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§ 5.

Die doxographische Tradition

Leonid Zhmud

1. Hauptgattungen der antiken Philosophiegeschichtsschreibung. – 2. Doxographie vor Theophrast. –


3. Theophrasts ‹Lehrmeinungen der Physiker›. – 4. Diels’ Rekonstruktion: Aëtios und ‹Vetusta placita›. –
5. Doxographie und Biographie. – 6. Bibliographie.

1. HAuPTgATTungen DeR AnTiken


PHiLosoPHiegescHicHTsscHReiBung

Die philosophischen Texte der frühgriechischen Denker waren, mit wenigen


Ausnahmen, in der nachklassischen Periode nicht besonders populär; trotzdem
hat man sie während der ganzen Antike aufbewahrt und abgeschrieben. einer
der letzten griechischen Philosophen, der Aristoteleskommentator simplikios
(6. Jh. n. chr.), führte umfangreiche Zitate von Parmenides, Anaxagoras, empe-
dokles, Melissos und sogar von einem eher zweitrangigen Autor wie Diogenes aus
Apollonia an. Dies zeigt, dass die direkte Überlieferung bis weit in die spätantike
reichte. Die Texte haben jedoch das Mittelalter nicht überlebt, so dass sich unsere
kenntnis nur auf indirekte Überlieferung über andere Autoren stützen kann,
wobei folgende zwei Quellengruppen zu unterscheiden sind:
1) Primärquellen, d.h. wörtliche Zitate aus vorsokratischen schriften, die
im Falle der bekannten Persönlichkeiten (Parmenides, Heraklit, Anaxagoras,
empedokles) repräsentativ sind, sich aber in anderen Fällen auch nur auf ein
paar Fragmente oder Paraphrasen beschränken können.
2) Sekundärquellen, zu denen die gesamtheit der indirekten Angaben über
einen Philosophen gehört, einschließlich der biographischen Mitteilungen. im
Folgenden wird derjenige Teil der indirekten Überlieferung behandelt, der die
antike Philosophiegeschichtsschreibung darstellt (umfassende Bibliographie zum
Thema: Mejer 2000 [*64: 91-194]); es wird eine gesamtübersicht ihrer genres
gegeben und ausführlich auf diejenigen Überlieferungsteile eingegangen, welche
die Vorsokratiker betreffen, vor allem auf die Doxographie (von doßcai, Lehrmei-
nungen, auch aöreßskonta bzw. placita genannt).
in der Philosophiegeschichtsschreibung, die sich nach Aristoteles herausge-
bildet hat, unterscheidet man gewöhnlich folgende grundgattungen: Biographie,
Doxographie, sukzessionen der Philosophen (diadoxaiß) und Literatur über die
philosophischen schulen; es gelingt jedoch nicht überall, hier deutliche grenzen
zu ziehen (ueberweg/Praechter 1926 [*19: 13-14], Mejer 1978 [*33: 60-61],
2000 [*64: 28-39], Mansfeld 1999 [*57: 16-17]; anders Runia 1999 [*60: 33-38]).
in der Literatur vor Aristoteles ist noch ein Werktyp bekannt, der sich auf die
philosophische Historiographie bezieht: die Monographie, die einem einzelnen
Hauptgattungen der antiken Philosophiegeschichtsschreibung 151

Philosophen bzw. einer einzelnen schule gewidmet ist. Die erste derartige schrift
war wahrscheinlich Demokrits ‹Pythagoras› (Dk 68 A 33), so dass man sagen
kann, dass die ersten Philosophiegeschichtsschreiber aus dem kreis der frühgrie-
chischen Denker selbst stammen.
Die Pythagoreer bleiben auch später ein beliebter gegenstand der Mono-
graphie; ihnen sind Titel wie ‹Pythagoreisches› des Xenokrates (Diog. Laert.
4,13), ‹Über die Pythagoreer› des Heraklides Pontikos (fr. 22, 40-41 Wehrli) und
mehrere Werke des Aristoteles gewidmet. im 4. Jahrhundert v. chr. waren Mo-
nographien über Vorsokratiker weit verbreitet; da aber von ihnen nur dürftige
Fragmente erhalten sind, können wir bei weitem nicht immer entscheiden, in wel-
chem Maß sie historisch, kritisch oder apologetisch ausgerichtet sind. nach dem
Titel zu urteilen, hat sich ziemlich früh eine bestimmte einteilung herausgebildet:
1) die Traktate, die gegen die Lehre eines Philosophen gerichtet sind, z.B. ‹gegen
Zenons Lehre› oder ‹gegen Demokrit› von Heraklides Pontikos (fr. 22 Wehrli),
und 2) die Werke über einen Philosophen, z.B. ‹Über Parmenides’ Lehre› von
Xenokrates (Diog. Laert. 4,13) oder ‹Auslegungen Heraklits› ebenfalls von
Heraklides Pontikos (fr. 39 Wehrli). Die Fragmente zweier Monographien des
Aristoteles bestätigen diese einteilung: ‹Über die Pythagoreer› (fr. 191-196
Rose) enthält eine sammlung der Materialien, die bei weitem nicht immer zur
Philosophie gehören (das betrifft auch ‹Über die Pythagoreer› von Heraklides
Pontikos), während ‹gegen die Pythagoreer› (fr. 198-205 Rose) eine Auseinan-
dersetzung mit den philosophischen und wissenschaftlichen Ansichten dieser
schule darstellt.
Mit Ausnahme von Heraklides Pontikos, der dem Lykeion nahestand, inter-
essierten sich die Platoniker wenig für die frühen Denker – ihre Monographien
waren hauptsächlich Platon gewidmet. im gegensatz dazu hat Aristoteles,
der sich als nachfolger des ganzen vorangehenden philosophischen Denkens
verstand, eine Reihe von Monographien über die Vorsokratiker geschaffen;
Theophrast hat noch mehr solcher schriften verfasst. Bezeichnend ist, dass die
Thematik sich nirgends überschneidet: Aristoteles schrieb über die eleaten
(‹gegen Xenophanes›, ‹gegen Zenon›, ‹gegen Melissos›) und die Pythagoreer
(‹gegen Alkmaion›, ‹Über Archytas’ Philosophie›: Diog. Laert. 5,25),Theophrast
über die ionier (Anaximander, Anaximenes, Anaxagoras, Archelaos, Demokrit,
Diogenes, Metrodoros) und empedokles (137 no. 27-40 FHsg). Während man
Aristoteles’ Monographien als Vorbereitung zu seinen theoretischen Werken
betrachten kann, die sich in der Regel auf eine kritische untersuchung der Vor-
gängermeinungen stützten, stellte sich Theophrast eher eine historiographische
Aufgabe, indem er sich bemühte, keinen auch nur einigermaßen bedeutenden
‘Physiker’ außer Acht zu lassen. Fast alle seine Monographien sind von der Art
‹Über XY›; in einigen Titeln steht sunagvghß, womit eine ‹sammlung› philoso-
phischer Lehrmeinungen bezeichnet wird (137 no. 39-40 FHsg), und zwei vom
Titel her klar zu unterscheidende Werke, ‹Über Anaxagoras’ Lehre› und ‹gegen
Anaxagoras› (137 no. 29-30 FHsg), belegen, dass auch Theophrast an der oben-
genannten einteilung festhielt (vgl. seine schrift ‹gegen die Physiker›: fr. 245
FHsg). Wie streng sie war, wissen wir nicht. Allem Anschein nach enthielten
152 § 5. Die doxographische Tradition (Bibl. 172-174)

die Monographien beider Arten sowohl Bericht als auch kritik, aber in jeweils
unterschiedlichem Ausmaß. Theophrast hat das Material seiner Monographien,
von denen fast nichts erhalten ist (vgl. fr. 235 FHsg), später in seinem umfang-
reichen doxographischen kompendium ‹Meinungen der Physiker› (Fusikvqn
doßcai) verwendet, das auch unter dem Titel ‹Über die Physiker› bekannt ist
(s. unten c.). somit kann man die Monographie für eine historische Vorgängerin
der Doxographie und zugleich für eine ihrer wichtigen Quellen halten.
etwas später als die Monographie und praktisch gleichzeitig mit der Doxo-
graphie entstand die Biographie, deren Begründer die Peripatetiker Aristoxenos –
in seiner Jugend ein schüler der Pythagoreer – und Dikaiarchos sind (zu den
Vorgängern der peripatetischen Biographie s. FgrHist 1008-1111). Biographische
Werke des Aristoxenos zeigen eher seine persönlichen als seine philosophischen
Vorlieben, was für die Biographie als genre allgemein kennzeichnend ist. Die
Biographien des Pythagoras und seiner Anhänger zeichnen ein idealisiertes Bild
der Philosophen, gelehrten und Politiker, die gemäß ihren ethischen Prinzipien
lebten (fr. 11-25. 26-32. 47-50 Wehrli). Die Biographien des sokrates und Platon
sind dagegen voll von skandalösen geschichten, wie z.B. den Anschuldigungen,
sokrates habe ein sexuelles Verhältnis mit Archelaos gehabt, und Platon sei ein
Parasit und Plagiator gewesen (fr. 52. 62. 67). Der viel weniger voreingenommene
Dikaiarchos hat in seinen ‹Biographien› (fr. 25-46 Wehrli) ebenfalls vorwiegend
über Pythagoras, sokrates und Platon geschrieben, die für ihn verschiedene For-
men philosophischen Lebens repräsentierten. Biographische Werke, gewöhnlich
mit dem Titel ‹Über Lebensformen› (Peri? bißvn), sind auch für Herakleides
Pontikos (fr. 22 Wehrli), Theophrast (fr. 436 nr. 16 FHsg), Phainias aus eresos
(fr. 30-31 Wehrli), klearchos (fr. 37-62 Wehrli) und straton (fr. 136 Wehrli) bezeugt.
Die Biographie als gattung zielte nicht auf eine ausführliche Darlegung der
philosophischen Lehren und noch weniger auf deren Analyse. im Zentrum der
erzählung stehen die Persönlichkeit und Lebensweise des Philosophen. Zu den
standardthemen gehören die Herkunft des Denkers, seine Lehrer und schüler,
seine öffentliche und politische Tätigkeit, seine Reisen, sein charakter und seine
gewohnheiten, sprüche und schließlich sein Tod. Demgemäß hat sich die Biogra-
phie als komplement des doxographischen genres herausgebildet, das nur sehr
selten einzelne biographische Daten enthält; sie war auf das breitere Publikum
ausgerichtet und folglich freier angelegt. Der Mangel an biographischen Daten
veranlasste die Biographen oft, einzelne Thesen der Philosophen auf ihren
charakter und ihre Lebensweise zu übertragen. umgekehrt konnte man die
Lebensweise auf diese oder jene (nicht selten künstliche) Art mit den Lehren, be-
sonders den ethischen, in Verbindung bringen (vgl. Aristox. fr. 50 Wehrli). Diese
Verbindung scheint jedoch nicht systematisch gewesen zu sein und nicht konsti-
tutiv für die gattung; auf jeden Fall aber war sie für die überwiegende Mehrheit
der Vorsokratiker, bei denen ethische Lehren fehlten, nicht offensichtlich.
im 3. Jahrhundert v. chr. wurden Lebensbeschreibungen der Philosophen
in sammlungen zusammengeführt und philosophische genealogien einzelner
Denker und ganzer schulen nachgewiesen. Diese Tendenzen haben zur entste-
hung eines neuen genres geführt, der sukzessionen der Philosophen. Als deren
Hauptgattungen der antiken Philosophiegeschichtsschreibung 153

