1796 - S.Hahnemann - Versuch Über Ein Neues Prinzip - JArzWund - 391-439 - 465-561 PDF

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I our n a 1

der

practiſchen
Arzney kunde
- und -

Wundarzneykunſt, -

herausgegeben
W"O I,
- W

C. W. Hufeland
-- der Arzneykunde ordentlichem Lehrer
v zu Mena.

Zweyter Band Drittes stück.


–-
I e n a, -

in der academiſchen Buchhandlung


1 79 6.
-

. - W. * -

- . . . - -- -

- - - - -- - - - - - - - - -

I
IV. p
. . .. . .
- - - - -

Verſuch über ein neues Prinzip zur


Auffindung der Heilkräfte der Arz
meiſubſtanzen, nebſt einigen Blicken
auf die bisherigen, -

- v on

P. Samuel Hahnemann.
1:2 - " –-m-.- - - -
. -
- - -

Zu Anfange dieſes Jahrhunderts hat man,


vorzüglich die Akademie der wiſſenſchaf
ten zu Paris, der Scheidekunſt die unverdien
te Ehre an, ſie als Entdeckerin der Heilkräfte
der Arzneien, vorzüglich der Pflanzen, in
Verſuchung zu führen. Man trieb die Pflan
zen in Deſtillirgefäſsen gewöhnlich ohne.
Waſſer, mit Feuergewalt und erzwang da
durch – aus den giftigſten, wie aus den un
ſchuldigſten – ziemlich einerley Produkte
- Waſſer, Säure, brenzliche Oele, Kohle –
- - Cc 3 - und -

*
*
- -

- - 592 =
und aus dieſer Laugenfalz; immer von einer
Art. Man verſchwendete groſse Summen
über dieſer Pflanzenzerſtörung, ehe man ein
ſahe, daſs man auf dieſem Wege keine we
- ſentlichen Beſtandtheile der Vegetabilien zie
hen, am wenigſten aber aus dieſen Feuer
Proben auf die Heilkräfte der Pflanzen ſchlief
ſenkönne. Dieſe faſt ein halbes Jahrhundert
hindurch mit verſchiedenen Abwechſelun
gen getriebne Thorheit machte allmählig auf
die, über chemiſche Kunſt und ihre Gränzen
indeſs erhelleteren, Augen der neuern Aerzte
einen ſo widrigen Eindruck, daſs ſie zu der
gegenſeitigen Behauptung faſt mit Einer
Stimme übergingen, und der Chemie allen
Werth bei Entdeckung der Heilkräfte der
Arzneien aud der Ausfindung von Hülfs
mitteln gegen Beſchwerden des maenſchlichen
Körpers abſprachen. 2.
ſº - - - > - -

1. Hierin gingen ſie aber offenbar zu weit.


So wenig ich dieſer Kunſt einen allgemeinen
Einfluſs auf die Materia medica einräumen
werde, ſo kann ich doch nicht unberührt laſ
fen, daſs man ihr einige wichtige Entdeckun
genin dieſer Abſicht zu danken habe, und was
ſie- - etwa
-
künftig noch dafürthun könne. - -

* - - -- Die
A -

– 395 -
- Die scheidekunſt ſagte dem Arzte, der
ein Palliativmittel wider die Beſchwerden
von krankhafter Säure im Magen ſuchte,
daſs die Langenſalze und einige Erden Heil
kraft dagegen beſäſsen. – Es waren ver
ſchluckte Gifte im Magen zu zerſtören;
der Arzt verlangte von der Chemie, ſol- -

. .

che Gegenmittel darzureichen, die jene


ſchnell zerſtörten, ehe ſie den Speiſe
kanal und die ganze Maſchine zerſtörten.
Nur die Chemie konnte ihm Auskunft ge
ben, daſs in den Laugenſalzen und der Seife
das Gegenmittel der ſauern Gifte, des Vitriol
öls, der Salpeterſäure, des Arſeniks, ſo wi
der giftigen Metallſalze – daſs in den Säu
ren das Gegengift der Laugenſalze, des ge
brannten Kalkes, u. ſ. w. liege, und daſs
überhaupt zur ſchnellen Zähmung aller Me
tallgifte der Schwefel, die Schwefelleber,
vorzüglich aber die Schwefelleberluft wirk
ſam ſei. -

In Höhlen des menſchlichen Körpers ge


ratheries Blei und Zinn lehrte ſie durch le
bendiges Queckſilber ausleeren, verſchluck
tes Eiſen durch Säuren und verſchlucktes
Glas und Kieſelſteine durch Fluſsſpat- und
Cc 4 * * Phos
2 – 394 -
Phosphorſäure auflöſen, ſo wie letztere es im
Magen der Hüner thut. >

- Die Chemieftellte die Lebensluft in ihrer


Reinheit dar, und da der Phyſiologe und
Kliniker ihre beſondre, Lebenskraft erhalten
de und erhöhende, Kraft wahrnahm, zeigte
ſie, daſs ein Theil dieſer Kraft in dem ſo
groſsen ſpezifiſchen Wärmeſtoffe dieſer Luft
enthalten ſei, und lieferte dann dieſe Luft,
was die therapeutiſche Materia medica, und
die Erfahrung am Krankenbette nicht ver
mochte, aus einer Menge Quellen in immer
gröſsrer Reinigkeit. - -
– : "

* An Luftſäure Erſtickten konnte nur die


Chemie ein Hülfsmittel ausfindig machen
an der Dünſten des kauſtiſch-flüchtigen Lau
genſalzes. - - -

- ---------

Was wollte wohl die Galeniſche Schule


in die Lungen der von Kohlendunſt Erſtick
ten Hülfreiches Einblaſen, wenn die Chémie
nicht das wahre Hülfsmittel dargereicht hät
te – die einzublaſende Lebensluft als den
zweiten Beſtandtheil der Athemluft? -
- - - -
- - )
- -
- -
-
-
Selbſt
, - 395 -
Selbſt den Reſten der Gifte in den zwey
ten Wegen wuſste ſie ein Zerſtörungsmittel
auszufinden an der Schwefelleberluft, in Ge
tränken und Bädern angebracht,
«. .

Wer lehrte die vor Auſlebung der Chemie


oft unbezwinglichen, eine Menge der ſchwie
rigſten Krankheiten erzeugendenGallenſteine
auflöſen? (mit Salpeteräther und Potaſch
eſſigſalz) wer anders als die Scheidekunſt?

Wer anders als die Chemie ward ſeit


Iahrhunderten von der Heilkunde um ein
- Mittel wider den Blaſenſtein befragt? Ob
mit Erfolge? Dieſs lag an dem Befragenden.
Indeſs hat ſie doch mehr als nichts dagegen
gethan, da ſie die mit Luftſäure überſättigte
Laugenſalzauflöſung in Vorſchlag brachte.
Sie wird noch ein gewiſſeres Heilmittel im
Gebrauche der Phosphorſäure erfinden.
- Sollen alle mögliche vorhandne Arznei
mittel zur Probe auf Brüſte gelegt werden,
welche geronnene Milch ſchmerzhaft macht?
Dies wäre ein unüberſehlicher, vergeblicher
Weg. Die Scheidekunſt weiſs durch Um
ſchläge von flüchtigem Laugenſalze ein wah
Cc 5 YC8
– sgs –
res Heilmitte anzugeben, was geronnene
Milch wieder flüſsig macht. .. ",

Die chemiſchen Verfuche mit Columbo


wurzel und verdbrbner Galle zeigten, daſs
jenes Gewächs ein Verbeſſerungsmittel ver
dorbner Galle im menſchlichen Körper feyn
müſſe, und die arzneiliche Erfahrung hat die
Richtigkeit des chemiſchen Schluſſes ein
geſehn. - ,
A -

Will die Therapie wiſſen, ob ein neues


Heilmittel das Blut erhitze, ſo giebt die De
ſtillation mit Waſſer durch Entſcheidung
der Gegenwart oder des Mangels eines ätheri
fchen Oels die Antwort, die wenigen Aus
nahmen abgerechnet. . . " -

-
- - -

- Die Praxis kann durch ihre ſinnlichen


Merkmale oft gar nicht erkennen, ob ein
Gewächs etwasZuſammenziehendes enthalte.
Die Chemie entdeckt das, in der Praxis oft
nicht gleichgültige, zuſammenziehende We
ſen, und ſelbſt ſeine Grade durch Eiſenvitriol.

Die Diätetik weiſs nicht, ob ein neues


Gewächs etwas Nahrhaftes enthält. Die
Che
- 597 –

Chemie zeigt's durch Ausziehung des Ge


wächsleims, und des Stärkemehls, und kann
die Grade ſeiner Nahrhaftigkeit durch die
Menge dieſer Stoffe anzeigen.
. . . - * .

: , Wo auch die Chemie nicht direkte die


Heilkräfte angeben kann, thut ſie's doch in
direkte, wenn ſie die aus Miſchungen entſte
hende Unkräftigkeit vor ſich wirkſamer Arz
neien, oder die Schädlichkeit der Vermi
fchung vor ſich unſchuldiger Mittel an
zeigt. Sie verbietet, wenn man durch Brech
weinſtein Ausleerung von oben erregen will,
Subſtanzen zuzuſetzen, welcheGalläpfelſäure
enthalten, die ihn zerſetzt; ſie verbietet Kalk
waſſer zu trinken, wo man Nutzen von den
zuſammenziehenden Theilen der Chinarinde
erwartet, die durch jenes zerſtört werden;
ſie verbietet, um nicht eine Dinte zu berei
ten, China und Eiſen zuſammen in einem
Getränke anzubringen; ſie verbietet das
Goulardiſche Waſſer durch Zuſatz von Alasa
kraftlos zu machen; ſie verbietet die Zumi
fchung irgend einer Säure zu den laxiren
den, Säure der erſten Wege hebenden Mit.
teiſalzen, welche Weinſteinrahm zur Grund
lage haben; ſie verbietet die ſonſt unſchul
- digen
-
digen Dinge, ſchweiſstreibenden spieºgan
(vorzüglich alten) und Weinſteinrahm, durch
Miſchung zum Gifte zu machen; ſie ver
wirft bei Milchdiät den Gebrauch der vege
tabiliſchen Säuren (die einen unauflöslichen
Käſe bilden) und verweiſet, wenn Säuren
dabei nöthig ſind, auf die Vitriolſäute.

