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Donnerstag, 12. August 2010 HF2 Süddeutsche Zeitung Nr.

184 / Seite 5
POLITIK
Millionen
Impfdosen übrig
Bund soll Ländern Kosten der
Schweinegrippe abnehmen
München – Die Schweinegrippe-Pande-
mie ist offiziell vorbei, doch der Streit
um die Kostenfrage dauert an. „Der
Bund soll die Kosten für den nicht ver-
impften Impfstoff übernehmen“, forder-
te die Vorsitzende der Gesundheitsminis-
terkonferenz der Länder, Aygül Özkan
Wie viele Smarties (CDU), vor einem für diesen Donnerstag
auf diesem Tisch lie- geplanten Treffen mit der Bundesregie-
gen, ist halbwegs ein- rung. Die niedersächsische Gesundheits-
fach zu zählen. Wie ministerin appellierte an die „nationale
viele Deutsche es gibt, Verantwortung“ der Bundesregierung.
ist schwieriger zu Mehrere andere Länderminister wiesen
ermitteln. Bisher ge- darauf hin, dass diese die Länder zum
hen die Behörden Einkauf noch wesentlich größerer Men-
davon aus, dass es gen von Impfstoff gedrängt hatte. Es sei
mehr als 82 Millionen eine „Frage der Redlichkeit“, dass der
sind. Doch die Volks- Bund Verantwortung übernehme, sagte
zählung, die in eini- Bayerns Gesundheitsminister Markus Sö-
gen Monaten startet, der (CSU).
wird diese Zahl wohl Die Bundesländer sind auf einem Groß-
nach unten korrigie- teil des Impfstoffs im Wert von 283 Millio-
ren. Das könnte viele nen Euro sitzengeblieben, weil weitaus
Bundesländer teuer weniger Menschen sich impfen ließen als
zu stehen kommen: erwartet. So bestellte etwa das Land Hes-
Nach der Einwohner- sen 2,5 Millionen Impfstoffdosen für ins-
zahl berechnen sich gesamt 20,9 Millionen Euro. Tatsächlich
unter anderem die ließen sich aber nur etwa 430 000 Men-
Zuschüsse aus dem schen gegen das H1N1-Virus immunisie-
Länderfinanzaus- ren. Die Krankenkassen erstatten jedoch
gleich. Foto: photothek nur das Geld für verabreichte Impfun-
gen. Nun besitzt Hessen noch Impfstoff
für etwa 17,5 Millionen Euro, der nicht
mehr gebraucht wird. Ähnlich geht es
Schnüffeln für Deutschland den anderen Bundesländern: Wenn der
Bund nicht einspringt, müsste Sachsen
Kosten in Höhe von 14 Millionen Euro
Die große Volkszählung 2011 soll die tatsächliche Anzahl der Bundesbürger ermitteln – es könnten bis zu 1,3 Millionen weniger sein schultern, in Baden-Württemberg wären
es sogar 35 Millionen. Das Serum ver-
Von Felix Berth und ter verglichen. Auch so können Statisti- ten, wenn sie das nicht tun, wird ein Buß- der haben mit den Vorbereitungen begon- als vorher. Ebenso wird neu berechnet, fällt spätestens Mitte 2011. Die Vorsitzen-
Karin Prummer ker die Fehlerquoten der Melderegister geld fällig. Das sei „unglaublich“, sagt nen und rekrutieren Interviewer, insge- wie sich Bundeszuschüsse an die Länder de der Gesundheitsministerkonferenz Öz-
ermitteln. In größeren Kommunen „ist Burkhard Hirsch, liberaler Jurist und samt werden wohl 80 000 gebraucht. Ei- verteilen. Aus der Befragung der Hausbe- kan verteidigte die Einlagerung der Impf-
Noch neun Monate bis zum Zensus: Vom auch diesmal die Furcht vor unangeneh- Bundestagsvizepräsident a.D. „Ein ne Hürde bleibt: Das Bundesverfassungs- sitzer leiten beispielsweise die Baubehör- seren dennoch: „Niemand würde Investi-