Vorbild gilt das Werk des sotion aus Alexandria (um 200 v. chr.) Diadoxai? tvqn
filosoßfvn (Wehrli 1978 [*3]). sotions ‹sukzessionen› haben in einem genea-
logischen schema alle zu jener Zeit bekannten philosophischen Richtungen
verbunden und der ganzen nachfolgenden historiographischen Tradition ihren
stempel aufgedrückt. Die komposition von sukzessionen verbindet systema-
tische und chronologische Prinzipien: Die Philosophen werden auf schulen
verteilt, jeder von diesen wird ein Buch gewidmet; an erster stelle im Buch steht
die Biographie des schulgründers, daran schließen sich die seiner nachfolger
und schüler. Diejenigen, bei denen es nicht gelang, sie an irgendwelche schulen
anzuschließen (oiÖ sporaßdhn, die einzelgänger), wurden getrennt behandelt,
z.B. Heraklit. Die schulen ihrerseits wurden – von den Milesiern bis zur stoa –
in ionische und italische Zweige aufgeteilt, innerhalb deren sie in chronologi-
scher ordnung aufeinander folgten. Zum ionischen Zweig gehörten die Mile-
sier, Anaxagoras und Archelaos; dessen angeblichem schüler sokrates folgten
alle mit ihm verbundenen schulen: Megariker, Platoniker, Peripatetiker und
kyniker; den Letzteren waren die stoiker angeschlossen. Der italische Zweig
bestand aus den Pythagoreern und den eleaten; mit den eleaten wurden die
Atomisten verbunden; den Letzteren wurden schließlich die Pyrrhonisten und
die epikureer zugeschlagen. Ansatzweise zeigt sich eine solche einteilung schon
in Theophrasts kompendium, das fast alle ‘Physiker’ in zwei sukzessionslinien
einordnet (s. unten c.); sotion hat dieses kompendium bzw. die epitome
davon benutzt. Den sukzessionen noch näher steht das biographische Werk
des Phainias, ‹Über die sokratiker› (fr. 30-31 Wehrli). Aus den Fragmenten der
sukzessionen (giannattasio Andria 1989 [*6]) ersieht man, dass die philosophi-
schen Doktrinen darin eine nur unbedeutende Rolle spielten. Die überwiegende
Mehrheit des Materials gehört zur Biographie, wie sie von den Peripatetikern
und ihren hellenistischen nachfolgern verstanden wird (Mejer 1978 [*33: 64-65]).
Fast gleichzeitig mit den sukzessionen entsteht die Literatur über die philo-
sophischen schulen, die auf die schrift ‹Über die schulen› (Peri? aiÖreßsevn) des
Hippobotos, eines älteren Zeitgenossen sotions, zurückgeht (gigante 1984 [*5]).
Anders als die Biographie war diese gattung der systematischen Darstellung der
Lehrgebäude einzelner philosophischer schulen gewidmet. Hippobotos selber
betrachtete in seiner schrift ethische Doktrinen der postsokratischen schulen.
später schließen die Werke über die schulen auch physikalische (z.B. Areios Di-
dymos; Diels 1879 [*2: 447-472]) und medizinische Lehren ein (z.B. FgrHist 1058
F 1; von staden 1999 [*61]). Trotzdem sollte man diese gattung nicht zur Doxo-
graphie rechnen, wie dies gelegentlich gemacht wird (Wyss 1959 [*27: 199], Mejer
2000 [*64: 31-33]). ungeachtet der Ähnlichkeit zwischen diesen zwei gattungen
sind inhaltliche und formale unterschiede offensichtlich: 1) Da die Literatur über
die schulen nicht in direkter nachfolge von Theophrasts kompendium stand,
werden hier die Vorsokratiker nicht berücksichtigt, sondern nur gelegentlich in
den einleitungen erwähnt. im gegensatz dazu befasst sich Theophrasts Doxo-
graphie nicht mit den ethischen, sondern nur mit den physikalischen Lehren der
Vorsokratiker und Platons. 2) Die Meinungen verschiedener Philosophen, die in
der Doxographie dargelegt werden, antworteten auf die konkreten Fragen, die
154 § 5. Die doxographische Tradition (Bibl. 172-174)

in Theophrasts ‘Fragebogen’ formuliert und nach dem von ihm ausgearbeiteten


schema organisiert waren. Die schriften über die ‹Lehrsysteme› sind anders,
und zwar nach schulen, dann nach Fächern (Physik, ethik, Logik) und innerhalb
dieser nach Themen angeordnet.

2. DoXogRAPHie VoR THeoPHRAsT

Der für die Vorsokratikerstudien wichtigste Teil der antiken Philosophie-


geschichtsschreibung ist die Doxographie, die ihren Anfang als gattung in Theo-
phrasts ‹Lehrmeinungen der Physiker› (Fusikvqn doßcai) nimmt. Die Rekonstruk-
tion dieses genres, die Analyse seiner eigenschaften und seiner evolution, sowie
die Ausgabe der Texte seiner wichtigsten Vertreter hat Diels in seinen fundamen-
talen ‹Doxographi graeci› (1879 [*2]) ausgeführt. Diels’ brillante Rekonstruktion
der doxographischen Überlieferung bildet die solide grundlage seiner ‹Fragmente
der Vorsokratiker› (1903), auf die sich seitdem die Vorsokratikerforschung stützen
kann. Diels hat auch den Begriff ‘Doxographen’ eingeführt, unter denen er die
Autoren jener schriften verstand, deren gattungseigenschaften und Hauptinhalt
sich direkt oder indirekt auf die ‹Meinungen der Physiker› zurückführen lassen.
später hat der Begriff ‘Doxographie’ eine erweiterte (manchmal auch pejorative)
Bedeutung bekommen (Runia 1999 [*60: 34]) und kann jetzt jede systematische
Darlegung philosophischer (medizinischer u.a.) Lehren bezeichnen. Beide Bedeu-
tungen können koexistieren. Man muss nur dabei berücksichtigen, dass Doxogra-
phie im engeren Sinn 1) nicht das einzige genre antiker Historiographie ist, das
philosophische Doktrinen systematisch darlegte, 2) sich nur mit den physikalischen
Lehren befasst und 3) sich durch andere charakteristische Merkmale auszeichnet,
die es ermöglichen, doxographische Passagen auch in schriften zu identifizieren,
die zu den anderen genres gehören.
Anders als die Forschung zur frühgriechischen Philosophie setzten sich doxo-
graphische studien nach Diels nur episodisch fort (Wendland 1897 [*14], Pasquali
1910 [*16]) und betrafen meistens Theophrast (stratton 1917 [*17], McDiarmid
1953 [*23], von kienle 1961 [*28], gigon 1969 [*32]). Bis zu den 1980er Jahren
wurden Diels’ Hauptthesen von fast allen Fachkennern angenommen. Zu den
sehr seltenen Beispielen von kritik gehört steinmetz (1964 [*30]). Das starke
Wiederaufleben doxographischer studien beginnt in den 1980/90er Jahren und
verläuft seitdem in folgenden Hauptrichtungen: 1) erforschung der doxogra-
phischen Tradition vor Theophrast, insbesondere bei den sophisten, Platon und
Aristoteles (Berti 1986 [*35], Mansfeld 1986 [*36], Patzer 1986 [*37]); 2) Analyse
der Doxographie des Theophrast (Baltussen 1993/2000 [*62], Mansfeld 1996
[*46], sharples 1998 [*52]) und seiner nachfolger (Daiber 1980 [*4]); 3) kritik
an der Diels’schen Theorie im Allgemeinen (Lebedev 1984 [*34], 1988 [*38])
sowie an einzelnen Thesen von Diels’ (kingsley 1994 [*45], Bremmer 1998 [*49],
Baltussen 2000 [*63]). insbesondere sind hier zahlreiche Arbeiten von Mansfeld
und Runia zu erwähnen, die eine Reihe wesentlicher Alternativen zu Diels’
Rekonstruktion sowie ihrer ergänzungen und Präzisierungen vorgeschlagen
Doxographie vor Theophrast 155

haben (z.B. Mansfeld 1990 [*41], 1992 [*42], 1992 [*43], Runia 1992 [*44], 1999
[*59], Mansfeld/Runia 1997-2009 [*48]; zur kritik einiger ihrer Thesen Zhmud
2001 [*65]; vgl. Mansfeld 2002 [*66]). Die nachfolgende Darstellung wird sich von
den Anfängen der Doxographie bis hin zu Aristoteles und Theophrast bewegen
und dabei der Rekonstruktion von Diels folgen, wobei erforderlichenfalls auf
strittige, in der gegenwärtigen kritik diskutierte Punkte hingewiesen wird.
einen der frühesten doxographischen Überblicke bietet Herodot, der seiner
eigenen erklärung der nilüberschwemmungen (2,24-25) den Bericht über drei
frühere Meinungen vorausschickt, und zwar von Thales, euthymenes aus Mas-
salia und Anaxagoras (2,20-23). ihre namen werden nicht genannt, sind aber
aus der nachfolgenden Doxographie (‹Über die nilschwelle› des Aristoteles
und Aëtios 4,1) leicht rekonstruierbar. Herodots Bericht weist eine Reihe von
Merkmalen auf, die später für die peripatetische Doxographie kennzeichnend
werden: Das physikalische Problem wird formuliert, die entsprechenden doxai
der Vorgänger (zwei von ihnen sind ‘Physiker’) werden in ihrer chronologischen
ordnung dargestellt, dann folgt ihre kritik von verschiedenen standpunkten
aus. Da Herodot kein ‘Physiker’ war, stützte er sich wahrscheinlich auf eine
frühere doxai-Übersicht über die ursachen der nilüberschwemmungen. Dieses
zu seiner Zeit selbst schon traditionell gewordene Problem war bestens geeignet,
Ausgangspunkt jener Tradition zu werden, welche die Meinungen miteinander
wetteifernder Denker darstellte. Ähnlich wie andere berühmte wissenschaftliche
Probleme (Würfelverdopplung, Dreiteilung des Winkels) erregte es immer
wieder Aufmerksamkeit, auch nachdem die richtige Lösung gefunden war. Die
doxographische Darstellung zeigt damit anschaulich den agonalen charakter
griechischer kultur. Bezeichnend ist die im doxographischen kontext formulierte
Bemerkung des Aristoteles: «Wir alle haben die gewohnheit, die Forschung
zu führen, indem wir uns nicht nach dem gegenstand richten, sondern nach
den einwendungen desjenigen, der entgegengesetztes behauptet» (De caelo
294b7-9; auf den agonalen ursprung der aristotelischen Doxographie weist
cherniss 1935 [*20: 349] hin). Dieses Verfahren wandte gorgias an, als er im
streit mit allen anderen Denkern zu beweisen versuchte, dass nichts existiert:
Den eigenen Argumenten schickte er eine doxographische Übersicht voraus
(Ps.-Arist. De Melisso, Xenophane, gorgia 5, 979a14-18, vgl. 980a1-8), die kurz
die gegensätzlichen Thesen 1) der Monisten und Pluralisten, 2) der Anhänger
und 3) der gegner der entstehung der Welt und der Bewegung zusammenfasste
(Mansfeld 1986 [*36: 59-61]). im ‹Lob der Helena› (Dk 82 B 11,13) weist gor-
gias auf den agonalen Aspekt solcher Debatten hin, indem er «Meteorologen»
erwähnt, die eine Meinung zerstören und sie durch eine andere ersetzen, sowie
die «Wortwettkämpfe der Philosophen» (filosoßfvn loßgvn aÖmißllaw), die die
Hörer zwingen, ihre Meinungen rasch zu ändern. Xenophon führt dieselben drei
Paare gegensätzlicher doxai über das seiende auf (ohne namen) wie gorgias
und betont noch mehr die Widersprüche zwischen den Weisen, die untereinander
niemals einig werden könnten, «sondern sich gegenseitig verhielten wie die
Wahnsinnigen» (Mem. 1,1,13-14). Dasselbe Bild der philosophischen streitge-
spräche liefert eine hippokratische schrift vom ende des 5. Jahrhunderts v. chr.,
156 § 5. Die doxographische Tradition (Bibl. 172-174)