Sie kennt die Zeichen der trüglichen Ver


fälſchung der Arzneimittel, zieht den gifti
gen Aezſublimat aus dem Kalomel. und lehrt
dieſen von dem ihm im Aeuſſern ſo ähnli
chen, giftigen, weiſſen Präzipitat unter
ſcheiden,

Doch es mag an dieſen wenigen Beiſpie


len genug ſeyn, die Ausſchlieſung der Che
mie von der Entdeckung der Heilkräfte der
Arzneien zu widerlegen. Daſs man aber die
Chemie nicht über Arzneykräfte zu Rathe
ziehe, welche nicht auf unmittelbar zu ver
ändernde ſchädliche Subſtanzen im menſchli

chen Körper, ſondern auf Veränderungen ge


hen, wo die Verrichtungen der thieriſchen
Haushaltung erſt mitwirken ſollen, beweiſen
unter andern die Verſuche mit den antiſepti
ſchen Mitteln, von denen man wähnte, ſie
wür
- 599 –

würden in der Säftmaſſe gerade die fäulniſs


widri ge Kraft beweiſen, als ſie in der che
miſchen Phiole thaten. Aber die Erfahrung
zeigte z. B. daſs der, auſſer dem Körper ſo ſehr
fäulniſswidrige Salpeter im faulen Fieber
und in brandiger Diſpoſition gerade das Ge
gentheil thue, aus dem nicht hieher gehöri
genGrunde, weil er die Lebenskraft ſchwächt.
Oder wollte man faulige Stoffe im Magen da
mit beſſern? Dieſe nimmt ein Brechmittel
fichrer hinweg. -

Weit ſchlimmer haben diejenigen die


Materia medica berathen, welche einen Weg
zur Ausfindung der Heilkräfte in der Zumi
ſchung der unbekannten Arzneien
zu dem aus der Ader gelaſſenen
B1ute ſuchten, um zu ſehen, ob das Blut .
heller oder dunkler, flüſsiger oder gerinnba
rer werde. Gleich als ob wir die Arzneien
zu dem Blute in der Ader unmittelbar brin
gen könnten, als ſie in ihrer Probeſchale
thun! Gleich als ob die Arzneien nicht erſt
unglaubliche Aenderungen im Verdauungs
kanale erleiden müſsten, ehe ſie (und im

mer noch erſt durch einige Umwege) ins


Blut gelangen könnten! Wie verſchiedenes
- An
Y - - 4oo - - -

Anfehn erhält nicht das aus der Ader gelaſſe


ne Blut ſchon vor ſich, je nachdem es aus
einem erhitzten oder ruhigern Körper, aus
einer kleinen oder gröſsern Aderöffnung, im
Sprunge oder tröpfelnd, in einem kalten
oder warmen Zimmer, in ein flaches oder
enges Gefäſs gelaſſen wird? - -
s- - - - - -- . .
- . -

- *
Doch ſolche kleinliche Erforſchungswege
der Arzneiheilkräfte tragen ſchon ſelbſt das
Gepräge ihrer Nichtigkeit an ſich. * -'

Selbſt die Einſpritzung der Arz- *


neſ mittel in die Adern der Thiere
iſt aus eben dieſer Urſache eine ſehr hetero- **
gene und unſchre Methode. Nur eines ein ºr»
- --

zigen Umſtandes zu gedenken, ſo bringt ein 4 ".ºt:

Theelöffel konzentrirtes Lorberkirſchwaſſer


ein Kaninchen faſt gewiſs ums Leben, wenn
es in den Magen kömmt, in die Droſſelader “ -
eingeſpritzt aber zeigt es keine veränderung:
das Thier bleibt munter und wohl.
* -,

So wird dann aber wohl die Einflöſ


fung in den Mund der Thiere etwas
Gewiſſes über ihre arzneilichen Wirkungen
lehren? Bei weitem nicht! Wie ſehr weicht
nicht
-
-
-

- 4on -

-,
nicht ihr Körper von dem unſrigen ab. Eine
groſse Menge Krähenaugen verträgt ein
Schwein ohne Schaden, und von 15 Gran
ſind ſchon Menſchen geſtorben. Ein Hund
vertrug eine Unze friſche Blätter, Blüthen
und Saamen von Napellſtürmhut, welcher
Menſch würde nicht davon ſterben? - Die
Pferde, freſſen das trockne Kraut davon
ohne Schaden. So tödlich für Menſchen
auch die Täxusblätter ſind, fö werden dºch
Hausthieré davón fett. Und wie kann man
auch Schlüſſe von den Wirkungen der Arz
neien bei Thieren auf die Wirkungen bei
Menſchen äschen, da ſie oft ſo ſehr ſelbſt
unter den Thieren von einander abweichen?
Den Magen éines hit Napelſtürmhut getö-
deten Wolfs fand man entzündet, den einer
groſsen und einer k einer Katze aber nicht,
ob ſie gleich ebeifalls damit geröder werden
waren. Was äst ſich daraus ſchlieſsen?
Gewiſs nicht viel, wenn ich auch nicht ſa
gen-wollte, nichts – Wenigſtens iſt ſo
viel gewiſs, daſs die feinern innern Aende
rungen und Empfindungen , die der Menſch
durch Worte ausdrücken kann, bei Thieren
ganz wegfallen. - -
"

Una zu prüfen, ob eine Subſtanz ſehr hef


tige oder gefährliche Wirkungen hervorbrin
ge, das läſst ſich im allgemeinen wohl (bei
Verſuchen an mehrern Thieren zugleich)
wahrnehmen, auch wohl etwas in die Sinne
fallendes, allgemeines von Wirkungen auf
Bewegung der Glieder, Kälte oder Hitze,
Oeffnung von oben oder unten u. d. gl. aber
etwas Zuſammenhängendes, Entſcheidendes
nie, was Einfluſs auf die Beurtheilung der
eigentlichen Heilkraft des Mittels bei Men
ſchen haben könnte. Dazu ſind ſolche Ver
ſuche zu dunkel, zu roh, und, wenn ich ſo
ſagen darf, zu plump.
-

Da die erwähnten Erforſchungsquellen


der Heilkräfte der Arzneien ſo leicht verſieg
ten, ſo dachte der Syſtematiker der Arznei
mittellehre auf andre, wie ihm dünkte, ſich
rere Art. Er ſuchte ſie in den Arzneiſubſtan
zen ſelbſt auf, er wähnte da Winke zu fin
den, die ihn leiten ſollten. Er bedachte aber
nicht, daſs die ſinnlichen äuſſern
Merkmale derſelben oft ſehr trüglich ſind,
ſo trüglich, als die Phyſiognomik bei Erra
thung der Herzensmeinungen. - -

-
" - Die
ist. Die Lºwridaßnd bei weitem nicht immer
giftig, ſº wenig im Gegentheile die ange
– nehmen Farben, der Pflanzen etwas für ihre
„Unſchuld beweiſen. Auch die ſpeziellern
Eigenſchaften der Droguen,von demanGeruch
und Geſahnpack urheilen kann, könnenks
ne zuverläſsigsnSchlüſſe bei noch unverſuch
ten Subſtanzap erlauben. So wenig ich dis
ſen beiden Finnen ihre Brauchbarkeit zur
Beſtätigung ſchon aus andern Gründen ha
kannter ºder vermuthlicher Arzneitugenden
abſprechen will ſo viel Behutſamkeit rathe -

ich auf der andern Seite denen an, welche


nach ihnen allein Urtheile fällen wollen.
Soll das bittere Grundweſen den Magen
ſtärken, warum ſchwächt ihn die Squille?
Sollen die bitter aromatiſchen Subſtanzen
erhitzen, warum vermindert der Sumpfporä
die Lebenswärme in ſo hohen Grade?
Wenn nur diejenigen Gewächſe, die mit
Eiſenvitriol Dints geben, adſtringirend fest,
ſollen, warum giebt das höchſt zuſammen,
ziehende Weſen in den Quitten, den Miſpeln
u. ſw. keine Dinte? - - - - - - 2
. . . . . . . . . . . . . . . . .
-- Soll der adſtringirende Geſchmack einen
Stärkungsſtoff anzeigen, warum erregt der
Medic.ourn. II. Band. $. Stück, Dd Zink
-
"v /

"g-hum 404 "a

Zinkvitriöſ Erbrechen? Sind die Säuren


fäulniſswidrig, warum bewirkt der Arfenik
eine foſchñehe Fäulnifs in dem damit vergif
teten Körper?“ Iſt das Süſse etwa auch im
Bleizucker nahrhaft? Sind ätheriſche Oele
und das, was feurig auf der Zunge ſchmeckt,
auch für das Bfür erhitzend, warum thun
der Aether, der Kampher, das "Kajeputöl,
das Pfeffermützö, ünd das ätheriſche Oel
der bittern Mandeln und der Lorberkirſche
das Gegentheif? Erwartet man von den gif
sigen Panzer einen widrigen Geruch, war
um iſt er ſo unbedeutend in Napenſturmhu,
der Belladonha und dem Fingerhut ? war.
"um ſo unmerklich in den Krähenaugen, der
Gummigutte?“ Erwartet man von den gifti
gen Pflanzen einen widrigen Geſchmack,
"warum iſt der ſo fiſſerſt ſchnell tödliche Saft
der Wurzel der Iatioplia Manihot blos ſüſs
Wicht und nicht im mindeſten ſcharf? Wenn
die ausgepreſsten, fetten Oele oft ſchmeidi
gend ſind, folgt daraus, daſs ſie es alle ſind,
etwa auch das inflammatoriſche aus dem
Saamen der Iatropha Curcas gepreſste? So.
len die Subſtanzen, welche wenig oder kei
nen Geruch und Geſchmack haben, ohne
Arzneikraft ſeyn, wie ſtimmt das mit der
- . . . . . . - -------- Ipe
Ipekakuanhe, dem Brechweinſtein, dem Vi
perngifte, der Stickluft und der kräftigen
Löpezwurzel überein ? Wer will die Zaun
rübe für ein Nahrungsmittel aus dem Grun
de anſehn, weil ſie viel Stärkemehlenthält?
...
Vielleicht erlaubt aber die botaniſche
verwandfchaft einen ſichern Schluſs auf
die Aehnlichkeit der Wirkung! Sie erlaubt
ihn eben fo wenig, als viele Ausnahmen von
entgegengeſetzten oder doch ſehr abweichen
den Kräften in einer und derſelben Pflanzen
familie und in den meiſten derſelben es giebt.
Wir wollen das vollkommenſte natürli
che Syſtem, das Murrayiſche, zum Grunde
- legen. .
*
-

