
• J und damit die Aufspaltung der Peaks ist in den Spektren beider Kopplungspartner gleich gross
• Je stärker die Molekülorbitale der beiden Kopplungspartner überlappen, desto grösser wird J.

1 1 13 1
Grössenordnungen: J( H- H) bis 20Hz, J( C- H) bis 250Hz

Ein Signal spaltet in gleich viele Linien auf, wie der koppelnde Kern Orientierungsmöglichkei-
ten des magnetischen Momentes aufweist.
Beispiel: 13C-NMR-Spektrum von Deuterochloroform CDCl3
Das Signal des Kohlenstoffatoms wird durch δ(13C)
die Kopplung mit dem benachbarten Deuteri- B0
umatom aufgespalten: Deuterium hat I = 1, es
weist darum 3 Kernniveaux auf mit mI = +1, 0 µ+1 νL
und -1, welche den Winkeln θ seines Momen-
tes mit dem magnetischen Feld von 45°, 90°
und 135° entsprechen (G14). In der ersten
Orientierung wird das Feld am 13C-Kern ver- µ0
stärkt und deshalb dessen Larmorfrequenz er-
höht, die zweite hat keinen Einfluss (magnet. 13 2
J( C- D)
13 2
J( C- D)
Moment und B0 stehen senkrecht aufeinan-
der!), und die letzte Orientierung schwächt
Beff ab.
µ-1 mI=+1 mI= 0 mI= -1

D:\Daten gae\ZHW\AnC3\Skript AnC3\SkriptNMR2.doc Seite 16 von 26 20.09.2005/Gae


ZHW / CB / AnC3 NMR-Spektroskopie

Die Intensität aller Linien, die durch Kopplung mit einem Partner entstehen, ist bei Raumtem-
peratur gleich.
Begründung: Bei Raumtemperatur sind alle Energieniveaux, die zu den verschiedenen Orientierungs-
möglichkeiten eines magnetischen Momentes gehören, praktisch gleich stark populiert (Einfluss der
Boltzmann-Statistik; vgl. Kap. 1.1.2). Damit ist in einer makroskopischen Probe die Wahrscheinlich-
keit für alle drei Orientierungen gleich gross. Erst bei sehr tiefen Temperaturen werden die Beset-
zungszahlen unterschiedlich, die Intensitäten der Kopplungslinien verschieben sich (in welcher Wei-
se?).

Die Intensitäten der Linien ist direkt proportional zur relativen Häufigkeit der koppelnden
Nuklide.
13
In einer natürlichen Substanz enthalten nur 1% der Kohlenstoffatome magnetische C-Kerne. Des-
1 13
halb sind im H-NMR die durch Kopplung mit C-Nachbarn entstehenden Linien nicht sichtbar, weil
sie 100x kleiner sind als die "normalen" Signale.
13 1 1
Umgekehrt sind im C-NMR die Kopplungen zu H gut sichtbar, da praktisch alle H-Nachbarn H-
Kerne sind.

Koppelt ein Kern mit mehreren Partnern, so multiplizieren sich deren Einflüsse.

Beispiel: 1H-NMR-Spektrum von Monochlorethen H2C=CHCl


Jedes der 3 Protonen in diesem Molekül (Ha am gleichen C wie Cl, Hb in cis-Stellung zum Cl, sowie Hc
trans zum Cl) hat eine andere chemische Umgebung und weist deshalb eine andere chemische Verschie-
bung auf. Weiter gibt es 3 unterschiedliche "Kopplungswege", über welche die NMR-Resonanzen ver-
knüpft sind: Jgem, Jcis und Jtrans.
Jedes Proton koppelt mit 2 andern, deshalb ist jede der 3 chem. Verschiebungen in 2x2 Linien auf-
gespalten; Das Protonenspektrum von Vinylchlorid zeigt total maximal 12 Linien. Jede der Linien ent-
steht durch Kopplung zu nur einem Kern, deshalb sind sie alle gleich intensiv

Hc Ha
δa δb δc

Jcis
Jgem
Jtrans Hb
Jgem C C

Jtrans Jcis Jgem


Hc

Cl Jcis
Hb Jtrans
Ha
δa = 6.272 ppm
δb = 5.456 ppm
dxd dxd dxd
δc = 5.296 ppm

Jgem = 2 Hz
Jcis = 11 Hz
Jtrans = 14 Hz
6.0 5.5

Sind mehrere Kopplungskonstanten eines Kerns mit seinen Nachbarn gleich gross, fallen die
Linien teilweise zusammen, und ihre Intensitäten werden unterschiedlich.
Koppelt ein Kern mit n Nachbarn mit gleicher Kopplungskonstante, so spaltet sein Signal in n+1
Linien auf, deren Intensitäten sich wie die Binomialkoeffizienten verhalten (Pascal'sches Dreieck,
vgl. Hesse, Kap. 1.3).