die auch Hauptthesen der Beteiligten nennt: «von ihnen sagt der eine, dieses
eine und ganze sei Luft, der andere Wasser, der dritte Feuer, der vierte erde»
(De nat. hom. 1). Bei isokrates, einem schüler des gorgias, finden wir zum ersten
Mal eine Liste der Vorsokratiker mit ihren Prinzipien: Jemand behaupte, die Zahl
der Prinzipien sei unendlich, empedokles nenne vier, ion drei, Alkmaion zwei,
Parmenides und Melissos eines – und gorgias überhaupt keines (Antid. 268,
vgl. Hel. 3). Als urheber dieser klassifikation schlägt Mansfeld (1986 [*36: 61])
gorgias vor, Patzer (1986 [*37: 90]) Hippias.
Während gorgias, Xenophon, isokrates und der Hippokratiker die Differen-
zen betonten, hat Hippias in seiner ‹sammlung› (Sunagvghß) den Versuch unter-
nommen, Verwandtschaften zwischen den Vorstellungen der alten Dichter und
denjenigen der Prosaiker, zumeist Philosophen, zu finden (Dk 86 B 4). Dieses
erste Werk einer ideengeschichte hat deutliche spuren in den doxographischen
Passagen bei Platon und Aristoteles hinterlassen, besonders da, wo ideen der
Vorsokratiker mit Zitaten aus orpheus, Homer, Hesiod verglichen werden
(Mansfeld 1986 [*36], Patzer 1986 [*37]). Aristoteles aber hat die Hauptthese des
Hippias über die Verwandtschaft der naturphilosophie und der theogonischen
Dichtung nicht aufgenommen und die alten ‘Theologen’ einer sonderkategorie
zugerechnet (Zhmud 2006 [*72: 131-132]).
Man kann also festhalten, dass am ende der frühgriechischen epoche, die
philosophische Auseinandersetzungen von einmaliger intensität erlebt hat, die
Zeitgenossen der Vorsokratiker (und wahrscheinlich teilweise diese selbst) be-
reits die grundlegenden Methoden der klassifikation philosophischer Meinungen
ausgearbeitet haben, die später Aristoteles und seine schüler verwendeten. Zu
diesen Methoden gehört sowohl die chronologische als auch die systematische
Anordnung. Letztere schließt die Aufteilung der Denker nach Zahl oder charak-
ter ihrer Prinzipien ein, und zwar in ‘gegnerische’ (Monisten und Pluralisten usw.)
und ‘verwandte’ gruppen (z.B. Thales und Hippon, die dasselbe Prinzip, nämlich
Wasser, behaupteten). Zu guter Letzt wurde die Hauptgruppe der Träger dieser
Meinungen identifiziert – die ‘Philosophen-Meteorologen’, d.h. die späteren
‘Physiker’ des Aristoteles –, und es wurden Versuche unternommen, deren ge-
danken mit den Vorstellungen der alten theogonischen Dichter zu vergleichen.
Platon hat die Methoden der historiographischen klassifikation zwar benutzt
(Mansfeld 1986 [*36]), zu ihnen aber nichts prinzipiell neues beigetragen. Da
er sich weniger für die frühen Denker als solche interessierte, sondern vor
allem für diejenigen, in denen er seine eigenen Vorgänger sah, insbesondere
Parmenides und Heraklit, kommen doxographische Passagen in seinen Dia-
logen nur sporadisch vor und betreffen denselben engen kreis von Personen.
ein fester Bestandteil der philosophischen und wissenschaftlichen Methode
ist die Doxographie erst bei Aristoteles geworden, der sich im gegensatz zu
sokrates und Platon als legitimer nachfolger der gesamten vorsokratischen
‘naturforschung’ (peri? fußsevw iÖstorißa) betrachtete. Die doxai der ‘Physiker’
dienten ihm als Ausgangspunkt bei der Lösung naturphilosophischer Probleme,
ungeachtet ob er mit ihnen einverstanden war. Dieser Ansatz war mit einer für
einen antiken Philosophen einzigartigen Bereitschaft verbunden, die Meinungen
Doxographie vor Theophrast 157

der Philosophen wie auch der gewöhnlichen Menschen (eändoca, Top. 1, 100b21)
zu berücksichtigen und sie bei der entwicklung eigener Ansichten zu verwenden
(gigon 1954 [*24], owen 1961 [*29]). Aristoteles wollte «präzisieren, entwickeln
und begründen, was schon längst zum Wissen der Menschen, wenn auch in der
unbestimmten Form, gehörte» (gigon 1954 [*24: 134]). neben einer epistemolo-
gischen gab es zwischen Aristoteles und den Vorsokratikern auch eine bewusst
historische Verbindung, die sich auf die erstmals von ihm vertretene Vorstellung
von intellektueller entwicklung in der Zeit und von der eigenen Position in
der geschichte der ideen stützte (Jaeger 1923 [*18: 3]). Analog zur teleologisch
verstandenen natürlichen evolution bewegen sich gesellschaft, kultur und
deren Zweige (künste, Wissenschaften, Philosophie) von primitiven Anfängen
aus zu einem Zustand der Vollkommenheit hin, den Aristoteles für seine eigene
Zeit in vielem als schon (oder fast) erreicht betrachtete (eth. nic. 1098a23-25;
Poet. 1449a15; Pol. 1252a26-31. 1264a3; Met. 993a15-17). insbesondere sollte die
entwicklung der Philosophie, deren Denkformen anfänglich unausgereift wie
kinderreden waren, mit dem system des Aristoteles bald vollendet werden
(Met. 993a15-17; fr. 53 Rose). in dieser Perspektive wurden die Meinungen der
Vorsokratiker als eine Vorstufe zu den Theorien des Aristoteles gesehen. sie
wurden von Aristoteles und Theophrast in peripatetischen kategorien interpre-
tiert, so dass die Denker des 6. und 5. Jahrhunderts oft gezwungen wurden, auf
Fragen zu antworten, die sie selbst gar nicht gestellt hatten (cherniss 1935 [*20],
McDiarmid 1953 [*23]). im Rahmen dieser historischen konstruktion, die sich
als ‘teleologischer Progressivismus’ bezeichnen lässt, wurden die Hauptgesichts-
punkte über die entstehung der Philosophie ausgearbeitet sowie die kriterien,
nach denen sich die Philosophie von vorangehenden Denkformen und anderen
Arten intellektueller Tätigkeit unterscheidet, wer entsprechend als Philosoph
qualifiziert werden darf und in welcher Richtung sich die evolution der Philo-
sophie bewegt. Aristoteles hat die Anfänge der Philosophie mit dem Auftreten
der milesischen ‘Physiker’ Thales, Anaximander und Anaximenes gleichgesetzt
(die Platon praktisch ignorierte), indem er in ihren Überlegungen über die natur
eine prinzipielle Verwandtschaft mit seiner eigenen Weise des Philosophierens
gesehen hat wie auch prinzipielle unterschiede zu den ihnen vorangehenden my-
thologischen spekulationen griechischer und orientalischer Theogonien, die in
seiner sicht bestenfalls als Vorgeschichte der Philosophie gelten können. obwohl
im Hellenismus die allegorische Deutung der homerischen Dichtung diese zur
Quelle jeglicher Weisheit, einschließlich der Philosophie, verwandelt, wurde die
aristotelische konstruktion in der antiken Philosophiegeschichte vorherrschend
und ist es in modifizierter Form bis heute geblieben. in Anbetracht des gewalti-
gen einflusses auf seine schüler, zu denen die ersten anerkannten Vorbilder der
Biographie (Aristoxenos, Dikaiarchos), der kultur-, Religions- und Philosophie-
geschichte (Dikaiarchos, eudemos, Theophrast), der Wissenschaftsgeschichte
(eudemos) und der Medizingeschichte (Menon) gehören, kann Aristoteles nicht
nur als schöpfer der Philosophiegeschichte als system gelten (im unterschied zu
den einzelnen doxographischen Methoden), sondern auch der geistesgeschichte
insgesamt (von Fritz 1958 [*26], Zhmud 2006 [*72: 133-140]).
158 § 5. Die doxographische Tradition (Bibl. 172-174)

