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Zockertrip durchs Paralleluniversum –

mit Thaischach durch das Land des Lächelns


Von René Gralla

E
ine Bar am Strand in Hua Hin, matisch definierten Raum kalku-
der bevorzugten Sommerfri- lieren und sich dazu auch noch ein
sche von Thailands  Königen. eigenes Szenario basteln, wie passt
Porträts  des  hoch  verehrten  Herr- das zu diesem sinnenfrohen Volk,
schers Bhumibol Adulyadej, der das intellektueller Spekulationen ei-
am 9. Juni 2010  seit  64  Jahren  auf gentlich unverdächtig ist?
dem Thron sitzt, prangen über der
zweispurigen  Einfallstraße, und  der
Bahnhof  ist herausgeputzt  wie für
einen Staatsempfang.

Strand von Hua Hin, der bevorzugte


Badeort von Thailands Königen
Foto: René Gralla

Zeugnis der thailändischen Hochkultur:


Wat Phra Kaeo, der Tempel des Sma-
ragd-Buddhas, im alten Königspalast von
Bangkok  Foto: René Gralla

Ein siamesischer Sonderweg im Softwareunternehmer, Englischlehrer


Denksport? Das allerdings ist eine und starker Makrukspieler: Pirapong Pa-
faustdicke Überraschung. Wir ha- tumraat aus Bangkok nutzt einen Ausflug
nach Hua Hin, um ein paar Eröffnungs-
ben uns für das diesjährige Thailand
tricks vorzubereiten. Hier hat er gerade
Open des „Bangkok Chess Club“ das thailändische „Narrenmatt“ nachge-
Die See strahlt blau  und intensiv, BCC angemeldet, das vom 14. bis stellt, mit dem Schwarz einen unbedarften
unwirklich fast. Relaxed wippen wir 20. April 2010 in der thailändischen Weißen in rekordverdächtigen vier Zügen
wegputzen kann Foto: René Gralla
im Schaukelstuhl und beobachten Hauptstadt läuft. Bevor wir zur er-
einen Mann, der auf dem Nebentisch sten Partie im Century Park Hotel
einen Papierplan ausgebreitet hat. antreten, wollen wir an der Beach
Einfarbige Quadrate markieren den noch ein wenig Sonne und Fitness „Oh, sehr gut!“ sagt Pirapong Pa-
Bogen, und über die Fläche verteilen tanken, und bis zu diesem Moment tumraat, der Makruk-Fan, den wir
sich rote und weiße Steine. Manche haben wir keine Sekunde daran ge- hier in Hua Hin treffen. Der 50-jähri-
Teile sind bloß flache Chips, andere zweifelt, dass Schach gleich Schach ge hat ein Softwareunternehmen ge-
ähneln Minipagoden, mittendrin ent- ist und überall nach einheitlich nor- gründet und unterrichtet gleichzeitig
decken wir auch kecke Pferdeköpfe. mierten Regeln gespielt wird, sehen Englisch an einer höheren Schule in
Irgendwie erinnert das Arrangement wir einmal von den eigenwilligen Bangkok. Und wie es sich für einen
an Schach, und ja, tatsächlich, das Chinesen und Japanern mit ihren echten Lehrer gehört, gibt uns Pira-
ist auch Schach, wie wir auf Nachfra- Spezialvarianten „XiangQi“ respekti- pong einen Crashkurs in Sachen Ma-
ge erfahren. Allerdings eben gerade ve „Shogi“ ab. krukgeschichte und -kultur.
nicht die amtliche Version nach dem Aber Thailand? Südostasiens stets Das Siamschach weist deutliche
Kanon der Fide, sondern eine beson- lächelnde Menschen wollen vor al- Parallelen zur europäischen Ver-
dere regionale Ausgabe. Nämlich lem Spaß, „Sanuk“ in der Landes- sion auf und bewahrt gleichzeitig
„Makruk“, das traditionelle Königs- sprache, dazu gehören gutes Essen Elemente, die typisch gewesen sind
spiel nach Art der Thai. und Party. Stundenlang sein Hirn für „Shatranj“, jene klassische Form
zermartern, die Allokation abstrak- der Mattkunst, die während Bagdads
ter Symbolsteine in einem mathe- Goldener Epoche vor gut 1000 Jah-

