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unter der eine Erläu-


terung zum Text gegeben wird. Statt Direktdatierung gegebenenfalls Abkürzung »HDK« = ausgestellt im Haus der Deutschen
Kunst in München.
Umschlag: Ivo Saliger »Das Urteil des Paris«, 1939

Seite 2:
Paul Ludwig Troost: Haus der Deutschen Kunst, 1933-37, München

Copyright © 1976 by Wilhelm Heyne Verlag Bildnachweis:


Ullstein Bildarchiv (2), Zeitgeschichtliches Bildarchiv Heinrich Hoffmann (1), Archiv für Kunstgeschichte (1), Haus der Kunst (1), Galerie Marco (2), Wolfgang Kunz, Hamburg (1)

Printed in Germany 1976


Umschlaggestaltung: Atelier Heinrichs, München Gesamtherstellung: Friedrich Pustet, Regensburg ISBN 3-453-41173-0

INHALT

Das Monumentale, das Traditionelle und das Handwerkliche 30


Das Kriegerische, Tausendjährige, Gigantische........................................38
Das Übermenschliche, Übersinnliche, Erhabene.....................................72
Der Mensch in seiner idealen Nacktheit..................................................109
Das Weltanschauliche, Gemeinschaftliche, Unverbrüchliche . 148
Nachwort...................................................................................................200
Anmerkungen...........................................................................................202
Literatur.....................................................................................................218
Register......................................................................................................222
Adolf Ziegler »Allegorie von Wasser und Erde«, Mittelteil des Triptychons »Die vier Elemente« (HDK 1937, später überm Kamin im Salon des
Führerbaues in der Arcisstraße zu München)

VORWORT

Ausstellungen und Publikationen der letzten Jahre mögen die Vorstellung gefördert haben, die offizielle Kunst des Dritten Reiches,
eines Zeitabschnitts der zwölf Jahre von 1933 bis 1945, sei eine Neuschöpfung programmatischer Art gewesen. Diese Kunst, so wird
vermutet oder sogar suggeriert, sei an eine bestimmte Regierungsform gebunden, demnach sowohl vorher als auch später weder
vorhanden noch hochgeschätzt gewesen. Sie sei so tyisch für ein diktatorisches Regime, daß man sie mit den Absichten dieses
Regimes gleichsetzen könne. Sie sei geradezu eine Erfindung und ein Produkt dieser totalitären Staatsform. Folgerichtig müsse von
einem nationalsozialistischen Kunststil gesprochen werden, von faschistischer Kunst und einer spezifischen Ästhetik, die in Idee
und Praxis nachzuweisen wäre. So wenig der Nationalsozialismus jedoch auf einer systematischen Ideologie basierte oder sie selbst
darstellte, so wenig bietet die offizielle Kunst des Deutschen Reiches in den Jahren 1933-45 ein ideologisch geschlossenes Bild, das
sich durchweg abgrenzen ließe gegen gleichzeitige Erscheinungsformen in anderen Ländern, gegen eine frühere Phase im eigenen
Land und gegen verwandte Erscheinungen in späterer Zeit.

Wenn hier nun unter dem Titel »Kunst im Dritten Reich« eine neue Darstellung dieses Themas versucht wird, so darf man nicht
von einem Stilbegriff ausgehen, der bereits eine Epocheneinheit erfaßt und anzuwenden wäre, wo immer es nur möglich ist. Der
Systematiker wird manches vertraute Schema vielleicht vermissen, das ihm den Charakter der Wissenschaftlichkeit zu garantieren
scheint. Immerhin wird er einige Hinweise und zeitgeschichtliche Details finden, die er als Material seiner eigenen Arbeit und als
Informationshilfe anerkennen kann. Vielleicht stören, vielleicht bestätigen die nun folgenden Mitteilungen den einen oder anderen
Vorstellungskreis. Weder das eine noch das andere liegt in der
Claus Bergen »Im Kampfgebiet des Atlantik« (HDK 1941)

Absicht des Autors, der einen historischen Bericht geben will. Wenn aus dem Bericht ein stilkundlicher Beitrag wird, der sich in
allgemeingesellschaftliche Zusammenhänge stellt, dann resultiert er nicht aus präfabrizierten Anwendungsrastern; denn es soll
nicht die eine Ideologie an einer anderen gemessen werden. Das würde eigene Meinungsbildung und Urteilsfindung behindern.
Gerade das vorweggenommene Urteil wäre Ausweis einer totalitären Gesinnung, die anderen eine vorgeprägte Doktrin aufzuerlegen
versucht. Wir wollen nicht alte Fehler gegen neue auswechseln, die dann doch wieder die alten sind.
DAS OFFIZIELLE

Den Begriff der offiziellen (im Gegensatz zur inoffiziellen) Kunst gibt es nicht erst seit dem Dritten Reich und nicht erst seit dem
sogenannten Wilhelminischen Zeitalter, das mit dem Namen des 1918 zurückgetretenen letzten Deutschen Kaisers Wilhelm II. ver -
bunden ist. Aus dem Hofmaler früherer Jahrhunderte, einer keineswegs stets einengenden Position (man denke nur an Velazquez),
wurde im 19. Jahrhundert der offizielle Maler der sogenannten Staatsaktionen, der Historien- und Schlachtenmaler, der den Auftrag
hatte, in möglichst weitgreifenden geschichtlichen und mythologischen Zusammenhängen den Ruhm der Dynastie zu monu-
mentalisieren; er hatte Wunschvorstellungen und Ansprüche seiner herrscherlichen Auftraggeber in Allegorien und Porträts, in
Fixierungen historisch bedeutender Momente und in dichterischen Verbrämungen inszenatorisch zu gestalten.
Der offizielle Staatsmaler Kaiser Wilhelms II. war Anton Alexander von Werner. Eines seiner Monumentalwerke entstand in
Berlin, wo er 1875 Akademiedirektor geworden war, 1883 mit dem Sedan-Panorama, das sich auf einen Sieg im französisch-
deutschen Krieg von 1870-71 bezieht. Noch 1961 antwortete Otto Dix in seinem Hemmenhofener Atelier seinem Besucher Hans
Kinkel auf dessen Frage nach der Tendenz seiner nach 1918 entstandenen Kriegsdarstellungen: »Eine Tendenz? Ja, natürlich.
Wissen Sie, worum es ging? Um den Anti-Anton-von-Werner. Kein schönes Wort, aber das war's in Wirklichkeit«*. Dix malte gegen
den Krieg und gegen Anton von Werner - die beherrschende Rolle des Prototyps Wilhelminischer Kunst offenbarte Dix, der Betrof -
fene, noch nach Jahrzehnten. Ein allgemeines Künstlerlexikon in fünfter unveränderter Auflage sagte über Anton von Werner 1921:
»Seine Werke haben eher einen kulturgeschichtlichen als einen künstlerischen Wert«*.Der Kunsthistoriker Hugo von Tschudi
bekam, nachdem er 1896 Direktor der Berliner Nationalgalerie geworden war, den Zorn Wilhelms II. persönlich zu spüren, als er -
aus Mitteln befreundeter Stifter - 21 Werke französischer Künstler erworben hatte, die modern und demnach inoffiziell waren:
Bilder von Ma- net, Degas, Monet, Cézanne, Renoir, Courbet, Daumier, Couture, Millet, Daubigny und Fantin-Latour. Der Kaiser
hatte erklärt, daß »eine Kunst, die ihre patriotische Mission vergißt und sich nur an das Auge des Kenners wendet, für ihn
überhaupt nicht vorhanden« sei*; als ihm Gemälde von Delacroix vorgestellt wurden, sagte er, so etwas könne der Direktor einem
Herrscher zeigen, der nichts von Kunst verstehe, nicht aber ihm*. Tschudi wurde in Berlin beurlaubt und folgte 1909 einem Ruf an
die Bayerischen Gemäldesammlungen nach München, wo er mit Neuordnungen und gestifteten Erwerbungen den in Berlin
begonnenen Weg fortsetzte.
Man muß an diese herrscherlichen Kunsturteile und deren Folgen denken, wenn man sich dem nähert, was »Kulturpolitik des
Nationalsozialismus«* genannt wird. Ähnliche Erscheinungen gab es auch in anderen europäischen Ländern. »Die offizielle Kunst
der Dritten Republik« überschrieb Karl Eugen Schmidt ein Kapitel seines Buches »Französische Malerei des 19. Jahrhunderts«, das
1903, also noch in der Wilhelminischen Ära, erschien. In Schmidts Rückblick wird das Offizielle gleichgesetzt mit dem Akademi-
schen, Traditionellen, Epigonalen. Entscheidend für diese Zugehörigkeit waren nicht allein Genre und Sujet, sondern auch die un-
veränderte Sicht und Machart solcher Historien-, Porträt- und Rührstückmaler: illustrativ und oft mittelmäßig in Handschrift und
Aussage, doch groß in der Ausdehnung*.
Seitdem die Höfe der Regierenden und die Salons der Bourgeoisie sich mit ihren Geschmacks-Reglements vorwiegend restaurativ
und gegenwartsfremd zu verhalten suchten, seitdem in der Abwehr demokratischer und vermeintlich sozialistischer Regungen eine
ständische, dynastische und ererbte Aufgabe gesehen wurde, wuchsen Widerstand und Aggression auf beiden Seiten. Das Neue
schien stets Gefahr zu bedeuten, Aufruhr und Revolution, Wegnahme von Privilegien und Gefährdung der Sicherheit für den
einzelnen wie für den Staat.
Die Kunst, die immer auch der Bestätigung von Vorhandenem zu dienen hatte, mußte nun die Fiktion eines Anspruchs wie eine
Realität aufrechtzuerhalten versuchen. Kunst diente immer mehr der Retrospektive auf Vergangenes: Siege, große historische Mo-
mente, längst schon nicht mehr ungebrochene Idyllen - längst schon nicht mehr vorhandene Autorität der einzelnen Persön -
lichkeit, die so tut, als ob sie selber Geschichte mache.
Die Kunst der Gründerzeit, insbesondere der Wilhelminischen Ära, bildete das Vorstadium zur Kunst des Dritten Reiches.
Werke von Makart und Lenbach befanden sich auch in den persönlichen Sammlungen von NS-Größen, besonders zahlreich aber in
den Vorräten für das von Hitler für die Donaustadt Linz geplante große Museum. Pomphaft theatralische Inszenierung, Schicksais-
dämmer und erotischer Schwulst, Shakespeare-Dramen und Wagner-Opern, üppige Allegorie und Horror vacui - Makarts Wien der
Ringstraße und Hitlers Hof der Parvenüs und Parteibonzen haben gewisse Gemeinsamkeiten. In beiden Fällen war die neue Zeit
immer schon da und nicht nur zu erahnen. Da enthält jeder Genuß bereits die Angst vor dem Ende, vor dem Verfall. Die Geschichte
wird zum Leichenzug. Das Leben im letzten Rausch der Künstlichkeit, die als Natur sich darbietet, orientiert sich gegen das
Unvermeidliche. »Nach uns die Sintflut« - »Après nous le déluge«. Noch einmal soll Schönheit erglänzen, noch einmal Kraft
erblühen. Der Gedanke an Hinfälligkeit und die Verschattung des Todes steigert den Aufwand und die Dimensionen, doch jegliche
Zuversicht kann nur noch Abwehr des Unvermeidbaren sein. Flucht vor der Wirklichkeit, Flucht vor dem Eigentlichen, Flucht vor
sich selbst kann gigantische Taten hervorbringen, deren Wert ins Nichts versinkt.

Paul Ludwig Troost: Haus der Deutschen Kunst, 1933-37, München

Das schien nachträglich auch Albert Speer, Architekt und Rüstungsminister unter Hitler, zu meinen, als er am 2. Januar 1962 im
Spandauer Gefängnis notierte: »Ich dachte heute wieder einmal, wie Hitler nicht nur den Klassizismus, sondern alles, was er
berührte, verdorben hat: ein umgekehrter König Midas, der die Dinge nicht in Gold, sondern in Kadaver verwandelte. Nur eine
Ausnahme, so bemerke ich mit Erstaunen, gibt es von dieser Regel: Richard Wagner«*. Hitler wird immer wieder als übersteigerter
Kleinbürger geschildert, als Spießer unter seinesgleichen. Persönlich bestimmte er nicht nur die Richtlinien der Kulturpolitik,
sondern kümmerte sich auch um konkrete Details. Er entwarf Kolossalarchitekturen und Kleinkariertes, er malte harmlose, topo-
graphisch und illusionistisch bemühte Aquarelle, fühlte sich als verhinderter großer Baumeister und sah sich in der Rolle eines
unumschränkten Potentaten, der sich und seine Phantasien in Bauwerken und Bildender Kunst verewigt. Er suchte den Umgang
mit Architekten und Künstlern, die mit ihnen zusammenarbeiteten; unter den Bildhauern schätzte er Arno Breker vor allem. Hitler
legte 1933 den Grundstein zum Münchner Haus der Deutschen Kunst und eröffnete seit der Einweihung von 1937 dort jede Große
Deutsche Kunstausstellung bis 1942. Seine Vorbesichtigungen mit dem Photographen und Verleger Heinrich Hoffmann sowie der
Architekten-Witwe Gerdy Troost dienten der Überprüfung und Korrektur der bereits fertigen Ausstellung. Eine Jury mit
Mehrheitsbeschlüssen gab es ohnehin nicht. Hoffmann war Herr im Haus.
Die Kataloge dieser alljährlichen Ausstellungen zwischen 1937 und 1944 sowie die seit 1937 erschienene Monatszeitschrift »Die
Kunst im Dritten Reich« (seit Januar 1939 unter dem Titel »Die Kunst im Deutschen Reich«) bieten neben weiteren Quellen das
Text- und Anschauungsmaterial zur offiziellen Kunst des NS- Staates. Das Haus der Deutschen Kunst sollte die Nachfolge des am 6.
Juni 1931 in Flammen aufgegangenen Münchner Glaspalastes antreten, in dem damals über 3 000 Kunstwerke zugrundegingen,
darunter Werke deutscher Romantiker von Caspar David Friedrich bis Moritz von Schwind. Dieser Feuersturm wurde schon bald
als Wende und als Menetekel empfunden. Bereits die Entwürfe für einen Neubau wurden »angesichts der vaterländischen Bedeu -
tung dieser Frage« alsbald von den NS-Leuten heftig angegriffen. Es wurde ein Wettbewerb ausgeschrieben, Preise wurden verteilt.
Auch Paul Ludwig Troost entwarf seinen »Neuen Glaspalast« 1932 noch für den Platz des Vorgängerbaus im Alten Botanischen
Garten. Nach der Machtübernahme vom 30. Januar 1933 nahmen

Umschlag der Zeitschrift »Die Richard Klein: Umschlag »Die Kunst Kunst im Dritten Reich«, 1937 im Deutschen Reich«, 1940

die Nazis die Planung sofort in eigene Regie. Hitler selbst berief Troost als Architekten, in dessen Atelier er wiederholt selbst eige ne
Vorschläge und Änderungswünsche zeichnete. Er berief Gauleiter Adolf Wagner, den Bayerischen Staatsminister des Innern, als
Staatskommissar der Anstalt des öffentlichen Rechts »Haus der Deutschen Kunst (Neuer Glaspalast)«. Am 15. Oktober 1933 legte
Hitler den Grundstein. Beim Schlag auf den Stein brach der Hammer ab - kein gutes Omen. Der letzte Satz der im Grundstein
deponierten Urkunde lautet: »Möge aus der Flamme, die am 6. Juni 1931 den Alten Glaspalast zerstörte, eine neue deutsche Kunst
erblühen und es dem neuen Haus beschieden sein, eine Stätte zu bieten für Jahrhunderte«.
Den Bauplatz am Rand des Englischen Gartens, an der nach 1890 angelegten und bebauten Prinzregentenstraße, diktierte Hit ler.
Das Land Bayern schenkte das Grundstück (Bilanzwert damals i 778 000 RM), die Stadt München stiftete aus »Fondsmitteln« 400
000 RM, doch im übrigen sollten keine öffentlichen Gelder in Anspruch genommen werden. Aufrufe zur Zeichnung freiwilliger
Spenden ergingen im besonderen an die Industrie und die Banken. Mitte Juli 1937 betrug der »Gesamtspendenstand« 9 588 758
RM. Darin ist bereits ein Zuschuß des Deutschen Reiches in Höhe von 1,5 Millionen RM enthalten, der bis Juni 1937 als ein auf fünf
Jahre zinslos gewährtes Darlehen geführt wurde. Das Münchner Bankhaus Merck, Finck & Co. stiftete 100 000 RM; Bankier August
von Finck wurde Vorstandsvorsitzender der Anstalt »Haus der Deutschen Kunst«. Ein beträchtlicher Teil des Gesellschaftskapitals
war bei der Bank Merck, Finck & Co. hinterlegt. Besonders verdiente Spender und Förderer wurden alljährlich in einen
»Ehrenausschuß« berufen.
Das Vorprojekt des Architekten Abel und die Wettbewerbsergebnisse von 1932 wurden wegen ihres sachbezogenen, »technisch-
abstrakten« Nutzbaucharakters von den Machtübernehmern des Jahres 1933 sogleich verworfen. Troost selbst hatte seine Ent würfe
beim Wettbewerb gar nicht eingereicht, weil er für seine monumentale Pfeiler- und Säulenreihen gar keine Chance sah. In seiner
Rede zur Grundsteinlegung erklärte Hitler: »Das junge Deutschland baut seiner Kunst ein eigen Haus.« Laut Führer-Wille
Eröffnung der zweiten Großen Deutschen Kunstausstellung im Haus der Deutschen Kunst, München 1938 Vorn von links: Bankier Baron August von
Finck, SS-Reichsführer Heinrich Himmler, Reichskanzler Adolf Hitler, Bayerns Gauleiter Adolf Wagner

sollte »München wieder werden Hauptstadt der deutschen Kunst*.« Als »Tempel deutscher Kunst« und als »das erste große
Baudenkmal einer neuen Zeit« wurde das 175 m lange Monument gepriesen, dessen Sinn es sein sollte, »aus dem Alltag heraus ins
Reich der Künste und Ideale« zu führen*. Hitler selbst sagte in seiner Rede zur Weihe des Hauses am 18. Juli 1937: »Wie alle
wahrhaft großen Bauschöpfungen ist dieses Haus einmalig und einprägsam und bleibt jedem in seiner Eigenart nicht nur im
Gedächtnis haften, sondern es entstand in ihm ein Merkmal, ja, ich darf schon sagen, ein wahres Denkmal für diese Stadt und
darüber hinaus für die deutsche Kunst. Dabei ist dieses Meisterwerk ebenso groß in seiner Schönheit wie zweckmäßig in seiner
Anlage und in seinen Einrichtungen, ohne daß irgendwo dienende, technische Erfordernisse sich zum Herrn des gesamten Werkes
erheben konnten. Es ist ein Tempel der Kunst und keine Fabrik, kein Fernheizwerk, keine Bahnstation oder elektrische
Umschaltzentrale!«* Die Metaphorik der Tempelform sollte bedeuten: hehre, hohe, reine und arterhaltende Kunst bedarf der
Bauform eines klassischen Heiligtums. Jeder Zweifel am Wert seines Inhalts war durch architektonische Würdehaltung und teuren
Marmor auszuschließen.

Adolf Ziegler „Göttin der Kunst“

Gauleiter Adolf Wagner teilte als Staatskommissar im ersten Ausstellungskatalog bündig die Voraussetzungen und die organi -
satorische Bestimmung mit: »Alle deutschstämmigen, im Reiche oder im Auslande lebenden Künstler waren aufgefordert, für diese
Ausstellung ihre Werke zur Durchsicht nach München zu schik- ken. Auf diesen Aufruf wurden 25 000 Werke angemeldet, davon
sind tatsächlich 15 000 eingesandt worden und von diesen sind rund 900 Werke ausgestellt. Es ist klar, daß die einzige gesamt -
deutsche Kunstausstellung - dies ist nach dem Willen des Führers jetzt und für alle Zeiten die alljährliche Ausstellung im Haus der
Deutschen Kunst zu München - nur das Vollkommenste, Fertigste und Beste zeigen kann, was deutsche Kunst zu vollbringen
vermag. Problematisches und Unfertiges hat jetzt und nie im Haus der Deutschen Kunst Aussicht auf Annahme. Diese an sich
selbstverständliche Haltung wird noch unterstrichen durch die Verpflichtung, die im Bauwerk des Hauses der Deutschen Kunst
liegt: Es ist ein Bauwerk vollendetster nationalsozialistischer Architektur«. Der Veranstalter selbst, die Anstalt des öffentlichen
Rechts, bemerkte zur Organisationsform: »Die künstlerische Leitung oblag einem vom Führer bestimmten Kreis von Juroren«.
Namen wurden nicht genannt.
Im Katalog des folgenden Jahres 1938 hieß es an gleicher Stelle: »Die künstlerische Gesamtleitung oblag einem vom Führer be -
stimmten Beauftragten. Beim Hängen und Stellen der Werke wurde die Ausstellungsleitung vom Beauftragten des Präsidenten der
Reichskammer der Bildenden Künste unterstützt« - von Adolf Ziegler also, dem auch maltechnisch peniblen Maler allegorisierter
Akte, der Hitler schon 1925 begegnet war, als Sachbearbeiter für Bildende Kunst in der Reichsleitung der NSDAP München tätig
wurde, nach der Machtübernahme eine Münchner Akademieprofessur erhielt und über den Präsidialrat der 1933 als einheitliche
Standesorganisation errichteten Reichskammer zunächst Vizepräsident und am 1. Dezember 1936 Präsident dieser in Fachabteilun-

gen gegliederten Institution unter Aufsicht des Propagandaministeriums wurde. Er war der mit Sondervollmachten ausgestattete
Leiter der Aktion »Entartete Kunst«, bei der im Rahmen des am 31. Mai 1938 gesetzlich sanktionierten Ministerialerlasses vom 30.
Juni 1937 »die im deutschen Reichs-, Länder- und Kommunalbesitz befindlichen Werke deutscher Verfallskunst seit 1910« zunächst
nur »zum Zwecke einer Ausstellung auszuwählen und sicherzustellen« waren*. Daraus wurde eine entschädigungslose
Konfiszierung fast des gesamten deutschen Museumsbesitzes an europäischer moderner Kunst ohne Bindung an eine Zeit-, Stil -
oder Eigentumsgrenze. Betroffen waren auch Museumsdepots, private Kunstvereine und Galeriestiftungen (»der Öffentlichkeit
zugängliche Sammlungen«) sowie Werke ausländischer Künstler sogar aus der Zeit noch vor 1910, beispielsweise Picasso und
Münch. Über 1 500 Werke wurden von der unter Zieglers Leitung stehenden Kommission zugunsten des Reiches eingezogen,
»soweit sie bei der Sicherstellung im Eigentum von Reichsangehörigen oder inländischen juristischen Personen standen*.
Zur Säuberungs- und Beschlagnahmekommission gehörten außer Ziegler: der Maler und Schriftsteller Wolfgang Willrich, Autor
der Hetzschrift »Die Säuberung des Kunsttempels. Eine kunstpolitische Kampfschrift zur Gesundung deutscher Kunst im Geiste
nordischer Art«, 1937, und anderer rassistischer Bücher*; der neue Direktor des Essener Folkwang-Museums und spätere Amtschef
im Reichserziehungsministerium, der Kunsthistoriker Klaus Graf von Baudissin; der Maler und Zeichner Hans Schweitzer, seit 1936
im Präsidialrat der Reichskammer der Bildenden Künste, der unter dem Pseudonym »Mjölnir« bekannter war - sowie ein Vertreter
des Reichserziehungsministeriums.
Die einen Tag nach dem Haus der Deutschen Kunst am 19. Juli 1937 eröffnete Ausstellung konfiszierter Museums- und Galerie -
werke, die vorwiegend Malerei und Plastik des deutschen Expressionismus umfaßte, wurde unter dem Titel »Entartete Kunst« mit
schmähenden Inschriften sowie Angaben über den Beschlagnahmeort und den einstigen Ankaufspreis im alten Galeriegebäude am
Münchner Hofgarten gezeigt. In seiner Eröffnungsrede sagte Adolf Ziegler: »Sie sehen um uns herum diese Ausgeburten des
Wahnsinns, der Frechheit, des Nichtkönnertums und,der Entartung. . . . Uns allen verursacht das, was diese Schau bietet, Er -
schütterung und Ekel. ... Es hätten Eisenbahnzüge nicht gereicht, um die deutschen Museen von diesem Schund auszuräumen. Das
wird noch zu geschehen haben, und zwar in aller Kürze«*. Es handelte sich immerhin um Bilder aller namhaften deutschen
Expressionisten, um die Maler von »Brücke« und »Blauem Reiter«, um Rohlfs auch, Chagall und Max Beckmann. Ziegler seinerseits
wurde bald nicht mehr nur von seinen Kollegen insgeheim als »Meister des gekräuselten Schamhaares« oder »Reichshaarpinsler«
und ähnlich bezeichnet - ebenso wie das Haus der Deutschen Kunst im Volksmund alsbald »Weißwursttempel« hieß. Der Maler
Paul Mathias Padua, dessen Vorbild Wilhelm Leibi war, wurde seit seiner Leda mit dem Schwan, die 1939 im Haus der Deutschen
Kunst hing und dort von Hitler für den Obersalzberg gekauft wurde (und nach dem Zweiten Weltkrieg im Besitz eines deutschen
Parfümfabrikanten war), von Kollegen »Unter-Leibi« genannt. Der Witz und das Lachen dienten nicht nur unter Künst lern, die
unter dem Druck des Regimes zu leiden hatten, als befreiendes Ventil unter Freunden.
Wolf Willrich » U-Boot-Kommandant Kapitänleutnant Prien«, 1939

Von Padua hingen in der gruppenfreien Abteilung des Münchner Glaspalastes 1925 bereits vier Gemälde, darunter zwei Damen-
bildnisse; Padua war damals erst 21 Jahre alt - ein großer Überraschungserfolg. Beim Glaspalastbrand von 1931 gingen Paduas
Betende Bäuerin und Niederbayerischer Bauer zugrunde. 1936, als die Große Münchener Kunstausstellung des abgebrannten Glaspa-
lastes wegen in reduzierter Form im Ausweichquartier der Neuen Pinakothek stattfand, gab es von Paduas Hand eine Zigeunerin
und einen Südtiroler Bauernbuben zu sehen. Es muß ihn geschmerzt haben, daß er 1937 an der Eröffnungsausstellung des Hauses
der Deutschen Kunst nicht beteiligt war. 1938 jedoch konnte er die Bildnisse General von Reichenau und Schwarzwäl-
derin vorzeigen. Für die Leda mit dem Schwan hatte Padua nach einjähriger Suche das geeignete Aktmodell gefunden; es »sollte
damenhaft und rothaarig sein und auch sonst den Vorstellungen Paduas genau entsprechen«*. Im Münchner Tiergarten wurde ein
besonders kräftiger Schwan geschlachtet und als Modell mit ausgebreiteten Flügeln präpariert. Padua behielt eine Zweitfassung des
wegen seiner Anstößigkeit berühmt gewordenen Bildes. Die Verantwortlichen des Hauses der Deutschen Kunst, vor allem Hoff-
mann und Wagner wohl, sollen damals Zweifel geäußert haben, ob man dem Publikum ein derartiges Bild, das in den Verdacht der
Pornographie geraten könne, zumuten dürfe. Als Entscheidungshelferin, die keine Bedenken hatte, soll Gerdy Troost bemüht wor-
den sein.
In einem Gespräch mit Armin Eichholz, dem Feuilleton-Chef des »Münchner Merkur«, behauptete Padua, dieses Bild habe ihn
»beinahe ins KZ gebracht«*. Er berichtete: »Das war so, wie sie mir später erzählt haben: Erst sagt der Hoffmann, der Photograph
Hoffmann: >Großartig<, und Frau Troost meint: >Na ja!< . . . und dann gehen sie zu Hitler in die Osteria Bavaria, und der
Hoffmann sagt: >Mein Führer, so und so, und ich wage das nicht zu entscheiden-und dann gehen alle ins Haus der Kunst, und der
Hitler sagt: >Jawohl, das gefällt mir<. Und dann der Gauleiter Wagner: >Aber erlauben Sie, mein Führer, das ist doch nichts für die
Jugend<. Dann fragt der Hitler Frau Troost, und die meint: >Nein, peinlich finde ich es nicht<. Aber der Wagner sagt wieder etwas
dagegen, und dann der Hitler: >Also Schluß, ich hänge das Bild da her<. Und wie dann der Wagner vorne in der Halle wieder
angefangen hat mit: >Aber mein Führen .. ., sagt Hitler: >Aber nun halten Sie endlich Ihren Mund<«. - Auf die Interview-Frage:
»Also Ihr Gaudibild, meinen Sie, wurde sozusagen regelrecht hineinterrorisiert«, antwortete Padua: »Das hat mir der Wagner später
angekreidet, als ich einmal vorgeladen wurde, wegen eines Briefes mit Äußerungen gegen den Nationalsozialismus. Ich mußte
damals von München weg, da gab's gar nix«. - Padua in KZ-Gefahr, weil der Gauleiter gegen seinen Widerstand dazu gebracht
wurde, auf Geheiß des Führers die ominöse Leda mit dem Schwan auszustellen? Vergnügliche Geschichten.

194° präsentierte Padua - inzwischen Inhaber eines Bauernhofes am Tegernsee - eine verführerische Südländerin und eine bäuer-
liche Familiengruppe, lauschend unterm Volksempfänger-Radio aus dem »der Führer spricht« (so auch der Titel des Bildes und die
Schlagzeile der »Tegernseer Zeitung« auf dem Tisch unter dem Radio). An die Wand ist ein Hitler-Photo mit der Aufschrift »Ja!«
geheftet. Die Szenerie ist weich und tonig gemalt, geschickt in der kompositorischen Anwendung des plastisch modulierenden
Lichts. Drei Generationen sind versammelt, Genrezutaten sind ein Krug auf dem Ende eines primitiven Sitzbrettes und ein
bescheidener kleiner Puppenwagen mit kariertem Deckchen. Ein kärgliches kleinbäuerliches Interieur also, Müdigkeit und reale
Skepsis sprechen aus der Haltung und den Gesichtern der Menschen. Es ist Krieg, er trifft die armen Menschen ganz besonders
hart, sie sind betroffen und besorgt. Wenn »der Führer spricht«, verheißt das nicht unbedingt Gutes, ein baldiger Frieden ist nicht
in Sicht.
Paul Mathias Padua
»Der Führer
spricht«
(aus

dem neuen Kleinradio, genannt Volksempfänger), 1939


Bestellt hatte das Bild, sagte Padua, der Intendant des Reichsrundfunks: ein Auftragswerk also. Das neue Propaganda-Medium des
Rundfunks sollte in seiner Funktion zur Geltung gebracht werden. Padua wollte keine schlechte Arbeit liefern, wollte unpathetisch
bleiben. Stilistisch ist das Bild keine Erfindung, aber auch kein abgedroschenes Epigonentum. Es steht in der Tradition der von
Courbet und dem französischen Realismus des 19. Jahrhunderts angeregten Münchner Schule Wilhelm Leibis und seines
Freundeskreises. Ohne Radio, Hitler-Porträt und Zeitung könnte das Bild innerhalb einer öffentlichen oder privaten Sammlung, die
von der Revolution der modernen Kunst und ihren Folgen absehen will, wahrscheinlich sogar eine recht gute Figur machen.
Wir können Entwicklungszüge in der Kunst des 20. Jahrhunderts konstatieren, die aus dem Verlauf des 19. Jahrhunderts seit
Goya, Ingres, Caspar David Friedrich und Delacroix resultieren: Seit dem Aufbrechen von Angst und Zweifel, seit der romantischen
Sehnsucht nach dem Einswerden mit der Natur, seit dem gebrochenen Bewußtsein der romantischen Ironie, seit dem kriti schen
Realismus, seit der Freilichtmalerei und dem Farblicht des Impressionismus gibt es Gegensätzlichkeiten und Gleichzeitiges, das
sich nicht mehr auf die Stilprägung eines Epochenbegriffes zurückführen läßt. Bürgerliche Zeitalter, die sich kaum für längere Zeit
oder gar nicht mehr auf gemeinsame Wertvorstellungen und Gedankenrichtungen festlegen lassen, werden auch bei der Bildenden
Kunst nicht darauf bedacht sein, Einheiten zu etablieren, wo sie nicht mehr gesehen werden.
In der modernen Kunst lassen sich - vereinfacht gesprochen - zwei wesentliche Entwicklungsstränge feststellen. Für die eine
Seite sind Cézanne, Gauguin und van Gogh verbindlich, Maler der formalen Analyse und Synthese also, der Flächenform und der
vom Erlebnis intensivierten persönlichen Handschrift. Für die lange Zeit negierte, zurückgestellte und jetzt überaus emsig wieder-
entdeckte andere Seite gelten James Ensor und Odilon Redon als wesentlichste Erscheinungen am Vorabend der Kunst des 20. Jahr-
hunderts. Redon wurde durch Mallarmé und seinen Dichterkreis entdeckt; ganz erkannt wurde seine Bedeutung jedoch erst nach
seinem Tod durch die Pariser Surrealisten um André Breton, die sich - ebenso wie die Symbolisten - auf die Romantiker und Prä-
raffaeliten berufen konnten, auf Lautréamont und Gérard de Nerval wie auf die Psychoanalyse. Der Maler Maurice Denis nannte
Odilon Redon geradezu den »Mallarmé der Malerei«. Cézanne und die Seinen jedoch - und nach ihm ganze Generationen
kubistischer und gegenstandsferner Maler - hatten die Literatur aus der Malerei eliminiert, hatten das Wort »literarisch« zum
Schimpfwort werden lassen und vergessen, daß die Kunst Europas 2000 Jahre lang literarisch war: erzählend, magisch-mythisch,
emblematisch, zeichenhaft und symbolistisch, allegorisch und bedeutungsvoll.
Die offizielle Kunst des Dritten Reiches scheint eine dritte Variante anzubieten, die sich jedoch nicht auf eine bestimmte Leit-
bild-Konzentration zurückführen läßt, sondern auf eine ganze Skala historischer Abhängigkeiten, Vorbilder und Entsprechun gen.
Für fast jeden Maler und Bildhauer kann man über eine Zeitspanne von rund 450 Jahren ein Korrespondenzverhältnis finden - bis
zu Adaptionen italienischer und flämischer Beispiele des 16. und 17. Jahrhunderts vor allem in allegorisierenden Aktdarstel lungen:
bei Karl Truppe, Raffael Schuster-Woldan, Eberhard Vie- gener, Ernst Liebermann, Ivo Saliger, Hans List, Karl Ziegler, Georg Ehmig
und Karl Schuster-Winkelhof, Richard Klein, Georg Friederich, Oswald Poetzelberger, Rudolf Hermann Eisenmenger. . .. Sie haben
meist aus ihrer Verehrung der altdeutschen Malerei, der Renaissance und des Barocks gar keinen Hehl gemacht. Anleihen in
zeitlich näherer Nachbarschaft bemühten gleichsam die Übermittler und Zwischenträger älterer Stilvorlagen: Anselm Feuerbach
und Hans Makart etwa. Das ganze 19. Jahrhundert, dessen frühe Romantik bereits durch einen Teil des Magischen Realismus und
der Neuen Sachlichkeit der Zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts wiederbelebt worden war, scheint rekapituliert und verarbeitet
worden zu sein - bis zu Ferdinand Hodler und Max Klinger etwa.
Hitler selbst empfahl den Künstlern den Weg ins Museum und ins 19. Jahrhundert, um sie aus den Wechselfällen irritierender
moderner Kunstrichtungen herauszulösen - um sie aus dem Wandelbaren ins sogenannte Unvergängliche zu führen. Daher sagte er
in seiner Rede zur Eröffnung der Großen Deutschen Kunstaus-
Wagen mit dem Kopf Pallas Athenes, der griechischen »Göttin der Weisheit und Schirmherrin der Künste«. Aus dem Münchner Festzug am »Tag der
Deutschen Kunst« 1938 (vgl. S. 165)

Stellung 1937: »Wir Nationalsozialisten kennen aber nur eine Vergänglichkeit, das ist die Vergänglichkeit des Volkes
selbst. Ihre Ursachen sind uns bekannt. Solange aber ein Volk besteht, ist es in ! der Flucht der Erscheinungen der
ruhende Pol. Es ist das Seiende und Bleibende! Und damit ist auch die Kunst als dieses Seienden Wesensausdruck ein
ewiges Denkmal, selbst seiend und bleibend. Und es gibt daher auch keinen Maßstab von gestern und heute, von
modern und unmodern, sondern es gibt nur einen Maßstab von >wert!os< oder >wertvoll< und damit von >ewig< oder
>ver- gänglich< - und diese Ewigkeit liegt gefaßt im Leben der Völker, solange also diese selbst ewig sind, das heißt
bestehen«*.
Auch diese pseudophilosophischen Postulate und Sentenzen, diese ganze kaum noch stützfähige Phrasenfolge hat ihre
plausibleHerkunft. Es muß nicht unbedingt Martin Heidegger verantwortlich gemacht werden, zumal Hitlers eigene Quellen
älteren Datums sind. Immerhin hatte es Heideggers Freiburger Rektoratsrede vom 27. Mai 1933 gegeben, in welcher der
Existentialphilosoph und Husserl-Nachfolger den Nationalsozialismus als Sternstunde des deutschen Volkes pries, in der sich das
Sein mit dem Seienden nun endlich wieder berühre. Heidegger legte zwar das Rektorat 1934 wieder nieder; doch als Entnahmestelle
scheint er, wie das Hitler- Beispiel zeigt, brauchbar geblieben zu sein. In seinem Vortrag vom 13. November 1935 in der
Kunstwissenschaftlichen Gesellschaft zu Freiburg sprach und erläuterte er seinen Leitsatz: »Im Werk der Kunst hat sich die
Wahrheit des Seienden ins Werk gesetzt. >Setzen< sagt hier: zum Stehen bringen«*. Und Hitler sagte im Haus der Deutschen Kunst
vor Ehrengästen und Künstlern im Juli 1937: »Denn in der Zeit liegt keine Kunst begründet, sondern in den Völkern«*. Nach dem
Hinweis auf »das Seiende und das Bleibende« noch einmal und immer wieder der mythisierte Volksbegriff: »Ich will daher, wenn
ich von deutscher Kunst rede - wofür dieses Haus gebaut ist - den Maßstab im deutschen Volke, in seinem Wesen und Leben,
seinem Gefühl, seinen Empfindungen, und ihre Entwicklung in seiner Entwicklung sehen«*. Die »Zeitgebundenheit der Kunst«
nahm er als »jüdische Entdeckung«. Seine bissigen Angriffe auf die Moderne, seine scharfen Polemiken mußten wörtlich
genommen werden: Er hatte die stärkste Macht im Staat. Max Beckmann packte am nächsten Tag seine Koffer und emigrierte nach
Amsterdam. Hitler sprach: »Kubismus, Dadaismus, Futurismus, Impressionismus und so weiter haben mit unserem deutschen Volk
nichts zu tun. Denn alle diese Begriffe sind weder alt noch sind sie modern, sondern sie sind einfach das gekünstelte Gestammel von
Menschen, denen Gott die Gnade einer wahrhaft künstlerischen Begabung versagt und dafür die Gabe des Schwätzens oder der
Täuschung verliehen hat«*. Etwas später wurde der Diktator noch deutlicher und bedrohlicher: »Entweder diese sogenannten
>Künstler< sehen die Dinge wirklich so und glauben daher an das, was sie darstellen, dann wäre nur zu untersuchen, ob ihre
Augenfehler entweder auf mechanische Weise oder durch Vererbung zustande gekommen sind. In einem Falle
Eröffnung des Hauses der Deutschen Kunst mit der ersten Großen Deutschen Kunstausstellung, München 1937. Vorn von links: des »Haus«-
Architekten Paul Ludwig Troosts Frau Gerdy, Reichstagspräsident Hermann Göring, Reichskanzler Adolf Hitler, Reichsminister für Volksauf- klärung
+ Propaganda Joseph Goebbels; rechts außen: Künstlerpräsident Adolf Ziegler

bedauerlich für diese Unglücklichen, im zweiten wichtig für das Reichsinnenministerium, das sich dann mit der Frage zu beschäf -
tigen hätte, wenigstens eine weitere Vererbung derartig grauenhafter Störungen zu unterbinden. Oder aber sie glauben selbst nicht
an die Wirklichkeit solcher Eindrücke, sondern sie bemühen sich aus anderen Gründen, die Nation mit diesem Humbug zu
belästigen, dann fällt so ein Vorgehen in das Gebiet der Strafrechtspflege. Dieses Haus ist jedenfalls für die Arbeiten einer solchen
Sorte von Nichtskönnern oder Kunstmißhandlern weder geplant noch gebaut worden«*.
Die »gesunde, breite Masse des Volkes« strömte in den neuen deutschen Kunsttempel. Die Ausstellungen blieben von Juli bis
Oktober geöffnet und erstreckten sich - im Gegensatz zur heutigen Praxis - über alle Erd- und Obergeschoßsäle des Gebäudes.
Verkaufte Werke wurden gegen andere ausgetauscht, die keinen Platz gefunden hatten. Zu den Katalogen erschien ein Ergänzungs -
teil, zunächst mit knapp 250 Titeln, 1941 sogar mit 535 Titeln. 1939 kamen 422 234 Besucher; verkauft wurden 852 Werke zu einem
Gesamtbetrag von 2139 907 RM. Die vom 4. Juli 1942 bis zum 21. Februar 1943 dauernde Ausstellung sahen 846674 Besucher; von
den insgesamt 1850 gezeigten Arbeiten wurden 1214 mit einem Erlös von 3 893 321 RM verkauft.
Im folgenden Jahr fiel die Bilanz etwas schlechter aus: In den 35 Wochen vom 26. Juni 1943 bis 27. Februar 1944 kamen 701 713
Besucher; von den 1767 ausgestellten Arbeiten wurden 993 zu 3 917 822,50 RM verkauft. Der Bombenkrieg erschwerte das Reisen,
Materialknappheit ließ nun auch die Kataloge schlechter werden. Pro Auflage wurden jedoch immer noch 100 000 Stück gedruckt -
und es gab stets mehrere Ausgaben. Der Katalogverkauf lag 1939 bei in 790 Stück, später noch höher. »Wenn es neben den Waffen
eine Antwort auf den Vernichtungswillen unserer Feinde gibt, dann ist es die geistige Haltung unseres Volkes, die in seinen
kulturellen Leistungen immer wieder aufs neue in überzeugender Weise zum Ausdruck kommt«, hieß es in dem von den Bankiers
August von Finck als Vorsitzendem und Friedrich Döhlemann als Schatzmeister unterzeichneten Geschäftsbericht der Anstalt für
das Jahr 1943.
Die Berichte wurden sogar publiziert und in Zeitungen öffentlich erläutert: »Generaldirektor Döhlemann gab als Schatzmeister
auf der Jahresversammlung der Anstalt des öffentlichen Rechts in München >Haus der Deutschen Kunst< Mitteilungen zum Ge -
schäftsbericht 1936. Die Bilanzsumme am Ende des Jahres 1935 betrug rund 8 427 000 Mark, die Bilanz Ende 1936 schließt mit rund
9 411000 Mark. Das Neubaukonto hat sich von rund 3 398 000 Mark Ende 1935 auf 5 897000 Mark im Jahre 1936 erhöht, während
andererseits die Bankguthaben sich von rund
3 150000 Mark Ende 1935 auf 1 665000 Mark Ende 1936 ermäßigt haben«*.
In der Vermögensrechnung von 1943 erschien das Grundstück mit einem unveränderten Wert von 1 778 000 RM, das Ausstel-
lungsgebäude mit 6 650 183,53 RM. Der Kassenbestand wurde mit 5 866,90 RM ausgewiesen, das Postscheckkonto mit 46066,79
RM, das Bankguthaben mit 7 970 599,17 RM, der Wertpapierbesitz mit
4 991 850 RM und die offenen Forderungen mit 1 004 696,44 RM. Verbindlichkeiten in Höhe von 1 639 857,77 RM
stand ein Reinvermögen von 20 879 636,73 RM gegenüber. Aus welcher Art von Einnahmen das hohe Bankguthaben entstand,
wurde leider nicht mitgeteilt; das gleiche gilt für die Wertpapiere. Die Beantwortung dieser Frage wäre auch in der Gegenwart noch
interessant, weil ein unter dem Datum vom 8. März 1944 ausgewiesener Wert des Bar- und Wertpapiervermögens von rund 13
Millionen RM beim Einmarsch der Amerikaner im Moment der Kapitulation vom 8. Mai 1945 nicht einfach »weggefertigt« worden
sein kann.
Das »Haus der Deutschen Kunst« wurde — wie andere Anstalten des öffentlichen Rechts - dem Land überlassen, auf dessen
Boden es sich befand: dem Freistaat Bayern. Die Amerikaner benutzten es zunächst als Kasino und Spielstätte; allmählich gaben sie
es zur Nutzung durch den bayerischen Staat frei, der einen Teil einer Ausstellungsleitung München e. V. einräumte, die aus den drei
Künstlergruppen Neue Gruppe, Münchener Künstler-Genossenschaft und Secession gebildet wurde. Diese Vereinigung konnte
1949 ihre erste Große Münchner Kunstausstellung im nun »Haus der Kunst« genannten Troost-Bau an der Prinzregentenstraße ver-
anstalten. Sie übernahm den Leiter des gastronomischen Personals der Amerikaner, Peter A. Ade, als Geschäftsführer der Ausstel -
lungsleitung und ihres Förderervereins »Gesellschaft der Freunde der Ausstellungsleitung Haus der Kunst e.V.«, der Ankäufe tätigt,
eine eigene Kunstsammlung auf Wanderausstellungen schickt und im übrigen die Defizite des Ausstellungsbetriebes des Hauses
der Kunst abdeckt, das keinerlei nennenswerte Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln bekommt und seit 1949 nach
privatwirtschaftlichen Gesichtspunkten geführt wird.

