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Rezension Bogdan Musial: Kampfplatz Deutschland Rezension über:


Kommentar schreiben Bogdan Musial: Kampfplatz Deutschland.
Druckfassung Textgröße: A A A Stalins Kriegspläne gegen den Westen,
Berlin / München: Propyläen 2008, 380 S.,
Weitere Rezensionen von Bogdan Musial hat sich mit seinem neuen Werk ISBN 978-3-549-07335-3, EUR 29,80
Bert Hoppe: nichts weniger vorgenommen, als den Buch bei Amazon bestellen
Reinhard Müller: Buch im KVK suchen
Generalschlüssel zum Verständnis der
Herbert Wehner -
Moskau 1937, sowjetischen Geschichte bis 1941 zu präsentieren.
Rezension von:
Hamburg: Ob es sich um den Aufbau der Schwerindustrie
Hamburger Edition 2004 Bert Hoppe
handelt oder um die 'Neue Ökonomische Politik',
Edition Judenverfolgung (EJV), Berlin
Thomas M. Bohn: um die Aufrüstung der Roten Armee oder die
Minsk - Musterstadt Deportationen von nationalen Minderheiten - jede Redaktionelle Betreuung:
des Sozialismus.
Stadtplanung und politische Entscheidung Moskaus bis hin zur Redaktion der Vierteljahrshefte für
Urbanisierung in der Ausgestaltung des staatlichen Alkoholmonopols Zeitgeschichte
Sowjetunion nach 1945, Köln / leitete sich laut Musial aus Stalins Drang ab, einen
Weimar / Wien: Böhlau 2008 Kommentare zu dieser Rezension:
Krieg gegen Westeuropa vom Zaun zu brechen.
Kommentar von Bogdan Musial mit einer
Sergej Shurawljow:
Letztlich sei ihm Hitler, als dieser am 22. Juni Replik von Bert Hoppe
"Ich bitte um Arbeit
in der Sowjetunion". 1941 die Wehrmacht nach Osten marschieren ließ,
Das Schicksal nur um ein knappes Jahr zuvorgekommen. Empfohlene Zitierweise:
deutscher Facharbeiter im
Spätestens seit dem Frühjahr 1941 habe Stalin Bert Hoppe: Rezension von: Bogdan
Moskau der 30er Jahre. Aus
dem Russischen von Olga nämlich die "größte Invasionsarmee aller Zeiten" im Westen der Sowjetunion Musial: Kampfplatz Deutschland. Stalins
Kouvchinnikova und Ingolf Kriegspläne gegen den Westen, Berlin /
zusammengezogen, um einen - so wörtlich - "Vernichtungskrieg" gegen Deutschland
Hoppmann. Redaktionelle München: Propyläen 2008, in: sehepunkte
Fachberatung Wladislaw zu führen. 9 (2009), Nr. 1 [15.01.2009], URL:
Hedeler, Berlin: Christoph http://www.sehepunkte.de
Links Verlag 2003 Gleich zwei Tabubrüche in einem Buch und obendrein noch eine vollständige /2009/01/15397.html
Umwertung der Stalinschen Politik - großartig! Schade nur, dass sich diese Thesen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser
Weitere Rezensionen zu nicht einmal mit den zahlreichen Dokumenten aus russischen Archiven belegen Rezension die exakte URL und das Datum
Büchern dieser Autoren: lassen, die Musial in seinem Buch präsentiert; selten hat ein Historiker so souverän Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Bogdan Musial (Hg.): der Zumutung widerstanden, seine Ausgangsthese anhand der Quellen zu
"Aktion Reinhardt".
Der Völkermord an
revidieren. Auch nähere Informationen darüber, wie man sich den vermeintlich
den Juden im geplanten sowjetischen "Vernichtungskrieg" gegen Deutschland genau vorzustellen
Generalgouvernement habe, bleibt der Autor seinen Lesern schuldig.
1941-1944, Osnabrück: fibre
2004
Dabei darf man Musial unterstellen, dass er einen derart hochgradig sensiblen
Klaus-Michael Begriff nicht gedankenlos in die Debatte wirft: Der breiten Öffentlichkeit ist er als
Mallmann / Bogdan
Musial (Hgg.): der Historiker bekannt geworden, der die erste Ausstellung des Hamburger
Genesis des Institutes für Sozialforschung über den nationalsozialistischen Vernichtungskrieg
Genozids. Polen
gegen die Sowjetunion zu Fall brachte; er hatte nachgewiesen, dass einige der dort
1939-1941, Darmstadt:
Wissenschaftliche gezeigten Fotos nicht Opfer der Wehrmacht, sondern des sowjetischen
Buchgesellschaft 2004 Geheimdienstes zeigten. Seitdem gibt er das Enfant terrible der deutschen
Zeitgeschichtsforschung, regelmäßig kanzelt er die bisherige Forschung rüde ab.
Unterstützen Sie die Auch in seinem neuen Buch wirft er der Mehrzahl seiner Kollegen pauschal vor,
sehepunkte immer noch der kommunistischen Propaganda von der friedliebenden Sowjetunion
aufzusitzen. Besser wäre es gewesen, er hätte einige ihrer Werke gelesen. Seine
Literaturbasis ist nämlich recht schmal und teilweise grotesk veraltet, zentrale
Bücher zu seinem Thema hingegen - insbesondere Gabriel Gorodetskys im Jahr 2001
auch auf deutsch erschienene, bahnbrechende Studie "Die große Täuschung" über
Stalin und den deutschen Überfall auf die Sowjetunion - tauchen bei ihm überhaupt
nicht auf.