* -
. .
- - - - - -
- - - - - -
- -- - - -

In der Familie der Coniferae giebt die


innere Rinde der Kienfichte (Pinus ſyl
veſtris) den nördlichſten Völkern eine Art
Brod, während die Rinde des Beereiben
baums (Taxus baccifera) den Tod giebt. -
Wie könnmt die brennende Wurzel der Ber
tram kam ille (Anthemis Pyrethrum) mit
dem tödlich kältenden Giftlattich (La
ctuca viroſa), ſo wie das Erbrechen erregen
de Speykreuzkraut (Senecio vulgaris)
- Dd 2 mit
- 406 -
-mit der milden Skorzon ere, die kraftloſe
Sand-Rainb1 um e (Gnaphalium are
-narium) mit dem heroiſchen Fallkraut
-wohl verlei (Arnica moniana) – in Eine
Familie (der Compoſitae)? – Hat wohl
die purgirende Strauch kugelblume
(Globularia Alypum) etwas mit der unkräf
tigen Statice in der Familie Aggregataege
mein?– Läſst ſich von der Zucker wur
zel (Sium Siſarum) etwas ähnliches als von
der Wurzel der giftigen. Neben dolde (Oe
manthe) oder des Gift wütherichs (C
cuta viroſa) erwarten, weil ſie zuſammen
in der Schirmfamilie ſtehen? – Hat wohl
(in der Familie hederaceae), der gar nicht
unſchuldige Ewige Pheu (Hedera Helix)
mehr Aehnlichkeit mit der Ede 1 weinrebe
(Vitis vinifera) als etwa im äuſſern Wuch
ſe? – Wie kömmt der kraftloſe Bruſch
(Ruscus) mit dem betäubenden Kocke -
mend ſa am en (Meniſpermum Cocculus).
dem erhitzenden Oſterluzey (Ariſtolo
chia) und dem Brech ha ſei kr aut e (Aſa
Trum europaeum) in EineFamilie (derSarmen

taceae)? – Läſst ſich vom Klebmeyer


(Galium Aparine) etwas ähnliches als von
der oft tödlichen Spigelia marylandica erwar
- - , - - - LON ,
- - 4o7 ---

ten, weil ſie beide unter den Stellatae ſte


hen ? – Welche Aehnlichkeit der Wirkung
findet man zwiſchen der Melone (Cucumis
Melo) und der Eſelfpringgurke (Mo
mordica Elaterium) aus derſelben Familie Cu
curbitaceae ? – Und nun in der Familie Sola
naceae, wie paaret ſich die ſchmackloſe K
nigskerze (Verbascum Thapſus) mit der
brennenden Sommerb eiſs beere (Capſ
cum annuum ) oder der die erſten Wege
krampfende Tabak mit den die natürlichen
Bewegungen des Darmkanals hemmenden
Krähen augen (Strychnos Nux vomica)?
- Wie will man das unarzneiliche Bär
winkel ſingrün (Vinca pervinca) neben
dem betäubenden Unhold ole an der (Ne
rium oleander) ſtellen in der Familie Con
tortae? – Wirkt der wäſſerige - Pfen
nig weiderig (Lyſimachia Numularia)
der Fieber kleeblume (Menyanthes tri
foliata) ähnlich, oder die unkräftige Pri-
me1 ſchlüſſelblume (Primula veris) dem
draſtiſchen Erdſcheibe ſchweinsbro
de (Cyclamen europaeum) in der Familie Ro
taceae? – Läſst ſich von den Eigenſchaf
ten der die Harnwege ſtärkenden Sand
be er bärentraube (Arbutus Uvaurſ) auf
- Dd 3 die
/

- - ,

die des erhitzená betäubenden Schneero


fe gicht ſtrauchs (Rhododendron Chry
ſanthum) in der Familie Bicornes ſchlieſsen?
– Iſt in den Verticillatae die kaum etwas
adſtringirende Gottheil braunelle (Pru
nella vulgaris) und der unſchuldige Ku-,
kuk günſel (Ajuga Pyramidalis) mit dem
ätheriſchen Katzengamander(Teucrium
Marum) oder dem feurigen Kreter doſt
(Origanum creticum) nur in irgendeinem
Betrachte zu vergleichen? – Wie iſt der
Taubenkraut eiſerich (Verbena offici
nalis) mit dem heftigen Wilda urin (Gra
tiola officinalis) an Kräften verwandt in der
Familie Perſonatae? – Wie weit entfernt
ſich die Glycyrrhiza von der Geoffroya in der
Wirkung, obgleich in derſelben Familie Pa
pilionaceae? – In welcher Parallele ſtehen
in der FamilieLomentaceae die Eigenſchaften
der Sood brod karobe (Ceratonia Siliqua)
mit denen des Tauben kropfer drauchs
(Fumaria officinalis), des Senegawam
ſels (Polygala Senega) oder des Peru bal
ſam baums (Myroxylon peruiferum)? –
Oder gleichen ſie etwa der Garten eich e1
(Nigella ſativa) und die Garten raute
(Ruta graveolens), die Pfingſtroſen päo
- - Il S
----- 409 -
>

ne (Paeonia officinalis) und der Gifthah-,


ne fufs (Ranunculus fceleratns)e auch nur
im mindeſten an Kräften, obgleich alleſamtd
aus der Familie Multifiliquae? – Den Fi
li pendelwedel (Spiraeå Filipendula) und
die Roth heiktor men tille(Tormentilla"
erecta) vereinigt die Familie, Sen vico fae"
und doch, wie unähnlich an Eigenſchaft
ten?–Der Iohannisbeerribes (Ribes,
rubrum) und die Lorber kirſche (Pru
mus lauroceraſus), der Vogelbees ſpier.
1ing (Sorbus aeuparia) und die Pfirfch
man del (Amygdalus perſica), wie ungleich
an Kräften, und doeh in derſelben Familie
Pomacéae! – Die Fan:ilie Succulentaever
einigt die Mauerp fefferfetthenne (Se
dum acre) und den Gemäfsportulak
ePortulaca oleracea), gewiſs nicht wegen
ähnlieher Wirkungen ! –- Wie könnmt der
St breh fchnabel mit dem Purgirlein
(Linum catharticum),der Sauerkleelujel
(Oxalis acetoſella) mit der Bitter quaſ ſie
(Qüaſſia amära) in eine und dieſelbe Fami
lie ? doch nicht wegen Aehnlichkeit der
Kräfte? – Wie ungleichartig an Arznei
kraft ſind alle die Glieder der Familie Aſey
roideae! - und die der Dumoſae! – und
Dd 4 die
- 410 -.
die der Trihilatael. – In der Familie Tri
coccae, was hat da die freſſende Euphor
benwolfsmilch (Euphorbia officinalis)
mit dem für die Nerven nicht gleichgültigen
Buchsbaum (Buxus ſempervirens) für
Gemeinſchaft ? – Das „unſchmackhafte,
Glattbruch kraut (Herniaria glabra), die
ſcharfe Kermes phytolacke (Phytolacca
- decandra), der erquickende Ambergänſe
fuſs (Chenopodium ambroſioides) und der
brennende - Waſſerpfefferknöterich
(Polygonum hydropiper), welche Geſellſchaft
(in der Familie Oleraceae)! – Wie ungleich
wirkend ſind die Scabridae! – Was ſoll die
blos ſchleimig milde Weifslilie (Lilium
candidum) neben dem Knoblauch (Allium
ſativum) oder die Meer zwiebel (Scilla
maritima), was der Eſsſpargel (Aſpara
gus officinalis) neben der giftigen Weiſs
nie. . urzel (Veratrum album) in der Fa
milie Liliaceae ? –. - 3.
- 2. C - .. -
-

Ich bin weit entfernt, zu verkennen, wie


viel wichtige Winke gleichwohl das natür
liche Syſtem dem philoſophiſchen Arzneimit
–tellehrer geben kann - und der den Beruf
fühlt, neue Arzneimittel aufzufinden, aber
s: * - dieſe
dieſe Winke helfen doch nur entweder ſchon
bekannte Thatſachen beſtätigen, und kom
mentiren, oder ſie vereinigen ſich bei noch
unverſuchten Pflanzen erſt zu hypothetiſchen
Muthmaſsungen, denen noch viel an einer
der Zuverläſsigkeit ſich nähernden Wahr
ſcheinlichkeit abgeht.
: - -

- Doch wie will man durchgängige Wir


kungsähnlichkeit bei Pflanzengruppen er
warten, die oft nur nach kleinen äuſlerlichen
Aehnlichkeiten in dem ſogenannten natürli
chen Syſteme zuſammengeſtellt ſind, da ſelbſt
weit näher mit einander verwandte Gewäch
ſe, Pflanzen. Einer und der ſelben
Gattung ſich zuweilen ſo ungleich an arz
neilicher Wirkung ſind. Die Arten der Gat
tung Impatiens, Serapias, Cytifus, Ranun:
gulus, Calamus, Hibiſcus, Prunus, Sedum, - -

Caſſia, Polygonum, Convallaria, Linum.


Rhus, Seſeli, Coriandrum, Aethuſa, Sium,
.
Angelica, Chenopodium, Aſclepias, Sola
num, „Lolium, Allium, Chenopodium,
/ Rhamnus, Amygdalus, Rubus, Delphinium.

Siſymbrium, Polygala, Teucrium, Vaccini


um, Cucumis, Apium. Pimpinella, Ane
thum, Scandix, Valeriana, Anthemis, Arte
sº - g
- Dd 5 miſia.
- 412 sius

mißa, Centaures, Iuniperus, Braffica mögen


Beifpiele ſeyn welcher Unterſchied zwi
ſchen dem unſchmackhaften Zunderlö
cher ſchwamm (Boletus igniarius) und
dem bittern, draſtiſchen Lerchen löcher
ſchwamm (Böletus laricis), zwiſchen dem
Reisker blätter ſchwamm (Agaricus
delicioſus) und dem Fliegen blätter
ſchwamm (Agaricus muſcarius), zwiſchen
der holzigen. Stein flechte (Lichen ſaxati
lis) und der kräftigen Isländer flechte
(Lichen islandicus)! - *
- - - - - - - - - -*

so gern ich auch zugebe, daſs im Allge


meinen Aehnlichkeit der Wirkung weit öfte
rer bei Arten einer Gattung , als zwiſchen
ganzen, gruppenweiſe im natürlichen Sy
ſtem zuſammengeſtellten Geſchlechtern an
zutreffen iſt, und daſs ein Schlufs auf erſterm
Wege weit mehr Aehnlichkeit vor ſich habe,
fo drängt mich doch meine Ueberzeugung
zu warnen, daſs, wenn es auch noch ſoviel
Geſchlechter gäbe, deren Arten groſse Aehn
lichkeit in ihren Wirkungen mit einander
gemein hätten, uns die kleinere Zahl der ſehr
ungleich wirkenden doch ſehr miſstrauiſch
gegen dieſe Art zu ſchlieſsen machen müſſe,
v º, - da
v

da es hier keinem Fabrikverſuche, ſondern


der wichtigſten und ſchwierigſten Angele
genheit des Menſchen, der Geſundheit, gilt.*).
- -- - -

/ -

Alſo „auch dieſer Weg iſt nicht als ſich


rer Grundſatz zur Ausmittelung der Arznei
kräfte der Pflanzen zu befolgen.