D:\Daten gae\ZHW\AnC3\Skript AnC3\SkriptNMR2.doc Seite 17 von 26 20.09.2005/Gae


ZHW / CB / AnC3 NMR-Spektroskopie

Beispiel: 1H-Kopplungen im Protonen-NMR von 1,1-Dichlorethan


In 1,1-Dichlorethan gibt es 2 chemisch nicht äquivalente Typen von H-Atomen: HA geminal zu den
Chloratomen und die drei Methylprotonen (HB1, HB2, HB3).
HA: Ist wegen der nahen Chloratome sehr stark entschirmt, und sein Signal wird durch die drei äquiva-
lenten vicinalen HB in 4 äquidistante Linien mit dem Intensitätsverhältnis 1:3:3:1 aufgespalten. Die
Kopplungskonstante ist zu allen 3 Nachbarn dieselbe, weshalb statt der theoretisch möglichen 2x2x2
= 8 Linien nur ein Quartett erscheint.
HB: Die 3 chemisch äquivalenten Methylprotonen sind isochron. Ihr gemeinsames Signal wird durch den
einen Kopplungspartner in 2 gleich intensive Signale aufgespalten. Der Abstand der beiden Linien
ist gleich gross wie jener im Quartett von HA, da die Kopplungskonstante die gleiche ist (JAB = JBA !).

δA δB
HB1 HA

JAB HA JAB

JAB C C
JAB
HB1
JAB
Cl
HB3 HB2
HB2 Cl
HB3

δA = 5.90 ppm
δB = 2.06 ppm

JAB1 = JAB2 = JAB3 = 6 Hz


d
dxdxd=q

6.0 5.8 2.2 2.0

Die Kopplung zwischen isochronen Kernen ist nicht sichtbar.


Jedes der Methylprotonen im vorangehenden Beispiel koppelt natürlich auch mit seinen 2 geminalen
Nachbarn (J(Hgeminal) = >20Hz!)und müsste allein schon dadurch in ein 1:2:1 Triplett aufspalten, dem
dann noch das Dublett der A-B-Kopplung überlagert würde. Da die Methylprotonen aber alle die glei-
che chemische Verschiebung haben, wird ihre geminale Kopplung nicht sichtbar.
Diese Regel gilt auch für zufällig isochrone Kerne, d.h. sie müssen nicht zwingend chemisch äquiva-
lent sein, damit Spin-Spin-Aufspaltungen verschwinden.

Beispiel: Kopplung zufällig isochroner Kerne in 3-Cyanomethylpropionat


Die beiden Methylengruppen in 3-Cyanomethylpropionat sind chemisch nicht äquivalent (eine hat als
Nachbarn die Cyanogruppe, die andere einen Ester). Das 1H-NMR sollte total also 3 nicht isochrone Signale
zeigen (inkl. die Methoxygruppe), die teilweise durch Spin-Spin-Kopplung aufgespalten sind (in welcher
Weise?). Im 90-MHz-NMR werden total aber nur 2 Singuletts beobachtet, weil die Methylengruppen zufällig
isochron sind und deshalb die Kopplung zwischen ihnen nicht sichtbar wird.

ν = 90 MHz

N C CH2 CH2 C
O CH3

ppm

D:\Daten gae\ZHW\AnC3\Skript AnC3\SkriptNMR2.doc Seite 18 von 26 20.09.2005/Gae


ZHW / CB / AnC3 NMR-Spektroskopie

Beispiel: Nicht äquivalente Methylenprotonen in Phenyloxiran


In der zyklischen Verbindung Phenyloxiran sind die beiden Protonen HA und HB der CH2-Gruppe nicht wie
gewohnt chemisch äquivalent, da im Ring keine Drehung um C-C-Einfachbindungen möglich ist, und weil
die Phenylgruppe die Spiegelebene zwischen den beiden Methylen-H zerstört (Experimentelles Spektrum
vgl. Hesse, Abb. 3.12).

