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BGH, 23.11.

1983 - 3 StR 256/83 (S)


Fall:
Nötigung der Regierung eines Landes
Fundstellen:
BGHSt 32, 165; EBE 1984, 2; JR 1984, 116; JZ 1984, 423; MDR 1984, 241; NJW 1984,
931; StV 1984, 115; ZfSH/SGB 1984, 68
Gericht:
Bundesgerichtshof
Datum:
23.11.1983
Aktenzeichen:
3 StR 256/83 (S)
Entscheidungstyp:
Urteil
Instanzen:
 OLG Frankfurt, 19.01.1983 - 1 StE 1/82

1. Soll die Regierung eines Landes durch Gewalttätigkeiten gegen Dritte oder Sachen
zur Erfüllung bestimmter politischer Forderungen genötigt werden, so sind diese
Ausschreitungen nur dann Gewalt gegenüber einem Verfassungsorgan im Sinne des §
105 StGB, wenn der von ihnen ausgehende Druck einen solchen Grad erreicht, daß
sich eine verantwortungsbewußte Regierung zur Kapitulation vor der Forderung der
Gewalttäter gezwungen sehen kann, um schwerwiegende Schäden für das
Gemeinwesen oder einzelne Bürger abzuwenden.
2. Zu dem Verhältnis des § 105 StGB zu § 240 StGB.
3. Auch wer sich nicht am Ort der Ausschreitungen aufhält, kann Täter eines
Landfriedensbruchs sein, wenn ihm die Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder
Sachen nach allgemeinen Grundsätzen als eigene Tat zuzurechnen sind.

Aus den Gründen


I.
Das Oberlandesgericht hat den Angeklagten wegen versuchter Nötigung der Regierung
eines Landes (§§ 105, 22 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und
deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Dem liegen folgende Feststellungen
zugrunde:

Die Betreiberin des Frankfurter Flughafens will ihr Betriebsgelände um eine zusätzliche
Startbahn (Startbahn West) erweitern. Nach dem von ihr erwirkten rechtskräftigen
Planfeststellungsbeschluß soll die neue Startbahn ein großes Waldgebiet durchschneiden.
Der Ausbau des Flughafens stieß bei Teilen der Bevölkerung auf erheblichen Widerstand.
Ziel der von Gegnern des Ausbaus gebildeten "Bürgerinitiative gegen die
Flughafenerweiterung Frankfurt Rhein-Main" war die Verhinderung des Startbahnbaus
durch "aktiven und gewaltfreien Widerstand" oder "aktive Präsenz am Orte der
Umweltzerstörung". Am 30. Mai 1981 gründeten die Bürgerinitiative und mehrere Vereine
die "Arbeitsgemeinschaft Volksbegehren und Volksentscheid Keine Startbahn West". Der
Angeklagte wurde zu einem der drei Vertrauensmänner der Arbeitsgemeinschaft gewählt.
Am 14. November 1981 übergab er dem Landeswahlleiter während einer friedlich
verlaufenden Großdemonstration in Wiesbaden, an der mindestens 100.000 Menschen
teilnahmen, einen den formellen Vorschriften des Hessischen Gesetzes über Volksbegehren
und Volksentscheid entsprechenden Antrag auf Zulassung des Volksbegehrens nebst
220.765 Unterschriften zur Unterstützung des Volksbegehrens.

In seinem Hauptreferat vor den Versammlungsteilnehmern erklärte der Angeklagte u.a.:


"Die politische Lösung, die wir anstreben, bedeutet: sofortige Zulassung unseres
Volksbegehrens und sofortige Herstellung unseres Moratoriums. Unsere
Moratoriumsforderungen sind eindeutig. Sie lauten: 1. Sofortige Einstellung aller
Rodungsmaßnahmen und aller Baumaßnahmen im Mönchbruchwald! 2. Sofortiger Abzug
der Polizeiarmada aus unserem schönen Wald! ... Die Schandmauer im Mönchbruchwald
muß sofort beseitigt werden! ... Wir haben schon vor vier Tagen - und ich wiederhole es an
dieser Stelle - der Hessischen Landesregierung eine Frist gesetzt. ... Morgen 12.30 Uhr - 24
Stunden nach der Überreichung unseres Volksbegehrensantrags - läuft eine Frist ab, eine
Frist, von der wir erwarten, daß innerhalb dieser 24 Stunden uns die Hessische
Landesregierung ein befriedigendes und vor allem verbindliches Friedensangebot macht."

Nachdem zwei weitere Redner gesprochen hatten, trat der Angeklagte ein zweitesmal ans
Mikrophon und sagte u.a.: "Liebe Leute, ich habe euch vorhin in meinem Referat gesagt,
daß wir der Landesregierung bis morgen 12.30 Uhr ... eine Frist setzen, bis zu der wir ein
befriedigendes Angebot erwarten, wie ihr Vorschlag zur Herstellung des Moratoriums ist.
Wir gehen jetzt davon aus, daß wir mit Sicherheit bis morgen zu dem angegebenen
Zeitpunkt ein befriedigendes Angebot nicht haben werden. Und deshalb wollen wir alle -
und ich möchte euch hierzu aufrufen, das ist unsere erste Aktion am morgigen Tage - dem
Frankfurter Flughafen einen Besuch abstatten. ... Das Ziel unserer morgigen Aktion ist: Es
muß vollständig gewaltfrei ablaufen, vollständig gewaltfrei! Aber ab 12.30 - 22 Uhr muß
Rhein-Main zu sein. Das Ziel unserer Aktion ist: Ab 12.30 Uhr ist der Flughafen dicht." An
demselben Abend äußerte sich der Angeklagte in ähnlicher Weise in der Sendung "Heute"
des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF).