DAS MONUMENTALE, DAS TRADITIONELLE UND DAS


HANDWERKLICHE

Der erste Architekt, mit dem Hitler zusammenarbeitete, war Paul Ludwig Troost. Die NSDAP hatte 1930 das ehemalige Palais
Barlow an der Brienner Straße in München erworben: mit Hilfe eines Darlehens, das der Stahlindustrielle Fritz Thyssen über eine
holländische Bank besorgte und dann zum Teil aus eigener Tasche mit etwa 150 000 RM selber zurückzahlen mußte*. Den Umbau
zur offiziell »Braunes Haus« genannten Parteizentrale leitete Troost. Er starb bereits im Januar 1934, erst 55 Jahre alt; Hitler ehrte
ihn durch ein Staatsbegräbnis*. Troost stammte aus Elberfeld, studierte bei Hoffmann in Darmstadt, ging dann für ein Jahr nach
Italien und arbeitete schließlich bei Martin Dülfer in München, wo die Ideen des Jugendstils architektonisch - im Gegensatz zu
Darmstadt - fast gar nicht in Erscheinung traten. Im Jahr 1900 wurde Gabriel von Seidls historisierendes Bayerisches National-
museum eingeweiht; Seidls St.-Anna-Kirche auf dem Lehel, gebaut 1887-1902, sollte an die Romanik erinnern; bei der Lenbach- Villa
folgte er 1881-91 toskanischen Vorbildern; beim Künstler- haus kombinierte er 1896-1900 Elemente der deutschen Renaissance mit
wiederum italienischen Motiven. Der Kunsthistoriker und Kritiker Georg Jacob Wolf setzte noch 1918 den Flistorismus Seidls sehr
hoch an: »Aus altbayerischem Stamme gewachsen, in Lebenshaltung und Brauch, in Stimmungen und Anschauungen ganz im
Münchnertum verankert, mit seinen Mitbürgern eins in Heimatliebe und zu jeder Stunde bereit, sein Bestes für die Ver schönerung
seiner Vaterstadt einzusetzen, war Gabriel von Seidl der rechte Mann zur rechten Stunde. Er wies den Geist der schoflen
Vernüchterung aus, der z. B. die in den siebziger Jahren entstandenen Bauquartiere im Norden Münchens, dann um den
Gärtnerplatz und am Ostbahnhof erfüllte und heute noch zu den unerträglichsten Vierteln macht«*.
Paul Ludwig Troost: Wohnhaus Benno Becker, München, Maria-Theresin-Str. 16, 1 yo) -05Aus diesen Sätzen spricht die gleiche
Ablehnung »rein technischer Nutzbauten«:, die das Haus der Deutschen Kirnst zum »Tempel« werden ließ. Als Architekt
des Bayerischen Nationalmuseums und des Münchner Künstlerhauses war Gabriel von Seidl durch Franz von Lenbach
durchgesetzt worden, den Maler zahlreicher Bismarck-, Papst- und Moltke-Porträts, der seinerseits ein Gegner des
Jugendstils und der Bauten auf der Darmstädter Mathildenhöhe

Historismus als Maßnahme gegen »schofle Vernüchterung« gehörte zum Münchner Klima, in das Troost rasch hineinwuchs. Der
Jugendstil war in München - bis auf ganz wenige Beispiele - stets klassizistischer Architektur eingeordnet worden: als ein Mittel von
Dekor und Kontur, nicht als ein von innen heraus wirkendes Prinzip einer neuen Formkraft und Raumgesinnung. Meist blieb er
Applikation im neo-klassizistischen Rahmen.
Troost baute Wohnhäuser und Villen neo-klassizistischen Charakters vor allem in München. Seine Inneneinrichtungen waren
teils »Gelsenkirchner Barock«*, teils antikisch. Mit Hilfe edler Materialien sollte ein neuer kombinatorischer Salonstil geschaffen
werden. Troost wurde zum führenden Architekten des Norddeutschen Lloyd, dessen große Luxusdampfer »München«, »Berlin«,
»Columbus« und »Europa« er gemeinsam mit den Ingenieuren und Technikern gestaltete. Gerühmt wurden die Solidität und
Gediegenheit der Ausstattungen, die den Passagieren das Gefühl stabiler Sicherheit geben sollten. Nicht nur Hitler liebte diesen
Ausstattungsstil der Luxusdampfer. Troosts Umbau des Palais Barlow zum »Braunen Haus« - noch vor 1933 - bildete die Vor-
bereitung auf seine Parteibauten an der Arcisstraße, dem Führerbau (heute Musikhochschule) und dem Verwaltungsgebäude der
NSDAP (heute Sitz der Verwaltung staatlicher Kunstsammlungen) sowie den beiden offenen Ecktempeln der »Ewigen Wache« mit
den Särgen der »Gefallenen der Bewegung« vom 9. November 1923. Troost und sein Mitarbeiter Leonhard Gall ließen an der
Brienner Straße eigens einige Biedermeierhäuser abreißen. Sie ließen den Königsplatz betonieren und mit Platten belegen. Er
reichte nun durchgehend bis an die neuen Parteibauten, die den östlichen Abschluß bildeten.
Schließlich entwarf Gall einen langgestreckten Kanzleibau an der Gabelsbergerstraße für das Braune Haus - mit mächtigen seit-
lichen Risaliten. Das Staatsministerium des Innern lieferte Entwürfe zu Erweiterungsbauten der Glyptothek und der Alten Pina-
kothek, die nicht mehr ausgeführt wurden. Der vorher durch seine Rasenflächen parkartige Königsplatz wurde Forum für
Kundgebungen, Aufmärsche und militärische Appelle.
Hitler sah sich in der Nachfolge König Ludwigs I. als Bauherrn,

Paul Ludwig Troost: Halle i auf Schnelldampfer »Europa« (Norddeutscher Lloyd, Bremen), um 1930

Troost erschien daneben wie ein neuer Klenze. Mit geringerem Erfolg als Leo von Klenze versuchte sich Troost auch als Maler von
Porträts, Stilleben und Halbakten. Seine Bemühung um die Prägnanz räumlicher Klarheit war um 1930 und später keine
einzigartige Leistung. Klassizität im Verhärten der Formen, im Verdrängen alles Zufälligen und in der Verallgemeinerung des
Persönlichen schien das Rezept zur Rettung aus Krisenstimmung und künstlerischer Verwirrung zu bieten. Straff, ernst und monu-
mental: so sollte der Stil des Reiches und seiner Bauten sein.Hitler rühmte Troosts Bauten als Werke »edelster germanischer
Tektonik«. München schien gut geeignet zu sein, dem »Chaos«
Paul Ludwig Troost: Entwürfe für NSDAP-Gebäude in der Arcis-(Meiser-)straße zu München, 1933

zu trotzen. »Ohne die hohe kulturelle Gesinnung des Führers wäre es nie gelungen, das Zersetzende des Baubolschewismus
und die öde Gleichmacherei seines technoiden Wahns aufzuhalten, wie es ohne die rettende Tat des Nationalsozialismus nie
gelungen wäre, die Gefahr des immer bösartiger drohenden Bolschewismus zu bannen«*. Gemeint war mit solchen Worten
immerhin die Ordnung des internationalen Stils modernen Bauens - die ganze Entwicklung seit Adolf Loos, Auguste Perret,
Peter Behrens und dessen Schülern Walter Gropius, Ludwig Mies van der Rohe und Le Corbusier. Gemeint waren damit Geist
und Methode des Bauhauses ebenso wie die neuzeitlichen Formen der Ingenieurbauten. Die Stuttgarter Weißenhof-Siedlung,
die 1927 von 16 Architekten aus fünf europäischen Ländern errichtet wurde, wurde schon vor Anbruch des Dritten Reiches als
orientalisch und daher undeutsch gebrandmarkt. Der neue NS-Oberbürgermeister Ströhn sah sich einig mit dem
Schwäbischen Heimatbund und nannte sie den »Schandfleck Stuttgarts«. Das gesamte Gelände wurde dann mit allen
Häusern an die Reichsverwaltung auf Abbruch verkauft, um Platz zu schaffen für die Errichtung eines militärischen Ge -
neralkommandos; den Mietern wurde zum 1. April 1939 gekündigt. Den Abbruch verhinderte der Krieg.
Anfang der Dreißiger Jahre schien das im Dezember 1924 in Weimar aufgelöste und 1925 von der ehemals anhaltischen
Residenzstadt Dessau übernommene Bauhaus dem mittelständisch-

völkischen Druck von außen und den inneren Konflikten nicht mehr standhalten zu können. Die Agitation der
Rechtsparteien hlieb dem Bauhaus seit den Weimarer Jahren treu. Der von Alfred Rosenberg, dem selbsternannten
Chefideologen der NSDAP und seit 1923 tätigen Hauptschriftleiter der Parteizeitung »Völkischer Beobachter« dirigierte
»Kampfbund für deutsche Kultur« erklärte das Bauhaus zum Instrument der jüdisch-bolschewistischen Weltrevolution.
In »Kampfbund«-Reden und eigenen Schriften förderte der Schweizer Architekt Alexander von Senger die Angst vor dem
funktionalen neuen Bauen, das er als internationalen Kulturverfall zu denunzieren versuchte: »Materialismus, Merkanti -
lismus, Korruption sind die Wurzeln des modernen Bauens; Barbarei, Vernichtung und Versklavung des Mittelstandes,
Diktatur der internationalen Hochfinanz sind die Früchte. Dieses alles sind die Folgen eines Entseelungsvorganges, eines
Loslösungsvorganges von Blut, Boden und Nation. . . . Das Neue Bauen ist in seinen Theorien, in seinen
Propagandamethoden, in seinen Zielen wie Auswirkungen eine rein bolschewistische Angelegenheit«*.
Ähnlich übel und erfolgreich als Hetzer gegen das neue Bauen war der Architekt, Schriftsteller und Maler Paul Schultze-Naum-
burg, der am 1. April 1930 von dem soeben gewählten Thüringer Innen- und Volksbildungsminister Wilhelm Frick - dem ersten NS-
Politiker mit Ministeramt - zum Leiter der Staatlichen Hochschule für Baukunst, Bildende Kunst und Handwerk inWeimar berufen
wurde*. In seinem Buch »Kunst und Rasse« 1928 und ähnlichen Schriften wie »Kunst aus Blut und Boden« 1934, »Nordische
Schönheit, ihr W'unschbild im Leben und in der Kunst« 1937 oder »Die Kunst der Deutschen« 1934 verband er die
rassenkundlichen Resultate seines Freundes Hans F. K. Günther, die dem NS-Rassismus als Grundlage dienten, mit den Vorstel -
lungen einer »wirklich im deutschen Volkstum wurzelnden Kunst«; u. a. behauptete er: » Wenn in der gesamten Kunst des 19.
Jahrhunderts bis heute eines vermißt wurde, so ist das das freudige Bejahen einer Gegenwart, die jeden Teil des Volkes mit einem
gemeinsam gefühlten Inhalt erfüllt, der zum Mythos des Jahrhunderts geworden ist«*. In seinem Buch »Kunst und Rasse« deutete
er auch »die mongoloid anmutenden Züge« der Gestalten Lucas Cranachs in typischer Konsequenz: »Wir können heute
genealogisch das Blut Cranachs nicht mehr feststellen, aber aus seinem Werk können wir erkennen, daß neben manchem Nordi-
schen ganz sicher ein beträchtlicher Anteil ostischer Rasse in ihm gelebt haben muß. Denn es wäre sonst unerklärlich, aus welch
anderem Grunde sein gesamtes Schaffen von solchen Typen durchsetzt ist«*. In einer Untersuchung über den »nordischen Busen«
demonstrierte er an Hand von Photos, »daß keine Frau in Deutschland mehr eine Zukunft haben konnte, deren Brustwarzen nicht
vom typisch-nordischen Rosa waren«*. Einer Kunstausstellung unter dem Titel »Blut und Boden«, die im Herbst 1935 in München
stattfand, diente ein Satz Schultze-Naumburgs als Leitwort: »Kunst muß aus Blut und Boden erstehen, wenn sie zum rechten
Leben erwachen will«*.
Die Weimarer Staatliche Kunsthochschule, hervorgegangen aus der Zusammenlegung der 1860 gegründeten Kunstschule und
der 1905 gegründeten, bis 1914 von Henry van de Velde geleiteten Kunstgewerbeschule, war 1919-24 als Staatliches Bauhaus mit
Walter Gropius als Leiter geführt worden. Bei der Vertreibung des Bauhauses aus Weimar durch die völkische Rechte im Thüringer
Landtag wurden tragische Konflikte und Ressentiments offenbar, denen nicht nur der handwerklich-kleinbürgerliche Mittelstand
Thüringens anheimgefallen war. Die durchaus handwerklich orientierten Werkkurse des Bauhauses, die dem Spezialistentum der
technisierten Arbeitsteilung entgegenwirken sollten, schienen mit der einschlägigen Tradition zu kollidieren. Gerade aus Kreisen
des Handwerks, das mit einigen Meistern in den Werkkursen maßgeblich vertreten war, kam der Widerstand*.
Der thüringische Landtag kündigte im Oktober 1932 den Vertrag mit Schultze-Naumburg als Leiter der Hochschule für Bau-
kunst, Bildende Kunst und Handwerk, nachdem Wilhelm Frick im April 193 i sein Weimarer Ministeramt wieder verloren hatte.
Nach der »Machtergreifung« der NSDAP auf Reichsebene kehrte Schultze-Naumburg 1933 auf seinen Weimarer Direktionsstuhl
zurück; Frick war nun Reichsinnenminister. Wegen seiner Hetzvorträge hatte der Deutsche Künstlerbund schon 1931 Schultze-
Naumburg ausgeschlossen, der jedoch darauf verweisen konnte, Ehrendoktor zweier Universitäten zu sein. In den Meisterarbeiten,
die unter seiner Leitung in Weimar entstanden, war die zum Bauhaus gegenläufige Tendenz zum Programm geworden: handwerkli-
cher Holzbau, Schnitzwerk und neo-klassizistische Architekturen.
Die Ressentiments richteten sich gegen die »Asphaltkultur« der Großstädte, gegen das industrielle Zeitalter, das die Existenz der
kleinen Bauern, Handwerker und Händler zu gefährden schien, gegen die Herrschaft der Konzerne und Großbanken, gegen die als
fremdartig und überlegen geltenden Juden und gegen die Anonymität eines Proletariats, das sich in den Städten gebildet hatte. Die
vom Sprachgebrauch der NS-Zeit überstrapazierten Worte Heimat, Volk, Glaube, Geschichte, Familie, Nation, Gemeinschaft und
Schönheit wurden zu magisch-mythisch aufgeladenen Abwehrvorstellungen gegen die Industrialisierung, die auch dort, wo sie sich
noch nicht durchgesetzt hatte, in den Jahren der Wirtschaftskrise zumindest als Arbeitslosigkeit jedermann spürbar wurde. Das
gewerblich und akademisch tätige Bürgertum beteiligte sich an der Abwehr von »Überfremdung«, Proletariat und Veränderung.
Alle Formen eines kritisch-analytischen Denkens waren nicht nur suspekt - sie wurden bald verboten und verfolgt. Eine bestimmte
analytische und ästhetische Haltung galt als »jüdisch« und in verschärfter Form als »jüdisch-bolschewistisch«. Undeutsch war alles
Westliche und Östliche, anerkannt wurde nur eine Achse des Nordischen und angeblich Klassischen*.

DAS KRIEGERISCHE, TAUSENDJÄHRIGE, GIGANTISCHE

Die offizielle Bau- und Kunstgesinnung des Dritten Reiches zielte auf Monumentalität, Klassizität und Handwerklichkeit. Wie mit
den Schiffsarchitekturen Troosts für den Norddeutschen Lloyd sollte »das Gefühl für Stabilität und Sicherheit«* erzeugt werden.
Alle Unsicherheit auf Erden wollte man auf alle Zeiten durch die hierarchisch gegliederte Ordnung von Ideen, Sachen und
Personen beseitigen. Das autoritäre Führerprinzip galt in der einen, einzigen Partei und allen ihren Gliederungen, in jeder Behörde
und Privatfirma, die aus »Gefolgschaftsführer« und »Gefolgschaft« bestand, in jedem Verein und in jeder Mietskaserne. Schon das
zehnjährige Kind wurde in die Zucht von Befehl und Gehorsam genommen. Als »Pimpf« im »Jungvolk« oder als »Jungmädel«
leistete es den »Dienst an der Nation« auf dem Wege sportlicher Ertüchtigung und - zumal während des Krieges - einer Art
vormilitärischer Ausbildung: von der Marsch- und Geländeübung bis zum Schießunterricht. Die Hitlerjugend »erfaßte« die 10- bis
18jährigen. Nach vollendetem 18. oder 21. Lebensjahr wurde das reifende Mitglied der Volksgemeinschaft in die NSDAP oder ihre
Gliederungen aufgenommen, dann zum mehrmonatigen Arbeitsdienst abkommandiert und schließlich zum zweijährigen
Wehrdienst einberufen. Diese kontinuierliche Indiensthaltung sollte »Klassenbewußtsein und Standesdünkel« beseitigen,
Führernaturen heranbilden und Unterordnung gewährleisten.
Baukunst, Malerei und Plastik sollten Ausdruck dieser Gesinnung sein: »Gelobt sei, was hart macht«, »Einer für alle, alle für einen«.
Jede Art von Zweifel und Diskussion war auszuschließen. Jeder Anflug einer kritischen Zurückhaltung, so fürchtete man, störe die
Einsatzbereitschaft, die Unerschütterlichkeit und den Opfermut, das Durchhaltevermögen und das »gesunde Volksempfinden«*.

Paul Mathias Padua »Der 10. Mai 1940«, Beginn des Frankreich-Feld- zuges der Großdeutschen Wehrmacht (HDK 1941)

Der ursprünglich auf die Johannes-Offenbarung gestützte Glaube, Christus werde kurz vor dem Ende der
vorbestimmt ablaufenden Weltzeit ein Tausendjähriges Reich des Friedens errichten, wurde von den
Nationalsozialisten für die eigene und Deutschlands Zukunft propagandistisch in Anspruch genommen. Zum Beginn
des Westfeldzuges am 10. Mai 1940 verkündete Hitler in einem Tagesbefehl an die deutsche Wehrmacht, durch den
»heute beginnenden Kampf« werde das »Schicksal der deutschen Nation für die nächsten tausend Jahre« entschieden.
Der Maler Paul Mathias Padua fixierte diesen entscheidenden Moment in seinem Bild Der 10. Mai 1940, das einen Rheinüber-
gang von ij großen, teils rudernden, geduckten Soldaten im Schlauchboot zeigt, aus denen der gebieterisch erhabene Leutnant
als Führer mit ausgestrecktem, halb entblößtem Arm als Rufer für die Nachkommenden inmitten der Gefahr szenisch
herausragt. Padua sagte 1965 zu Armin Eichholz: »Als ich das beim Rheinübergang skizzierte, wurde ich verwundet; ich ließ
mir dann einpaar Pioniere kommen und habe das Bild in Mliiii Inn, in der Pienzenauerstraße, gemalt«*.
Der Krieg fand also im Atelier stall: eine giMcIlie Szene wie in einem der Ufa- oder Tobis-Filme, gut ausgclrnt Inn und reich-
lich mit Glanzlicht versehen, heroisch und siiiibei Ii« Ii Warum auch sollten die Uniformen schmutzig sein? Der l'Vlilzug, der
»die nächsten tausend Jahre« der deutschen Nation einscheiden sollte, hatte ja soeben erst begonnen, die Einschläge des
Regnerischen Beschusses halten sich (im verewigten Moment der IJild- aufnahme) in respektvollem Abstand. Der Maler
immerhin wurde beim Originalereignis während der Skizze verwundet. Padua betonte!® Sogar in Amerika haben sie es als das
beste Kriegsbild bezeichnet«. Es wurde 1941 zusammen mit Paduas Flammenwerfer im Haus der Deutschen Kunst vorgestellt;
im selben Jahr zeigte er in der Berliner Ausstellung »Maler an der Front« einen trutzig aus seinem Turm blickenden
Panzerfahrer. Padua war in seinen Kriegsbildern nicht weniger optimistisch als die Mehrzahl seiner Kollegen. Warum sollte er
auch? Schmutz, Elend, Angst, Schmerz,
4 Paul Mathias Padua »Der Panzerführer« (publiziert 1941) stämmige
Franz Eichhorst »Abtransport polnischer Kriegsgefangener« (publiziert 1941)
41

Tote und Trümmer gab es in der aktuellen Wirklichkeit so reichlich, daß die Kunst davon nicht Gebrauch machen mochte.
Auch an der Heimatfront geschah Unerfreuliches - die Kunst sollte den Gram nicht vermehren. Kriegsbilder wollten die Ehre
des deutschen Soldaten hochhalten und den überwundenen Feind - die Alternative zum Glanz- und Gloriastück - niedriger
ansetzen. Wenn es einem dreckig erging, konnte es nur der andere sein. Franz Eichhorst konnte daher in der Berliner Schau
»Maler an der Front« seinen Abtransport pohlischer Gefangener als Elendsbild vorzeigen, Arthur Ahrens das Strandgut vor
Dünkirchen mit einem tot daliegenden englischen Soldaten zwischen zurückgelassenem Kriegsgerät und Herbert Schnürpel
einen Panzerdurchbruch in einer zerschossenen Ortschaft, wo drei Mann am Abwehrgeschütz, neben sich die offene
Munitionskiste und einen erlegten Panzer, den bereits sichtbaren nächsten Zielgegenstand erwarten.

Der Verwundete im Bild Kameraden von Reinhold Launer wird gestützt durch die Kraft der anderen. In Rudolf Hengstenbergs
plakativ und dynamisch erscheinenden Beiträgen - Die Ersten in Dijon und Durchbruch durch die Burgundische Pforte - ist die
Gefahr noch nicht gebannt, doch Mensch und Material bestimmen auf zweifellos siegreiche Weise den Fortgang des motorisierten
Vormarsches. Ein Ruhmreiches Ende auf Heldenart gab es im Rombaken-Fjord bei Narvik im nördlichen Norwegen, wo sich am 13.
April 1940 die deutschen Zerstörer »Hans Lüdemann«, »Wolfgang Zenker« und »Bernd von Arnim« selbst versenkten - »nach
ruhmreichem Kampf« selbstverständlich. Britische Seestreitkräfte hatten die zehn Zerstörer, mit denen ein deutsches
Gebirgsjägerregiment unter Oberst Dietl bei Narvik zu landen versuchte, angegriffen und größtenteils vernichtet; doch die ge-
landeten Truppen konnten sich halten. Im Fjord-Bild des Malers Eduard von Handel-Mazzetti ragt der Bug eines deutschen Selbst -
versenkers sonnenbeglänzt aus dem Wasser: ihn ziert auf dem Vorderdeck ein großes Hakenkreuz als Zielvorstellung. Berühmt und
beliebt waren jene Worte des 1896 bei einem Eindecker- Versuch tödlich abgestürzten Gleitfliegers Otto Lilienthal, die Ehrenmäler
und Grabstätten zu kennzeichnen pflegten: »Und ihr habt doch gesiegt«. Als Bildtitel war dieser Trost schon vergeben.
An erster Stelle bildete im Mai 1941 die offizielle Kunstzeitschrift »Die Kunst im Deutschen Reich« (»herausgegeben vom
Beauftragten des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der
NSDAP«) Elk Ebers Kampf in Warschau-Vor Stadt ieitengroß ab: Leutnant und Soldat posieren zwischen Ruinen für die Nahkampf-
Ansicht. Der eine hält in der Rechten eine Stielhandgranate und in der Linken einen Revolver; weitere drei Handgranaten hat der
Hintermann, der mit einem schräg nach oben gerichteten Bajonett- Karabiner den im Bilde unsichtbaren Feind in Schach hält,
hinter Koppel und Patronentaschen gesteckt. Die markigen Profile bieten sich dem offenbar bereits nahezu niedergerungenen
polnischen Verteidiger so klar und unverfälscht dar wie Ebers Serie übender SA-Männer, mit denen er einige Jahre zuvor auch den
Kunst-postkartenmarkt bereichert hatte (wie die Zeitschrift wurden vom Zentralverlag der NSDAP, Franz Eher Nachf., in München
Karten verlegt).Um über die Berliner Ausstellung »Maler an der Front« Auskunft zu geben, griff Robert Scholz, der
Hauptschriftleiter der »Kunst im Deutschen Reich«, selbst zur Feder. Gegen die irrige historische Auffassung, der Kriegsmotivmaler
bedürfe des zeitlichen Abstandes zum dargestellten Ereignis, führt Scholz die »ganz andere innere Einstellung und anderen
äußeren Gegebenheiten« ins Feld, die es dem Künstler ermöglichen, »aus dem Zeiterlebnis heraus künstlerisch etwas von
dauerndem Wert zu schaffen«. Die heutige Kriegsmalerei, meinte Scholz, könne mit dem Anspruch »vollwertiger Kunst« auftreten
- »nicht zuletzt auf Grund der Tatsache, daß der Künstler unserer Zeit ein klares Geschichtsbewußtsein und damit schon einen
wesentlichen Teil des zur künstlerischen Objektivierung notwendigen inneren Ab- standes hat, weil das Volk in seiner Gesamtheit
über das Episodische und die Vordergründe des Zeitgeschehens hinaus das Gefühl für die Größe der Zusammenhänge in diesem
Kriege besitzt«*.
Elk Eber »Kampf in Warschau- Vorstadt 1939«, 1940

Aus dem distanzierten Schlachtenmaler früherer Zeiten sei »der miterlebende Kämpfer« geworden, der Künstler als Frontsoldat
mit neuer künstlerischer Zielsetzung. Über den bildmäßigen Darstellungen des Ersten Weltkrieges habe »eine düstere Stimmung,
ein dumpfes Gefühl der Tragik« gelegen, das den Künstlern selbst »unbewußt« gewesen wäre. Das sei jetzt in ganz auffälliger Weise
anders: »Es sind heute vielfach dieselben Künstler, die auch diesen Krieg wiederum künstlerisch schildern, aber in den Bildern
dieses Krieges ist das Helle als Ausdruck einer optimistischen Grundstimmung vorherrschend. Auch die Maler des jetzigen Krieges
gehen nicht vorüber an den Schrecken und der Düsternis, die jeder Krieg notwendig mit sich bringt, aber ihre Grundstimmung, die
seelische Einstellung ist ganz deutlich spürbar eine andere. Sie kommt in der ganzen Haltung der gemalten Darstellung dieses
Krieges, in dem Ausdruck der Soldatenköpfe, in der helleren Far- bengebung der Landschaftsschilderungen als ein aus dem
künstlerischen Unterbewußtsein in die Form und die Farben überfließender sieghafter Optimismus zum Ausdruck«*.
Hauptschriftleiter Scholz, der nach 1920 Schüler immerhin von Erich Wolfsfeld und Karl Hofer an der Berliner Kunsthochschule
gewesen war, bescheinigte der ausgestellten Kriegsmalerei die Sichtbarmachung von Geist, Einsatzbereitschaft, Opferbereit schaft
und Tatwille, »die das deutsche Volk in diesem bedeutungsvollsten Kampf seiner Geschichte beseelen«*.
Regierungsoffizielle Künstler, die damals Professuren und große Staatsaufträge erhielten, äußern sich heute vorwiegend
unkritisch über diese Kulturphase, die nicht erst 1933 und »schlagartig« einsetzte (auch dies eine in jenen Jahren häufig verwendete
Vokabel). Der romantisch-neusachliche Werner Peiner konnte zusammen mit Franz Radziwill 1933 Düsseldorfer Lehrämter
einnehmen, die durch die Entlassung der Professuren Paul Klee, Heinrich Campendonk, Ewald Mataré, Jankel Adler und Oskar
Moll an der Akademie freigeworden waren. Er betrachtet es auch heute als legitime
Konsequenz eines Regimewechsels, daß die Künstler der Weimarer Republik gegen die Vertrauensleute der neuen politischen
Macht ausgewechselt wurden, die im Besitz der diktatorischen Regie- rungsgewalt zu bleiben schien.
Dabei verhielt Peiner - einer der Magischen Realisten des Nach- expressionismus - sich keineswegs »nordisch«. Er hatte sich von
der Philosophie Ostasiens zu indischem Weisheitsdenken führen lassen, »um endlich in einer vertieften abendländisch-
christlichen Weltanschauung zu münden. Man sieht den Menschen und Künstler Pciner nur recht, wenn man das >Faustische<
erkennt, das den Prototyp des Abendländers ausmacht«*.
Er hatte zu den Kriegsfreiwilligen und jungen Offizieren gehört, deren tiefgreifende Erfahrungen und Enttäuschungen die
philosophische, religiöse und politische Richtungssuche nach dem Umsturz von 1918 mitbestimmten. Peiner war sich zunächst im
unklaren, ob er nicht lieber Architekt werden sollte. Bereits während des Krieges hatte er sich mit kunstgeschichtlichen Studien
befaßt: »Seine große Liebe gehörte der niederländischen Malerei von van Eyck bis Brueghel sowie der italienischen
Frührenaissance. Die herbe Größe ihrer Gestalten, der Adel ihrer Haltung entsprachen seinem Wesen. Darüber hinaus verband ihn
eine leidenschaftliche Liebe mit der Kunst Ostasiens, insbesondere dem japanischen Farben-Holzschnitt und der persischen und
indischen Mi- nialurenmalerei«*.
Als er in der Malerei schließlich seine Sprache fand, »in der er am besten von seinen Erlebnissen zu künden
vermochte«*, stärkten ihn die Alten Niederländer und Italiener inhaltlich wie mal- (echnisch. Aus den Stahlgewittern und
zerstörten Idealen des Krieges ging Peiner als einer der vielen hervor, die ihr Heil in der Tradition sahen. Revolution,
Bürgerkrieg und Besatzungszeit förderten das Bedürfnis nach Ruhe und Ordnung. »Während die meisten seiner
Zeitgenossen um des Neuen willen die Überlieferung mißachteten, wandte er sich der Kunst der Vergangenheit zu und
gewann an ihr einen festen FI alt und einen sicheren Maßstab für sein eigenes Werk. Rückschauend auf die alten Meister
und von ihnen lernend, fand er seinen Weg und wurde zuletzt einer der bedeutendsten Vertreter der Kunst des Dritten
Reiches«*.Seine Bilder der Zwanziger und beginnenden Dreißiger Jahre würden heute in einem Rückblick auf die Malerei
der Neuen Sachlichkeit einen keineswegs schlechten Platz beanspruchen können. Peiner malte das Übliche in der
räumlichen Dreidimensionali- tät der nachexpressionistischen Realisten, deren altmeisterliche, teils an der Romantik
orientierte Haltung die »Sprache der Dinge« zu ergründen suchte, wie es der über jeden NS-Verdacht erhabene Bregenzer
Maler Rudolf Wacker 1934 formulierte: »Aus dem Erlebnis der aufgewühlten Zeit des Expressionismus bleibt der Wille, die
Wesenheit der Dinge zu fassen und die Gesetzlichkeit der Bildmittel zu bewahren. Aber wir sollen nicht Abstraktionen
malen, sondern im scheinbar Zufälligen das Gesetzhafte aufzeigen. Von neuer Andacht ergriffen und zu neuer
>Sinnlichkeit< erwacht, tasten wir nach dem sinnvollen Reichtum noch der geringsten Dinge. Das simpelste Objekt ist
phantastischer als alle Erfindung. Wir wollen es selbst sprechen lassen und uns hinter ihm verbergen. Die Sprache der
Dinge ist lauter als die der Menschen. Lassen wir einmal getrost unser >Seelchen< schweigen, es hat Raum genug in der
lebendigen Struktur eines jeden Dinges«*.
Peiner malte Landschaften, Blumen, Bildnisse. Bei einer Reihe weiträumiger Landschaftsbilder der Jahre 1933-34 nutzte
er als
Werner Peiner »Deutsche Erde«, 1933

Werner Peiner »Mädchen mit Pfau« (HDK 1938)

kompositorisches Motiv die betonte Parallelität tiefer Ackerfur- 1 hcn in der tiefenräumlichen Perspektive des flachen Feldes und
di r modulierenden Geländestruktur des Hügellandes, durchsetzt vom Filigran und weichen Schimmer der Bäume, in strengen
Einteilungen geradezu schematisch-sinnbildlich belebt von Ochsengespannen, Pflügenden, Erntenden. Deutsche Erde, ein Peiner-
l'ilcl von 1933, wird vom Bauern und seinen beiden Pferden, ii:i< lulem sie gleichmäßig gepflügt wurde, nun ebenso gleichmäßig
imliT die Egge genommen. Manches sind Jahreszeitenbilder, ( hlii'lit und detailgenau. Manches scheint das Vorbild Pieter
Bnieghels gar nicht leugnen zu wollen. »Der Wechsel der Jahres- y.eilen, Saat und Ernte, Auf- und Niedergang von Sonne und
Mond, die Scholle und die reife Ähre. Alles das, was dem Bauern Leben und Inhalt bedeutet, fand in seinen Werken seinen Nieder-
schlag. Was später zum Schlagwort von >Blut und Boden< wurde, hatte er längst in den Gestaltungen der Ackerscholle und der
Arbeit der Bauern vorweggenommen«*. Diese Sätze stammen nicht etwa aus der Zeit vor 1945, sondern aus dem Jahr 1956. So
schlimm war es eigentlich gar nicht. Peiner malte viele Ackerfurchen von strenger Akkuratesse, ohne daß er Schollen und Arbeit
gestaltete. Er hatte sich 193 1 zusammen mit seiner Frau in das kleine Eifeldorf Kronenburg zurückgezogen, wo er sich in einem
bäuerlichen Trakt der einstigen Burganlage häuslich einrichtete.
Schlüsselerlebnis für die weitere Arbeit Peiners wurde seine große Afrikareise von 1935 nach Tanganjika, Kenia, Uganda und in
den Kongo. Er malte 1935-36 den Sonnenaufgang über dem ostafrikanischen Graben, den Steppenmorgen und Löwen an der Tränke,
Vulkane und Giraffen, Nashörner und Elefanten, Mädchen und Krieger derMassai, 1936-37 dann sein großes Triptychon Das
schwarze Paradies und schrieb das Buch »Das Gesicht Ostafrikas«. Er glaubte, eines der letzten, unberührten Paradiese, vielleicht
das letzte überhaupt, gefunden zu haben, »das Typische und Wesentliche eines sich noch in der großen Harmonie von Mensch,
Tier und Landschaft befindlichen Landes«*.
Diese Reise in eine zivilisationsferne Gegenwirklichkeit brachte keinen Abschied auf immer, sie blieb vorerst Episode und Expe-
dition. Nach seiner Rückkehr übernahm er 1937 »als führender Meister« die Leitung der »vom Ministerpräsidenten Reichsmar-
schall Göring gegründeten und ihm unterstehenden Hermann- Göring-Meisterschule für Malerei in Kronenburg«*, die 1936 als
Landakademie »im Verband der Düsseldorfer Akademie«* geführt wurde. Einer von Peiners bekanntesten Schülern aus der Kriegs -
zeit ist Willi Sitte aus dem nordböhmischen Kratzau, der zuvor an der Kunstschule des Nordböhmischen Gewerbemuseums in
Reichenberg studiert hatte. Peiner nahm ihn 1940 in Kronenburg auf. Sitte lieferte damals »erste perfekte akademische
Zeichnungen und Aquarelle (Akte, Gewandstudien, ländliche, historische, romantische Motive)«, wie es unter »Ereignisse und
Werke«, zusammengestellt von dem Kunsthistoriker Hermann Raum aus Rostock, in dem vom Kunstverein Hamburg 1975
herausgegebenen Katalog zur ersten großen »Willi-Sitte «-Ausstellung in der Bundesrepublik heißt. Sitte, seit 1947 in Halle an der
Saale ansässig, wo iT seit 1951 an der Kunstschule Burg Giebichenstein lehrt, wurde 1974 zum Präsidenten des offiziellen Verbandes
Bildender Künstler der DDR gewählt sowie in das Kollegium und den Rat für Kultur des Ministeriums für Kultur der DDR berufen*.
Peiner schien eine Gegenposition zum abgeschafften Bauhaus Nilhaffen zu wollen: »Es wurde wieder wie im Mittelalter das •
Werkstattverhältnis< eingeführt, wo der Schüler als Lehrling, Geselle und Meisterschüler an der Seite des Meisters arbeitete und
(Jelegenheit hatte, nicht nur dessen Arbeiten zu sehen und daran zu lernen, sondern auch ihm menschlich nahe zu sein«*. Das
1 9 3 7 zur selbständigen Hermann-Göring-Meisterschule erhobene Kunst- Iuternat wurde von Göring 1942 in »Meisterschule der
Malerei Werner Peiner« umbenannt. Die Statuten Peiners von 1936 sollten »Meister und Schüler zu einer fast ordensmäßigen
Gemeinschaft« zusammenfügen. Sie begannen mit den als typisch bezeichneten Sätzen: »Der Künstler ist seiner Gabe verpflichtet.
Ihrer Entfal- tung gehört seine ganze Kraft. Die Gabe selbst ist eine Gnade, und nur ihre Entfaltung steht in seiner Macht. Die
Größe dieser Kntfaltung ist sein Persönlichkeitswert«*. Was zu den Voraussetzungen dieser »Entfaltung« gehörte, ist in Peiners
Erinnerung ¡111 den damals 19jährigen Willi Sitte heute noch präsent: »Wir mußten ihm erst einmal beibringen, mit Messer und
Gabel umzugehen«*.
Peiner betont, daß er seine riesigen Gobelins weder mit Hakenkreuzen noch mit sonstigen eindeutigen NS-Emblemen anreicherte.
In den Jahren 1937-44 schuf er die originalgroßen Vorlagen zu mehreren Bildteppich-Zyklen: vier zum Thema Falkenjagd, zehn mit
Weiblichen Tugenden, fünf mit dem Leben der Erdteile und zuletzt die Schicksalsschlachten der deutschen Geschichte (von den
vorgesehenen acht Kartons im Format von jeweils 5,40 mal 10 m waren 1945 erst fünf fertig), die für Speers Neue Reichskanzlei in
Berlin bestellt worden waren. Sechs Entwürfe bildete die großformatige Zeitschrift »Die Kunst im Deutschen Reich« in ihrem April-
Heft von 1940 farbig ab: Die Schlacht im Teutoburger Wald, König Heinrich I. in der Ungarnschlacht, Die Belagerung der Marienburg,
Die Türkenschlacht vor Wien, Friedrich der Große bei Kunersdorf und Die Schlacht bei Leipzig.

Entwürfe zu Gobelins für die Marmorgalerie Werner Peiner »Belagerung der Marienburg bei Elbing«
Werner Peiner »Friedrich d. Gr. von Preußen bei Kunersdorf 1759«

Peiner wollte mit seinen Bildteppichen für die Marmorgalerie der Neuen Reichskanzlei auf Vorbilder der Gotik und
Renaissance zurückgreifen: »Er wußte, daß mit dem beginnenden Barock in Europa und der Tiefen-Illusion im Bilde die
abendländische Monumentalmalerei zum Erliegen gekommen war. Sein Anliegen war die Rückbesinnung und eine echte
monumentale Malerei. Aus diesem Geist heraus entwarf er Mosaiken und Glasfenster. Seine besondere Liebe galt dem
Bildteppich«*.
Die Monumentalität der Kunst des Dritten Reiches wollte den Superlativ, das noch nie dagewesene, alles beherrschende Format der
neuen, für die nächsten tausend Jahre vorbildlich gesteigerten Dimension. Der »neuen Blüte der Bildteppichwirkerei« seien, so
heißt es in Johannes Sommers Text zu den Abbildungen der Entwürfe Peiners im April 1940, bei den großen Staatsbauten unter der
Ägide Hitlers, »ihres größten Mäzens«, nun Aufgaben zugewiesen worden, »deren Ausmaße die Werke des Mittelalters und der
Barockzeit weit übertreffen und vor denen sich die Malerei der hohen Leistung der Vergangenheit bewußt werden mußte«*.
i der Neuen Reichskanzlei in Berlin (HDK 1940)

I
In zwei Sätzen dieses Textes von Johannes Sommer unter der Überschrift »Marksteine deutscher Geschichte« kommt
das Wort »monumental« gleich viermal vor: »Unsere Zeit erlebte das Wiederaufblühen der Bildteppichwirkerei und
ihren Aufstieg zum Rang monumentaler Malerei, nachdem im neuen Deutschland die seit einem Jahrhundert ersehnte
Monumentalkunst Wirklichkeit wurde. Der heroische Geist, der das geeinte Reich beseelt, fand seinen unmittelbaren
künstlerischen Ausdruck in einer monumentalen Architektur, von der Plastik und Malerei zu monumentaler
Gestaltung befruchtet wurden«*.
Speers 1938-39 in einer Zeit von nur neun Monaten errichteter Bau der Neuen Reichskanzlei in Berlin - »in seinem
Inneren von jener bezwingenden Kraft und Größe, die nur eine starke und selbstbewußte Zeit hervorzubringen
vermag«* - enthielt als gewaltigsten Raum eine 14Ó m lange Marmorgalerie von 12 m Breite und 9,50 m Höhe:
purifizierte Wiedererweckung eines Motivs aus Schlössern und Residenzen der italienischen Renaissance (Uffizien in
Florenz) und des französischen Barocks (Schloß Versailles,
Albert Speer: Gartenfront der Neuen Reichskanzlei, 1938-39, Berlin. Bronzepferd von Josef Thorak

Spiegelsaal, »nur« 74 m lang), in Deutschland zuletzt als Spiegelgalerie nach dem Vorbild von Versailles durch den
bayerischen König Ludwig II. im Schloß Herrenchiemsee verwendet. Die Marmorgalerie von Speers Reichskanzlei
bildete zunächst einmal die Verbindung zwischen dem Runden Saal und dem Großen Emp fangssaal. Die 19 Fenster von
jeweils 6 m Höhe und 2,35 m Breite waren in 2,10 m tiefen Nischen angeordnet, zwischen stark profi lierten Rahmungen
aus dunkelrotem Marmor. Sie reichten vom spiegelglatten Boden aus Saalburger Altrot-Marmor bis zum ge treppten
Gesims der hohen Decke; nach außen, zur "Voßstraße hin, gliederten sie den Mittelbau.
Von den fünf hohen Mahagonitüren an der gegenüberliegenden Wand (vor hellgelb poliertem Stuckmarmor bis unter die
Decke wuchtig eingefaßt vom rot-grün-grauen »Deutschrot«-Marmor) führte die mittlere in den »Arbeitszimmer des Führers«
genanntenSaal, bekrönt von einer Kartusche mit Hitlers Initialien. Die anderen Türen führten zu den Fluren vor den Zimmern
der Adjutanten und trugen die gleichen Kartuschen mit Wappenzeichen (ebenfalls Arbeiten des Bildhauers Hans Vogel). Auf
den Wandflächen waren zunächst die Alexander-Teppiche des Wiener Kunsthistorischen Museums über den von Speer
entworfenen Sitzgruppen und -bänken angebracht worden.
Hitler stellte Peiner »das triumphale Thema der großen Schlachten, die Marksteine der deutschen Geschichte geworden
sind, ein Thema, das von der Größe und dem heroischen Geist des Reiches und der politischen und geistigen Wiedergeburt
Deutschlands künden soll«*. Die ersten sechs im April 1940 veröffentlichten Entwürfe entstanden »in wenigen Monaten, die
von ununterbrochenem, durch die Ereignisse des Krieges noch gesteigertem
Albert Speer: Tür (zum Arbeitszimmer des Führers) in der Marmorgalerie der Neuen Reichskanzlei, 1938-39, Berlin
Albert Speer: Marmorgalerie der Neuen Reichskanzlei, 1938-39, Berlin

Schaffensdrang erfüllt waren«. Für die Ausführung wurde »eine keihe von Jahren« veranschlagt. Das von Hitler und Göring
geförderte Bildteppich-Entwurfswerk Peiners wurde von großen Erwartungen begleitet: »Mit dem Höhepunkt der Teppiche
für die Reichskanzlei begründet dieses Schaffen eine neue Monumentalmalerei aus dem Geist unserer Zeit, die wahrhaft stil-
bildende Kraft in sich trägt und uns zu der Hoffnung berechtigt, daß wir auch auf diesem Kunstzweig einer neuen Blüte
deutschen Kunstschaffens entgegengehen«*. Zum Stil gehörte der Auftrag. Ein militantes Reich bedurfte der historischen
Perspektive, um die eigene Bedeutung aus der heroischen Vergangenheit abzuleiten und sie für die nächsten tausend Jahre
vorbildhaft zu formu- lieren. In der Marmorgalerie der Neuen Reichskanzlei, wo die von zwei schwarz uniformierten
Angehörigen der SS-Leibstandarte »Adolf Hitler« bewachte Mitteltür ins Zentrum der autoritären, magisch aufgeladenen
Führermacht wies, sollten die Panoramen des Schlachtgetümmels den siegreichen Kampfgeist der Germanen und Deutschen
demonstrieren, um dem Führer und seiner Gefolgschaft den Rücken zu stärken.
Die Monumentalkunst des NS-Reiches wurde im gegebenen diktatorischen Befehlsrahmen konzipiert und gesehen.
Der Maler Hermann Kaspar, Freund Albert Speers und Professor an der Münchner Kunstakademie von 1 9 3 8 bis 1 9 7 2 ,
schrieb unter dem Titel »Wesen und Aufgaben der Architekturmalerei« in der Zeitschrift »Die Kunst im Deutschen
Reich« 1 9 3 9 : »Wie der autoritäre Staat unabhängig sein muß von den Rücksichten auf belanglose Einzelinteressen
und einem höheren Ideal dient, so muß auch

Albert Speer: Arbeitszimmer des Führers in der Neuen Reichskanzlei, 1938-39, Berlin
Hermann Kaspar: Mittlere Intarsie an Hitlers Schreibtisch im Arbeitszimmer der Neuen Reichskanzlei, 1938-39, Berlin

die monumentale Malerei - zwar Sinnbild der Natur - frei sein von ihren Zufälligkeiten. Diese Unabhängigkeit spricht aus
jedem Teilstück alter Werke monumentaler Kunst und wird gerne als Stilisierung und Idealisierung bezeichnet, in
Wirklichkeit ist dies aber der Ausdruck einer aufs Ganze und auf Einordnung gerichteten Kunstanschauung«*.
Kaspar hatte 1935 mit 29 Jahren den Ersten Preis im Wettbewerb für den monumentalen Mosaikfries an den Emporenwänden im
Kongreßsaal des Deutschen Museums gewonnen, hatte die Festzüge zu den »Tagen der Deutschen Kunst« in München 1937 und
1938 (zusammen mit dem Bildhauer Richard Knecht) als Gesamtgestalter mitverantwortet und 1937 das Kuppelgemälde im
Gärtnerplatz-Theater geschaffen. Er galt im Umkreis von Hitler und Speer als zuständig für Mosaik, insbesondere für die
Hakenkreuz-Mäander, mit denen er die Decke des Säulengangs am Haus der Deutschen Kunst verzierte, desgleichen den 378 m lan-
gen Tribünenbau Speers auf dem Nürnberger Reichsparteitags- gelände (mit insgesamt 74 Kassetten zu jeweils rund 2 m im Qua-
drat) und den Ehrensaal dieses Bauwerks. 1939-41 war er in Speers Auftrag in der Neuen Reichskanzlei mit Mosaiken, Fresken und
Holzintarsien beschäftigt. Er versah die 7,50 m hohe Vorhalle (Grundfläche 17 X 10 m) mit Mosaikflächen und -streifen, schmückte
den 16 m hohen Mosaiksaal (Grundfläche 46,20 X 19,20 m) mit Kraft-, Wacht- und Lebenssymbolen, gab auch
demFußbodenmosaik des Runden Saales seine Hakenkreuze und seine Kuppelgliederung. Für das 14,50 X 27 m große
»Arbeitszimmer des Führers« lieferte Kaspar die Intarsien zu den gewaltigen, von Speer entworfenen Möbeln: für den Schreibtisch
drei emblema- tische Felder mit den von gekreuzten Stäben und Waffen hinter- fangenen Kopfmasken einer Medusa, eines Mars
und einer Pallas Athene und für das mittlere Feld der Kommode einen wilden, flattrigen Adler, der eine Schlange packt, die sich
selber beißt. Hitler gefiel so etwas. Speer telegraphierte am 24. April 1939 an Kaspar nach München: »Ich freue mich, Dir mitteilen
zu können, daß der Führer sich über Deine Arbeiten für sein Zimmer außerordentlich gefreut hat, und beglückwünsche Dich recht
herzlich dazu«. Im Telegramm-Entwurf hatte Speer zunächst »lobend ausgesprochen« formuliert*.
In seinen »Erinnerungen« von 1969 registriert Speer, wie sehr sich Hitler über die Intarsie des mittleren Feldes freute, weil das
mit einer Lanze gekreuzte Schwert hinter der Mars-Maske ein Stück aus der Scheide herausgezogen war: »Gut, gut . . . Wenn das die
Diplomaten sehen, die vor mir an diesem Tisch sitzen, werden sie das Fürchten lernen«*.
Fünf Fenstertüren von 6 m Höhe und 2 m Breite öffneten den Raum zu einem Säulenvorbau und einer Gartenterrasse. Auf der
gegenüberliegenden Längsseite - zwischen dunkelrotem Limbacher Marmor - entsprachen Wandfelder aus intarsiertem
Wurzelholz dieser Gliederung. Die Türen der Schmalseiten unter Kartuschen von Richard Klein führten zu den Korridoren der
Adjutantenzimmer und zum Reichskabinetts aal (Grundfläche 19 X 13,50 m, Höhe 6,50) der jedoch nicht benutzt wurde.
Albert Speer: Reichskabinett-Saal in der Neuen Reichskanzlei, 1938-39, Berlin

Der 9,75 m hohe Arbeitssaal Hitlers - mit einer Kassettendecke aus Palisander und Einlagen aus anderen Edelhölzern, mit einem
einzigen riesigen Teppich auf dem Ruhpoldinger Marmor des Fußbodens und einem Bismarck-Bildnis von Lenbach über dem
Kamin - war durch das Braun des Holzes und das Rotbraun des Marmors bestimmt.
In der offizielleren Beschreibung der Innenräume der Neuen Reichskanzlei heißt es: »Durch die edlen Materialien wird eine ernste,
aber mit verhaltener Kraft erfüllte Farbenstimmung erzeugt, wie sie der Führer bei seiner Arbeit liebt. Große Gedanken entstehen
hier, entscheidende Gespräche im engsten Kreis finden statt, und man wird dieses Zimmer mit einem Gefühl der Ehr furcht
betreten, denn der große schöpferische Geist des Mannes, der hier arbeitet, verleiht der räumlichen Gestaltung die Weihe.
Möblierung und Ausstattung sind so gehalten, daß sie sich der großen räumlichen Wirkung vollends unterordnen«*. Auch der vom
Führerzimmer durch einen Verbindungsflur erreichbare Kabinettsaal sollte anzeigen, daß er »ernster Arbeit gewidmet« war:
Wände aus Nuß- und Wurzelholz, Kassettendecke, ein langer Sitzungstisch, schwere Sessel mit weinroten Bezügen und großen
Hoheitsadlern mit umkränztem Hakenkreuz in den Klauen (übernommen aus der alten Reichskanzlei, entworfen von Troost). Der
zentrale Beratungsraum der Reichsregierung von Hitlers Gnaden:»Seine Ausstattung in schlichten und doch so edlen Formen be-
zeugt den hohen Stand deutscher Handwerkskultur«*. Eine Kabinettsitzung fand hier niemals statt: der Saal blieb Attrappe, Ku-
lisse wie so vieles.