δM δB δA
HA HM
O
HB
C C

HA

HB
Ph

HM
en
yl

δA = 2.7 ppm
δB = 3.1 ppm
δM = 3.8 ppm
JAB = 5.7 Hz
JAM = 2.4 Hz
JBM = 4.1 Hz
ν = 30 MHz
4.0 3.5 3.0 2.5

2.3.2 Nomenklatur von Spinsystemen


• Homonukleare Kopplung: Spin-Spin-Kopplung zwischen Kernen der gleichen Sorte.
Beispiel: 1H-1H-Kopplungen. 13C-13C-Kopplungen werden in natürlichen Substanzen nicht sichtbar (wieso?)

• Heteronukleare Kopplung: Spin-Spin-Kopplung zwischen Kernen mit unterschiedlichen magne-


tischen Nukliden.
1
Beispiele: H-13C-Kopplungen im 13C-NMR. Im 1H-NMR sind sie normalerweise nicht sichtbar (wieso?)
2
D-13C-Kopplungen im 13C-NMR (vgl. CDCl3-Spektrum weiter oben), 2D-1H-Kopplungen im 1H-NMR (Bsp.
D3C-CS-CH3, Diskussion im Unterricht)


1
Direkte Kopplung J: Spin-Spin-Kopplung über eine Bindung.
1
H- C, bzw. 2D-13C-Kopplungen im 13C-NMR.
13
Beispiele:


2
Geminale Kopplung J: Spin-Spin-Kopplung über zwei Bindungen ("Gemini" = Zwillinge). Viel-
fach nicht sichtbar, da die Kopplungspartner chemisch äquivalent sind
1
Beispiele: H-C-1H in Methyl- oder Methylengruppen


3
Vicinale Kopplung J: Spin-Spin-Kopplung über drei Bindungen ("vicinalis" = nachbarlich).
1
H-C-C- H, 1H-C=C-1H,. 1H-C-O-1H, etc.
1
Beispiele:


n
Long Range Kopplung J: Spin-Spin-Kopplung über mehr als drei Bindungen. Haben meist sehr
kleine Kopplungskonstanten, die nur mit hochauflösenden Geräten sichtbar gemacht werden
können.
Beispiele: Kopplungen zwischen meta- und para-Protonen in aromatischen Systemen

• Chemisch äquivalente Kerne: Haben die gleiche chemische Umgebung und sind deshalb immer
isochron. Kerne, die durch eine Symmetrieoperation des Moleküls in einander übergeführt wer-
den, sind chemisch äquivalent.
Bezeichnung: Gleicher Buchstabe für isochrone Kerne. Bei chemisch nicht äquvalenten Gruppen:
je ähnlicher die chem. Verschiebungen sind, desto näher sollten die Buchstaben im Alphabet
stehen.
Beispiele: Aromatische Protonen in Toluol: AB2C2, Methylprotonen in Toluol: M3, Protonen in Difluormethan: A2X2,
Protonen in 1-Chlorethan: A3M2

D:\Daten gae\ZHW\AnC3\Skript AnC3\SkriptNMR2.doc Seite 19 von 26 20.09.2005/Gae


ZHW / CB / AnC3 NMR-Spektroskopie

• Magnetisch äquivalente Kerne: Zwei chemisch äquivalente Kerne, die mit zu ihnen nicht iso-
chronen Kopplungspartner die gleiche Kopplungskonstante haben, sind auch magnetisch äqui
valent.
Bezeichnung: Gleicher Buchstabe, da isochron. Bei mehreren magnetisch äquivalenten Kernen
wird die Anzahl in einer Gruppe als Index angegeben: A2, X5
Beispiel: Die Protonen H1 und H2 in Difluormethan koppeln mit den beiden 19F-
Kernen jeweils mit der gleichen Konstanten (Spinsystem A2X2): H1

J(H1-F1) = J (H2-F1) = J(H1-F2) = J (H2-F2) ⇔ H1 und H2 sind magnetisch äquivalent J(H1-F1)

(Für eine bessere Uebersicht sind nur die Kopplungswege zu einem der Fluoratome ein- C
gezeichnet) F1
H2 J(H2-F1)
F2

Uebung 2c Spinsysteme in Difluorrmethan


19 13
Zeichnen Sie das Protonen- und F-NMR (Beides A2X2-Systeme) und das C-Spektrum (AM2X2)
von Difluormethan!