Infolge seines Aufrufs begaben sich am nächsten Morgen mehrere Tausend Startbahngegner
zum Flughafen Frankfurt/Main. Es kam zu langandauernden, schweren gewalttätigen
Auseinandersetzungen mit der Polizei. Der Flughafen sowie der Zu- und Abgangsverkehr
waren von den Mittagsstunden bis in den Abend fast völlig blockiert. Zwar gelang es allen
Fluggästen, die das Terminal zu Fuß erreichten, wenn auch teilweise unter Inkaufnahme
von Rempeleien, ins Gebäude und zu ihren Maschinen zu kommen. Eine Anfahrt war
jedoch weder mit Privatwagen noch mit öffentlichen Verkehrsmitteln möglich. Die
Startbahngegner hatten Barrikaden errichtet, die sie mit Knüppeln und Steinwürfen gegen
die zur Räumung eingesetzten, auch aus anderen Bundesländern herangezogenen
Polizeikräfte verteidigten und zum Teil anzündeten. Ein Polizeibeamter wurde infolge eines
Steinwurfs an den helmgeschützten Kopf kurze Zeit bewußtlos; ein anderer erlitt einen
offenen Handgelenksbruch; mehrere Beamte wurden leicht verletzt. Von der Sperrung und
den Umleitungen waren mindestens 120.000 Menschen betroffen. Allein im Bereich des
Terminals entstanden Sachschäden in Höhe von über 83.000 DM.

Der Angeklagte war selbst nicht am Tatort anwesend, hat aber bereits bei seinen Aufrufen
mit einem wesentlichen Teil der später begangenen Gewalttätigkeiten gerechnet. Da er
wußte, daß die bisherigen Demonstrationen ohne erkennbare Wirkung auf die
Landesregierung geblieben waren, wollte er zu einer Aktion auffordern, die in ihren
Auswirkungen insbesondere auf Unbeteiligte eine neue Dimension erreichen sollte.

Das Oberlandesgericht hat das Verhalten des Angeklagten als versuchte Nötigung von
Verfassungsorganen (§§ 105, 22 StGB) und Landfriedensbruch in einem besonders
schweren Fall (§§ 125, 125a StGB) gewertet. Es hat ihn jedoch nicht wegen
Landfriedensbruchs verurteilt, weil es die Auffassung vertreten hat, daß dieses Vergehen
auch bei Annahme eines besonders schweren Falles als subsidiär hinter dem versuchten
Verbrechen der Nötigung von Verfassungsorganen zurücktrete.

II.
Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge teilweise Erfolg.

1. Diese ist begründet, soweit der Angeklagte wegen versuchter Nötigung von
Verfassungsorganen (§§ 105, 22 StGB) verurteilt worden ist.

Das Oberlandesgericht sieht die Androhung von Gewalt gegenüber der Hessischen
Landesregierung in den beiden Reden, die der Angeklagte auf der öffentlichen Kundgebung
der Arbeitsgemeinschaft "Volksbegehren und Volksentscheid Keine Startbahn West" am 14.
November 1981 in Wiesbaden gehalten hat, und die Anwendung von Gewalt in der dem
Angeklagten zurechenbaren Blockade des Frankfurter Flughafens am 15. November 1981.
Der Flughafenblockade kam aber weder in der Form, in der sie angekündigt, noch in der
Form, in der sie dem Angeklagten zurechenbar vollzogen wurde, die Zwangswirkung zu,
die erforderlich ist, um sie im Sinne des § 105 StGB als Gewalt gegenüber einer
Landesregierung werten zu können.

a) Darauf, ob Gewalt im Sinne des Staatsschutzstrafrechts die Überwindung eines


Widerstands durch Entfaltung körperlicher Kraft voraussetzt (so z.B. Rudolphi in SK -
Stand Mai 1983 - § 105 Rn. 5 f.; Schwalm in LK 9. Aufl. § 105 Rn. 10 f.; Geilen, Der
Tatbestand der Parlamentsnötigung, 1956 S. 87 ff.; Keller, Strafrechtlicher Gewaltbegriff
und Staatsgewalt, 1982 S. 277, 280) oder ob es ausreicht, daß die Mitglieder des zu
nötigenden Verfassungsorgans die nachteiligen Folgen des Nötigungsmittels als einen einer
körperlichen Kraftentfaltung vergleichbaren, auf sie persönlich ausgeübten Zwang
empfinden (BGHSt 8, 102 [104 f.] für den Fall des Generalstreiks; offengelassen in BGH
NStZ 1981, 218), kommt es hier nicht an. Denn der Angeklagte hat physische Gewalt
angekündigt und - durch andere - angewendet. Er hatte nach den Feststellungen nicht nur
die Absicht, die Zu- und Abgänge des Flughafens durch die bloße Anwesenheit Tausender
Startbahngegner zu blockieren. Er hat auch "um des Ziels einer wirksamen Blockade des
Rhein-Main-Flughafens und darüber hinaus des nachhaltigen Drucks auf die Hessische
Landesregierung willen billigend in Kauf genommen", daß von den Anwesenden
Gewalttätigkeiten begangen wurden. Abreisewillige Passanten wurden durch Anrempeleien
behindert, Straßen im Flughafenbereich durch z.T. angezündete Barrikaden gesperrt, gegen
deren Beseitigung tätlicher Widerstand geleistet, Polizisten, die die Zugänge frei machen
wollten, mit Steinen und Knüppeln angegriffen. Jedenfalls diese nach den tatrichterlichen
Feststellungen dem Angeklagten zurechenbaren Tumulte und Gewalttätigkeiten, welche
den Vollzug der Flughafenblockade in dem vom Angeklagten angegebenen Zeitraum
sichern sollten, sind Ausübung physischer Gewalt.