Es bleibt uns nichts, als die Erfah


rung am menſchlichen Körper übrig. Aber
welche Erfahrung? Die ungefähre, oder
die gefliſſentliche?
s - . . . -

- - - Die
-*

- *) Um ſo bedenklicher wird der Schluſs auf


Wirkungsähnlichkeit zwiſchen Arten einer
Gattung, da ſogar eine und dieſelbe Art, eine
und dieſelbe Pflanze in ihren verſchiedenen
Theilen zuweilen ſehr abweichende Arznei
kräfte zeigt. Wie ſehr weicht der Mohnkopf
vom Mohnſaamen, die aus den Blättern der
Lerchenfichte ſchwitzende Manna von dem
Lerchenterbenthin, der kühlende Kampher in
der Wurzel des Zimmtlorbers von dem bren
menden Zimmtöle, der adſtringirende Saft in
den Früchten verſchiedner Mimoſen von dem
ſchmackloſen, aus ihrem Stamme dringenden
Gummi, der ätzende Stengel des Gifthahne
- fuſs von ſeiner milden Wurzel ab!
– 414 -
Die meiſten Tugenden der Arzneikörper
ſind, ich lege dieſs demüthigende Geſtänd
miſs ab, durch ungefähre, empiriſche
Erfahrung entdeckt worden, durch Zu
fa 11, oft durch Nichtärzte zuerſt bemerkt.
Dreiſte, oft allzu dreiſte Aerzte machten
dann nach und nach Proben damit. - -

Ich bin gar nicht willens, dieſem Entde


ckungswege der Arzneikräfte ſeinen hohen
Werth abzuſprechen; die Sache redet von
ſelbſt. Aber für uns giebt es dabei nichts zu
thun ; Zufall ſchlieſst allen Vorſatz, alle
Selbſtthätigkeit aus. Traurig iſt der Gedan
ke. auf die Diskretion des Ungefährs, die
immer eine Menge befährdete Menſchenle
ben vorausſetzt, die edelſte, unentbehrlich
ſte Kunſt gebaut zu ſehen. Reicht der Zu
fall ſolcher Entdeckungen zur Vervollkomm
nung der Arzneikunde, zur Ergänzung der
Lücken hin? Von Iahr zu Iahr lernen wir
neue Krankheiten, neue Wendungen und
verwickelungen von Krankheiten, neue
Krankheitszuſtände kennen, haben wir nun
keinen, mehr in unſrer Gewalt ſtehenden,
Weg zur Auffindung der Hülfsmittel vor uns,
als den der Zufall uns geſtattet, ſo bleibt uns
--- - nichts
-- 415 –
nichts übrig, als ſie mit allgemeinen dafür
möchte ich oft wünſchen, gar kein en)
oder ſolchen Mitteln zu behandeln, die in
uns ähnlich dünkenden Krankheiten, und
„ähnlich ſcheinenden Krankheitszuſtänden
„ſonſt wohl dienlich geſchienen haben. Wir
- verfehlen aber oft des Zwecks, weil eine ver
änderte Sache nicht dieſelbige iſt. Traurig
„ſehen wir vor uns hin in die kommenden
Jahrhunderte, wo ein eigenthümliches Heil
mittel für dieſe beſondre Krankheit, für
dieſe beſondre Krankheitswendung, für die
ſen beſondern Umſtand vom Zufall viel
leicht entdeckt werden, wird, wie für das
reine Wechſelfieber die Rinde, oder für die
Luſtſeuche das Queckſilber.
- *- - - -
- -.

Eine ſo prekäre Bildung der wichtigſten


-
Wiſſenſchaft, – wie etwa der Zuſammen
flug der Epikuriſchen Atome zur Weltent
ſtehung – konnte des weiſeſten und gütig
ſten Menſchenerhalters Wille nicht ſeyn. Es
wäre ſehr demüthigend für das erhabne Men
ſchengeſchlecht, wenn ſeine Erhaltung blos
vom Zufalle abhangen ſollte. Nein! es iſt
erquickend, zu denken, daſs es für jede be
- ſondre Krankheit jede eigenthümlicheKrank
- heits
– 416 -
heitsverfaſſung eigenthümliche, direkt hülf
reiche Mittel gebe, und auch Wege, ſie ge
fliſſentlich ausfindig zu machen. -

! - - - - -- - -
- - -- - - - *

Wenn ich die gefliſſentliche Aus


findung der uns noch fehlen den
Arzneikräfte nenne, ſo meyne ich nicht
jene empiriſchen, gewöhnlich in Spitälern
angeſtellten Proben, wo man bei dem oder
jenen ſchwierigen, oft gar nicht genau beob
achteten Falle, in welchem das Bekannte
nicht helfen will, zu irgend einer, entweder
überhaupt, oder doch bei dieſem Umſtande
unverſuchten Drogue greift, vom Gerathe
wohl und blinden Einfällen, oder doch von
ſo ſehr dunkeln Ahndungen geleitet, von de

nen man weder ſich noch Andern Rechen


ſchaft zu geben im Stande iſt. Solche empi
riſche Wagſtücke ſind, mit dem gelindeſten
Nahmen belegt, thörichtes Würfelſpiel, wo
nicht gar etwas noch ſchlimmeres. -

Auch von den etwas rationellern Verſu


chen ſchon hie und da empiriſch gegen dieſe
oderjene Krankheitszuſtände obenhin gelob
ter, weiter aber nicht geprüfter Mittel in der
Privatpraxis und in Spitälern rede ich hier -
nicht.
-

*- 247 -

nicht. Siegeſchehen zwar auch, wenn nicht


einige kunſtmäſsige Gründe des Verfahrens .
zum Leitfaden genommen werden, zum
Theil auf Gefahr der Geſundheit und des Le
ºbens der Kranken, aber dieBehutſamkeit und
das praktiſche Genie des Arztes kann doch
5viel Unebmes ſeiner halbempiriſchen Unter
nehmungen wieder ins Geleiſe bringen.
* : 2. - - - - -- .. . . . . .
Da wir ſchon eine gröſse Menge Arznei
mittel haben, von denen wir wohl ſehen,
daſs ſie wirkſäm ſind, aber nicht recht wiſ
ſen, was ſie etwa für Krankheiten heben
könnken, und wieder andre, die in genann
-ten Krankheiten bald geholfen bald nicht
geholfen haben, und von denen wir noch
keine deutlichen Begriffe haben, wo ſie ge
nau und am rechten Orte anzupaſſen ſind,
ſo möchte es vor der Hand gar nicht nöthig
ſeyn, den Arzneivorrath in der Zahl zu ver
mehren. Sehr wahrſcheinlich lieget in den
ſchon vorhandnen alle (oder doch beinahe
alle) die Hülfe, die uns noch gebricht.
-- - -
Ehe ich mich aber weiter erkläre, muſs
ich, mich zu verwahren , das Bekenntniſs
ablegen, daſs ich für keine, ſo und ſo ge
-- *. - Ilan Iate
-

>

– 43 --
nannte Krankheit überhaupt mit allen den
Ausdehnungen, Nebenzufällen und Abwai
chungen überladen, die man in Pathologien
nur gar zu gern in ihren eſſentiellen Charak
er, als unveräuſſerliche Pertinenzſtücke, un
vermerkt einzuſchieben pflegt - ein durch
gängigſpezifiſches Mittel erwarte, auch nicht
glaube, daſs es dergleichen geben könne.
Nur die ſo groſse Einfachheit und Selbſtſtän
-digkeit der Wechſelfieber und - der veneri
.fchen Krankheit konnten Gegenmittel finden,
- die ſich in den Augen vieler Aerzte als ſpezi
zfiſch qualifiziten, da die Abweichungen in
dieſen Krankheiten weit ſeltner oder unbe
deutender zu ſeyn pflegen - als in andern,
folglich auch Rinde und Queckſilber weit
helfen, als nicht helfen muſsten. Aber ſps
zifiſch ſind weder die Rinde im Wechſelfie
ber weitläuftigſten Verſtandes, *) noch das
– 9. Queck

* *) Nur schade, daſs man nicht einſahe, war


um z. B. von den etwa, aller der ſogenann
ten Wechſelfieber, gegen die die Rinde nicht"
vermochte, drey Funfzehntel Krähenaugen,
oder bittere Mandeln, andre Funfzehntel Mohn
ſaft, ein andres Funfzehntel Aderlaſs und noch
ein andres Funfzehntel kleine Gaben Brech
Fs Wur
- º 419 e

" Queckſilber in der veneriſchen Krankheit


er weitläuftigſten verſtandes; ſpezifiſch aber
- -- verm uthlich in beiden Krankheiten, wenn ſie
einfach rein und von aller Komplikation ab
-z: geſondert genómmen werden. Unſre groſsen,
re- erleuchteten Krankheitsbeobachter habendie
- ſe Währheit zur Gnüge eingeſehn, als daſs
ich mich weitläufiger hierüber auszulaſſen
* - - - -
- nöthig hätte.
- -
-- -
nähig
-
- - - -
-- - '-X
- -
-

- * -- - -
..

. . . Wenn ich nun durchaus leugne, daſs es


-F -2 - „

abſolute Spezifika für einzelne Krankheiten


- gebe, nach der Ausdehnung, die ihnen die
- - -- - - 2 -

- - ge
------- -
-
- . . . .
wurzel zur Heilung erforderten! Man begnüg
- - te ſich zu ſagen, », Rinde half nicht, aber Ig
anatzbohne half“; warum? das hören wir
- sº - nicht deutlich. War es ein reines Wechſel
-- - - - - fieber, ſo muſste die Rinde helfen; bei der
- - 1. Komplikation mit übermäſsiger Reitzbarkeit,
vorzüglich der erſten Wege aber, war es kein
- -

reines Wechſelfieber mehr, da konnte ſie nicht


helfen, da muſste man aus Gründen Ignatz
4 bohne, Krähenaugen oder bittere Mandeln, je
nach dem verſchiednen Körperzuſtande, zum
Heilmittel oder zum Beimittel wählen - und
durfte und ſollte ſich gar nicht wundern, daſs
Rinde nicht half.
DMediG. Iourn. II. Band. z. Stück. Ee
- - -

z---------- 2a - - -- * =-v-ſe. - Em
------- --- ==== ==-II-TE =
TFT

* D 2-4 + 4-D-22r-L= T------ ===


4 x- -------- --- ==T=====
» - 4-n Za-L=1 - - Z z==inn -- Tºm
4-2--------------- zz- Luºzzz-T-- Le
-- a va z- ------ ------ -- -

K.-- ------ --- ------ zz-t-z zu


ſa«4- -- --- --- Fz= = ====== ==
f»-4- -- -- ---------- ----- L - z - ==
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z--mor erz-z-ze- C-zrez: T2- Lz==ke=
zziz, erz- --n, mit V-2-+--z==s des
/ «rrett, der Orts, der Zeit- u. LTT- zicht
wehren, abſtrakt reinen, ſo inten Krankheits
«h»-kuer, abgeſondert von dem (etwa hinten
an zu hängenden) Zufa igen. Nur die neaern
ſºgenannten Polologen haben dergleichen
Pragment« gewegt; ihre Geſchlechter ſollen
das ſey“, was ich eigenthümlichen Charakter
jeder Krankheit nenne, ihre Species aber die
Zufälligkeiten.