• Magnetisch nicht äquivalente Kerne: Zwei chemisch äquivalente Kerne, die zu einem gemein-
samen Kopplungspartner unterschiedliche Kopplungskonstanten haben, sind magnetisch nicht
äquivalent.
Bezeichnung: Gleicher Buchstabe, da isochron, aber zur Unterscheidung der magnetisch nicht
äquivalenten Kerne werden Apostrophe verwendet.
Beispiel: Die Protonen H1 und H2 in 1,1-Difluorethen koppeln mit einem der beiden H1 F1
19
F unterschiedlich, nämlich mit einem trans- und einem cis-Kopplungsweg (Spinsystem J(H1-F1)
AA'XX'.
C C
J(H1-F1) ≠ J (H2-F1) ⇔ H1 und H2 sind magnetisch nicht äquivalent J(H2-F1)

H2 F2

Uebung 2d Spinsysteme in 1,1-Difluorethen


19
Zeichnen Sie das theoretische Protonen- und F-NMR in 1. Ordnung (Beides AA'XX'-Systeme)
13
und das C-Spektrum (ABM2X2) von 1,1-Difluorethen !
Achtung: Die experimentellen Spektren sind wegen Einflüssen höherer Ordnung viel komplexer
(vgl. Modul AnC5) !

2.3.3 Effekte höherer Ordnung


Die bisherige Diskussion von Spin-Spin-Kopplungseffekten in NMR-Spektren beschränkte sich auf
sog. Spektren erster Ordnung (Relative Intensitäten gemäss der Binomialverteilung, Abstände zwi-
schen Hyperfeinlinien innerhalb eines Multipletts gleich und Anordnung symmetrisch um chemische
Verschiebung). Sobald aber der Unterschied in der Larmorfrequenz (∆νL zwischen zwei chemisch
nicht äquivalenten Kernen A und B in der gleichen Grössenordnung liegt wie ihre Kopplungskon-
stante JAB, treten Abweichungen höherer Ordnung auf:
νL (A) − νL (B)
Bedingung für Effekte höherer Ordnung: < 10 (G22)
JAB
Achtung: In dieser Gleichung ist nur der Zähler abhängig von der Grundfrequenz des Spektrometers.
Dies hat zur Folge, dass der Einfluss von Effekten höherer Ordnung abhängig ist von der Grundfre-
quenz:
Je grösser die Grundfrequenz des Spektrometers, desto .................. Effekte höherer Ordnung!

D:\Daten gae\ZHW\AnC3\Skript AnC3\SkriptNMR2.doc Seite 20 von 26 20.09.2005/Gae


ZHW / CB / AnC3 NMR-Spektroskopie

Dach-Effekt: Dieser Effekt 2. Ordnung ist für die Analyse komplexer Spektren sehr nützlich, da er es
erlaubt, den zu einem bestimmten Multiplett gehörenden Kopplungspartner zu eruieren.
Phänomen: Kommen sich die Larmorfrequenzen verkoppelter Gruppen näher, so werden die Intensi-
täten ihrer Multipletts asymmetrisch: Einander zugewandte Einzellinien werden intensiver, die aus-
sen liegenden schwächer (vgl. auch Abb. 3.10 im Hesse).

νL(A) νL(X)
∆νL
≥ 10 AX
J J J

νL(A) νL(B)
∆νL
=2
J
J J

AB
νL(A) νL(B)
∆νL
= 0.5
J
J J

νL(A)
∆νL
=0 A2
J

Wieso der Name Dach-Effekt?


Werden die Maxima von ursprünglich gleich hohen Linien in einem Multiplett mit einander verbun-
den, so entsteht ein "Schrägdach", dessen "First" in Richtung des Kopplungspartners deutet. Dieser
Effekt kann also genutzt werden, um in unübersichtlichen Spektren mit einander koppelnde Kerne zu
finden. Eine weitere Methode zur Analyse von Kopplungsbeziehungen ist die 2D-Technik COSY (vgl.
Modul AnC5).