Diese Arbeits- und Repräsentationsräume der Neuen Reichskanzlei, deren Materialaufwand von keinem Rechnungshof nach-
kontrolliert zu werden brauchte, verbanden den Charakter von Konzerndirektionen der Gründerzeit mit weiter zurückliegenden
Vorbildern, die von den Regierungshallen der Pharaonen bis zu italienischen Renaissance-Palästen und darüber hinaus gereicht
haben mögen. Die Säle des venezianischen Dogenpalastes sollten an Würde und Ausdehnung offenbar noch übertroffen werden.
Der helle oder rötliche Marmor, der Wände und Böden, Treppen, Pfeiler und Säulen bildete, der selbst die Innenwände verkleidete,
gab schon Troosts Führerbauten und dem Haus der Deutschen Kunst ihren ewigkeitlichen Symbolwert. Speer setzte diesen bom-
bastischen Imponierstil in Berlin fort. Nur die Luxusthermen des Römischen Reiches mögen ähnliche Schwimmhalleneffekte ge -
boten haben. Die Marmorböden hätten die eisenbewehrten Schaftstiefel ganzer Kolonnen schwergewichtiger SA- und SS-Männer
wohl ohne jeden Schaden ausgehalten. In der Tat trug fast jeder uniformierte Deutsche - im Krieg schien es manchmal der größere
Teil des Volkes zu sein - diese Hackenknaller, mit denen so zackig und unüberhörbar Begrüßung und Abschied, Befehlsemp fang
und Ehrerbietung angezeigt werden konnten.
Speer erklärt Hitlers Stilvorstellungen und Bauideen mit der Herkunft aus dem habsburgischen Barock: »Am Klassizismus liebte
er strenggenommen die Möglichkeit zur Monumentalität. Er war vernarrt ins Riesenhafte«. Hitler sei »im Grunde anti preußisch«
gewesen und nur von Troost in München »Anfang der Dreißiger Jahre vorübergehend zur Strenge gebracht« wor den - ganz gegen
seine eigentlichen Neigungen. »Aber seine Welt waren Bogengänge, Kuppeln, Geschwungenes, Repräsentation, nie ohne ein
Element von Eleganz, kurz: das Barocke. Das ging bis in die Wiener Ringstraße«*.
Wie im Mittelalter und im Barock sollte die Architektur wieder die führende Rolle einnehmen. Die Ordnungs- und Harmonie-
gedanken der Renaissance mußten im dritten Reich primär in der Baukunst verwirklicht werden. »Die Architektin und Meisterin
der Künste«, schrieb Speers Freund Kaspar 1939, »von ihr muß die Befruchtung für die Malerei kommen«".
Albert Speer hatte bei dem Architekten Heinrich 'Tessenow an der Technischen Hochschule Berlin studiert, einem
Meister der Tradition, der durch sein Festspielhaus Hellerau bei Dresden bekannt geworden war und 1931 in Schinkels
'Neuer Wache in Berlin den Innenraum als Ehren- und Weihestätte schuf. Speer wurde 1929 Mitglied der NSDAP; er war
1932 mit dem Umbau und der Einrichtung des Berliner Adolf-Hitler-Hauses als Gau-Geschäftsstelle beschäftigt, 1933 für das
neue Propagandaministerium tätig und im selben Jahr Gestalter des Aufmarsches zum 1. Mai auf dem Tempelhofer Feld;
1934 erhielt er den Auftrag für die von Troost noch relativ harmlos begonnenen Planungen des immensen Partei-
Albert Speer: Innenfront der Haupttribüne des Zeppelinfeldes, 1937, Nürnberg. Vorbeimarsch einer Einheit des Reichsarbeitsdienstes
tagsgeländes am südöstlichen Stadtrand Nürnbergs: eine Fläche von insgesamt 30 Quadratkilometern mit breiten Auf- und Vorbei-
marschstraßen, einem 83 m hohen Stadion von 560 m Länge (mit Vorhof 730 m) und 450 m Breite, einem 57 m hohen Kongreßbau
(entworfen von Ludwig und Franz Ruff), dem Zeppelin- und dem Märzfeld mit Walltribünen zwischen 26 steinernen Türmen von
über 36 m Höhe. Die Haupttribüne des innen 290 X 312 m und außen 363 X 378m messenden Zeppelinfeldes wurde als Pfeilerhalle
in einer Länge von 378 m einschließlich Ehrenhalle und mit vorgeschobener Führertribüne (16 000 Sitzplätze, auf der Neben-
tribüne 3 2 000) zum Hauptstück der auf Hitler als obersten Herrscher orientierten Massenaufmarsch-Inszenierung: »Die Hervor-
hebung des Führerplatzes ergibt sich aus der Haltung des Mannes, der sich mit allen Taten und Handlungen als Beauftragter seines
Volkes stets verantwortlich fühlt«*. Flächenausdehnung, Baumassen und Arbeitsleistung auf dieser größten Baustelle des Reiches
warenSuperlative. Das Deutsche Stmlioii '.<>llt• I m i < uiei Spielfläche von 55 ooo Quadratmetern auf iiinl' Kannen l'l.u - Im ,(<15
oou Zuschauer bieten. Das Märzfeld uml'alke 6 1 1 vv, m, auf den Tribünen konnten 115 000 Zuschauer die Vorl illii ungen dei
Wehrmacht beobachten, wenn mit Panzern, schwerem (¡esehiiiz und Flugzeugen ein begrenzter Manöverkrieg gel'iihi i wurde. Die
Verbindungsstraße zwischen Zeppelinfeld und Stadion war 95 m breit. Zu Speers Inszenierung gehörte ein »Lichtdom« als
weihevoll abendliche Kulmination: Luftwaffenscheinwerfer richteten ihre Strahlen gen Himmel.

Wilhelm Lötz, 1927-34 Redakteur der Zeitschrift »Die Form« des Deutschen Werkbundes, gab 1938 einen Bericht über dieses
Parteitagsgelände im Kiefernwald, das die Volksgenossen auf Vordermann brachte und den Führer-Mythos ins Gigantische hob:
»Diese zwingende Ausrichtung der Massen durch die Anordnung der Architektur bewirkt, daß jeder Teilnehmer den gewaltigen

Plan des
Reichsparteitag-Geländes in Nürnberg, 1937:
1 Luitpoldarena
2 Kongreßhalle
3 Zeppelinfeld
4 Märzfeld
5L ager
Zusammenklang des Willens aller Beteiligten wie in einem großen Spiegel vor sich erblickt, als eine kraftvolle Zusammenfassung
und Sinngebung des Geschehens«*.
Die Gipfelleistung sollte die Neuplanung der Reichshauptstadt Berlin werden, zu deren Generalbauinspektor Hitler seinen
Architekten Speer, der im März 1937 erst 32 Jahre alt wurde, am 30. Januar 1937 berief. Vorgesehen war nach einem Bericht Speers
eine gewaltige neue Straßenachse von 38,7 km Länge und einem Mittelteil von 7 km, »an dem die größten und repräsentativsten
Bauten des Deutschen Reiches neu errichtet werden sollen. Abgeschlossen wird diese innerstädtische Nordsüdachse von zwei
großen Fernbahnhöfen, die - im Norden und Süden Berlins neu angelegt - nicht weniger als zehn heute vorhandene, veraltete
Fernbahnhöfe ersetzen werden. ... Etwa an der Stelle, wo die beiden Achsen sich im Herzen der Stadt schneiden, wird sich das
größte Bauwerk Berlins erheben, die Große Halle des deutschen Volkes«*. Diese Halle - mit einer Kuppel im Hauptteil - sollte etwa
300 m hoch sein. Zum Vergleich: die Peterskirche in Rom mißt in der äußeren Höhe bis zur Kreuzspitze 132,5m. Zentrum der auf 10
Millionen Einwohner und einen Durchmesser von 50 km veranschlagten Neuplanung sollte das Achsenkreuz mit seinen Plätzen,
öffentlichen und privaten Verwaltungsgebäuden, seinen Kaufhäusern und Museen, seinem bildhauerischen Schmuck werden. In
der Mitte des Runden Platzes, auf den sechs Nebenstraßen mündeten, sollte Arno Breker ein 4 bis 5 m hohes Brunnenbecken von
126 m Durchmesser schaffen. Der Apoll der plastischen Hauptgruppe sollte in Brekers Entwurf 6 m hoch werden. »Auf dem
Brunnenbecken standen in der Achse der sechs Nebenstraßen in rauschenden Gewändern dahinschreitende Mänaden,
gewissermaßen das große Ereignis - Apoll aus dem Wagen steigend - anzukündigen«*.
Grünflächen sollten keilförmig ins Stadtinnere vorgetrieben werden, das Schnellbahnsystem korrigiert, Wohnviertel saniert,
Freigelände für einige 100000 Neubauwohnungen erschlossen werden, um der Welt ein unerreichbares Beispiel zu geben. Speer
war im Januar 1939 zuversichtlich: »Am 14. Juni vergangenen Jahres endlich wurden mit dem Arbeitsbeginn an 16 Großbaustellen
gleichzeitig Einsatz und Tempo gesteigert«*. Ein Teilstück der Ost-West-Achse, welche die Allee »Unter den Linden« vom
Brandenburger Tor aus in westlicher Richtung fortsetzt, konnte samt der verpflanzten alten Siegessäule zu Hitlers 50. Geburtstag
am 20. April 1939 dem Verkehr übergeben werden*.
Während des Krieges wurde an diesen Projekten kaum noch gebaut. Die gigantomanischen Bauideen wurden indes weiterpro -
duziert. Wie zur Förderung des eigenen Glaubens an den Endsieg und in geradezu wahnhaften Akten der Selbsttäuschung faselte
man von Berlin als der europäischen Hauptstadt einer von den deutschen Siegern beherrschten Welt. Als Gegenpol zur größten
Versammlungshalle der Welt, dem Kuppelbau am nördlichen Ende der 120 m breiten Prachtstraße, sollte ein 117 m hoher, 170 m
breiter und 190 m tiefer Triumphbogen dem Südbahnhof vorgelagert sein - als von Hitler 1925 entworfenes Denkmal für die 1,8
Millionen Toten des Ersten Weltkrieges. Die 2 km langen und 100 m breiten Pariser Champs-Elysées mit ihrem 42 m hohen Are de
Triomphe waren in jeder Hinsicht zu übertreffen: in den Maßen jeweils um ein Mehrfaches. Erst nach seiner Entlassung aus der
Haft erkannte Speer 1966: »Wir bauten maßstablos. Selbst für private Unternehmungen ließen wir Blockeinheiten von 150 bis 200
m Länge zu; wir legten die Höhe der Bauten, die Höhe der Ladenfronten einheitlich fest, verbannten die Hochhäuser hinter die
Straßenflucht und begaben uns damit wiederum eines Mittels zur Belebung und Auflockerung«*. Der 1000 m lange und 330 m
breite Platz vor dem südlichen Zentralbahnhof - abgeschlossen durch den Triumphbogen - sollte von Beutewaffen umsäumt wer-
den, wie Hitler nach dem Frankreichfeldzug anordnete und im Spätherbst 1941 bestätigte*. Speer und Hitler standen mit ihren
Bauideen der monumentalen Superlative damals schon längst nicht mehr allein. Zu sogenannten Neugestaltungsstädten waren zu-
nächst Berlin, Nürnberg, München und Linz erklärt worden, bis zum Jahresbeginn 1941 waren es weitere 27 Städte - außer Augs -
burg, Weimar, Hamburg und Hannover nun auch Düsseldorf, Köln, Posen, Königsberg, Salzburg, Graz, Dresden, Breslau, Bre men,
Heidelberg, Prag, Danzig, Innsbruck und andere*. Hitler selbst förderte die Lust seiner Gauleiter, sich nach den vorhandenen
Mustern in ihren Provinzhauptstädten repräsentative, von Parteibauten und Versammlungshallen eingefaßte Forumsanlagen er-
richten zu lassen. Ohne Rücksicht auf die begrenzte Kapazität der Granitsteinbrüche und Ziegeleien, die Himmler dann durch die
Zwangsarbeiter seiner KZ-Lager zu erweitern versuchte, genehmigte Hitler eine NS-Stadtumgestaltung nach der anderen, ließ sich
Pläne vorlegen und zeichnete eigene Skizzen. Speer schreibt in seinen Erinnerungen: »Fast jeder dieser Pläne wies wie mein
Berliner Entwurf ein Achsenkreuz auf, sogar in den Himmelsrichtungen übereinstimmend; das Berliner Muster war zum Schema
geworden«*. Ähnliches hatte es im Römischen Reich gegeben. Der Architekt Wilhelm Kreis - Professor an den Kunstakademien in
Düsseldorf und Dresden, 1928-33 Vorsitzender und dann Ehrenpräsident des BDA - war in der NS-Ära in seine wilhelminischen
Anfänge einer klassizistischen und neubarocken Stilarchitektur zurückgefallen*, aus der er sich auch in den Zwanziger Jahren
nicht ganz hatte befreien können. Im ersten Jahrzehnt des Jahrhunderts hatte er mehr als 50 Bismarck-Türme gebaut, außerdem
1902 das
Wilhelm Kreis: Bismarck-Halle, 19'4.
Gotzlow an der Odermündung
Wilhelm Kreis: Entwurf für das Ausstellungsgebäude in Düsseldorf am Hofgartenufer, 1913 (heute Museums- + Messegebäude)
Burschenschaftsdenkmal über Eisenach, 1906 die Dresdner Au- gustus-Brücke, 1912-14 das Museum für deutsche
Vorgeschichte in Halle a. d. Saale und 1913 das Kölner Warenhaus Tietz. Seine Bismarck-Tür?ne und -Hallen - ob an der
Oder-Mündung bei Gotzlow oder in der Lößnitz bei Dresden - waren immer noch Variationen des Theoderich-Grabmals
in Ravenna, das wiederum auf römische Kaisergräber zurückzuführen ist*. Hitler machte ihn auf Speers Vorschlag zum
Generalbaurat für die Gestaltung der Kriegsgräber*. Immer wieder wurde beklagt, daß Kreis zwischen Weltkrieg und
Machtergreifung »nur« Zweckbauten errichten konnte: die Düsseldorfer Ausstellungsbauten, das Kraftwerk
Rheinmetall, den Kokskohlenturm der Zeche »Hannibal«, das Wilhelm- Marx-Hochhaus in Düsseldorf, die Bochumer
Kommunalbank, das Hygiene-Museum in Dresden und mehrere Bürohäuser.Speer schrieb 1941: »Es war das tragische
Schicksal des Architekten, daß seine besten Jahre in die unfruchtbarste Epoche deutschen Bauens fiel, die Zeit von 1918
bis 1933. Damals fehlte das Entscheidende: der Bauherr, der Aufgaben stellte, die einem solch genialen Mann gemäß
waren«*.
In Berlin hatte Kreis auf einer Fläche von 40 Hektar als größte Baugruppe der Neuplanung Anfang 1939 die Entwürfe
und Modelle für das Oberkommando des Heeres schon fertig: fünf große und zwei kleine Blöcke für die Ämter, dazu als
gewaltiges Ehrenmal für die drei Wehrmachtsteile Heer, Marine und Luftwaffe die Soldatenhalle mit einer Krypta unter
der ungeheuren, gewölbten Feierhalle. Die Krypta wurde damit zum ersten Heldeneh- rungs-Projekt des Zweiten
Weltkrieges. Dort sollten die Särge berühmter deutscher Feldherren aller Zeiten aufgestellt werden, außerdem
bedeutungsvolle Kriegstrophäen - bis hin zum Eisenbahnwagen des Marschalls Foch, in dem am 11. November 1918 - im
Wald von Compiegne an der Oise - der Waffenstillstand zwischen Deutschland und der Entente abgeschlossen wurde;
Hitler »tilgte die Schmach« dadurch, daß er im selben Waggon am 22. Juni 1940 die Niederlage der Franzosen besiegeln
ließ.

Wilhelm Kreis: Modell zum Ehrenhof im Oberkommando des Heeres, um 1939, Berlin

Dieses Oberkommando-Areal sollte begrenzt sein von der Großen Straße und der Viktoriastraße im Osten, vom
Tiergarten im Norden, dem Landwehrkanal im Süden und der Bendlerstraße im Westen. Kreis durfte hier endlich einmal
ein deutsches Nationaldenkmal errichten: »Die Aufgabe, deren Erfüllung seine ganze Lebensarbeit eigentlich galt«*. Der
Mensch erscheint in den Entwürfen und Modellen, die den Neo-Klassizismus Troosts und Speers in noch größere und
brutalere Ausmaße gesteigert hätten, als ein ganz kleines, kaum noch wahrnehmbares Staffage-Wesen. Die Gigantomanie
der quaderförmigen, von Pfeilerhallen, Portiken und Freitreppen umgebenen Baukörper wollte gegen den Zweck mit der
getürmten glatten Masse des Steins angehen, mit leeren Dekorationsformen und starren, toten Ungetümen. Schinkels
Lehrer Friedrich Gilly wurde als genialischer Monumental-Klassizist mit seinen Entwürfen eines Denkmals für Friedrich
den Großen (1797) und eines Schauspielhauses (1798) aus der Reihe der künstlerischen Ahnen in den Vordergrund gestellt.
In den Brutalformen von Wilhelm Kreis war von der Maßgerechtigkeit des Klassizismus jedoch nichts mehr zu spüren.

Kreis sollte in Berlin außerdem mehrere Museen entwerfen. Während der Komplex des Oberkommandos nicht mehr realisiert
werden konnte, wurde das Dresdner Luftgaukommando von Kreis noch 1938 fertiggestellt: ein 17 m hoher, 163 m langer
Haupttrakt mit obligatorischem Ehrenhof, der durch »ein schweres, von Pylonen und Adlergruppen beherrschtes Gitter«
betreten wurde. Als »Gauanlage der Hauptstadt des Sachsengaus« sollte am Südost rand der Dresdner Innenstadt (zwischen
Kreis' Hygiene-Museum und dem Großen Garten) nach Plänen von Kreis der Adolf-Hitler- Platz entstehen. Vorgesehen waren ein
Gauhaus mit drei Höfen, eine Sachsenhalle, Säulenhallen, zwei Ehrenmale sowie eine 1000 m lange und 65 m breite Achse, die am
Rathausturm begonnen und mit dem 70 m hohen Turm der Reichsjugend am Adolf-Hitler- Platz geendet hätte. Wilhelm Kreis
entwarf und plante während des Krieges vorwiegend das, was der bombastischen Heldenverehrung und der kultischen
Nekrophilie der Götterdämmerungsgewalt am ehesten zu entsprechen schien: Ehrenmale, Soldatenburgen, Ehrensarkophage,
Mahnmale, Heldengräber und Götterburgen auf Bergen und Klippen hoch über Meer und Ebene - eine Totentempelanlage am
Fuße des Olymps, einen Talwächter als »Mahnmal an der Felskante eines Soldatenfriedhofes, 120 m senkrecht über dem Saartal
bei Serriz«, Walhalla- und Ruhmeshallen allerorten, Totenburgen zur Mahnung und als Kultstätten sowie als
Grenzmarkierungen des Reiches. »Auf den Felsen der Atlantikküste werden sich, gegen Westen gerichtet, großartige Bauwerke
erheben, als ewiges Denkmal an die Befreiung des Kontinents von britischer Abhängigkeit und an die Einigung Europas unter
Führung seines deutschen Herzvolkes. . . . Wuchtig und hochaufstrebend in die Ebenen des Ostens hineingestellte Turmbauten
werden als Symbole für die Bändigung der chaotischen Gewalten der östlichen Steppen durch die disziplinierte Macht
germanischer Ordnungskräfte entstehen - umgeben von den Grabstätten der Kriegergeneration deutschen Blutes, die, wie schon
so oft seit zweitausend Jahren, die Existenz der abendländischen Kulturwelt gegen die zerstörerischen Sturmfluten aus
Innerasien gerettet hat«*. Kreis skizzierte dergleichen - teils auf dem Schlachtfeld - gleichsam auf Vorrat.
4 Wilhelm Kreis: Luftgau-Kommando, 1936-38, Dresden. Relief von AlbikerBei der Wettbewerbsentscheidung zupi
vorgesehenen Bismarck- Natio?ialdenkmal für die Bismarckhöhe bei Bingen am Rhein war Wilhelm Kreis 1911-12
zunächst gescheitert, dann aber unter der Bedingung eines reduzierten zweiten Entwurfs mit der Ausführung beauftragt
worden. Der Beginn des Ersten Weltkrieges verhinderte das Denkmal-Projekt. Als Denkmal für die Räumung des
Rheinlandes von der Besatzung westlicher Nachbarländer, die im Juni 1930 stattfand und als »Befreiung« deklariert
wurde, plante Kreis auf der Binger Höhe nun einen Freiheitsplatz mit Ehrenhof (100 X 60 m), Pfeilerhallen,
Kundgebungsplatz (Seitenlängen 160 m) und mit einem in mehreren Stufen sich erhebenden Altarblock (»Große Reliefs
über dem Sockel künden von der Wiederaufrichtung des Reiches«) sowie einer 40 m hohen Freiheitssäule, bekrönt von
einem Hoheitsadler. Der Altarklotz auf dem Felsenvorsprung des linken Rheinufers sollte - iöo m über dem Strom - das
Tal beherrschen. Das Projekt erscheint als Verbindung altägyptischer, mykenischer und aztekischer Monumente der
Götterverehrung und Kultmystik, als Opferstätte und Pharaonen- Grabmal. Hitler bestimmte den Plan zur Ausführung.

Wilhelm Kreis: Entwurf zum Ehrenhof des Freiheitsplatzes in Bingen am Rhein, um 1937
Otto A. Hirth »Prinzregentenstraße in München« (HDK 1940) Im Fluchtpunkt: das Prinz-Carl-Palais

Die zwei großen Architektur- und Kunsthandwerk-Ausstellun- gen im Haus der Deutschen Kunst zeigten 1938 und
1939 Pläne, Modelle, Entwürfe und Photos des bereits Gebauten zusammen mit Einrichtungsstücken, Kunstgewerbe und
architekturgebundener Kunst. Als Pendant zum Troost-Bau war das Haus der Deutschen Architektur vorgesehen.
Die ausgestellten Einrichtungsvorschläge folgten historischen Vorbildern. Es dominierte das Schwergewichtige,
Behäbige, Getäfelte. Die wiederaufgenommene bürgerliche Nachahmung des Rittersaales wurde etwas aufgelichtet, sie
eignete sich vorzüglich für nordisches Selbstwertbewußtsein. Dem Stil des Offiziellen entsprach der Charakter des
Gravitätischen. Als modern und gewagt galt alles Leichte, historisch nicht Vorgeformte, Zartgliedri- ge, unverziert Glatte.
Auge und Bewußtsein bekamen Wiedererkennbares angeboten. So neuzeitlich der NS-Staat sich auch im technischen
Fortschritt geben mochte, so altertümlich dachte er in allen Fragen des Erscheinungsbildes.

DAS ÜBERMENSCHLICHE, ÜBERSINNLICHE, ERHABENE

Der Anachronismus von Gesinnung und Gestaltung bcdurfic einer Kunst, die vor der Wahrheit die Lüge, vor dem Eigentlichen
das Uneigentliche und vor der Gefahr das Bollwerk errichtete. Jede Tat, jeder Gedanke hatte Schutz und Trutz zu bieten. Jedes Bau-
und Bildwerk hatte die Gewißheit weit über den Zweifel zu setzen. Eine dicht geschlossene Abwehrhaltung wußte jede Art von
Transparenz unmöglich zu machen. Jeder Fortschritt der Informationstechnik galt der Festigung des Regimes durch Propaganda,
galt der Errichtung von Feindbildern und der eigenen Verteidigungshaltung. Die Unterdrückung des »weltanschaulichen« Gegners
blieb lange Zeit Geheimaktion. So wie das Folter- und Ver- nichtungs-KZ durch eine breite Toranlage mit der Aufschrift »Arbeit
macht frei« und mit gärtnerischem Zierat als Trainingslager zwecks Umerziehung dargestellt wurde, wurden die Gemüter der
Volksgenossen durch gewaltige Inszenierungen von Menschenmassen, Baukörpern, Bildwerken und Festlichkeiten davon
abgehalten, über Fragwürdigkeiten und Zukunftsaussichten des totalitären Staates auch nur andeutungsweise anders
nachzudenken als der Popaganda-Mechanismus es wollte. Diese Entwicklung trieb während des Krieges ihren
menschenfeindlichen Höhepunkten zu, als auf das Erzählen politischer Witze, die Weitergabe feindlicher Flugblätter, das Abhören
gegnerischer und neutraler Sender sowie auf das heimliche Schlachten eines »schwarzen« Schweines gleichermaßen die
Todesstrafe stehen konnte.Das aus dem 19. Jahrhundert herrührende Antinomie-Problem blieb erhalten, der Geniebegriff wurde
sogar noch gesteigert, der Konflikt geradezu monumentalisiert. Kunst und Leben, Mensch und Technik, Künstler und Bürger, Volk
und Führer, Mensch und Untermensch, Arier und Jude, rein und unrein, deutsch und undeutsch, männlich und unmännlich -
ständig wurden derartige Gegensatzpaare produziert und angewandt. Entschieden wurden die zunächst einmal etablierten
dualistischen Positionen, an die »mit fester Unerschütterlichkeit« zu glauben war wie an eine ewige Gewißheit, durch Partei- und
Regierungsbeschluß auf dem Wege von Verordnungen, Gesetzen, Ausführungsbestimmungen, Sprachregelungen, Ausweisungen
und Internierungen, durch Folter und Strafe.
Bei solchen Gegensatzpaaren wurde meistens die eine Seite zum Herrn, die andere zum Diener erklärt. So, wie die
»Herrenrasse« ihre Parias zu erzeugen (und dann zu vernichten) suchte, wurde das niedere Gegenbild stets zur Idealisierung einer
Spitzenposition gebraucht. Die Gliederung war hierarchisch - innerhalb eines als dualistisch vorgestellten Weltsystems, in dem es
nur Sieger und Besiegte, Starke und Schwache, Tüchtige und »nutzlose Esser« geben konnte, wenn alles programmgemäß verlief.
Der oberste Führer war in der von Hitler selbst formulierten Wertfeststellung fast ohne Irrtum, nahezu unfehlbar - nach unten
setzte sich die vermehrte Irrtumshäufung fort, so daß jeder Volks- und Parteigenosse stets einen Höheren, ihm Überstellten
brauchte, um eine irrtumsfreiere, ihm gegenüber führungsaktive Region über sich zu wissen.
Das Aufsteigen in der Parteihierarchie zog den Genuß nach sich, um so mehr Befehlsabhängige unter sich zu wissen, denen der
Höhergestellte die jeden Zweifel ausschließende Weisung erteilen durfte*.
Demselben pseudomagisch-mystisch aufgeladenen Führer- und Messias-Bild diente Hitlers nach außen streng durchgehaltene
Stilisierung einer Vortäuschung, die ihn als frauenlosen, erhaben genialen, einsamen, gottgleichen Ausnahmemenschen
erscheinen ließ: frei von niederer Sündhaftigkeit und von fleischlichen Gelüsten, frei von familiären Bindungen, oberster Diener
des Volkes, aus dem er hervorging, der Idee ergeben und den Zielen der »Bewegung«, geschützt von der »Vorsehung« - zum Wohle
der germanischen Rasse und des deutschen Volkes. Als nach dem Ende des Krieges mitgeteilt wurde, daß Hitler eine Freundin
hatte und sie zuletzt noch heiratete, eine »Geliebte« ohne Rang und Namen, waren Verblüffung und Betroffenheit zunächst so
groß, daß viele
Führergläubige das für eine Feindlüge hielten, ihr den (¡egenstand der Verehrung in den Schmutz ziehen wollte*
Die tiefgreifenden Enttäuschungen und Krsrlüiiirnmgen der hochgemuten Jugend auf den Schlachtfeldern <l< -. Krslen Welt -
krieges und ihre Heimkehr - soweit sie iibrrlrhtc in ein Land der Revolution, des Bürgerkriegs, der Inflation und der Noi bilde ten
die Voraussetzung für weitere, scheinbar heillose und schwere Konflikte. Das »Schanddiktat von Versailles« schuf den Nährbo den
für Wirtschaftskrisen, Arbeitslosigkeit und rasche Regierungswechsel. Die Heraufkunft eines allumfassend begnadeten, rettenden
Messias des politischen Lebens mußte wie ein Gnadenakt des nationalen Schicksals wirken.
Die »Erstarkung des Reiches« vollzog sich unter tätiger Mithilfe und dem Beifall derer, die das idealistische Gedankengut der
Vorkriegszeit weiterführten und bestätigt sahen, als ein neuer Weihekult der Jugendlichkeit ihre eigenen kühnsten Träume und
Erinnerungen zu reproduzieren schien. Die Wandervogel-Gruppie- rung der deutschen Jugendbewegung in ihrem frisch-fromm-
fröhlich-freien Selbständigkeitsdrang, unabhängig von der bürgerlichen älteren Generation zu sein, mündete mit ihrem Lebensstil
von Gemeinschaftslager, Führerauslese, Gruppenabend, Marschlied, Basteltrieb, Volkstanz, Fahnenweihe, Tracht und Fahrt in die
straffen Organisationsformen der NS-Staatsjugend.
Der Dichter jener Generation war der heute fast völlig vergessene Walter Fl ex, dessen Kriegsbuch »Der Wanderer zwischen
beiden Welten« 1916 die idealistische Wandervogelgesinnung und ihr dort formuliertes Motto die folgenden Jahrzehnte überleben
ließ: »Rein bleiben und reif werden«. Opfertod und Gruppengeist, die Läuterung der Zweifelnden und Verzagten in Stahlgewittern
und Feindessturm: Flex verherrlichte diesen todesnahen Seelentrieb in Gedichten von geradezu religiöser Inbrunst und
Feierlichkeit. Im NS-Reich machten sich ganze Scharen'von Verseschmieden daran, diesen reinen Klang des deutschen Wesens -
teils mit spätexpressionistischen Reminiszenzen - in eherne Worte zu fassen. Reichsjugendführer Baidur von Schirach, Gauleiter
und Reichsstatthalter in Wien 1940-45, fühlte sich selbst als Dichter und ließ sich feiern für Reimfolgen wie diese:
»Ihr sollt brennen! Nicht wie Asketen, die in Gebeten sich bekennen, nein! Wie
Soldaten, die tief in Gräben, Gebete leben durch ihre Taten!«*.

Sein Poem »An den Arbeiter« wirkt, als ob es für eine der Kraftmänner-Skulpturen Brekers oder Thoraks stehen solle: »Ich fasse
deine harte Hand: hier halte ich mein Vaterland. Da alles rings zusammenbricht, stehn wir vereint und wanken nicht. Aus unserm
Handschlag wächst empor der Glaube, den das Volk verlor. Denn du und ich, wir fühlen schon in diesem Handschlag die Nation!«*.

Die Gedichte anderer NS-Barden waren kaum besser. Sie wirken wie kabarettistische Parodie - und waren doch bitter ernst
gemeint.
Zu einer im September 1940 von Will Vesper herausgebrachten Anthologie »Ernte der Gegenwart«, die acht Monate später schon
im 30. Tausend erschien, wußte auch die um das »unverwesliche Erbe«, um »Weltinnigkeit« und die »Heimholung der Welt«
bemühte Ina Seidel vier Zeitgedichte beizusteuern, unter denen die Mutter-Heroik »An den Straßen« bereits dem Kriegsbe ginn
von 1939 gewidmet ist. »Der Väter Kampf« dränge nun zu Sieg, Tod und Vollendung, das Vaterland selbst wird zur Mutter
erklärt*.Spätestens seit ihrem Frauenroman »Das Wunschkind« von 1930 zählte Ina Seidel zu den meistgelesenen Autorinnen
deutscher Sprache, Inbegriff des Feinen und Dichterischen, ein tröstliches Juwel im vor Innigkeit vibrierenden, den holden Inhalt
kaum noch bergenden Schatzkästlein der deutschen Nation. »Das Schatzkäst
lein« hießen die Sonntags-Mai ineeii, in drin u dri Ilm hsrundfunk noch bis tief in den Krieg hinein dir lyrisi In < h r.i im .11
tsernte mit Kammermusik umgab. Seelenqualm, Weihestunden und »das klassische Erbe« wirkten als proliiitc. Mittel gegen
Ernüchterung. Der nationale Rausch heroisierte den mechanisierten Vernichtungskrieg zum ((plrrgang, Schicksalskampf und
Heldenmarsch.

Hermann Giesler: NS-Ordensburg, 1937, Sonthofen

Pläne, Modelle zur Umgestaltung ganzer Großstadt kerne inoffiziell »Prachtplanung« genannt - wurden nicht nur Iii: Kerlin und
nicht nur durch Speer entwickelt. Mit Planungen für Neubau ten in München, Augsburg, Weimar und Linz wurde Speers Rivale
Hermann Giesler beauftragt, der an seinem Wohnsitz Sonthofen die Ordensburg für die Politischen Leiter der NSDAP (Bauherr war
die Deutsche Arbeitsfront) errichtete und am Chiemsee auf einem großen Areal die in mehrere riesige Komplexe gestaffel-
Hermann Giesler: Modell für den »Platz Adolf Hitlers« in Weimar, 1937. (m Vordergrund: das Alte Museum

te, gigantisch weitläufige und hoch aufragende Hohe Schule der NSDAP vorbereitete. Andere Schulungsstätten plante und
baute schon in den ersten Jahren des NS-Reiches der aus Köln stammende, nach München gezogene Architekt Clemens
Klotz; er wollte 1934 auf dem Kölner Messegelände ein 370 m langes und 150 m tiefes Nationalhaus der Deutschen Arbeit
bauen - nun konnte er die Ordensburgeri Vogelsang in der Eifel und Krössinsee errichten. Einzelbauwerke für München
wurden bereits im Modell auf den beiden Architektur- und Kunsthandwerk-Ausstellungen von 1938 und 1939 vorgestellt:
ein Neues Odeon, entworfen von Ernst Ilaiger; eine ungeheuerliche Oper für rund 5000 Besucher von Woldemar
Brinkmann, der ebenso wie Troost als Schiffsarchitekt tätig war; der ausgeführte Neubau für die Landesministerien, ent-
worfen vom Innenministerium; Oswald Biebers im ersten Bauteil an der Ludwigstraße 1939 fertiggestelltes Haus des Rechts
(von Bieber stammt auch der Ausstellungspavillon im Alten Botanischen Garten). Die Flughafengebäude in München-Riem
baute Ernst Sagebiel, der in Berlin die Flughafengebäude in Tempelhof und das Reichsluftfahrtministerium im Bereich
Wilhelm-, Prinz-Albrecht-, Leipziger Straße schuf. Das Luftgaukommando an der Münchner Prinzregentenstraße und
einen Erweiterungsbau des Bayeri-
Oswald Bieber: Haus des Rechts am Siegestor in der Ludwigstraße, 1939, München

sehen Nationalmuseums entwarf German Bestelmeyer, der in München 1906-10 die rückwärtige Erweiterung der Universität
mit der Mittelhalle, 1913 die Arminia-Versicherung und seit 1922 eine Erweiterung der Technischen Hochschule geschaffen
hatte, in Nürnberg seit 1917 einen Teil des Gennanischen Nationalmuseums und in Berlin 1921 das Haus der
Reichsschuldenverwaltung.
Bestelmeyers wuchtiger Traditionalismus, der dem Romanischen stärker verpflichtet war als dem Klassischen, eignete
sich für trutzige Bauten, die zugleich bodenständig wirken sollten. Wie Troost, Bieber, Haiger und Eugen Hönig, der bis
1936 der erste Präsident der Reichskammer der Bildenden Künste war, gehörte Bestelmeyer, der die Münchner
Kunstakademie seit 1924 leitete, zur älteren Generation der Münchner Architektenschaft, die noch aus der Ära von Lenbach
und Seidl kam. Hönig, der zusammen mit Karl Söldner schon vor 1914 durch den Bau altertümelnder Geschäfts häuser in der
Münchner Innenstadt hervorgetreten war, verkündete als Reichskammer-Präsident in seiner Rundfunkrede vom 20.
Dezember 1933 das neue Zeitalterprogramm, nachdem er einen Monat zuvor in einer Erklärung der neugegründeten
Reichskammer »die Baukunst als Mutter der Bildenden Künste« bezeichnet hatte. Die Baukunst habe die gerissenen Fäden
der Tradition, »der

Rrnst Sagebiel: Reichsluftfahrtministerium, 1937, Berlin

alten einfachen und sympathischen Stilformen«, schon vor Jahrzehnten wiederaufgenommen, »die Malerei ist auf
ähnlichem Wege gefolgt, und in der Neuromantik erleben wir den Anschluß an eine der besten Zeiten malerischer
Kultur«*. Machtergreifung bedeutet eindeutig Traditionalismus: »Die künstlerische Zielrichtung im neuen Reich muß
sein, die verlorengegangenen oder stark vernachlässigten Bindungen wieder zurückzugewinnen«*.
Der Generationenkonflikt konnte sich nun der politischen Mittel bedienen. Entschieden wurde er von der älteren
Architektengeneration zu ihren eigenen Gunsten. Man konnte das eine »Wiederaufnahme« althergebrachter Stilformen
nennen, konnte »endgültig mit den Sünden liberalistischer Freiheit auf dem Gebiet des Bauwesens« aufräumen, man
wollte »die weitere Verschandelung deutschen Landes und deutscher Städte« verhindern und überwachte fortan »die
Einhaltung der Richtlinien deutscher Kultur und Baugesinnung und die Einordnung der Bauten in das Bild ihrer
Umgebung« - durchdrungen von »deutscher Baugesinnung und dem Verantwortungsgefühl für die gemeinsame Arbeit«*.
In München, der »Kunststadt des Reiches« nach dem Willen des Führers, kam es im Gegensatz zu Berlin, wo Albert Speer
wirkte, zu keiner bemerkenswerten Aktivität jüngerer NS-Architekten.Sie konnten alle auf ihre Traditionsbauwerke
verweisen: Bieber bediente sich bei seinem Gebäude der Münchner RückVersicherungsgesellschaft von 1912 klassizistischer
und barocker Mittel; Haiger hatte im Villen- und Schloßbau ebenfalls Formen romanti scher Reminiszenzen gepflegt.
Innerhalb der Berlin-Planung Speers sollte Bestelmeyer an einem 1100m langen künstlichen See beim vorgesehenen
nördlichen Zentralbalmhof das fast joo m lange neue Berliner Rathaus bauen. Auch die Pläne zu einem neuen
Oberkommando der Kriegsmarine - ebenso wie für das Polizeipräsidien an den Flanken des Rathauses - waren bei
Kriegsbeginn schon fertig. Das Marine-Kommando plante der rehabilitierte Stuttgarter Professor Paul Bonatz, den Gerdy
Troost wegen seiner Ablehnung des umgestalteten Münchner Königsplatzes auf den Bau von Autobahnbrücken hatte
abdrängen können. Zum Münchner Architektenkreis, dessen jüngere und mittlere Jahrgänge sich vor den Zwanziger Jahren
noch nicht hatten zeigen können, gehörte auch Roderich Fick; er wurde von Hitler zum leitenden Architekten seiner
Bauten auf dem Obersalzberg bei Berchtes-

Roderich Fick: Berghof auf dem Obersalzberg bei Berchtesgaden


Halle im Berghof, Schrank mit Knöpfen in Form von Köpfen (von Göring, Goebbels, Himmler, Heß und Frick)

gaden berufen, wo der Führer des Reiches sich seit 1935 den Berghof als hochgelegene Filial-Residenz und das Teehaus auf
dem benachbarten, knapp 2000 m hohen Kehlstein - »Adlerhorst« genannt - als privates Refugium errichten ließ.
Auch hier mußten es Superlative sein: das größte versenkbare Fenster der Welt; eine riesige massive Platte aus dem
rötlichen Marmor des Untersberges, auf den man blickte; das hochgelegene Teehaus in der Form einer »gedrungenen,
massiven, frühzeitlichen Steinfestung« - erreichbar nur auf einer eigens in den Fels gesprengten Straße und mit einem
Aufzug im Innern des Berges »in einem Rekordtempo«*. Ein weiteres Teehaus befand sich im Nahbereich des Berghofs,
»von Roderich Fick in edlen Proportionen klassischer Provenienz entworfen, die der bayerischen Architek tur seit
Jahrhunderten in ihren überzeugenden Beispielen ein geradezu unverwechselbares nationales Gepräge verleiht«*.
Martin Bormann, Reichsleiter, »Sekretär des Führers« und seit 1941 »Leiter der Parteikanzlei«, gelernter Landwirt und kinderrei -
cher Vater, hatte sich am Obersalzberg von Fich einen Gutshof errichten lassen. Speer hatte von Bormann zunächst ein Holzhaus
zugewiesen bekommen. 1938 konnte er sich nach eigenem Entwurf »auf Kosten des Stiftungsetats Bormanns« in der Nähe des
Berghofs ein Atelierhaus bauen. »Hielt sich Hitler auf dem Obersalzberg auf, war Speer ebenfalls anwesend, um in ständigem Kon-
takt mit ihm die gewaltigen Bauaufgaben - Hitlers Passion - auf den letzten Stand zu bringen«*.
Der Obersalzberg-Baumeister Fick war auch dazu ausersehen, Teile der Donaustadt Linz umzugestalten. Die Hauptstadt des
oberösterreichischen »Heimatgaus des Führers« sollte auf Hitlers Geheiß zu einem »europäischen Kunstzentrum« werden. Vorge -
sehen waren die größte und umfassendste Gemälde- und Kunstgalerie Europas, Theater für Oper, Operette und Schauspiel, ein
Uraufführungskino, die Brucknerhalle, ein Variété und eine Bibliothek mit den Zimelien ganz Europas, gruppiert um das Opernhaus
und aufgereiht an einer Prachtstraße, deren entgegengesetzten Abschluß ein neuer Bahnhof bilden sollte. Diese Pläne wurden nach
der »Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich« (Gesetz vom 13. März 1938), erst recht aber nach Kriegsbeginn
weitergetrieben und noch 1944 in vorläufig endgültige Gestalt gebracht*. Speer sollte die Gemäldegalerie und oberhalb der Stadt das
Stadion bauen - Hitlers vorgesehenem Alterssitz benachbart*. Während des Krieges ergab sich durch die gewaltsame Besetzung
Europas und die Vertreibung rassisch sowie politisch mißliebiger Sammler die Möglichkeit von Kunstkäufen und Beschlagnahmun-
gen, von Tauschaktionen und Verlagerungen in riesigem Ausmaß. Unter Leitung der Dresdner Galeriedirektoren Hans Posse 1939-
1942 und Hermann Voss 1943-45 wurde von Kunsthistorikern, Händlern, Agenten, Archivaren und Museumsdirektoren eine gi -
gantische Kunstbeschaffung als »Führerauftrag Linz« betrieben*. Die Beauftragten dieser Aktion waren vorwiegend als Aufkäufer
tätig. Bis März 1941 konnte Posse bereits 8,5 Millionen Reichsmark ausgeben; bei den Banken wurden die Gelder als »Dank-
spendenstiftung« unter dem Titel »Sonderfonds R. u. L.« geführt. Die Millionen schienen unaufhörlich zu fließen. Voss soll 1943-
44 für Linz rund 3000 Gemälde für zusammen 150 Millionen RM gekauft haben, darunter Vermeers Bild Der Maler im Atelier aus
der Sammlung des Grafen Czernin für 1,65 Millionen RM*.
Hitlers großartige Linz-Pläne werden häufig auf seine Italienreise vom Anfang des Jahres 1938 zurückgeführt. Der Ursprung ist
jedoch viel weiter zurückzudatieren: Hitler wollte die österreichischen Provinzen durch die Förderung von Museen, Theatern,
Orchestern und Ausstellungen kulturell aufwerten, Wien entthronen und dabei vor allem Linz stärken*. Er selbst zeichnete den
Grundriß eines Deutschen Nationalmuseums bereits 1925*. Es gab darin fünf Räume für Werke von Menzel, jeweils drei für
Schwind und Böcklin, zwei für Feuerbach, jeweils einen Raum gemeinsam für Genelli und Führich, Piloty und Makart, Defregger
und Grützner, Uhde und Trübner, jeweils einen für die Nazarener, für Leibl und Hans von Marées. Bei seinem Entwurf von 1925
dachte Hitler noch an eine Galerie für deutsche Malerei des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts, die ihm persönlich unterstehen
sollte.
Außer Spitzweg, Feuerbach und Lenbach schätzte er selbst - der Antialkoholiker und Vegetarier - ausgerechnet den Maler
dickleibiger, pokulierender Klosterbrüder und Kellerzecher, den Piloty- Schüler und historisierenden Genrespezialisten Eduard
von Grützner, einen der auch heute wieder höchstbezahlten Bilderproduzenten der deutschen Gründerzeit und ihrer Ausläufer*.
Er hielt Grützner für unterschätzt und sagte zu seinem Bilder-Beschaffer Heinrich Hoffmann, dessen Grützner-Neigungen schon
vom Äußeren her viel leichter zu erklären waren: »Glauben Sie mir, dieser Grützner wird einmal so viel wert sein wie ein
Rembrandt. Rembrandt hätte das auch nicht besser malen können«*. In seiner Münchner Wohnung besaß Hitler schließlich selbst
mehrere Grützners - wiederum ein Zeichen seiner im Grunde rückwärtsgewandten, schizoiden Neigung zum Uneigentlichen, zu
Pose und Imitation, zu Kulisse und Kostüm, Maske und Humoreske, zu Männer-Allotria und zu komischen Aufzügen. Das
Gründerzeit- Bürgertum hatte diese teilweise prunkvollen Neigungen zum Lebensstil gemacht. Der Historienmaler Karl von Piloty
und seine Münchner Schule - darunter Makart, Lenbach, Grützner, Max, Defregger, zum Teil auch Leibi - sorgten für weite
Verbreitung. Das großbürgerliche Gehabe dieser »Malerfürsten« entsprach dem ihrer Kunden. Ähnliche Künstlerideale wurden in
derNS-Zeit neubelebt. Noch heute fühlt man sich an diese Entsprechungen erinnert, wenn man die pompösen Behausungen der
überlebenden Größen der NS-Kunstära besucht: Ob Breker, Peiner oder Padua - sie sind sicher nicht die einzigen Makarts der
Moderne, die ihrer Klientel das gewohnte Milieu eines Fabrikdirektors oder Bankiers zu bieten vermögen. Hier jedoch ist die
Abfolge von Anspruch und Allüre, von Pose und Geschicklichkeit nicht unterbrochen, hier sieht es heute so aus wie gestern schon
und vorgestern. Hier scheinen die Fundamente und Relationen gesichert zu sein, hier gibt es keine Zweifel über Form und Aussage.
Alles ist Bollwerk und Burg gegen Brandung und Gegenwart, ist Imponiergehabe und Imitation. Die Salonwelt hat ihre steten
Regeln. Hitlers Megalomanie erzeugte Hochgefühle, die den »Arbeiter der Stirn und der Faust« den Atem der Weltgeschichte
spüren ließen. Auf dem Reichsparteitag von 1937 rief er in einer seiner Kulturreden den Massen zu: »Weil wir an die Ewigkeit dieses
Reiches - soweit wir in menschlichen Maßen rechnen können - glauben, sollen auch diese Werke ewige sein, das heißt, sie sollen
nicht nur in der Größe ihrer Konzeption, sondern auch in der Klarheit ihrer Grundrisse, in der Harmonie ihrer Verhältnisse ewigen
Anforderungen genügen. . . . Diese gewaltigen Werke werden aber zugleich auch die erhabenste Rechtfertigung darstellen für die
politische Stärke der deutschen Nation«*. Rauschning erinnerte 1939 an ein Gespräch mit Hitler, wonach der monströse Anspruch
sich gegen die Zumutung wandte, weniger Theater und Parteipaläste zu bauen, sondern statt dessen Nutzbauten und
Kleinsiedlungen für Arbeiter zu errichten: »Seit den mittelalterlichen Domen sind wir es, die erstmalig wieder dem Künstler große,
kühne Aufgaben stellen. Keine Heimstätten, keine kleinen Privatbauten, sondern das Gewaltigste, was es seit den Riesenbauten
Ägyptens und Babylons gegeben hat. Wir schaffen die heiligen Bauten und Wahrzeichen einer neuen Hochkultur. Mit ihnen
mußte ich beginnen. Mit ihnen präge ich meinem Volk und meiner Zeit den unverwischbaren geistigen Stempel auf«*.
Hitler stand damit keineswegs allein. In Moskau und in Washington, in London und in Rom errichtete und plante man ähnlich
gigantisch, antikisch, klotzig und ewigkeitlich Repräsenta- tions- und Regierungsbauten. Man denke an das Pariser Troca- dero,
das für die Weltausstellung von 1937 auf den dreifachen Rauminhalt vergrößert wurde, oder auch an die Moskauer Lomonossow-
Universität. Speers Pariser Ausstellungsbauten von 1937 - mit dem 65 m hohen, durch Werksteine verkleideten Stahlturm
Speer: Das