Vor allen Dingen haben wir die Haupt


krankheit zu beſorgen, die Abweichungen und
Nebenzuſtände verlangen nur dann beſondre
II(lfo, wonn ſie dringend, oder der Herſtel
lung boſonders hinderlich ſind; ſie verlangen.
di• IIaupthülſe, mit Hintanſetzung der ur
ſprüng
am 421 -en

ſeyn, daſs es ſoviel Spezifika giebt, als es


verſchiedne Zuſtände der einzelnen Krank-
-heiten giebt, d.i, für die reine Krankeit Spe:
zifika und für die Abweichungen und übri:
gen unnatürlichen Körperzuſtände beſondre
- -
- - - - - - -
- Wenn ich mich nicht irre, ſo hat die
praktiſche Arzneikunde gewöhnlich dreiWe
ge eingeſchlagen, um den Beſchwerden des
menſchlichen Körpers Heilmittel anzupaſſen,
- 2 - -
- Der erſte Weg, die Grundurſachen
der Uebel hinweg zu nehmen oder
zu zerſtören, war der erhabenſte, den ſie
betreten konnte. Alles Dichten und Trach
ten der beſten Aerzte in allen Iahrhunderten
ging auf dieſen, der Würde der Kunſt ange
meſſenſten Zweck. Es blieb aber immer, um
mich eines ſpagyriſchen Ausdrucks zu bedie
nen, bei Partikularen; den groſsen Stein,
die Kenntniſs der Grundurſachen aller Krank
heiten, erlangten ſie nie. Von den meiſten
1 - : Ee 2 : - ... Krank

ſprünglichen Krankheit , wenn dieſe durch


Uebergang ins Chroniſche unbedeutender und
weniger dringend iſt, jene aber ſich allmäh
lich zur Hauptkrankheit erhoben haben.
4- 422 -

Krankheiten werden ſie auch der menſchli


chen Schwäche ewig verborgen bleiben. In
defs, was man davon aus der Erfahrung al
ler Zeiten abſtrahiren konnte, vereinigte YY 21.
in der allgemeinen Therapie. So hob man
bei langwierigem Magenkrampfe zuerſt die

allgemeine Körperſchwäche, die Krämpfe


-

vom Bandwurm beſiegte man durch Tödung


äieſes Thieres, das Fiebervon verdorbnem
Mageninhalte vertrieb man durch kräftige
Brechmittel, bei Verkältungskrankheiten
ſtellte man die unterdrückte Ausdünſtung
her, und ſchnitt die Kügel aus, welche
wundfieber erregte. Dieſer Zweck bleibt
über alle Kritik erhaben, obgleich die Mit
tel dazu nicht immer die zweckmäſsigſten
waren. Ich laſſe dieſe königliche Straſse
dieſsmahl zur Seite liegen, da mich jetzt die
übrigen beiden Wege, Arzneien anzuwene
den, beſchäftigen. . .
4 -- 12. -

Auf dem zweiten Wege ſuchten ſie die


vorhandnen Symptomen durch Arzneien
zu unterdrücken, die eine gegenſeiti
ge Verän der ung hervorbringen, z.
B. Verſtopfung des Leibes durch Abführungs
mittel, – entzündete3 Blut durch Aderläſſe,
- - - Kälte
Kälte durch Salpeter, – Säure im Magen
durch Alkalien, – Schmerzen durch Mohn
ſaft. In Akuten Krankheiten, welche, wenn
wir dieHinderniſſe der Geneſung auch nur auf
einige Tage entfernt halten, die Natur gröſs
tentheils ſelbſt beſiegt, oder, wenn wir es
nicht können, unterliegt, in akuten Krank
heiten, ſage ich, ſind dieſe Arzneianwen
dungen richtig, zweckmäſsig, hinreichend,
ſo lange wir den oben erwähnten Stein der
Weiſen (die Kenntniſs der Grundurſache je
der Krankheit und ihrer Abhülfe) noch nicht
beſitzen, oder ſo lange wir kein ſchnell wir
kendes Specifikum haben, welches z. B. die
Bockenanſteckung gleich im Entſtehen aus
löſcht. Ich würde in dieſem Falle ſolche
Mittel temporelle nennen. - ).

-
»

- Liegt aber die Grundurſache der Krank


heit und ihre direkte Abhülfe am Tage, und
wir beſtreiten, deſſen uneingedenk, die Sym
ptomen doch blos durch Mittel dieſer zwei
ten Art, oder ſetzen ſie chroniſchen Krank
heiten im Ernſte entgegen, dann erhält dieſe
Heilmethode (Beſchwerden durch Mittel, die
das Gegentheil wirken, zu beſtreiten) den
Nahmen der Palliativen, und wird ver
- - Ee 3 werf
äºmas 424 S

werflich. Bei chroniſchen Krankheiten lin


dert ſie nur anfänglich, in der Folge ſind
ſtärkere Gaben ſolcher Mittel nöthig, die die
Hauptkrankheit nicht heben können, und
ſo ſchaden ſie um deſto mehr, je länger ſie
in Ausübung gebracht werden, aus Gründen,
die weiter unten vorkommen.
- X

Ich weiſs zwar wohl, daſs man noch im


mer habituelle Neigung zu Leibesverſtopfung
durch fleiſsige Aloemittel und Laxirſalze zu
heben unternimmt; aber mit welchem wi
drigen Erfolge! Ich weiſs wohl, daſs man
die chroniſchen Blutaufwallungen hyſteri
ſcher, kachektiſcher und hypochondriſcher
Perſonen noch immer durch wiederhohlte.
obſchon kleine Aderläſſe, Salpeterpulver und
dergl. zu dämpfen ſich bemüht; aber mit
welchem widrigen Erfolge! Den Stubenſ- -
tzern verordnet man gegen ihre chroniſchen
Magenbeſchwerden, mit ſauerm Aufſtoſsen
begleitet, noch immer Bitterſalzerde fortge
ſetzt zu gebrauchen; aber mit welchem wi
drigen Erfolge! Chronifche Schmerzen ir
gend einer Art ſucht man noch immer durch
fortgeſetzte Mohnſaftmittel zu tilgen; aber
mit welchem widrigen Erfolge! Und wenn
- - der
- a-m. 425 «

- der gröſsre Theil meiner ärzliehen Zeitge


noſſen noch dieſer Methode anhiengen; ich
fürchte doch nicht, ſie palliativ, ſchädlich,
verderblich zu nennen.

Ich bitte meine Mitbrüder, dieſen Weg


(Contraria contrariis) bei chroniſchen, auch
ſchon den eben ins Chroniſche ausartenden
akuten Krankheiten zu verlaſſen; er iſt der
mnrichtige, ein Holzweg im dunkeln Haine,
der ſich an Abgründen verliert. Ihn hält der
ſtolze Empiriker für die gebahnte Heerſtraſse,
und brüſtet ſich mit der elenden Macht, et
liche Stunden lindern zu können, unbeküm
mert, ob das Uebel unter dieſer Tünche tie
fere Wurzel faſst.
e - . .

Doch ich brauche als Warner hier nicht


allein zu ſtehen. Die beſſern, einſichtsvol
lern und gewiſſenhaftern Aerzte haben in
chronifchen und ins Chroniſche ausartenden
akuten Krankheiten von Zeit zu Zeit (auf
einem dritten Wege) nach Mitteln gegrif
fen, die nicht die Symptomen vermänteln
ſollten, ſondern die das Uebel aus dem Grun
de hüben, mit einem Worte, nach ſpezifi
ſchen Mitteln; das wünſchenswertheſte,
Ee 4 löb
- 426 –
1öblichſte Beginnen, was ſich nur denken
läſst. Sie verſuchten ſo z. B. die Arnika in
der Ruhr, und fanden ſie in einigen Fällen
fpezifiſch hülfreich.

Aber welcher Führer leitete ſie, welche


Gründe beſtimmten ſie, ſolche Mittel zu ver
ſuchen? Leider! nur Vorgang vom empiri
ſchen Hazardſpiele, von Hausmittelpraxis
Fällen des Zufalls, wo man dieſe Subſtanzen
von ungefähr bei dieſer oder jener Krankheit
hülfreich fand, oft nur in beſondern, unbe
merkten Kombinationen, die vielleicht wohl
nie wieder vorkommen, zuweilen in reinen
einfachen Krankheiten.

Gewiſses wäre Schade, wenn nur Zufall


und empiriſches Apropos uns bei der Ausfin
dung und Anwendung der eigentlichen,
wahren Heilmittel chroniſcher Krankheiten,
die gewiſs die gröſsere Zahl der menſchlichen
-
Beſchwerden ausmachen, leiten müſste.

Die Wirkungen der Heilmittel zu erfor


ſchen, um ſie den Körperbeſchwerden anzu
paſſen, ſollte man ſo wenig wie möglich ſich
auf den Zufall verlaſſen, ſondern ſo rationell
* - - und
-

- 427 -.

und gefliſſentlich zu Werke gehen als nur


möglich. Wir haben geſehn, daſs zu letzterm
Behufe die Beihülfe der Chemie noch man
gelhaft iſt und mit Behutſamkeit zu Rathe
gezogen werden muſs – daſs die Aehnlich
keit der Pflanzengattungen im natürlichen
Syſteme , ſo wie die Aehnlichkeit der Arten
einer Gattung, nur entfernte Winke geben,–
daſs die ſinnlichen Eigenſchaften der Arznei
körper nur etwas ganz Allgemeines lehren,
was durch viele Ausnahmen beſchränkt wird
– daſs die Veränderungen des aus der Ader
gelaſſenen Blutes von der Beimiſchung der
Arzneien nichts lehren – und daſs die Ein
ſpritzung der letztern in die Adern der Thie
re, ſo wie die Erfolge an Thieren, wenn
man ihnen die Arznei zum Verſuche eingiebt,
ein viel zu rohes Verfahren ſei, als daſs man
die feinen Wirkungen der Heilmittel daraus
beurtheilen könnte.