Dabei muss man darauf Rücksicht nehmen, dass Aristoteles als origineller
Denker die Vorsokratiker kaum mit dem unbefangenen Blick des Philosophie-
historikers betrachten konnte, dass seine historisch-philosophischen Rekon-
struktionen teilweise inadäquat und anachronistisch sind, und schließlich, dass
die ihm zugänglichen Methoden mit der akribischen historisch-philologischen
Analyse, wie sie in der modernen Forschung praktiziert wird, nicht vergleichbar
sind (zu Aristoteles als Philosophiehistoriker cherniss 1935 [*20], Jaeger 1937
[*21], guthrie 1957 [*25]). Doxographische Übersichten, mit denen viele Traktate
des Aristoteles beginnen, sind, je nach ihren Aufgaben, verschieden aufgebaut. in
‹Physik› A 2 charakterisiert er die Prinzipien der Vorsokratiker nach dem schema
der platonischen Dihairese: es soll entweder ein Prinzip (aörxhß) oder viele Prinzi-
pien geben; wenn eines, dann entweder ein unbewegtes oder ein bewegtes; wenn
viele, dann ist ihre Zahl entweder begrenzt (zwei, drei usw.) oder unbegrenzt;
wenn unbegrenzt, dann sind sie entweder gleichartig oder verschiedenartig. Da
Aristoteles nur wenige namen nennt (Parmenides, Melissos, Demokrit), ist es
offensichtlich, dass er sich hier viel stärker für den systematischen Aspekt der
Prinzipienlehre interessierte als für den historischen (vgl. De gen. et corr. 1,1-2,
wo die doxai viel ausführlicher dargestellt sind). in ‹De anima› 1,2 enthält der
Überblick über die früheren Meinungen über die seele rund 15 namen und
Theorien, deren individuelle Besonderheiten es praktisch unmöglich machen,
sie nach zwei Hauptmerkmalen (die seele als Prinzip der Bewegung oder der
empfindung) konsequent einzuteilen. Aristoteles führt noch ein paariges Merk-
mal ein (körperlich – unkörperlich), kombiniert es mit den anderen, so dass sein
Überblick schließlich inkonsequent erscheint.
Anders ist der historiographische Abriss in ‹Metaphysik› A 3-7 aufgebaut, der
die entwicklung der mit den vier ursachen verbundenen Vorstellungen zurückver-
folgt. ihm liegt die klassifikation der doxai nach dem Typus der ursache zugrunde:
zuerst die materielle, dann die bewegende usw. Da aber nach Aristoteles’ Auffas-
sung alle frühen ‘Physiker’ und ein Teil der späteren nur eine materielle ursache
anerkannten, gewinnt die Übersicht von Anfang an einen historischen charakter.
Die doxai der Monisten sind nach Verwandtschaft ihrer ursachen verbunden:
Thales und Hippon: Wasser; Anaximenes und Diogenes: Luft; Hippasos und He-
raklit: Feuer. nach den Monisten folgt empedokles, der die vierte ursache, erde,
hinzufügte, und Anaxagoras, der dachte, die Zahl der archai sei unendlich. unter
dem Zwang der Tatsachen und der Wahrheit selbst hätten sich Anaxagoras und
empedokles von den materiellen ursachen den bewegenden zugewendet; nach
ihnen werden jedoch Leukipp und Demokrit genannt, die nur materielle ursachen
kannten. Darauf folgen die Pythagoreer, die gleichzeitig mit den Atomisten lebten,
teilweise auch früher als sie; ihre ursachen waren die Zahlen, während andere
(offenbar spätere) Pythagoreer zehn Paare von gegensätzen als archai aufstellten;
Ähnliches lehrte Alkmaion. Aristoteles’ Darstellung der Pluralisten bedeutet die
vorletzte stufe seiner Übersicht, dann kehrt er zu den ‘metaphysischen’ Monisten
zurück, d.h. zu Xenophanes, Parmenides und Melissos. Als letzter folgt Platon, der
die dritte, die formale ursache hinzufügte (obwohl er selbst nur zwei anerkannte),
während die vierte, die finale, erst von Aristoteles selbst präzisiert wurde.
Doxographie vor Theophrast / Theophrasts ‹Lehrmeinungen der Physiker› 159

in dieser Übersicht fallen einige charakteristika auf, die in ihrer gesamt-


heit die umwandlung der Doxographie in eine historiographische gattung
kennzeichnen. obwohl die chronologische Abfolge nicht die hauptsächliche
Methode ist, steht sie für Aristoteles im Vordergrund. Demselben Zweck dienen
die zahlreichen Bezugnahmen auf die Priorität bei der entwicklung wichtiger
gedanken. so werden als erst-erfinder (prvqtoi euÖretaiß) Thales, empedokles,
Hesiod und Parmenides, die Pythagoreer und Xenophanes genannt. Wenn zwei
Philosophen die gleiche Meinung vertreten, wird der frühere zuerst erwähnt
(Thales und Hippon usw.); in strittigen Fällen löst Aristoteles das Problem der
Priorität durch den Rückgriff auf chronologische Argumente (Alkmaion und
die Pythagoreer; Anaxagoras und empedokles). es gibt direkte Bezüge auf die
geburtsorte der Philosophen (Hippasos, Heraklit, Anaxagoras, Alkmaion) und
auf Lehrer-schüler-Verhältnisse (Xenophanes und Parmenides, Leukipp und
Demokrit); der einfluss der früheren Denker auf die späteren wird beachtet
(Pythagoreer und Platon). Außerdem kann man in dieser Übersicht die Anfänge
der zukünftigen gliederung in schulen (ionier, Pythagoreer,Atomisten, eleaten)
erkennen.

3. THeoPHRAsTs ‹LeHRMeinungen DeR PHYsikeR›

Die von Aristoteles entwickelten Methoden der organisation und Präsen-


tation der doxai wurden in Theophrasts ‹Lehrmeinungen der Physiker› noch
konsequenter angewandt. im Allgemeinen kann man die Mehrebenenstruktur
dieser schrift folgendermaßen beschreiben: Der Traktat war insgesamt systema-
tisch organisiert, wobei die Wahl der Probleme historisch bezeugte interessen
der ‘Physiker’ widerspiegelte. Das Material wurde nach Themen in Bücher und
weiter nach einzelnen Problemen in kapitel aufgeteilt. innerhalb der kapitel
wurden die Lehren konkreter Philosophen referiert und kritisch beurteilt, wobei
diese wiederum in Verwandtschaftsgruppen zusammengestellt wurden (falls es
zweckmäßig war) und/oder oft in chronologischer ordnung, aber nicht unbedingt
nacheinander, folgten. Dabei ist bezeichnend, dass das erste kapitel dieses
Werkes, dessen Fragmente bei simplikios erhalten sind (fr. 224-230 FHsg),
so strukturiert war, dass dem Leser ein historisches Bild von der allmählichen
Vollendung der Philosophie von ihren ersten, noch unreifen Anschauungen bis
zum gegenwärtigen stand präsentiert werden sollte. Verschiedenartige Hinweise
auf die relative chronologie und/oder doktrinale Abhängigkeit werden für 13
von 17 hier erwähnten Philosophen gegeben. Die Bezüge auf schüler-Lehrer-
Verhältnisse sind auch zahlreicher und differenzierter als bei Aristoteles im ers-
ten Buch der ‹Metaphysik›. in einigen Fällen wird eine persönliche Verbindung
zwischen verschiedenen Philosophen angenommen (Thales und Anaximander,
Anaximander und Anaximenes, Xenophanes und Parmenides, Leukipp und
Demokrit, Anaxagoras und Archelaos), bei anderen eher das Aufgreifen von
gedanken impliziert (Anaximenes und Anaxagoras, Parmenides und Leukipp,
Anaxagoras und Diogenes aus Apollonia, Demokrit und Metrodoros). Das
160 § 5. Die doxographische Tradition (Bibl. 172-174)

Prinzip des erst-erfinders (prvqtow euÖrethßw) hat hier auch seinen Platz gefunden:
Thales hat als erster eine Lehre über die natur aufgestellt, Anaximander den
Begriff der arche entdeckt, Anaxagoras zum ersten Mal die Bewegungsursache
eingeführt (fr. 225. 226a. 228a FHsg). Die geburtsorte aller Philosophen mit
Ausnahme von Hippon werden genannt. Die Patronymika hat simplikios nur
in fünf Fällen bewahrt, aber es gibt viele gründe für die Annahme, dass dies
bei Theophrast die Regel und nicht die Ausnahme war. nachdem Theophrast
knappe biographische Daten über die ‘Physiker’ angeführt hatte, die auch für
seine historiographische konzeption wichtig sind (über die einteilung in schulen
s. weiter unten), konzentrierte er seine ganze Aufmerksamkeit auf den ursprung
und die Rezeption neuer ideen, auf die spezifischen Formen der entwicklung
der naturphilosophie, auf den Beitrag jedes einzelnen Denkers und auf seine
Abhängigkeit von den Vorgängern.
Das Bestreben Theophrasts, der Doxographie eine noch größere historische
Dimension beizumessen, spiegelt eine neue situation wider, in der sein Werk
entstand. Während bei Aristoteles doxographische Übersichten ein Teil seines
Ansatzes zur Lösung philosophischer und wissenschaftlicher Probleme waren,
gibt es in den erhaltenen eigenen naturwissenschaftlichen Arbeiten Theophrasts
sowie in den Fragmenten seiner ‹Physik› solche Übersichten nicht. seine
Hinweise auf die Vorgänger sind in diesen Arbeiten sehr selten und meistens
knapp (vgl. aber seine Berichte über Menestor, Dk 32 A 2-7). Theophrast
hat der Philosophiegeschichtsschreibung eine spezielle Funktion zugewiesen,
indem er zahlreiche historisch-kritische Monographien über die Vorsokratiker
geschrieben und danach das ganze Vorbereitungsmaterial (sein eigenes und das
des Aristoteles) in ein umfangreiches doxographisches kompendium zusam-
mengeführt hat. Bei der Reorganisation dieses Materials hielt Theophrast es
nicht für nötig, kritik völlig zu entfernen, obwohl er sie wahrscheinlich kürzte.
Am besten ist uns der kritische Aspekt der Doxographie aus dem Traktat ‹De
sensibus› bekannt, der den Theorien der sinnlichen Wahrnehmung gewidmet
ist (stratton 1917 [*17], Baltussen 2000 [*62]). Dieses kleine Werk war wohl
Bestandteil der ‹Lehrmeinungen der Physiker› (usener 1858 [*1: 27], Diels 1879
[*2: 114], Baltussen 2000 [*62: 245]). obwohl dies nicht selten bezweifelt wurde
(Regenbogen 1940 [*22: 1400], steinmetz 1964 [*30: 338]), ist es nach wie vor
die wahrscheinlichste Hypothese. spuren von kritik sind auch in einigen Frag-
menten aus anderen Teilen des kompendiums sichtbar (fr. 233. 241a FHsg).
ob sie aber überall genauso breit angelegt war, wie in ‹De sensibus›, wissen wir
nicht. Man darf wohl davon ausgehen, dass die kritik insgesamt viel weniger
Platz einnehmen sollte als die Darlegung der Theorien. Das kompendium zielte
auf die historiographische Beleuchtung der doxai eines jeden dem Theophrast
bekannten ‘Physikers’, und zwar sowohl der vom standpunkt peripatetischer
Physik wahren als auch der falschen Lehrmeinungen einschließlich derjenigen,
die Aristoteles geringschätzte (Hippon: vgl. Arist. Met. 984a3 und Dk 38
A 3-4. 10. 13-14) bzw. die er überhaupt zu verschweigen vorzog (Philolaos:
vgl. Arist. eth. eud. 1225a30 und Dk 44 A 9. 16-23; Hiketas: fr. 240 FHsg).
Diese konzentration auf Vollständigkeit der Zeugnisse wurde so konsequent
Theophrasts ‹Lehrmeinungen der Physiker› 161