9. Mai 2011 an werden die Interviewer los- men Wahrheiten sehr groß“, wie Gert Zwang befördert die Gefahr, dass die gericht in Karlsruhe muss noch über eine den ihre Zukunftsplanung ab: Wo stehen tionen in den Brandschutz als Defizit ver-
geschickt, um die Deutschen zu befragen. Wagner, Wissenschaftler und Chef der Leute Phantasiedaten angeben.“ Viele Beschwerde entscheiden, mit der vier viele Wohnungen leer? Wo muss gebaut buchen, nur weil es noch nicht gebrannt
Die Ziele sind ähnlich wie bei der letzten Zensus-Kommission, sagt. Datenschützer verweisen auf das Urteil Bürgerrechtler die Volkszählung stop- werden? Der Chef-Planer Gert Wagner hat“, sagte sie. Dass die Länder für
Volkszählung im Jahr 1987. Doch das Ver- des Bundesverfassungsgerichts von pen wollen. Sie kritisieren vor allem, erwartet auch, dass eine hohe Zahl von 30 Prozent der Bevölkerung Impfstoff
fahren ist moderner – der Protest auch. Die Sind die Proteste diesmal schwächer 1983, das ein Grundrecht auf „informa- dass Daten zu Herkunft, Beruf und Reli- Migranten deutlich macht, dass Deutsch- bestellt hätten, sei „verantwortungsvoll
wichtigsten Fragen und Antworten zum als in den achtziger Jahren? tionelle Selbstbestimmung“ erkannte. gion über eine Kennziffer einzelnen Men- land ein Einwanderungsland ist. und angemessen“ gewesen.
Zensus 2011. Der Protest hat eine andere Form: Er Es dürfe nur beschränkt werden, wenn schen zugeordnet werden könnten. Unterdessen hat der bayerische Ge-
ist vom Infostand ins Internet umgezo- das Allgemeininteresse überwiege und Wie teuer wird der Zensus? Wann gibt sundheitsminister Söder eine Strukturde-
Was ist anders als 1987? gen. Hier unterschrieben 13 000 Gegner ausgeschlossen sei, dass Persönlichkeits- Welche Folgen kann der Zensus für es Ergebnisse? batte über den künftigen Umgang mit
Damals wurden alle Haushalte be- eine Liste, die einer Verfassungsklage rechte verletzt werden. Das könne mit Bund, Länder und Kommunen haben? Erste Resultate sollen Ende 2012 vor- Pandemien angeregt. Es sei bei der
fragt; danach wussten die Behörden, beigefügt wurde. Trotzdem sind es insge- den aktuellen Plänen schwer eingehalten Da in Westdeutschland seit 23 Jahren liegen. Insgesamt rechnet das Statisti- Schweinegrippe Bund und Ländern nur
dass in der Bundesrepublik nicht – wie samt wohl weniger Gegner: 1987 gab es werden, sagt Hansjörg Geiger, Ex-Chef- und in Ostdeutschland seit 29 Jahren kei- sche Bundesamt mit 88 Millionen Daten-
angenommen – 61,7 Millionen Menschen Hunderte Boykott-Initiativen, die nach jurist der Stasi-Unterlagenbehörde: ne Volkszählungen mehr stattgefunden sätzen aus Melderegistern, acht Millio-
lebten, sondern 61,1 Millionen. Extrem dem Zähltag stolz 600 000 nicht ausge- „Vier Jahre Aufbewahrung der Kennzif- haben, sind viele Statistiken nicht präzi- nen aus der Haushaltsstichprobe und Schweinegrippe-Impfungen
war das Ergebnis in West-Berlin: Dort füllte Fragebögen präsentierten. Das ist fern birgt ein extrem hohes Risiko für se. „Wir vermuten, dass aufgrund von 17,5 Millionen von Gebäudeeigentü- in Deutschland
zählte man 2,04 Millionen Einwohner, heute kaum vorstellbar. Datenmissbrauch.“ Hans-Peter Bull, Fortschreibungsfehlern die derzeit ver- mern. Das alles muss ausgewertet wer-
