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2.3 Spin-Spin-Kopplung
CH2 C O
b d
H3C CH2 CH e CH3
g
a c
CH3 f
4 3 2 1 0
PPM
13
C-NMR
O
CH2 C O
b d
H3C CH2 CH e CH3
g
a c
CH3 f
G
Modell: Ein Kern mit einem magnetischen Moment µ ≠ 0 erzeugt in seiner näheren Umgebung ein
schwaches Magnetfeld BI (Analogie: Kompassnadel ist auch ein Stabmagnet). Dieses Zusatzfeld wird
von andern magnetischen Kernen in der Nähe verspürt (sog. Dipol-Dipol-Kopplung): je nach Orien-
tierung verstärkt es deren Beff oder schwächt es ab.
Energie
0 hν 0 hν hν
B0
13C 1H 13C
13
C-Atom im Magnetfeld Beff
Wird das Lokale Feld beim beobachteten Kern
13
(in der obigen Grafik ist dies C) verstärkt, so
wird dessen Larmorfrequenz etwas höher, und
damit das Resonanzfeld beim Field Sweep etwas
erniedrigt. Ist das Kernmoment des Protons 13 1 13
J( C- H) C-Atom koppelt mit 1H;
umgekehrt orientiert, resultiert eine gleich Magnetfeld Beff +/- BI
grosse Abschwächung von Beff, bzw. Erniedri-
gung der Larmorfrequenz, und die Resonanz
verschiebt sich zu höherem Feld. νL
Der Unterschied zwischen den beiden Larmorfrequenzen ist ein Mass für die Kopplung zwischen den
-1
beiden Kernen und wird als Kopplungskonstante J mit der Masseinheit s (Hertz) bezeichnet.
Eigenschaften der Kopplungskonstanten J
• J ist unabhängig von B0 und damit vom Spektrometertyp, solange es in Hertz gemessen wird und
nicht in ppm.
• J und damit die Aufspaltung der Peaks ist in den Spektren beider Kopplungspartner gleich gross
• Je stärker die Molekülorbitale der beiden Kopplungspartner überlappen, desto grösser wird J.
•
1 1 13 1
Grössenordnungen: J( H- H) bis 20Hz, J( C- H) bis 250Hz
Ein Signal spaltet in gleich viele Linien auf, wie der koppelnde Kern Orientierungsmöglichkei-
ten des magnetischen Momentes aufweist.
Beispiel: 13C-NMR-Spektrum von Deuterochloroform CDCl3
Das Signal des Kohlenstoffatoms wird durch δ(13C)
die Kopplung mit dem benachbarten Deuteri- B0
umatom aufgespalten: Deuterium hat I = 1, es
weist darum 3 Kernniveaux auf mit mI = +1, 0 µ+1 νL
und -1, welche den Winkeln θ seines Momen-
tes mit dem magnetischen Feld von 45°, 90°
und 135° entsprechen (G14). In der ersten
Orientierung wird das Feld am 13C-Kern ver- µ0
stärkt und deshalb dessen Larmorfrequenz er-
höht, die zweite hat keinen Einfluss (magnet. 13 2
J( C- D)
13 2
J( C- D)
Moment und B0 stehen senkrecht aufeinan-
der!), und die letzte Orientierung schwächt
Beff ab.
µ-1 mI=+1 mI= 0 mI= -1
Die Intensität aller Linien, die durch Kopplung mit einem Partner entstehen, ist bei Raumtem-
peratur gleich.
Begründung: Bei Raumtemperatur sind alle Energieniveaux, die zu den verschiedenen Orientierungs-
möglichkeiten eines magnetischen Momentes gehören, praktisch gleich stark populiert (Einfluss der
Boltzmann-Statistik; vgl. Kap. 1.1.2). Damit ist in einer makroskopischen Probe die Wahrscheinlich-
keit für alle drei Orientierungen gleich gross. Erst bei sehr tiefen Temperaturen werden die Beset-
zungszahlen unterschiedlich, die Intensitäten der Kopplungslinien verschieben sich (in welcher Wei-
se?).