durchgeführt, dass wir außer den bei Theophrast erwähnten ‘Physikern’ in der
vorplatonischen Periode fast keine anderen kennen. Dementsprechend war
Theophrast manchmal genötigt, eine Menge gleichlautender Antworten auf
dieselbe Frage zu fixieren, z.B., ob der kosmos unzerstörbar sei (Aët. ii 4).
eine solche Fülle von Meinungen machte natürlich ihre ausführliche kritische
Besprechung problematisch.
noch einschneidender wurde die kritik durch den umstand beschränkt,
dass die ‘korrekte’ Antwort auf die Fragen, die Theophrast den ‘Physikern’
stellte, ihm in der Regel im Vorhinein aus der Zeit bekannt war, als er seine
historisch-kritischen Monographien schrieb. in seinem kompendium hat er nicht
beabsichtigt, die Meinungen der ‘Physiker’ von Thales bis Platon über die natur
der sonne (Aët. ii 20), die ursachen der Mondfinsternisse (ii 29), die Form
der erde (iii 9) usw. zu dem Zweck zu sammeln, um diese Probleme erneut
aufzugreifen und ihre Lösung zu finden. Der peripatetische standpunkt zu all
diesen Problemen fehlt in den ‹Lehrmeinungen der Physiker›, da er schon in den
naturphilosophischen Werken des Aristoteles und des Theophrast selbst enthal-
ten ist, die größtenteils lange vor diesem kompendium geschrieben worden sind.
so stimmt z.B. die ordnung der Themen im kapitel über die meteorologischen
doxai der Vorsokratiker (Aët. iii 2-8) mit der Abfolge überein, die uns aus der
früheren ‹Meteorologie› des Theophrast bekannt ist (Daiber 1992 [*7]). in der
‹Meteorologie› selbst treten bezeichnenderweise keine eigennamen auf. Dem-
nach verkörperte Theophrasts Doxographie vor allem ein historisches interesse
(«geschichtliche ergänzung zur eigenen Physik»: gigon 1969 [*32: 117]), indem
sie auf zahlreiche Versuche hinwies, die Wahrheit zu finden, die schließlich in der
physikalischen Lehre des Peripatos dargelegt wurde. Ähnlich den historischen
und doxographischen Werken anderer Peripatetiker (s. unten s. nn-nn) stellen
die ‹Lehrmeinungen der Physiker› die geschichte der bereits gelösten Probleme
dar – und nicht «a huge collection of materials to be used in dialectical and/or
scientific discussion» (Mansfeld 1992 [*42: 67], 1998 [*50: 22.26]; s. auch Runia
1999 [*60: 45-51]).
in ‹Über die nilschwelle› bietet Aristoteles einen historischen Rückblick
auf die Diskussion über die Überschwemmungen des nils zu einem Zeitpunkt,
nachdem er von der Lösung dieses Problems erfahren hat, die von einer expe-
dition zu den nilquellen gefunden worden war (Partsch 1909 [*15]). in die Zeit,
als Aristoteles den Traktat über den nil schrieb (ca. 330-327 v. chr.), fällt auch
Theophrasts Arbeit an seinem kompendium, das einen ähnlichen Abschnitt
enthält (Aët. iV 1). Der terminus ante quem dieser Publikation wird dadurch
bestimmt, dass epikur dieses kompendium in den kapiteln seiner schrift ‹Über
die natur› benutzt hat, die ca. 311 und besonders nach 306 v. chr. geschrieben
wurden (sedley 1998 [*51]). Dass die ‹Lehrmeinungen der Physiker› epikur zu-
gänglich waren – möglicherweise noch vor seiner Ankunft in Athen –, deutet eher
auf exoterischen als innerschulischen charakter dieses Werkes hin. Dies wird
dadurch bestätigt, dass bald eine epitome hieraus in zwei Büchern vorbereitet
wurde, entweder von Theophrast selbst oder von jemandem aus seiner schule
(s. unten s. nn).
162 § 5. Die doxographische Tradition (Bibl. 172-174)

Bei der Auswahl und klassifikation des Materials ging Theophrast von Aristote-
les’ Aufteilung (Met. 1026a6-19) der theoretischen Wissenschaften in Mathematik,
Physik und Theologie («erste Philosophie») aus. Die Thematik der ‹Lehrmeinun-
gen der Physiker› stimmte im großen und ganzen mit dem überein, was Aristo-
teles unter ‘naturforschung’ (peri? fußsevw iÖstorißa) verstand, wie auch mit dem
inhalt der meisten vorsokratischen schriften. Das Werk enthielt fundamentale
Begriffe und kategorien der Physik (Prinzipien, Materie, ursachen, Raum, Zeit,
Leere usw.) sowie ihre einzelnen Zweige, die von kosmologie bis zur embryologie
geordnet sind, d.h. in der Abfolge, die man schon bei Alkmaion erkennt, die jedoch
am besten aus Platons ‹Timaios› bekannt ist. eine gesamtvorstellung von der
Thematik dieses Werkes kann man aufgrund der Diels’schen (1879 [*2: 181-182])
Rekonstruktion der sogenannten ‹Vetusta placita› gewinnen, die eine verkürzte
Bearbeitung aus dem 1. Jahrhundert v. chr. darstellt. ihr erstes Buch behandelte
die Prinzipien der Physik, das zweite die kosmologie und Astronomie, das dritte
die Meteorologie, das vierte die erde, das Meer und die nilüberschwemmungen,
das fünfte die seele (Psychologie und teilweise Physiologie) und das sechste den
körper (Physiologie und embryologie). Demnach deckten die ‹Lehrmeinungen
der Physiker› im Prinzip die ganze Physik ab, deren gegenstand sich von den
Himmelskörpern bis zu den Tieren und Pflanzen erstreckte (Theophr. Met.
9a3-15. 9b20-10a4; vgl. Aët. V 14), obwohl die früheren ‘Physiker’ sich mit vielen
physikalischen Problemen überhaupt nicht oder nur so wenig befassten, dass es
unmöglich war, eine repräsentative Auswahl ihrer Meinungen zu geben.
es gab noch ein weiteres wichtiges Auswahlkriterium: Das kompendium
war nicht einfach auf die Meinungen zu den entsprechenden physikalischen
Problemen ausgerichtet, sondern nur auf die Ansichten einer ganz bestimmten
kategorie von Fachmännern, nämlich der Autoren der schriften über die natur,
die Aristoteles und seine schüler ‘Physiker’ nannten. Deshalb wurde Platon als
Verfasser des ‹Timaios› berücksichtigt, nicht aber diejenigen, die zu den anderen
professionellen gruppen gehörten, z.B. Mathematiker (majhmatikoiß schließen
auch die Astronomen ein),‘Theologen’ und Ärzte. (Die sophisten wurden, wie es
scheint, nicht einer sonderkategorie zugerechnet.) Diese gruppen werden in den
speziellen schriften des eudemos und Menon behandelt, die zusammen mit den
‹Lehrmeinungen der Physiker› ein von Aristoteles initiiertes historiographisches
Projekt bilden (Zhmud 2003 [*69], 2006 [*72: 122-133]). eudemos’ ‹geschichte
der Theologie› betrachtet in chronologischer ordnung die archai der ‘Theologen’
von orpheus bis Pherekydes aus syros (fr. 150 Wehrli); separat werden die ori-
entalischen Theogonien behandelt (Zhmud 2004 [*70: 562-563]). eudemos hat in
diese geschichte keinen ‘Physiker’ aufgenommen, bei Theophrast wird dagegen
keiner von den ‘Theologen’ genannt, auch nicht im Abschnitt ‹Über die gottheit›
(Aët. i 7). Den mathematischen entdeckungen sind die ‹geschichte der geo-
metrie› (fr. 133-141 Wehrli) und die ‹geschichte der Arithmetik› (fr. 142 Wehrli)
des eudemos gewidmet. es ist aber bezeichnend, dass solche Wissenschaftler wie
oinopides und Hippokrates aus chios, Archytas, Meton, euktemon usw., die den
Mathematikern zugerechnet werden, in den ‹Lehrmeinungen der Physiker› nicht
auftauchen, obwohl sie ihre Ansichten zu physikalischen Problemen geäußert
Theophrasts ‹Lehrmeinungen der Physiker› 163

haben (Arist. Meteor. 342b29; Met. 1043a19; eud. fr. 60. 65 Wehrli). Der grund
liegt darin, dass Aristoteles die Beziehung zwischen Physik und mathemati-
scher Astronomie dergestalt formulierte (Phys. 193b22-36), dass physikalische
Probleme außerhalb der Zuständigkeit der Astronomen liegen, während die
‘Physiker’ auch diejenigen Probleme diskutieren können, die in den Bereich
der mathematischen Astronomie fallen. Ausgehend von dieser asymmetrischen
Aufteilung, hat eudemos seine ‹geschichte der Astronomie› auf die rein mathe-
matischen Aspekte dieser Wissenschaft begrenzt (fr. 143-149 Wehrli), während
Theophrast auch jene Meinungen behandelt hat, die sowohl zur physikalischen
wie auch zur mathematischen Astronomie gehören, dies aber nur, wenn sie von
den ‘Physikern’ kommen. schließlich betrachtete Menon in der ‹Medizinischen
sammlung› (iöatrikh? sunagvghß) Theorien über die krankheitsursachen, die
laut Aristoteles (De sens. 436a17-436b 1; De vit. 480b21-30) zum gemeinsamen
gegenstand von Physik und Medizin gehören. Deswegen berücksichtigte Menon
außer den Ärzten auch die Ansichten solcher ‘Physiker’ wie Hippon, Philolaos
und Platon (Zhmud 2004 [*70: 564-565]). Dagegen waren die ‹Lehrmeinungen
der Physiker›, wie sich aus dem Titel ergibt, ein «ausschließendes» Werk, weshalb
hier die Meinungen der Ärzte nicht berücksichtigt werden (Diels 1879 [*2: 232],
Runia 1999 [*59: 233-237]; vgl. Mansfeld 1992 [*42: 65-66], 1998 [*50: 22]).
Theophrasts orientierung an den Meinungen konkreter ‘Physiker’ bestätigt,
dass der Titel seiner schrift, der im Verzeichnis seiner Werke in der Form Fusikvqn
docvqn iw ß (Physikôn doxôn, 16 Bücher) bezeugt ist (Diog. Laert. 5,48), als ‹Lehr-
meinungen der Physiker› (Fusikvqn doßcai) verstanden werden soll (usener 1858
[*1], Diels 1879 [*2], Regenbogen 1940 [*22: 1395]), und nicht als ‹Physikalische
Lehrmeinungen› (Fusikai? doßcai) (Mansfeld 1990 [*41: 3057 Anm. 1], 1992 [*42],
Runia 1992 [*44: 116 Anm. 9], sharples 1998 [*52: 10], Mejer 2000 [*64: 27]). Der
Ausdruck doßca(i) tvqn fusikvqn (bzw. tvqn fusioloßgvn, tvqn peri? fußsevw) kommt
bei Aristoteles (Phys. 187a27; Met. 1062b21. 25) und besonders oft bei seinen kom-
mentatoren vor (Zhmud 2001 [*65: 228 Anm. 45]); bei Aristoxenos (elem. harm.,
p.7,3 Da Rios) finden wir ‹Lehrmeinungen der Harmoniker› (doßcai tvqn aÖrmonikvqn),
während die von Mansfeld postulierte kategorie fusikai? doßcai weder in der
Tradition des Peripatos noch bei den Aristoteleskommentatoren bezeugt ist (vgl.
Mansfeld 2002 [*67: 279-281]). Der von Tauros (bei Philoponos) wiedergegebene
Titel Peri? tvqn fusikvqn docvqn (fr. 241a FHsg) kann wohl als ‹Über die Lehr-
meinungen der Physiker› verstanden werden. Als alternativer Titel dieses Werkes,
nach dem es von Alexander aus Aphrodisias zitiert wird (fr. 227c FHsg; vgl. 137
no. 7a), gilt Peri? (tvqn) fusikvqn ih ß (‹Über die Physiker in 18 Büchern›: 137 no. 4
a-b FHsg; usener 1858 [*1: 27], Diels 1879 [*2: 102], Regenbogen 1940 [*22: 1395]).
Warum zwei verschiedene Titel in der Liste der Werke Theophrasts aufgeführt sind
(Diog. Laert. 5,46. 48)und warum jeweils eine unterschiedliche Anzahl der Bücher
angegeben wird (16 bzw. 18), ist unklar. Die verkürzte Fassung der ‹Lehrmeinungen
der Physiker›, die entweder in die alexandrinische epoche (Diels 1879 [*2: 103])
oder auf Theophrast selbst zurückgeht (Regenbogen 1940 [*22: 1536]), ist auch
unter verschiedenen Titeln bekannt: Peri? fusikvqn eöpitomhß in zwei Büchern und
Fusikvqn docvqn eöpitomaiß (137 no. 7a FHsg; sharples 1998 [*52: 12-13]).
164 § 5. Die doxographische Tradition (Bibl. 172-174)