Eine solch selektive Literatur- und Quellenrezeption hat freilich den Vorteil, sich
nicht mit Argumenten und Fakten auseinandersetzen zu müssen, die die eigenen
Thesen infrage stellen könnten. So lässt sich Stalin beispielsweise nur dann als
blinder Revolutionsexporteur darstellen, wenn man einige (teils schon lange
bekannte) Dokumente stillschweigend übergeht: Mit keinem Wort erwähnt Musial
beispielsweise, dass Stalin die Erfolgsaussichten des von der Komintern geplanten
Staatsstreiches im Jahr 1923 äußerst skeptisch beurteilte. "Wenn in Deutschland die
Macht heutzutage stürzt und die Kommunisten sie aufheben, dann werden sie mit
Pauken und Trompeten scheitern", hatte Stalin im August 1923 erklärt und daraus
für die Umsturzpläne der KPD gefolgert: "Meiner Meinung nach muss man die
Deutschen zurückhalten und nicht ermuntern." Nach dem absehbaren Scheitern der
von seinem Rivalen Trotzki vorangetriebenen deutschen Revolutionspläne strich
Stalin der KPD Ende 1924 folgerichtig auch die Zuschüsse für deren "Militärarbeit"

1 von 3 23.07.2010 00:50


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zusammen. Thälmann nörgelte daraufhin, die KPD müsse nun von "der konsequenten
Vorbereitung des Bürgerkrieges" abrücken.

Solche Kleinigkeiten interessieren Musial nicht, er zitiert stattdessen ausführlich


aus den Briefen und Aussagen Stalins, in denen sich dieser gegenüber seiner
Gefolgschaft pflichtgemäß als Revolutionär und Haudegen stilisierte. Mit
quellenkritischem Klein-Klein - also den Fragen wo, vor wem und warum der
Diktator die jeweiligen Aussagen machte - hält sich Musial hierbei nicht auf. Daher
nimmt er die Rede, die Stalin am 5. Mai 1941 vor Absolventen der Militärakademie
hielt, für bare Münze - schließlich hatte der Diktator seinen Zuhörern ja
eingeschärft, was er jetzt sage, sei geheim! Stalin zog damals über die
"überheblich" gewordene Wehrmacht vom Leder und rühmte den angeblich
erfolgreichen Umbau der Roten Armee zu einer modernen Angriffsarmee. Mit diesen
Worten - so Musials keineswegs brandneue Interpretation - wollte Stalin seine
Soldaten auf einen Angriff auf Deutschland vorbereiten, der "in naher Zukunft"
stattfinden sollte, laut Musial möglicherweise schon im Frühjahr 1942.