Deutsche Haus auf der Weltausstellung 1937 in Paris. Skulpturen von IHfl| Josef Thorak
Josef Thorak »Kameradschaft« für das
Deutsche Haus auf der
Weltausstellung 1937 in Paris (HDK 1937)

als deutsches Zeichen an der französischen Seine, davor Thoraks Muskelpakete der germanischen Kameradschaft auf hohen Stein-
sockeln und dahinter die langgestreckte antikisierende Pfeilerhalle - fanden als »Sinnbild des neuen deutschen Lebensgefühls«
durchaus Beifall.
Offiziell wurde von Germanentum geredet, aber intern sagte Hitler immer wieder, daß die Kultur vom Mittelmeer, nicht vom
Norden käme: »Wenn man uns nach unseren Vorfahren fragt, müssen wir immer wieder auf die Griechen hinweisen«*. Gern sah er
sich als neuzeitlichen Perikles*, wegen seiner erzieherischen und rassischen Praxis war Sparta ihm lieber*.
Der Bericht Brekers, daß Stalin ihn zu verpflichten versuchte, überrascht wenig. Als Molotow, der sowjetrussische Außenmini -
ster, im November 1940 nach Berlin kam, um den im August 1939 abgeschlossenen Nichtangriffspakt mit dem Deutschen Reich ab-
zusichern, hatte er auch Breker eine Botschaft zu übermitteln. Der
Künstler erinnerte sich an des Ministers Worte: »Ihre Arbeiten haben uns sehr beeindruckt. Wir haben in Moskau große Bauten, in
denen gewaltige Rohblöcke vermauert sind, die auf Gestaltung warten. Stalin ist ein großer Verehrer Ihrer Kunst. Ihr Stil wird auch
das russische Volk begeistern und von ihm verstanden werden. Uns fehlen Bildhauer Ihrer Bedeutung«*.
Der in Frankreich geschulte Breker berichtet andererseits, daß Hitler mit der Brutalarchitektur des NS-Staates gar nicht zufrie-
den war, vielmehr bei einer Besprechung mit dem für München und Weimar zuständigen Hermann Giesler im Februar 1940 ge-
klagt habe: »Fast in allen Architekturen, die mir bisher vorgelegt wurden, überwiegt das allzu Massige, allzu Schwere, was uns
übrigens die Kritik des Auslandes immer wieder vorwirft. Warum sollen wir uns nicht mit der Gestaltung der Grazie, der Verfeine -
rung des architektonischen Maßstabes auseinandersetzen können?«* Hitler habe, als er mit Speer, Giesler und Breker am 23. Juni
1940, dem Tag nach Abschluß des deutsch-französischen Waffenstillstandes, zum ersten Mal in seinem Leben Paris besichtigte,
mehrfach geäußert, daß »die Pläne über die Neugestaltung unserer wichtigsten Städte« einer nochmaligen Prüfung zu unterziehen
seien. Am 24. Juni 1940 erklärte Hitler das Ergebnis seiner überraschenden Paris-Visite bereits zum Befehl: »Ich habe angeordnet,
daß sämtliche Pläne der Neugestaltung unserer Städte zu überprüfen sind. Unsere Architektur ist zu schwerfällig, zu grob, sie
kennt nicht das Spiel der Variationen auch in den Details, das eine Bereicherung des Themas bedeutet«*. Hitler habe bedauert, nie
in Paris studiert zu haben, weil ihn das Schicksal in die Politik gedrängt habe: »Denn meine Ambitionen vor dem Ersten Welt krieg
galten nur der Kunst«*. Auch wenn dies zur Selbststilisierung Hitlers gehörte, gegen seinen Willen Politiker geworden zu sein,
eigentlich aber Künstler und nun »Baumeister des Reiches« zu sein* - er zeichnete immerhin 1925 in sein Skizzenbuch bereits das,
was er einst zu bauen gedachte, darunter den ungeheuren Triumphbogen, den Speer mit einigen veränderten Details später in die
Neuplanung Berlins miteinbezog. Breker betonte, daß der Pariser Are de Triomphe in der Öffnung des Berliner Großen Bogens
leicht Platz gefunden hätte. »Die Ausführung dieses Bau-
Adolf Hitler: Entwurf zu einem Triumphbogen, 1925
HH

werks lag in den Händen von Albert Speer. Sie hielt sich genau an die mit größter Sorgfalt ausgeführte Zeichnung Adolf Hitlers.
Ein etwa zehn Meter hoher, umlaufender Figurenfries, die einzige figürliche Dekoration, war mir bereits übertragen, und ein
Drittel der Arbeit in halber Größe in Gips stand für die Ausführung in Granit fertig da«*. Joachim Fest, der Teile dieses
Skizzenbuchs aus Speers Besitz 1973 zum ersten Mal veröffentlichte, urteilte über die Entwürfe von 1925: »Wie unberührt von
den fatalen Geschehnissen um ihn herum zeichnete er zu jener Zeit in seinem Skizzenbuch oder auf kleine Briefkarten
antikisierende Repräsentationsbauten, Triumphbögen, pompöse Kuppelhallen: eine Theaterkulisse von erhaben gebändigter
Leere, die seinen ungebrochenen Weltherrschaftsplänen und seiner Jahrhunderterwartung, allem Scheitern und aller
Kläglichkeit seiner derzeitigen Umstände zum Trotz, anmaßend Ausdruck gab«*. Auch ein Bühnenbild zu
Berlin - in der Wandlung zu »Germania«
Arno Breker »Die Partei«, 193 9

Richard Wagners Oper »Tristan und Isolde«, die er schon in jungen Jahren überaus oft gesehen hatte, sowie Tanks und Schlacht -
schiffe entwarf Hitler in dieser Zeit. Auch in späteren Jahren, als unumschränkter Herrscher des Reiches, spielte er gern den Bau -
meister, zeigte sich sachverständig, zeichnete die Totale und Details, Säulen und Bögen, unprofilierte Gesimse und Steinum-
rahmungen. Speer erinnerte sich: »Als ich bemerkte, daß ihn mangelnde Phantasie in seinen Skizzen nicht ausdrücken ließ, wovon
er in Worten schwärmte, und als er meine >Neue Reichskanzlei* wegen ihres relativen Reichtums über alle Maßen schön fand, ver -
suchte ich, die große Triumphstraße, die der Mittelpunkt der Welthauptstadt Berlin werden sollte, abwechslungsreich zu ge stalten,
etwa wie ein im Laufe der Jahrhunderte gewachsenes Stadtbild. Es war ein Durcheinander von Stilen«*.
Es fällt schwer, sich diesen Verlust an Wert- und Maßgefühl und diesen übersteigerten Geltungsdrang als steinerne
Realitätdes 20. Jahrhunderts vorzustellen. Alle Kostenfragen wurden beiseite geschoben, wenn es darum ging, für die
nächsten Jahrtausende die dauerhaften Monumente zu errichten.
Später bemerkte Speer sehr skeptisch: »Der von mir konzipierte Führerpalast war eine Abwandlung pompejanischer
Ideen zweigeschossiger Säulenhallen mit empirehaften Zugaben aus Gold und Bronze; gleichzeitig entwarf ich für
Göring ein Reichsmarschallamt, bei dem mir der Aufbau des florentinischen Palazzo Pitti vorschwebte, mit
ausschweifenden barocken Treppenanlagen im Inneren. Die Gruft für die Feldmarschälle war eine Art Nibelun -
genarchitektur, und beispielsweise das geplante Rathaus mit granitenen Türmen erweckte Erinnerungen an
spätmittelalterliche
Albert Speer: Ehrenhof der Neuen Reichskanzlei, 1938-39, Berlin. Skulpturen von Arno Breker: links »Die Partei«, 1939; rechts »Die Wehrmacht«, 1939
Arno Breker »Wächter«
für den Triumphbogen in Berlin (HDK 1940)

Stadtbilder. Aber, wenn ich es heute überdenke, diese Absicht gelang mir nicht: Eintönigkeit und Leere blieben trotz mancher guter
Details vorherrschend. Ungewollte Leere des Ausdrucks. Nichts hätte Hitlers und mein Berlin mit der Strenge und Schmuck-
losigkeit jenes preußischen Klassizismus zu tun gehabt, der nur aus den Proportionen lebte. Wenn ich es bedenke: er hat mich weit
von meinen Anfängen und Idealen weggebracht«*. Speer ließ es sich gefallen, daß der oberste Baumeister des Reiches ihm in seine
Pläne hineinkorrigierte, Änderungen und Ergänzungen anbrachte - als ob in der Person Speers nun das hervordringe, was Hitler
selbst verwehrt geblieben war: Künstler zu sein, Gestalter, Baumeister wie keiner zuvor. Dieses Stellvertreter-Leben, diese über-
dimensionierte Ersatzfunktion erfüllte Speer mit einer überaus tätigen Treuehaltung.

Breker, der zu Speers Bauten die Muskelmänner-Skulpturen lieferte, bedankte sich mit einem Beitrag »Zum Bau der Neuen
Reichskanzlei« 1939: »Ein machtvoller Anfang, ein großer Maßstab, ein überwältigendes Resultat beweist, daß sich der besessene
Wille, das nationalsozialistische Deutschland in arteigenen Kulturschöpfungen zu verewigen, in grandioser Weise realisiert. Mit
elementarer Wucht entwickelt sich der Weg von der Vorstellung zur Form. Die Ereignisse brechen sich mit der Vehemenz eines
wolkenlos strahlenden Sonnenaufgangs Bahn. Das Bauwerk ist nicht nur der Rahmen der Repräsentation und der gestalteten
Geschichte des Dritten Reiches, sondern ist schlechthin ein Symbol unserer politischen und weltanschaulichen Situation«*.
Breker selbst hatte zum Bauwerk die Bildwerke geschaffen. Auf die Sockel neben den vier Säulen des Westportals im Ehrenhof der
Neuen Reichskanzlei plazierte er seine 3 m hohen Bronze- Recken Die Partei mit Fackel und Die Wehnnacht mit Schwert. Den
Parteimenschen wollte er als Mann des Geistes aufgefaßt wissen: »Meinem Drang folgend, breitesten Schichten verständlich

Arno Breker » Kameradschaft« für den Triumphbogen in Berlin (HDK 1940)


Albert Speer: Runder Saal in der Neuen Reichskanzlei, 1938-39, Berlin. Relief »Kämpfer« von Arno Breker

zu bleiben, dennoch symbolhaft eine höhere, dem Räume angemessene Sphäre anzudeuten, wählte ich als Vorwurf meiner Arbeit
die Säulen, auf denen jeder Staat ruht: den Mann des Geistes - durch die Fackel dargestellt - und als Verteidiger des Reiches den
Mann mit dem Schwert«*. Für den Runden Saal der Reichskanzlei hatte Breker dann noch fünf jeweils 2,10 m hohe Figuren zu lie-
fern, außerdem zwei Marmorreliefs, die über den hohen Türen zur Marmorgalerie angebracht wurden - einen weiblichen Genius
mit
Albert Speer: Runder Saal in der Neuen Reichskanzlei, 94 "938-39, Berlin. Relief »Genius« von Arno Breker ^
Arno Breker »Wäger (Denker)« Arno Breker »Wager« für den Runden Saal der Neuen Reichskanzlei in Berlin (HDK 1939)

Hoheitszeichen und einen Kämpfer mit Schwert, beide in ausgreifender Bewegung, weitem Schritt mit Rückwärtsblick,
umflattert vom harten Schnitt der Gewandfalten, muskulös und antikisch. Zwei patinierte Gipsmodelle für die Bronze-Athleten
im Runden Saal zeigte Breker in der Großen Deutschen Kunstausstellung von 1939, einen Wäger und einen Wager. Brekers
körperliches Vorbild war damals meist »Deutschlands hervorragender Zehnkämpfer Gustav Stührk, zu der Zeit bestaussehender
Sportler - eine Einheit körperlicher Kraft von Kopf bis Fuß«*. Die beiden großen bronzenen Pferde für den Mittelbau der
Gartenseite lieferte Tho- rak. Josef Thorak war Professor an der Münchner Akademie; er
Albert Speer: Die Neue Reichskanzlei, 1938-39, Berlin.
Bronzepferd von Josef Thorak
arbeitete seit 1938 in Baldham bei München in seinem etwa 20 m hohen, von Speer entworfenen Staatsatelier an seinen
bis zu 17 m hohen Modellen für die Ungetüm-Formate des Nürnberger Märzfeldes (Pferde, eine Siegesgöttin, wehrhafte
Akte) und an seinem Denkmal der Arbeit für einen Platz an der Autobahn München- Salzburg. In mehr als sechsfacher
Lebensgröße (auch das Ateliermodell war mit einem Drittel der endgültigen Höhe schon gewaltig genug) quälten sich
mehrere Titanen auf der ansteigenden Ebene dieses Autobahn-Monuments mit einem kaum zu bewegenden
Steinbrocken, der von einem der Mitwirkenden von unten her abgestützt wurde*.
Als Kurt Lothar Tank zur Vorbereitung seines Buches »Deutsche Plastik unserer Zeit«, das mit einem Vorwort Albert
Speers

i942 erschien, den Bildhauer im Baldhamer Staatsatelier besuchte, arbeitete Thorak an einer Steigerung seines Motivs
Hingebimg, den stehenden Zwei Menschen. Tank befand: »Band bei Rodin lediglich die Sinnlichkeit die Gestalten
aneinander, so ist bei Thorak eine andere Empfindung vorherrschend: die Arme des Weibes umfassen mit unendlich
zärtlicher Bewegung den Kopf des Mannes, und obgleich sich die Körper nicht nur berühren, sondern in einer fast barocken
Linienführung fast umschlingen, ist doch nichts Verschwommenes in ihnen. Der Kopf des Mannes ist liebe voll geneigt,
dabei ernst und wie von Gedanken an Taten erfüllt, die noch zu verrichten sind. Aus keiner Bewegung spricht der Wunsch
wollüstigen Genießens, es geht etwas eigentümlich Keusches von der Gruppe aus, obgleich nichts gewollt Verhaltenes
Josef Thorak: Entwurf zu einem Autobahn-Denkmal an der Strecke München-Salzburg, um 1941 (in Drittelgröße des geplanten Originals)

vorhanden ist. Zugleich aber liegt Glück, die Erfüllung eines Lebenstraumes über dem Ganzen«*.

Josef Thorak: Brunnen mit »Urteil des Paris« - ohne Paris! (komplett: HDK 1941)
Fast barock, aber nicht wollüstig; zärtlich, doch voller Tatendrang; liebevoll und keusch - so etwa hatte man sich das Ideal des
neuen Menschenpaares vorzustellen. Schließlich war es höchstens keusch in seiner hehren Sehnsucht. Der Mann neigt sich dem
Weibe zu, doch gleichzeitig denkt er an Künftiges, an die Volksgemeinschaft, an die große Aufgabe. Zusammen mit den Zwei Men-
schen war 1941 im Haus der Deutschen Kunst auch Thoraks vier- figurige Brunnenanlage Urteil des Paris aufgebaut - eine wiederum
sehr keusche Szene sehnsuchtsvollen Erwachens mit drei in Gebärde und Haltung fast symmetrisch komponierten, typologisch
unterschiedslosen Wahlvorschlägen weiblicher Idealschönheit, deren fader Salonklassizismus vom lobrednerisch bemühten
Chronisten Tank rundum adoriert wird: »Wie zwanglos lassen sich die drei harmonisch schönen Frauengestalten, die ihren ganzen
Reiz und Formenzauber erst beim Betrachten von allen Seiten entfalten, am Rand eines Wasserbeckens aufbauen! Wie fern von abgeblaß -
tem Akademieklassizismus ist Thoraks Paris, ein bäuerlicher Hirte, breit auf seinen Stab gestützt und die drei Grazien ruhig und ero tisch
unerregt abschätzend wie gut gewachsene Tiere, Gottesgeschöpfe seiner Herde«*. Der Stab ist das einzige, was diesen Sok- kel-Athleten,
den kein rüdes Begehren heimsucht, als Hirtendarsteller ausweist. Die Autobahngiganten sah Tank 1941-42 nur im Modell, doch die
Sinngebung war schon klar: »Wir sind während des Krieges in dem Zustand, wie ihn Thoraks Monument der Arbeit zeigt. Aber der Sieg liegt
schon in der Sicherheit des An- packens, in der freiwilligen und frohen Gestaltung des deutschen Schicksals«*. Tank sprach mit Thorak »zu
Beginn von den ungebauten Bauten, den unausgeführten Bildhauerarbeiten und der Tragödie eines durch die Zeit gehemmten
Kunstschaffens. . . . Und doch gibt uns - über diese immer vorhandene Grenze alles menschlichen Mühens hinaus - der Besuch in Baldham
die Gewißheit, daß ein großer Teil der Werke, die heute geschaffen werden, Zeugnis ablegen nicht nur für die Größe des Planes, sondern
auch für die Größe des Vollbringens in unserer Zeit«*.
Tank bewunderte die Energie und Schaffensreichweite des in Baldham gesteigert tätigen Salzburgers: »Der neue deutsche Mensch, der
Kämpfer, den Thorak darstellt, löst sich aus einer mächtigen seelischen Bewegung. Darum sind die großen Maße für Thorak keine Gefahr.
Man muß sie sich der neuen Staatsarchitektur eingepaßt denken. Der Sinn, den sie im Ganzen der Bauten erfüllen, wird sich dem Gefühl
und dem Bewußtsein des deutschen Volkes in seiner Tiefe erst später erschließen«*.
In Hans Liskas Tuschzeichnung des Baldhamer Thorak-Ateliers werden die Dimensionen sichtbar: An den bis 17 m aufsteigenden
Gestalten eines Mannes, einer Frau und eines Pferdes arbeiten die kleinen Menschen auf Gittergerüsten und Hebebühnen an der Spitze von
Feuerwehrleitern; die Höhe einer lebenden Figur entspricht ungefähr dem Durchmesser eines Figurenarmes, ein lebendes Pferd würde dem
aufgebockten Märzfeld-Roß etwa bis in Fesselgelenkhöhe reichen. Dazu tat Tank kund: »Im Schatten der riesigen Pferde versinkt das
Gipsmodelldes Autobahnmonuments ein wenig. Wir rücken es ins Licht und nun da die Märzsonne über die den Stein wälzende
Männergruppe fällt ist es mir, als erfülle sich in diesem Werk der Sinn unserer Zeil. Wenn man als den Inbegriff deutschen
Menschentums die Arbeit, die den Menschen heiligende und ins Übermenschliche erhebende Arbeil ansieht, so ist dieser Begriff
der Arbeit für mein Gefühl bisher von keinem deutschen Bildhauer mit der gleichen Stärke dargestellt worden. . . . Daß fünf
Menschen einen riesigen rohbehauenen Stein mit Anspannung aller Kräfte emporschieben, ist nicht das Entscheidende, sondern:
diese Männer gehören zusammen, es sind nicht fünf einzelne Gestalten, nicht fünf in der Masse des Blocks versinkende Sklaven. Es
sind in der Arbeit geeinte Menschen, und was sie schaffen, geht über Menschenkräfte. Nur diese Gruppe der fünf um den Sinn der
Arbeit wissenden Männer kann das schwierige Werk zwingen. Nicht die Maschine kann hier helfen, und ein sechster Mann fände
keinen Platz zum Anpacken. Diese Fünf allein können das Werk verrichten. Sie tun es für ihr Volk«*.
Aufgabe der Kunst war, von der Tagesaktualität und von der erlebten Wirklichkeit wegzuführen in ein Übersinnliches, Uber -
menschliches, das als Steigerung des Menschlichen die Zielvorstellung zu verkünden hatte. Sinnliche Liebe durfte den Mann nicht
daran hindern, seinen Tatendrang dem großen Ganzen zu widmen. Das Begehren durfte das Weib nicht übermannen, bis es vom
Manne erwählt war, wobei Liebe unter Zurückstellung weiter reichenden und womöglich ausufernden Triebverlangens
(zurückzustellen zumindest bis zum Endsieg) vorwiegend der Erzeugung und Aufzucht von Nachkommenschaft zu dienen hatte,
deren Vielzahl um so notwendiger wurde, als der Krieg tiefe Lük- ken riß. Bereits im November 1940 erging ein »Erlaß des Führers
zur Vorbereitung des deutschen Wohnungsbaues nach dem Kriege«, der in Normung und Planung von der Baulandbeschaffung bis
zur Größe des Duschraums (»mit getrenntem Abort 5 qm«) alles genau festlegte und einleitend feststellte: »Der erfolgreiche
Ausgang dieses Krieges wird das Deutsche Reich vor Aufgaben stellen, die es nur durch Steigerung seiner Bevölkerungszahl zu
erfüllen vermag. Es ist daher notwendig, daß durch Geburtenzuwachs die Lücken geschlossen werden, die der Krieg dem Volks-
körper geschlagen hat«*.
Aus Arbeit und Liebe, aus Kampf und Leistung wurde jeweils ein »Mythos«, der die Realität zu überhöhen oder gar zu ersetzen
hatte. Je grausamer und undurchsichtiger die Gegenwartswirklichkeit wurde, desto intensiver drängte der staatsoffizielle Ver-
drängungstrieb nach Diesseitsverklärung, Heldenverehrung und Gemütsveredelung. Den zumeist dickbäuchigen Parvenüs der feist
gewordenen Parteihierarchie in ihren stramm sitzenden braunen Uniformen und ihren vorwiegend kleinbürgerlichen Gattinnen
wurden die Idealformen makellosen Körperbaus in Kunstausstellungen, Kunstbüchern und Kunstdrucken »in pausenlosem Ein-
satz« plastisch und gemalt ständig vor Augen gehalten, ohne daß dieses Bild des Uber- und Kraftmenschen wesentliche Ergebnisse
zeitigte. Aus Schrumpfgermanen ließ sich nicht innerhalb einer Generation trotz harten Trainings und rassereiner Zuchtwahl ein
Heer von Recken machen. »Mehr Glaube als Schönheit« witzelte man daher in Anspielung auf den Titel »Glaube und Schönheit«,
den die Elitegruppe der reiferen BDM-Jahrgänge zu tragen hatte. Pallas Athene, hieß es, war blond und blauäugig ...
Breker ließ sich vom Baustop und Fortgang des Krieges nicht beirren, seine architekturgebundenen Großaufträge zu bewältigen.
An der Wiederaufnahme der Bauarbeiten schien er nicht zu zweifeln. Im Sommer 1940 bezog er ein neues Atelier innerhalb eines
frisch erworbenen Anwesens in Jäckelsbruch im Oderbruch, etwa 70 km ostnordöstlich von Berlin, wo er im übrigen eine Bild-
hauerklasse leitete; einer seiner Schüler und Mitarbeiter war Bernhard Heiliger. Als Brekers Berliner Werkstätten durch Bomben
óeschadigt wurden, verlegte er den größeren Teil seiner Tätigkeit nach Jäckelsbruch und ließ - auf Speers Anregung hin - im 4 km
entfernten Wriezen einen weiteren Werkstättenbetrieb errichten - auf einem Gelände mit Gleisanschluß und einem kleinen Hafen
am angrenzenden Oderlandkanal, mit Steinwerkstatt und Gipsgießerei unter Leitung von Fachkräften aus Paris. Breker berichtet:
»Umfang wie Tempo unserer Aktivität wuchsen so gewaltig, daß wir eine stattliche Anzahl von Bildhauern und Gießgießern unter
den französischen Kriegsgefangenen anwarben, die froh wa- ren, den Stacheldraht hinter sich zu lassen und in Freiheit in der
vertrauten Atmosphäre ihres Handwerks wirken zu können«*. Im kleinen Musikraum von Jäckelsbruch gab es Hausmusik mit erst-
rangigen Solisten wie Wilhelm Kempff, Alfred Cortot, Johannes Bork und noch im schneereichen Kriegswinter 1944-45 mit dem
Quartett des von Wilhelm Furtwängler geleiteten Berliner Philharmonischen Orchesters, das Spätwerke Beethovens spielte und
anschließend »schräge« Musik, die einem wüsten Zechgelage diente; mit Zigeunermusik wurden die Saiten zum Zerfetzen gebracht
für »eine Orgie, die bis zu den frühen Morgenstunden dauerte, . . . ein letztes Aufbäumen der Temperamente, das allerletzte Spiel
vor dem sich abzeichnenden Ende - diese Nacht konnte nur den endgültigen Abschied von allem Liebgewordenen bedeuten«*.
In Jäckelsbruch und Wriezen wurde an der endgültigen Granitform der Plastiken für den großen Berliner Triumphbogen ge-
arbeitet. Die Teilstücke der 400 m langen Reliefreihe trugen Titel wie Bereitschaft, Kameraden, Rächer oder Vergeltung. Tank
berichtete über die Gipsentwürfe, »Einzelbilder aus einem gewaltigen Epos«*.
Die beiden ersten Staatsaufträge erhielt Breker durch Speer erst im November 1938: die Bronzefiguren auf den Treppensockeln
zu beiden Seiten des Haupteingangs im Innenhof der Neuen Reichskanzlei. Hitler war von den Entwürfen so begeistert, daß er
durch Speer auch den Auftrag für den Brunnen auf dem geplanten Runden Platz (von 126 m Durchmesser) erteilen ließ - »eine auf
dem Kontinent wohl einmalige Aufgabe«*. Das Thema war Breker völlig freigestellt; er skizzierte seinen Entwurf auf der Rückfahrt
von Speers Generalbauinspektor-Büro, das sich in der Preußischen Akademie der Künste am Pariser Platz befand, noch im Om-
nibus: »Wie man sagt, ein sogenannter einmaliger Wurf, ich hatte keine andere Wahl. Ich blieb meinem Griechentum treu und
skizzierte das Symbol ewiger Wiederkehr: Apoll mit dem Sonnenwagen«*. Zwischen vier Wassersäulen von 30 m Höhe sollte die
Apoll-Gruppe bis zu 6 m aufragen*.
Bei Breker häuften sich die Aufträge monumentaler Art. »Alle Entwürfe fanden die Billigung Hitlers, weder in formalkünstlerischer
Hinsicht noch in der Wahl der Themata wurde je ein
Hermann Giesler: Modell zur Halle der Volksgemeinschaft in Weimar, 1937

Wunsch an mich herangetragen. Ich arbeitete in souveräner Freiheit«*. Breker hatte sich als Speers Bildhauer für Berlin
freizuhalten; die einzige größere Ausnahme bildete »ein grollender Prometheus, der den Göttern trotzt, ihren Zorn nicht
achtend, um den Menschen das Feuer zu bringen«, für die Halle der Volksgemeinschaft am Platz Adolf Hitlers in dem von
Hermann Giesler geplanten neuen Weimar, wo am 3. Juli 1926 der erste Reichsparteitag stattgefunden hatte und wo sich
bereits 1932 eine rein nationalsozialistische thüringische Landesregierung gebildet hatte. Im Bereich zwischen Museum
und Hofkirche waren um Deutschlands größten Urbanen Aufmarschplatz (für etwa 60 000 Personen) vorgesehen: die 120
m lange und über 65 m breite Volkshalle (für 15000 Personen), Gebäude für die Deutsche Arbeitsfront, den Gauleiter und
Reichsstatthalter sowie für die Parteigliederungen SA, NSKK, RAD, HJ und BDM - mit einem Glockenturm am
Reichsstatthalterhaus. Der Stil entsprach den neo-klassizistischen Berliner Vorbildern Speers: Gesimse und Rahmen in
Naturstein, die Flächen geputzt, Hallenfront und weitere Teile in Werkstein. Auf Wunsch des Führers sollte der ganze
Platz von jeg- lichem Fahrverkehr freibleiben. Mit den Bauarbeiten wurde 1 9 3 7 begonnen*.
Breker bekam Übung in Gipfelleistungen und entwickelte für die Monumentalformate eine vierstufige Phasentechnik, in
der jeder Abschnitt einen voll bearbeiteten Zwischenzustand des Endgültigen zeitigte. »Die Apollogruppe in Originalgröße
stand kurz vor dem Abschluß, die Modelle der Mänaden in sechs verschiedenen Variationen in der Zwischengröße von
einem Meter standen fertig da«*. Der Triumphbogen für die Berliner Nord-Süd-Achse überforderte zunächst die Kapazität
der Breker-Werkstätten: ein Fries um die vier Pfeiler von 10 m Höhe mit 50 Figuren und 18 Pferden; in der 60 m hohen
Bogenöffnung sollten über einem säulenbestückten Eingang bronzene Gewandfiguren von 12 m Höhe plaziert werden; als
Bekrönungen der Vorder- und Rückfront waren 18 m hohe bronzene Pferdegruppen vorgesehen. Breker
Wilhelm Kreis: Modell der Soldatenhalle in Berlin, um 1939. Skulpturen von Arno Breker

Arno Breker »Auszug zum Kampf« für die Soldatenhalle in Berlin, um 1939
schuftete von 1938 bis Ende 1944 fast unentwegt. Er berichtet: »Zehn Figuren waren bei Kriegsende in halber Größe
fertig, das heißt 5 Meter hoch als Modelle für die Steinausführung. Uber die Hälfte der figürlichen Kompositionen
waren im Maßstab 1 : 10 abgeschlossen. In der Originalgröße in Stein durften sechs Reliefs als fertig gelten«*.
Er muß sich dabei als eine Art Über-Phidias* gefühlt haben. Mit wachsendem Auftragsvolumen wurden seine
pathetischen, kämpferischen und kraftmeierischen Einzelfiguren und Reliefszenen immer routinierter, härter und
grimmiger. Für die beiden Flanken des Vorplatzes der Berliner Soldatenhalle von Wilhelm Kreis sollte er 6 m hohe
Sockelgruppen, Roß und Mann liefern, für die Stirnwände der seitlichen Nebenhallen außerdem 6 m hohe und 18 m
lange Reliefs mit dem Thema Auszug der Krieger*.
Die neue NS-Reichshauptstadt Berlin-»Germania« sollte 1950 fertig werden. Begonnen wurde 1939 mit den Abbrucharbeiten für die
Große Halle, den weltgrößten Kuppelbau. Auch das Ausmaß der Materialbeschaffung war gigantisch. Speer erinnerte sich in
Spandau: »Mehrere Werften hatten Aufträge erhalten, Spezialschiffe für den Transport der Granitquader aus Skandinavien aufKiel
zu legen«*. In seinem Reichskanzlei-Stil sah Speer bereits einen Fortschritt gegenüber seinen Nürnberger Bauten, in denen er
assyrische und altägyptische Beispiele zu zitieren suchte. Um sich von seinen zahlreicher werdenden Nachahmern zu
unterscheiden, habe er in Berlin auf Gliederungen, Profile und Ornamentik zurückgegriffen, die vorher verpönt waren*. Speer
meint, daß nur die Aufgabenstellung ideologisch bestimmt gewesen sei, nicht aber der Stil, dessen Urheberschaft er offenbar
seinem frei waltenden eigenen Architekten-Gemüt zuschreiben möchte*. Nur das einschüchternde Ubermaß sei verlangt gewesen,
nicht aber die Art der Verwirklichung. Mit den ungeheuren Dimensionen habe Hit ler bereits für schwächere Nachfolger Vorsorgen
wollen, denen erst die gewaltigen, von Hitler einst zu geschichtlicher Bedeutung erhobenen Architektur-Räume die notwendige
gebieterische Macht verleihen würden. Hitler selbst habe sich nachdrücklich in diesem Sinne geäußert*.
Die gebaute Form selbst hätte dann die Bedeutung der Inhaberschaft von Macht erhalten - unabhängig von der jeweiligen Füh-
rer-Person: ein pharaonisches Prinzip, dem absolutistische Herrschaftsformen auch anderer Kulturkreise huldigen. So sind Regie-
rungspaläste, Schlösser, Burgen, Rathäuser und Parlamentsgebäude allenthalben nicht als Funktionshüllen von Gesetzes- und Ver-
waltungsarbeit errichtet worden, sondern als Ausdruck eines hege- monialen Machtanspruchs. Das Bauwerk stärkt seine Besitzer.
Die Folgerung für Hitler und die Reihe erwarteter Nachfolger kann nur lauten: Je geringer die eigene Autorität verankert und je
weniger sie legitimiert ist, desto gewaltiger muß die architektonische Demonstration erscheinen und desto gewaltiger muß sie kon-
kretisiert werden. Nicht nur das eigene Volk mußte betört werden. Der NS-Stil war Mittel zum Zweck - nämlich zu einer optischen
Realisation der autoritären Ideen von Parteihierarchie und Führerschicht, die als die Hüter von Reichsmythos und Rasserein heit,
von Leistungswillen und Wehrkraft die Beherrschung der Völker Europas vorbereiten und gewährleisten wollte. Giganto- manie
und Brutalform, Materialpracht und figúrales Volumen sollten die Omnipotenz nach innen und außen demonstrativ erhärten. Die
Inszenierung war total, ihr Stil totalitär.
DER MENSCH
IN SEINER IDEALEN NACKTHEIT

»Die bildende Kunst unserer Tage hat zurückgefunden zu klassischer Einfachheit und Natürlichkeit und damit zum Wahren und
Schönen«, hieß es 1942 in Speers Vorwort zu dem Band »Deut sche Plastik unserer Zeit« von Kurt Lothar Tank. Zusammengefaßt
sind darin Fritz Klimsch, Georg Kolbe, Richard Scheibe, Bernhard Bleeker und Karl Albiker im Kapitel »Tradition und Gegenwart« -
Philipp Harth, Anton Gräuel, Ferdinand Liebermann, Fritz Koelle und Richard Knecht im Abschnitt »Das Ringen um die neue
Form« - Adolf Wamper, Willy Meiler, Kurt Schmid- Ehmen, Arnold Waldschmidt und Josef Wackerle unter der Überschrift »Der
Weg zur deutschen Monumentalplastik« - schließlich Josef Thorak und Arno Breker unter »Auftrag und Erfüllung«. 150
Raumbildaufnahmen, sogenannte Stereobilder, geben zum ersten Mal Gelegenheit, Abbildungen plastischer Kunst mit Hilfe eines
Raumbildbetrachters auch plastisch zu sehen; der von Wilfried Bade herausgegebene Band kostete den damals hohen Betrag von 34
Reichsmark.
In seiner Einführung erläuterte Bade, Ministerialrat in der Presseabteilung der Reichsregierung, die schöpferisch-aktive Haltung
»unserer Zeit« und »unseres Wesen«. Der Mensch habe sich nicht »darin zu bescheiden, Geschöpf zu sein, sondern wir glauben,
daß seine vornehmste Möglichkeit die ist, selbst Schöpfer zu sein«*. In sehr pauschaler Weise berief sich Bade hier auf ein
Griechentum, zu dem das Deutschtum nach einem Jahrtausend der »Überfremdung« wieder zurückkehre, weil beide Wesensarten
»ursprungsgleich« seien. Dadurch entstünden nun Werke, »die absoluter Stil sind und daher in ihren reifsten und edelsten den
griechischen wieder ebenbürtig«*. Die von den Griechen verkörperte Form sei nämlich »die tatsächliche Urform plastischen
Gestaltens unseres nordischen Wesens. In der heutigen deutschen Plastik sind Schale und Kern nicht mehr zweierlei«*. Nicht ein
Schönheitsideal werde dargestellt, sondern ein Wesensideal verkörpert. Bildwerke seien »wieder unmittelbare Erschaffungen und
also voll ewigen Lebens« sowie »unmittelbare Schöpfungen unseres Seins, das heißt des ewigen Wesens unseres Volkes«*. Sinn der
Kunst sei, die Existenzform der Gemeinschaft, nämlich das »von der rassischen Grundlage bis zur staatlichen Organisation« alles
umschließende Vaterland, in Erscheinung zu setzen, »seine Seele zu offenbaren, seinen Glauben darzustellen und sein innerstes
Wesen sichtbar werden zu lassen«*. Ein Jahrtausend lang habe »der Anhauch des Jenseitigen« über Europa und seiner Plastik
gelegen - gemeint ist das Zeitalter der christlichen Kunst, das für endgültig beendet erklärt wird. Die Kunst im Zeitalter der Technik
soll nicht Prinzipien und Formen des Technischen sichtbar werden lassen, sondern Griechentum als Wurzel, Kern und Urform.
Bade ist ganz auf der Höhe der NS-Zeit, wenn er mit der Vorstellung des Klas sischen einen zugehörigen Glauben verbindet: »Wir
heute leben wieder im Angesichte unseres Gottes. Daher auch sind uns die
Bernhard Bleeker »Der Unbekannte Soldat«, 1925, von Karl Knappes Ehrenmal vor dem Bayerischen Armeemuseum in München ewigen Formen
der Kunst wieder nahe und das Griechentum, in jener höchsten Reinheit der perikleischen Zeit, nicht unerreichbares Vorbild,
sondern lebendige Wirklichkeit. In seinen Werken erkennen wir uns selbst«*.
Der Herausgeber stand mit solchen hybriden Bekundungen in seiner Zeit keinesfalls allein. Sein Autor Tank schränkte
zumindest die Wirksamkeit der von Bade gefeierten Werke des neuen perikleischen Zeitalters etwas ein, indem er meinte: »Gewiß
sind wir noch weit entfernt von jener starken lebensbestimmenden Gewalt, die in der Blütezeit der Antike und im Hochmittelalter
die Werke der Bildhauer über die Seelen der Menschen hatten. Aber spürbar ist diese Kraft in Deutschland wieder geworden. Zu
manchen der monumentalen Bildwerke wird das Volk erst langsam hinfinden. Zu einigen hat es sich schon einen Herzenszugang
erschlossen«*. Tank nannte als Beispiel Bernhard Bleekers liegenden Unbekannten Soldaten im Münchner Kriegerdenkmal vor dem
Armeemuseum.
Die Figuralplastik der griechischen Klassik wurde nicht nur für Künstler der NS-Zeit zum Leitbild. Der Einfluß Adolf von Hilde -
brands, der seit 1893 mit seinem vielgelesenen Buch »Das Problem der Form in der bildenden Kunst« mehr als einer
Bildhauergeneration den Leitfaden gab, blieb nicht nur in München, sondern vor allem auch in Berlin präsent, auch wenn von ihm
aus »rassischen« Gründen im NS-Staat kaum noch offiziell die Rede war; das gleiche galt für den aus Elberfeld stammenden Maler
Hans von Marées, mit dem Hildebrand zeitweise eng befreundet war. An der Münchner Kunstakademie lehrte Hermann Hahn im
Sinne Hildebrands und Marées'. Bei ihm studierten Ludwig Kasper, Fritz Wrampe, Toni Stadler, Heinrich Kirchner, Anton Hiller,
Fritz Koelle, Hans Stangl, Josef Plenselmann und Georg Brennin- ger. Man war in dieser Schule auf Hildebrand eingestellt und
nicht auf den jüngeren Aristide Maillol, weil man Hildebrands wegen seiner Tektonik nicht mehr bedurfte; in der Hahn-Schule galt
von den Franzosen dann schon eher Auguste Rodin.
Neben Hermann Hahn lehrte an der Münchner Akademie Bernhard Bleeker, der aus der Schule Wilhelm von Rümanns
stammte, bei dem - vor seiner Begegnung mit Hildebrand - auch Hahn gelernt hatte. Bleeker fühlte sich dann ebenfalls
mehr zu Hilde-brand hingezogen, dachte aber weniger konstruktiv als Hahn und dessen Schule. Die beiden
Rosseführer-Gruppen an der Technischen Hochschule in München, die 193 i von der Stadt München in Auftrag gegeben
waren, zeigen die strengere Tektonik Hahns und die weicheren Formen Bleekers*. Bleekers heute bekannteste Schüler
sind Hans Wimmer und Alexander Fischer.
Keiner dieser figürlichen Bildhauer, denen die Antike wichtiges Leitbild blieb, hatte im Dritten Reich unter einem
generellen Ausstellungs- oder Arbeitsverbot zu leiden, wenn es auch Erschwernisse und Bevorzugungen anderer gab,
was sich während des Krieges bereits bei der Materialbeschaffung auswirken mochte. Stadler konnte dank der
Vermittlung eines Jugendfreundes sogar 1942-45 an der Frankfurter Städelschule lehren. Heinrich Kirch ner, der sich
zugunsten des Archaischen vom Klassischen freimachte, blieb Leiter der Erzgießereiwerkstatt an der Münchner
Akademie. Kirchner und Stadler distanzierten sich von der offiziellen Bildhauerkunst im Dritten Reich und waren
daher in der Großen Deutschen Kunstausstellung nicht vertreten. Brenninger

Georg Brenninger »Aufbruch« (HDK 1944)

zeigte 1944 im Haus der Deutschen Kunst ein unpathetisches Soldatenrelief Aufbruch, das sogar im Katalog abgebildet wurde.
Zu den wenigen figürlichen, noch von Hildebrand beeinflußten, antikisch orientierten Bildhauern, die seit 1937 nicht mehr aus-
stellen durften, gehörte Gerhard Mareks. In der Berliner Ateliergemeinschaft mit Richard Scheibe, der mit 28 Jahren von der
Malerei zur Bildhauerei übergewechselt war, hatte Mareks zunächst seit 1907 relativ traditionsgebunden gearbeitet, ohne sich von
Jugendstil und Expressionismus beeinflussen zu lassen. Einige Impulse erhielt er von August Gaul, dem bekanntesten deutschen
Tierplastiker seiner Zeit. Erst in den Zwanziger Jahren öffnete sich Marek dem Expressionismus. Er leitete 1920-25 die Dornburger
Töpferwerkstatt des Bauhauses und lehrte dann bis 1933 an der Kunstgewerbeschule Burg Giebichenstein in Halle, deren Direktor
er während der letzten drei Jahre war. Zahlreiche seiner Arbeiten wurden bei der Aktion »Entartete Kunst« 1937 konfisziert, einige
auf der gleichnamigen Schmäh-Ausstellung angeprangert.
Selbst Josef Wackerle, Schüler Rümanns, konnte sich auf Adolf von Hildebrand berufen - das notierte sogar Tank 1942.
Wackeries barockes Temperament erhielt durch den Geist Hildebrands seine formale Disziplin. Wie seine Vorfahren stammte er
aus dem Werdenfelser Land, aus Partenkirchen; der Großvater war Holzschnitzer, der Vater Baumeister gewesen. Schon mit 13
Jahren kam er in die Partenkirchner Schnitzschule. Auf Studienreisen faszinierte ihn später vor allem die Renaissance. Er war
zunächst lange Zeit keineswegs Monumentalist, sondern 1906-1909 Leiter der Nymphenburger Porzellanmanufaktur, dann bis 1917
Lehrer an der Unterrichtsanstalt des Berliner Kunstgewerbemuseums, anschließend bis 1923 an der Münchner Kunstgewerbeschule
tätig und seitdem Professor an der Münchner Akademie.
Monumentalbildhauer wurde er offenbar erst durch seinen steinernen Rosseführer am Marathontor des Berliner
Reichssportfeldes, das Werner March 1934-36 (zuletzt schon unter Speers Ägide) für die Olympischen Spiele schuf. »Wie
Waldschmidt gehört auch Wackerle zu den wenigen sechzigjährigen deutschen Bildhauern, die über Tradition und menschlich
begrenzte Form hinaus- und
der Monumentalplastik zustreben. Wie Albiker ist ihm in den Rosseführern des Reichssportfeldes ein Werk gelungen, das
in seiner geschlossenen starken Form zum Besten zu zählen ist, was auf dem Gebiet der Monumentalplastik in unserer Zeit
bisher geschaffen wurde. . . . Hier wurde bei gemessen ruhigem Ausdruck des Ganzen eine Architekturplastik wirklich
blockhaft gebaut und doch bis ins Letzte mit einem Leben erfüllt, das vielleicht gerade deswegen so stark wirkt, weil es sich
aus einer streng statuarischen Haltung löst«*.
Wesentlich barocker bietet sich Wackeries Neptunsbrunnen im Alten Botanischen Garten in München dar. Pferd und
Tritonen* folgen in vergröbernder, vereinfachender Manier dem Vorbild
Josef Wackerle »Neptunsbrunnen«, um 1936, München, Alter Botanischer Garten

Josef Wackerle: Reliefs für Hitlers »kleines« Teehaus beim Berghof auf dem Obersalzberg bei Berchtesgaden (HDK 1939)

historischer Brunnenanlagen (etwa am Salzburger Dom). Die Gestalt des sonst bärtigen alten Meergottes wurde jedoch
erheblich verjüngt, Neptun erscheint hier »als sportgestählter Jüngling, als eine jugendliche Lichtgestalt unserer Zeit«*, den
Dreizack geschultert wie eine Mistgabel. Hitler selbst nahm am Entstehen des Werkes lebhaften Anteil und besuchte den
Künstler sogar im Atelier während der Arbeit mit dem Akademiemodell Franz Altmann, der seine Gestalt durch Kraftsport
trainierte. Für das Teehaus des Führers auf dem Obersalzberg lieferte Wackerle ovale Stukkoreliefs mit einer Nymphe und
einem Pan als Jüngling, die im Haus der Deutschen Kunst 1939 ausgestellt waren. Reichsleiter Martin Bormann ließ sich für
seinen Garten in Pullach, das südlich von München liegt, von Wackerle einen Brunnen mit einer nackten Frau aufstellen, die
ihren linken Fuß auf einen wasserspeienden kleinen Delphin setzt; ihre erhobenen Arme hal ten ein Tuch, das hinter dem
Rücken von der Höhe ihres Kopfes
bis zum Schwanz des Seetieres reicht eine Nixe gleichsam aus der Abteilung »Glaube und Schönheit«. Man isl versucht,
von ferne an Maillol erinnert zu werden -- doch die Knl fernung ist zu groß. Münchens Neigung zum Kunstgewerblichen
und Neckischen steht der Schlichtheit im Wege. In einer Bogennische der Berliner Wohnung Hitlers stand eine
Aktstudie Wackeries.
Die NS-offizielle Zeitschrift »Die Kunst im Dritten Reich« registrierte 1939 diese Wackerle-Arbeiten in dem Text des
Münchner Redakteurs Alexander Heilmeyer als »tektonischc Plastik«*. Tank bildete in seinem Bildhauer-Buch auch den
1941 im Haus der Deutschen Kunst gezeigten Monumentalbrunnen

Josef Wackerle: Reichsleiter Martin Bormanns Brunnen in Pullach bei München (Figur: HDK 1938)

Wackeries ab - eine sitzende Ceres* mit Ährenbündel und Sichel in der Rechten, die Linke ausgestreckt - gewissermaßen
zum Segensgestus. Werner Rittich sah ihren Reiz im ^Gegensatz von feierlichem Ernst des Ausdrucks zum Reichtum in der
Gewandführung und Attributgestaltung« und nahm als Beweis für das Wesentliche in Wackeries WerkBdie Fortführung
der symbolischen, ernsten und zugleich lebensnahen, liebenswürdigen Münchener Bildhauertradition. Sie hat, wie ein
guter Teil der Plastik im Süden des Reiches überhaupt, in ihrer Fülle der Formen eine Neigung zu barocker Gestaltung«*.
Tank rühmte Wackeries Verbindung des Urwüchsigen mit formbeherrschender Urteilskraft. Wo die »aus unerschöpflicher
Phantasie« geborenen barocken Gestalten »in so strenge Zucht genommen werden«, entstünden regelferne und
nachahmungsfreie »Monumentalplastiken, die zwar noch Elemente einer traditionsgebundenen Übergangskunst zeigen,
in ihrer raumschaffenden und raumfüllenden Größe aber schon e inem neuen Zeitalter deutscher Plastik angehören«*.
Adolf Wamper
»Genius des Sieges« (HDK 1940)

Dieses Neue in »Auftrag und Erfüllung« war auf Tanks Rangliste, die dem offiziellen Maßstab entsprach, bisher einhellig nur bei
Thorak und Breker erreicht. Auf dem Wege zum richtigen Ziel befanden sich in dieser Stufenfolge neben Wackerle noch Wamper,
Melier, Schmid-Ehmen und Waldschmidt.