b) Für den Tatbestand des § 105 StGB reicht es jedoch nicht aus, daß der Täter irgendeine
mit körperlichen Einwirkungen verbundene Gewalt androht oder anwendet, um das
Verfassungsorgan zu dem erstrebten Handeln zu veranlassen. Der Bundesgerichtshof hat
schon in BGHSt 23, 46 darauf hingewiesen, daß ein Urteil darüber, ob ein tatsächlicher
Vorgang als Gewalt im Sinne eines bestimmten strafrechtlichen Tatbestandes anzusehen ist,
sich nicht einfach dadurch gewinnen läßt, daß dieser Vorgang an einer abstrakten
Umschreibung des Gewaltbegriffs gemessen wird. Solch isolierte Betrachtung wäre
verfehlt; der Vorgang ist vielmehr im Zusammenhang mit dem vom Tatbestand
vorausgesetzten Ziel des Handelns und in seinem Verhältnis zu den Personen zu beurteilen,
die betroffen oder beeinflußt werden sollen (BGH a.a.O. S. 49). Für den
Anwendungsbereich des § 105 StGB bedeutet dies: Will der Täter - wie hier - das
Verfassungsorgan dadurch nötigen, daß er Gewalt nicht unmittelbar gegenüber dem
Verfassungsorgan, sondern gegenüber Dritten und Sachen ausübt, so ist sie
tatbestandsmäßig nur dann, wenn der hiervon auf das Verfassungsorgan ausgehende Druck
unter Berücksichtigung sämtlicher die Nötigungslage kennzeichnender Umstände geeignet
erscheint, den dem Täterverlangen entgegenstehenden Willen des Verfassungsorgans zu
beugen (vgl. Willms in LK 10. Aufl. § 105 Rn. 8).

c) Was zur Nötigung von Verfassungsorganen geeignete Gewalt ist, ist in Anlehnung an den
Gewaltbegriff im Tatbestand des Hochverrats zu bestimmen. Dies ergibt sich aus der
besonderen Schutzrichtung und Funktion des § 105 StGB im System des
Staatsschutzstrafrechts, wie sie auch in der Entstehungsgeschichte ihren Niederschlag
gefunden haben.

Die durch die Strafvorschriften gegen Hochverrat und gegen Nötigung von
Verfassungsorganen geschützten Rechtsgüter sind eng miteinander verwandt. Hochverrat
liegt vor, wenn das betreffende Verfassungsorgan vollständig, sei es auch nur
vorübergehend, Nötigung eines Verfassungsorgans, wenn dessen freie
Entscheidungsmöglichkeit im Einzelfall ausgeschaltet werden soll (BGH, Urt. vom 5. Mai
1954 - 6 StR 42/54, teilweise abgedruckt bei Geilen a.a.O. S. 64; Dreher/Tröndle, StGB 41.
Aufl. 81 Rn. 7, § 105 Rn. 3). In beiden Fällen kommt als Mittel der Tat lediglich Gewalt
oder Drohung mit Gewalt in Betracht. Die beim Tatbestand der Nötigung des
Bundespräsidenten und von Mitgliedern eines Verfassungsorgans sowie beim allgemeinen
Nötigungstatbestand ausreichende Drohung mit einem empfindlichen Übel (§§ 106, 240
StGB) genügt nicht.

Bis zum Inkrafttreten des Achten Strafrechtsänderungsgesetzes vom 25. Juni 1968 (BGBl. I
741) schützte § 105 StGB nicht die Regierungen, sondern nur die Gesetzgebungsorgane des
Bundes und der Länder. Bestraft wurde, wer es unternahm, sie auseinander zu sprengen, zur
Fassung oder Unterlassung von Beschlüssen zu nötigen oder Mitglieder aus ihnen
gewaltsam zu entfernen. Auf Anregung des Sonderausschusses des Deutschen Bundestages
für die Strafrechtsreform (vgl. Prot. 5. Wahlperiode S. 712 f.) wurde eine Neufassung des §
105 StGB beschlossen, die andere Verfassungsorgane in dessen Schutzbereich einbezog.
Sie wurde auch hinsichtlich der Nötigungsmittel dem Tatbestand des § 395 Entw. 1962 über
die Nötigung eines Verfassungsorgans angeglichen (Schriftlicher Bericht des
Sonderausschusses, BTDrucks. V/2860 S. 25 f.). Dieser war im Entwurf 1962 u.a. wie folgt
begründet worden (BTDrucks. IV/650 S.584): "Die Verfassungsorgane stehen mitten im
politischen Leben und sind den Strömungen, Kräften und Gegenkräften, die das politische
Geschehen bestimmen, ausgesetzt. Auf sie wirken daher zumindest mittelbar auch die
Machtmittel der verschiedensten Art ein, die in den politischen Auseinandersetzungen von
den widerstreitenden Gruppen eingesetzt werden. ... Es empfiehlt sich ... nicht, den Kreis
der Nötigungsmittel ... zu erweitern, wie sie der Grundtatbestand der Nötigung ... vorsieht.
Dann würde letztlich die schwierige und im Kern politische Frage, unter welchen
Voraussetzungen politische Kampfmaßnahmen verwerflich sind, der Rechtsprechung
überbürdet. Der Begriff der Gewalt ist hier, da der Tatbestand nicht dem Schutz individuell
bestimmter Personen, sondern dem Schutz von Organen und Einrichtungen des Staates
dient, nicht im Sinne von § 11 Abs. 2" - eine Sondervorschrift, die Auslegungskriterien für
Gewalt im Sinne des Strafgesetzbuches enthielt - "zu verstehen, sondern ist
gleichbedeutend mit dem Merkmal der Gewalt im Tatbestand des Hochverrats."