Es bleibt uns nichts übrig, als


die zu er forſchen den Arzneien am
-
menſchlichen Körper ſelbſt zu ver
ſuchen. Dieſe Nothwendigkeit ſahe man
Z
zu allen Zeiten ein, aber man betrat gewöhne
-- Ee 5 lich
lich den falſehen Weg, indem man ſie blos,
wie oben gedacht, empiriſch und auf Ge
rathewohl gleich in Krankheiten anwendete.
Die Gegenwirkung des kranken Körpers aber
auf ein noch nicht, oder noch nicht gehörig
geprüftes Mittel giebt ſo intrikate Erſchei
nungen, daſs ihre Beurtheilung für den
ſcharfſinnigſten Arzt zu ſchwer iſt. Es erfolgt
nichts, oder es erfolgen Verſchlimmerungen,
Veränderungen, Beſſerung, Geneſung, Tod
– ohne daſs das gröſste praktiſche Genie er
rathen könnte, welchen Antheil der kranke
Körper oder das Mittel (in der zu grofsen,
mäſsigen oder allzu kleinen Gabe?) an die
ſen Reſultaten habe. Sie lehren nichts und
verleiten zu falſchen Muthmaſsungen. Die
Alltagsärzte verſchwiegen den erfolgten Scha
den, ſie merkten nur mit einem Worte den
Nahmen der (oft mit einer andern verwech.
ſelten) Krankheit an, wo das und jenes ge
holfen zu haben ſchien, und ſo entſtanden
die unnützen und ſchädlichen Schröde T»
R ut ty, Zorn, Chomel, Pom et u. ſ. w..
in deren dicken Büchern man eine ungeheu
re Menge gröſstentheils unkräftiger Arzneien
findet, deren jede dieſe und noch zehn und
2W3
– 429 –
zwanzig andre Krankheiten aus dem Grunde
geheilt haben ſoll. *)

Der wahre Arzt, den die Vervollkomm


nung ſeiner Kunſt am Herzen liegt, kann
keine andern Nachrichten von Arzneien brau
chen, als:
4 : r. - - ':

Erſtens, welche reine Wirkung


bringt eine jede vor ſich in dieſer
und jener Gabe im geſunden
menſchlichen Körper hervor ?
Zwei

*) Das Wunderbarſte bei dieſer Spezifikation der


Tugenden einzelner Droquen bleibt für mich
immer der Umſtand, daſs man die noch jetzt
die Arzneikunſt difamirende Methode, meh
rere Arzneien zugleich in Ein Rezept kunſt
mäſsig zu verflechten, zu den Zeiten erwähn
ter Männer ſo weit trieb, daſs es ſelbſt einem
Oedipus unmöglich war, etwas von der Wir
kung einem einzelnen Ingredienz des Miſch
maſches ausſchlieſslich zuzueignen, und daſs
man damahls, faſt noch ſeltner als jetzt, eine
einzelne Droque als Arznei allein verordnete.
Wie konnten nun aus einer ſo verwickelten
Praxis die Kräfte der einzelnen Arzneien un
- terſcheidbar hervorgehen ?
Zweitens, was lehren die Beobach
tungen ihrer Wirkung in die ſer
oder jener, einfachen oder verwi
ckelten Krankheit? -

Den letztern Zweck erreichen zum Theil


die praktiſchen Schriften der beſten Beobach
ter aller Iahrhunderte, beſonders der neuern
Zeiten. In ihnen iſt der bisher einzige Vor
rathächter Kenntniſs der Kräfte der Arzneien
in Krankheiten zerſtreut enthalten, wo den
genau beſchriebnen Fällen die einfachſten
Droquen angepaſſet, und treu erzählet wor
den, wo und in wiefern ſie hülfreich, wo
und in wiefern ſie ſchädlich oder minder zu
träglich geweſen (Wollte Gott! ihre Zahl
wäre nicht ſo klein).

Da aber auch unter ihnen die Widerſprü


che ſo häufig vorkommen, daſs der eine in
dieſem Falle verwirft, was der andre in einem
-ähnlichen vortreflich befunden haben will,
ſo merkt man wohl, daſs es uns noch an ei
ner der Natur abgefragten Norm fehle, wor
nach wir den Werth und die Grade der Wahr
heit ihrer Erfahrungen abwägen könnten.

Dieſe
– 431 –
Dieſe Norm, deucht mir, kann einzig
- - aus den Wirkungen abſtrahirt werden, die
-> eine genannte Arzneiſubſtanz vor ſich, in
dieſer und jener Gabe im geſunden menſch
lichen Körper hervorgebracht hat.

--- Dahin gehören die Geſchichten von un


vorſichtig oder unwiſſend verſchluckten Arz
meiſubſtanzen und Giften, und ſolchen, die
–, man, um ſie zu prüfen, mit Vorſatz ſelbſt
eingenommen, oder dazu beſtimmten, ſonſt
: - - - geſunden Menſchen, Kapitalverbrechern, u.
- ſº w. mit Fleiſs eingegeben hat , zum Theil
„... auch diejenigen, wo eine unrechte ſtark.wir
3 1 kende oder ſonſt in groſser Gabe ergriffene
. . Subſtanz als Hausmittel, oder Arzneibey ge:
-- - -eringfügigen oder ſonſt leicht zu beurtheilen
, den Krankheiten gebraucht ward.
, : * - sº
Eine vollſtändige Sammlung dieſer Art
- Nachrichten mit Bemerkung der Grade der
Glaubwürdigkeit ihrer Erzähler würde wenn
ich mich nicht ſehr irre, der Grundkodex
2. der Arzneimittelkunde, das heilige Buch ih
rer Offenbahrung ſeyn.
*, *
- 452 –

In ihnen allein läſst ſich die wahre Natur,


die ächte Wirkung der Arzneiſubſtanzen ge
fliſſentlich entdecken, aus ihnen läſst ſich
errathen, welchen Krankheitsfällen ſie mit
Erfolg und Sicherheit anzupaſſen ſind.

weil es aber dann doch wohl noch an ei


nem Schlüſſel fehlen möchte, ſo bin ich hier -

vielleicht ſo glücklich, das Prinzip darzule


gen, nach welchem man zu Werke gehen
könnte, um zur Ausfüllung der Lücken in
der Heilkunde und zu ihrer Vervollkom
mung allmählig für jedes, vorzüglich chro
niſches Uebel ein paſſendes ſpezifiſches“)
Heilmittel aus dem bisher bekannten (und
dem noch unbekannten) Arzneivorrathé
nach Gründen heraus zu finden und nach
Grün

- -- -- - -

*) Ich habe es in dieſer Abhandlung gröſsten


theils mit Auffindung der permanent wirken
den ſpezifiſchen Heilmittel für (vorzüglich)
chroniſche Krankheiten zu thun. Die, die
Grundurſache hebenden, und die temporeil
wirkenden Heilmittel für akute Krankheiten,
welche in einigen Fällen den Nahmen Pallia
tivmittel erhalten, laſſe ich hier zur Seite
liegen.
-- 455 -
Gründen anzupaſſen. Es beruht ungefähr
auf Folgendem:

Ie des wirkſame Arzneimittel er


regt im menſchlichen Körper eine
Art von eigner Krankheit, eine de
ſto eigenthümlich ere, ausgezeich
netere und heftigere Krankheit, je
wirkſam er die Arznei iſt, *)
-

Man ahme der Natur nach, wel


che zuweilen eine chroniſche Krankheit
durch eine andre hinzukommende heilt,
und wende in der zu heilen den
(vorzüglich chroniſchen) Krankheit das
jenige Arzneimittel an, welches
eine andre, möglichſt ähnliche,
künſtliche Krankheit zu erregen
im Stande iſt, und jene wird geheilet
werden; Similia ſimilibus,

Man darf nur die Krankheiten des menſch


lichen Körpers genau nach ihrem weſentli
chen

*) Die wirkſamſten, ſpezifiſche Krankheit erre


genden, folglich hülfreichſten Arzneien nennt
der Laie Gifte.
- 434 –
chen Charakter und ihren Zufälligkeiten auf
der einen, und auf der andern Seite die rei
nen Wirkungen der Arzneimittel, das iſt,
den weſentlichen Charakter der von ihnen
gewöhnlich erregten, ſpezifiſchen künſtli
chen Krankheit nebſt den zufälligen Sym
ptomen kennen, die von der Verſchiedenheit
der Gabe, der Form, u. ſ. w. herrühren und
man wird, wenn man für die natürliche ge
gebene Krankheit ein Mittel auswählt, was
eine möglichſt ähnliche, künſtliche Krank
heit hervorbringt, die ſchwierigſten Krank
heiten heilen können, *) - ,
- - - - - - . . . Die
i: : - -

- *) will man, wie der behutſame Arzt ſollte


- allmählich zu Werke gehen, ſo giebt man
dieſsgewöhnliche Mittel nur in der Gabe, wo
es die von ihr zu erwartende künſtliche Krank
heit kaum merkbar äuſſere Ces wirkt denn
doch vermöge ſeiner Neigung, eine ſolche künſt
liche Krankheit zu erregen) und ſteigt allmäh
lich in der Gabe, ſo daſs man gewiſs ſeyn
kann, daſs die beabſichtete innerliche Verän
derung des Körperſyſtems kräftig genug erfol
ge» obgleih mit Aeuſſerungen, die den na
türlichen Krankheitsſymptomen an Heftigkeit
weit nachſtehen; ſo wird man gelind und
ſicher heilen. Will man aber, wenn ſonſt
- nur
– 455 -
Dieſer Satz hat, ich geſtehe es, ſo ſehr
das Anſehn einer unfruchtbaren, analytiſchen,

allgemeinen Formel, daſs ich eilen muſs, ihn
ſynthetiſch zu erläutern. Vorerſt aber noch
einige Erinnerungen... - - - --
s: ii - -
I. Die meiſten Arzneien haben mehr als
einerlei Wirkung, eine direkte anfängli
che, welche allmählich in die zweite (ich
nenne ſie in direkte Nachwirkung) über
geht. Letztere iſt gewöhnlich ein dem er
ſtern gerade entgegengeſetzter Zuſtand. *) So
wirken die meiſten Vegetabilien. -
- - II. Nur
- Tr... " ? - - -

nur das Mittel zweckmäſsig und recht paſſend


gewählt iſt, ſchnell zu Werke gehen, ſo wird
man auch auf dieſe Art, wiewohl mit einiger
Lebensgefahr, ſeine Abſicht gewiſs erreichen
und das bewirken, was unter Bauern zuwei
len von Empirikern plumperweiſe geſchieht,
und was ſie eine Wunder- und Pferdekur neu
nen – eine wohl Iahre alte Krankheit in we
nigen Tagen heilen; ein Unternehmen, was
wohl die Richtigkeit meines Grundſatzes, aber
"zugleich die Wagehälſigkeit des Unternehmers
beweiſt.
*) Der Mohnſaft mag ein Beiſpiel geben. Eine
furchtloſe Gemüthserhebung, ein Gefühl von
Medic. Iourn. II. Band. 3. Stück. Ff Kraft
- - 456 – A

- II. Nur wenige Arzneien machen hiervon


eine Ausnahme, und ſetzen ihre gleich an
fängliche Wirkung ununterbrochen, aber
gleichartig fort, doch in immer geringerm
und geringerm Grade, bis nach einiger Zeit
nichts mehr davon zu ſpüren, und die na
türliche Körperbeſchaffenheit wieder herge
ſtellt iſt. Von dieſer Art ſind die metalliſchen
(und andre mineraliſche?) Arzneien, z. B.
Arſenik, Queckſilber, Blei. “ : 3. -
%/
-

III. Manpaſſe auf eine chroniſche Krank»


heit ein ihr in ſeiner direkten anfänglichen
Hauptwirkung ſehr gleichendes Heilmittel
an, die indirekte Nachwirkung iſt dann zu
weilen gerade die Körperſtimmung, die man
- zu
-
- -

Kraft und hohem Muthe, ein gedankenreicher


Frohſinn iſt, bei einer gemäßigten Gabe, zum
Theil die erſte direkte Wirkung auf das in
nere Empfindungsſyſtem: ſo wie ſie aber, nach
acht bis zwölf Stunden verraucht, entſtehet
allmählig die entgegengeſetzte Körperſim
mung, die indirekte Nachwirkung; es erfolgt
Erſchlaffung, Trübſinn, Diffidenz, Grämlich
keit, Unbeſinnlichkeit, Unbehaglichkeit,
Furcht. “ -- -
-