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ren ihren ersten Höhepunkt feierte am Brett. Im zehnten Jahrhundert
und die ein halbes Millennium später begann der Exodus der Thai aus ih-
in der modernen Version des 64-Fel- rer ursprünglichen Heimat Südchi-
der-Spiels aufgegangen ist. na. 1432 marschierten sie in Angkor
Die Schachrevolution an der Schwel- ein, und die Eroberer übernahmen
le zur Neuzeit haben die Thai jedoch von den Besiegten auch deren Frei-
nicht mitgemacht. Statt einer for- zeitvergnügen Nr. 1, das sie in „Ma-
schen Dame begleitet den Makruk- kruk“ umlabelten.
Monarchen, offizieller Titel: „Khun“,
wie eh und je ein bedächtiger „Met“. Errichtet von König Rama I. (1737-1809):
Dieser Berater erreicht, sofern er Bangkoks Wat Phra Kaeo  Foto: René Gralla
den Marschbefehl kriegt, bloß einen
der schräg angrenzenden Quadran-
Frühe Form des Makruk in einer Illustra-
ten und ist folglich eine 1:1-Replik tion zum buddhistischen Text Vidhurapan-
des „Wesirs“ aus dem versunkenen dita-Jataka. Im Bildausschnitt links oben
Kalifenschach. erkennen wir links an einem Spielplan den
Herrscher Dhananjaya, wie er eine Partie
Im Einklang mit der heimischen Bio- „Saka“ austrägt gegen den Dämonen Pun-
sphäre mobilisiert der Makrukge- naka (rechts). „Saka“ ist Schach in seiner
neral nach Bedarf einen schwerge- frühen südostasiatischen Form, ein di-
rekter Ableger des indischen „Chaturan-
wichtigen „Khon“, der den modernen
ga“. In der Urversion des „Chaturanga“
Läufer vertritt und sich an den „Alfil“ treten vier Miniaturarmeen gegeneinan-
des Shatranj anlehnt. Auf Schrägen, der an, und auch die beiden ungleichen
über die er operierte, kam Arabiens Kontrahenten hier am „Saka“-Brett, der
König und das Fabelwesen, manövrie-
„Elefant“ um einen Doppelschritt ren mit vier verschiedenen Truppenver-
voran; abhängig von der Gefechtsla- bänden. Überdies sieht das Szenario des
ge trottet Siams „Khon“ in eines der „Chaturanga“ eine besondere zentrale
unmittelbar benachbarten Diagonal- Zone vor, und entsprechend wird in der
„Saka“-Darstellung aus dem Vidhurapan-
felder oder schiebt sich alternativ dita-Jakata der mittlere Bereich des Set-
zum vertikal direkt vor ihm liegen- up ebenfalls besonders hervorgehoben.
den Punkt. Das ungewöhnliche optische Dokument ist Seit Generationen schätzen Siams
ein wichtiges Indiz für die indischen Wur-
Die übrigen Makruk-Einheiten korre- Mächtige das Makruk als militäri-
zeln des Makruk.
spondieren ihren Spiegelbildern im Quelle: Doppelseite aus dem Traiphum- sche Simulation im Kleinen, weiß
internationalen Schach. Allerdings Manuskript; thailändische Bildhand- Pirapong Patuumrat. Die Truppen-
ist die Rochade unbekannt, und die schrift, Thonburi, 1776. Copyright: führung spielerisch trainiert haben
Staatliche Museen zu Berlin, Stiftung
Frontreihen der Siam-Bauern sind Preußischer Kulturbesitz; Museum für
die Könige Narai der Große (1629
in der Grundstellung um eine Reihe asiatische Kunst, Kunstsammlung Süd-, - 1688), der seinen Einflussbereich
aufgerückt. Erreicht ein Bauer (auf Südost- und Zentralasien; bis zur Blumenstadt Chiang Mai
Thai: „Bia“) die Laterale sechs (Weiß) Foto: Jürgen Liepe (Abdruck mit freund- ausdehnte, und Phya Taak Sin, der
licher Genehmigung der Staatlichen Mu-
beziehungsweise drei (Schwarz), seen zu Berlin) Retter der Nation nach dem Einfall
darf er zum Met befördert werden. der Burmesen, die am 8. April 1767
Abgesehen davon klassifizieren die Siams prächtige Kapitale Ayutthaya
Thai ihren „Turm“ nicht als landge- Vermutlich haben tamilische Händ- eingenommen und zerstört hatten.
stützte Waffengattung, sondern der ler das Schach in seiner ursprüng- In der Gegenwart gilt Kambodschas
firmiert - bei ansonsten identischer lichen Form „Chaturanga“ über den Hun Sen als Könner des Südosta-
Reichweite - unter „Rua“, sprich Golf von Bengalen nach Sumatra sienschachs, das die Khmer „Ouk
„Boot“. Ein Reflex geographischer gebracht, zur Blütezeit des König- Chatrang“ nennen. Der Autokrat hat
Gegebenheiten, Wasserstraßen prä- reiches Srivijaya ab dem 7. Jahr- aktuell einen kontroversen, aber
gen Südostasien, und Schiffe sind oft hundert. Später sei das strategische kongenialen Spielpartner gefunden,
die schnellsten Transportmittel. Spiel Richtung Norden gewandert, seitdem sich Thailands exilierter
referiert unsere neue Bekanntschaft Premier Thaksin Shinawatra, den
Pirapong Patumraat, der Makrukex- Militärs im September 2006 aus dem
perte aus Leidenschaft. Ein wichti- Amt putschten, in Phnom Penh auf-
ges Indiz: Verwitterte Reliefs in der hält. Schließlich wird von Thaksin
Tempelanlage Angkor Wat, dem Hei- kolportiert, er sei ebenfalls ausge-
ligtum der Khmer, zeigen Menschen sprochen clever im Makruk, ein Ge-