160 000 mehr als bis dahin errechnet. Da- von 1978 bis 1983 erster deutscher Daten- zeichnete Einwohnerzahl in Deutsch- den. Insgesamt werde der Zensus 710 Mil- Angaben in Millionen
mit war plötzlich ein weiterer Grund für Was sagen Datenschützer? schutzbeauftragter, widerspricht: Auch land um rund 1,3 Millionen zu hoch ist“, lionen Euro kosten, schätzt der Bund
überlastete Schulen und Kitas bekannt. Sie haben keine einheitliche Position. die Statistiker hätten ein Interesse dar- sagt Sabine Bechtold, Abteilungsleiterin (1987 waren es etwa 760 Millionen Mark,
Im Jahr 2011 werden nicht mehr alle Umstritten sind: die Frage nach der Reli- an, dass die Einzeldaten geheim bleiben. im Statistischen Bundesamt. Das wird das entspricht ungefähr der Hälfte). Die
Haushalte befragt, sondern nur zehn Pro- gionszugehörigkeit, die Speicherung ei- den Länderfinanzausgleich verändern, Länder zahlen davon 625 Millionen, be- bestellte
Impfstoff- durchgeführte
zent; außerdem müssen alle Wohnungs- ner Kennzahl, mit der die Daten einzel- Wie weit sind die Vorbereitungen? der auf der Bevölkerungszahl basiert. kommen vom Bund aber 250 Millionen dosen
eigentümer Auskunft geben. Die Daten nen Person zugeordnet werden können Im Juli vergangenen Jahres trat das Nach der letzten Volkszählung etwa wur- Zuschuss. Der Bund selbst zahlt weitere Impfungen
34,0 4,15
werden mit den Angaben der Melderegis- sowie die Pflicht der Bürger zu antwor- „Zensusgesetz 2011“ in Kraft. Die Län- den zwei Milliarden Mark anders verteilt 85 Millionen Euro.

Kundus-Opfer erwägen Klage Impfungquote*


8,0
Die Angst des echten Ronny F. Anteil der durchgeführten Impfungen

* Personen über 14 Jahre


an der Bevölkerungszahl in Prozent
Anwalt: 3800 Euro Entschädigung „beschämend niedrig“
Kosten
Ein Soldat verklagt den „Spiegel“ – der nutzte versehentlich seinen Namen als Pseudonym Berlin – Die Auseinandersetzung um ei- gene Entwicklungsprojekte im Raum für bestellte Impfdosen 283,5
ne Entschädigung für die Opfer des Bom- Kundus offenbar an der unsicheren Lage in Millionen Euro
in deutscher Soldat erschießt in Af- Namen aufmerksam gemacht worden der Schütze des dramatischen Zwi- benangriffs von Kundus hält an. Zwar be- in der Provinz scheiterten, beauftragte
E ghanistan eine Frau und zwei Kin-
der – es war ein schlimmer Irrtum. Der
seien, hält der Jurist für zynisch. Denn
ein Einsatz in Afghanistan sei gefähr-
schenfalls von damals in Wirklichkeit
anders heißt als er, zweifelt der echte
stätigte das deutsche Verteidigungsmi-
nisteriums in dieser Woche, 430 000 Dol-
das Ministerium im Frühjahr eine afgha-
nische Menschenrechtsorganisation da-
SZ-Graphik: Hanna Eiden; Quelle: Gesundheitsministerium Niedersachsen, RKI

mit Mühe gelungen, sich rechtzeitig


Spiegel berichtet über den Fall und lich genug, durch den Artikel werde die- Ronny F. an. Er fürchtet deshalb die Ra- lar an afghanische Familien auszuzah- mit, Zahl und Namen der Opfer zu ermit- untereinander abzustimmen. Künftig
tarnt den Schützen mit einem falschen se Gefahr für den richtigen Ronny F. che der Islamisten, die für ihre brutalen len. Doch deutsche Anwälte, die nach teln. Sie kam auf 91 Tote und elf Verletz- müsse es für solche Gefahrensituationen