In den Beratungen des Sonderausschusses hat der Regierungsvertreter ausdrücklich auf


diesen besonderen Gewaltbegriff hingewiesen (Schafheutle, 39. Sitzung 5. Wahlperiode
Prot. S. 747). Der Ausschuß ging hierbei von den in BGHSt 8, 102 ff. aufgestellten
Grundsätzen aus, die ihm eher zu weit als zu eng erschienen (vgl. a.a.O. S. 747 f.). In dieser
Entscheidung hatte der Bundesgerichtshof örtlich begrenzte oder nur einen bestimmten,
nicht lebenswichtigen Industrie- oder Berufszweig betreffende Kampfmaßnahmen (Streiks,
Demonstrationen) regelmäßig nicht als Gewalt im Sinne des Hochverrats angesehen, und
zwar auch dann nicht, wenn dadurch Verfassungsorgane des Bundes zu einem bestimmten
Verhalten veranlaßt werden sollten (BGH a.a.O. S. 104). In Anlehnung hieran führt der
Sonderausschuß in seinem Schriftlichen Bericht mit Bezug auch auf den Gewaltbegriff in §
105 unter anderem aus: "Das Vorliegen von Gewalt in einem solchen" (nicht
sozialadäquaten, politischen) "Streikfall ist nur dann zu bejahen, wenn die Auswirkungen
des Streiks der Anwendung physischer Gewalt gleichkommen, so z.B. wenn durch
Lahmlegung der gesamten Lebensmittel-, Wasser- oder Energieversorgung das physische
Leben der Bevölkerung gefährdet ist. Diese Voraussetzung ist nach Meinung einer
Mehrheit des Ausschusses nicht gegeben, wenn etwa die Versorgung der Bevölkerung
durch Einsatz eines technischen Notdienstes trotz des Streiks aufrechterhalten werden
kann" (BTDrucks. V/2860 S. 3).

Der Wille des Gesetzgebers ging also dahin, in § 105 StGB die Schwelle zur Annahme von
Gewalt gegenüber einem kollegialen Verfassungsorgan höher als in den dem
Individualrechtsschutz dienenden Strafbestimmungen anzusetzen und hierfür eine den
Hochverratstatbeständen entsprechende Zwangswirkung zu fordern. Mit Recht sieht daher
Willms (a.a.O. Rn. 1) das Kennzeichnende dieses Verbrechens in seiner Verwandtschaft
zum Hochverrat (ähnlich Geilen a.a.O. S. 86/87 für die alte Fassung).
d) Den Maßstab, der danach an die Prüfung anzulegen ist, ob die von der
Flughafenblockade ausgehende Zwangswirkung geeignet war, die Hessische
Landesregierung zu dem geforderten Moratorium zu veranlassen, hat das Oberlandesgericht
verkannt.

aa) Soweit es das tatbestandserhebliche Ausmaß der vom Angeklagten zu verantwortenden


Aktionen auch daraus herleitet, daß die hessischen Polizeikräfte trotz Verstärkung aus
anderen Bundesländern nicht ausreichten, um mit Erfolg gegen die Störer vorzugehen,
beachtet es nicht, daß dem Angeklagten die Blockaden auf der Autobahn A 5, die zeitweise
auf allen vier Fahrbahnen gesperrt war, die Blockaden der B 43 und B 44 in der Gemarkung
Neu-Isenburg und der A 3 im Bereich des Mönchhofdreiecks nach seinen eigenen
Feststellungen ebenso wenig zuzurechnen sind wie die "an Intensität und Feindseligkeit alle
bisherigen Erfahrungen übertreffenden Auseinandersetzungen am Startbahngelände". Den
hiermit zusammenhängenden Polizeieinsatz hätte das Oberlandesgericht daher nicht
berücksichtigen dürfen, ganz abgesehen davon, daß bei Großdemonstrationen die
Heranziehung von Polizeikräften aus benachbarten Bundesländern nicht ungewöhnlich und
daher in diesem Zusammenhang wenig aussagefähig ist.

bb) Rechtlich unzutreffend ist es auch, schon dem Umstand, daß die Aktionen der
Startbahngegner "als Landfriedensbruch im Sinne des § 125 Abs. 1, 1. Alternative StGB zu
qualifizieren sind", "ein besonderes Gewicht als Zwangswirkung im Sinne des § 105 StGB"
zu entnehmen, ohne dabei näher zu prüfen, inwieweit und warum diese Art des Vorgehens
gerade gegenüber der von den Ausschreitungen in Frankfurt nicht unmittelbar betroffenen
Landesregierung in Wiesbaden eine besondere Zwangswirkung auszuüben geeignet war.
Eine damit verbundene Störung der öffentlichen Sicherheit läßt nur unter den nachfolgend
unter cc) dargelegten Voraussetzungen einen Schluß auf eine solche Zwangswirkung zu. In
anderen Fällen ermöglichen die §§ 125, 125a StGB, die Freiheitsstrafen bis zu zehn Jahren
vorsehen, eine angemessene Ahndung.

cc) Rechtlichen Bedenken begegnet es ferner, wenn das Oberlandesgericht aus dem
begrenzten Ziel der Aktion, einem Moratorium, und der entsprechend begrenzten Folge
eines Nachgebens der Landesregierung, nämlich einer nur wenige Wochen, allenfalls
Monate dauernden Verzögerung des Baus der Startbahn West, auf eine erhöhte Eignung der
Zwangswirkung deswegen schließt, weil die Hessische Landesregierung bei einer
Güterabwägung eher dazu bereit sein könnte, diesen nicht sehr gravierenden Nachteil in
Kauf zu nehmen und sich für das Moratorium zu entscheiden.