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rücht, das der imagebewusste Popu- Pirapong Patumraat hat nicht zu viel Das ist der Salon von Suchart Chai-
list gern hört und nie dementiert hat. versprochen, ein paar Stunden Au- vichit, dem Besten unter den verehr-
Das westliche Schach der Marke tofahrt, und wir hocken tatsächlich ten „Sien Jai“, Vorstehendes ist die
Anand, Kramnik, Magnus Carlsen in einem „Sum Makruk“. Rushhour angemessene Anrede, die ein „Sien
& Co. hingegen wird von der regio- in Bangkok, Summen, Knattern und Noi“, ein „Kleiner Meister“ wählt, wen-
nalen Öffentlichkeit wenig bis gar Brummen ohne Ende, der informelle det er sich an den „Großen Meister“.
nicht wahrgenommen. Ein Event wie Verein residiert im Einzugsbereich
das Thailand Open, 2010 immerhin einer Kreuzung. Der „Sien Jai“, der Makruk-GM Suchart
zum zehnten Mal organisiert, bleibt Chaivichit, in seinem Stammklub Sum Din
Daeng Foto: René Gralla
für die Medien in Bangkok, aber
auch aus Sicht der Leute auf dem
Grassroots-Level ein Termin im
Closed Shop des Ausländerzirkels.
Sollen die „Farang“ doch so viele
Turniere ausloben, wie sie mögen,
den Thai ist das egal.

Entspannte Spiritualität: Wat Phra Kaeo


in Bangkok Foto: René Gralla Open Air-Schach in Bangkok: typischer
Sum Makruk neben einer Hauptverkehrs-
straße  Foto: René Gralla