simplikios waren die ‹Lehrmeinungen der Physiker› als Fusikh? iÖstorißa


bekannt (fr. 226b. 228b. 234 FHsg; in fr. 234 zitiert er Alexander); andere Titel
führt er nicht auf, obwohl sein akademischer schulgenosse Philoponos auf einen
von ihnen verweist (fr. 241a FHsg). Aus dem ersten kapitel dieses Werkes
zitiert simplikios umfangreiche Fragmente, aller Wahrscheinlichkeit nach direkt
aus Theophrast (Regenbogen 1940 [*22: 1536], steinmetz 1964 [*30: 341]) und
nicht vermittelt über Alexander (so Diels 1879 [*2: 112-113]). Analog zu den
von simplikios zitierten Werken des eudemos – ‹geschichte der geometrie›
(Gevmetrikh? iÖstorißa) und ‹geschichte der Astronomie› ( A ö strologikh? iÖstorißa)
(eud. fr. 140. 148 Wehrli) – wird Fusikh? iÖstorißa gewöhnlich als ‹geschichte der
Physik› verstanden. Die noch vor Diels anerkannte interpretation der Fusikvqn
doßcai, Peri? (tvqn) fusikvqn und Fusikh? iÖstorißa als ein und dieselbe schrift
(Zeller 1877 [*10: 197]) hat steinmetz (1964 [*30: 334-351]) bestritten. er glaubte,
Fusikh? iÖstorißa sei mit der aus 18 Büchern bestehenden ‹Physik› des Theophrast
identisch, die ursprünglich IÖ storißa peri? fußsevw und später Peri? fusikvqn hieß
(zur kritik dieser Rekonstruktion allgemein gottschalk 1967 [*31]). steinmetz’
Ansicht, dass die meisten von simplikios aufgeführten doxographischen Frag-
mente aus der ‹Physik› stammten, hat unterstützung gefunden (Mansfeld 1989
[*40: 148], 1999 [*58: 26], Runia 1992 [*44: 117-118], 2005 [*71: 12], Baltussen
2000 [*62: 241]). Jedoch sollte man simplikios’ Hinweise auf eine doxographische
‹geschichte der Physik› und seine viel häufigeren Bezüge auf eine theoretische
‹Physik› des Theophrast, die er konsequent Fusikaß nennt (fr. 143. 144b. 146. 149.
153a. c. 176. 238. 279. 298a FHsg), auseinanderhalten. Der unterschied zwischen
den Zitaten, in denen die Titel dieser schriften erhalten sind, ist offensichtlich:
Alle drei Fragmente der ‹geschichte der Physik› geben die Meinungen konkre-
ter Vorsokratiker wieder, während in zehn Fragmenten der ‹Physik› nur einmal
ein name (Demokrit) erwähnt wird (fr. 238 FHsg), der Rest ist rein theoretisch.
unter sämtlichen Fragmenten der ‹Physik›, die nach Titel bzw. nach inhalt sicher
identifizierbar sind, enthält nur noch eine strittige Passage bei stobaios (fr. 232
FHsg; Runia 1992 [*44]) den namen eines Vorsokratikers. Deswegen ist die
Bemerkung des Diogenes Laertios, dass Theophrast in seiner ‹Physik› die Mei-
nungen fast aller ‘Physiker’ darlege (9,22 = fr. 227d FHsg), offensichtlich falsch.
Hier sind vielmehr die ‹Lehrmeinungen der Physiker› gemeint, deren epitome
Diogenes in 9,21 erwähnt. Deshalb kann Theophrasts ‹Physik› auf keine Weise als
eine alternative Quelle der doxographischen Überlieferung gelten.
Während Theophrast sich im ersten kapitel vor allem an Aristoteles, Met. A 3-7
orientiert (Zeller 1877 [*10: 197-198]), zitiert simplikios dieses kapitel in seinem
kommentar zu Phys. i 2 des Aristoteles, wo die vorsokratischen Prinzipien nach
dem schema der Dihairese gruppiert werden (s. oben s. nn). Deshalb präsentiert
er die ‘Physiker’ nicht in der Abfolge, die er bei Theophrast vorgefunden hat,
sondern gemäß dem von ihm entwickelten schema der aristotelischen ‹Physik›.
Zuerst kommen die Monisten, die nach der Art ihrer Prinzipien angeordnet sind,
danach die Pluralisten, die eine beschränkte Zahl der Prinzipien annehmen (sie
werden nach der Zahl der Prinzipien gruppiert), und schließlich die Pluralisten,
die an eine unbeschränkte Zahl der Prinzipien glauben, unterschieden nach
Theophrasts ‹Lehrmeinungen der Physiker› 165

gleichartigen und ungleichartigen. simplikios’ einführende und besonders seine


abschließenden Bemerkungen zu dieser Übersicht (in Phys. 22,20-21. 28,30-31
Diels = fr. 229 FHsg) sowie die von ihm zitierten Fragmente lassen keinen
Zweifel daran, dass seine Darstellungsweise mit der theophrastischen nicht
übereinstimmte (Hölscher 1953 [§ 1 *212: 98], McDiarmid 1953 [*23: 88-89], von
kienle 1961 [*28: 58-59], steinmetz 1964 [*30: 346-347], Zhmud 2006 [*72: 159-
160]; vgl. Mansfeld 1989 [*40: 147]). obwohl jede detaillierte Rekonstruktion der
ursprünglichen namenabfolge in diesem kapitel höchst problematisch ist, lässt
sich erkennen, dass seine komposition vor allem durch die relative chronologie
der ‘Physiker’ und ihre Zugehörigkeit zu verschiedenen schulen bestimmt ist
(Regenbogen 1940 [*22: 1536]). Während diese beiden Anordnungsprinzipien
komplementär sind, stimmt die paarweise Zusammenstellung von Philosophen
nach der Ähnlichkeit ihrer archai damit nicht überein. so wird Hippon trotz sei-
ner chronologie zusammen mit Thales erwähnt und Hippasos trotz seiner schul-
zugehörigkeit zusammen mit Heraklit (fr. 229 FHsg). Ähnlich wie Aristoteles,
der nach den Atomisten und den (späten) Pythagoreern zeitlich zu Xenophanes,
Parmenides und Melissos zurückgeht (s. oben s. nn), kehrt Theophrast nach der
ersten Folge: Thales – Anaximander – Anaximenes – Anaxagoras – Archelaos
zeitlich zu Xenophanes zurück, dem wiederum Parmenides – Leukipp – Demo-
krit – Diogenes (?) – Metrodoros folgen (Diels 1879 [*2: 103-104], McDiarmid
1953 [*23: 88-89], von kienle 1961 [*28: 61-62], Zhmud 2006 [*72: 162-163]). es
ist aufschlussreich, dass Theophrast durch seine Bezugnahme auf Lehrer-schüler-
Verhältnisse und/oder auf die Rezeption der Lehrmeinungen jeden nachfolgen-
den Philosophen mit dem Vorgänger in seiner eigenen Folge verbindet, während
Xenophanes sich als einziger Philosoph erweist (außer dem späten eklektiker
Diogenes aus Apollonia: fr. 226a FHsg), der die so konstruierten zwei Reihen
untereinander verbindet: «Man sagt, er hörte Anaximander» (fr. 227d FHsg).
Dies bestätigt, dass es bei Theophrast zwei durch Xenophanes verbundene
chronologische Reihen gab, die im großen und ganzen mit der hellenistischen
einteilung in die ionische und italische schule übereinstimmen (s. oben s. nn).
Die spuren dieser zwei Reihen sind in den ‹Vetusta placita› (cic. Luc. 118) sowie
bei Aëtios (i 3,1-6 und 12-17) erhalten.
nachdem Theophrast im ersten kapitel einen allgemeinen genealogischen
Plan der entwicklung der Philosophie vorgestellt hatte, empfand er wohl kaum
die notwendigkeit, ihn in jedem kapitel zu wiederholen. er konnte also die
‘Physiker’ in beliebige gruppen einteilen und ihre Meinungen zu den ein-
zelnen Problemen in jeder ihm passenden ordnung darstellen, z. B. nach der
entwicklungsstufe ihrer Lehren; ein solches Prinzip stimmte oft, wenn auch
nicht notwendigerweise, mit dem chronologischen überein (Diels 1893 [*13:
415]). so teilt er in ‹De sensibus› die ‘Physiker’ in zwei gruppen ein, je nachdem
sie die Wahrnehmung mit dem Prinzip ‘gleiches zu gleichem’ bzw. mit dem
entgegengesetzten Prinzip erklären (§ 1). Die erste gruppe schließt die Lehren
des Parmenides, Platon und empedokles ein (§ 3-24), die nach der stufe ihrer
Vollständigkeit angeordnet sind (Diels 1879 [*2: 105]); ihnen folgen aber nicht
die Anhänger des entgegengesetzten Prinzips, sondern alle anderen (§ 25-58),
166 § 5. Die doxographische Tradition (Bibl. 172-174)

die chronologisch angeordnet sind: Alkmaion, Anaxagoras, kleidemos, Diogenes


aus Apollonia und Demokrit (vgl. Mansfeld 1996 [*46], Baltussen 2000 [*62:
15-18]). Demselben Prinzip folgt Menon, indem er die Theorien der Ärzte und
‘Physiker’ über krankheitsursachen in zwei gruppen einteilt, innerhalb deren
die namenabfolge größtenteils chronologisch zu sein scheint (Zhmud 2006 [*72:
164]; vgl. Manetti 1999 [*55: 102. 118-120]).