Auch für den Rheinländer Adolf Wamper schlug die Schicksalsstunde 1936 mit einem Berliner Auftrag: vollplastische Reliefs am
Eingang der Dietrich-Eckart-Bühne. Es folgten: Ikarus* am Haus der Luftfahrt, ein Genius der Technik, Herkules mit Hydra*, das
Ehrenmal für Ahlen in Westfalen, Monumentalfiguren vor der Front der neuen Berliner Ausstellungshallen, Jahreszeiten, ein
Genius des Sieges, Reliefs und Brunnenentwürfe. Sein Genius des Sieges, der 1940 in der Großen Deutschen Kunstausstellung er-
schien, entsprach Brekers gleichzeitig gezeigtem großen Kame- raden-Keiiei. »Bei Wamper drängt die unmittelbare Dynamik des
Reiches vom Seelischen her ins Sichtbare«*.

Willy Meiler, ebenfalls Rheinländer, schuf aufgrund der Ausschreibung zur Ausgestaltung des Reichssportfeldes seine Siegerin, die
am Ausgang zur Dietrich-Eckart-Bühne zwischen Stadion und Maifeld aufgestellt wurde: eine Siegesgöttin mit dem Zweig, dem
»Symbol des Sieges und der Feier«, in der erhobenen Rechten, blockhaft und architekturabhängig. Die von Klotz errichtete
Schidungsburg Vogelsang bestückte er mit einem Ehrenmal für die Gefallenen der Bewegung-, einem nackten Athleten, die Rechte
zum Deutschen Graß erhoben, auf dem Standholz an der Wand des Ehrenraums das schlichte Wort »Hier«; mit einem
monumtalen heroischen Fackelträger für den Sonnwendplatz und zwei überlebensgroßen Steinadlern für den Adlerbof.
Willy Meiler »Schicksalsstunde (HDK 1944)
Die ebenfalls von Klotz gebaute Ordensburg Krössinsee verzierte Meiler mit einem weiteren Ehrenmal für die Gefallenen der
Bewegwig in der Ehrenhalle. Meiler scheint vorwiegend in Monumentalformen gearbeitet und daher wenig ausgestellt zu
haben. Für die Große Deutsche Kunstausstellung 1940 wurden die Platten seines Muschelkalksteinreliefs Siegerehrung
zusammengesetzt. Werner Rittich, der Ber-
Willy Melier »Siegerehrung« (HDK 1940)

liner stellvertretende Hauptschriftleiter der Zeitschrift »Die Kunst im Deutschen Reich«, schrieb darüber 1940: »Die
disziplinierte, architektonische, fast fugische Komposition verbindet sich mit dem Thema zu einem verhaltenen,
feierlichen, hoheitsvollen Ausdruck. Der Augenblick der seelischen Erregung, der körperlichen Höchstleistung ist
vorbei, die Leistung vollbracht, und der Augenblick des Bewußtwerdens des Geleisteten, der Ehrung gekommen«*.
Antikisch in Gewandung und Gebärde erscheint die weib-

liehe Figur mit dem Siegerkranz rechts. Die drei von links her sich nähernden Männer entsprechen der Vorstellung eines
zeitgenössischen Mustermodells des muskulösen Sportlers.
Tank rühmte Meilers Fackelträger und Siegesgöttin, weil starker Glaube symbolschaffend die Tradition als Begleiterin rufe: »Ge-
bilde griechisch-germanischer Kunst«; Meiler gehöre als einer der vorzüglichsten zu denen, deren Werke »Fortsetzung und Voll-
endung eines aus Reichskraft und Formbeherrschung geborenen Stiles« seien*.
Kurt Schmid-Ehmen hatte es - nach wirtschaftlich schweren Jahren - 193 i zu einem Platz in der Bleeker-Klasse an der Münch ner
Akademie gebracht; die erste Hitler-Rede, die er hörte, machte ihn zum SA-Mann. In den aktuellen Kunstströmungen der Zeit sah
er Entartungserscheinungen, die progressiven Ausstellungen erschienen ihm wie Irrenhäuser. Am 9. November 1933 wurde sein 3 m
breites und 3,50 m hohes Feldherrnhallen-Mahnmal - ausgeführt nach einer Skizze von Troost - enthüllt. Schmid-Ehmen avancierte
zum prominentesten Hoheitsadler-Spezialisten des Reiches: Von ihm stammten die Hoheitszeichen am Eckpfeiler der Luitpold-
Arena auf dem Nürnberger Reichsparteitaggelände und auf dem Turm des Deutschen Hauses der Pariser Weltausstellung, die Adler
der Neuen Reichskanzlei (vom Portal an der Voßstraße bis zum Arbeitszimmer des Führers) und an weiteren Großbauten,
außerdem die Gruppe Glaube, Kampf, Ehrung (Opfer), Sieg für das Zeppelinfeld auf dem Reichsparteitaggelände. Auch seinen
Gauleiter Wagner vermochte er zu porträtieren*. Ins Haus der Deutschen Kunst schickte er gern weibliche Aktfiguren.
Arnold Waldschmidt meißelte als Sechzigjähriger 1937-38 für die Rückwand des Wandelgangs an Sagebiels Berliner Reichsluft-
fahrtministerium sein 25 m langes und 3,10 m hohes Granitflachrelief Soldaten aus dem sehr harten schwarzen Würzburger Blau-
bankgestein - als »einer der ältesten aktiven Mitkämpfer des Führers«*: Soldatentrupps in ausgreifendem Gleichschritt künden von
Aufbruchstimmung, Kampfgeist, Zielbewußtsein und Marschdisziplin. In der Dynamik der schematischen Anordnung ist flä-
chen- und linienkompositorisch mehr geleistet als in anderen Monumentalreliefs der NS-Zeit. Sozusagen die Vorform schuf Chri-
stian Daniel Rauch 1822-26 mit seinem in Augenhöhe umlaufenden bronzenen Relief-Fries am Sockelbau des Berliner Blücher-
Denkmals mit dem Auszug des Heeres aus Breslau, Vormarsch durch Deutschland und Frankreich, Siegreicher Einzug in Paris.
Rauchs Vorbild wiederum war der Reiterzug vom Fries des Athener Parthenon-Tempels. Waldschmidt scheint sich nicht nur an
damals bereits reichlich vorhandenen Gefallenenehrenmälern, sondern auch an der strengen Gleichordnung altägyptischer Flach -
reliefs orientiert zu haben.
In der Berliner bildhauerischen Tradition wurden barocke und klassizistische Leitbilder verehrt und weitergegeben. Reinhold
Begas orientierte sich am Barock Schlüters, war selbst aber Schüler des Klassizisten Christian Daniel Rauch gewesen. Der neo-
barocke Begas bildete immerhin zwei der wichtigsten Bildhauer der nächsten Generation heran: Louis Tuaillon und August Gaul.
Nicht nur in den Meistern und Lehrern wurde Tradition weitergereicht. Als Kaiser Wilhelm II. 1904 eine vergrößerte Fassung
Arnold Waldschmidt »Fahnengruppe«, um 1937, für das
Reichsluftfahrtministerium in Berlin
von Tuaillons Amazone zu Pferd, deren erste Fassung von 1895 für die Nationalgalerie angekauft worden war, für den
Tiergarten bestellte, entdeckte er den Modelleur Hermann Fuchs, der bald Tuaillons gesamte Arbeiten in vier
Atelierräumen verwaltete. Als Fuchs schon weit über 60 Jahre alt war, wurde er zusammen mit dem jüngeren Paul
Fehlberg zum unentbehrlichen Mitarbeiter und Assistenten Arno Brekers, der ohne diese »Rasteiiis an hand werklichem
Können und an Ausdauer« sein Auftragsvolumen gar nicht hätte bewältigen können*.
Speer und Hitler bestätigten diese Berliner Tradition, indem sie im Garten der Neuen Reichskanzlei vor dem
Gewächshaus, einem noblen Bau aus Gönninger Tuff mit einer Front hoher Fenstertüren, links Tuaillons großen
Stierbändiger von 1907 plazierten

Christian Daniel Rauch »Auszug der Kürassiere aus Breslau 1813«, 1822-26 (vom Berliner Denkmal für Feldmarschall Blücher)

und rechts Klimschs auf dem breiten Sockel etwas verloren dasitzende Oly?npia von 1937. Am Wasserbecken in der Wegverbindung
zwischen Gewächshaus und Terrasse waren Skulpturen des michelangelesken Wiener Bildhauers Gustinus Ambrosi aufgestellt.
Auch bei Klimsch ließe sich ein Einfluß Hildebrands und Marées' geltend machen. Allerdings: Als Klimsch, 24 Jahre alt, 1894 mit
dem Großen Staatspreis der Berliner Akademie nach Italien ging, war Marées bereits sieben Jahre zuvor in Rom gestorben.
Hildebrand hatte sich 1872 in Florenz angesiedelt und blieb bis etwa 1891 in Italien. Gleichwohl hieß es in einer 1942 im Berliner
Rembrandt-Verlag erschienenen Klimsch-Monographie zu dieser Phase: »Er hatte das Glück, in Rom dem Kreis der deut schen
Künstler zu begegnen, die um Marées und Adolf Hildebrand geschart, im engen Anschluß an antike Vorbilder ihren eigenen
neuklassischen Stil suchten. Mit und von ihnen hat er viel gelernt«*.
Aber Klimsch konnte in Rom doch nur dem Kreis der Freunde von Marées und höchstens noch Hildebrand persönlich begegnet
sein. Klimsch besuchte dann Paris und reiste 1909 nach Griechenland, ins Land seiner Sehnsucht. In Berlin, wo er sich niederließ,
blieb er »gefeit gegen alle Anfechtungen exzentrischer Zeitmoden der Kunst. Die griechische Antike blieb ihm der unerschöpfliche
Nährboden. Daß er auf preußischem Boden die hohen Werte der preußischen Bildhauertradition, die Andreas Schlüter, Gottfried
Schadow, Christian Rauch, mit ihrem Sinn für unbefangene klare Naturbeobachtung mitten im Streben nach dem gebändigt
Großen, vorbildlich zur Geltung gebracht hatten, ebenso lieben und hochhalten lernte, das hat sein Schaffen vor aller Weichlichkeit
bewahrt und in seiner Kunst den männlichen, kämpferischen Ernst nachdrücklich neben und mit der klassischen Anmut zur
Geltung gebracht«*. Die Vorstellung, daß hier griechische und preußische Traditionen gleichermaßen in Erscheinung treten,
entspricht der von Bade in seiner Einleitung zu dem Buch »Deutsche Plastik unserer Zeit« aufgestellten Gleichung zwischen
Griechentum und Deutschtum. Ein Goethe-Spruch, der zum Klassizismus gehört, wurde im Dritten Reich ins Stammbuch vor
allem der Bildhauer geschrieben: »Jeder sei auf seine Art ein Grieche, aber er sei's!«*.
Klinisch war bei Anbruch des Dritten Reiches 63, Kolbe wurde 56, sein Freund Richard Scheibe 54 Jahre alt. Sie hatten ihre Form
bereits gefunden, auch ihr Publikum, und bedurften - anders als etwa der 1933 erst 33jährige Arno Breker - keiner Monumental -
aufträge, um ihre bildhauerischen Kräfte erproben zu können. Angesehene Kunsthistoriker und Museumsleiter hatten sich schon
zu ihrem Werk rühmend geäußert. Wilhelm von Bode, der Gründer (des heute nach ihm benannten) Kaiser-Friedrich-Museums,
empfahl in seiner Klimsch-Monographie von 1924 die Tradition als Wahrerin »gewisser Gesetze, die beobachtet werden müssen,
und bestimmter Grenzen, die nicht überschritten werden dürfen, wenn ein Erzeugnis auf den Namen Kunstwerk Anspruch
erheben will«*. Zu begrüßen sei jeder Künstler, »der in echt künstlerischer Weise diese Gesetze hochhält und der Zukunft
überliefern hilft. Ein solcher Künstler, einer der wenigen bei uns in Deutschland, ist Fritz Klimsch«*. Bode sah die Erschütterung
der Kultur durch die Revolution von 1918 verursacht, erblickte im Expressionismus und Kubismus ein Verhängnis, fürchtete um sein
Lebenswerk und die Tradition (war als Generaldirektor der staatlichen Kunstsammlungen in Berlin 1920 zurückgetreten) und
erwartete in seiner Klimsch-Monographie, daß dieser Bildhauer in der Lage sein werde, die Kunst über die Verfallzeit
hinwegzuretten, für die Zukunft zu erhalten - »die hoffentlich eine bessere sein wird als die Gegenwart«*.
In der Vielzahl der nach 1933 entstandenen Werke Klimschs, »die in seinem Gesamtschaffen zu den bedeutendsten zählen«,
wurde 1940 von Rittich, der von offizieller Warte aus vor allem die Bildhauerei öffentlich zu begutachten pflegte, »eine Bestätigung
der Kulturpolitik unseres Staates« gesehen: »Die neuen weltanschaulichen Ideen, die Wertschätzung eigenschöpferischer per-
sönlicher Leistung und vor allem die persönliche Initiative des Führers haben diesem Künstler die Impulse gegeben, in einem Alter,
in dem zumeist das Lebenswerk als abgeschlossen anzusehen ist, nicht nur hohe Leistungen seiner Kunst zu schaffen, sondern
auch anzahlmäßig erstaunlich produktiv zu sein«*. Tatsächlich bedurfte Klimsch nicht unbedingt des NS-Staates, der dann doch
sein Auftraggeber und Förderer wurde. In keiner Großen Deut-
Fritz Klinisch: Marmorfigur (für Schinkels Treppenhaus im Reichsministerium für Volksaufklärung + Propaganda in Berlin), 1938-40

sehen Kunstausstellung fehlten die Klimsch-Akte: Schauende; In Wind und Sonne 1936 für das Propagandaministerium in Berlin;
Der Kämpfer 193 6 für die Flieger-Nachrichtenschule in Halle; Nereide 1937 fürs Propagandaministerium; Beschaulichkeit 1939, als
Goebbels-Besitz im Garten desselben Ministeriums plaziert; Sommertag; Galatea, Maja oder Anadyornene. Sie ähnelten einander in
Gestalt und Haltung.

Für das Propagandaministerium lieferte Klimsch weitere fünf Marmorfiguren, die 1938-40 entstanden und deren letzte wohl die

Fritz Klimsch »Brunnenmädchen« und »Brunnenjunge«, 1940. Berlin, Auswärtiges Amt


beste war. Das Treppenhaus, für das sie bestimmt waren, stammte von Schinkel. Die statuarische Ruhe, um die er sich
nicht nur Schinkels halber bemühte, wurde wegen ihrer »vorbildlichen Schönheit« und »lebendigen Bewegtheit« als
hohe Meisterleistung gepriesen. Das gewollt Innige, Beseelte ergab - wie meist im NS-Reich - eine geradezu
demonstrative Haltung. Auch hier konnte Klimsch nicht vermeiden, den Typ BDM- und Sport- Schönheit an die Stelle
des klassizistischen Vorbildes zu setzen. Mit seiner 1940 vollendeten Brunnengruppe für den Garten des Auswärtigen
Amtes fixierte er eine eigentümliche Geschlechter- Antinomie: der Jüngling sitzt auf einem Wasserroß mit Fischschwanz,
einem Fabeltier, während die stramme Maid von der Gegenseite einem sich aufrichtenden Seelöwen aufsitzt, über-
lebensgroß und für die Rundumsicht gedacht. Die Woge von 1942 ist nichts weiter als eine aufgestützte Liegende - es wäre
zu viel verlangt, dabei an Wellenbewegung und Meeresdynamik zu denken. Auch die Anadyomene ist nicht als die
»schaumgeborene«Aphrodite dem Meer entstiegen, sondern höchstens dem Schaumbad einer warmwasserversorgten
Badewanne. Solche nicht nur in der NS-Zeit beliebten Figuren - beliebt vor allem von Klimsch und Kolbe - ließen sich
auch in Porzellan als Kommoden-Nippes und Klavier-Aufsatz, als Tafelzier und Vitrinenstück verwenden. Entweder
kniend mit überm Kopf verschränkten Armen, so daß die Brüste anbietend gehoben sind, der ranke Rumpf gestrafft -
oder als aufgestützt Sitzende, Liegende, versonnen Lächelnde, forsch in die Zukunft und daher geradeaus Blickende -
oder tänzerisch als Nereide; nur die Reichskanzlei-Olympia blickt geradezu trotzig zu Boden, das aufgestellte Knie mit
den starken Händen umfassend. Doch das sind jeweils nur Entwicklungen des schon vor 1933 Vorhandenen, Varianten
einer Erwachenden etwa und einer Schauenden (für die Farbwerke Bayer in Leverkusen), beide 1913 entstanden. Der
Gebeugte von 1919 in Stein, eine steinerne Brunnenfigur von 1912 in Aachen und eine Niobide von 1913 aus Bronze in
Leipzig waren fester in ihrer Form und lebendiger. Nicht nur bei den Altmeistern der skulpturalen Akte erzeugte der Geist
der Dreißiger Jahre das Glatte, vom aktuellen Schönheitstyp her Modische, sondern auch Klimschs Figuren

Fritz Klimsch »Woge«, 1942


Georg Kolbe »Pietä«, 1930 G. Kolbe »Amazone«, 1937

scheinen immer gerade vom Friseur, aus dem Bad und von der Sonnenterrasse zu kommen. Sie sind Abbilder eines Einheitstyps,
der als Nackedei jedermann als Modell zugänglich sein sollte: steinerne und bronzene Luxuskörper, Sehnsuchtsplastik für den
öffentlichen Freikörperkult, dessen Zeitalter nun begann. Die NS-Freizeitorganisation »Kraft durch Freude« versprach dergleichen
auch den Werktätigen: Licht und Luft gibt Saft und Kraft. Über Kolbe hatte sich der Kunsthistoriker Wilhelm Reinhold Valentiner,
Spezialist für Rembrandt, Frans Hals und Nicolaes Maes, monographisch schon 1922 geäußert; Ludwig Justi, 1909-33 Direktor der
Nationalgalerie in Berlin, folgte mit seiner Kolbe-Schrift 1931. Wilhelm Pinder, der seit 1936 in Berlin seine siebente Pro fessur
wahrnahm, feierte - ähnlich wie Bode seinen Klimsch - Kolbe 1937 als Wahrer der Tradition. Wie die Griechen die Seele als Leib
erscheinen ließen, als den daseinsfreudigen Menschen, so habe nun auch Kolbe ein zugleich reales und ideales Figuren geschlecht
erzeugt. Für Pinder, der über deutsche Plastik vom Mittelalter bis zum Barock vieles veröffentlichte, war Kolbe der Inbegriff
höchsten Gelingens: »Hildebrand, Rodin, Maillol rangen um die Wiederfindung des ausdrucksvollen Nackten. So ausschließlich
aber von der gottgeschaffenen Gestalt allein ist seit Jahrhunderten keiner mehr ausgegangen wie Kolbe«*. Pinder sah in Kolbe den
genialen Überwinder des malerisch differenzierten 19. Jahrhunderts und den Künder eines künftigen plastischen Zeitalters, das
räumlich-körperlich zu sehen und zu leben weiß: mit dreidimensionaler, gebauter Kunst.
Für Tank jedoch war Kolbe nur »der größte Bildhauer eben dieser Übergangszeit«, bloß »an der Wende der Zeiten«; Tank mußte
im Sinne der Thorak-Breker-Form einschränken und warnen: »Dennoch glauben wir, daß die Generation der nach 1900 Geborenen,
wenn sie ihren geschichtlichen Auftrag erfüllen soll, nicht Kolbe folgen darf, sondern ihren eigenen Ausdruck suchen muß. Sie hat
ihn, das beweist vor allem Breker, schon gefunden, und sie wird diese monumental heroische Haltung in den folgen den Jahren
immer mehr befestigen und überzeugend verkünden«*. Kolbe war als Privatplastiker, als Ästhet und Meister des Intimen viel zu
sehr für den gehobenen Hausgebrauch, für Museum und Privatsammlung prädestiniert, um für das neue große Ganze immer
geeignet zu sein, obwohl seine Aktfiguren bis einschließlich 1943 jede Große Deutsche Kunstausstellung zierten: Lauschende,
Herabschreitender, Flora, Hüterin, Auserwählte, Amazone, Junges Weib, Junger Streiter.
Kolbe wurde akzeptiert und nicht nur geduldet; doch der Künstler des neuen Typs war er nicht. Tank lag richtig, als er seine
Gruppierungen vornahm: »Wir wissen, was wir den drei Meistern Klimsch, Kolbe und Scheibe verdanken: die Rettung der starken
deutschen Form über eine Zeit des Verfalls«*. Kolbe gehörte zu den Alten, deren Musikalität und inneres Gesicht viel zu privat zu
sein schienen, um für die ganz großen Aufgaben der nächsten Tausend Jahre die nötigen Grundformen liefern zu können. Ähn lich
wie bei der westdeutschen »jungen Linken« der Jahre um 1970 war im NS-Staat für einen Teil der jungen Generation das Wort
»Privatkunst« ein Schimpfwort. Kunst hatte öffentlich zu sein, heroische Leitbilder zu liefern, sollte architekturbezogen und von
imponierender Größe sein. Daher Tanks Vorbehalt: »Im Mittelpunkt der Kolbeschen Welt steht der Mensch, nicht der Staat, der
dem Menschen bis an die Grenzen seiner physischen und seelischen Kräfte gehende übermenschliche Aufgaben stellt«*.
Kolbe wehrte sich gegen das Monumentale; er war da konsequenter als Klimsch und einig mit seinem Freund Scheibe. »Kenn-
zeichnend für Kolbe ist das Beharren im Maß des Menschlichen, die edle Ausgewogenheit und Ruhe bei dynamischer Bewegtheit
im Verhältnis des Leiblichen zum Seelischen. Es gehört zu Kolbes Anschauungen, daß er die überlebensgroße Darstellung im
Grunde als Verfall empfindet, und wenn er auch selbst in den letzten Jahren nicht streng danach gehandelt hat, so stammen doch
Monumentalplastiken im architektonischen Sinne nicht von seiner Hand«*.Das war Kolbes Gegensatz zu Breker und Thorak, die
nun die neuen Positionen von Staatskünstlern einnahmen. Im Mittelfeld tummelten sich viele, die froh waren, wenn sie mit ihren
Aktfiguren einen Platz an der Sonne der offiziellen Gunst erringen konnten. Vielleicht winkte ein Auftrag, zumindest war es ein Eh -
rentitel, im Haus der Deutschen Kunst ausgestellt zu haben. Abgebildet wurden in den Katalogen der Großen Deutschen Kunst-
ausstellung der Jahre 1937-44 Aktfiguren auch von Paul Scheurle, Paul Schiffers, Richard Knecht, Ernst Reiß-Schmidt, Bernhard
Bleeker, Richard Scheibe, Johannes Knubel, Julius Dorer, Fritz Behn, Kurt Schmid-Ehmen, Oswald Hofmann, August Wilhelm
Goebel, Michael Drobil, Ottmar Obermaier, Hermann Zettlitzer, Fritz Roll, Anton Gräuel, Paul Bronisch, Fritz von Graevenitz, Emil
Cauer, Adolf Abel, Fritz Nuß, Adolf Wamper, Ernst Andreas Rauch, Max Esser, Alfred Zschorsch, Jakob Wilhelm Fehrle, Otto Rost,
Hubert Nikolaus Lang, Paul Wynand, Robert Ulimann, Otto Sonnleitner, Heinrich Faltermeier, Herbert Volwahsen und Joss Röwer.
Ob sie nun ihre Modell-Schönheiten mit mythologisch-allegorischen Titeln wie Perseus, Daphne oder Parsifal versahen, als Najade,
Morgenröte oder Dionysos vorstellten, oder ehrlich und schlicht Faustkämpfer, Frauenstatue, Stehende, Jüngling, Gehendes
Mädchen oder Vor dem Bade nannten - es blieb im wesentlichen das gleiche Baumuster: statuarisch, edel, geruhsam; vorbildlich in
den Maßen, eine Schönheitskonkurrenz mit Teilnehmerinnen aus Stein und Bronze; eine Musterschau ideal typischer Anatomien,
eine dauerhafte Demonstration physiologischer Trainingsergebnisse.
Breker hielt sich als Athletenmodell seinen Gustav Stührk, den bekannten Zehnkämpfer, Deutschlands große Hoffnung: »Die
Begegnung mit Gustav Stührk war eine Sternstunde meines künstlerischen Daseins«*. Er ernannte ihn zum »bewährten Mitarbei-
ter«. Also doch nicht Griechentum, sondern Body-Building, überlebensgroß naturalistischer Abguß von Züchtungs- und Trainings-
figuren, ins Überdimensionale getriebene Kraftsport-Idolatrie? ^HSymböle der Zeit« überschrieb Rittich 1940 einen mit 13
seitenhohen Abbildungen versehenen Artikel zu Werken Arno Brekers in der von Rosenberg herausgegebenen »Kunst im Deut -
schen Reich« und berichtete: »Die körperliche Erscheinung der beiden für das Reichssportfeld geschaffenen Plastiken gibt das
Idealbild des sportlich gestählten, kraftvollen und energiegeladenen Körpers, das von der heutigen deutschen Jugend angestrebt
wird. Es erscheint in dieser Gestaltung klassisch, weil ihm die gleiche Vorstellung zugrunde liegt wie seinerzeit den Hellenen; es ist
gegenwartsnah, weil körperlich und geistig jene Eigenschaften und Tugenden Gestaltung gefunden haben, die den Begriff der
>olympischen Idee< ausmachen. Denn es ist bezeichnend und gleicherweise gültig für alle späteren Arbeiten dieses Künstlers, daß
er immer wieder betont, daß seine Figuren keineswegs idealisiert wären, sondern daß diese durchtrainierten Körper Menschen
unserer Zeit zugehörten, für die ihm sportliche Gestalten unserer Zeit Modell gestanden haben«*.
Nicht nur Brekers Zehnkämpfer und Siegerin für das Reichs- spörtfeld sind Sportstätten-Plastik. Ob Wager oder Wäger, Anmut
oder Prometheus, Dionysos oder Berufung - alles schien für Sportschulen, Schwimmbäder und Wettkampfanlagen bestimmt. Und
so sollte es ja auch sein: das ganze Reich eine einzige große Arena, das ganze Volk sportlich aktiv und am liebsten im Laufschritt.
Frühsport und Weckappell, Geländelauf und Wettkampfübungen sollten das Volk von Kindesbeinen an ertüchtigen, stäh-
Arno Breker »Du und ich« (HDK 1944)

len, wehrhaft machen. Staatskünstler hatten die zugehörigen Idole zu liefern.

Hamen!
Im Entwurf zu einem der 6 m hohen und 18 m lagen Reliefs an den seitlichen Stirnseiten der geplanten Berliner Soldatenhalle
konnte Breker alles vereinen: Kämpfertum und Athleten-Ballett, Pferdeleiber und Muskelspiel. Beim Auszug zum Kampf, der in der
erlebbaren Wirklichkeit längst schon kein Zweikampf zwischen Nackten mehr war, sondern apparativ gelenkter, mit Funk-
meßtechnik punktuell perfektionierter, mechanisierter Massentod, traten bei Breker die weit ausgrätschenden Recken mit Kurz -
schwert, Fahne, Faust und grimmigem Blick, Weisung gebend und Glieder streckend, zum Entscheidungskampf in die
Vorwärtsrichtung. Auch damals, um 1940, war Breker auf diesen Typ geeicht und auf dieses Profil. Er braucht gar nicht sein Porträt
des französischen Schauspielers Jean Marais als Nachkriegs-Alibi ins Feld
zu führen, das er dem Mimen zu dessen 50. Geburtstag 1963 zukommen ließ, um die physiognomische Übereinstimmung zu de-
monstrieren*.
Die homoerotische Komponente dieser Männerkraftverehrung könnte auch ohne weitere Verständnishilfe allein aus Brekers
Portalfiguren für die Berliner Neue Reichskanzlei abgeleitet werden. Der Kraftkult der NS-Skulptur ä la Breker und Thorak, die
keusche Erotik der beigesellten weiblichen Auswahlmodelle: hier wird das sichtbar, was man heute eine Frustration nennt, eine
Verhinderung allemal und ein Umfrisieren des Tatsächlichen. Unter leibseelischer deutscher Geistigkeit, unter einer Identität von
Griechentum und Deutschtum nicht mehr als ein Body-Building-Kraft- paket zu verstehen: das allerdings bedeutet mehr als nur
den Kraftakt einer doppelten Moral.
Speer und die Seinen wollten »die menschliche Figur zurück in die Städte« holen, weil diese Städte »unter dem Ansturm des
Technischen ihren Charakter zu verlieren drohten. Deshalb der Figurenbrunnen auf meinem großen >Runden Platz<, deshalb die
Skulpturenallee im Park gewordenen Grunewald«*. Speer weist auf Schinkel als Vorbild und Rechtfertigung. Der eigene Eklekti -
zismus sei ihm damals »durchaus bewußt«* gewesen. Er vertraute, solange er für Hitler und das Reich plante, selbstverständlich auf
das Recht und den Erfolg seiner Bemühungen: »Auch aus der Verbindung verschiedener historischer Elemente kann ein
unverwechselbarer, eigener Stil entstehen«*. Im selben Zusammenhang des Rückblicks scheint er selber nicht ganz zufrieden zu
sein mit der Begründung für seinen Historismus. Er erklärt ihn als letzten Versuch, »den Stil gegenüber der industriellen Form zu
verteidigen«*. In seinen Reflexionen aus der Spandauer Haft erscheint das Scheitern dieses »Nachzüglertums« als Konsequenz des
Verfalls einer im Grunde nicht unberechtigten Idee, die der Gefahr der »epigonalen Verkümmerung« und der Megalomanie erlag:
»Das Romantische ist am Ende ins pure Ressentiment gegen die Zivilisation, ins Lagerfeuerhafte abgerutscht, das Klassische ins
leere, heroische Pathos«*.
Speer bekennt, den Gefahren »nicht entgangen« zu sein. Er spricht von den »großen Formen Klassizismus und Romantik«, von
dem »forcierten Charakter dieses Anknüpfens an ehrwürdige Traditionen« und von seiner eigenen »Vorliebe für Renais sancen«*.
Die eigentlichen Umstände und Probleme werden dadurch jedoch verharmlost. In seinen 1969 erschienenen »Erinnerungen«
berichtet Speer immer wieder, wie eng er sich vor dem Krieg auf seine Aufgaben als Architekt beschränkte und wie spät er Hitlers
Eroberungspläne erahnte. Seine hybriden Planungen, Entwürfe und Modelle für Berlin sind mit der Bemühung, »an der großen
Form« festzuhalten, nicht mehr zu erklären. Geplant wurden gigantische Baukörper als Zentrale eines Germanischen Reiches
Deutscher Nation, das nach Speers Vorstellungen damals ja noch keineswegs von der Kanalküste bis zum Ural reichen sollte,
sondern in den Grenzen des Deutschlandliedes blieb: von der Maas bis an die Memel und von der Etsch bis an den Belt. Um so
maßloser erscheinen die Projekte, für die bereits Häuserzeilen abgebrochen, Materialien bestellt, Baustellen vorbereitet und Auf-
träge erteilt wurden. Die Kuppelhalle - nach einer Ideenskizze Hitlers aus dem Jahr 1925 - konnte mit Ansichten, Grundrissen,
Schnitten und einem ersten Modell bereits zu Hitlers 48. Geburtstag am 20. April 1937 vorgestellt werden. Auf den drei Rängen
ihrer Tribünen - um eine Kreisfläche von 140 m Durchmesser - sollte sie 150 000 bis 180 000 stehende Personen aufnehmen kön nen.
Der Durchmesser der Lichtöffnung in der Kuppel wäre mit 46 m größer gewesen als der gesamte Kuppeldurchmesser des
römischen Pantheon, das als Vorbild diente - »das Washingtoner Capitol wäre viele Male in dieser Masse versunken: Zahlen und
Größen von inflatorischem Charakter«*. Speer errechnete: »Das Innere des Raumes umfaßte das Siebzehnfache des Inhaltes der
Peterskirche«*. Der Säulenvorbau sollte von zwei je ij m hohen allegorischen Figuren flankiert werden: Atlas und Tellus als Träger
von Himmelsgewölbe und Weltkugel. Der benachbarte Palastbezirk des Führers, der die Neue Reichskanzlei zur minderen Vorstufe
degradiert hätte, sollte eine Grundfläche von zwei Millionen qm einnehmen; der Wohnpalast hätte 1,9 Millionen cbm beansprucht,
der Arbeitstrakt 1,2 Millionen cbm, ein weiterer Kanzleienflügel 200 000 cbm. Ein Reichstagsneubau sollte Platz für 1200
Abgeordnete eines Volkes von etwa 140 Millionen Germanen bieten: kein Parlament, sondern eine Stätte zur uniformen
Akklamation. Die auf Weisung Hitlers damals nicht errechneten Baukosten hätten nach Speers heutiger Schätzung vier bis sechs
Milliarden RM betragen - nach den Baupreisen von 1969 in Speers Rechnung 16 bis 24 Milliarden DM. Bis zur Fertigstellung aller
Berlin-Bauten 1950 hätten seit 1939 jährlich etwa 500 Millionen RM ausgegeben werden sollen. In den noch leeren Bauten wollte
Hitler zunächst eine Weltausstellung veranstalten*.
Speer meinte seine Nürnberger Parteitagsbauten noch vom dorischen Stil abgeleitet zu haben, so daß er sie »neoklassisch« nannte,
obwohl die gigantischen Ausdehnungen das Menschenmaß bereits verleugneten. Seine Entwürfe von 1939 sieht er als eine Art Neo-
Empire - »vergleichbar dem Stil, der ijo Jahre zuvor, kurz vor dem Sturz Napoleons, Überladenheit, Vergoldungssucht, Prunkliebe
und Verfall demonstriert hatte. In diesen Bauten kamen nicht nur durch ihren Stil, sondern auch durch ihre Übergröße Hitlers
Absichten unverhüllt ans Licht«*. In den ersten Jahren des Dritten Reiches habe Hitler noch unter dem nachwirkenden Einfluß des
von ihm hoch verehrten Troost gestanden, dessen Neo-Klassizismus im Verhältnis zu Hitlers neubarocken Neigungen geradezu
spartanisch karg und sauber gewesen sei. Spätestens fünf Jahre nach Troosts Tod sei Hitler wieder bei seinen eigenen frühen Ent-
würfen und seiner Wiener Ringstraßen-Mentalität angelangt gewesen. Speer selbst verfiel dieser Führer-Verführung: »Der Reich-
tum, die unerschöpflich mir zur Verfügung stehenden Mittel, aber auch die Parteiideologie Hitlers hatten mich auf den Weg zu
einem Stil gebracht, der eher auf die Prunkpaläste orientalischer Despoten zurückgriff«*. Photos der Modelle - allerdings nicht der
noch geheimgehaltenen größten Bauten - wurden im Herbst 1939 im Moskauer Kreml ausgestellt, nachdem Stalin sein persönliches
Interesse geäußert hatte. Sie gefielen dem Diktator, der zu Hitlers Leidwesen seinerseits einen mehr als 300 m hohen Kon- Ureßbau
zu Ehren Lenins plante - jedoch keinen frei überwölbten Raum von 250 m Durchmesser, was Hitler wiederum tröstete*. Das lierlin-
Projekt blieb einzigartig. Arno Breker, Speers und I lillers liebster offizieller Bildhauer, hatte nach einer ersten Ausbildung bei
seinem Vater, der in Wuppertal Steinmetz und Bild-
Arno Breker »Max Liebermann«, 1934
Arno Breker »Aristide Maillol«, 1943
hauer war, 1920-25 an der Düsseldorfer Kunstakademie bei dem Bildhauer Hubert Netzer und dem Architekten Wilhelm Kreis
studiert. Die Münchner Hahn-Schule war ihm zu archaischklassisch. Breker machte sich ziemlich rasch einen Namen als
Porträtist; 1926 wurden in Düsseldorf bei der Großen Kunstausstellung - Breker war gerade 26 Jahre alt - drei seiner Auf -
tragsbildnisse gezeigt. Vorher hatte er den Auftrag für ein Porträt des Reichspräsidenten Friedrich Ebert erhalten; 1934 wollte Max
Liebermann von ihm porträtiert werden. Liebermann starb im folgenden Jahr; von der Witwe wurde Breker dann gebeten, die
Totenmaske abzunehmen. In den Jahren 1926-34 hatte er vorwiegend in Paris gearbeitet; seine Vorbilder und Freunde wurden dort
Charles Despiau und Aristide Maillol, außerdem Jean Cocteau. 1943 vermittelte Breker Speers Auftrag an Maillol, eine Figur für den
Grunewald zu liefern.Während seines Jahres als Rom-Stipendiat in der Villa Mas- simo arbeitete Breker 1932-33 an den Bildnissen
des Schriftstellers Victor Manheimer und des Prälaten Georg von Bayern, einem Enkel Kaiser Franz Josephs I. Gemeinsam mit dem
Kunsthistoriker Ernst Steinmann, der die Bibliotheca Hertziana leitete, rekonstruierte er damals den ersten Zustand der Pietä
Rondanini Michelangelos. In Rom hörte er 1933 von Goebbels, der zuvor Mussolini aufgesucht hatte, einen Vortrag über das
»visionär gesehene Panorama der nahen wie fernen politischen Zukunft auf der Basis absoluter Selbstbestimmung aller Völker der
Erde«*. Beim Gespräch, das am folgenden Tag in der Villa Massimo stattfand, wurde Breker an den Heidelberger Universitätslehrer
Friedrich Gundolf erinnert, bei dem Goebbels den letzten Abschnitt seiner Studienzeit verbracht hatte, um 1921 mit einer Arbeit
über die Dramen des wenig bekannten Romantikers Wilhelm von Schütz zu promovieren; Schütz hatte sich außerdem als Publizist
zur Volkswirtschaft, zur Kulturgeschichte und zum Kirchenrecht geäußert. Goebbels gehörte zwar zu Gundolfs Seminar, nicht aber
zum engeren Kreis dieses jüdischen Germanisten, der dem aller- engsten Umkreis des Dichters Stefan George entstammte. In der
Dichterklasse der Preußischen Akademie der Künste gab es 1933 Bestrebungen, Stefan George zum Akademiepräsidenten zu ma-
chen. Goebbels versuchte, ihn aus der Schweiz wieder nach Deutschland zurückzuholen, und hätte ihn gern offiziell ver einnahmt -
sogar für das Präsidium der Reichsschrifttumskammer. Georges Resonanz bei den Völkischen und den NS-Kulturpoliti- kern
beruhte auf dem Sammelband »Das Neue Reich«, der 1928 mit dem großen Gedicht »Der Krieg« von 1917 erschienen war, auch auf
weiteren Einzelgedichten.
Gerade das schwerlich Deutbare, daher Tiefsinnige schien über den Kreis der Adepten hinaus weitere Kreise zu faszinieren - wie
nicht zuletzt auch das priesterliche, elitäre und hermetische Gehabe mit dem Ausschluß derer, die als Mann oder Jüngling nicht
prädestiniert waren zur Initiation in Lehre und Kultus. Breker notierte zur Begegnung in Rom 1933: »Im Gespräch mit Goebbels
spürte man unablässig die strenge Zucht, in die George die deutsche Sprache genommen hatte«*. Goebbels ließ Georges letzten
Geburtstag am 12. Juli 1933 feierlich begehen und einen Stefan- George-Preis als höchste literarische Auszeichnung stiften. Zu den
George-Jüngern, die sich 1933 öffentlich zu Hitler bekannten, gehörten Woldemar von Uxküll, Ludwig Thormaehlen, Ernst
Bertram, Kurt Hildebrandt, Carl Petersen und Albrecht von Blumenthal. Daß auch der Oberst i. G. Claus Graf Schenk von Stau-
fenberg, 1944 Bombenleger der Widerstandsbewegung, gemeinsam mit seinen Brüdern Alexander und Berthold zum George-Um-
kreis gezählt hatte, deutet auf die dichte Nachbarschaft zwischen Glaube und Enttäuschung, zwischen Bekenntnis und Ablehnung.
Auch Stauffenberg billigte in den ersten Jahren Hitlers Außenpolitik. Er war z6 Jahre alt gewesen, als er am 5. und 6. Dezember 1933
in der Kapelle des Dorffriedhofs von Minusio bei Locarno, gemeinsam mit Freunden, die Totenwache am aufgebahrten Zucht-
meister und Oberpriester George gehalten hatte, der den Weg in einen neuen Reichs- und Staatsmythos gewiesen hatte.
Fast alle Männerfiguren Arno Brekers wirken wie veräußerlichte Erinnerungen an die Herzworte und Wortbilder Stefan Georges.
Sie waren in den Sprachgebrauch nicht nur der Dichtung eingegangen. Symboltitel, Virilität, Gestus und Haltung der Figuren
Brekers und anderer entsprechen der Dichtung der Zeit - von Will Vesper, Heinrich Anacker, Herbert Böhme, Baidur von Schirach,
Johannes Linke, Hans Jürgen Nierentz, Herybert Menzel, Gerhard Schumann, Hans Baumann u. a. Das Deklamatorische dieser
Plastik Brekers hat sich vom Ton Georges entfernt, doch es bewahrt ihn als Herkunft: »da kamst du spross aus unsrem eignen
stamm / schön wie kein bild und greifbar wie kein träum / im nackten glänz des Gottes uns entgegen: /' da troff erfüllung aus
geweihten händen / da ward es licht und alles sehnen schwieg«*. Noch im Juni 1933 sollte Breker den Dichter porträtieren - doch
der »vehemente Wunsch« blieb unerfüllt*.
Brekers Künder, Wager, Wäger, seine Rufer und Rächer wurden zwar als etwas Neues propagiert, sie waren aber im Grunde nur
ein aufgedonnertes Epigonentum von brutaler Härte. Selbst seine Porträtplastik - wie Generalieldmarschall von Hindenburg und
Richard Wagner, ausgeführt in Kärntner Marmor - wurde nun monumentalisiert und vergröbert. Rittich nannte es »den me-
tallisch gespannten Stil dieses Künstlers«, seine »klare und edle Linien- und Formenführung«, seine Fähigkeit, »geistigen und seeli -
schen Gehalt symbolisch zum Ausdruck zu bringen«*. Seine Berufung und Bereitschaft - wie Kiinder, Wäger und Wager für den
Innenraum gedacht - zeigen nicht die gleiche deklamatorische Härte und triumphalische Kraftanstrengung wie die freistehenden
Großfiguren Partei und Wehrmacht, doch die Kraftakt-Bravour mußte auch für den Künder gelten - er ist ja Symbolfigur. Der Runde
Saal der Neuen Reichskanzlei erlaubte die Nahsicht. Haltung und Gebärde brauchten nicht ganz so ausgreifend zu sein, die
Oberflächenmodellierung konnte auf Übertreibungen teilweise verzichten.
Werner Rittich schrieb 1940: »Demgemäß sind auch in ihrer körperlichen Erscheinung diese Plastiken des Innenraums weniger
allgemeingültig, weniger typisch. Es sind Menschen, die zwar in ihrer körperlichen Erscheinung antikischen Geist tragen, im be -
sonderen aber Menschen der Gegenwart verkörpern. Eine Erscheinung, die so weit geht, daß der Wäger zum Beispiel die sehr
zeitgebundene Haartracht des Scheitels trägt, daß der Kopf des Wagers, des Wägers und der weiblichen Figur wiedererkennbare
Bildnisse von Menschen der Gegenwart sind«*.
Das entsprach ganz den Maximen Hitlers, die in der programmatischen Rede zur Eröffnung des Hauses der Deutschen Kunst
1937 ausführlich dargelegt wurden. Bildhauer und Maler hatten diesem Programm entsprechend zu denken, zu arbeiten und zu
liefern. Der Kunst war die Aufgabe der Propaganda zugewiesen, der Verkörperung von Rasse- und Volkstumsideen, von Sport idolen
und Wehrkraftmenschen. Sie sollte nicht das Tausend- jahresprogramm etwa nur illustrieren und mit dekorativem Bei werk
versehen, sondern sollte teilnehmen an der Verkündung und Bewahrung selbst.
Was Hitler 1937 sagte, hatte - wie immer bei solchen Gelegenheiten zur »ganzen deutschen Nation« - Richtliniencharakter: »Die
heutige Zeit arbeitet an einem neuen Menschentyp. Ungeheure Anstrengungen werden auf unzähligen Gebieten des Lebens
vollbracht, um das Volk zu heben, um unsere Männer, Kna- ben und Jünglinge, die Mädchen und Frauen gesünder und kraft- voller
und schöner zu gestalten. Und aus dieser Kraft und aus dieser Schönheit strömen ein neues Lebensgefühl, eine neue Lebensfreude!
Niemals war die Menschheit im Aussehen und in ihrer Empfindung der Antike näher als heute. Sport-, Wett- und Kampfspiele
stählen Millionen jugendlicher Körper und zeigen sie uns nun steigend in einer Form und Verfassung, wie sie vielleicht tausend
Jahre lang nicht gesehen, ja kaum geahnt worden sind. Ein leuchtend schöner Menschentyp wächst heran, der nach höchster Ar-
beitsleistung dem schönen alten Spruch huldigt: Saure Wochen, aber frohe Feste«*. Im folgenden Absatz rechnete Hitler noch
einmal mit den Expressionisten ab: »Dieser Menschen typ, den wir erst im vergangenen Jahr in den Olympischen Spielen in seiner
strahlenden, stolzen, körperlichen Kraft und Gesundheit vor der ganzen Welt in Erscheinung treten sahen, dieser Menschentyp,
meine Herren prähistorischen Kunststotterer, ist der Typ der neuen Zeit, und was fabrizieren Sie? Mißgestaltete Krüppel und
Kretins, Frauen, die nur abscheuerregend wirken können, Männer, die Tieren näher sind als Menschen, Kinder, die, wenn sie so
leben würden, geradezu als Fluch Gottes empfunden werden müßten! Und das wagen diese grausamsten Dilettanten unserer
heutigen Mitwelt als die Kunst unserer Zeit vorzustellen, das heißt als den Ausdruck dessen, was die heutige Zeit gestaltet und ihr
den Stempel aufprägt«. Kunst und Sport sind Gestaltungsmittel im Sinne des neuen Menschentypus. Sie bedingen sich
wechselseitig, Olympische Spiele müssen mit Olympischer Kunst einhergehen.
Es ist die Passage, in der Hitler das Reichsinnenministerium und die Strafrechtspflege als die geeigneten Instanzen empfahl, um
die Vererbung von Sehstörungen und »diesen Humbug« auszuschließen, der »die heutigen Gestalten unseres Volkes nur als
verkommene Kretins« und in der Landschaft »grundsätzlich Wiesen blau, Himmel grün, Wolken schwefelgelb usw.« sieht und
empfindet. Hitlers Devise lautete: »Denn der Künstler schafft nicht für den Künstler, sondern er schafft genauso wie alle anderen
für das Volk! Und wir werden dafür Sorge tragen, daß gerade das Volk von jetzt ab wieder zum Richter über seine Kunst aufgerufen
wird«*.
In Schrifttafeln über Eingangstüren des Hauses der Deutschen Kunst wurden Führerworte als Merksätze aus seinen »Kultur-
ieilen« der Nürnberger Reichsparteitage jedermann entgegengehalten: »Kunst ist eine erhabene und zum Fanatismus verpflich-
lendc Mission« sowie »Kein Volk lebt länger als die Dokumente seiner Kultur«*.
Der Rasjßeforscher Hans F. K. Günther, der dem Rassismus pseudowissenschaftliche und ideologische Grundlagen lieferte, se -
kundierte den Kunstrichtlinien des NS-Staates: »Kunst ist nicht nur die Wiedergabe eines Eindrucks. . .. Kunst ist vor allem
anderen die Gestaltung eines Schicksals. .. . Heldische Kunst ist allein Gestaltung eines Schicksals und kommt aus Gesinnung -
nicht aus der Fluchtgesinnung einer Werkstättenbetriebsamkeit, sondern nur aus der Gesinnung eines heldischen Menschen«*.
Der NS-Chefideologe Alfred Rosenberg wurde in diesen Zusammenhängen stets gern mit seinem »Mythos des 20. Jahrhun-
derts«, der zuerst 1930 erschien, zitiert: »Das höchste Kunstwerk des Abendlandes ist nicht ein Schönes, sondern das Werk, welches
das Äußere mit seelischer Stoßkraft durchsetzt, es von innen heraus über sich selbst erhebt«*.
Es ist nicht immer ganz logisch und grammatikalisch richtig, was die Führer und Ideologen des Dritten Reiches zu Papier und zu
Gehör brachten. Die Ergebnisse immerhin bestätigten ihren stets ehernen Willen und dessen Durchsetzungsvermögen. Am Schluß
eines Aufsatzes »Heroische Plastik« kam daher Rittich 1937 in der »Kunst im Dritten Reich« zu dem Ergebnis: »Wenn man in
Deutschland noch vor wenigen Jahren mit einer gewissen Berechtigung der gegenwärtigen heroischen Plastik gegenüber eine
abwartende Stellung einnehmen konnte, so verlangen heute bereits eindeutige Leistungen Anerkennung. Das sich ständig
steigernde heroische Lebensgefühl hat sie sich geschaffen; in den Werkstätten der Künstler sind neue im Entstehen. Denn in den
Aufträgen, die in Deutschland heute gegeben werden, liegt auch die äußere Möglichkeit einer Erfüllung des Zieles der
germanischen, nordischabendländischen Kunst, das nach den Worten von Alfred Rosenberg in der »Verkörperung höchster
seelischer Tatkraft mit immer neuen Mitteln in immer neuer Form< zu sehen ist«*. Abgebildet