Und knallt dein Gegner eine Figur


auf‘s Brett, das ist Ehrensache, und
ruft er triumphierend „Ruk!“ - un-
bedingt merken, das ist „Schach!“ Optisch könnte Suchart Chaivichit ei-
- , dann Vorsicht, nicht vor Schreck nen Enkel von Albert Camus geben,
nach hinten wegkippen, leicht wäre und der melancholische Charismati-
das sonst deine letzte Partie gewe- ker ist auch sonst eine Ausnahmeer-
sen, das finale Matt, exekutiert von scheinung. Die „Sien Jai“-Kollegen
den Rädern eines Autobusses oder konzentrieren sich fast ausnahms-
Trucks. los auf Makruk, eine Tendenz zur
Vergleichsweise nobel tagt Bangkoks Abschottung, die Suchart Chaivichit
wichtigster Klub, der „Sum Din Da- fremd ist.
eng“: kuschelig unter den Arkaden
eines Wohnblocks der unteren Mit- Makruk verlangt vollen Einsatz: Sum Din
Anders als der Westimport sei Ma- telklasse, in der zweiten Reihe hinter Daeng in Bangkok  Foto: René Gralla
kruk ein echtes Volksschach mit ge- Marktständen, an denen Hausfrauen
schätzt einer Million Aktiven, die Ge- um preisgünstige Klamotten und fri-
legenheitszocker gar nicht mal be- sches Gemüse feilschen.
rücksichtigt, kommentiert Pirapong
Patumraat. Enthusiasten fechten Suppenküche und Makruk: Bangkoks
ihre Matches oft quasi auf der Straße wichtigster Klub, der Sum Din Daeng
 Foto: René Gralla
aus, in einem „Sum Makruk“, das ist
einer der zahllosen Open Air-Treffs,
meist eine Gruppe schmuckloser
Steintische, und nebenan donnert
der Großstadtverkehr. Der 53-jährige hat FIDE-Schach in
sein Repertoire aufgenommen, ver-
Als Pirapong Patumraat den Zweifel tritt Thailand bei Olympiaden und ge-
in unseren Augen bemerkt, bietet er hört zum Kader des Bangkok Chess
an, dass wir gemeinsam eine Exkur- Club.
sion starten, in eine Gegenwelt, von Der BCC ist seinerseits ein Kind
der die Prospekte der Fremdenver- des finnischen Geschäftsmanns Kai
kehrsbüros nichts wissen. Tuorila.

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Will Thailand reif machen für das FIDE- Die Mehrheit bleibt unbeeindruckt,
Wat Pradu in Bangkok, langjährige
Schach: Kai Tuorila vom Bangkok Chess sie hat Makruk auf dem Zettel und Wirkungsstätte des Makruk-Mönches
Club  Foto: René Gralla sonst gar nichts. Das heimische Maha Por Foto: René Gralla
Gewächs ist nun mal Thailand pur
wie die „Tom Ka Kai“, die legendä-
re Hühnersuppe mit Kokosmilch.
Nicht zuletzt, weil sich das Spiel dem
Rhythmus des Landes perfekt an-
passt: Da Thai-“Dame“ und -“Läu-
fer“ nicht handstreichartig von einer
Ecke des Brettes zur anderen stür-
men können, sind „Schäfermatt“-
Überfälle praktisch ausgeschlossen.
Und der Mittvierziger hat eine Vision: Das Spieltempo ist gebremst, ge-
das Standardschach westlicher Pro- mächlich dümpeln die Partien dahin.
venienz im Königreich durchzuset- Makruk ist eben nicht so hektisch
zen. Tuorilas Vorzeigeprojekt ist das wie der ferne Verwandte aus dem
Thailand Open, und zu den A-Promis, Westen, für sinnlose Hatz ist es oh-
die im Bangkok Chess Club regel- nehin zu heiß. „Cha, cha“: Das begü-
mäßig einfliegen, gehören Topstars tigende „keine Hektik, ruhig, ruhig“ Und jüngst der Schauplatz eines
wie GM Nigel Short. Übungsabende ist Alltagsphilosophie neben dem mittelschweren religionspolitischen
sind dienstags im „Bull‘s Head“, ei- nicht minder oft gehörten „mai pen Aufregers: Auf Dauer hatte es dem
nem englischen Pub an der Sukhum- rai, macht nichts“. Natürlich ist „cha, Maha Por nicht mehr genügt, die
vit-Road Nr. 33/1, und freitags in der cha“ das heimliche Leitmotiv im Herausforderer in seiner Klause zu
Musikkneipe „Woodstock“, 44 Soi Makruk, und niemand braucht sich empfangen und fließbandmäßig ab-
Thonglor 13. ernsthaft darüber zu wundern, wa- zufertigen. Kurz entschlossen warf
Die Erfolgsgeschichte des Bangkok rum das hibbelige FIDE-Schach bei der 52-jährige den Kittel des Asketen
Chess Club darf dennoch nicht dar- den Siamesen auf derart störrische hin und wechselte ins Lager der Ma-
über hinwegtäuschen: Bestenfalls Akzeptanzprobleme stößt. krukprofis. Um sich einen Wunsch
der Bruchteil einer Minderheit, die Deswegen sind Thailandbesucher zu erfüllen, den ihm sein geistlicher
sich als kosmopolitisch versteht, gut beraten, vor dem Abflug noch Stand in der Vergangenheit verwehrt
nimmt die Schachfarang und ihren rasch die Grundzüge des Makruk aus hat: Maha Por versucht dieser Tage,
Missionseifer überhaupt zur Kenntnis. dem Internet runterzuladen. Nach endlich den „Golden King Cup“ zu
der Ankunft in Bangkok sollte ziel- holen, in Bangkoks zentralem Park
strebig das nächste Schreibwaren- Sanamluang beim Freilichtturnier
geschäft angesteuert und für um- anlässlich des Neujahrs- und Was-
gerechnet zwei Euro ein Set Makruk serfestes Songkran Mitte April.
erworben werden.
Fortan hat der Farang ein Instrument
zur Hand, das ihn als wahren Kenner
des Landes ausweist und von der üb-
rigen Pauschalmeute abgrenzt.
Das Thai-Schach öffnet Türen in
das Innere einer Gesellschaft, die
ansonsten, bei aller vordergründi-
gen Freundlichkeit, in Wahrheit eine
geschlossene Veranstaltung ist. Ab-
soluter Höhepunkt: Einlass in den Autor René Gralla (l.) beim Spiel gegen
Wat Pradu in Bangkoks nördlichem den Makruk-Mönch Maha Por (r.)  im Wat
Pradu, Bangkok Foto: Pirapong Patumraat
Stadteil Bang Po, das langjährige
Hauptquartier von Maha Por, einem
genialen Mönch in der Liga von Ma- Ein Duell der Giganten, dem die Ma-
kruk-“Sien Jai“ Suchart Chaivichit. krukgemeinde entgegenfiebert. Zu-
Glaube und Konsum: Schrein vor Kauf-
mal sich Maha Por mit einem gefähr-
haus in Bangkok  Foto: René Gralla
lichen Konkurrenten messen muss:

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dem schillernden Tor Paknam, Verkäufer mit geblondetem Schopf,
der bereits einmal den Pott einge- zu einem ersten Partiechen, auf dem
sackt hat. Steinfußboden vor einem Regal, von
Ansonsten leitet der umtriebige Tor dem eine Kompanie chinesischer
eine Schule für Makruk in Bangkoks Glückskater winkt.
Vorort Samut Prakan, er brutzelt auf
dem lokalen Markt im Familienre-
staurant, und er inszeniert Makruk
als Schachtheater mit Laiendarstel-
lern in farbenprächtigen Kostümen,
zum Beispiel im Freilichtmuseum
„Ancient City“. Local Heroes der Makruk-Szene von
Bangkok im „Starbucks Coffee Robinson
Silom“: Kreditberater Karnshit (links) und
Pirapong Patumraat (rechts)
 Foto: René Gralla

Die Rotlichtzone zieht am Ende auch


uns unwiderstehlich an. Ein letzter
Espresso, ein letztes „Ruk!“, dann
schwenken wir ein in den Strom der
Flaneure. Wir sehen die Bikinimäd-
chen tanzen, an Metallstangen in
den offenen Bars, und aus den Bo-
Nebenjob als Gastronom: Makrukmeister xen schmeichelt die Stimme von Tata
Tor Paknam am Brett in seinem Restau- Young: „Yaag geb ter wai tang song
rant auf dem Markt von Samut Prakan kon, möchte Euch beide behalten!“
 Foto: René Gralla
„Yaag geb ter wai tang song kon“,
laszive Versuchung, die dir den Ver-
Auch Verkäufer Ax in der Boutique
Dann ist auch Thailands Fernsehen „J.R.Fashion“ an Bangkoks Sukhumvit
stand raubt. „Yaag geb ter wai tang
vor Ort und berichtet live. Der Kult Road lässt sich gern zu einem Match Ma- song kon“, die Melodie schleicht sich
um Makruk infiziert sogar die Füh- kruk fordern  Foto: René Gralla ins Hirn, nebelt dich ein. Und bleibt
rungsetage der Börse, Bangkoks einfach da, obwohl wir zwischen den
SET hat eine eigene Turnierserie Anschließend zischen wir an Bord Ständen des Nachtmarktes unver-
lanciert, 2007 meldeten sich gut 600 der Hochbahn „Skytrain“ rüber zur mutet die zweite Versuchung dieses
Kandidaten, das war Rekord. Silom Road, wo im „Starbucks Cof- Abends wiederentdecken, die süße
Sanamluang und SET sind eine Liga, fee Robinson Silom“ Freunde auf uns Sucht einer Thailandtour, die erst als
auf die wir Makrukanfänger tun- warten, der verabschiedete Unterof- konventionelle Fernreise zu einem
lichst keinen Gedanken verschwen- fizier Noi und Karnshit, der Bankbe- Schachturnier begann und die sich
den. Eine anständige DWZ und die rater. längst verwandelt hat in einen Trip
Absenz der Schwergewichte Dame Das „Starbucks“-Mobiliar ist prak- ins Paralleluniversum: Makruk und
und Läufer mögen zur Annahme ver- tisch, die runden Tischplatten zieren eine exotische Szene voller Magie,
leiten, einem Westschach-Routinier Schachbrettmuster in den Idealma- die Jünger an den verücktesten Or-
sollte im Makruk der Quereinstieg ßen 8 mal 8, ein perfekter Ort, fri- ten um die Bretter schart, und sei es
auf Meisterlevel gelingen. Eine Fehl- scher Kaffee und Makruk, und drau- im Herzen von Patpong.