Uebung 2e Dacheffekt und qualitative Analyse


1
Von einer unbekannten Substanz mit der Summenformel C5H10O3 wurde das H-NMR einmal mit
einem 200MHz-Gerät aufgenommen und einmal mit einem 60 MHz-Gerät. Ermitteln Sie, u.a.
mit Hilfe des Dacheffektes, die Struktur der Substanz!
Wieso ist der Dacheffekt nur im 60MHz-Gerät sichtbar?

200 MHz C
C55H
H10 O
10O33

ppm 4.0 3.0 2.0 1.0

60 MHz

ppm 4.0 3.0 2.0 1.0

D:\Daten gae\ZHW\AnC3\Skript AnC3\SkriptNMR2.doc Seite 21 von 26 20.09.2005/Gae


ZHW / CB / AnC3 NMR-Spektroskopie

2.3.4 Spin-Spin-Kopplung in 13C-NMR-Spektren


13
Bei der Routine- C-NMR-Spektroskopie organischer Substanzen müssen die folgenden Punkte beach-
tet werden:

13 13
C- C-Kopplungen sind nicht sichtbar.
Die Wahrscheinlichkeit das zwei magnetische Kohlenstoffkerne benachbart sind, ist klein (99%
12
des natürlichen Kohlenstoffes besteht aus dem nichtmagnetischen C-Isotop).

1 13
Nur direkte H- C-Kopplungen sind sichtbar.
Die Konstanten für direkte H-C-Kopplungen sind viel grösser als jene der im Protonen-NMR sich-
1 1
baren H- H-Kopplungen, sie liegen im Bereich von 100 bis 200 Hz (vgl. Hesse, Tab. 3.27). Dem
gegenüber sind Kopplungen über mehr als eine Bindung meist zu klein, um mit den üblichen
NMR-Spektrometern aufgelöst zu werden.
13
Kopplungsmuster in C-NMR-Spektren:
Methylgruppen CH3 Quartett, Intensitäten 1:3:3:1
Methylengruppen CH2 Triplett, 1:2:1
Methingruppen CH Dublett, 1:1
Quarternäre C Singulett


2 13
In deuterierten Lösemitteln werden direkte Kopplungen zwischen D (I=1) und C sichtbar.
Dies führt z.B. dazu, dass in Deuterochloroform gelöste Proben immer ein Triplett mit Signalen
gleicher Intensität aufweisen (vgl. Abschnitt 2.3.1).
13
Die oben angesprochenen grossen direkten H-C-Kopplungen haben zur Folge, dass "normale" C-
Spektren sehr unübersichtlich sind, weil sich die verschiedenen Multipletts vielfach überschneiden.
Diesem Problem wird in der qualitativen Analytik organischer Substanzen mit speziellen Messtechni-
ken begegnet:


1
H-Breitband-Entkopplung
13
Durch diese Technik (Details vgl. Hesse, bzw. Modul AnC5) verschwinden im C-NMR alle durch
Protonen verursachten Aufspaltungen, das Spektrum besteht nur noch aus Singuletts. Dieser
Spektrentyp ist zwar sehr übersichtlich, erlaubt aber keine Rückschlüsse über die Anzahl dxer an
ein C gebundenen H-Atome.
• Off-Resonance-Entkopplung
Damit werden die Kopplungen zu H-Atomen nicht wie bei der Breitband-Entkopplung vollstän-
13 1
dig zum Verschwinden gebracht, sondern die direkten Kopplungen C- H bleiben - wenn auch
mit kleineren Abständen der Linien - sichtbar. Die Multipletts überschneiden nur noch bei fast
isochronen Kernen, und die Interpretation nach dem obigen Muster ist meistens leicht möglich.
• DEPT-Spektren
Diese nur mit FT-NMR-Geräten zugängliche Technik erlaubt wie die Off-Resonance-Entkopplung
die Bestimmung der Anzahl direkt an ein bestimmtes C gebundener H-Atome, kann diese Infor-
mation aber auch noch aus überlagerten Multipletts herausholen.
Je nach dem bei der Messung verwendeten sog. "Pulswinkel" verschwinden die breitbandent-
koppelten Banden einer bestimmten C-Sorte oder sie erhalten negative Intensitäten:
DEPT-Pulswinkel sichtbare Signale
90° CH-Gruppen positive Peaks, evtl. CH3, aber nur mit kleiner Intensität
135° CH und CH3 positive Peaks, CH2 negative Peaks

D:\Daten gae\ZHW\AnC3\Skript AnC3\SkriptNMR2.doc Seite 22 von 26 20.09.2005/Gae


ZHW / CB / AnC3 NMR-Spektroskopie

Beispiel: Eine unbekannte Substanz mit einer Molmasse von 128 g/mol zeigt die nachfolgenden 13C-NMR-
Spektren (ν = 50 MHz, in CDCl3). Bestimmen Sie die Struktur der Substanz!