- - - - - - - - - -
- 457 –
zu erzielen ſucht, zuweilen aber (vorzüglich,
wenn man in der Gabe gefehlt hat), entſteht
in der Nachwirkung eine Verſtimmung, auf
einige Stunden, ſelten Tage. Eine etwas
* ſtarke Gabe Bilſenkrautſaft, hinterläſst leicht
zur Nachwirkung eine groſse Furchtſamkeit; v,

eine Verſtimmung, die zuweilen erſt nach


mehrern Stunden vergeht. Iſt ſie läſtig und
man muſs ihre Dauer verkürzen, ſo hilft
eine kleine Gabe Mohnſaft ſpezifiſch und faſt
augenblicklich; die Furcht iſt weg. Mohn
ſaft wirkt hier freilich nur entgegengeſetzt,
und palliativ; aber es bedarf auch nur eines
palliativen, und temporellen Mittels, um ein
tranſitoriſches Uebelaufimmer zu unterdrü
cken, wie auch bei akuten Krankheiten der
Fall iſt. « - - -
-
-

IV. Die Palliativmittel ſchaden wahre


ſcheinlich deshalb ſo ſehr in chroniſchen
Krankheiten, und machen ſie hartnäckiger,
indem ſie nach ihrer erſten, den Symptomen
entgegengeſetzten Wirkung eine Nachwir
kung zurücklaſſen, die dem Hauptübel ähn
lich iſt.
- - z -

Ff 2 V. fs
- - 433 --

..-V. Ie mehr krankhafte Symptomen die


Arznei in ihrér direkten Wirkung erregt,
welche mit den Symptomen der zu heilen
den Krankheit überein ſtimmen, deſto näher,
kömmt die künſtliche Krankheit der zu ent
Fernenden, deſto gewiſſer iſt män des guten
Erfolgs. L:
- ..
- -
...: --- - - -- -

3.VI. Da rnan faſt als Axiom annehmen


kann, daſs die Symptomen der Nachwirkung -
denen der direkten Wirkung gerade entge
gengeſetzt ſind, ſo iſt es einem Meiſter der
Kunſt erlaubt, wo die Nachrichten von den
Symptomen der direkten Wirkung mangel
haft ſind, das Fehlende durch Schlüſſe, d. i.
das Entgegengeſetzte der Nachwirkungsſym
ptomen in Gedanken zu ergänzen, das Re
ſultat aber nur als Beitrag, nicht als Grund
pfeiler ſeiner Beſchlüſſe zu betrachten.
r- -

- Nach dieſen, Vorerinnerungen gehe ich


fort, meinen Grundſatz, daſs man, um
die wahren Heilkräfte einer Arz
sei für chroniſche Krankheiten
aus zu finden, auf die ſpezifiſche
künſtliche Krankheit ſehen müſſe,
die ſie im menſchlichen Körper zu
Sº " - S rr E
erregen pflegt, um ſie dann einer
ſehr ähnlichen kränklichen Kör
per verfaſſung anzupaſſen, die ge
hoben werden ſoll – durch Bei
ſpiele zu erläutern.

Auch der ſehrähnliche Satz, daſs man,


um gewiſſe, chroniſche Krankhei
ten gründl i9h zu heben, ſich nach
Arzneien um ſehen müſſe, die eine
ähnliche, am beſten ſehr ähnliche,
Krankheit im menſchlichen Kör

per zu erregen pflegen – wird da


durch ins Licht geſetzt werden.
(Die Fortſetzung folgt im nächſten Stück)
-

* - - - - - - -
- *
I ou r n a l
der

practiſchen - - -

Arzney kunde
u n d -

Wundarzneykunſt
heraus gegeben
vo 1.

C. W. Hufe 1 an d
der Arzieykunde ordentlichem Lehrer
zu Isna.
s

Zwey ter Band Viertes stück.


–-mººm

I e n a,
5 : ". . -
" der academiſchen Buchhandlung
1 79 6.
-
- - -

-- -
-
-

-- - - - -
-
(
- --
-“ - - ----- I6. " . . . . . . . - - - -
- - - - - - - -
Verſuch über ein neues Prinzip zur
Auffindung der Heilkräfte der Arz
-
neiſubſtanzen, nebſt einigen Blicken
- -auf die bisherigen . . . . . -

- - - - - - - -
- VOn .. ,
-
» , *

--
-- D. Samuel Hahnemann.
-

- GFortſetzung)
-

-
- -
-

Ich habe in meinen zuſitzen zu Cu11en


Arzneimittellehre ſchon angemerkt, daſs die
Fieberrinde in groſsen Gaben bei em
pfindlichen, obgleich geſunden Perſonen ei
nen wahren Fieberanfall errege, der dem ei
mes Wechſelfiebers ſehr ähnlich ſei, und des
halb wahrſcheinlich letzteres überſtim
me und ſo heile. Iezt ſetze ich nach reife
zer Erfahrung hinzu: nicht nur wahrſchein
lich, ſondern ganz gewiſs. .
r Medic. Iourn. II. Band. 4. Stück. Hh Ich
– 466 - -
Ich ſahe eine geſunde, empfindliche, zur
Hälfte ſchwangere Perſon von ſtraffer Fiber
fünf Tropfen ätheriſches Oel vom Kamill
met tram (Matri caria chamomilla)
gegen Wadenkrampf einnehmen. Die Gabe
war viel zu ſtark für ſie. Es entſtand Unbe
ſinnlichkeit; der Wadenkrampf vermehrte
ſich, es entſtanden überhingehende Zuckun
gen an den Gliedmaſen, in den Augenliedern,
u. ſ. w. Eine Art hyſteriſcher Bewegung
über dem Nabel und Wehen, den Geburts
wehen nicht unähnlich, nur läſtiger, hielten
mehrere Tage an. Es erklärt ſich hieraus
warum der Kamillmettram ſo hülfreich in
Nachwehen, in allzu groſser Beweglichkeit
der Faſer und in Hyſterie befunden wird,
wenn er in Gaben, worinn er nicht ſelbſt
dergleiehen merklich erregen kann (alſo in
weit kleinern, als die gedachte war) ange
-wendet wird. -

- Ein mit Leibesverſtopfung ſeit langer


Zeit beſchwerter, ſonſt nicht ungeſunder
Mann bekam von Zeit zu Zeit Anfälle von
Schwindel, welche Wochen und Monate
lang anhielten. Leib eröffnende Dinge hal
fen nichts. Ich gab ihm die Wurzel vom
-
- - -
-- - - -- nr- Fall

-
ic
Fall kraut wohl v e r 1ei ( Arn; r nicà
eſ montana) eine Woche lang, weil ich wuſs - U -s

Ä4: te, daſs ſie vor ſich Schwindel bewir


g Ä erwünfchtem Ä º
} e den Leib zu eröffnen pflegt, hie ge
º während denn Gebrauche den Ä ſie
IL auch gegenſeitigen Effekt, j Ä
g Ä kam die Äj tativ
nete geſetztem Gebrauche der w nach
w
wieder,
geheilt. –der Dieſe
Schwindel warerregt
Wurzel aber auf Ä
U1
urzel
e? -9 1C
n
nebſt Andern wahrgenommen, auſſer andern
- - -

er
- - Wirkungen, auch Uebelkeit, ei
... #nºch ÄÄ P

agendrücken, Ä wehe,
ſ # und öftere kleine Ä Ä
ſ
Ä Dies wÄ Ä
ns vorgang beſtimmten mich, ſie inei -
Ä Ä (gallichten) Ruhr Ä
ÄÄ Ä
derſelben -

Ä, Kopf et, ausnehmende Verdrüſsli


Kopfweh, Uebelkeit, eine völlige en
ſchmackloſigkeit aller Speiſen, ranzi ge ge
Ä Ä auf der (reinen) Ä
ÄÄ Magendrücken, j e
ºbſchneiden, gänzlich zurü SL

gehaltene Kothausleerung,
Hh 2
und da
ſºgegen
zurück
j
– 468 -
ner Abgang eines grauen oder durchſichtigen,
zuweilen harten weiſsen karunkelartigen
Schleims, theils innig mit Blut gemiſcht,
theils mit Blutſtriemen, auch ohne Blut, täg
lich ein - höchſtens zweimahl, mit dem grau
ſamſten, anhaltendſten Stuhlzwange und Preſ
ſen begleitet. So ſelten die Ausleerungen wa
ren, ſo ſchnell ſanken doch die Kräfte, noch
weit ſchneller aber (und ohne Beſſerung,
eher mit Verſchlimmerung des Hauptübels)
wenn Abführungsmittel angewendet wurden.
Es waren gröſstentheils Kinder, auch unter
einem Iahre; doch auch einige Erwachſene.
Die Diät und übrige Lebensordnung war
zweckmäßig. Wenn ich nun die Krankheits
ſymptome, die die Arnikawurzel erregt, mit
denen verglich, die dieſe einfache Ruhr her
vor brachte, ſo konnte ich ihrer auffallenden
Aehnlichkeit wegen, dreiſt den Inbegriff der
Wirkungen der erſtern den geſammten Sym
ptomen der leztern entgegen ſetzen. Es ge
ſchah mit dem ausgezeichnetſten Erfolge,
ohne daſs ich etwas anderes dabei zu brau
chem nöthig hatte. Vor der Anwendung der
Wurzel gab ich ein wirkſamesBrechmittel*).
- und

9 ohne den Gebrauch der Arni war das


Il Cº.
-
– 469 – W

und hätte es kaum in zwey Fällen nöthig zu


wiederhohlen, weil die Arnika die verdorbne
Galle (auch auſſer dem Körper) zu beſſern
pflegt, und ihre Verderbniſs hindert. Die
einzige Unbequemlichkeit, die ich von ihr
bei dieſer Ruhr hatte, war, daſs ſie gegen
die Kothzurückhaltung als entgegengeſeztes
Mittel wirkte, und öftere, obgleich kleine
Ausleerungen der Exkremente verurſachte,
folglich als Palliativ. Die Folge war daher.
wenn ich die Wurzel ausſetzte, anhaltende
Leibesverſtopfung *).
- Hh 3 . . . Auf

men die Brechmittel den ranzigen, bittern


--- Geſchmack nur auf zwei oder drei Tage hin
weg. „alle übrige Zufälle blieben - ſie mochte
auch noch ſo oft wiederhohlt werden.
*) Auch muſste ich täglich mit den Gaben ſtei
gen, ſchneller als man bei der Anwendung
irgend einer wirkſamen Arznei zu thun ge
nöthigt iſt. Ein vierjähriges Kind bekam an
fänglich vier Gran täglich einmahl, zuletzt ſie
ben, acht, und neun Gran. Die ſechs und
ſiebenjährigen konnten anfänglich nur ſechs
Gran ertragen, zulezt waren zwölf und vier
zehn Gran nöthig. Ein dreivierteljähriges Kind
konnte, da es von oben nichts nahm, anfäng
lich nur zwei Gran (mit bloſen warmen Waſ
ſev
-

- - 47o -

Auf eine andre weniger einfache Ruhr,


etwa mit einem häufigen Durchlaufe beglei
tet, möchte daher dieſer lezt gedachten Ei
genſchaft wegen die Arnikawurzel noch beſ
ſer, noch genauer paſſen; hier würde dieſe
Eigenſchaft als ähnlich wirkendes, folglich
permanentes Heilmittel in der erſten direkten
Wirkung ihre Neigung zu öfterin Kothaus
leerungen äuſſern, in ihrer indirekten Nach“
wirkung aber ſie nachdrücklich ſtillen.
C

Dieſe hat die Erfahrung auch ſchon be


ſtätigt; ſie hat ſich ſchon in den ſchlimmſten
Durchfällen als vortrefflich bewährt. Sie ſtillt
ſie, weil ſie ſelbſt (vorzüglich ohne den
Körper zu ſchwächen) öftere Auslee
rungen zu erregen geartet iſt. Hier darf ſie,
um in Durchfällen ohne Materie hülfreich
zu werden, nur in ſo kleinen Gaben ge
reicht werden, daſs ſie nicht offenbar aus
leert, oder in Durchfällen von ſcharfen Stof
fen, in gröſsern, ausleerenden Gaben; und
die Abſicht wird bald erreicht. -

Von

r - -

ſer gemiſcht) im Kyftire ertragen, znlezt wa“

ren ſechs Gran nöthig.