einschätzung, Makruk scheint leicht ßen pilgert die Menge nach Patpong. Die Figuren kreiseln, „Yaag geb ter
und ist in Wahrheit tricky, und das wai tang song kon“, und wir kom-
Terrain ist tückisch wie die Sümpfe men erst wieder zur Besinnung, als
Südostasiens. wir die Nacht beschließen auf der
Bescheidenheit ist angesagt, und Terrasse im fünften Stock unseres
schneiden wir bei einem improvi- Hotels „Baan Waree“ in Bangkoks
sierten Match in irgendeinem „Sum grüner Zone Samsennai, Payathai.
Makruk“ nicht allzu peinlich ab,
dürfen wir zu Recht stolz sein. In
der Boutique „J.R. Fashion“ an der
Sukhumvit Road fordern wir Ax, den

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Saisanit Ngernyuang, Chefin des Desi-
gefahrenen Ambiente hoffnungslos
gnerhotels „Baan Waree“, am Makruk- uncool zu sein. Ein kurzes Innehal-
brett Foto: René Gralla ten, aber doch völlig unbegründet:
Als die lustigen Miniaturen posen,
auf einem dieser blauen Plastik-
tische, die den Balkon möblieren,
wirkt die putzige Menagerie wie eine
Installation im Seventies-Retro-Sty-
le.
Und wir verstehen, aus welcher Kraft
das Makruk seine Vitalität schöpft,
trotz seiner ehrwürdigen Historie
über eine endlose Kette von Gene-
rationen ist es jung und frisch ge-
blieben. Und ist daher das Spiel der
Spiele in einem Land, das kindlich Grundstellung im Makruk (dabei bit-
neugierig und weise, strebsam und te beachten: der weiße König startet
locker, bescheiden lächelnd und auf d1, der schwarze Monarch steht
wunderbar bunt ist. wie auch im FIDE-Schach üblich auf
Besitzer Anusorn Ngernyuang und e8).
Schwester Saisanit, seine Geschäfts-  
führerin, haben in diesem Haus ih- Tatsächlich aber  lassen sich gerade
ren persönlichen Traum verwirk- Anfänger vom gemächlichen Rhyth-
licht, eine hippe Herberge, komplett mus im Makruk gern einlullen und
designt von Nachwuchskreativen, 27 tappen nicht selten, wie
Zimmer im individuellen Style. Das
„Baan Waree“ ist Pop, selbst der Makruk-Schulleiter Tor Paknam be-
Dachgarten ist schrill wie das Set- Makruk und der Flirtfaktor: Makrukex- richtet, in ein frühes Narrenmatt.
ting einer MTV-Show. perte Pirapong Patumraat unterwegs in  
Bangkoks Nacht  Foto: René Gralla
Novize im Makruk – Tor Paknam
Trainingsspiel, Makrukschule von
Sawasdee krap, Makruk. Du bist Tor Paknam in Samut Prakan bei
Thailand. Bangkok, Thailand; zwischen 2005
und 2006
1.Sb1-d2 Sg8-e7 2.Sg1-e2 Eigent-
Das „Narrenmatt“ im Makruk lich kein schlechter Aufbau, die „Low
„Sudden Death“ unter Tropenster- Horse“-Konstellation. Allerdings
nen hätte Weiß das vorbereiten sollen
  mit 1.e3-e4 ..., 2.Makruk-“D“e1-f2 ...
Abgesehen von Turm - thailändisch und 3.Makruk-“D“f2-e3 2. ... Se7-f5!
„Rua“, das „Boot“ - und Springer
fehlen Fernwaffen im Makruk. Ein
Handstreich nach dem Muster des
berüchtigten „Schäfermatts“ sollte
ausgeschlossen sein ... eigentlich.
Makruk im Designerhotel: Phinop
Pusawiro, der als „Mao Chao“ in vielen
 