Hermann Hosaeus
»Kriegerdenkmal« (publiziert 1937), Hamburg-Harburg
wurden zu diesem Aufsatz: Bernhard Bleekers Unbekannter Soldat im Ehrenmal vor dem Bayerischen Armeemuseum, Richard
Schei- bes weibliche Bronzefigur Die Saar mit den Teilen einer zerbrochenen Kettenfessel in den Händen, das Kriegerehrenmal der
Stadt Harburg a. d. Elbe, eine Kupfertreibarbeit in mehrfacher Lebensgröße von Hermann Hosaeus mit dem Trutztext »Wunden
zum Trotz tatbereit / Heute wie einst und in aller Zeit / Deutschland für Dich«, Emil Cauers Verwundeter Krieger vom
Heldenehrenmal in Sobernheim und Anton Graueis Triptychon aus Lindenholz mit den Nischenfiguren Gerechtigkeit, Tapferkeit
und Friede, im Auftrag des Reichsluftfahrtministeriums für das Kasino eines Fliegerhorstes geschaffen.
Heroisch war schließlich bald alles, was an figürlicher Plastik im Auftrag entstand und im Haus der Deutschen Kunst alljährlich
ausgestellt wurde - heroisch und nackt. Die zu Rittichs Aufsatz 1937 abgebildeten Skulpturen sind noch Gewandfiguren, auch wenn
die Hülle - bei Scheibe und Gräuel - nur noch dünn ist und
(publiziert 1937), HB®* Sobernheim

zumindest die Brüste deutlichst heraustreten läßt. Nur der Friede ist wenigstens in der vollbusigen oberen Hälfte schon ganz frei-
gelegt. Wissendes Lächeln erfüllt den Blick, der aus starken Formen dem Kasinobesucher entgegenschlägt.
Deutschland als Hort der Auserwählten, als Glaubensgral der »weissen art«, der Germanenrasse also, wurde schon von Stefan
George in seinem großen Gedicht »Der Krieg« 1917 besungen: »Land dem viel verheissung / Noch innewohnt - das drum nicht
untergeht!« Die verschlüsselte Botschaft des Gedichtsschlusses dann meint: das geistige, innere neue Reich hat seinen Mythos und
seine Gewißheit im Lande des Deutschtums, wo das Griechentum weiterzuleben vermag*.
Unter der Ägide des NS-Staates wurde diese Verheißung zum Prinzip bildnerischen Gestaltens - am deutlichsten in der
figuralen Plastik, die das neue Menschenbild wie einen Prototyp für künftige Geschlechter und Jahrhunderte verewigen
sollte: der Deutscheals Rei'nkarnation des Griechischen, der Germane als Erbe des Klassischen, als Fortsetzer der
mittelmeerischen Kultur der Antike. Brekers Karriere erfüllte die Bedingungen Hitlers. Sie war ohne die Vorbilder aus
Griechentum und Leistungssport nicht vorstellbar. Der Held spektakulärer Wettkämpfe der Neuzeit erschien in der
idealen Nacktheit antiker Olympia-Sportler.
Anton Gräuel »Gerechtigkeit, Tapferkeit und Friede« (publiziert 1937)

Emil Cauer »Verwundeter«, I938


Arno Breker »Verwundeter«, I94I

Das germanische Großreich sollte die Erfüllung des perikle'fschen Zeitalters bedeuten.
Ganz im Gegensatz zu seinem vorbildhaften Anspruch wurde Breker in Berlin insgeheim »Partei-Stukkateur« genannt. Der Bild -
hauer und Historiograph Waldemar Grzimek schilderte 1969 Bre- kers virtuose Arbeitsweise: »Er modelliert äußerst geschickt in
Ton, läßt die Porträts abgießen, während er die Negativformen der Figuren ausschleift und dadurch ein fast abstraktes Detail er -
reicht, eine Methode, die schon Metzner und Lederer anwandten«*.
Die einzige Plastik Brekers, die Waldemar Grzimek als »ernst zu nehmende Bildhauerei« anerkennt, ist der nach einer Skizze
aus den Zwanziger Jahren entstandene Verwundete. Brekers Freund André Leducq, Sieger der Tour de France, habe nach einem
Sturz blutend am Straßenrand gesessen und später das Radrennen doch noch gewonnen, berichtete Breker. Der Bildhauer sah ein
Photo des Gestürzten - es inspirierte ihn zu seiner Plastik Verwundeter von 1941*.

DAS WELTANSCHAULICHE,
GEMEINSCHAFTLICHE,
UNVERBRÜCHLICHE

Die alljährliche Große Deutsche Kunstausstellung war in dem weitläufigen Haus der Deutschen Kunst im wesentlichen nach
Gattung, Thema und Material gegliedert. In den Sälen der vor wiegend überlebensgroßen Plastik, die zudem auf Sockeln stand,
hingen nur wenige Bilder - vorzugsweise passende Nuditäten und Architekturdarstellungen großen Formates. In anderen Räumen
waren Kriegs- und Soldatenbilder, Industriedarstellungen, Blumenbilder und Landschaften konzentriert, Stilleben, bäuerliches
Genre, Familienbilder und Graphik; Porträts, Mutter-und-Kind-Bilder, bürgerliche Interieurs sowie Klein- und Tierplastik ließen
sich hier und da einordnen, ohne in ganzen Reihen zusammengefaßt zu werden. Strenge Grenzen waren nicht immer zu ziehen:
Alle- gorisierende Aktdarstellungen bedurften der Landschaft, in die sie einzubetten waren; Landschaft wiederum konnte
bäuerliches Arbeitsbild sein.
Gliederung sollte auch in der Kunst vorherrschen. Die Zeitschrift »Die Kunst im Dritten Reich« teilte in ihrem Bericht über die
Eröffnungsschau von 1937 die Malerei in Landschaft, Tierstück, bäuerliches Tagwerk, Bildnis und figürliche Komposition ein.
Inhaltliches wurde bevorzugt. Hauptschriftleiter Alexander Heilmeyer äußerte in der zuerst von Richard Klein und Leonhard Gall,
später von Rosenberg herausgegebenen Zeitschrift zum Stichwort Malerei: »Das >Was< hat seinen Vorrang vor dem >Wie< wieder
erhalten, ein Beweis dafür, daß sich das lebendige Geschehen zuletzt doch stärker erwiesen hat als die Einseitigkeit eines bloß
virtuosen Spieles mit Farbnuancen, Valeurs und Lichteffekten. So spiegelt sich denn in dieser ersten großen Kunstausstellung des
neuen Reiches das Leben unserer Zeit, und wir selbst sind es, denen wir in die Augen blicken, wenn wir vor diesen Bildern stehen«*.
Henri Nannen, damals 23 Jahre alt und nach kunsthistorischen Studien Mitarbeiter der Zeitschrift, bemerkte im selben Heft zur
Großen Deutschen Kunstausstellung einleitend: »Der Nationalsozialismus ist kein nur politisches System, er ist eine
Weltanschauung, die alle Gebiete des völkischen Lebens durchdringt und die somit in erster Linie eine gemein- scliaftsbildende
Kraft ist. Auch dieses neue Gemeinschaftsbewußtsein verlangte nach Formwerdung im Kunstwerk. Es war ohne Zweifel, daß die
sublime Bildermalerei etwa des Impressionismus dafür keine Bedeutung haben konnte. Das >Künstlerische< und das, was man
unter >Form< mißverstanden hatte, spielte mit sich selbst Fangball, war wie eine Schlange geworden, die sich selbst verschlingt. So
besann man sich wieder auf ein ureigenes Klement deutschen Kunstschaffens, auf den >Sagetrieb<, den Trieb, etwas zu sagen und
zu erzählen. Inhalt und Geschehen kamen wieder zu ihrem Recht, zu dem Recht, das sie einmal im christ lichen Andachtsbild des
Mittelalters gehabt hatten, aber es waren heutige Inhalte und das Geschehen unserer eigenen Zeit, die jetzt ihre künstlerische
Verkündung finden sollten. Die »Große Deutsche Kunstausstellung 193y< ist ein erster Rechenschaftsbericht über diese
Regeneration unserer Kunst vom Gegenständlichen her. Und - was an ihr das Wesentlichste ist - sie beweist zugleich, daß es nicht
bei dieser gegenständlichen Neuordnung geblieben ist, sondern daß sich auch ein Weg zu neuer Form überall anbahnt. Und daß
diese Form in ihrer malerischen Strenge wie in ihrer plastischen Monumentalität wieder ein Sichtbarwerden des neuen Geistes und
der neuen Gesinnung darstellt«*.
Ausgeschlossen waren Werke des Pessimismus, Internationalismus, Expressionismus, Kubismus, Konstruktivismus, Dadaismus
und des kritischen Realismus - sie wurden in der gleichzeitig stattfindenden Ausstellung »Entartete Kunst« am nahen Hof garten in
Räumen gezeigt, in denen sonst die Gipsabgußsammlung des Archäologischen Instituts der Münchner Universität unter gebracht
war. Vom 19. Juli bis 30. August wurden hier bereits über eine Million Besucher gezählt, bis zum Schluß am 30. No vember waren es
genau 2 009 899. Die »New York Times« berichtete am 6. August 1937: »Die Ausstellung »Entartete Kunst« lockt mehr als dreimal
so viele Besucher an wie die »deutsche«.
Viele sind ausländische Touristen, besonders Amerikaner und Engländer, aber darunter auch viele deutsche Kunststudenten, denen
die Ausstellung vielleicht letztmalig Gelegenheit bietet, moderne Kunst zu sehen«*.
Der hannoversche Schokoladenfabrikant Bernhard Sprengel gewann im Vergleich der beiden Münchner Ausstellungen offizieller
und inoffizieller, nun angeprangerter Kunst den entscheidenden Anstoß zum Aufbau einer Expressionisten-Sammlung, die er nach
dem Zweiten Weltkrieg beträchtlich erweiterte. Im Ausstellungskatalog seiner Sammlung von 1965 berichtete er: »Trotz schlechter
Hängung wirkte die »Entartete Kunst< auf meine Frau und mich wie eine Fanfare. Für mich, der ich bisher nur der Musik wirklich
verhaftet war und bildende Kunst mehr im Vorübergehen, wenn auch immer mit Interesse, aber doch ohne eigentliche Passion
betrachtet hatte, war dieses die erste wirklich zündende Begegnung. So führte unser Weg fast zwangsläufig und unmittelbar zu
Günther Franke in die Brienner Straße, der uns im »Hinter- stübchen< die ersten Aquarelle von Emil Nolde verkaufte. Das war, auf
den Tag zu belegen, der Beginn unserer Sammlung«*. Bei Ada und Emil Nolde selbst - zunächst in Berlin - erwarben die Sprengeis
dann die ersten Ölbilder Noldes. »Später, während härter werdender Kriegseinwirkungen, waren wir immer wieder in Seebüll. Die
häufigen Besuche bei Emil Nolde, diesem so berüchtigt verschlossenen Maler, ließen in den schweren Jahren eine von beiden
Seiten getragene Freundschaft entstehen. Während ich das große Glück hatte, Nolde im Kleinen und auch in für ihn wichtigen Fra -
gen im Kampf gegen Malverbot und um Sicherung seines Werkes helfen zu können, kam ich ihm, dem abgeschlossen und schweig -
sam Lebenden nahe bis zu Gesprächen über ein zeitgemäßes, die Gefahr der Beschlagnahme und Vernichtung seines Lebenswerkes
umgehenden Testament. . . . Wie vielen seiner Freunde hatte Emil Nolde auch uns eine große Anzahl seiner Ölbilder zur
Aufbewahrung anvertraut. Die Beziehungen zu ihm, dem großen Exponenten der Zeit, führten zu vielen freundschaftlichen
Verbindungen mit älteren Sammlern«*.
Nolde stellte in seiner Doppelfunktion als »entarteter« Künstler und als nordisch denkender Nationalsozialist, der etwa
gleichzei-
Iii: inii Iiitier ein Mitglied der NSDAP geworden war, einen be- ,Hilders grotesken Fall innerhalb der Kulturpolitik des NS-Staates
il.ir, Nolde schrieb am 12. Juli 1937 an den Präsidenten der Preu- lir.c heu Akademie der Künste, der er seit 193 1 angehörte: »Durch
den Versailler Vertrag bin ich an Dänemark abgetretener Aus- liindsdeutscher. Als die Deutsche Nationalsozialistische Partei in
Nordschleswig gegründet wurde, bin ich deren Mitglied geworden«*. Das Reichssicherheitshauptamt hatte am 13. Juli 1937 die
Preußische Akademie darauf hingewiesen, Nolde sei »wegen seiner Kunst, die als >nordisch-mystisch< bezeichnet worden ist,«
stark inbegriffen worden. Die Reichskammer der Bildenden Künste M bloß ihn 1941 aus, im selben Jahr wie Schmidt-Rottluff. In
einem vom Geschäftsführer Walter Hoffmann am 20. November 1941 11111 erzeichneten Bescheid an Nolde hieß es: »Nachdem Ihre
Erzeugnisse dem Ausschuß zur Begutachtung minderwertiger Kunst- riv.engnisse vorgelegen haben, untersage ich Ihnen mit
sofortiger Wirkung gemäß . . . den Absatz, die Verbreitung und Vervielfälti- l',nng der in der Anlage im besonderen aufgeführten
Erzeugnisse, die ich gemäß ... durch die zuständige Polizeibehörde sicherstellen lassen werde«*.
Diese Reichskammerverfügung bezog sich auf eine bestimmte Reihe vorgelegter Arbeiten. Bei der Aktion »Entartete Kunst« wa -
ren 1 0 J 2 Werke Noldes konfisziert worden, größtenteils Graphik. In biographischen Verzeichnissen heißt es, daß Nolde 194: mit
einem generellen Ausstellungs- und Malverbot belegt wurde. Im allgemeinen war während des Krieges der Ausschluß aus der
Keichskammer mit einem Malverbot gleichzusetzen, weil nur Mitglieder Bezugscheine zum Materialkauf erhielten. Wenn den Aus-
geschlossenen oder gar nicht erst Zugelassenen hilfreiche Kollegen mit Malmaterial aushalfen, konnten sich Kontrollen, denen
auch I lausfrauen und Küchenvorräte ausgesetzt sein mochten, auf die Einhaltung der Bewirtschaftungsverordnung beziehen.
In den Monaten April bis Mai 1937 veranstaltete Ferdinand Möller in seiner Berliner Galerie noch eine große Ausstellung von
Gemälden, Zeichnungen und Aquarellen Emil Noldes zu dessen 7 0 . Geburtstag. In der Wanderschau »Entartete Kunst« hingen
dann 26 Ölbilder, 4 Aquarelle und 9 graphische Blätter Noldes am
Pranger der »Reichspropagandaleitung, Amtsleitung Kultur«*. 1939 gab es eine Nolde-Ausstellung in der New Yorker Galerie des
Berliner Buch- und Kunsthändlers Karl Buchholz. Noldes politisches Verhalten ist zum Teil mit seinen Ressentiments gegen den
Kreis um Max Liebermann sowie dessen Berliner Kunsthändler und Verleger Paul Cassirer zu erklären, zum Teil mit seiner
Grenzlandheimat und zum Teil mit seiner romantischen Erdlebenneigung. Auch ihm war es gegeben, das Haupt in die Furche des
Ackers zu legen und den Brodem der Erde zu atmen: »Wenn die Bodennähe im romantisch, phantastisch freien Schaffen mir zu
schwinden schien, stand ich suchend wieder vor der Natur, Wurzeln in die Erde versenkend und demütig im vertieften Sehen, mit
den Augen aufnehmend, mit den Augen wiedergebend, und ein wenig Mensch dazu«*.
Nicht ganz ohne Anlaß dürfte der Verzicht auf Wohlwollen sein, den Karl Hofer in einem 1948 oder 1949 geschriebenen Brief, der
keine Jahresangabe enthält, äußerte: »Meine Ablehnung Noldes bezieht sich nicht in diesem Fall auf den Künstler, das wäre ja
albern, sondern auf den widerlichen Nazi, den schofeln Verräter und Denunzianten«*.
Hofer, den schon am 1. April 1933 in der Akademie ein Hetzplakat als »destruktives, marxistisch-jüdisches Element« beschimpft
hatte, war als Hochschullehrer am 30. Juni 1934 entlassen worden. Nach ijjähriger Mitgliedschaft schloß ihn 1938 auch die Preußi-
sche Akademie der Künste aus. In seinen 1952 niedergeschriebenen, 1953 erschienenen »Erinnerungen eines Malers« heißt es: »Ich
war als Bestgehaßter der erste Hochschullehrer, der aus seinem Amt entfernt wurde, bald folgte mein Freund E. R. Weiß nach, die
anderen waren brav. Es wurde mir Arbeit, Ausstellung und Verkauf meiner Bilder verboten. Ich habe nie soviel verkauft als zu jener
Zeit«*.
Die Maßnahmen und die Praxis waren nicht immer ganz einhellig und widerspruchslos. Von dem kubistischen Bildhauer Rudolf
Belling wurde die Holz-Fassung seines berühmten Dreiklangs von 1918-19 aus der Berliner Nationalgalerie 1937 eingezogen und als
Blickfang in der »Entarteten Kunst« gezeigt - gleichzeitig gab es in der »Sportabteilung« der Eröffnungsschau im Haus
Ernst Barlach »Güstrower Ehrenmal«, 1927.
Köln, Antoniterkirche V
der Deutschen Kunst Bellings Bronzebüste Der Boxer Schmeling zu sehen. Eberhard Hanfstaengl, Direktor der Berliner National-
galerie 1934-37, hatte Bellings Schmeling als Leihgabe auf eigene Verantwortung aus der Nationalgalerie nach München geschickt
(wie der Künstler 1966 meinte); es sei ein von Hanfstaengl bewerkstelligter Berliner Ankauf gewesen. Belling war durch Ver-
mittlung des Architekten Hans Poelzig im Dezember 1936 von der türkischen Regierung zum Leiter der Bildhauerabteilung an der
Istanbuler Kunstakademie berufen worden.
Ernst Barlach konnte zunächst auf die Sympathie von Goebbels und anderen rechnen, die im neuen Machtapparat saßen. Doch
den ganz Strenggläubigen war er dann doch nicht nordisch genug, sondern zu ostisch, nicht heldisch genug in seinen Büßer- und
Bettlergestalten, sondern zu knechtisch, demütig, fromm. Gerade bei Künstlern, die aus nordischem Geist zu schaffen schienen,
waren die Hüter des rechten Glaubens übergenau in der Abgrenzung. Noch im November 1936 sollten Werke von Barlach,
Lehmbruck und Kollwitz in der Jubiläumsausstellung der Preußischen Akade mie der Künste gezeigt werden, wurden aber wieder
entfernt. Als Mitglied der Dichterakademie erhielt Barlach im selben Jahr sogar noch einen größeren Geldbetrag. Die heftigsten
Maßnahmen gegen ihn setzten 1937 ein: 381 Werke konfisziert, das Güstrower Ehrenmal abgebrochen und im Krieg
eingeschmolzen*. Uber den Bildhauer Gerhard Mareks berichtete Wilhelm F. Arntz 1962: »Im Sommer 1937 war der in Halle fristlos
entlassene Gerhard Mareks, der soeben auch noch das Opfer einer Beschlagnahme- Aktion in den Räumen der Berliner Galerie
Buchholz gewesen war, vom Reichskultusminister Bernhard Rust zum Mitglied der Akademie der Bildenden Künste ernannt
worden. Diesselbe Unterschrift, Bernhard Rust, trugen die gleichzeitig vom Kultusministerium herausgegebenen Richtlinien über
die Säuberung der Museen, in denen die sofortige Entfernung der Werke des Bildhauers Gerhard Mareks angeordnet wurde«*.
Waldemar Grzimek berichtete über die Inoffiziellen unter den Bildhauern: »Ludwig Kasper wird an die Hochschule in Braun -
schweig, Toni Stadler nach Frankfurt berufen. Architekten beteiligen Ludwig Gies, Waldemar Raemisch und Karl Knappe, die
offiziell zu >entarteten Künstlern< erklärt worden waren, an Staats- ;iufträgen, und in den letzten Kriegsjahren erhalten in
einzelnen fällen auch Joachim Karsch und Gerhard Mareks Aufträge«*.
Arno Breker sah in der Erinnerung die Lage wahrscheinlich etwas zu rosig: »Die von der nationalsozialistischen Führung auf -
gezogene Einheitsfront der bildenden Künste gab es nur im Vokabular der Propaganda. Die aus früheren Jahren stark divergie-
renden Kunstströmungen liefen weiter, offen oder getarnt. ..». Selbst in der offiziellen Führungsspitze gab es mutige Verfechter
ihrer persönlichen Einstellung. Reichsaußenminister von Ribben- trop ließ seine Kinder von Otto Dix malen. Andere Gemälde des
gleichen Künstlers hingen an den Wänden. Auch der verfemte Radziwill sah sich in diesen Räumen geborgen. Einflußreiche An -
gehörige der SS setzten sich, wenn auch ohne Erfolg, für den Bildhauer Barlach ein wie für den Maler Nolde«*.
Der Maler Franz Radziwill, Meister eines als magisch bezeichneten Realismus, war 1933 als Professor an die Düsseldorfer Aka-
demie berufen worden und im selben Jahr der NSDAP beigetreten. Er konnte 1934 noch an der Venedig-Biennale teilnehmen,
wurde aber 1935 aus seinem Lehramt wieder entlassen. Walter Hansen, Lehrer und Museumsmitarbeiter in Hamburg, ein
notorischer Wichtigtuer und Denunziant, hatte am I J . März 1935 an den Thüringer Gauleiter und Reichsstatthalter Fritz Sauckel
geschrieben, um ihn aus Anlaß einer Radziwill-Ausstellung im Kunstverein Jena auf diesen »Kulturbolschewisten« aufmerksam zu
machen:
»Diese bedauerliche Entgleisung wird auch gewiß nicht von Prof. Schultze-Naumburg gutgeheißen, mit dem ich seit Jahren in
Kampfverbundenheit stehe, der vielleicht nicht nur diese z. T. perversen Bilder des Hochschulprofessors Radziwill kennt. .. . Als
Nationalsozialisten richten wir uns jedoch nach den eindeutigen Worten, mit denen unser Führer 1933 und 1934 in Nürnberg die
kunstpolitischen Ziele für unsere Bewegung festgehalten hat. . .. Für die Sauberkeit in unserer Bewegung wäre es wünschenswert,
wenn ähnliche Ausstellungen von Radziwill, wie die augenblicklich in Jena gezeigte, verboten bleiben, weil gegen den >Künstler<
schon ein parteiamtliches Verfahren eingeleitet worden ist«*. Die
Radziwill-Akten lagen beim Vorsitzenden des Obersten Parteigerichts. Hitlers Stellvertreter Rudolf Heß behielt sie zurück, um
über diesen Fall mit Erziehungsminister Rust zu sprechen*.
Einer der erstaunlichsten Vorgänge im Ausstellungswesen bezeichnet zugleich eine Wendemarke im gesamten Ablauf der NS-
Kulturpolitik. Eine laut Katalog von Goebbels selbst und Reichskammerpräsident Hönig ernannte Berliner Kommission hatte für
eine Ausstellung »Berliner Kunst« in der Münchner Neuen Pinakothek, die vom 15. März bis Mitte Mai 1935 stattfinden sollte, die
Auswahl zu treffen: die Bildhauer-Professoren Georg Kolbe und Wilhelm Gerstel, die Maler-Professoren Arthur Kampf und Franz
Lenk, außerdem die Maler Leo Freiherr von König, Otto Roloff, Erich Feyerabend und Karl Storch sowie Arno Breker; der
Ehrenausschuß war prominent besetzt: vom bayerischen Reichsstatthalter General Ritter Franz von Epp über Ministerprä sident
Ludwig Siebert, den stellvertretenden Gauleiter Otto Nip- pold bis zu Eugen Hönig.
Das ganz außergewöhnlich liberale »Geleitwort« im Katalog wurde durch »Die Berliner Ausstellungsleitung« unterzeichnet,
dürfte aber von Goebbels inspiriert und zumindest gebilligt worden sein. Die Kommission habe sich in der kurzen Frist bemüht,
»eine zwar kleine, aber möglichst vielseitige und vielfältige Kollektion Berliner Kunst zusammenzustellen, die alle Richtungen um-
faßt. Von etwa 108 Künstlern sind ca 389 Werke ausgestellt.
Vertreten sind auch Künstler, die in der letzten Zeit vielfach bekämpft worden sind. Die Werke, welche wir von ihnen zeigen,
können wir mit unserem künstlerischen Gewissen verantworten.
Da die einzelnen Menschen durchaus verschieden von Geschmack und Anschauung sind, müssen zwangsläufig auch die
künstlerischen Ideale und Manifestationen verschieden sein.
Eine Kunst für alle gibt es nicht!
Würden alle Ideen, alle Empfindungserlebnisse in eine monotone, unpersönliche Einheit verschmolzen, so wäre das das Ende
der Kunst! Vielseitigkeit und Vielfältigkeit ist das belebende Element der Kunst.
Ein Volk, welches den Anspruch macht, ein Kulturvolk zu sein, muß die Kunst fördern und ihre freie Entwicklung schützen«*.
Ks war dies der letzte öffentliche Versuch von Goebbels, Hönig und angesehenen Berliner Künstlern, die Kunst im Dritten Reich
vor der Gefahr traditionalistischer Eingleisigkeit zu bewahren und den Expressionismus als eine Kunst von deutscher, zum ersten
Mal nicht historisierender Art am Leben zu erhalten. Der Katalog verzeichnete auch bekannte deutsche Expressionisten, von denen
einige trotz ihrem vielleicht nur vorübergehenden Aufenthalt in der Keichshauptstadt - um die ganze Richtung zu stützen - als
Berliner geführt wurden: Ernst Barlach mit dem abgebildeten Rächer und den drei Heiligenfiguren von St. Anna in Lübeck; Max
Beckmann mit den Gemälden Sandvort, Badekabine und dem abgebildeten Stilleben; Lyonel Feininger mit zwei Ölbildern; Erich
Heckel mit drei Ölbildern, abgebildet wurde Lon Chaney; Otto Herbig; Karl Hofer; Willy Jaeckel; Max Kaus; César Klein; Käthe
Kollwitz; Gerhard Mareks; Hans Meyboden; Georg Muche; Emil Nolde; Max Pechstein; Hans Purrmann; Karl Schmidt-Rottluff;
Hermann Teuber. Weitere bekannte Künstler, die für das liberale Konzept einer guten Ausstellung zu bürgen schienen: Albert
Birkle, Arnold líode, Ernesto de Fiori, Ernst Fritsch, Philipp Harth, Emil van I lauth, Konrad von Kardorff, Heinrich Graf Luckner,
Paul Plont- ke, Hans Meid, Hans Mettel, Ernst Pfannschmidt, Paul Scheurich, Werner Scholz, Otto-Andreas Schreiber, Renée
Sintenis und Emil Rudolf Weiß.
Über die Vorgänge der Münchner Hängung und Eröffnung gibt es mehrere Versionen. Ernst Neumann, der Geschäftsführer der
damaligen Ausstellung, berichtet heute als Augenzeuge, daß die Einladung an die Berliner von der Münchner Künstlerhausvereins-
und Genossenschaftsgruppe ausgegangen sei. Die Münchner Ausstellungsleitung (Genossenschaft, Secession und Neue Secession)
leistete auch bei der Aufstellung und Hängung Hilfe, an der sich die Berliner Kampf und Kolbe beteiligten. Neumanns Frage »Sind
Sie gewiß, daß wir keine Schwierigkeiten bekommen?« sei einhellig verneint worden. Goebbels habe auf Rückfrage sagen lassen:
»Die Münchner sollen mal gute Kunst sehen«*.
Gauleiter Adolf Wagner und der Parteigerichtsvorsitzende Buch seien dann plötzlich in wichtigtuerischer Weise in der bereits
fertigen Ausstellung als Kunstrichter aufgetreten, um mit dem Aus- sortieren und Abhängen mißliebiger Werke zu beginnen. Es
hätte nichts genützt, auf den bereits ausgedruckten Katalog zu verweisen.
Wagner war damit einverstanden, daß über diese Entfernung des von der Berliner Kommission plazierten Ausstellungsgutes ein
Protokoll angefertigt wurde.
Breker berichtete als Kommissionsmitglied: »Keiner von uns war parteipolitisch gebunden. Das Propaganda-Ministerium stellte
sich im voraus ohne Einschränkung auf unseren Standpunkt, daß allein die künstlerische Qualität den Ausschlag für Annahme
oder Ablehnung zu geben hat. In den Ausstellungsräumen der Preußischen Akademie am Pariser Platz sammelte sich das Material
an. Die greise Käthe Kollwitz brachte persönlich ihre Arbeiten. . . . Bei der Jury bestand in der Bewertung der eingelieferten
Arbeiten von Anfang an Einigkeit. ... In knapp einer Woche war das Aufstellen der Plastiken wie das Hängen der Bilder
abgeschlossen. Kaum war die Arbeit getan, als die Parteipolitik drohend ihr Haupt hob. Unter Führung des Malers Ziegler kam eine
Kommission, aus Vertretern zusammengesetzt, die uns alle unbekannt waren, und sogleich tobten die wildesten Proteste gegen fast
die Hälfte der ausgestellten Gemälde und Plastiken, völlig zu unrecht, und es zeigte sich bald, daß man eine politische Kraftprobe
inszenieren wollte. Gemäß unserem klaren Auftrag des Propaganda- Ministeriums ließen wir uns auf keine Diskussion ein.
Unverrichteter Dinge, mit Konsequenzen drohend, verließ die Kommission das Gebäude«*. Am Nachmittag sei Gauleiter Wagner
mit Gefolge zur Besichtigung erschienen, habe sich auf die Weisungen Zieglers berufen und die Entfernung der beanstandeten
Objekte verlangt, »was eine flagrante Verletzung des Gastrechtes darstellte. Wir blieben standhaft. Das nahm die herbeigeeilte
Kommission zum Anlaß, die Korrektur selbst vorzunehmen: sie entfernte das nicht Gewünschte und forderte uns auf, die
Rumpfausstellung neu zusammenzustellen. Unter Protest verließen wir den Saal«*.
Breker sagte, noch am selben Abend habe es einen »Protestmarsch der Studenten« gegeben, die gegen den Eingriff in die
Autorität der Jury demonstrierten: »Es war die erste und die letzte Erhebung dieser Art, die der neue Staat duldete«*. Goebbels sei
telephonisch nicht zu erreichen gewesen; er habe keine Auseinandersetzung riskieren wollen und sich zurückgehalten.
Neumann kann sich an keinen studentischen Protestmarsch erinnern. Wagner habe dazu aufgefordert, die Schnüre der abge-
hängten Bilder und die Sockel der entfernten Plastiken im Raum zu belassen. Die eliminierten Kunstwerke seien auf sein Geheiß in
den benachbarten Rottmann-Saal gebracht worden.
Nach drei oder vier Sätzen der Eröffnungsrede des Gauleiters habe das Publikum zu rebellieren begonnen und gerufen: »Wir
wollen die abgehängten Bilder sehen«. Es sei dann die Tür zum Rottmann-Saal eingedrückt worden, weil alle versuchten, die ver-
botene Kunst zu sehen. Ein Skandal ersten Ranges. Die NS-Presse lobte den Gauleiter und verdammte die Kommission. Aus der
Ausstellung entfernt waren die Werke von Feininger, Schmidt- Rottluff, Barlach, Nolde, Hofer, Gerstel, Heckel, Pechstein u. a. -
Käthe Kollwitz durfte bleiben.
Der Maler Otto-Andreas Schreiber, der 1933 stellvertretender NSD-Studentenbundführer im Kreis Berlin geworden war, hatte
sich am 1935 fehlgeschlagenen letzten und bedeutsamsten Versuch einer liberalen Ausstellung in München mit einem Gartenbild
beteiligt; er mußte damals gleichzeitig das kühne Unterfangen aufgeben, mit der Zeitschrift »Kunst der Nation«, die seit dem
Herbst 1933 erschien, die Malerei des Expressionismus und benachbarte Formen der Neuen Sachlichkeit, des Surrealismus und
Impressionismus für die neue Zeit zu retten. Uber die Richtungskämpfe und das Engagement junger Nationalsozialisten während
der ersten beiden Jahre des NS-Regimes berichtete Hildegard Brenner ausführlich in ihrem Band »Die Kunstpolitik des Natio -
nalsozialismus« unter der Uberschrift »Die Kunst im politischen Machtkampf 1933/34«. Junge Künstler, Kritiker und Kunstwissen-
schaftler bemühten sich damals mit Intensität und einigem Geschick, die Kunst von Nolde, Barlach, Schmidt-Rottluff, Heckel,
Mueller, Kirchner als die »neue deutsche Kunst«, als die Kunst der nordischen Völker, als die Moderne schlechthin gegen alle Ten -
denzen von Restauration, Akademismus und Gründerzeit-Wiederkehr durchzusetzen. In zahlreichen Reden vor jungen
Generationsgenossen wandten sich Fritz Hippler, der Leiter des Berliner NSD-
Studentenbundes, und der Schulungsleiter Johann von Leers, ein Slawist, Japanologe, Antisemit und späterer SS-Führer, sowie die
beiden Maler Schreiber und Hans Weidemann gegen Reglementierungen, Kleinbürgerlichkeit und Historismus in der Kunst.
Schreiber schrieb: »Der Gartenlaubenkünstler und der Literaturmaler erleben ihre große Zeit, denn der erstere ahmt die Natur nach
und erklärt, das Volk verstehe ihn, der andere malt germanische Inhalte und erklärt, seine Kunst sei >völkisch<« #. Alfred Ro-
senbergs »Kampfbund für deutsche Kultur« war zur ideologischen Konkurrenz und zum machtpolitischen Rivalen des neuen
Goebbels-Ministeriums geworden, das sich vom Reichserziehungsministerium die Hauptabteilung Kunst hatte abtreten lassen*.
Goebbels, der 1926 Gauleiter von Berlin-Brandenburg wurde, besaß als Herausgeber der Wochenzeitung »Der Angriff« (1927-35)
vorerst das geeignetere Instrumentarium; als Reichspropagandaleiter der NSDAP hatte er seit 1929 seine eigenen und die
verfügbaren Mittel vollends einüben können. Das mit Goebbels' Ernennung vom 13. März 1933 errichtete Propaganda-Ministerium
zog auch Kompetenzen eines Kulturministeriums an sich und schuf sich als Lenkungszentrum die Reichskulturkammer. In dieser
revolutionären Frühphase des NS-Regimes zog »der kleine Doktor« (auch »Klumpfuß« genannt) unter den vielen agitatorischen
Registern, die ihm selbst geradezu virtuose Massen- und Einzelverführerfähigkeiten entlockten, noch häufig die volksnahen
Schnauzentöne (»knorke ist zweimal so dufte wie schnafte«); er betätigte fast gleichzeitig in erfolgreicher Manier die Signale der
höheren Klassen - von der Partei-Uniform bis zum Smoking paßte ihm jeder geschniegelte Anzug. Überall war Bühne, überall war
Applaus - der kleine linke Intellektuelle aus Rheydt und Elberfeld, der mit Unterstützung des katholischen Albertus-Magnus-
Vereins und den schmalen Zuwendungen der Eltern 1917-21 ein anspruchsvolles philologisches Studium bewältigt hatte, schien aus
Mangel an Glück, Liebe und Freundschaft, aus nie zu befriedigendem Kompensationsdrang ungeheuer viel nachzuholen,
aufzugipfeln, wettzumachen. Zum Flui- dum steter Erregung gehörte die erotische Erhitzung; bevorzugte Partner gesteigerten
Glanzes waren ihm Künstler jeglichen Geschlechts und jeglicher Couleur: vom grazilen Leichtgewicht bis zum schweren Helden.
Der Balte Rosenberg, der von Beruf ursprünglich Architekt war, 1923 Chefredakteur des »Völkischen Heobachters« und von
außenpolitischem Ehrgeiz geplagt wurde, titulierte sich seit 1934 »Beauftragter des Führers für die Überwa chung der gesamten
geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP«. Mit diesem ganzen ominösen Wortlaut firmierte er als
Herausgeber der - nach den ersten kleineren Heften - im Großformat monatlich in zwei Ausgaben erschienenen maßgebenden
Zeitschrift »Die Kunst im Dritten Reich« (seit September 1939 »im Deutschen Reich«).
Auf die Rivalität zwischen Goebbels und Rosenberg sind wesentliche Entwicklungen und Entscheidungen der Kunstpolitik des
NS-Staates zurückzuführen - vom gewaltsamen Ende der noch durch den Expressionismus mitbestimmten Phase der ersten beiden
Jahre bis zur Aktion »Entartete Kunst« von 1937, die sich zusätzlich gegen den Reichserziehungsminister Rust richtete, der als
gleichzeitiger preußischer Unterrichtsminister und Dienstherr der Berliner staatlichen Museen mehr duldete, als das Reich und die
Rivalen erlaubten. Einzelne bemühten sich um Milderungen: Der /.um Ministerialrat im Propaganda-Ministerium avancierte
Goeb- bels-Protegé Hans Weidemann schützte Künstler, der Referent Rolf Hetsch (Monograph Barlachs und Ruth Schaumanns,
Freund des Barlach-Kunsthändlers Bernhard Boehmer) rettete fast die gesamte konfiszierte »Entartete Kunst« vor dem
Verbrennungstod, den sein vorgesetzter Abteilungsleiter Franz Hofmann angeregt hatte, dadurch, daß er sie im Tausch- und
Kaufweg billigst verscherbelte. Nach unveröffentlichten Feststellungen von Wilhelm F. Arntz verbrannte man im März 1939 im Hof
der Berliner Hauptfeuerwache nichts Wesentliches, sondern vorwiegend Rahmenholz, Kartons und bedrucktes Papier: ein
wirkungsvoll nicht für die Weltgeschichte, sondern nur für die aktuellen Gebieterund das probate Alibi inszeniertes Feuer.
Totalverluste gehen zu Lasten des späteren Bombenkriegs.
Im Rust-Ministerium unternahmen Ministerialdirektor W. M. von Staa und sein Referent Hans von Oppen einige Hilfsver suche.
Sie konnten zwar Ludwig Justi als Direktor der Nationalgalerie nicht halten, doch kommissarisch aus Halle Aloys Schardt berufen,
der als früherer Justi-Assistent das Kronprinzenpalais und seine Bestände kannte. Alfred Hentzen, damals Assistent, erinnerte sich
an Schardt: »Er machte den heroischen, aber aussichtslosen Versuch, die neuen Machthaber davon zu überzeugen, daß der
Expressionismus die wahre Kunst der Gegenwart sei. Dazu unternahm er eine völlige Neuordnung und versuchte im Kronprinzen-
Palais eine organische Entwicklung von der Romantik über Ma- rees zu Nolde und Kirchner darzustellen. Alle deutschen Museen
halfen ihm mit Leihgaben, weil sie die Bedeutung des Experiments einsahen. Das derart neu geordnete Kronprinzen-Palais wurde
jedoch nie eröffnet, Schardt nach einem halben Jahr verzweifelter Bemühungen entlassen«*.
Der zum i. Januar 1934 aus München berufene Eberhard Hanf- staengl, der seit 1925 Direktor der Münchner städtischen
Sammlungen und erster Leiter der 1929 eröffneten Galerie im Lenbachhaus war, schaffte es bis zum Juli 1937: »Ins Kronprinzen-
Palais nahm er, zunächst meist mit Leihgaben, Werke jüngerer, weniger umstrittener Künstler auf, nahm einige, den neuen Herren
besonders anstößige Bilder ins Depot, aber sorgte dafür, daß alle wesentlichen Meister von Corinth über Nolde, die Brücke- Maler,
die Blauen Reiter bis zu Klee in einzelnen Werken immer ausgestellt blieben. Es kamen sogar neue Bilder von Nolde, Schmidt-
Rottluff, Kirchner u. a. teils durch Stiftung, teils durch Tausch in die Sammlung«*.
Hanfstaengl mochte einen gewissen Rückhalt haben, da Mitglieder seiner verzweigten Verwandtschaft aus der Münchner Verlags-
und Handelsfamilie den Führer in seinen frühen Münchner Jahren schon unterstützt und gehätschelt hatten. 1937 floh Vetter Ernst
(»Putzi«) Hanfstaengl, der Hitlers Auslandspressechef und Hauspianist war, über die Schweiz nach England: er mußte fürchten,
aus dem Flugzeug über den rotspanischen Linien abgeworfen zu werden. Mit dem Trost, das sei nur ein Scherz gewesen, und eini -
gen Versprechungen versuchten offizielle Beauftragte vergeblich, »Putzi« wieder heim ins Reich zu holen. Während des Krieges
(nach einer Internierung) beriet er den USA-Präsidenten Roose- velt, den er aus gemeinsamen Jahren an der Harvard-University
kannte.
Bei ihrem ersten Besuch im Berliner Kronprinzen-Palais, das der ängstlich gewordene Rust am j. Juli 1937 hatte schließen lassen,
überfiel der Nackedei-Maler Adolf Ziegler, nun auch Reichs- liiinstkammerpräsident, mit der Goebbels-Vollmacht in der Hand den
amtierenden Direktor Eberhard Hanfstaengl, der sich vor den Kunstscharfrichtern von seinem Kustos Paul Ortwin Rave vertreten
ließ. Nach Raves Bericht »Kunstdiktatur im Dritten Reich«, 1949 erschienen, beschlagnahmte die Ziegler-Kommission bei dieT scm
Besuch 68 Gemälde, 7 Skulpturen und 33 Blätter der graphischen Sammlung. Hentzen überlieferte: »Sie kamen mit Listen und
wußten, was sie haben wollten. Wolfgang Willrich und sein Freund Dr. Walter Hansen hatten rechtzeitig alles notiert, was für die
geplante Ausstellung >Entartete Kunst< in München geeignet erschien, und sie hatten keine Zeit zu verlieren«*. Dieser erste
Durchgang diente der Ausstellung; die spätere Totalsäuberung wurde durch das Reichsgesetz vom 31. Mai 1938 über die »Ein -
ziehung von Erzeugnissen entarteter Kunst« geregelt.
Die übrigen Kommissionsmitglieder wurden im 1. Kapitel dieses Buches genannt: Klaus Graf von Baudissin, der als Ministerial -
direktor und Amtschef im Rust-Ministerium die Beschlagnahmer Willrich und Hansen zu Mitarbeitern machte, und der Polit-Gra-
phiker Hans Schweitzer, genannt Mjölnir.
Breker meint zur Aktion »Entartete Kunst« heute, ihr Urheber sei nicht festzustellen gewesen. Rust jedenfalls habe sie
mißbilligt; der habe vor allem Marées, Liebermann, Corinth, Nolde, Lehm- bruck und die französischen Impressionisten
unbedingt schützen wollen. Vom Ausmaß der Aktion sei Rust erst kurz vor der Münchner Eröffnung »aus dritter Hand« informiert
worden; noch am Abend habe er versucht, die Ausstellung sperren zu lassen - sie sei jedoch »seit den späten Abendstunden« von
SS-Posten bewacht worden*. »Internationale Kreise« - mit Heinrich Hoffmann als Helfer - wurden von Rust verdächtigt, an der
Verschleuderung von Werken Cézannes, van Goghs, der Fauves und anderer wegen der beträchtlichen Gewinnmöglichkeiten
interessiert gewesen zu sein.
Tatsächlich fragte der Berliner Kunsthändler Karl Buchholz, einer der Abnehmer der konfiszierten Werke, nach der
BesetzungPrags dann vorfühlend an, ob er bei einer vielleicht auch dort beabsichtigten »Säuberung« der Museen
behilflich sein dürfe. Sein Kollege Karl Haberstock, der die Luzerner Auktion vom 30. Juni 1939 eingefädelt hatte, schlug
eine weitere »Reinigung« deutscher Museen vor. Unter dem Datum vom 19. Oktober 1938 bewarb sich die bekannte
Londoner Kunsthandlung Colnaghi sogar um die Übernahme des gesamten Vorrates der »Entarteten Kunst«; sie empfahl
sich gleichzeitig als einzige größere englische Firma, die ihren Kunden nie »entartete Kunst irgendeines Landes« offeriert
habe, und setzte sich gleichzeitig gegen die vermutete Pariser Konkurrenz der »zwei jüdischen Firmen« Wildenstein und
Seligmann zur Wehr*. Göring hatte zum Tausch gegen ältere Meister für sich selbst eine Gruppe recht wertvoller Bilder
beiseite schaffen lassen, darunter Gauguins Reiter am Strand von Tahiti, alle Munch-
Hans Schweitzer, genannt Mjölnir »Der Tag kommt« (publiziert 1923)

Kopf der griechischen Göttin Pallas Athene. Aus dem Münchner Festzug um »Tag der Deutschen Kunst« 1938 (vgl. S. 25)