Die Frage, ob das angedrohte oder eingesetzte Nötigungsmittel eine den


Hochverratstatbeständen entsprechende Zwangswirkung erreichen konnte und daher im
Sinne des § 105 StGB geeignet war, den Willen eines kollegialen Verfassungsorgans zu
beugen, darf nicht nur nach den jeweiligen tatsächlichen Gegebenheiten beantwortet
werden. So darf sie nicht etwa schon deswegen bejaht werden, weil die amtierende
Regierung Druck ohnehin keinen angemessenen Widerstand entgegensetzt oder den
gebotenen Widerstand aufgibt, weil ihr das Nötigungsziel relativ belanglos erscheint.
Maßgebend ist vielmehr eine die Pflichtenstellung des Verfassungsorgans einbeziehende
Bewertung der Zwangseignung.
Schon für den allgemeinen Nötigungstatbestand hat der Bundesgerichtshof hervorgehoben,
daß die Eignung des Nötigungsmittels, den Bedrohten im Sinne des Täterverlangens zu
motivieren, nicht nur faktische, sondern normative Tatbestandsvoraussetzung ist (BGHSt
31, 195 [201]); sie entfällt, wenn von dem Bedrohten in seiner Lage erwartet werden kann,
daß er der Bedrohung in besonnener Selbstbehauptung standhält (BGH a.a.O.). Beim
Verbrechenstatbestand der Nötigung kollegialer Verfassungsorgane kann auf eine solch
normative Bewertung des Nötigungsmittels erst recht nicht verzichtet werden. Die
Zwangswirkung der Gewalt oder der Drohung mit Gewalt entfällt daher, wenn und soweit
von den in § 105 StGB genannten Verfassungsorganen aufgrund ihrer besonderen
Verpflichtung gegenüber der Allgemeinheit erwartet werden kann und muß, daß sie auch im
Rahmen heftiger politischer Auseinandersetzungen Drucksituationen standhalten. Soll die
Regierung eines Landes durch Gewalttätigkeiten gegen Dritte oder Sachen zur Erfüllung
bestimmter politischer Forderungen genötigt werden, so sind diese Ausschreitungen somit
nur dann Gewalt im Sinne des § 105 StGB, wenn der von ihnen ausgehende Druck einen
solchen Grad erreicht, daß sich eine verantwortungsbewußte Regierung zur Kapitulation
vor der Forderung der Gewalttäter gezwungen sehen kann, um schwer-wiegende Schäden
für das Gemeinwesen oder einzelne Bürger abzuwenden.

Die normativen Elemente der Zwangseignung machen die Frage, ob im Einzelfall Gewalt
mit einer von § 105 StGB erfaßten Zwangswirkung angedroht oder verübt worden ist, zu
einer Rechtsfrage, die der Überprüfung durch das Revisionsgericht zugänglich ist. Diese
führt hier dazu, - anders als in den vom Senat entschiedenen Fällen der Schleyer-
Entführung und des Sprengstoffanschlags auf die Deutsche Botschaft in Stockholm [3 StR
307/82 (S) und 3 StR 24/78 (S)] - eine solche Zwangseignung zu verneinen.

Die Feststellungen des angefochtenen Urteils ergeben nicht, daß die vom Angeklagten
gewollte örtlich und zeitlich begrenzte 9 1/2 stündige Blockierung der Zugänge zum
Frankfurter Flughafen die lebenswichtige Versorgung der Bevölkerung oder die nationalen
oder internationalen Verkehrsmöglichkeiten wesentlich beeinträchtigt hat, zumal das
Landen und Starten der Flugzeuge ersichtlich nicht behindert wurde. Die Sperrungen der
Landstraßen und Autobahnen außerhalb des Flughafenbereichs müssen, da vom Vorsatz des
Angeklagten nicht umfaßt, ohnehin außer Betracht bleiben. Mit dem mehrstündigen Ausfall
eines zentralen Verkehrsflughafens muß auch sonst, z.B. wegen Nebels oder rechtmäßiger
Streiks, gerechnet werden. Wenn nicht besondere - hier nicht erkennbare Umstände
vorliegen, kann ein solcher zeitlich begrenzter Ausfall ohne schwerwiegende Nachteile für
das der Regierung anvertraute allgemeine Wohl bewältigt werden. Er war daher bei
wertender, die realen Kräfteverhältnisse berücksichtigender Betrachtung nicht geeignet, das
hessische Kabinett zu zwingen, seine erst vier Tage zuvor nach Beratung mit den
Koalitionsfraktionen und dem Bundesverkehrsminister getroffene und öffentlich
bekanntgemachte Entscheidung über die Ablehnung des Moratoriums rückgängig zu
machen und die Forderungen des Angeklagten zu erfüllen. Die Landesregierung hätte damit
ihre eigene Glaubwürdigkeit und das Vertrauen der Bürger in die Standfestigkeit
demokratischer Institutionen gegenüber organisierter Gewalttätigkeit aufs Spiel gesetzt.

Das Oberlandesgericht konnte nicht feststellen, daß der Angeklagte eine Wiederholung der
Flughafenblockade oder andere bestimmte, von seinem Willen abhängige
Gewalthandlungen konkret angedroht hat. Der Senat kann daher offen lassen, wie zu
entscheiden wäre, wenn solche Gewalthandlungen bis zum Einlenken der Regierung hätten
fortgesetzt werden sollen.

Die Verurteilung wegen versuchter Nötigung eines Verfassungsorgans nach den §§ 105, 22
StGB muß nach alledem entfallen.