Die Intensitäten der Linien ist direkt proportional zur relativen Häufigkeit der koppelnden
Nuklide.
13
In einer natürlichen Substanz enthalten nur 1% der Kohlenstoffatome magnetische C-Kerne. Des-
1 13
halb sind im H-NMR die durch Kopplung mit C-Nachbarn entstehenden Linien nicht sichtbar, weil
sie 100x kleiner sind als die "normalen" Signale.
13 1 1
Umgekehrt sind im C-NMR die Kopplungen zu H gut sichtbar, da praktisch alle H-Nachbarn H-
Kerne sind.
Koppelt ein Kern mit mehreren Partnern, so multiplizieren sich deren Einflüsse.
Hc Ha
δa δb δc
Jcis
Jgem
Jtrans Hb
Jgem C C
Cl Jcis
Hb Jtrans
Ha
δa = 6.272 ppm
δb = 5.456 ppm
dxd dxd dxd
δc = 5.296 ppm
Jgem = 2 Hz
Jcis = 11 Hz
Jtrans = 14 Hz
6.0 5.5
Sind mehrere Kopplungskonstanten eines Kerns mit seinen Nachbarn gleich gross, fallen die
Linien teilweise zusammen, und ihre Intensitäten werden unterschiedlich.
Koppelt ein Kern mit n Nachbarn mit gleicher Kopplungskonstante, so spaltet sein Signal in n+1
Linien auf, deren Intensitäten sich wie die Binomialkoeffizienten verhalten (Pascal'sches Dreieck,
vgl. Hesse, Kap. 1.3).
δA δB
HB1 HA
JAB HA JAB
JAB C C
JAB
HB1
JAB
Cl
HB3 HB2
HB2 Cl
HB3
δA = 5.90 ppm
δB = 2.06 ppm
ν = 90 MHz
N C CH2 CH2 C
O CH3
ppm
δM δB δA
HA HM
O
HB
C C
HA
HB
Ph
HM
en
yl
δA = 2.7 ppm
δB = 3.1 ppm
δM = 3.8 ppm
JAB = 5.7 Hz
JAM = 2.4 Hz
JBM = 4.1 Hz
ν = 30 MHz
4.0 3.5 3.0 2.5
•
1
Direkte Kopplung J: Spin-Spin-Kopplung über eine Bindung.
1
H- C, bzw. 2D-13C-Kopplungen im 13C-NMR.
13
Beispiele:
•
2
Geminale Kopplung J: Spin-Spin-Kopplung über zwei Bindungen ("Gemini" = Zwillinge). Viel-
fach nicht sichtbar, da die Kopplungspartner chemisch äquivalent sind
1
Beispiele: H-C-1H in Methyl- oder Methylengruppen
•
3
Vicinale Kopplung J: Spin-Spin-Kopplung über drei Bindungen ("vicinalis" = nachbarlich).
1
H-C-C- H, 1H-C=C-1H,. 1H-C-O-1H, etc.
1
Beispiele:
•
n
Long Range Kopplung J: Spin-Spin-Kopplung über mehr als drei Bindungen. Haben meist sehr
kleine Kopplungskonstanten, die nur mit hochauflösenden Geräten sichtbar gemacht werden
können.
Beispiele: Kopplungen zwischen meta- und para-Protonen in aromatischen Systemen
• Chemisch äquivalente Kerne: Haben die gleiche chemische Umgebung und sind deshalb immer
isochron. Kerne, die durch eine Symmetrieoperation des Moleküls in einander übergeführt wer-
den, sind chemisch äquivalent.
Bezeichnung: Gleicher Buchstabe für isochrone Kerne. Bei chemisch nicht äquvalenten Gruppen:
je ähnlicher die chem. Verschiebungen sind, desto näher sollten die Buchstaben im Alphabet
stehen.