Off-Resonance-entkoppelt
Off-Resonance-entkoppelt

„Normales“
„Normales“ Spektrum
Spektrum

Breitband-entkoppelt
Breitband-entkoppelt

DEPT
DEPT 135°
135°

DEPT
DEPT 90°
90°

160 140 120 100 80 60 40 20


ppm (TMS)

2.4 Spektrenintegration
2.4.1 Qualitative Analyse
Die Gesamtfläche unter den zu einem Set chemisch äquivalenter Protonen gehörenden Peaks
ist proportional zur Anzahl H in diesem Set. Der Proportionalitätsfaktor ist innerhalb der
Signale eines Spektrums konstant.

Ausnahmen:
• Die Regel gilt für 13C-NMR nicht. Grund: Verschieden gebundene C-Atome haben unterschiedliche
Relaxationszeiten, was auch bei gleicher Anzahl äquivalenter C zu unterschiedlichen Peakintensi-
täten führt.
• Die Signalintensität austauschender und Wasserstoffbrücken bildender Protonen (vgl. Kap. 2.2.2)
ist gegenüber jener von "freien" H-Atomen reduziert.
• In Substanzgemischen muss der Proportionalitätsfaktor jeder Komponente noch mit deren relati-
vem Stoffmengenanteil multipliziert werden (vgl. 2.4.2)

D:\Daten gae\ZHW\AnC3\Skript AnC3\SkriptNMR2.doc Seite 23 von 26 20.09.2005/Gae


ZHW / CB / AnC3 NMR-Spektroskopie

In konventionellen CW-Spektrometern wird die Integration in Form von sog. Stufenkurven (vgl. fol-
gendes Beispiel) geliefert, bei FT-Geräten erfolgt die Angabe als Zahlenwerte, welche üblicherweise
bereits auf den kleinsten Peak genormt sind (Imin = 1.0).

Uebung 2f Identifizierung funktioneller Gruppen mit Hilfe der Peakintegration


1 13
Eine unbekannte Substanz CxHyOz zeigt das folgende H-NMR (Integration als Stufenkurve) und C-
NMR (Breitband-entkoppelt). Ermitteln Sie ihre Summenformel und Struktur , ordnen sie die
Peaks zu und interpretieren Sie die Kopplungsmuster!

2.4.2 Quantitative Analyse


Die im vorhergehenden Abschnitt angesprochene Unabhängigkeit der analytischen Empfindlichkeit
des Integrals innerhalb eines Spektrums kann benutzt werden um an Gemischen von gelösten Orga-
nika quantitative Analysen durchzuführen: Gehört die Fläche FA zu nA Protonen (in der Strukturfor-
mel) der Substanz A und die Fläche FB analog zu nB Protonen in Substanz B dann gilt für das Verhält-
nis der beiden Stoffmengenkonzentrationen in einer Messlösung:
c(A) FA ⋅ nB
= (G23)
c(B) FB ⋅ nA
Ist die eine der beiden Konzentrationen bekannt, entspricht dies einer Kalibration mit internem
Standard, d.h. die absoluten Konzentrationen der andern Komponenten können ermittelt werden(vgl.

D:\Daten gae\ZHW\AnC3\Skript AnC3\SkriptNMR2.doc Seite 24 von 26 20.09.2005/Gae


ZHW / CB / AnC3 NMR-Spektroskopie

Skript AnC1, Kap 4.5.2). Der Responsefaktor entspricht jeweils dem Verhältnis der Anzahl integrierter
Protonen nX/nStd..

Uebung 2g Quantitative Analyse von Gemischen


1
Bestimmen Sie anhand der im folgenden H-NMR-Spektrum eingezeichneten Stufenkurve das Ver-
hältnis der Stoffmengen von Methylbenzylether A und Toluol B in einer Lösung von CDCl3 !