2. Der Angeklagte hat sich auch nicht wegen Versuchs einer Nötigung der Landesregierung
nach § 240 StGB strafbar gemacht. Dies hat das Oberlandesgericht - von seinem
Standpunkt aus folgerichtig - nicht geprüft, weil es bereits einen Versuch nach § 105 StGB
bejaht hat.

Soll ein in § 105 StGB genanntes Verfassungsorgan genötigt werden, so schließt diese
Strafbestimmung als Sondervorschrift die Anwendbarkeit des § 240 StGB auch dann aus,
wenn das Nötigungsmittel zwar nicht den Tatbestand des § 105 StGB, aber den des § 240
StGB erfüllt. Denn der Gesetzgeber wollte die Entscheidung über die Strafbarkeit derartiger
Nötigungsversuche wegen der schwierigen und letztlich politischen Frage, unter welchen
Voraussetzungen politische Kampfmaßnahmen gegen solche Verfassungsorgane im Sinne
des § 240 Abs. 2 StGB verwerflich sind, nicht der Rechtsprechung aufbürden, selbst wenn
die Anwendung des den Anforderungen des § 105 StGB nicht entsprechenden
Nötigungsmittels im Einzelfall strafwürdig erscheint (vgl. die oben unter 1 c) erwähnte
Begründung zu § 395 Entw. 1962). Wegen dieser beabsichtigten Sonderregelung ist ein
Rückgriff auf § 240 StGB ausgeschlossen.

Ob etwas anderes dann gilt, wenn das Verhalten, zu dem das Verfassungsorgan genötigt
werden soll, nicht als Ausübung von Befugnissen im Sinne des § 105 StGB anzusehen ist
(so Willms a.a.O. § 105 Rn. 3; Dreher/Tröndle a.a.O. § 105 Rn. 3), kann offen bleiben.
Denn der vom Angeklagten erstrebte Nötigungserfolg sollte durch Ausübung von
Befugnissen im Sinne des § 105 StGB erreicht werden. Allerdings war die Hessische
Landesregierung nicht selbst befugt, einen Baustopp anzuordnen, weil die den
Flughafenausbau betreibende Flughafen-AG sich im Besitz vollziehbarer, auf einem
rechtskräftigen Planfeststellungsbeschluß beruhender Erlaubnisse befand. Zutreffend weist
das Oberlandesgericht aber darauf hin, daß es wenigstens mittelbar in der Macht der
Hessischen Landesregierung stand, auf die vom Angeklagten formulierten Forderungen der
Bürgerinitiative einzugehen. Das genügt unter den hier vorliegenden Umständen. § 105
StGB betrifft die Beeinflussung des Verhaltens des Verfassungsorgans bei der Erfüllung
seiner Aufgaben (vgl. Willms a.a.O.; Lackner, StGB 15. Aufl. § 105 Anm. 2b; Eser in
Schönke/Schröder, StGB 21. Aufl. § 105 Rn. 9). Der Aufgabenbereich einer Regierung
umfaßt über den bloßen Normvollzug hinaus schöpferische Initiative und gestaltende
Tätigkeit in den das Land berührenden bedeutsamen politischen Angelegenheiten (vgl.
Groß in Zinn/Stein, Verfassung des Landes Hessen - Stand Dezember 1979 - Art. 100 Rn.
2; Herzog in Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz - Stand April 1983 - Art. 62 Rn.
57). Auf ein solches Verhalten war die Forderung des Angeklagten gerichtet. Die von ihm
erstrebte Rückgängigmachung des Beschlusses der Landesregierung vom 10. November
1981, durch den die Moratoriumsforderung abgelehnt worden war, und die Durchführung
eines von ihm verlangten neuen Kabinettsbeschlusses, auf einen Baustopp hinzuwirken,
wären daher Ausübung der Hessischen Landesregierung zustehender Befugnisse gewesen
(vgl. auch RG DR 1942, 1757: Nötigung zu einer Amtshandlung im Sinne des § 114 StGB
a.F., obwohl der genötigte Minister das Nötigungsziel erst durch Einschaltung anderer
seinem Geschäftsbereich nicht angehörender Stellen erreichen konnte).

3. Die Angriffe der Revision gegen die Auffassung des Oberlandesgerichts, der Angeklagte
habe einen Landfriedensbruch nach § 125 StGB begangen, obwohl er an den
Ausschreitungen am 15. November 1981 nicht selbst teilgenommen habe, sind im Ergebnis
unbegründet.

a) Auch wer sich nicht am Ort der Ausschreitungen aufhält, kann Täter eines
Landfriedensbruchs sein, sofern ihm die Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder Sachen
nach allgemeinen Grundsätzen als eigene Tat zuzurechnen sind.