Makrukforen unterwegs ist (links) und
Pirapong Patumraat (rechts) in Bangkoks
„Baan Waree“  Foto: René Gralla

Beinahe ist uns das peinlich, als wir


noch einmal unser Makruk aufbau-
en, für eine sentimentale letzte Run-
de vor Bangkoks glitzernder Skyline.
Das alte Spiel scheint in diesem ab-

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Das schwarze Pferd bedroht den
Bauern e3. 3.e3-e4??? Reflexar-
tig möchte der Makrukschü-
SPIELEN
 
UND ENTSPANNEN MIT MAKRUK IN THAILAND
ler den schwarzen Hengst verscheu- MAKRUK spielen gegen die Meister: 31.3-4.4.2010 Nakornsawan-
chen. Korrekt ist die Verteidigung Open und Turnier der Rajabhat-Universität zum Thaikulturfest;  Preis-
des Fußsoldaten entweder per fonds: 100.000 Baht; weitere Informationen von Pirapong Patumraat,
3.Makruk-“L“f1-f2 ... oder 3.Makruk- Email: van_patumraatludwig@hotmail.com
“D“e1-f2. 4. ... Sf5-e3# 0-1  
  MAKRUK zocken mit Amateuren: Klub „Sum Din Daeng“, 2084 Din
Daeng Road, Building 7, Din Daeng, Bangkok; tägl. von 8 - 24 Uhr;
 
MAKRUK und Latte Macchiato: „Starbucks Coffee“, 1st Floor, Robin-
son Silom 2 Silom Road, Bangrak, Bangkok; tägl. von 7 - 22 Uhr
 
MAKRUK und stylish übernachten: Hotel „Baan Waree“, 24 Paholyo-
thin 8 RD., (Soi Sailom 1), Samsennai, Payathai, Bangkok; Tel. 0066 / (0)
2 / 272 6300, Fax 0066 / (0) 2 / 616 9799, mobil 0066 / (0) 85 / 335 4116;
Email: BaanWaree@gmail.com; weitere Infos: www.baanwaree.com

Makrukspiele bestellen: www.ancientchess.com


Flüge nach Bangkok: THAI AIRWAYS, Zeil 127, 60313 Frankfurt am
Main; Tel. 069 / 92 874 - 444, Fax 069 / 92 874 - 222, Email: fra@thai-
airways.de; weitere Infos: www.thaiair.de
 
Informationen zu Thailand als Reiseland: Thailändisches Fremden-
verkehrsamt, Bethmannstraße 58, 60311 Frankfurt am Main; Tel. 069
/ 138 139 0, Fax 069 / 138 139 50; Email: info@thailandtourismus.de;
Website: www.thailandtourismus.de

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