Bilder der Berliner Nationalgalerie, mehrere Werke van Goghs und Franz Marcs noch heute verschollener,
wahrscheinlich in amerikanischem Privatbesitz zu lokalisierender Turm der blauen l'ferde«*. Göring sollte die Museen
dafür aus eigener Tasche entschädigen (im übrigen gab es keine Vergütung für die zugunsten îles Reiches eingezogenen
Kunstwerke). Er tat es jedoch nicht.
Auf der Tagung der Reichskulturkammer vom 7. Februar 1934 hatte Goebbels noch staunenswert liberale
Erklärungen abgegeben: »Grundsätzlich muß auch für den nationalsozialistischen Staat der Standpunkt
aufrechterhalten werden, daß die Kunst frei ist und daß man niemals den Versuch unternehmen darf, durch Organi -
sation den Mangel an Intuition zu ersetzen. Die Kunst an sich kann nur gedeihen, wenn man ihr größtmögliche
Entwicklungsfreiheit gibt. Und diejenigen, die die Kunst und überhaupt die ganze Kultur glauben einengen und
beschneiden zu können, versündigen sich damit an der Kunst und an der Kultur.«*
Drei Jahre später, am 30. Juni 1937, unterzeichnete Goebbels die auf den Namen Adolf Zieglers ausgestellte Ermächtigung, aus
öffentlichem Besitz »die Werke deutscher Verfallskunst seit 1910«- mit ausdrücklicher Führer-Vollmacht - »zum Zwecke einer
Ausstellung auszuwählen und sicherzustellen«*. Es fällt schwer, in dieser Aktion nur das Ergebnis der Rivalitäten zwischen Goeb-
bels, Rosenberg und Rust sehen zu wollen. Die ein Jahr später gesetzlich sanktionierten Maßnahmen bildeten als
entschädigungslose Einziehung einen schweren Eingriff in die Eigentumsrechte des Reiches, der Länder, der Gemeinden und
privater Vereinigungen. War die liberale Vorgabe ein Täuschungsmanöver? Zeigte die Diktatur jetzt ihr wahres Gesicht? Waren die
früheren Goebbels- Erklärungen nur teuflische Verführungsversuche? Es gibt keinen Hinweis darauf, daß die Aktion »Entartete
Kunst« dem verantwortlichen Propagandaminister in irgendeiner Weise peinlich gewesen wäre.
Am Tag nach Zieglers »Entarteten«-Schau eröffnete Hitler mit Haßtiraden und bösen Drohungen das Haus der Deutschen
Kunst und dessen erste Ausstellung. Den Räumaktionen überreizter, komplexbeladener Deklamationsmaler verlieh er die aggressiv
autoritäre Begründung von höchster Führer-Warte: »Wir werden von jetzt ab einen unerbittlichen Säuberungskrieg führen gegen
die letzten Elemente unserer Kulturzersetzung. Sollte sich aber unter ihnen einer befinden, der doch noch glaubt, zu Höherem be-
stimmt zu sein, dann hatte er nun ja vier Jahre Zeit, diese Bewährung zu beweisen. Diese vier Jahre aber genügen auch uns, um zu
einem endgültigen Urteil zu kommen. Nun aber werden - das will ich Ihnen hier versichern - alle die sich gegenseitig unterstüt -
zenden und damit haltenden Cliquen von Schwätzern, Dilettanten und Kunstbetrügern ausgehoben und beseitigt«*. Die Vernich -
tungsabsicht war deutlich genug.
Die von Hermann Kaspar und Richard Knecht unter Assistenz der örtlichen Künstlerschaft gesamtgestalteten
Monumentalkitschund Historien-Festumzüge - die alljährliche Mobilmachung der »Zweitausend Jahre deutsche Kultur« - ließen
die Volksgenossen jauchzen, jubeln und staunen: Vom Meergott Ägir samt Gattin Ran über die Stifterfiguren des Naumburger
Domes bis hin zu Vater Rhein, vom Kopf der Pallas Athene bis zu den Monumental bauten des Führers wurde in Modellen aus
möglichst echten Materialien, gewichtig und in reichem Maße vergoldet, so ziemlich
lies durch Münchens Straßen gefahren und getragen, was in den (¡eschichtsbüchern und NS-Annalen Rang und Namen hatte -
zum Schluß noch, Block um Block, die Partei-Bataillone, Polizei und SS im Stechschritt vorbei an Führertribüne und Jubel-Volk.
1940 ließ man die Festzugsfolge wegen drohender Wolken ausfallen - der Talmi-Spaß war aus, nun gab es heroische Anlässe aus
erster I land und Stahlgewitter gratis - mit Feuerschein und nächtlichen l/ichtspielen als Zugabe.
Doktrinäre und Verschreckte, Anpassungswillige und Gläubige lieferten das verbale Beigeräusch und die Begründung, warum
Kunst für und gegen deutsche Art geschaffen sein konnte: Karl Korn im »Berliner Tageblatt«, in der »Neuen Rundschau« und seit
1940 im »Reich«; Bruno E. Werner in der »Deutschen Allgemeinen Zeitung«, in deren Feuilleton er auch seinen einstigen Dresdner
Lehrer Will Grohmann Willfähriges schreiben ließ; Carl Lin- fert in der »Frankfurter Zeitung«; Wilhelm Westecker in der »Berliner
Börsen-Zeitung« und in seinen sogenannten kulturpoli- 1 ischen Schriften, von denen die 1936 erschienenen 145 Seiten seiner
»Kultur im Dienst der Nation« am schlimmsten waren: »Wie die Idee einer deutschen Volksordnung aus dem Blut des deutschen
Volkes entstanden ist, so schafft ein Volk auch die Kunst aus dem dunklen Drängen seines Blutes«*.
Westecker gehörte zu den sogenannten 150-prozentigen, die ihr völkisches Soll sogar noch übererfüllten. Vor seinen
unerbittlichen Augen hatten eigentlich nur die »harten, stolzen Bauernköpfe, die Ferdinand Spiegel gemalt hat« und die
»wuchtigen willensgespannten Köpfe von Staatsmännern, die Josef Thorak geschaffen hat« unterschiedlos ehernen Bestand. Selbst
Skulpturen offiziell anerkannter Künstler waren ihm zu weich und westlich: »Die spielerische Kleinplastik wird erheblich an
Bedeutung verlieren. Auch Figuren, wie Kolbe sie in einer ästhetischen Zeit geschaffen hat, werden kaum noch Beachtung finden.
An ihre Stelle werden Gestalten aus dem Volk, besondere Charaktere oder Vertreter bestimmter Stände treten. Es ist unbegreiflich,
wie man Kolbes spielerische oberflächliche Figuren heute, weil sie dem nordischen Rassenbild entsprechen, als vorbildliche
Leistungen hinstellen kann. Aus diesen impressionistischen Figuren lassen sich niemals bild-

Ferdinand Spiegel »Flieger Sch.«, 1940


hafte Gestalten deutschen Charakters entwickeln. Es fehlt ihnen die harte deutsche Haltung. Sie stehen nicht fest im deutschen Bo -
den, weder mit ihrer Gestalt noch mit dem Ausdruck und mit der Haltung des Kopfes, noch mit dem Blick. Sie sind nicht aufrecht
und frei genug. Sie sind anmutig spielerisch. Erst wenn dieses Spielerische, das im Reiz anmutiger Stellungen und in der prickeln -
den Feinheit der Oberfläche zum Ausdruck kommt, ebenso überwunden ist wie die dramatische Typisierung und das passive Dul-
dertum Barlachs (das seelisch erheblich tiefer reicht als die stark westlerische Anmut Kolbes) oder die lyrische Typisierung Lehm -
brucks oder gar der stumpfe ausdruckslose Archaismus von Mareks, werden wieder Leistungen entstehen, die kein billiger Na -
turalismus, aber auch kein krampfhafter Formalismus mehr sind, die dann auch dort, wo sie kein Denkmal sind, wieder Volkser -
lebnis werden«*. Westecker rühmte Alfred Rosenberg - »die entscheidende Tat aber vollbrachte Adolf Hitler. Er machte dem
deutschen Menschen wieder Mut, Mut zu sich selbst. Dadurch wurden auch im kulturellen Bereich die falschen Götter einer
westlichen aufklärerischen Zivilisation gestürzt, gar nicht zu reden von den anderen land- und volksfremden Idealen«*.
Auch Künstler sind Menschen. Parteiredner versprachen ihnen goldene Auftragsberge, der Beifall kam spontan. Als der Bayeri -
sche Kultusminister Hans Schemm nach einer Rede an die Mitglieder des Reichsverbandes Bildender Künstler am 28. März 1933
den l'estsaal des Münchner Künstlerhauses verließ, begleiteten ihn dankbare Heilrufe. Die bisherige Vorstandschaft trat zurück
und »schritt zur Neuordnung«. Der »Staatsanzeiger« berichtete: »Mit einem dreifachen Sieg Heil! auf den Reichskanzler schloß die
Versammlung«*. Hitler fand viele, die so lenkbar waren, wie er erwartet hatte.
Die meisten Scherereien machten ihm zu Anfang die jungen Heißsporne aus den eigenen Reihen, die das Gerede vom Nordi-
seilen allzu wörtlich genommen hatten. Goebbels' Telegramm zum Geburtstag Edvard Münchs veröffentlichte Otto-Andreas
Schreiber in der »Kunst der Nation« vom ij. Dezember 1933 auffällig, um das Regime auf diese Huldigung festzulegen: »Edvard
Münchs Werke, nordisch-germanischer Erde entsprossen, reden zu mir vom tiefen Ernst des Lebens. Seine Bilder, sowohl die
Landschaft als auch die Darstellung von Menschen sind von tiefer 1 .eidenschaft erfüllt. Münch ringt danach, die Natur in ihrer
Wahrhaftigkeit zu erfassen und sie unter rücksichtsloser Verachtung alles Akademisch-Formalen im Bilde festzuhalten. Als kraft-
voller, eigenwilliger Geist-Erbe nordischer Natur macht er sich von jedem Naturalismus frei und greift zurück auf die ewigen
Grundlagen völkischen Kunstschaffens. So sehe ich Münchs Werke und entbiete dem großen nordischen Künstler namens der
deutschen Künstlerschaft herzliche Glückwünsche zu seinem 70. Geburtstag«*.
Weniger als vier Jahre später wurden - laut Rave - von der Kommission »Entartete Kunst« aus deutschen Museen insgesamt K 2
Werke des großen Norwegers, des Vorläufers der deutschen Impressionisten, aus öffentlichen deutschen Sammlungen eingezo gen.
Als die Ziegler-Kommission am 28. August 1937 in Mannheim anrückte, glaubte der dortige Kunsthallendirektor zunächst an einen
Irrtum: er sollte Münchs Selbstbildnis von 1926 und die Landschaft mit dem Gärtner herausgeben, außerdem James Ensors Gemälde
Masken und Tod. Das Goebbels-Telegramm, auf dessen Wortlaut er verwies, war vertan und vergessen. Ein Gesinnungslump sei
Goebbels schon in jungen Jahren gewesen, soll sein Lehrer Gundolf gesagt haben.
Die Mitarbeiter der Schreiber-Zeitschrift »Kunst der Nation« von 1933 bis 1935 bilden eine vergessene Ehrenliste: Es waren
vorwiegend ganz junge Kritiker und Maler wie Hans Eckstein, Werner Haftmann, Hans Pels-Leusden, Arthur Rümann, Otto Pan-
kok; der Kunsthistoriker Wilhelm Pinder war mit 36 Jahren in diesem Kreis schon ein bemoostes Haupt. Abgebildet wurden Werke
von Künstlern der »Brücke« und des »Blauen Reiters«, außerdem von Feininger, Barlach, Lehmbruck, Karsch, Kokoschka,
Beckmann, Kerschbaumer, Jaenisch, Werner Scholz, Schrimpf, Teuber, Henselmann, Viegener, Scharl, Blumenthal, Hiller, Fuhr,
Ende, Corinth, Kaus, Kubin, Paula Modersohn-Becher, Theunissen - zu jeweils grundsätzlichen, oft monographischen Artikeln.
Im Tempel der Deutschen Kunst wurden derweil die letzten Vorbereitungen zum großen Fest des Gesunden, Wahren, Klassischen
getroffen. Regionalausstellungen, die in München im Ausweichquartier Neue Pinakothek stattfanden, zeigten schon in der
Ubergangszeit der ersten vier Jahre die Richtung staatspolitisch wertvoller Kunst an: repräsentative und biedere Bildnisse, Szenen
aus dem Landleben, unmäßig vergrößerte Lesebuch-Motive ä la Hans Thoma, Tiere und mythologische Akte - mit und ohne den
auswählenden Paris, manchmal mit einem Schwan im Schoß, liegend wie bei Tizian oder wie unter der Höhensonne, mit Gefähr-
tinnen auf lichter Flur, harrend des Mannes auf weiche Lager gebettet oder neben dem Bauernbett stehend, teils bestrumpft und
daher um so nackter: bürgerliche Reizvergnügen, Salonschmelz nun auch für Arbeiter der Faust und für Soldaten; viel Bäuerliches
auf ährensattem, goldgelb gereiftem Feld, dem Kindlein die Brust gereicht, die Schulter in dekorativer Rundung, bevölkerungspoli-
tisch wertvoll das Ganze - heimelig noch im überdehnten Großformat für den Gebrauch in großbürgerlichen Dimensionen, Museen
und Konferenzräumen. Es galt, die Rasse zu vermehren, zu-
Elk Eber »SA (= Sturm-Abteilung)«, vor 1937

versichtlich zu sein und die Wehrkraft zu stählen für Führer, Volk und Vaterland zur höheren Ehre. Auf dem Altar des
Kunsttempels der Nation durfte nur Gültiges, Starkes, Sauberes dargebracht werden. Irgendein »großer Deutscher«,
dessen Namen Hitler offenbar selbst nicht mehr wußte, hatte ihm die wichtige Weisheit einge- blasen: »Das schönste
Gesetz aber, das ich mir für mein Volk auf dieser Welt als Aufgabe seines Lebens vorzustellen vermag, ein Ahne sprach es
aus: Deutsch sein, heißt klar sein«*.
j 56 arische deutsche Künstler waren vorwiegend beglückt, die vom Führer selbst vorgenommene Prüfung bestanden zu haben.
Hitler hatte die Jury von 1937 zunächst gewähren lassen, die Einsendungen schienen das umrissene Programm nahezu fest im Auge
gehabt zu haben. Ziegler organisierte die Malerei; Breker, Wackerle und Albiker betätigten sich als Bildhauer-Jury. Beim zweiten
Informationsbesuch war Hitler weniger freundlich, die Bildhauer- Jury wurde entlassen. »Was wir ausjuriert hatten, fand Gnade,
Conrad Hommel » Generalfeldmarschall Hermann Göring«, ' 9 3 9

während unsere Auswahl sofort in den Kellern verschwand«, berichtet zumindest Breker*.
Von 15 000 Einsendungen waren 900 angenommen worden. Schlimmer noch als das Mitwirken so miserabel vordergründiger
SA- und Wehrmachtsmaler wie Elk Eber, Wolf Willrich und Willy Waldapfel, von denen man gar nichts anderes erwartete, war das
Einschwenken der soliden, traditionellen Künstler, die es kraft ihres Könnens und ihres Ansehens nicht nötig gehabt hätten. Mit
an der Spitze stand Conrad Hommel, der nun heroisierende Hitler-, Göring- und Generalstabsmaler. Er hatte 1927 den Reichs-
präsidenten Hindenburg porträtiert, auch Ebert und Schleicher, 1932 Franz von Papen, der von Juni bis Dezember 1932 als Reichs-
kanzler amtierte, dann den Bankier Hjalmar Schacht, den Reichs- bankpräsidenten von 1924 bis 1930 und von 1933 bis 1939. Man 1
rüg I lommel an, (iöring zu malen nun war er »drin«, fühlte sich geschmeichelt und konnte sich keinem Auftrag mehr entziehen.
Er kam aus Hugo von Habermanns Schule und war vor der verhärtenden Auftragsmalerei des NS-Staates ein durchaus weichtoni-
ger, locker hantierender Spätimpressionist gewesen. Immerhin konnte er es sich leisten, eines seiner Porträts von Albert Einstein
das Dritte Reich über in seinem Berliner Atelier offen stehen zu lassen, auch wenn Goebbels zur Porträtsitzung kam. In den oberen
Parteirängen hieß es inoffiziell ohnehin zuweilen: »Wer Jude ist, bestimme ich«; dieser Spruch soll auf Göring zurückgehen.
Hommel war auch nach dem Zweiten Weltkrieg der in Industrie-, Bank- und Adelskreisen hochgeschätzte, weil würdig und
kultiviert formulierende Porträtist. Ähnlich steht es mit Breker: Mit seinen Bildnissen von Max Liebermann 1934, Alfred Cortot
1942-43, Aristide Maillol 1943, Gerhart Hauptmann 1943, Friedrich Sieburg 1961, Paul Morand 1952, Jean Cocteau 1963, Ezra Pound
1967-69, Leo von König, Andre Dunoyer de Segonzac, Maurice de Vlaminck und Ludwig Hölscher bewies er eine Kontinuität, die
sogar während seiner deklamatorischen Kraftmeierphase nahezu unbehindert blieb. In seinen Porträts ist er Rodin viel näher als
Maillol und Despiau; auch hier übertreibt er lieber eine Form, als daß er sie zurücknehmen würde - doch auch das ist mög lich,
wenn es einer individuellen Charakterisierung dient. Breker gibt in seinen Bildnissen - bis auf die ganz offiziellen Porträts etwa von
Hitler und Speer - keinen Typus und keine harte Grimasse, keine eherne Härte und keine falsche Objektivierung. Seine rasche
Arbeitsweise, sein Modellieren in Ton, die impressionablen Momente, das Erkennen des Gegenübers - all das müßte man, aus
Mangel an einem besseren Verständigungswort, impressionistisch nennen. In dieselbe Gruppierung gehört seine Kleinplastik der
Zwanziger Jahre - bis zum Entwurf für ein Heine-Denkmal 1930 und den Arbeiten seines römischen Jahres wie Studie oder Sitzende
von 1932-33.
Schade, daß es nicht so weiterging. Die Aufträge des Dritten Reiches und das Lebensgefühl, in dem er sich nun wohlfühlte, ver-
darben viel. Wenn er heute auf seinen rund 3 m hohen Olympiasieger im Vorgarten zeigt und dazu bemerkt, diese Figur habe ei-
gentlich 6 m hoch werden sollen, ist nur bedauernd zu registrieren, daß die willfährige Kritiklosigkeit, die ihm das Dritte Reich mit

Arno Breker »Heinrich Heine«, 1930

seinen bombastischen Aufträgen eingab, bis heute sich nicht auflichtete - ein Ergebnis wahrscheinlich der Ressentiments, die sich
nach dem Krieg bei ihm einstellten: »Die Kunsthistoriker haben mich ja übergangen. . . . Ich stehe heute außerhalb des Betriebes«*.
Hommel bevorzugte auch in seinen Nachkriegsporträts das Repräsentative. Eine rote Draperie des Hintergrunds erläuterte er
mit den Worten: »Ich bleibe eben ein Barockmaler«*. Er malte Harald Quandt und Frau, Schacht und Frau, von Haniel, Konsul
Sachs, Fritz-Aurel Goergen, den Freund Felix Graf Luckner, bekannt als Telephonbuch-Zerreißer und Seeteufel u. v. a. m. Leben
nach dem Motto: »Wo wir sind, ist oben«. Den Münchner Opernintendanten Rudolf Hartmann konterfeite er in den Sechziger Jah-
ren - einmal privat und einmal repräsentativ im Frack mit Schärpe und Orden: er hatte sie auf dem Stuhl liegen uiul malte sie alle
auf den Frack (»Frau Hartmann möchte das so«). Klu'iiso hatte er sich aus dem Loden Hindenburgs seiner/eil eine Stoffprobe
schicken lassen, damit er nicht fehlging.

Im Haus der Deutschen Kunst hingen 1937 seine Porträts Hjalmar Schacht und Generalfeldmarschall von Mackensen-, 1938
waren es Goebbels, Schacht und Göring als Rötelzeichnung; 1939 folgte Göring als Reichsjägenneister, erhaben über totem Hirsch
und Landschaft; 1940 war ihm außer Generalkonsul Heilmann vor allem der »Führer und Oberste Befehlshaber der Wehrmacht«
vor die Palette geraten; Hitler in Feldherrnpose, mit offenem Überwurfmantel vor dramatischem Himmel, trutzig nach oben blik-
kend, zu Füßen die Karte und im Hintergrund einen Westwallbunker; dies war sein größtes Erfolgsstück, das auf Postkartenformat
verkleinert alsbald in mehreren hunderttausend Exemplaren an die kämpfende Truppe verteilt wurde.
Der Führer im Kampfgelände hieß der Superschinken, den er 1941 auf Münchner Tempel-Ebene vorzeigte: Hitler umgaben die
Chefs des Heeres, des Oberkommandos der Wehrmacht wie des

Conrad Hommel »Der Führer und Oberste Befehlshaber der Wehrmacht« (HDK 1940)
Generalstabes, neben ihm Göring als Paladin, Generalfeldmarschall von Brauc'nitsch deutet die Lage. Hommel merkte,
daß es bei derart vielfigurigen Führungsbildern doch Schwierigkeiten geben konnte, zumal das Malen viel Zeit kostete
(das Honorar betrug 60000 Reichsmark). Immer wieder wurde einer »abgesägt«, wie der Sprachgebrauch lautete; als im
Dezember 1941 das Heer vor Moskau erfror, nahm Brauchitsch seinen Abschied als Oberbefehlshaber des Heeres.
Trotzdem machte Hommel sich 1942 noch einmal an ein Stabspanorama: diesmal die Luftwajfen-Vmmmenz rund um den
runden Göring beim Lagegespräch in Berlin, 48 qm groß und ebenfalls für das große Berliner Feldherren-Pantheon
bestimmt, das Wilhelm Kreis geplant hatte. Die Dargestellten befanden sich während des Malakts in kriegswichtigem
Einsatz und waren unabkömmlich; doch Hommel besaß Photos, persönliche Eindrücke und eine Gliedergruppe, die er
mit den entsprechender? Uniformen behängen konnte. Die Luftwaffen-Arbeit währte länger als ein Jahr; ins Haus der
Deutschen Kunst gelangte sie nicht
Eduard Thöny »Auf einer Arbeitsstelle der (Bau-)Organisation Todt (OT) arn Westwall« (publiziert 1940)
mehr. Göring begann in Ungnade zu fallen; Hommel wartete vergeblich auf die Bezahlung, rollte die Leinwand zusammen
und deponierte sie im Keller des Hauses der Deutschen Kunst. Zusammen mit zahlreichen weiteren Militär- und
Kriegsdarstellungen brachten die Amerikaner das Großformat nach Übersee, plazierten es zunächst im Pentagon und 1957
im Air Force Museum in Day- ton (Ohio)*.
Aus dem Kreis der Münchner Secession, der Hommel lange Zeit vorstand, gelangten sogar Angelo Jank und Eduard Thöny
ins Wehrmachts-Genre. Ferdinand Spiegel biederte sich schon 1937 mit den zwei Triptychen SA-Mann, SS-Mann, Arb
eitsdienst-Mann nnd Flieger, Landsoldat, Matrose an. Bei ihm war der Qualitätsabfall vom Bäuerlichen zum posenreichen
Wehrertüchtigungsprogramm besonders augenfällig. Auch die Secessions-Maler Rudolf Schramm-Zittau und Leo
Samberger gelangten noch zu Tempel- Khren, blieben aber wenigstens ihrer bewährten Malweise treu: impressionistisch bei
Schramm-Zittau, Lenbach-Art bei Samber-

Richard Klein »Das Erwachen« (HDK 1937)


<
Richard Klein: Plakette für die Olympischen Spiele in Garmisch-Partenkirchen, 1936

ger. Sie prostituierten sich nicht durch Mißgriffe in Modellen und Sujets. Ebenfalls aus der Secession kam - im Ziegler-Gefolge -
der zum Nuditäten-Allegoriker und Führerbüsten-Hersteller avancierte Richard Klein, der Direktor der Münchner Akademie für
Angewandte Kunst; er wurde wegen seiner Reliefs in der Neuen Reichskanzlei und anderen Zierats fortan nicht selten »Plaketten-
Klein« genannt. Sein nackter Mann, sich aufstützend in heroischer Landschaft und überrascht von den Vertreterinnen eines
allegorischen Aktgeschwaders (nur Mars mit Schwert und Schild mußte männlich sein), erhielt unter dem Titel Das Erwachen
einen Ehrenplatz im vorwiegend mit Skulpturen bestückten Hauptsaal der Eröffnungsschau im Haus der Deutschen Kunst: Sein
riesiges Format galt als ein Hauptwerk der Ausstellung. Heilmeyer schrieb in der »Kunst im Dritten Reich« dazu: »Wir sehen den
erwachenden Mann mit energischem Antlitz dem kommenden Tag entgegensehen. Die ihn umschwebenden Gestalten gehören
teils der Traumwelt der Nacht, teils schon der tätigen Wirklichkeit des Tages an. Eine rein poetische Idee erlangt so ihren
sinnfälligen Ausdruck in einem ahnungsvoll geistigen Erleben . . .«*.
Selbst eine ehemals so künstlerisch offene, aus dem Impressionismus hervorgegangene Gemeinschaft wie die alte
Secession hatte ihren Geist aufgegeben. Immer reichhaltiger wurde das Angebot der Nackedei-Maler: der zum
Schwülen neigende Karl Truppe; ()skar Martin-Amorbach mit seinen bäuerlichen Maiden in Cra- nach-Positur; Sepp
Hilz mit seinen Socken- und Kropfband-Akten, »Meister der unbekannten Bauern-Venus« genannt; Julius Ma- heinz,
Raffael Schuster-Woldan, Richard Heymann, Oskar Graf, Krnst Liebermann, Erwin Knirr und viele andere. Junges
Fleisch und gesunde Haut hatten Konjunktur.
Um NS- und Kriegsthemen bemühten sich unter den Malern vorwiegend Adolf Bühler, Georg Siebert, Franz
Triebsch, Rudolf (ierhard Zill, Rudolf G. Werner, Paul Herrmann, Hans Schwarte- llellweg, Herbert Schnürpel und
Hans Schmitz-Wiedenbrück. Audi da gab es Differenzierungen im Kraftaufwand und Tatendrang, in Siegerpose und
Durchhalte-Propaganda. Rudolf Heng-

Karl Truppe »Sinnenfreude« (HDK 1941)


Oskar Martin-Amorbach »Bauerngrazie« (HDK 1940)
Sepp Hilz Bäuerliche Venus HDK1939

stenberg, Franz Eichhorst und Otto Engelhardt-Kyffhäuser verstanden es zuweilen, nicht nur Vordergründiges, Staatsoffizielles zu
sehen. Sie brachten dann sogar Elend, Zerstörung, Öde, Brand, und Schmutz ins Bild.
Das bäuerliche Genre folgte der von Leibi und Defregger vorgemalten Art und dem Realismus der Zwanziger Jahre. Außer Padua
reüssierten auf diesem Sektor vor allem Constantin Gerhardinger, Thomas Baumgartner, Adolf Wissel, Ferdinand Spiegel, Franz
Eichhorst, Franz Stahl, Hermann Tiebert, Julius Paul Junghanns, O. Martin-Amorbach, Georg Günther, Sepp Hilz und Otto
Kirchner; Bernhard Dörries ließ seine blonden Bauersfrauen noch etwas zuversichtlicher und stärker erscheinen; Werner Peiner
gab den Himmel über der deutschen Erde, die der Pflug des Landmanns wendet, vielleicht noch etwas schicksalsvoller; Adolf Wis-
sel wies seine Kleinbauernfamilien noch säuberlicher vor. Doch es
Franz Eichhorst »Im Splittergraben« (HDK 1943)
blieb auch bei diesen Malern im wesentlichen das, was sie vorher schon geliefert hatten: Landleben-Romantik im Stil der Neuen
Sachlichkeit. Menschen ohne Furcht und Tadel, frisch gewaschen wie die ganze Landschaft; Reste von Schweiß, Mühe, Schmutz
und Wetter sorgfältig getilgt - eine Saubermann-Kunst unter lichtvollen Bedingungen, immer Bestleistung und ohne
Maschinenbetrieb.
Georg Siebert »Meine Kameraden in Polen 1939« (HDK 1940)
Das Industriebild, ebenfalls gefördert durch die Neue Sachlichkeit, setzte die bisherige Tendenz fort, den geplagten und sich
plagenden Menschen lieber wegzulassen, höchsten ganz klein als ameisenhafte Staffage in der Tiefe und Ferne zu berücksichtigen.
Das Wunderwerk Technik genügte sich selbst. Es war zu zeigen, wie imposant die Anlage dasteht, wie sie dampfend und qualmend
zum Allgemeinwohl beiträgt, wie die Gerüste stützen und die Steine tragen, die Rohre ragen und das Ganze sich rundet. Auftrag -
geber von Industriebildern waren immer schon die Arbeitgeber, nicht die Arbeitnehmer. Wo der arbeitende Mensch selbst darge
stellt wurde, hatte er dynamisch, kräftig und zupackend zu sein - auf keinen Fall im Zustand der Erschöpfung oder Krmüdung.
Con- stantin Meunier war das Vorbild für die Figuren von Iians Breker und Fritz Koelle. Mit seinem Bergmann an der Saar erreichte
auch Fritz Koelle die Monumentalhöhe von 3 m. Jedem Arbeitsbild, jeder Arbeiterfigur sollte anzusehen sein, daß es nun ums
große Ganze ging, daß jeder seine Aufgabe kannte und stolz darauf war, dabei sein zu dürfen. Das von den Marxisten unterstellte
Mißvergnügen an der Arbeitsteilung und dem geringen Inhalt der Lohntüte war endgültig beseitigt. Alles, was der Mensch tat,
hatte zielbewußt zu geschehen, eingedenk der Aufgabe, aber nicht etwa aus purem Spaß an der Sache oder aus Freude am Spiel -
das wäre ja undeutsch gewesen.

Constantin Gerhardinger »Bäuerlicher Brotsegen« (HDK 1937)


Adolf Wissel »Bauerngruppe«, 1935

Die Jahresausstellungen im Haus der Deutschen Kunst boten die Vorbildschau, die Prototypen, das Muster. Daneben gab es Re-
gional-Ausstellungen, die auch die mittleren Leistungen berücksichtigten: Pflichtübungen auch hier, doch weniger prononciert,
weniger dramatisch, geringer im Anspruch und im Format. In München fanden diese Ausstellungen im Maximilianeum statt, je -
weils untermischt mit Werken von Künstlern, die auch im Tempelbau an der Prinzregentenstraße vertreten waren. Hier gab es die
kleineren Formate, auch das Skizzenhafte, den Entwurf und einen größeren Anteil an Landschaftsbildern. Die Tendenz und die
Gattungen waren die gleichen wie auf Reichsebene. Die Reichskammeraufsicht war gesetzlich geregelt und lückenlos, Führer- und
Leistungsprinzip gestatteten keine Sonderformen.In München war Träger dieser Ausstellungen seil 1938 die »Kameradschaft der
Künstler München e. V.«, welcher Bayerns Gauleiter präsidierte und Carl Otto Müller, Maler und Fabrikant, als verantwortlicher
Ausstellungsleiter diente. Die »Kameradschaft« wurde - mit einer nominellen Einlage von über 3,6 Millionen Reichsmark -
persönlich haftender Gesellschafter der ihren Eigentümern entzogenen Kunst-, Antiquitäten-, und Einrichtungsfirma L.
Bernheimer. Gauleiter Wagner hatte die Firma »arisiert«, Treuhänder eingesetzt und den Handel fortsetzen lassen. Bei der feier-
lichen Eröffnung der ersten »Kameradschafts«-Ausstellung-nachdem alle Künstlergruppen aufgelöst und ihre Vermögen übernom-
Fritz Koelle
»Bergmann«,

1927
Bernhard Bleeker
»Bayerns Gauleiter Adolf Wagner« (HDK 1941)

men worden waren - erklärte der stellvertretende Gauleiter Otto Nippold: »Wegen mangelnder Gesinnung, wie wir das in
früheren Jahren bei sogenannten Künstlern immer wieder feststellen mußten, brauchte niemand abgewiesen zu werden. Der
Münchner Künstler marschiert heute in der gleichen Gesinnung wie alle Volksgenossen des Gaugebietes«*.
Im Katalog der Ausstellungsleitung hatten die Künstler selbst 1934 mitteilen lassen: »Wir müssen wissen, wo Werte zu finden
sind. Wir sollen uns darüber klar sein, daß nur strengste Zucht in den Reihen der Schaffenden einen Aufschwung gewährleistet;
daß wir alles Halbe und Schwache, alles Unechte und Unwahre auszuscheiden verpflichtet sind, wenn wir als rechte Diener der
Kunst vor unserem Volk bestehen wollen«*.
Während des Krieges, im Wien des Jahres 1943, wurde ein groß angelegter Versuch unternommen, der hochoffiziellen Pro -
grammatik des Hauses der Deutschen Kunkt das Halboffizielle entgegenzuhalten. Veranstalter war Baidur von Schirach, Reichs-
Carl Otto Müller »Frau Müller«, '939

Statthalter und Gauleiter in Wien. Schon die Zitate am Beginn des Katalogs (»statt einer Vorrede«) mußten teilweise aufreizend
wirken: nicht nur Passendes von Goethe, Schiller, Schlegel, C. D. Friedrich, Thoma, Feuerbach und Langbehn, sondern auch Ab -
schnitte von Lovis Corinth, Konrad Fiedler und dieser Satz des Malers Carl Schuch, der in München zum Leibi-Kreis gehört hatte
und mit seiner Malerei völlig unverdächtig war: »Was der Laie von der Malerei will, sind Bilderbogen für große Kinder«*.
Die Ausstellung sollte im Februar und März 1943 im Wiener Künstlerhaus gezeigt werden. Wegen der Katastrophe von
Stalingrad-wo am 2i. Januar 1943 Feldmarschall Paulus fürdenHaupt-teil, am 2. Februar General von Seydlitz für den
Rest der deutschen Truppen kapitulierte - verzichtete Schirach auf eine offizielle Eröffnung. Die Ausstellung war
zugänglich - aber nur eine Woche.
Hitler schickte Alois Kolb, den Ausstellungsleiter des Hauses der Deutschen Kunst, und seinen »Reichsbühnenbildner«
Benno von
Franz Gerwin »Bau der Hochöfen der Reichswerke Hermann Göring in Salzgitter«, 1940

Arent nach Wien, damit sie ihm Bericht erstatten. Arent, seit 1932 SS-Führer, war Hitlers liebster Wagner-Szenerist, den er sogar
mit eigenen Entwürfen versorgte*. Zum Berliner Mussolini- Besuch im September 1937 hatte Arent auf der Ost-West-Achse eine
Triumph-Allee mit »einigen Hundert weißen Papp-Pylonen« errichtet, »von denen Hitler so hingerissen war, daß er beschloß, sie
später einmal in Stein auszuführen«*; jede dieser kannelierten Pfeiler-Attrappen, die in zwei Reihen standen, trug auf der Spitze
einen Hoheitsadler (»Pleitegeier«) oder auch Hakenkreuz und Liktorenbündel. Die Fahnen- und Lichtregie hatte Speer in Nürn -
berg eingeführt. Benno von Arent wurde 1942 zum »Reichsbeauftragten für die Mode« ernannt, als nach Frankreichs Niederlage
Deutschland auch in Modefragen die Führung übernehmen sollte.
Schirach ließ nach dem Durchgang der beiden Inspektoren die Wiener Ausstellung vorsorglich schließen. »Ein paar Tausend
Kataloge waren noch vorhanden«, berichtete der Kunsthistoriker Wilhelm Rüdiger, der als Schirachs Beauftragter die Ausstellung
Emil Preetorius: Entwurf eines Bühnenbildes für »Fidelio« (publiziert 1939)

organisierte. »Ich habe sie an große Buchhandlungen im ganzen Reich verteilt, ein Rest wurde vom Sicherheitsdienst beschlag -
nahmt und vernichtet«. Rüdiger hatte die Ausstellung in fast derselben Zusammensetzung zuvor aus Anlaß eines »Europäischen
Jugendtreffens« in Weimar gezeigt, wo sie von Beauftragten des SD und der Reichskulturkammer geschlossen worden war. Schi-
rach hatte sie dort gesehen und Rüdiger eingeladen, sie in Wien zu zeigen, wo Schirach die oberste Partei- und Reichsinstanz war.
Zwischen Hitler und Schirach kam es dann zum Krach, aber nicht zum Bruch - dieser erfolgte erst Anfang 1943 nach einer
Auseinandersetzung auf dem Berghof, wobei es vor allem um die Judenverfolgungen ging; das Wiener Ausstellungsproblem blieb
nicht unerwähnt. Schirach sagte in Spandau zu Speer: »Mein Kunst- urteil galt von nun an nichts mehr«*. Anderen Schaden
scheint Schirach durch seinen Alleingang nicht erlitten zu haben.
Als Hitler beim Essen in der Reichskanzlei den Katalog in die Hand bekam, schimpfte er: »Schon der Titel ist grundverkehrt!
»Junge Kunst<! Das sind doch lauter alte Leute, Narren von vorgestern, die immer noch so malen. Der Reichs;ugendführer sollte
mal bei seiner eigenen Jugend nachfragen, was sie gern hat, und nicht Propaganda gegen uns machen!«* Goebbels hatte den Kata -
log mitgebracht und dazu gesagt: »Entartete Kunst unter der Schirmherrschaft des Reiches und der Partei! Das ist doch mal was
Neues!«*
Goebbels machte sich Sorgen um seinen Machtapparat. Sein Ehrgeiz und sein Geltungsbedürfnis ließen nicht zu, daß irgendwo
ein Rivale auftauchte. Anfang 1944, als er aus Kriegsgründen andere Nöte hätte spüren können, lud er »etwa ein Dutzend
profilierter Vertreter aller Sparten der Kultur zu einer Aussprache ins Propa- Iiandaministerium ein«, notierte Breker. Wilhelm
Furtwängler vertrat die Musik, Breker und Arthur Kampf die Bildenden Künste. Goebbels gab sich kühl und polemisierte eine
Stunde lang in stehender Rede gegen Schirach und Wien, wo sich erneut zersetzende Kunsttendenzen bemerkbar gemacht hätten;
die Führung in der Kultur gebühre unbedingt Berlin. Breker registrierte, »daß es ihm IHM- darum ging, den drohenden
Führungsanspruch Schirachs im Keim zu ersticken«*. Furtwängler habe sich irritiert gezeigt.
Bernhard Bleeker »Der Führer« (publiziert 1943)
Hans Wimmer »Der Duce« (publiziert 1942)

Die so staatsgefährdende Wiener Ausstellung, die ja nur eine Woche lang zugänglich war, bot keine Wiederkehr
verbotener Tendenzen wie Expressionismus, Kubismus, Konstruktivismus oder gar kritischen Realismus. Die Führer von
Reich und Faschismus, Hitler und Mussolini, waren sogar mit ihren Bronzeköpfen zugegen. Doch Bleekers Führer mag zu
nachdenklich und Hans Wimmers Duce zu bullig und brutal gewirkt haben. Die meisten Künstler gehörten nicht zu den
Offiziellen, Hochgelobten. Inhalt schien hier einmal nicht vor formaler Qualität zu rangieren. Das letzte der Vor-Worte, ein
Satz Goethes, wirkte gefährlich, geradezu aufsässig: »Wo der Kunst der Gegenstand gleichgültig, sie rein absolut wird, der
Gegenstand nur der Träger ist, da ist sie höchste Höhe«*.
Einige dieser Halboffiziellen und Verdrängten hatten ihre Möglichkeiten auf regionaler Ebene, doch war ja in Wien immerhin
einReichsstatthalter der Veranstalter. Der Katalog enthält 582 Werke von 175 Künstlern.
Ks sind achtbare Namen dabei, die nach dem Kriegsende 1945 guten Klang bekamen: Hubert Berke, Friedrich Vordemberge, Toni
Stadler, Gustav Seitz, Kurt Schwippert, Otto Coester, Hanna Nagel, Bruno Müller-Linow, Alfred Mahlau, Kurt Sohns. Unter den
Bildhauern fehlten die Favoriten von Hitler und Speer, Breker und Thorak, dafür gab es Arbeiten von Karl Albiker, Alexander
Fischer, Philipp Harth, Josef Henselmann, Anton Hiller, Richard Knecht, Fritz Koelle, Heinrich Kirchner, Josef Wackerle, Carl M.
Schreiner, Hermann Geibel, Alfred Knott, Grete Fleischmann, Otto Ilohlt, Hermann Scheuernstuhl, Wilhelm Krieger, Otto
Schliessler, Maria Weber, Fritz Schwarzbeck, Heinrich Schott, Ludmilla Fischer-Pongratz, Maria Fuss, Ludwig Kasper, Peter
Henrich, Karl Hemmeter - und eben auch von Bleeker, Wimmer und Stadler.
Münchner Malerschulen waren breit repräsentiert mit Eduard Aigner, Eugen Croissant, Franz Gebhardt-Westerbuchberg, Erich
(¡leite, Otto Geigenberger, Günther Graßmann, Ludwig W. Groß- mann, Hermann Kaspar, Anton Lamprecht, Anton Leidl, Hans R.
I .ichtenberger, Max Mayrshofer, Hermann Mayrhofer-Passau, Alois Mitterecker-Wünsche) unter dem Namen Wünsche-Mitter-
ccker nach dem Krieg als Bildhauer tätig gewesen), Carl Otto Müller, Josef Karl Nerud, P. M. Padua, Wolf Panizza, Richard
l'liet/.sch, Josef Oberberger, Werner Paul Schmidt, Walther Tcutsch und Leo von Weiden.
Von den einstigen Malern der Neuen Sachlichkeit waren Theo (luimpion und Ernst Thoms dabei; auch Josef Hegenbarth, Otto
Nii'ineyer-Holstein, A. Paul Weber und der Zügel-Schüler Otto 1 >ill stellten hier nicht wegen der Jugend, sondern wegen der Qua-
liliil ihrer Werke aus. Tatsächlich waren viele Teilnehmer an l ilncn keineswegs jung. Schirachs Ausstellungstitel meinte etwas
linderes: die bessere Seite. Die Ausstellung hätte - bis auf wenige (licmiibedingte Ausnahmen wie die beiden »Führer«-Köpfe - im
Münchner Haus der Kunst oder irgendwo zwischen Wien und Düsseldorf auch nach dem Zweiten Weltkrieg gezeigt werden
können.
Bei einem Buchtitel gab es das gleiche Ausweichsignal. »Junge Bildhauer« nannte der Berliner Rembrandt-Verlag 1939 einen
Band mit einem Text von Fritz Nemitz. Die Rezension in der »Kunst im Deutschen Reich« teilte den nachträglichen Tadel aus,
doch der schmale Band lag vor - mit Abbildungen nach Werken von Kurt Lehmann, Toni Stadler, Fritz Wrampe, Kurt Zimmer -
mann, Heinrich Kirchner, Hermann Blumenthal, Rudolf Leptien, Hans Stangl, Kurt Schwippert, Hermann Geibel, Heinrich Ehlers,
Anton Gräuel, Joachim Karsch, Ludwig Kasper, Alfred Knott, Walter Schelenz, Gustav Seitz, Rudolf A. Agricola, Berthold Miil- ler-
Oerlinghausen, Hermann Scheuernstuhl, Paul Egon Schiffers,
Hans Breker »Mutter mit Kindern« (HDK 1940)
Christiane Naubereit, Hans Breker. Bei den Offiziellen war es der bessere Teil ihrer Produktion die meisten aber lagen außerhalb
des Erwünschten: aus for- iHillen (¡riinden.
Nii In alles, was im Dritten Reich ausgestellt und publiziert wur- ili, erfüllte das Gesetz der Diktatur. Selbst in den Spitzen des
Reiches es gab es Relationen, Reaktionen, gab es zuweilen auch per- iiiilii hen Mut. Zur Kunst - eine simple Weisheit - gehört nicht
um Können, sondern auch Charakter, damals wie heute. Der Künstler wurde zwar zum Genie erklärt, gehörte aber nach wie vor
/um Dienstleistungsgewerbe, das zum Regierungsprogramm und /in öffentlichen Meinung den nötigen Zierat zu liefern hatte: Iii
.liitigungen von Ansprüchen, Kunst am Bau, Sehnsuchtsvorla-
......... . Wiedererkennungsmerkmale in sinnenhafter Gestalt. Vorallem aber: verfügbar, gehorsam, abrufbar.
Monumentalkunst wächst, wo sie nicht nur getürmtes, veräußertes Volumen ist, aus geschlossenen Wertsystemen hervor.
Jedoch sollte Monumentalität dazu dienen, diese unvergängichen Wertgehalte als ein Bleibendes erst einmal hinzustellen und zu
verbildlichen. Diese Kunst hatte etwas zu propagieren, was gar nicht vorhanden war. Sie sollte es so tun, daß es so ausähe und alle
daran glauben könnten, es wäre schon so. Daher das Deklamatorische, Übergroße, Uberlaute auch harmloser Nichtig keiten. »Das
Tausendjährige Reich ist unser«, hieß der Weckruf .in die Verzagten. »In die Zukunft ziehn wir Mann für Mann«, nii; die Jugend
mit den Worten Baidur von Schirachs, »wir marschieren für Hitler durch Nacht und Not / mit der Fahne der Jugend(l für Freiheit
und Brot«. Sie tat es wirklich: eine ganze Genera tion.
Iss waren nur zwölf und nicht tausend Jahre. Wie kommt's, daß wir uns immer noch damit beschäftigen? Wurde die Volksseele
nachhaltig angerührt, oder fällt es so schwer, das bißchen Grossmannstum, das die Welt veränderte, zu überwinden? Der
Verhärtung und Prahlsucht eines Volkes entsprach eine trockene, handwerklich perfekt gemachte, doch unlebendige Kunst, deren
Abbildungen in der Regel besser wirken als die Originale.
Der Megalomanie des Mittelmäßigen folgte nach dem Zweiten
Weltkrieg der Wechsel in eine neue Art von Bauwut aus gerasterten Reihen und glatten Wänden: In Frankfurt am Main die leeren
und nie benutzten in den verschmutzten Himmel ragenden Bürotürme, die Trabantenstädte nicht nur auf ehemaligen Zeppelin-
und Aufmarschwiesen: Superorganisation verplanten Bau- und Menschenmaterials. Auch das New Yorker Trade Center in seiner so
unnützen wie irrealen Dimension der Vertikalen rief nach einem Bildhauer; wieder war es ein Deutscher, und wieder ging es um
Giganten-Nippes, Giganten-Spielzeug.
Die Worte schrecken, doch sie sind geblieben: Nur geriet das Stabsvokabular ins Zivile. Wir haben vielleicht noch eine Leiche im
Keller, doch die Richtung stimmt schon, das Spiel ist mit den Figuren bestückt: Einsatz, Stabsübung, Appell und Leitschiene, die
Betreuung von oben und der Tritt nach unten - wer mag schon darauf verzichten?
Der Appell an die Stärke resultiert immer auch aus der Angst vor der eigenen Schwäche. Wer stets Gesundheit und Normalität
lauthals propagiert, hat offenbar Sorge vor der eigenen Krankheit. Die Psychopathologie des Alltags soll durch den Sonntag des
Sports und der Kunst nicht auskuriert, sondern nur verdrängt und übertönt werden. Eine säkularisierte Welt sucht immer wie der
nach neuen Göttern, doch unversehens sind es die alten Gurus in anderer Gewandung.
Was die NS-Gewaltigen ausführten, hatten sie nicht selber erfunden - weder die Autobahnen noch ihren Neo-Klassizismus, den
sie nur brutalisierten. Speers Reichskanzleistil war ein harmloser Anfang, blieb noch im Maß der säulenbewehrten Chef-Etage. Das
weitere verhinderte der Krieg: die geplante Triumphal-Architektur und das totale Skulpturen-Theater. Da war weder Geist noch
Mysterium, weder Poesie - die wäre zu privat gewesen - noch Humor. Esprit gar und Witz fielen schon in die Kategorie des
Verbotenen, Welschen, Fremdländischen, galten als jüdisch und zersetzend. Eine »Bewegung zur Organisation des Optimismus«
sei geschaffen worden, erklärte Goebbels 1937 in Berlin auf der Jahrestagung der Reichskulturkammer und der NS-Gemeinschaft
»Kraft durch Freude« im Deutschen Opernhaus.
Für Hitler selbst bedeutete das: immer wieder Richard Wagners
»Tristan und Isolde«, »Meistersinger von Nürnberg«, »Ring des Nibelungen« - möglichst mehr als hundertmal, immer wieder auchLe- har
»Lustige Witwe« und »Die Fledermaus« von Johann Strauß im Theater und von Schallplatten. Joachim Fest nannte das Hitlers » Un-
fähigkeit zum Alltag: das naive zirzensische Bedürfnis nach Tusch, Fanfare und großer Entrade«, die Neigung zu grandiosen Bühnen-
auftritten, »wo er vor atemverhaltendem Publikum, weitausholend im gleißenden Licht der Kulissenblitze, immer erneut die große
Heldenrolle deklamierte« und schließlich das alte Verlangen, »sich die Wirklichkeit durch großartige Dekorationen zu verstellen«*.
Männerkult und Totenfeiern, Fackelzüge und Sonnwendräder, flammende Opferschalen und strammes Gardemaß, Lichtdome und
Marschgesang: »Da wurde was geboten«, sagt der Mann von der Straße. Rausch schützt vor Nüchternheit, der Götzenglaube vor
Gedankenarbeit: Sport, Spiel und Kunst, Kraft durch Freude, Blut und Boden; dazu keusche, gesunde Erotik in Tempelbildern und
Palastidolen, Maiden und Männer ohne Kleidbeschwerung hehr der Sonne geweiht; Freikörperkultur als germanisch-griechische Befreiung
vom Christentum. Und an Grenzen wurden und werden Bollwerke errichtet - offenbar ein Dauerprogramm.
Die »Banalität des Bösen«, von der Hannah Ahrendt sprach, verwaltete sich trefflich. Martialisches, wichtigtuerisches Groß-
mannsgehabe wie die Attitüde aufgeblähter Spießer und emsiger Kleinverwalter. Pedantisch wie der totale Verwaltungsstaat selbst war die
Malerei, die er bevorzugte. Höchstes Ziel der Kunst bildete die penible und übertriebene Genauigkeit: eine scheinbare Objektivierung, die
das bloß Vorgestellte flugs zu einer vorhandenen Wirklichkeit erklärte.
Wir sprechen von Vergangenheiten, als ob sie nicht Gegenwart wären. Die Realität wird heute durch Fernsehprogramme verstellt: nach
wie vor durch die Massenattraktionen von Fußball, Boxkampf und Wintersport, durch den Nervenkrieg um Sekunden- bruchteile,
Zentimeter und Zehntelpunkte.
»Illusionen müssen wir den Massen bringen«, sagte Hitler 1938 zu Speer, als es um Einzelheiten des Aufmarsches in der Nürnberger
Luitpold-Arena ging, »Illusionen brauchen sie nicht nur im Kino und im Theater! Vom Ernst des Lebens haben sie sowieso
Josef Pieper »Nausikaa am Gestade« (HDK 1940)
gerade weil das Leben ernst ist,müssen die Menschen über .Alltag hinausgehoben werden«*. Der Feier des Lebens diente iln Kunst:
festliche, >erhebende<, sonntäglich herausgeputzte Kunst in der Totalinszenierung des Regiekünstlers, der des Unfalls der Massen
von vornherein sicher sein konnte.
Unlängstwanderte das Gespenst der »Verschweizerung« durch ilrn deutschen Blätterwald: Friedlich, bürgerlich, neutral und
politisch bescheiden zu sein, scheint vielen Deutschen nicht zu belhagen. Doch was könnte ihnen denn Besseres widerfahren?
Statt dessen denken sie wie der kriminelle Desperado, den Orson Welles in drin Nachkriegsfilm »Der dritte Mann« spielte: Als er
oben in dein Riesenrad des Wiener Praters hinabblickte auf die kleinen Mcii'.chcnleben, bedachte er die Schweiz mit dem
angeekelten Hinweis, dort sei innerhalb von fünfhundert Jahren nicht mehr i'i i liehen als die Erfindung der Kuckucksuhr.
Zahlreiche Stellenangebote und viele Artikel in den Wirtschaftsteile großer deutscher Tageszeitungen, ganze Passagen von
Sportreportagen zeigen uns, daß sich zumindest im Sprachgebrauch nicht gar so viel geändert hat: Imponiergehabe und
Dnihgebärde finden immer wieder ihre Sprachform:
Großspurig sucht etwa eine Großbrauerei eine »technische Fühungskraft« (?) mit dem Hinweis: »Wir planen, eine zentrale
Stelle Industrial Engineering einzurichten und aufzubauen«; der Positionsinhaber soll »ausgeprägte Führungseigenschaften
besitzen«. Hier wird eine neue »Marketing-Strategie« ent- ii lieh, dort empfiehlt sich »das weltweit führende Unternehmen« Im
«weitere Expansionsgelüste; allenthalben wird »die dynamische Männlichkeit«, die »Führungspersönlichkeit«, der »Mitarbeiter
als künftige Führungskraft« umworben. Der »hart umkämpfte Markt der Unterhaltungselektronik« braucht für die
Schaltstelle« einen Mann in »Führungsposition«. Uberall an der Kundenfront« und »Strategie«, »Konfrontation«, »Aufstieg« -
im »Raum Frankfurt-Wiesbaden« oder anderswo bisweilen meint man, die Formulierungsgewalttäter vom Kommando der
Wehrmacht oder von der Luftwarnzentrale
seien noch im Dienst. Das strategische Vokabular erfreut sich unverminderter Beliebtheit: Totalitarismus ist eine Alltäglichkeit.