Beispiele: Aromatische Protonen in Toluol: AB2C2, Methylprotonen in Toluol: M3, Protonen in Difluormethan: A2X2,
Protonen in 1-Chlorethan: A3M2
• Magnetisch äquivalente Kerne: Zwei chemisch äquivalente Kerne, die mit zu ihnen nicht iso-
chronen Kopplungspartner die gleiche Kopplungskonstante haben, sind auch magnetisch äqui
valent.
Bezeichnung: Gleicher Buchstabe, da isochron. Bei mehreren magnetisch äquivalenten Kernen
wird die Anzahl in einer Gruppe als Index angegeben: A2, X5
Beispiel: Die Protonen H1 und H2 in Difluormethan koppeln mit den beiden 19F-
Kernen jeweils mit der gleichen Konstanten (Spinsystem A2X2): H1
(Für eine bessere Uebersicht sind nur die Kopplungswege zu einem der Fluoratome ein- C
gezeichnet) F1
H2 J(H2-F1)
F2
• Magnetisch nicht äquivalente Kerne: Zwei chemisch äquivalente Kerne, die zu einem gemein-
samen Kopplungspartner unterschiedliche Kopplungskonstanten haben, sind magnetisch nicht
äquivalent.
Bezeichnung: Gleicher Buchstabe, da isochron, aber zur Unterscheidung der magnetisch nicht
äquivalenten Kerne werden Apostrophe verwendet.
Beispiel: Die Protonen H1 und H2 in 1,1-Difluorethen koppeln mit einem der beiden H1 F1
19
F unterschiedlich, nämlich mit einem trans- und einem cis-Kopplungsweg (Spinsystem J(H1-F1)
AA'XX'.
C C
J(H1-F1) ≠ J (H2-F1) ⇔ H1 und H2 sind magnetisch nicht äquivalent J(H2-F1)
H2 F2
Dach-Effekt: Dieser Effekt 2. Ordnung ist für die Analyse komplexer Spektren sehr nützlich, da er es
erlaubt, den zu einem bestimmten Multiplett gehörenden Kopplungspartner zu eruieren.
Phänomen: Kommen sich die Larmorfrequenzen verkoppelter Gruppen näher, so werden die Intensi-
täten ihrer Multipletts asymmetrisch: Einander zugewandte Einzellinien werden intensiver, die aus-
sen liegenden schwächer (vgl. auch Abb. 3.10 im Hesse).
νL(A) νL(X)
∆νL
≥ 10 AX
J J J
νL(A) νL(B)
∆νL
=2
J
J J
AB
νL(A) νL(B)
∆νL
= 0.5
J
J J
νL(A)
∆νL
=0 A2
J
200 MHz C
C55H
H10 O
10O33
60 MHz
•
2 13
In deuterierten Lösemitteln werden direkte Kopplungen zwischen D (I=1) und C sichtbar.
Dies führt z.B. dazu, dass in Deuterochloroform gelöste Proben immer ein Triplett mit Signalen
gleicher Intensität aufweisen (vgl. Abschnitt 2.3.1).
13
Die oben angesprochenen grossen direkten H-C-Kopplungen haben zur Folge, dass "normale" C-
Spektren sehr unübersichtlich sind, weil sich die verschiedenen Multipletts vielfach überschneiden.
Diesem Problem wird in der qualitativen Analytik organischer Substanzen mit speziellen Messtechni-
ken begegnet:
•
1
H-Breitband-Entkopplung
13
Durch diese Technik (Details vgl. Hesse, bzw. Modul AnC5) verschwinden im C-NMR alle durch
Protonen verursachten Aufspaltungen, das Spektrum besteht nur noch aus Singuletts. Dieser
Spektrentyp ist zwar sehr übersichtlich, erlaubt aber keine Rückschlüsse über die Anzahl dxer an
ein C gebundenen H-Atome.