Namen. Die Redakteurin nennt ihren nun noch gesteigert. Methoden bekannt seien. Angst müsse eigenen Angaben 74 afghanische Man- te. An jede betroffene Familie wurden „eine nationale Koordinationsstelle“ ge-
Interviewpartner Ronny und gibt ihm er aber auch vor der Blutrache der An- danten vertreten, kündigten an, am nun 5000 Dollar gezahlt. Das Ministe- ben, fordert Söder. Der Bund solle dann
einen mit F beginnenden Allerweltsna- gehörigen haben. 20. August mit dem Ministerium über hö- rium betont, dass es sich nicht um Ent- auch die Versorgung der Bevölkerung
men. Seither fürchtet ein anderer Sol- Seit Veröffentlichung des Artikels Das Nachrichtenmagazin hatte Ron- here Entschädigungen zu sprechen. schädigung im rechtlichen Sinn handle, mit Medikamenten und Impfstoffen über-
dat um sein Leben: Er heißt wirklich müsse er die Rache der Taliban ny F. angeboten, den umstrittenen Arti- Am 4. September 2009 hatten US- sondern um eine freiwillige Unterstüt- nehmen. „Es kann nicht sein, dass 16
Ronny F. und dient ebenfalls als deut- fürchten, sagt Ronny F. kel im Internet mit einem noch deutli- Kampfflugzeuge auf Weisung des deut- zung aus humanitären Gründen. Bundesländer mit den Herstellerfirmen
scher Unteroffizier in Afghanistan. Die- cheren Hinweis auf den geänderten Na- schen Stützpunkt-Kommandeurs in Kun- Anwalt Remo Klinger wollte die Ver- verhandeln“, sagte Söder. Deutschland
ser 25-Jährige hat nun das Nachrichten- men zu ergänzen. Das war dem Sol- dus zwei entführte Tanklaster bombar- einbarung am Mittwoch nicht bewerten. schmälere damit seine Verhandlungs-
magazin auf Schmerzensgeld verklagt. Nach Ansicht des Anwalts verfolgen daten jedoch nicht genug. diert. Dabei kamen eine nicht genau zu Auch zum Ziel weiterer Gespräche woll- macht gegenüber den Pharmaherstel-
10 000 Euro verlangt er zum Ausgleich die Taliban und al-Qaida aufmerksam Die Richter wiesen die Klage aber ab klärende Zahl von Menschen ums Leben. te er nichts sagen. Karim Popal hatte zu- lern. (Seite 4) Nina von Hardenberg
für die Angst, in die ihn der Bericht ver- auch die deutsche Presse. Zumal dieser und stellten fest, dass der Spiegel ge- Im offiziellen Untersuchungsbericht der vor 5000 Dollar pro Familie beschämend
setzt habe. Vor dem Landgericht Mün- Artikel neben dem gedruckten Heft nau so gehandelt habe, wie es in Presse- Nato war von bis zu 142 Opfern die Rede. niedrig genannt und eine Klage auf höhe-
chen I wurde seine Klage am Mittwoch auch online weltweit verbreitet worden handbüchern empfohlen werde: Durch Der Jurist Karim Popal machte sich re Entschädigungen angekündigt. Bei
verhandelt. sei. Sämtliche relevanten Artikel wer- den Hinweis der Redaktion stelle der ge- zum Anwalt der Opferfamilien und for- früheren Gelegenheiten hatte er von Berlin überprüft Kauf
„Das ist eine völlig neue Dimension
der Gefährdung“, sagt sein Anwalt Joa-
den von den Islamisten ausgewertet, be-
hauptet der Anwalt. „Erst recht solch
änderte Name keinesfalls eine schuld-
hafte Falschbehauptung dar. Ronny F.
derte Entschädigung durch die Bundesre-
gierung. Er arbeitet mit den Berliner An-
33 000 Dollar pro Todesfall gesprochen.