4. DieLs’ RekonsTRukTion: AëTios unD ‹VeTusTA PLAciTA›

Das komplexe Problem, mit dem sich Diels befasste, war die suche nach der
gemeinsamen Quelle der verwandten doxographischen schriften des Ps.-Plutarch,
stobaios und Ps.-galen und die Bestimmung ihrer Verhältnisse zu den Texten
anderer später Autoren, die ähnliche historiographische Darstellungen benutzten.
Den entscheidenden schritt in Richtung auf eine Lösung dieses Problems hat
Diels’ Lehrer usener (1858 [*1]) gemacht, indem er auf die ursprüngliche Quelle
der Doxographie, die ‹Lehrmeinungen der Physiker›, hingewiesen und ihre Frag-
mente ediert hat. in den ‹Doxographi graeci› hat Diels, zu jener Zeit ein 31jähriger
gymnasiallehrer, viel mehr geleistet als einfach die korrekten Annahmen useners
über die evolution der doxographischen Überlieferung zu bestätigen. indem er
sich auf drei Hinweise in der ‹Heilung der heidnischen krankheiten› des Theodo-
ret (um 430 n. chr.) stützte, stellte er fest, dass eine gemeinsame Quelle der zwei
ausführlichsten doxographischen sammlungen – der ‹Placita philosophorum› des
Ps.-Plutarch (um 150 n. chr.) und der ‹eclogae physicae› des Joannes stobaios
(um 420 n. chr.) – eine schrift mit dem Titel ‹sammlung über die Lehrmeinungen›
(Peri? tvqn aöreskoßntvn cunagvghß) in fünf Büchern ist, die von Aëtios (um
100 n. chr.), einem ansonsten unbekannten kompilator stammt. infolge der
wesentlichen unterschiede zwischen den exzerpten des stobaios und dem viel
umfangreicheren Text des Ps.-Plutarch, in dem jedoch auch Lücken gegenüber
stobaios vorhanden sind, hat es Diels vorgezogen, den Text des Aëtios nicht zu
rekonstruieren. er edierte beide Texte (zusammen bilden sie etwa die Hälfte des
Textes des Aëtios) in parallelen spalten und korrigierte sie in den Fällen, in denen
er sich auf Autoren stützen konnte, die entweder aus Ps.-Plutarch oder aus Aëtios
selbst schöpften. Zu den Letzteren gehören Theodoret und nemesios aus emesa
(um 400 n. chr.). Viel mehr Autoren benutzten aber eine verkürzte Fassung des
Aëtios, die unter dem namen des Plutarch als epitome der ‹Placita philosopho-
rum› bekannt war. Wie Diels feststellte, gehören zu ihnen der Arat-kommentator
Achilles (erste Hälfte des 3. Jh.), eusebios aus caesarea (um 260-340), kyrillos aus
Alexandria (um 380-440) sowie der Verfasser der ‹Historia philosopha› Ps.-galen
(4-5. Jh.?). schließlich hat Diels mit dem Text des stobaios eine Art chirurgischer
operation durchgeführt, um die Hauptquelle seiner physikalischen Doxographie,
Aëtios, von einer nebenquelle abzutrennen, die er mit der ‹epitome› des stoikers
Areios Didymos (1. Jh. v. chr.) identifizierte.
so sieht im großen und ganzen der erste, den Aëtios betreffende Teil der
Diels’schen Rekonstruktion aus, deren Richtigkeit in der überwiegenden Mehrheit
Diels’ Rekonstruktion: Aëtios und ‹Vetusta placita› 167

ihrer Haupt- und nebenschlüsse vor kurzem in einer speziellen Monographie


(Mansfeld/Runia 1997 [*48]) «fast über die erwartung hinaus bestätigt» werden
konnte (Burkert 1999 [*53: 165]; vgl. Frede 1999 [*54]). Die Abhängigkeit des
Achilles von Ps.-Plutarch hat Diels revidiert zugunsten der sogenannten ‹Vetusta
placita› (dazu oben s. nn), noch bevor Pasquali (1910 [*16: 221 Anm. 1]) den dies
bezeugenden Text herausgegeben hatte.
in den ‹Vetusta placita› sah Diels eine Mittelquelle zwischen Aëtios und
Theophrast, welche die Herkunft vieler doxographischer Passagen in den Texten
erklären sollte, die Aëtios vorangehen oder von ihm unabhängig sind. solche
Passagen hat Diels bei cicero (Tusc. i 9; mit den Parallelen in ‹De pietate› seines
Zeitgenossen Philodemos) und im ‹Protreptikos› des clemens aus Alexandria
(um 200) entdeckt, weiter beim Arzt soranos aus ephesos (2. Jh.) und bei sextus
empiricus (um 200), die sich auf Aenesidemos, einen skeptiker des 1. Jahrhun-
derts v. chr., stützten, sowie bei censorinus (3. Jh.), der aus Varro (1. Jh. v. chr.)
schöpfte. Wendland (1897 [*14]) hat diese Quellenreihe durch ‹De somniis› des
Philon aus Alexandria (um 40) erweitert. Alle diese Quellen führen uns in die
zweite Hälfte des 1. Jahrhunderts v. chr., während die letzten in den ‹Vetusta
placita› erwähnten Autoren der Arzt Asklepiades aus Bithynien und Poseidonios
sind (ende des 2. bis 1. Hälfte des 1. Jh. v. chr.). Demzufolge stammen die
‹Vetusta placita› aus der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts v. chr., nach den deut-
lichen stoischen Tendenzen zu urteilen, aus der schule des Poseidonios (Diels
1893 [*12: 102]), mit dem die Wiederbelebung des interesses für physikalische
Probleme verbunden ist.
Die offensichtlichsten unterschiede zwischen den ‹Vetusta placita› und den
‹Lehrmeinungen der Physiker› sind folgende: in die dreimal kürzere epitome
wurden Lehren des Aristoteles, der Peripatetiker, der Akademiker, der epiku-
reer und (besonders häufig) der stoiker aufgenommen, sowohl der einzelnen
Philosophen als auch der schulen insgesamt. eine thematische erweiterung
des Materials ist ferner dadurch entstanden, dass Poseidonios die grenzen
zwischen der Physik und den übrigen Wissenschaften anders als Aristoteles setzte
(Zhmud 2006 [*72: 288-293]). Als Archeget der noch stärker erweiterten Physik
gilt bei Poseidonios nicht Thales, sondern Homer (fr. 48-49. 137. 222 e.-k.). Die
Mantik ist ein Teil der Physik (fr. 7. 26-27 e.-k.); die Medizin nähert sich noch
mehr der Physik an; die mathemata verwandeln sich aus einem selbständigen
Wissenschaftszweig in Hilfsmittel der Philosophie (fr. 18. 90 e.-k.). gemäß
diesen neuen interessen tauchen in den ‹Vetusta placita› dann solche Themen
auf wie z.B. Mantik (Aët. V 1), gesundheit und krankheit (V 29-30). Außerdem
werden entsprechend neuen Auswahlkriterien die bei Theophrast fehlenden
Meinungen folgender gruppen hinzugefügt: 1) der alten ‘Theologen’ und Dichter
(z.B.Aët. i 6); 2) der ‘Mathematiker’, d.h. der Astronomen (eudoxos,Aristarchos
usw.), manchmal auch der Astrologen (Beros, epigenes), für deren Lehren sich
Poseidonios interessierte (fr. 111-112 e.-k.); 3) der Ärzte der klassischen epoche
(Hippokrates, Diokles) und besonders der hellenistischen epoche (Herophilos,
erasistratos, Asklepiades). Als eine wahrscheinliche Quelle der Ansichten aller
Ärzte in den ‹Vetusta placita› gilt das Werk ‹Über die Lehrmeinungen› des
168 § 5. Die doxographische Tradition (Bibl. 172-174)

Alexander Philalethes, eines schülers des Asklepiades (Diels 1893 [*12: 102]),
obwohl auch diese Hypothese nicht unanfechtbar ist (von staden 1999 [*61:
164-165]). Als nicht überzeugend erscheint dagegen die Annahme, dass den
‹Vetusta placita› eine frühere Version, ‹Vetustissima placita›, vorausging, die in
der skeptischen Akademie des karneades entstanden ist und die Meinungen der
Philosophen und der Ärzte enthielt (Mansfeld 1989 [*39], 1990 [*41: 3167-3168];
vgl. Runia 1999 [*59: 233]).
Die Aufnahme großer Teile neuen Materials und neuer namen in die ‹Vetusta
placita› bei gleichzeitiger kürzung ihres umfanges haben die struktur der ka-
pitel, die Präsentationsart der doxai und die namenabfolge wesentlich geändert.
Zum Zweck der Platzeinsparung wird die ausführliche Darstellung der Theorien
durch einen verkürzten Überblick ersetzt, häufig im Telegrammstil; die Formulie-
rungen tragen oft spuren stoischer Terminologie. Zu demselben Zweck werden
identische Meinungen (bzw. das, was dafür gilt) für zwei, drei und mehr Denker
berichtet. Theophrasts kritik an seinen Vorgängern ist aus naheliegenden grün-
den praktisch ganz verschwunden. sporadische spuren der kritik bei Aëtios
(z.B. i 2. i 3,3-4. i 5,3. i 7,7) stammen nicht von Theophrast, sondern von Aëtios
selbst (Diels 1879 [*2: 180-181]; vgl. Mansfeld 1992 [*42: 109-111]).
es scheint kaum möglich, das vorherrschende ordnungsprinzip der doxai in-
nerhalb der kapitel der ‹Vetusta placita› anhand des uns zugänglichen Materials
festzustellen. einige kapitel des Aëtios sind chronologisch geordnet bzw. tragen
deutliche spuren einer solchen organisation (i 10. 17-18. 20. 25-26. 29; ii 23; iii
10. 16; iV 1-2;V 14. 24. 30), doch wird die chronologie in den meisten Fällen nicht
durchgehalten oder durch Zusätze späterer namen gebrochen. in den kapiteln
über die größe der sonne und des Mondes sind die doxai nach der Abnahme
der Himmelskörpergrößen angeordnet (ii 21. 26), in den anderen kapiteln aber,
wo sich eine ähnliche logische ordnung anbietet (z.B. iV 3 über die Teile der
seele), fehlt sie. in vielen kapiteln sind die Meinungen auf entgegengesetzte
gruppen aufgeteilt, ihnen folgen diejenigen, die nicht zu dieser Teilung passen.
oft ist eine solche ordnung durch die Problemformulierung selbst bedingt:
gibt es einen kosmos (i 5; vgl. ii 1), ist er beseelt bzw. zerstörbar (ii 3-4),
gibt es außer ihm das Leere (ii 8), ist der Laut körperlich (iV 20) usw.? Die
spuren solcher organisation sind auch in den anderen kapiteln sichtbar, deren
Problematik es zuließ, Meinungen zwei verschiedenen gruppen zuzuweisen
(z. B. V 1; vgl. cic. De div. iii 5). unsere Quellen erlauben jedoch nicht, daraus
zu schließen, dass eine solche klassifikationsart in irgendeiner uns bekannten
etappe der Doxographie dominierend war, wie es Mansfeld (1992 [*42: 68-70],
1996 [*46], 1998 [*50: 22-23]) und Runia (2005 [*71]) behaupten. Die von ihnen
postulierte Beziehung dieses Verfahrens zur Dihairese (d.h. zur Aufteilung
nach genera und Arten), die Platon und (manchmal) Aristoteles praktizierten,
und über die Dihairese zur aristotelischen Dialektik – diese Beziehung ist rein
logisch, nicht historisch. Die philosophiegeschichtliche einteilung verschiedener
doxai auf entgegengesetzte gruppen ist schon bei den sophisten zu beobachten
(s. oben s. nn); Aristoteles und Theophrast gebrauchen sie als eine der vielen
Arbeitsmethoden, die es erlaubten, Übereinstimmendes und unterschiedliches
Diels’ Rekonstruktion: Aëtios und ‹Vetusta placita› / Doxographie und Biographie 169