• Off-Resonance-Entkopplung
Damit werden die Kopplungen zu H-Atomen nicht wie bei der Breitband-Entkopplung vollstän-
13 1
dig zum Verschwinden gebracht, sondern die direkten Kopplungen C- H bleiben - wenn auch
mit kleineren Abständen der Linien - sichtbar. Die Multipletts überschneiden nur noch bei fast
isochronen Kernen, und die Interpretation nach dem obigen Muster ist meistens leicht möglich.
• DEPT-Spektren
Diese nur mit FT-NMR-Geräten zugängliche Technik erlaubt wie die Off-Resonance-Entkopplung
die Bestimmung der Anzahl direkt an ein bestimmtes C gebundener H-Atome, kann diese Infor-
mation aber auch noch aus überlagerten Multipletts herausholen.
Je nach dem bei der Messung verwendeten sog. "Pulswinkel" verschwinden die breitbandent-
koppelten Banden einer bestimmten C-Sorte oder sie erhalten negative Intensitäten:
DEPT-Pulswinkel sichtbare Signale
90° CH-Gruppen positive Peaks, evtl. CH3, aber nur mit kleiner Intensität
135° CH und CH3 positive Peaks, CH2 negative Peaks
Beispiel: Eine unbekannte Substanz mit einer Molmasse von 128 g/mol zeigt die nachfolgenden 13C-NMR-
Spektren (ν = 50 MHz, in CDCl3). Bestimmen Sie die Struktur der Substanz!
Off-Resonance-entkoppelt
Off-Resonance-entkoppelt
„Normales“
„Normales“ Spektrum
Spektrum
Breitband-entkoppelt
Breitband-entkoppelt
DEPT
DEPT 135°
135°
DEPT
DEPT 90°
90°
2.4 Spektrenintegration
2.4.1 Qualitative Analyse
Die Gesamtfläche unter den zu einem Set chemisch äquivalenter Protonen gehörenden Peaks
ist proportional zur Anzahl H in diesem Set. Der Proportionalitätsfaktor ist innerhalb der
Signale eines Spektrums konstant.
Ausnahmen:
• Die Regel gilt für 13C-NMR nicht. Grund: Verschieden gebundene C-Atome haben unterschiedliche
Relaxationszeiten, was auch bei gleicher Anzahl äquivalenter C zu unterschiedlichen Peakintensi-
täten führt.
• Die Signalintensität austauschender und Wasserstoffbrücken bildender Protonen (vgl. Kap. 2.2.2)
ist gegenüber jener von "freien" H-Atomen reduziert.
• In Substanzgemischen muss der Proportionalitätsfaktor jeder Komponente noch mit deren relati-
vem Stoffmengenanteil multipliziert werden (vgl. 2.4.2)
In konventionellen CW-Spektrometern wird die Integration in Form von sog. Stufenkurven (vgl. fol-
gendes Beispiel) geliefert, bei FT-Geräten erfolgt die Angabe als Zahlenwerte, welche üblicherweise
bereits auf den kleinsten Peak genormt sind (Imin = 1.0).
Skript AnC1, Kap 4.5.2). Der Responsefaktor entspricht jeweils dem Verhältnis der Anzahl integrierter
Protonen nX/nStd..
A B
6 5 4 3 2 1 0
ppm
6
ppm
ppm 4 3 2 1 0 -1
Weiterführende Literatur
• Spezialisiertes Lehrbuch: Günther H.: "NMR-Spektroskopie : Grundlagen, Konzepte und Anwen-
dungen der Protonen- und Kohlenstoff-13 Kernresonanz-Spektroskopie in der Chemie", Thieme,
Stuttgart, 1992
• Anorganisches NMR: Iggo J.A.: "NMR spectroscopy in inorganic chemistry", Oxford University
Press, Oxford, 2003
• Identifizierung von Organika, Uebungsaufgaben: Pretsch E., Clerc J.T.: "Spectra interpretation of
organic compounds", VCH, Weinheim, 1997
• NMR in der Proteinanalytik: Lottspeich F, Zorbas H.: "Bioanalytik", Spektrum Akademischer Ver-
lag, Heidelberg, 1998