Das Ministerium wollte die Klageankün-
von Nacktscannern
chim-Friedrich von Witten den Rich- brisante Berichte.“ Würde Ronny F. im will trotzdem weitermachen. „Die Pres- wälten Reiner Geulen, Remo Klinger und digung nicht kommentieren. Rechtlich Berlin – Zahlreiche Nichtregierungsorga-
tern der Münchner „Pressekammer“. Einsatz von Taliban gefangen genom- se muss sich dieser hochbrisanten neu- Wolfgang Kaleck zusammen. Parallel zu ist sie durchaus möglich. Auch Po- nisationen haben das Bundesinnenminis-
Die Forderung nur mit dem Argument men, müsste er seinen Namen und seine en Gefahrenlage anpassen“, meinte den Verhandlungen mit den Anwälten pal-Mandanten, die zu den Zahlungs- terium scharf kritisiert, weil es Körper-
abzulehnen, dass die Leser mit einem Einheit nennen. Ob diese Kämpfer sein Anwalt – „und die Rechtsprechung suchte das Verteidigungsministerium empfängern zählen, haben im Gegenzug scanner von der Tochterfirma eines
Sternchen im Text auf den geänderten dann wirklich erkennen würden, dass auch“. Ekkehard Müller-Jentsch nach einer eigenen Entschädigungslö- nicht auf die Klagemöglichkeit verzich- Streubombenherstellers bestellt haben
sung. Weil von den Anwälten vorgeschla- tet. (Seite 4) Peter Blechschmidt soll. Einem Bericht der Frankfurter
Rundschau zufolge sollen zwei Scanner,
die das Ministerium zum Testbetrieb am

Ein neues Nadelöhr Hamburger Flughafen angeschafft hat,


von der Firma L3 Communications Secu-
rity and Detection Systems hergestellt
Bundesumweltamt heizt Debatte um „Stuttgart 21“ an: Projekt würde noch mehr Engstellen im Schienennetz schaffen, anstatt diese zu beseitigen worden sein. Die Firma ist ein Tochter-
unternehmen des sechstgrößten US-Rüs-
Von Michael Bauchmüller Einnahmen aus der Lkw-Maut. „Die Stu- von ursprünglich 2,6 Milliarden Euro auf tungskonzerns L3 Communications. Das
und Dagmar Deckstein die sollte zeigen, was wir eigentlich tun 4,1 Milliarden Euro gestiegen. Unternehmen soll Recherchen der nieder-
müssen, um Engpässe zu beseitigen.“ Am gleichen Abend, als das Gutachten ländischen Hilfsorganisation IKV Pax
Berlin/Stuttgart – Eine Studie des Um- Ein Sprecher der Bahn AG wollte sich für das Umweltbundesamt bekannt wur- Christi und des Aktionsbündnisses land-
weltbundesamtes zur Finanzierung des zu dem Gutachten für das Umweltbun- de, mussten die „Stuttgart-21“-Gegner mine.de zufolge Streubomben oder zu-
Schienenverkehrs in Deutschland hat desamt nicht äußern: „Wir kennen dieses eine neue juristische Schlappe hinneh- mindest deren Komponenten herstellen.
neuen Streit über den geplanten Bahn- Gutachten gar nicht“, hieß es. Projekte men. Das Oberlandesgericht Stuttgart Der Ministeriumssprecher wies am Mitt-
hof „Stuttgart 21“ entfacht. Demnach wie „Stuttgart 21“ seien zuallererst Sa- lehnte einen Eilantrag auf einen Stopp woch darauf hin, dass der Vertrag zur
werde der Bahnhof keine Engstelle im che des Bundes. Der Gesetzgeber habe der Abrissarbeiten am Nordflügel ab. Ge- Beschaffung der zwei Körperscanner
deutschen Schienensystem beseitigen, den Bundesverkehrswegeplan und das klagt hatte Peter Dübbers, der Enkel des nicht mit dem US-Unternehmen, son-
sondern eine neue schaffen. Auch die Schienennetzausbaugesetz verabschie- Bahnhofsarchitekten Paul Bonatz. Er dern mit einem anderen Vertragspartner
Schnellfahrstrecke von Stuttgart nach det, und nur er könne die Entscheidung sieht in dem Abriss des Seitenflügels die abgeschlossen worden sei. Die Bundesre-
Ulm sei „konzeptionell falsch“. Oben- treffen, ob daran etwas geändert werde. „Amputation“ des Bauwerkes seines gierung werde jetzt weitere Prüfungen
drein könnten eingesparte Mittel helfen, Das Gutachten gibt den Gegnern des Großvaters, von dem er die Urheberrech- vornehmen und danach eine juristische
den Schienenverkehr in Deutschland aus- insgesamt sieben Milliarden Euro teuren te geerbt hat. Dübbers wollte mit der und politische Bewertung abgeben.