in den Ansichten hervorzuheben. in Aristoteles’ und Theophrasts Doxographie


gibt es die Dihairese als solche nicht (vgl. Mansfeld 1989 [*39], 1998 [*50: 22-
23]) – mit Ausnahme der Prinzipienübersicht in Arist. Phys. i 2 (oben s. nn) –,
da ihre konsequente Anwendung angesichts der großen Meinungsvielfalt in
der Doxographie unmöglich ist. später hat jeder nachfolgende Bearbeiter von
Theophrasts schrift – der Verfasser der ‹Vetusta placita›, Aëtios, Ps.-Plutarch,
stobaios – nach eigenem ermessen die ordnung der doxai innerhalb der kapitel
geändert, so dass eine allgemeine dihairetische struktur der Doxographie kaum
in Frage kommt (Laks 1997 [*47: 257-258]).
Je nach ihren philosophischen einstellungen konnten die Doxographen und
diejenigen, die deren schriften benutzten, unterschiede (diafvnißa) oder Über-
einstimmungen (sumfvnißa) in den Meinungen der Philosophen betonen, wie
dies wiederum noch bei den sophisten augenfällig ist. Die erste Tendenz findet
sich beispielsweise bei den skeptikern und christlichen schriftstellern (Wyss 1959
[*27], Mansfeld/Runia 1997 [*48]), die zweite bei den neuplatonikern. Diese
allgemeinen Tendenzen sind aber weder mit den für die Doxographie charakte-
ristischen Methoden der Materialanordnung sachlich verbunden noch mit der
Dihairese (vgl. Mansfeld 1990 [*40] über diaißresiw und diafvnißa), die viel selte-
ner vorkommt, und zwar in der Regel in den Texten, die direkt oder indirekt von
Arist. Phys. i 2 abhängig sind. simplikios z.B., der weiter als die anderen in der
Anwendung der Dihairese auf das doxographische Material gegangen ist, betont
auf jede Weise sumfvnißa in den Ansichten der Philosophen (in Phys. 20,12. 28,31.
179,28. 204,27. 404,21 etc. Diels). Demgegenüber bieten viele christliche Autoren
– Hippolytos aus Rom (gest. um 235), eusebios (im exzerpt aus den ‹stromata›,
die Plutarch zugeschrieben werden), Hermias (2.-3. Jh.?), epiphanios (4. Jh.) –,
obwohl sie beharrlich diafvnißa unter den heidnischen Philosophen hervorhe-
ben, keine systematisch, nach einzelnen Problemen organisierte Doxographie,
sondern prosopographisch orientierte Übersichten, die unter dem namen eines
Philosophen seine wichtigsten Meinungen zusammenstellen. Die konkreten
Methoden der Anordnung der doxai hängen also nicht von den allgemeinen An-
sätzen ab, mit denen sich unterschiedliche Autoren der Doxographie zuwenden.

5. DoXogRAPHie unD BiogRAPHie

in der Regel enthält die Doxographie von Theophrast bis zu stobaios ge-
nauso wenig (bzw. noch weniger) biographisches Material wie die Biographie
doxographisches Material. Daneben gab es aber auch Werke, in denen die
wechselseitige Beeinflussung von Biographie und Doxographie stärker war als
gewöhnlich. Zu diesen gehören z.B. die erwähnten Übersichten bei Hippolytos,
eusebios, Hermias und epiphanios; dabei sind einige von ihnen nicht nur von den
biographischen sukzessionen beeinflusst, sondern auch von der Literatur über
die philosophischen schulen (haireseis). Burnet (41930 [*11: 34-35]) schlug vor,
die Autoren solcher Werke zu einem Übergangstyp der ‘biographischen Doxo-
graphen’ zu rechnen. es ist jedoch wenig wahrscheinlich, dass es in der antiken
170 § 5. Die doxographische Tradition (Bibl. 172-174)

Historiographie ein Übergangsgenre zwischen Doxographie und Biographie


gab. Bei eusebios, Hermias und epiphanios (Diels 1879 [*2: 579-593.651-656])
beschränkt sich das ganze biographische Material auf Hinweise auf die Abstam-
mung und die Lehrer der betreffenden Philosophen, die oft noch knapper sind als
bei Theophrast. Der einfluss der Biographie zeigt sich hier nicht in der Thematik,
sondern in der spezifischen Präsentationsart der doxai; sie werden unter den
namen der einzelnen Philosophen umgruppiert, und die Letzteren folgen aufein-
ander in der für die sukzessionen gewöhnlichen ordnung: ionier, (Pythagoreer),
eleaten, Atomisten usw. so sieht, mit einigen Variationen, die namenfolge bei
Hippolytos, eusebios und epiphanios aus; bei Hermias ist sie ganz willkürlich.
Bei Hermias und epiphanios sind die doxai auf wenige grundthesen reduziert
(manchmal auf eine); dabei gibt epiphanios anderswo eine etwas umfangreichere
Doxographie (Diels 1879 [*2: 587-593]), die nach den philosophischen schulen
geordnet ist: Peripatetiker, Platoniker, stoiker, epikureer (s. aiÄresiw: 588.18).
Viel reicher ist die Doxographie im exzerpt aus den ‹stromata› bei eusebios,
wobei die ordnung der Meinungen jedes Philosophen die ursprüngliche Abfolge
der Bücher bei Theophrast widerspiegelt: Prinzipien, kosmologie, Astronomie
usw., in einigen Fällen bis zur Physiologie. Der Autor dieser Übersicht stützte
sich direkt auf eine epitome des Theophrast, hat aber ihr Material «gemäß der
sukzession» (kata? diadoxhßn) umgruppiert (Diels 1879 [*2: 156-157]). es gibt
keine guten gründe, diese Filiation der theophrastischen Überlieferung einer ge-
mischten Art der ‘biographischen Doxographie’ zuzurechnen: Biographisches in
ihr wird auf die namensabfolge begrenzt, die in ihrer grundlage auf Theophrast
zurückgeht (s. oben s. nn).
eine dem exzerpt bei eusebios ähnliche Doxographie ist im ersten Buch der
‹Refutatio› von Hippolytos erhalten (Diels 1879 [*2: 553-554]), das verschiedene
Quellen miteinander vermischt. Die erste von diesen (i 1-4: Thales, Pythagoras,
empedokles, Heraklit) hat Diels der gattung der sukzessionen zugerechnet,
die seiner Meinung nach in der Regel eine Doxographie enthielten, nur von
geringerer Qualität. Die zweite Quelle (i 6-16), von viel besserer Qualität,
steht lexikalisch Theophrast sehr nahe und zeigt eine mit dem exzerpt aus den
‹stromata› übereinstimmende ordnung der doxai, so dass Diels in ihr auch eine
epitome der ‹Lehrmeinungen der Physiker› sah, die gemäß der sukzession
umgruppiert wurde: ionier, eleaten, Atomisten usw. Die moderne Forschung
hat Diels’ schlüsse allgemein bestätigt, gleichzeitig aber präzisiert (von kienle
1961 [*28: 23-24], Mejer 1978 [*33: 83-84], Mansfeld 1992 [*43]). seine These,
dass die sukzessionen in der Regel doxographische Übersichten enthielten,
wenn auch von schlechterer Qualität, wurde nicht bestätigt; eine Ausnahme stellt
die pseudo-pythagoreische Literatur dar (Mejer 1978 [*33: 66. 91 Anm. 60]).
Deshalb findet man in der ersten Quelle, die kurze biographische notizen über
Thales und viel umfangreichere über Pythagoras enthält (vgl. Aët. i 3,1. 3,9),
auch eine Doxographie, letzten endes theophrastischer Provenienz, wenn auch
mit biographischen Zusätzen. Die zweite Quelle stellt, abgesehen von den in ihr
vorhandenen Datierungen der ‘Physiker’ nach olympiaden und einigen anderen
Zusätzen (i 13,1. 14,1), einen Auszug aus Theophrast dar. Außerdem sind im
Doxographie und Biographie 171

ersten Buch von Hippolytos’ ‹Refutatio› spuren der Aufteilung der Philosophie
in Physik, ethik und Logik sichtbar (Mansfeld 1992 [*43: 18-19]), die der Litera-
tur über die philosophischen schulen eigen ist (s. oben s. nn).
Allem Anschein nach waren derartige synthetisierende kompilationen für
die hellenistische Philosophiegeschichtsschreibung nicht charakteristisch. in der
kaiserzeit erscheinen einige schriften, in denen Leben und Lehre auf verschie-
dene Weise zusammengestellt sind, z.B. Apuleius’ ‹De Platone et eius dogmate›.
unsere Hauptquelle biographischer informationen über die Vorsokratiker,
Diogenes Laertios’ (1. Hälfte des 3. Jh.) ‹sammlung der Philosophenleben und
-lehren in 10 Büchern›, verbindet ebenfalls die Merkmale verschiedener genres:
der biographischen sukzessionen, der Doxographie und der Literatur über die
philosophischen schulen. Das Problem liegt nun darin, dass solche schriften auch
in ihrer gesamtheit keine besondere gattung bilden. Diogenes’ direkte Vorbil-
der sind uns unbekannt, ebenso wie seine direkten nachfolger. in der späteren
biographischen Tradition ist weder besonderes interesse für die Vorsokratiker zu
beobachten noch eine Zunahme des doxographischen elements. eine Ausnahme
bildet nach wie vor der neupythagoreismus. Die Lehre des Pythagoras wird in
dessen Biographien bei Porphyrios und in noch größerem Ausmaß bei Jamblich
dargestellt, doch steht diese Lehre in keiner Beziehung zu der auf Theophrast
zurückgehenden Doxographie. Demzufolge bleibt Diogenes eher die Ausnahme
als die Regel. sehr ungewöhnlich ist auch seine Methode, vielfältige Quellen
zusammenzustellen. Wie Diels (1879 [*2: 161-169]) nachgewiesen hat, enthalten
Diogenes’ Biographien der Vorsokratiker zwei Arten der Doxographie: Zuerst
kommt eine allgemeine, kurze und oberflächliche, ihr folgt eine ausführliche, die
auf dieselbe Weise wie bei Hippolytos und in den ‹stromata› des Ps.-Plutarch
organisiert ist und sich auf eine epitome des Theophrast stützt. Die allgemeine
Doxographie geht letzten endes auch auf die ‹Lehrmeinungen der Physiker›
zurück, doch sind ihre vermittelnden Quellen bisher unbekannt.
172 § 5. Die doxographische Tradition

6. BiBLiogRAPHie

Ausgaben, Fragmente und Zeugnisse [*1-*8]. – sekundärliteratur [*9-*74].

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