Für § 125 StGB a.F. war in der Rechtsprechung allerdings anerkannt, daß geistige Anführer,
Befehlsgeber oder Organisatoren nur dann Landfriedensbruch begehen können, wenn sie
sich der gewalttätigen Menge körperlich, d.h. räumlich anschließen (RGSt 60, 331 f.;
OGHSt 2, 209 [211 f.]). Diese Rechtsprechung ist aber überholt. Durch das Dritte
Strafrechtsreformgesetz wurde der Tatbestand des Landfriedensbruchs von Grund auf
umgestaltet. Während die Strafbarkeit früher an die Zugehörigkeit zu einer feindseligen
Menschenmenge anknüpfte, ist jetzt strafbar, wer sich an den Ausschreitungen als Täter
oder Teilnehmer beteiligt. Die Gewalttätigkeiten brauchen nicht eigenhändig begangen zu
werden. Vielmehr soll - neben dem Teilnehmer - jeder erfaßt werden, der die
Gewalttätigkeiten als Täter, d.h. selbst oder durch andere (§ 25 Abs. 1 StGB), begeht. Da
Strafgrund nicht mehr der Anschluß an eine unfriedliche Menge, sondern die Beteiligung
an den Gewalttätigkeiten oder Bedrohungen ist, besteht nach der Neufassung kein Anlaß
mehr, den ortsabwesenden Befehlsgeber, Organisator oder geistigen Anführer von der
Strafbarkeit auszunehmen, wenn und soweit die aus der Menge verübten Gewalttätigkeiten
oder Bedrohungen seinem Tatwillen entsprechen und unter seiner Tatherrschaft begangen
werden, ihm also nach allgemeinen Grundsätzen als eigene Tat zuzurechnen sind. Insoweit
dehnt die Neufassung daher die Strafbarkeit gegenüber dem alten Tatbestand aus. Diese
Auslegung hat auch der Regierungsvertreter bei den Beratungen des neuen § 125 StGB für
richtig gehalten. Er erläuterte dem Sonderausschuß für die Strafrechtsreform, er verstehe
die Neufassung so, daß auch derjenige einbezogen sei, der von außen steuere, der also z.B.
den ganzen Schlachtplan der Gewalttätigkeiten entworfen habe, nachher jedoch nicht
mitgehe (Horstkotte, Prot. 6. Wahlperiode S. 355). Auch der Abgeordnete de With wies als
zweiter Berichterstatter bei der abschließenden Lesung des Dritten
Strafrechtsreformgesetzes im Deutschen Bundestag darauf hin, daß der neue § 125 StGB
nicht nur die Gewalttäter, sondern auch deren Hintermänner mit Strafe bedrohe
(Verhandlungen des Deutschen Bundestages 6. Wahlperiode S. 1947).

Ob auf das Erfordernis der Anwesenheit am Ort des Geschehens auch dann verzichtet
werden kann, wenn eine Beteiligung an den Gewalttätigkeiten lediglich als - in § 125 Abs.
1 StGB neben dem Täter gesondert genannter Teilnehmer in Betracht kommt (vgl. von
Bubnoff in LK 10. Aufl. § 125 Rn. 7 m.N. zum Streitstand), braucht hier nicht entschieden
zu werden.

b) Der Angeklagte kann sich auch nicht darauf berufen, daß er nach den Artikeln 5 und 8
des Grundgesetzes berechtigt gewesen sei, zur Teilnahme an der Aktion vom 15. November
1981 aufzufordern. Allerdings darf derjenige, der ernsthaft zu einer friedlichen
Demonstration aufruft, nicht schon deswegen als Täter eines Landfriedensbruchs bestraft
werden, weil sich der Veranstaltung gewalttätige Gruppen anschließen, und zwar auch dann
nicht, wenn er schon bei seinem Aufruf mit deren Auftreten gerechnet hat, er aber die
Veranstaltung um deren von der Rechtsordnung gedeckten Ziele willen auf jeden Fall, also
auch unter Hinnahme von Ausschreitungen, durchführen wollte. Da eine solche
Fallgestaltung nicht vorliegt, kann auch offen bleiben, inwieweit er in diesen Fällen
Vorkehrungen gegen erwartete Ausschreitungen treffen muß.

Der Angeklagte hat nicht zu einer friedlichen, unter dem Schutz des Grundgesetzes
stehenden Versammlung aufgerufen, auch nicht zum Blockieren durch bloßes Sitzen oder
Stehen. Der Aufruf betraf vielmehr eine Großaktion, deren alleiniges rechtswidriges Ziel es
war, den Frankfurter Flughafen mit Mitteln, die Gewalttätigkeiten im Sinne des § 125 StGB
einschlossen, 9 1/2 Stunden vollständig zu blockieren. Der Angeklagte wußte, daß er eine
solch langandauernde Blockade der zahlreichen Zu- und Abfahrten allein durch passive
Anwesenheit der von ihm erwarteten 5.000 bis 10.000 Teilnehmer nicht würde erreichen
können. Er nahm daher, um die Blockade bis in die Abendstunden wirkungsvoll
durchsetzen zu können, billigend in Kauf, daß die seinem Aufruf folgende Menge
Barrikaden errichten, diese gegen die zur Räumung eingesetzten Ordnungskräfte
verteidigen und Polizeibeamten, die die Zugänge freihalten wollten, aktiven Widerstand
leisten würde. Dies hat das Oberlandesgericht auch unter Berücksichtigung des Umstands
festgestellt, daß der Angeklagte verbal zur Gewaltfreiheit aufgerufen hatte. Er hat
diejenigen Maßnahmen, die die Blockade gegen die Verhinderungsversuche der Polizei
sichern sollten, mitbeherrscht. Der 9 1/2 stündige Vollzug der Totalblockade war sein
persönliches Anliegen. Dieses Ziel hatte er seinen Anhängern mit beschwörenden Worten
gewiesen. Aufgrund seiner herausragenden Stellung in der Bürgerinitiative und der
Arbeitsgemeinschaft "Volksbegehren" genoß er bei einer großen Zahl der erschienenen
Startbahngegner maßgebliche Autorität. Die Wertung des Oberlandesgerichts, daß sich der
Angeklagte deren Gewalttätigkeiten in dem oben bezeichneten Umfang als eigene Taten
zurechnen lassen muß, ist daher aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

4. Der Angeklagte hat sich auch einer in Mittäterschaft begangenen Nötigung derjenigen
Personen schuldig gemacht, die durch das ihm zurechenbare Verhalten der Startbahngegner
an der Aufrechterhaltung des Verkehrsbetriebs des Frankfurter Flughafens, am Betreten und
Verlassen des Flughafengeländes oder an der Weiterfahrt in dessen Nahbereich unmittelbar
(vgl. OLG Köln NJW 1983, 2206 f.) gehindert worden sind (§§ 240, 25 StGB).