Mit den vielen anderen Dokumenten über den Stand der sowjetischen Aufrüstung,
die Musial zitiert, lässt sich diese These allerdings nicht stützen. So hatte Stalin
noch im November 1940 geklagt, die sowjetische Luftwaffe sei faktisch wertlos und
müsse komplett neu aufgebaut werden. Hätte Musial ein Buch über die Rückschläge
der sowjetischen Rüstungsbemühungen schreiben wollen, hätte es ein
beeindruckendes Werk werden können: Detailliert schildert er, dass es den
Truppen an Munition fehlte, hunderttausende Soldaten barfuß zum Dienst
erscheinen mussten und wie häufig niemand die teuer eingekauften, modernen
Waffen zu bedienen wusste. Weshalb sich Stalin unter solchen Bedingungen zum
baldigen Angriff auf einen übermächtigen und an Blitzsiege gewohnten Gegner
entschlossen haben soll, bleibt Musials Geheimnis - er interpretiert selbst den
Beschluss, störanfällige Panzerketten auszutauschen, als Beleg für die Vorbereitung
eines Angriffskrieges.

Auch aus den Worten des sowjetischen Generalstabschefs, wenn die Sowjetunion
angegriffen werde, müsse die Rote Armee der feindlichen Armee "vernichtende
Schläge" versetzen, kann Musial nur offensive Absichten herauslesen. Folglich hält
er die hysterischen Warnungen der Bolschewiki vor einem drohenden Angriff
kapitalistischer Mächte auf die Sowjetunion für eine Propagandafinte. Musial
entgeht somit ein wesentliches Motiv sowjetischer Außenpolitik, denn tatsächlich
wähnten sich die Bolschewiki seit ihrer Niederlage gegen Polen vor Warschau im
August 1920 und seit den alliierten Interventionen im sowjetischen Bürgerkrieg von
Feinden umgeben, die nur auf eine günstige Gelegenheit warteten, auf die
Sowjetunion loszustürzen. Für Stalin war diese Bedrohung so real, dass er im
Oktober 1930 in einem Brief an den Geheimdienstchef Menschinski anregte, die
Arbeiter Westeuropas durch die Komintern über die angeblichen Angriffspläne der
westlichen Regierungen aufzuklären. Auf diese Weise, so war Stalin überzeugt,
ließen sich die alliierten "Interventionsversuche für die nächsten ein bis zwei Jahre
paralysieren, torpedieren, was für uns nicht unwichtig ist."

Diese Einblicke in das Denken der Bolschewiki relativieren ihre monströsen


Massenverbrechen in der Zwischenkriegszeit keineswegs - ohne die Kenntnis dieser
paranoiden Furcht vor äußeren und inneren Feinden jedoch lässt sich die Dynamik
des stalinistischen Terrors, lassen sich die Massenmorde an vermeintlichen
"Volksfeinden" und die Deportationen "feindlicher nationaler Minderheiten" nicht
erklären. Molotow rechtfertigte noch 1975 diese mörderische Logik, als er Stalins
Terrorkonzept zustimmend mit den Worten zusammenfasste: "Möglicherweise fällt
ein Kopf zu viel, doch dafür gibt es im Krieg und nach dem Krieg keine
Schwankungen."

Derartige Überlegungen über die Motive der Täter und die Ursachen des Terrors
sind für Musial offensichtlich zu einfühlsam. Er will Stalins Verbrechen der
Zwischenkriegszeit, die er in seinem Buch ausführlich schildert, nicht erklären. Es
reicht ihm, sie zu verdammen. Da kann ein wenig spekulativer bodycount nicht
schaden: Als seien die belegbaren Opferzahlen nicht hoch genug, errechnet Musial
für die Sowjetunion und die sowjetisch besetzten Gebiete Osteuropas für die Zeit
zwischen 1917 und 1941 die "theoretische Zahl" von 16 Millionen Opfern des
kommunistischen Terrors - einschließlich der ungezeugten Kinder verhungerter und
erschossener Bauern. Damit - so konstatiert Musial auf der letzten Seite seines
Buches - überstieg die Gesamtopferzahl des kommunistischen Terrors in Europa die
des Nationalsozialismus. Man wird nach der Lektüre des Buches den Eindruck nicht
los, als sei diese Feststellung das eigentliche Ziel des Autors gewesen.

Bert Hoppe

2 von 3 23.07.2010 00:50


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issn 1618-6168 / www.sehepunkte.de

3 von 3 23.07.2010 00:50

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