CH2 O CH3 CH3

A B

6 5 4 3 2 1 0
ppm

2.5 Einsatz in der Praxis; Ausblick


Die Kernresonanzspektroskopie hat sich in den letzten 30 Jahren zur zentralen Methode für die
Strukturaufklärung in der organischen Chemie und Biochemie entwickelt. Dank der bahnbrechenden
Forschungsarbeiten der ETH-Professoren R.R. Ernst (Ehemaliger des Technikums Winterthur!) zu
theoretischen und messtechnischen Grundlagen (Nobelpreis 1991) und K. Wüthrich (Strukturaufklä-
rung von Bio-Molekülen, Nobelpreis 2002) ist die moderne NMR-Spektroskopie heute z.B. imstande,
Aussagen über die dreidimensionale Struktur von riesigen Proteinmolekülen, welche zusätzlich viel-
fach ineinander verknäuelt sind, zu machen (s. Beispiel unten). Allerdings bedingen solche Aufgaben
grossen instrumentellen und rechnerischen Aufwand und für die Interpretation der Spektren ist ein
immenses Expertenwissen notwendig.
Bei der Produktion reiner organischer und Bio-Moleküle gehört es zu den Grundlagen der Qualitätssi-
cherung, vom gereinigten Endprodukt neben dem IR- und Massenspektrum auch ein NMR-Spektrum
aufzunehmen, um die Reinheit und die angestrebte Molekülstruktur zu belegen.
In der Medizin hat die aus der NMR-Spektroskopie weiter entwickelte Kernspintomographie es mög-
lich gemacht, in vivo und völlig ungefährlich die räumliche Anordnung wasserreicher und wasserar-
mer Bereiche zu ermitteln.

Haupteinsatzgebiete der NMR-Spektroskopie:


• Strukturaufklärung in der organischen und Biochemie
• Aufklärung der Konformation, Sekundär- und Tertiärstruktur von Makromolekülen
• Grundlagenforschung: Untersuchung der chemischen Bindungsverhältnisse in Lösungen und
Kristallen
• Qualitätskontrolle bei der Produktion von Rein- und Wirkstoffen.

D:\Daten gae\ZHW\AnC3\Skript AnC3\SkriptNMR2.doc Seite 25 von 26 20.09.2005/Gae


ZHW / CB / AnC3 NMR-Spektroskopie

Mehrdimensionale und Multipuls-NMR-Spektroskopie


Diese dank einer rasanten Entwicklung in der Gerätetechnik möglich gewordenen Verfahren werden
im Rahmen des Moduls AnC5 vorgestellt. Als Beispiel für die immensen Möglichkeiten der modernen
NMR-Spektroskopie soll das nachfolgende Beispiel dienen: Die Abbildungen zeigen links einen Aus-
1
schnitt aus dem 2D-NOESY- H-NMR-Spektrum des Peptides Lysozym. Aus den Daten wurde die
daneben stehende dreidimensionale Molekülstruktur abgeleitet.

6
ppm

ppm 4 3 2 1 0 -1

Weiterführende Literatur
• Spezialisiertes Lehrbuch: Günther H.: "NMR-Spektroskopie : Grundlagen, Konzepte und Anwen-
dungen der Protonen- und Kohlenstoff-13 Kernresonanz-Spektroskopie in der Chemie", Thieme,
Stuttgart, 1992
• Anorganisches NMR: Iggo J.A.: "NMR spectroscopy in inorganic chemistry", Oxford University
Press, Oxford, 2003
• Identifizierung von Organika, Uebungsaufgaben: Pretsch E., Clerc J.T.: "Spectra interpretation of
organic compounds", VCH, Weinheim, 1997
• NMR in der Proteinanalytik: Lottspeich F, Zorbas H.: "Bioanalytik", Spektrum Akademischer Ver-
lag, Heidelberg, 1998

Test 2h Spin-Spin-Kopplung und Molekülstruktur


Im Moodle-Kurs Analytische Chemie II steht für dieses Kapitel zur Lernkontrolle ein interaktiver
Test bereit. Den Test finden Sie, wenn Sie zur Kurshomepage gehen und dort das Thema 2 an-
wählen.

D:\Daten gae\ZHW\AnC3\Skript AnC3\SkriptNMR2.doc Seite 26 von 26 20.09.2005/Gae

Das könnte Ihnen auch gefallen