NACHWORT

In den Bildunterschriften mußte auf Maßangaben und genaue Datierungen verzichtet werden, wo verläßliche Daten nicht vorlagen.
Die Kataloge des Hauses der Deutschen Kunst und die Zeitschrift »Die Kunst im Dritten Reich« (seit September 1939 »Die Kunst im
Deutschen Reich«) lieferten zu den ausgestellten und abgebildeten Werken gewöhnlich nur kurze Materialangaben. Selbst aus-
führliche Aufsätze in großzügig aufgemachten Publikationen der NS-Zeit enthielten kaum ■ einmal einen Hinweis auf ein Entste-
hungsjahr. Der schwülstige, weltanschauliche Charakter solcher Texte vermied sachliche Mitteilungen. Subtile Recherchen hätten
einen unsinnig hohen Zeitaufwand erfordert, ohne daß der Erfolg solcher Bemühungen stets zu erwarten gewesen wäre.
Vielleicht bedurfte es keiner Maßangaben, weil die Größenordnungen prinzipiell auswechselbar waren. Die dem Werk gemäße
Dimension wurde selten erreicht. Derselbe Entwurf konnte einer Statuette oder einer Großplastik dienen. Abbildungen fertiger Fi-
guren bestätigen die unklaren Relationen. Wer nach dem Studium der Kataloge, Bücher und Zeitschriften den Originalen
begegnet, die in den Depots der Oberfinanzdirektion München und der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen verwahrt sind, ist
erstaunt über die Ausmaße und die geringe malerische Qualität von Landschaften und Aktdarstellungen: Fast alles ist zu groß und
zu wenig subtil, für die Nahsicht ungeeignet. Die Neutralisierung des Kunstwerks galt als Charakteristikum des Monumentalen.
Der Verlust an ästhetischer Feinheit bedeutete zugleich einen Verzicht auf moralische Qualität und substantielle Form. Die
Forderung der Anschaulichkeit des inhaltlichen Anspruchs tendierte in der Praxis zur Vergröberung der Mittel und damit - ganz
gegen die erklärte Absicht - zur Aushöhlung des Inhaltlichen.
Die amerikanische Zeitschrift »Art News« berichtete im Januar i975i daß kurz nach dem Zweiten Weltkrieg ein mit 9000 Werken
sehr erheblicher Teil der offiziellen Kunst des Dritten Reiches per Schiff in die USA gebracht wurde. Diese »German War Art Col-
lection« steht unter Aufsicht der US Army. Die Beschlagnahmeverfügung des US War Department von 1945 berief sich auf das
Potsdamer Abkommen und die Kontrollratsgesetze. Die Werke lagerten 1975 in einem baufälligen, hölzernen Behelfsquartier in
Washington (D. C.) und in einem Munitionsdepot in Pueblo (Colorado). Dokumentationen, Inventare und wissenschaftlich exakte
Bestandsaufnahmen liegen nicht vor. Die wenigen Jahre, in denen die Werke entstanden, mögen einen Verzicht auf genaue Datie-
rungen vorerst erlauben. Genauere werksgeschichtliche Untersuchungen stehen noch aus.

ANMERKUNGEN

Seite 9
». . . Wirklichkeit«: H. Kinkel »14 Berichte«, Stuttgart 1967, S. 74 f.
». . . Wert«: H. A. Müller & H. W. Singer »Allgemeines Künstler-Lexi- kon« V, Frankfurt a. M. 1921, S. 80

Seite 10

». . . sei«: K. Martin »Die Tschudi-Spende«, München 1962, S. 9 «... ihm«: ebenda


». . . Nationalsozialismus«: H. Brenner »Die Kunstpolitik des Nationalsozialismus«, Reinbek 1963

». . . Ausdehnung«: K. F. Schmidt »Französische Malerei des 19. Jahrhunderts«, Leipzig 1903, S. 136 ff.

Seite 11

A. Speer »Spandauer Tagebücher«, Berlin 1975, S. 549 + 585 Seite 15


». .. Kunst«: »Die Kunst im Dritten Reich« 1937, H. 7-8, S. 17 + 37 ». . . führen«: A. Heilmeyer, ebenda, S. 17
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Seite 17
Katalog der Ausstellung »Entartete Kunst. Bildersturm vor 25 Jahren« (Haus der Kunst), München 1962, S. XXI 4- XXVI f. Die für das Land Preußen geltende
Form des Erlasses erging durch Generaloberst Göring in seiner Eigenschaft als Preußischer Ministerpräsident am 3. 8. 1937 (abgedruckt bei H. Brenner, op. cit.,
S. 205). Teile der Münchner Ausstellung »Entartete Kunst« von 1937 wurden, mit Ergänzungen, 1938 und 1939 in Berlin, Düsseldorf, Frankfurt a. M. und
Dresden gezeigt.

Seite 18
». . . standen«: Gesetz der Reichsregierung vom 31. 5. 1938 (abgedruckt im Katalog »Entartete Kunst«, München 1962, S. XXVII) ». . . Bücher«: W. Willrichs
Buchtitel der Jahre 1937-1943 abgedruckt bei J. Wulf »Die Bildenden Künste im Dritten Reich«, Reinbek 1966, S. 178. Willrichs Zeitschriftenaufsätze der Jahre
1934-1936 bei J. Wulf, op. cit., S. 389. Willrichs gezeichnete Soldatenporträts wurden in hohen Auflagen als Postkarten gedruckt und während des Krieges als
Leitbildmaterial auch im Schulunterricht verkauft.
».. . Kürze«: Zieglers Rede ist zitiert im Katalog der Ausstellung »Entartete Kunst«, München 1962, S. XXI f. Auszüge im »Mitteilungsblatt der Reichskammer
der Bildenden Künste« vom 1. 8. 1937, S. 11 f.
1
Seite 21
». . . entsprechen«: P. Gnuva im Informationsmaterial der Werbeagentur »ring press«, Grünwald 1965

»... gebracht«: »Münchner Merkur« vom 21.-22. 8. 1965 Seite 23


R. Linnenkamp »Die Gründerzeit 1835-1918«, München 1976 (Heyne +J°5)> S. 9
Seite 25
». . . bestehen«: »Die Kunst im Dritten Reich« 1937, H. 7-8, S. 52; B. Hinz, op. cit., S. 159
Seite 26
». . . bringen«: W. Biemel »Martin Heidegger«, Reinbek 1973, S. 79 + 82; M. Heidegger »Holzwege«, Frankfurt a. M. 1950, S. 2j.
». . . Völkern«: »Die Kunst im Dritten Reich« 1937, H. 7-8, S. 52; B. Hinz, op. cit., S. 159
». . . sehen«: ebenda S. 58
»... hat«: ebenda S. 165
Seite 28

». . . worden«: ebenda, S. 60 + 167 Seite 29

»Deutsche Allgemeine Zeitung« vom 18. 7. 1937 Seite 30


»... mußte«: W. Görlitz »Geldgeber der Macht«, Düsseldorf + Wien 1976
». . . Staatsbegräbnis«: A. Heilmeyer in »Die Kunst im Dritten Reich« 1937, H. 2, S. 35
».. . Bauart«: G. J. Wolf in »Jahrbuch der Münchner Kunst«, München 1918, S. XXXV
Seite 34
H. Kiener in »Die Kunst im Dritten Reich« 1937, H. 2, S. 54 Seite 35

A. von Senger »Die Brandfackel Moskaus«, Zürich 1931, S. 24 Seite 36


». . . Kunstlehranstalten)«: H. Brenner, op. cit., S. 22 ff.
». . . geworden ist«: P. Schultze-Naumburg »Die Kunst der Deutschen«, Stuttgart 4- Berlin 1934, S. in f.
». . . durchsetzt ist«: P. Schultze-Naumburg »Kunst und Rasse« (1928), München 1935, S. 84
» ... waren«: F. Wagner »Heritage de Feu. Souvenirs de Bayreuth 1923-1940«, Paris 1947, S. 181
». . . will«: J. Wulf, op. cit., S. 188
Seite 37
». . . Widerstand«: H. Brenner, op. cit., S. 24
». . . Klassischen«: W. Westecker »Kultur im Dienst der Nation«, Hamburg 1936. - W. Willrich »Die Säuberung des Kunsttempels«, München + Berlin 1937. - P.
Schultze-Naumburg« Die Kunst der Deutschen«, Stuttgart + Berlin 1934
Seite 38
»Sicherheit«: »Die Kunst im Deutschen Reich« 1937, H. 2, S. 44 »Volksempfinden«: Tondokumente »Deutschlands Weg in die Diktatur« III: »Hitler an der
Macht 1833-1939«, Ariola Gütersloh 51 167 K

Seite 40
»Münchner Merkur« vom 21.-22. 8. 1965 Seite 44

». . . besitzt«: »Die Kunst im Deutschen Reich« 1941, H. 5 ». . . Ausdruck«: ebenda


».. . beseelen«: ebenda. Zu R. Scholz: J. Wulf, op. cit., S. 51 f. sowie H. Brenner, op. cit., S 75 + 151
Seite 45
». . . ausmacht«: J. Himmelreich im Katalog der Ausstellung »Werner Peiner«, Leichlingen 1956, S. 5
». . . Miniaturenmalerei;«: ebenda, S. 4
». . . vermochte»: J. Sommer »Werner Peiner. 60 Bilder«, Königsberg 1940

». . . Reiches«: ebenda
Benno von Arent: Entwurf eines Bühnenbildes für »Tristan und Isolde« (publiziert 1939)

Seile 46
W. Schmied »Neue Sachlichkeit und Magischer Realismus in Deutsch-
I. IIKI 1918-1933«, Hannover 1969, S. 254
Seile 48

II. . . vorweggenommen«: J. Himmelreich, op. cit., S. 5 ». . . Landes«: ebenda

pi. . . Kronenburg«: J. Sommer, op. cit.

11 . . Akademie«: J. Himmelreich, op. cit., 5-6


Seile 49
, berufen«: Katalog der Ausstellung »Willi Sitte. Gemälde und Zeich- 111111 f;<■ 11 1950-1974« (Kunstverein), Hamburg 1975, S. 17 ff. ii- Nein«:
J. Himmelreich, op. cit., S. 6
Persönlichkeitswert«: ebenda

umzugehen«: W. Peiner zum VerfasserSeite 50


». . . Bildteppiche«: J. Himmelreich, op. cit., S. 6

». . . mußte«: J. Sommer in »Die Kunst im Deutschen Reich« 1940, H. 4, S. 114 f.


Seite 51
». . . wurden«: ebenda

»... vermag«: R. Wolters in »Die Kunst im Deutschen Reich« 1939, H. 9, S. 375 / in »Die neue Reichskanzlei«, München o. J. (1939), S. 47. Der Architekt Wolters,
Schüler und Mitarbeiter Tessenows, war seit Ende 1937 in der Behörde des Berliner Generalbauinspektors Speer tätig.
Seite 53
J. Sommer in »Die Kunst im Deutschen Reich« 1940, H. 4, S. 121

Seite 54 ebenda
Seite 56
»Die Kunst im Deutschen Reich« 1939, H. 9, S. 381 / »Die neue Reichskanzlei«, op. cit., S. 6 2
Seite 57
«... formuliert«: Telegramm-Entwurf vom 21. 4. 1939 mit »Erledigt«- Vermerk vom 24. 4. (Deutsches Zentralarchiv Potsdam 6 601 658, GBl, 292J)
». . . lernen«: A. Speer »Erinnerungen«, Frankfurt a. M. + Berlin + Wien 1976, S. 128
Seite 58
W. Lötz in »Die Kunst im Deutschen Reich« 1939, H. 9, S. 406 / in »Die neue Reichskanzlei«, op. cit., S. 79. - Die dominierenden Farben Braun und Rotbraun
bedeuteten einen fast totalen Verzicht auf Kontraste und lebendige Farbigkeit. Dieser sonore Grundcharakter, der die Würde des Ortes bestimmen sollte,
entsprach den Farben des deutschbürgerlichen »Herrenzimmers« der Gründerzeit.
Seite 59
». . . Handwerkskultur«: ebenda, S. 408 / ebenda, S. 80
». .. Ringstraße«: A. Speer »Spandauer Tagebücher«, op. cit., S. 166 f.

Seite 60
»Die Kunst im Deutschen Reich«, 1939, H. 9 / »Die neue Reichskanzlei«, op. cit., S. 62
Richard Scheibe »Die Saar«, um 1937
Seite 63
11. . . Geschehens«: W. Lötz in »Die Kunst im Dritten Reich« 1938, H. 9
«... Volkes«: A. Speer in »Der Deutsche Baumeister« 1939, H. 1 (zitiert nach A. Teut »Architektur im Dritten Reich 1933-1945«, S. 196 ff.)
». . . anzukündigen«: A. Breker »Im Strahlungsfeld der Ereignisse«, I'reußisch-Oldendorf 1972, S. 95 ff.
Seite 64
11. . . gesteigert«: A. Speer in »Der Deutsche Baumeister« 1939, H. 1 (zitiert nach A. Teut, op. cit., S. 200)

11. . . werden«: A. Speer »Erinnerungen«, op. cit., S. 163 ».. . Auflockerung«: ebenda, S. 149

.......bestätigte«: ebenda, S. 149

i)... andere«: ebenda, S. 191


Seite 65
». . . geworden«: ebenda, S. 157
». . . zurückgefallen«: A. Teut, op. cit., S. 222, Anmerkung zu Dokument 71

Seite 66
». . . ist«: »Die Kunst im Dritten Reich« 1939, S. 2, S. 45 ff. mit Texten von R. Wolters, C. Meißner u. a.
». . . Kriegsgräber«: »Die Kunst im Deutschen Reich« 1941, H. 7, S. 131 mit Text von A. Speer

Seite 67 ebenda

Seite 68

R. Wolters in »Die Kunst im Dritten Reich« 1939, H. 2, S. 47 Seite 69


»Das Bauen im Neuen Reich« II, Bayreuth 1943, S. 6 ff. (zitiert von H. Brenner, op. cit., S. 129)

Seite 73
Hitlers Rede in Sonthofen 1937: Tondokument Ariola Gütersloh 51 167 K / J. Fest »Hitler«, Frankfurt + Berlin + Wien 1973, S. 397.

Seite 74
Hitlers Selbstinszenierung als Ausnahmemensch (»Mythologisierung der eigenen Existenz«): J. Fest, op. cit., S. 713 ff.

Seite 7j
».. . Taten!«: »Die Ernte der Gegenwart. Deutsche Lyrik von heute« (Herausgeber W. Vesper), Ebenhausen 1940, S. 370 f.

». . . Nation!«: ebenda, S. 382 f. Seite 79


». . . zurückzugewinnen«: E. Honigs Reichsrundfunkrede »Die Reichskulturkammer und die Bildende Kunst im Neuen Reich« (abgedruckt in »Baugilde« 1934,
H. 1)
». . . Arbeit«: Architektengesetz vom Oktober 1934 (abgedruckt bei A. Teut, op. cit., S. 99 f.)

Seile Ki

A Iii eher, op, eil., S. 185 lüg


Seite 82
11. . . bringen«: ebenda, S. 184 / A. Speer »Spandauer Tagebücher«, op. fit., S. 207 + 490 I H. Rauschning »Gespräche mit Hitler«, Zürich 1940, S. 245 / J. Fest, op.
cit., S. 332 f., 527 + 713 f.
». . . gebracht«: R. Ficks Plan von 1944 abgebildet bei H. Brenner, op. eil., Nr. 59 + S. 154 ff. / J. Fest, op. cit., S. 726 f. / A. Speer »Spandauer Tagebücher«, op. cit.,
S. 255 ff.
». . . benachbart«: A. Speer »Erinnerungen«, op. cit., S. 113

». . . RM«: H. Brenner, op. cit., S. 153 ff. 4- Dokument 92 / J. Wulf, op, cit., S. 411 ff.
Seite 83

11. .. stärken«: H. Voss (1884-1969) zum Verfasser

»... 1925«: J. Fest, op. cit., S. 726; Abb. S. 730

». . . Ausläufer«: ebenda / A, Speer »Erinnerungen«, op. cit., S. 56

». . . können«: ebenda
Seite 84
». . . Nation«: J. Fest, op. cit., S. 722. Hitlers Kulturrede vom Reichsparteitag 1937 abgedruckt in »Baugilde« 1937, H. 26
».. . auf«: H. Rauschning »Gespräche mit Hitler«, op. cit., S. 244 f.

Seite 86
». . . hinweisen«: J. Fest, op. cit., S. 734 / A. Speer »Erinnerungen«, op. cit., S. 75 f. + 110 / W. Lötz in »Die Kunst im Dritten Reich« 1937, H. 10
». . . Perikles«: Der athenische Staatsmann Perikles wurde als Sieger figur und als Alleinherrscher gefeiert, dem die Demokratie nur als Mit tel zu deren
Uberwindung diente - wie bei Hitler.
».. . lieber«: Der von einwandernden Dorern (germanischen Ursprungs - wie Rasseforscher vermuteten) gegründete spartanische Staat wurde in der NS-
Schulung wegen seines undemokratischen Aufbaus und strenger Erziehungspraxis (Gehorsam und Kriegstüchtigkeit) geradezu als Modell gepriesen.
Seite 87

».. . Bedeutung«: A. Breker, op. cit., S. 148 ». . . können?«: ebenda, S. 137 ». . . bedeutet«: ebenda, S. 166

». . . Kunst«: ebenda, S. 153


». . . Reiches«: J. Fest, op. cit., S. 526 f.
Seite 88
». . . das«: A. Breker, op. cit., S. 159 «... gab«: J. Fest, op. cit., S. 334 Seite 90
A. Speer »Spandauer Tagebücher«, op. cit., S. 167
Seite 92 ebenda

Seite 93
A. Breker in »Die neue Reichskanzlei«, op. cit., S. 58 f. Seite 94
A. Breker »Im Strahlungsfeld der Ereignisse«, op. cit., S. 95
Seite 96 ebenda, S. 97

Seite 97
K. L. Tank »Deutsche Plastik unserer Zeit«, München 1942; die Abbildung nach S. 104 zeigt Thorak vor dem Gipsmodell seines Autobahn- denkmals
im Staatsatelier Baldham. Titanen oder Giganten waren von Thorak selbstverständlich nicht im mythologischen Sinn Iiis rohe Ge genkräfte der
olympischen Gottheiten und ihrer Wefl>rdnung verstanden, sondern einfach als Kraftgestalten.

Seite 99 ebenda, S. 104

Seite 101 ebenda, S. 104 f.

Seite io2
E. Pirchan »Künstlerbrevier«, Wien 1939 / K. L. Tank, op. cit., S. 100 f. Seite 103

Führererlaß abgedruckt in »Der Deutsche Baumeister« 1940, H. 11. Seite 104

», .. können«: A. Breker, op. cit., S. 298

». . . bedeuten«: ebenda, S. 327

». . . Epos«: K. L. Tank, op. cit., S. 109 f.

2 10
».. . Aufgabe«: A. Breker, op. cit., S. 96
». . . Sonnenwagen«: ebenda
». . . anfragen«: ebenda
Seite 105 ebenda, S. 97

Seite 106
». . . begonnen«: A. Heilmeyer in »Die Kunst im Dritten Reich« 1937, H. 10, S. 22 ff.
». . . da«: A. Breker, op. cit., S. 98 Seite 107
». . . gelten«: ebenda, S. 97-99
». . . Uber-Phidias«: Der attische Bildhauer Phidias, Freund von Perikles, Leiter der Bauten und bildhauerischen Arbeiten auf der Athener Akro-
polis, schuf das über 12 m hohe Standbild der Athene Parthenos (im Parthenon-Tempel) sowie weitere Kultbilder, darunter den Zeus im Zeustempel
von Olympia.
». . . Krieger«: A. Breker, op. cit., S. 100 / »Die Kunst im Dritten Reich« 1939, H. 2, S. 47 ff.
Seite 108
». . . legen«: A. Speer »Spandauer Tagebücher«, op. cit., S. 233 f. »... waren«: ebenda, S. 201 f. ». . . geäußert«: ebenda Seite 109
W. Bade in K. L. Tank, op. cit., S. 11 f.
Seite 110 ebenda
Seite in ebenda
Seite 112
W. Grzimek »Deutsche Bildhauer des zwanzigsten Jahrhunderts«, Wiesbaden 1969, S. 73 ff. + 115 f.
Seite 114
»... löst«: K. L. Tank, op. cit., S. 93 ff.
Tritonen erscheinen in der griechischen Antike als Begleiter der Nereiden, auf Muscheln blasend. Als Sohn von Poseidon und Amphitrite war
(Ur-)Triton eine Meeresgottheit mit Fischunterleib.
Seite 115
K. L. Tank, op. cit., S. 95 f. Seite 116

»Die Kunst im Dritten Reich« 1939, H. 2 Seite 117


Ceres war altitalische Göttin des Wachstums der Ackerfrüchte, bevor sie im 6. Jahrhundert v. Chr. mit Demeter, der griechischen Vegetationsgöttin,
gleichgesetzt wurde. In der Kunst diente sie der allegorischen Darstellung des Sommers.
»... Gestaltung«: W. Rittich in »Die Kunst im Deutschen Reich« 1941, Heft 8-9, S. 264
Seite xi8
».. . angehören«: K. L. Tank, op. cit., S. 82

Ikarus geriet auf der Flucht vor Kretas König Minos zu nahe an die Sonne; das Wachs, das seine Flügel zusammenhielt, schmolz hei Samos fiel er ins
Meer.
Herkules (griechisch Herakles), Sinnbild von Kraft, Tugend und Tüchtigkeit, tötete die riesige Wasserschlange
Hydra, die in den Sümpfen von Lerna lebte. Für jeden abgeschlagenen Kopf wuchsen ihr zwei neue. Herakles besiegte sie mit Hilfe seines Gefährten
Iolaos, der die Halsstümpfe ausbrannte.
». . . Sichtbare«: K. L. Tank, op. cit., S. 82

Seite I2i
W. Rittich in »Die Kunst im Deutschen Reich«: 1940, II. 8-9, S. 261; 1941, H. 5, S. 152 ff.
Seite 122
». .. seien«: K. L. Tank, op. cit., S. 86 f. ».. . porträtieren«: ebenda, S. 88-90
». . . Führers«: W. Rittich in »Die Kunst im Dritten Reich« 1937, H. 11, S. 14 ff.
Seite 124

W. Grzimek, op. cit., S. 29 ff. / A. Breker, op. cit., S. 97 + 147 Seite 125
».. . gelernt«: E. Delpy »Fritz Klimsch«, Berlin 1942 ». . . gebracht«: ebenda». . .sei's«: Goethe »Uber Kunst und Alterthum. Fünften Bandes drittes
Heft«, Stuttgart 1826; dort heißt es aber auch: »Allen andern Künsten muß man etwas vorgeben, der griechischen allein bleibt man ewig Schuldner«.
Seite 126
W. Rittich in »Die Kunst im Deutschen Reich« 1940, H. 2, S. 55 Seite 131
K. L. Tank, op. cit., S. 48 f.

Seite 132 ebenda

Seite 133
». . . Daseins«: A. Breker, op. cit., S. 86, 97 4- 147

». . . haben«: »Die Kunst im Deutschen Reich« 1940, H. 4

Seite 135

A. Speer »Spandauer Tagebücher«, op. cit., S. 537 f. Seite 136

». . . Renaissancen«: ebenda

». . . Charakter«: A. Speer »Erinnerungen«, op. cit., S. 168 ».. . Peterskirche«: ebenda Seite 137

A. Speer »Erinnerungen«, op. cit., S. 154-156, 174-175 + 183 Seite 139

A. Breker, op. cit., S. 78 f. Seite 140

».. . schwieg«: St. George »Stern des Bundes« 1913-14 ». . . unerfüllt«: A. Breker, op. cit., S. 382 Seite 141
». .. bringen«: W. Rittich in »Die Kunst im Deutschen Reich« 1941, H. 8-9, S. 260
».. . sind«: W. Rittich in »Die Kunst im Deutschen Reich« 1940, H. 4, S. 112

Seite 142
»Die Kunst im Dritten Reich« 1937, H. 7-8, S. 60
Seite 143
».. . Kultur«: »Die Kunst im Dritten Reich« 1937, H. 7-8, S. 3 ». . . Menschen«: »Die Kunst im Dritten Reich« 1937, H. 11, S. 34 ». . . erhebt«: ebenda «...
ist«: ebenda Seite 145

»Das Neue Reich«, Berlin 1928, S. 27 ff. Seite 147

». . . anwandten«: W. Grzimek, op. cit., S. 201 ». . . 1941«: ebenda, S. 167 Seite 148
»Die Kunst im Dritten Reich« 1937, H. 9, S. 10
Seite 149 ebenda, S. 4
Seite 150
». . . sehen«: J. Wulf, op. cit., S. 363
». . . Sammlung«: Katalog der Sammlung Sprengel, Hannover 1965, S. XVIII ff.
». . . Sammlern«: ebenda Seite 151
«... geworden«: J. Wulf, op. cit., S. 40 + 349
«... werde«: Katalog der Ausstellung »Entartete Kunst«, München 1962, vor Nr. 124
Seite 152
».. . Kultur«: W. F. Arntz in »Das Schönste« 1962, H. 8, S. 36
». . . dazu«: Katalog der Ausstellung »Emil Nolde«, Köln 1973, S. 39
». . . Denunzianten«: Original des Hofer-Briefes im Besitz des Verfassers

». . . Zeit«: K. Hofer »Erinnerungen eines Malers«, Berlin 1953, S. 222 Seite ij4
». . . eingeschmolzen«: Katalog der Ausstellung »Entartete Kunst«, München 1962, vor Nr. 2 / W. F. Arntz in »Das Schönste« 1962, H. 9, S. 42 ff.
». . . wurde«: ebenda, S. 44
Seite 155
». . . Aufträge«: W. Grzimek, op. cit., S. 200
». . . Nolde«: A. Breker, op. cit., S. 134 / Katalog der Ausstellung »Franz Lenk. Retrospektive und Dokumentationen« (Galerie von Abercron), Köln
1976, S. 23: Lenks Brief vom 25. 9. 1942 nach zweiwöchigem Aufenthalt bei seinem Auftraggeber Joachim von Ribbentrop in Fuschl am See: »Dix hat
Auftrag, die ganze Familie meines Auftraggebers zu porträtieren. . . . Ich bitte aber, zu niemandem darüber zu sprechen, weil es für Dix wie für den
Auftraggeber gleichermaßen gefährlich wäre. Wie schön, Dir das schreiben zu können in der heutigen Zeit. Das ist wirklich ein Trost . . .«.

».. . ist«: D. Schmidt »In letzter Stunde. 1933-1945«, Dresden 1964, S. 215

Seite 156
».. . sprechen«: ebenda. - Uber den Denunzianten Hansen beschwerte sich in einem ausführlichen, mit Staatspolizei-Akten belegten Brief an
Reichsminister Rust vom 25. 8. 1937 sogar der Hamburger Gauleiter und Reichsstatthalter Karl Kaufmann. (Dokumente abgedruckt bei J. Wulf, op.
cit., S. 396 ff. u. a.)

». . . schützen«: Der mit 48 Abbildungen versehene Katalog enthält 323 Titel.

Seite 157
Mit Goebbels wurde - laut Neumann - von München aus telephoniert. Seite 158

A. Breker, op. cit. 106-108 Seite 160


».. . völkisch«: H. Brenner, op. cit., S. 67
». . . lassen«: Zur Kompetenz des Goebbels-Ministeriums H. Brenner, op. cit., S. 42

Seite 162

A. Hentzen in »Das Schönste« 1962, H. 11 Seite 163


». . . verlieren«: ebenda

». . . worden«: A. Breker, op. cit., S. 109 ff.

Seite 164
Katalog der Ausstellung »Entartete Kunst«, München 1962, S. XXIX f.
Seite 165
».. . Pferde«: W. F. Arntz in »Das Schönste« 1962, H. 4, S. 32 ». . . Kultur«: »Kunst der Nation« 1934, H. 2 Seite 166
». . . sicherzustellen«: Katalog der Ausstellung »Entartete Kunst«, München 1962, S. XXI
». . . beseitigt«: »Die Kunst im Dritten Reich« 1937, H. 7-8, S. 61; auf S. 40 + 42 f., H. Nannen und P. Gnuva über den »Tag der Deutschen Kunst« und
den Festzug.

Seite 167
R. Müller-Mehlis ». . . und schämten sich nicht«, II, in »Tendenzen« Nr. 19, Februar 1963
Seite 168 ebenda
Seite 169
». . . Idealen«: ebenda
». . . Versammlung«: R. Müller-Mehlis »Alte Kameraden von Gauleiters Gnaden« in »Tendenzen« Nr. 28, August 1964
»... Geburtstag:« W. F. Arntz in »Das Schönste« 1962, H. 7, S. 26
Seite 171
»Die Kunst im Dritten Reich« 1937, H. 7-8, S. 54 Seite 172

A. Breker, op. cit., S. 108 f. Seite 174

». . . Betriebes«: A. Breker zum Verfasser ». . . Barockmaler«: C. Hommel zum Verfasser Seite 177
In der Hamburger Illustrierten »Der Stern« 19Ö2, Nr. 12 über C. Hommel: »Großdeutschlands blauer Schinken«. - Über die erbeuteten Werke
deutscher Künstler in »Art News«, Januar 1975, S. 68 ff.: »Art of the Götterdämmerung«.
Seite 178
»Die Kunst im Dritten Reich« 1937, H. 9, S. 19 ff. Seite 187
»Tendenzen« Nr. 28, August 1964
Seite 188
Das Schuch-Zitat disqualifizierte die offiziellen Darstellungswünsche der NS-Führung.

Seite 190
». . . versorgte«: A. Speer »Spandauer Tagebücher«, op. cit., S. 154 f.
». . . auszuführen«: J. Wulf, op. cit., S. 150 f. + 228 / A. Speer, op. cit., S. 199 / H. Brenner, op. cit., Abb. Nr. 44

Seite 191
». .. mehr«: A. Speer, op. cit., S. 463 f.

». . . machen«: ebenda

«... Neues«: ebenda, S. 154 f.

». . . ersticken«: A. Breker, op. cit., S. 133 f.


Seite 192
Goethes Werk bot eine Fundgrube für indirekte Regimekritik - in den nachgelassenen Aphorismen über Kunst und Kunstgeschichte (zu »Maximen
und Reflexionen«) etwa: »Werke der Kunst werden zerstört, sobald der Kunstsinn verschwindet«.

Seite 197
J. Fest, op. cit., S. 698 ff. Seite 199
A. Speer »Spandauer Tagebücher«, op. cit., S. 155
LITERATUR

A. Speer »Spandauer Tagebücher«, Frankfurt a. M. + Berlin + Wien 1975. - B. Hinz »Die Malerei im deutschen Faschismus. Kunst und Kon-
terrevolution«, München 1974:
Gegen die Thesen von Hinz wandte sich J. Fest in seiner Rezension des Buches »Die Malerei im deutschen Faschismus« (»Frankfurter All-
gemeine« vom 16. November 1974): »Die Frage nach den gesellschaftlichen Bedingungen ist zweifellos ein fruchtbarer Denkansatz; aber sie ist
ein Ansatz. Nicht die Antwort, sondern allenfalls ein Instrument, sie zu finden. Überdies versagt dieser Ansatz bei der Bestimmung des ästhe -
tischen Ranges. Das einzelne Kunstwerk spiegelt in aller Regel keine soziale Wirklichkeit, und ebensowenig ist eine Sache schon Kunst, bloß
weil sie soziale Wirklichkeit spiegelt. Sonst wäre die französische Salonmalerei des 19. Jahrhunderts den Impressionisten überlegen, Alexandre
Cabanel wichtiger als Monet oder die gute Käthe Kollwitz bedeutender als Georges Braque«. Fest betont einige Widersprüche in der
versuchten Abgrenzung von nationalsozialistischem und sozialistischem Realismus. Die Faschismus-Theorie, die Hinz anwendet, muß zudem
der Frage ausweichen, warum die offizielle Kunst des NS-Staates traditionalistisch orientiert war, der italienische Faschismus zunächst in
Kunstfragen aber »progressiv« eingestellt war und von der »Pittura Metafísica« bis zur »Aeropittura« der Futuristen vieles zuließ und
förderte, was im Deutschen Reich offiziell bekämpft wurde, so daß die nationalen Beiträge zur Venedig-Biennale eine feste Achse Rom-Berlin
gar nicht erkennen ließen. Dabei wären die Relationen einiger differenzierender Überlegungen wert. Offenbar schätzte der italienische
Faschismus in der modernen Kunst vor allem beim Futurismus bestimmte dynamische Elemente, während Hitler die nationalsozialistische
Revolution alsbald für beendet erklärte und jede experimentelle Gefährdung der neoklassizistisch- barocken Monu?nentalisierung einer
statischen Tradition auszuschließen versuchte. Aufschlußreiche Standpunkt-Erklärungen sind im Zusammenhang des Skandals um die
Berliner Ausstellung italienischer Futuristen vom März 1934 formuliert worden (s. H. Brenner »Die Kunstpolitik des Nationalsozialismus«, S.
74-77). - In der Monatszeitschrift »Die Kunst der Nation« vom ¡¡.April 1934 schrieb G.H. Theunissen: »Mussolini ist der politische Futurist.
Ohne ihn wäre heute Italien eine verstaubte Ansichtskarte«. Ruggero Vasari, Mitglied des Ehrenko?nitees der Aus-

Stellung, mußte sich gegen den massiven Vorwurf des »Kulturbolschewismus« wehren und konnte sich sogar auf Mussolini selbst berufen,
als er feststellte: »Ein neuer Staat, ein neues Volk kann nur dann gedeihen, wenn auch die gesamte Kunst revolutioniert wird«.
Selbst Wassily Kandinsky scheint noch zwei Wochen nach der Durchsuchung des »Bauhaus Berlin« und der vorübergehenden Verhaftung
von 32 Studierenden an eine Koalition mit dem Gegner geglaubt zu haben. Am 23. April 1933 schrieb er an Willi Baumeister, der soeben seinen
Lehrauftrag an der Frankfurter Kunstgewerbeschule verloren hatte: »Sie fragen, was man tun oder lassen soll. Meiner Meinung nach sollten
Künstler in den Kampf bund gehen - besonders diejenigen, die dort ruhig und sachlich tätig sein könnten. Eine ganze Anzahl unserer
Bauhaus- Jugend will es machen und es kann nur begrüßt werden.«
Kandinsky sah den großen Schuldigen in der Presse: sie habe den Laien die Bedeutung der »neuen Kunstbewegungen« nicht auf die richtige
Weise erklärt, sondern 20 Jahre lang »Unsinn« serviert. Er fuhr fort: »Noch schlimmer ist es aber, daß man die Kunst mit Gewalt in die Politik
hineinzog, daß man sie politisch färbte und daß die Parteien sich gewisse Kunstrichtungen aneigneten und sich berufen fühlten, diese
künstlich gefärbte Kunst dem Publikum zu empfehlen. Und so kamen solche unwill- kürlichen Witze, daß ?nan dieselbe Kunst von links aus
als eine rein bürgerliche und von rechts als eine kommunistische färbte. Dichter könnte ja der Nebel gar nicht mehr werden. Aber in
Laienköpfen wurde er tatsächlich noch dichter. Es scheint mir, daß der geeigneteste Platz für die Lüftung dieses Nebels der Kampfbund für
Deutsche Kultur wäre« (Fak- simile-Abdruck im Katalog der Ausstellung »Willi Baumeister«, Tübingen 1971). Kandinsky empfahl also Alfred
Rosenbergs »kulturelle SA«, um »mit geschickter, ruhiger und sachlicher Erklärung« doch noch zum Ziel zu gelangen. Er war sicher weder zu
naiv noch falsch informiert, hatte genügend Erfahrung und Anfang 1933 noch einigen Anlaß zur Hoffnung, Bauhausdenken und
gegenstandslose Kunst würden im neuen Staat Verständnis finden. - Auch dieser wenig bekannte Kandinsky-Brief ist ein Beitrag zur
Differenzierung eines historischen Schemas. -
Katalog der Ausstellung »Kunst im 3. Reich. Dokumente der Unterwerfung« (Kunstverein), Frankfurt a. M. 1974:
Dieser Katalog wurde vom Frankfurter Kunstverein gemeinsam mit einer Arbeitsgruppe des Kunstgeschichtlichen Instituts der Universität
Frankfurt (18 Personen, darunter B. Hinz und Kunstvereinsdirektor G. Bussmann) im Auftrag der Stadt Frankfurt erarbeitet. Beide Unter-
suchungen wenden soziologische und wirtschaftskundliche Kriterien an, um jeweils Unterdrückungsmethoden, das Bündnis zwischen Kapital
und Faschismus sowie Verschleierungs-Mechanismen als konsequentes System nachzuweisen: Diese Beiträge zu einer Politologie der Kunst
gehen von der Amiahme aus, daß selbst scheinbar unbedeutende Werke aufgeladen sind mit Indizien für ein programmatisches Regelwerk. Die
marxistisch beeinflußte Kunstwissenschaft folgt auch beim Beispiel des Dutzendjähri- gen Reiches dem konservativen Denken in
Epocheneinheiten. Da es liberal und daher sündhaft wäre, nach der Vielfalt zu fragen, wird nach einer Einheit gar nicht erst gefragt - sie wird
vorausgesetzt. Je nach Fragestellung und Begriffsraster lauten die Antworten. -J. C. Fest »Hitler«, Frankfurt a. M. + Berlin + Wien 1973. - G. Busch
»Entartete Kunst. Geschichte und Moral«, Frankfurt a. M. 1969. - A. Speer »Erinnerungen«, Berlin 1969. - A. Teut »Architektur im Dritten Reich 1933-
1945«, Berlin + Frankfurt a. M. + Wien 1967. - R. Müller- Mehlis »Der Fall Hermann Kaspar«, München 1966. - J. Wulf »Die Bildenden Künste im
Dritten Reich«, Reinbek 1966. - H. Brenner »Die Kunstpolitik des Nationalsozialismus«, Reinbek 1963. - F. Roh »Entartete Kunst«, Hannover 1962. - P.
O. Rave »Kunstdiktatur im Dritten Reich«, Hamburg 1949.-G. Strauss »Dokumente zur >Entarteten Kunst<« in »Festgabe an Carl Hofer«, Berlin 1948.
- W. Rittich »Deutsche Kunst der Gegenwart« II: »Malerei und Graphik«, Breslau 1943. - W. Willrich »Des Edlen ewiges Reich«, Berlin 1943. -
W.Hansen »Judenkunst in Deutschland. Quellen und Studien zur Judenfrage auf dem Gebiet der bildenden Kunst. Ein Handbuch zur Geschichte der
Verjudung und Entartung deutscher Kunst 1900-1933«, Berlin 1942. - F. Rodens »Vom Wesen deutscher Kunst« in »Schriftenreihe der NSDAP. Gruppe
III. Volk- werdung und Glaube«, München 1942. - G. Schulze-Fielitz »Die Bauwirtschaft im Kriege«, Berlin 1941. - J. Strzygowski »Europas Machtkunst
im Rahmen des Erdkreises«, Wien 1941. - R. Wolters »Neue deutsche Baukunst«, hrsg. von A. Speer, Berlin 1941. - R. Schwarz »Vom Bau der Kirche«,
Würzburg 1940. - A. Seifert »Volk und Kunst«, Freiburg 1940. - F.Nemitz »Junge Bildhauer«, Berlin 1939. - H.Stephan »Baukunst im Dritten Reich« in
»Schriftenreihe der Hochschule für Politik«, Berlin 1939. - F. Schumacher »Der Geist der Baukunst«, Stuttgart 1938. - G. Troost »Bauen im Neuen
Reich« I—II, Bayreuth 1938 + 1943.- W. Willrich »Vom Lebensbaum deutscher Art«, Goslar 1938. - H. Schrade »Schicksal und Notwendigkeit der
Kunst«, Leipzig 1937 1 »Bauten des Dritten Reiches«, Leipzig 1937. - P. Schultze-Naumburg »Nordische Schönheit, ihr Wunschbild im Leben und in
der Kunst«, München 1937. - F.Tamms »Paul Bonatz. Arbeiten von 1907 bis 1937«, Stuttgart 1937. - W.Willrich »Die Säuberung des Kunsttempels. Eine
kunstpolitische Kampfschrift zur Gesundung deutscher Kunst im Geiste nordischer Art«, München + Berlin 1937. - W. Rittich »Architektur und Bau-
plastik der Gegenwart«, Berlin 1936. - W. Westecker »Kultur im Dienst der Nation«, Hamburg 1936. - K. F. Schrieber »Das Recht der Reichs-
kulturkammer«, Berlin 1935. - A. v. Senger »Der Baubolschewismus und seine Verkopplung mit Wirtschaft und Politik« in »NS-Monatshefte«,
München 1935, S. 497 ff. - E. A. Dreyer »Deutsche Kultur im Neuen Reich. Wesen, Aufgaben und Ziele der Reichskulturkammer«, Potsdam 1934. - A.
Rosenberg »Revolution in der bildenden Kunst?«, München 1934- - P- Schmitthenner »Baukunst im Neuen Reich«, München 1934. - H. Schrade »Der
Sinn der künstlerischen Aufgabe und politischen Architektur« in »Nationalsozialistische Monatshefte«, Juni 1934, S. 508 ff. - P. Schultze-Naumburg
»Kunst aus Blut und Boden«, Leipzig 1934 / »Die Kunst der Deutschen. Ihr Wesen und ihre Werke«, Stuttgart + Berlin 1934. - W. Wendland »Kunst
und Nation. Wege und Ziele der Kunst im neuen Deutschland«, Berlin 1934. - W. Willrich »Kunst und Volksgesundheit« in »Schriftenreihe des
Reichsausschusses für Volksgesundheit«, Berlin 1934, H. 7 / »Mein Weg und meine Einstellung zu Rasse und Kunst« in »Volk und Rasse«, 1934, H. 4. -
P. Schultze-Naumburg »Kampf um die Kunst«, München 1932. - K. W. Straub »Die Architektur im Dritten Reich«, Stuttgart 1932. - A. v. Senger »Die
Brandfackel Moskaus«, Berlin 1931. - W. Wendland »Nationalsozialismus und Kunst« in »NS-Briefe«, Berlin 1930. - P. Schultze-Naumburg »Kunst und
Rasse«, München 1928. - H. F. K. Günther »Rasse und Stil«, München 1927. - A. Moeller van den Bruck »Das dritte Reich«, 1923.

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