zubauen, heißt es in der Studie, die das Großprojekts erneut Auftrieb. Sie tref- einstweiligen Verfügung erreichen, dass Erst vor wenigen Tagen, zum 1. Au-
Berliner Beratungsunternehmen KCW fen sich seit Wochen und zu Tausenden die Arbeiten gestoppt werden, bis in ei- gust 2010, ist die Anti-Streubomben-
für das Umweltbundesamt fertigte. regelmäßig vor dem mittlerweile errichte- nem Berufungsverfahren über die Recht- Konvention der UN in Kraft getreten.
Das allerdings sei nicht als Bewertung ten Bauzaun am Nordflügel des Haupt- mäßigkeit des Teilabrisses entschieden „Das ist ein Verstoß gegen den Geist der
der Behörde über den geplanten Tunnel- bahnhofs zu ihren Demonstrationen. Je worden ist. Konvention“, sagte der Direktor von
bahnhof zu verstehen, hieß es am Mitt- näher der Beginn der ersten Bauarbeiten Das Landgericht Stuttgart hatte die landmine.de, Thomas Küchenmeister.
woch im Umweltbundesamt. „Stuttgart rückt, umso zahlreicher finden sich die Klage von Dübbers gegen den Teilabriss Mit den Bestellungen unterstütze man
21 ist ein Einzelprojekt“, sagte UBA-Prä- Stuttgarter zum Protest zusammen. So am 20. Mai abgelehnt. Dagegen hatte er das Unternehmen indirekt. Der Ge-
sident Jochen Flasbarth der Süddeut- hatten sich am vergangenen Samstag- am 23. Juni Berufung eingelegt, die er ei- schäftsführer von Handicap Internatio-
schen Zeitung. „Damit ist es kein Thema, abend 12 000 Demonstranten zur Groß- Der neue Stuttgarter Hauptbahnhof soll unter die Erde verlegt werden: Dort ist nen Monat später begründete. Am 5. Au- nal in Deutschland, François De Keers-
zu dem sich das Umweltbundesamt posi- kundgebung versammelt, so viele wie bis- aber nur Platz für weniger Gleise als bisher. Foto: ddp gust stellte er dann nach Angaben des maeker, warf dem Ministerium „Schlam-
tioniert.“ Zwar halte er selbst das Bahn- her noch nie. Während noch die Beschäf- Oberlandesgerichts einen Antrag auf perei“ vor. „Die haben nicht sorgfältig re-
hofsprojekt „nicht für zwingend rich- tigten einer Baufirma im Inneren des einstweilige Verfügung, um die Arbeiten cherchiert, bei wem sie bestellen.“ De
tig“. Aber die erforderlichen Mittel für Bahnhofs den Abriss des Nordflügels vor- das neugegründete „Paul Bonatz-Quar- ten bleiben soll; nur Nord- und Südflügel aufzuhalten. Mit diesem Antrag habe Keersmaeker wies darauf hin, dass ande-
den Ausbau der Schienenwege ließen bereiteten, zogen die Gegner vier Stun- tett“ die Proteste untermalte. Paul Bo- sollen abgerissen und die Gleise unter Dübbers aber zu lange gewartet, befan- re Länder wie Belgien, Luxemburg und
sich auch auf anderem Wege beschaffen, den lang durch die Stadt. Auch am Mitt- natz war der Architekt des Hauptbahn- die Erde verlegt werden. Die Kosten für den die Richter. Die Dringlichkeit für ei- Irland schon Gesetze erlassen hätten, die
etwa durch Umschichtungen im Ver- wochabend hatten sich wieder Hunderte hofs, dessen Hauptgebäude allerdings den neuen Durchgangsbahnhof und den ne Eilentscheidung habe damit nicht jegliches Geschäft mit den Herstellern
kehrshaushalt oder durch zusätzliche auf dem Bahnhofsvorplatz getroffen, wo auch im „Stuttgart-21“-Konzept erhal- Anschluss an die Schnellbahntrasse sind mehr vorgelegen. von Streubomben untersagen. std

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