a) Dieses Vergehen - in Tateinheit mit versuchter Nötigung der Landesregierung - war dem
Angeklagten in der Anklage zur Last gelegt worden. Mit Zustimmung des
Generalbundesanwalts hat das Oberlandesgericht die Strafverfolgung auf die Verletzung
der §§ 105, 125, 125a StGB beschränkt und von der Verfolgung der tateinheitlich
angeklagten Vergehen der Nötigung und des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte
gemäß § 154a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO abgesehen. Da die Verurteilung aus § 105
StGB entfällt, ist es sachgerecht, die Strafverfolgung gemäß § 154a Abs. 3 StPO wieder auf
die Nötigung der durch die Gewaltmaßnahmen unmittelbar betroffenen Personen zu
erstrecken, um den Unrechtsgehalt der in der Anklage bezeichneten Tat auf der Grundlage
der geänderten rechtlichen Beurteilung voll auszuschöpfen (vgl. BGHSt 29, 315 [317]; 32,
84). Dem Senat erschien es allerdings nicht erforderlich, auch den Widerstand gegen
Vollstreckungsbeamte oder ein Vergehen nach § 26 Nr. 2 VersG (vgl. BGH, Urt. vom 27.
September 1983 - 5 StR 294/83) in das Verfahren einzubeziehen.

b) Die vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen, welche die Verurteilung des


Angeklagten wegen Landfriedensbruchs rechtfertigen, tragen auch seine Verurteilung
wegen Nötigung der von den Gewaltaktionen unmittelbar betroffenen Personen.

Der Senat braucht nicht allgemein zu der Frage Stellung zu nehmen, ob Demonstrationen,
die um der größeren Öffentlichkeitswirkung wegen darauf angelegt sind, die Bewegungs-
und Handlungsfreiheit anderer durch Gewalt zu beeinträchtigen, stets oder nur unter
zusätzlichen Voraussetzungen nach § 240 StGB strafbar sind (vgl. BGHSt 23, 46 [54 ff.];
BGH NJW 1982, 189 f.; Eser a.a.O. § 240 Rn. 24c ff.; Herzog a.a.O. Art. 8 Rn. 62; vgl.
auch BGHZ 59, 30 [34 ff.]; 63, 124 [127 ff.]). Selbst die Vertreter einer restriktiven
Anwendung des § 240 StGB auf Demonstrationen, die gezielt in die Rechte Dritter
eingreifen, sehen die Grenze zur Rechtswidrigkeit dann als überschritten an, wenn die
Demonstration einen aufrührerischen Verlauf nimmt und vorausgesehene Gewalttätigkeiten
das Nötigungsziel fördern (vgl. aus neueren Veröffentlichungen z.B. Dreier,
"Widerstandsrecht im Rechtsstaat?" in Recht und Staat im sozialen Wandel, 1983 S. 573,
596; Kostaras, Zur strafrechtlichen Problematik der DemonstrationsdelikÊte, 1982 S. 32 C;
vgl. auch § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VersG). Da die dem Angeklagten zurechenbare Gewalt
den Tatbestand des gewalttätigen Landfriedensbruchs erfüllt, ist sie auch verwerflich im
Sinne des § 240 Abs. 2 StGB. Daran ändert nichts, daß der Angeklagte glaubte, einen
Anspruch auf Einstellung der Bauarbeiten bis zur Entscheidung des Hessischen
Staatsgerichtshofs zu haben, und daß er mit nicht von vornherein unvertretbarer
Begründung [vgl. Ernst DVBl 1982, 495ff.; Walter Schmidt in Meyer/Stolleis (Hrsg.),
Hessisches Staats- und Verwaltungsrecht, 1983 S. 30 f.] davon ausging, den Ausbau des
Flughafens durch das von über 200.000 Unterschriften unterstützte Volksbegehren und
einen sich anschließenden Volksentscheid schließlich doch noch mit legalen Mitteln
verhindern zu können. Der Angeklagte wußte jedenfalls, daß die Flughafenblockade kein
rechtlich zulässiges Mittel seines politischen Widerstands war. Deshalb stellt sich auch die
Frage eines Verbotsirrtums nicht.

5. Der Angeklagte ist daher wegen Landfriedensbruchs in Tateinheit mit Nötigung zu


bestrafen. Der Senat hat den Schuldspruch analog § 354 Abs. 1 StPO entsprechend
geändert. Der Strafausspruch hat schon deswegen keinen Bestand, weil die Verurteilung
nach den §§ 105, 22 StGB entfällt.

Für die neue Verhandlung zur Straffrage weist der Senat darauf hin, daß die rechtlichen
Anforderungen, die das Oberlandesgericht an das Vorliegen eines besonders schweren
Falles des Landfriedensbruchs außerhalb der gesetzlichen Regelbeispiele gestellt hat, nicht
zu beanstanden sind, daß andererseits aber eine als strafschärfend gewertete
Unbelehrbarkeit nicht schon damit begründet werden kann, der Angeklagte habe an seiner
eigenwilligen Definition der Gewalt im Sinne aggressiver Gewalttätigkeit "bis ins
Schlußwort hinein" festgehalten. Als strafschärfend dürfte dies nur gewertet werden, wenn
daraus unter Berücksichtigung von Tat und Persönlichkeit des Angeklagten auf
Rechtsfeindschaft und die Gefahr künftiger Rechtsbrüche zu schließen wäre (vgl. BGH
NStZ 1983, 453 m.N.). Das hat das Oberlandesgericht nicht festgestellt. Es geht vielmehr
davon aus, daß der Angeklagte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und
auch ohne Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird.

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