-
-

1
– 47t –
- von dem Misbrauche eines Aufguſſes der
Arnikablumen ſaheich Drüſengeſchwülſte
entſtehen; ich müſste mich ſehr irren, wenn
ſie dergleichen nicht heben ſollte, bei gemä
ſigtern Gaben. -
. . .“ - ; 5.

: Man ſehe zu, ob die Schafgarbe


(Achillea Millefolium) in groſsen
Gaben nicht ſelbſt Blutflüſſe zu erregen im
Stande iſt, da ſie in gemäſigten Gaben ge
gen chroniſche Blutflüſſe ſo hülfreich iſt.
- - - - -- - - -- - - - - -

Es iſt kein Wunder, daſs der Katzen


bald ria n (Valeriana officinalis) in
mäfigen Gaben die chroniſchen Krankhei
ten von allzu groſser Reizbarkeit hebt, da
er vor ſich in ſtarker Gabe die Reizbarkeit
des ganzen Körperösſtems, wie ich erfahren
habe, ſo ungemein zu erhöhen pflegt.
-- Y: - - - -

Der Streit, ob das Ackerg auch heil


(Anagallis arvenſis) und die Rinde des Leim
m iſt e 1 s (Viſcum album) jene groſsen
Heilkräfte, oder gar keine beſitzen, würde
ſogleich aufhören, wenn man bei Geſunden
in Erfahrung gebracht hätte, ob groſse Ga:
ben widrige Wirkungen und eine ähnliche
Hh 4 künſt
– 472 --
künſtliche Krankheit hervorbrächten, als die
iſt, der man ſie entgegen zu ſetzen bisher
nur empiriſch ſich bemüht hat. -

- : - : . . . -

Die ſpezifiſche künſtliche Krankheit, und


die eigenthümlichen Beſchwerden, die der
Flecken fchierling (Conium mac u
la tum) erregt, ſind lange nicht ſo genau
aufgezeichnet, als ſie es verdienen; wohl
aber ſind von dem empiriſchen Lobe und
dem eben ſo empiriſchen Tadel dieſer Pflanze
ganze Bücher angefüllt. Wahr iſt's, daſs er
Speichelfluſs erzeugt hat, er mag dann wohl
eine das Lymphſyſtem erregende Kraft befi
tzen, und bleibende Dienſte leiſten, wo die
allzu groſse, anhaltende Thätigkeit der ab
ſorbirenden Gefäſse einzuſchränken iſt *)
Da er nun zudem Schmerzen, (in groſsen
Gaben heftige Schmerzen) in den Drüſen
erreget; ſo iſt es leicht zu glauben, daſs er
- - bei

*) Will man ihn bei Unthätigkeit derſelben au


wenden, ſo wird er anfangs palliativ wirken,
nachgehends wenig oder nichts dagegen aus
richten und beizu ſchaden durch Hervorbrin
gung des dem gewünſchten entgegen geſetzten
Zuſtandes. -.

-
- 475 –
bei ſchmerzhaften Drüfenverhärtungen beim
Krebſe, und beiden ſchmerzhaften Knoten,
die der Queckſilbermisbrauch zurückläſst,
in mäßiger Gabe angewendet, das vortreff
lichſte Mittel iſt, nicht nur dieſe befandre
Art chroniſcher Schmerzen faſt ſpezifiſch zu
Killen, weit wirkſamer und dauerhafter, als
der palliative Mohnſaft und alle übrigen nar
kotiſchen Mittel, welche eine andre Wir
kungsdirektion haben, ſondern auch die
Drüſengeſchwülſte ſelbſt zu zertheilen, wenn
ſie entweder (wie geſagt) eine allzu groſse
lokale oder allgemeineThätigkeit derLymph
gefäſse zum Grunde haben, oder in einem
ſonſt kräftigen Körper ſich befinden, daſs es
faſt blos der Hinwegnahme der Schmerzen
bedarf, um die Natur in Stand zu ſetzen,
das Uebel allein hinwegzunehmen. Schmerz
hafte Drüſengeſchwülſte von äuſſern Quet
ſchungen ſind von der Art *).
- - -- - T - r “Im
- - - - - - - - Hh 5 -
“- - -

*) Ein geſundes Bauernkind bekam von einem


heftigen Falle an der Unterlippe einen ſchmerz
, haften Knoten, der binnen vier Wochen an
Härte, Gröſse und Schmerzhaftigkeit ſchon
ſehr zugenommen hatte. Aufgelegter Dickſaft
von Fleckenſchierling brachte die Kur binnen
. . . . ., 14
– 47 -
Im wahren Bruſtkrebſe, wo ein •as
gengeſetzter Zuſtand des Drüſenſyſtems eine
Trägheit deſſelbenverzuwalten ſcheint, muſs
te er freilich (auſſer einer anfänglichen Ex
leichterung der Schmerzen) im Ganzen ſcha
den, und vorzüglich muſs er das Uebelver
fchlimmern, wenn, wie oft, der Körper
durch die langwierige Marter entkräftet iſt,
und zwar um deſto geſchwinder verſchlim
mern, da ſein anhaltender Gebrauch ſchon
vor ſich Schwächung des Magens und des
ganzen Körpers als Nachwirkung zu hinter:
- " : es ... ... ... laſſen
:: 3:ic .. . sºr. -
. . . . .. . . . . . . . ., - -

14 Tagen zu Stande, ohne Rückkehr. – Eine


ſonſt ungemein gefunde, ſtarke Magd hatte ſich
beim Tragen einer groſsen Luft durch die Bän
der des Tragkorbs die rechte Bruſt heftig ge:
drückt. Es entſtand ein kleiner Knoten, der
- binnen ſechs Monaten bei jedem Eintritte des
Monatſluſfes an Heftigkeit der Schmerzen zu
nahm, ſo wie an Gröſse und Härte- Der auf
gelegte Dickſaft des Fleckenſchierlings bezwang
ihn, blos äuſſerlich aufgelegt, binnen fünf
Wochen. Es würde noch eher geſchehen ſeyn,
wenn er die Haut nicht angegriffen und
ſchmerzhafte Puſteln zuſammen gezogen hätte,
daher er oft etliche Tage beiſeite gelegt wer
den muſste.
– 475 - -

1aſlen pflegt. Eben aus der Urſache, weil er


das Drüſenſyſtem ſpezifiſch erregt, wie andre
Doldengewächſe. vermag er, wie ſchon äl
tere Aerzte angemerkt haben, die allzu häu
fige Abſonderung der Milch zu heben. Da
er in groſſen Gaben vor ſich ſchon Neigung
zeigt, die Geſichtsnerven zu lähmen, ſo wird
es begreiflich, warum er ſogar im ſchwarzen
Staare Hülfe geleiſtet hat. Er hat krampf
hafte Beſchwerden, Keuchhuſten und Fall
ſucht gehoben, weil er ſelbſt Konvulſionen
zu erregen geneigt iſt. Noch gewiſſer wird
er bey Augenkonvulſionen und Gliederzit
tern Dienſte leiſten, da er genau dieſelben
Zufälle in groſsen Gaben hervorzubringen
geeignet iſt. Eben ſo im Schwindel.
. . » - r. - - -

i. sº . . . . :

Denwink, daſs der Hundsdiligief


(aethuſ- Cinapium) auſſer andern Zufällen -

Erbrechen, Durchlauf, Kolikſchmerzen, Cho


lera und einigen, deren Wahrheit ich nicht
verbürgen kann (allgemeiner Geſchwulſt u.
ſ. w.) ſo ſpezifiſch Blödſinnigkeit, auch mit
Raſerei abwechſelnde Blödſinnigkeit erregt,
ſollten die behutſamen Aerzte in dieſer ſonſt
ſo wenig heilbaren Krankheit nutzen. Ich

hatte ein ſelbſt bereitetes gutes Extrakt (Dick


ſaft)
- 476 –
faſt) davon vorräthig und da ich mich einſt
mahls, durch vielerlei ſchnell auf einander
folgende Kopfarbeiten zerſtreut und unfä
hig fand, etwas zu leſen, ſo nahm ich einen
einzigen Gram davon ein. Der Erfolg war
eine ungemeine Aufgelegtheit zu Geiſtes
arbeiten mehrere Stunden bis zur Zeit des
Schlafengehens. Den andern Tag aber war
ich weniger aufgelegt. - - - - - -
- - - f . . . ! » :

ºs. Der Gift wütherich (Cicuta viro


fa) bewirkt unter andern heftiges Schlund
und Magenbrennen, Tetanus, toniſchen
Krampf der Blaſe, Kinnbackenkrampf, Ge
ſichtsroſe (Kopfſchmerzen) und wahre Fall.
ſucht; alles Krankheiten, wºgegen wir noch,
wirkſame Heilmittel bedürfen und aller Hof
nung nach in dieſer herkuliſch wirkenden
Wurzel zum Theil finden werden in der
Hand des behutſam kühnen Arztes, .
5, 2 . .

Am atus der Portugieſe hat von den Ko


cke ! skörnern (Saamen des Menisper
m um Cocculus) beobachtet, daſs ſie
ſchon zu vier Gran Uebelkeit, Schluchſen
und Aengſtlichkeit einem erwachſenen Men
ſchen verurſacht haben. Thieren machen
' - ſie
-,

– 477 –
ſie eine ſchnelle, heftige, aber, wenn die
Gabe nicht tödlich war, bald vorübergehen
de Betäubung. Unſre Nachkommen werden
ein ſehr wirkſames Arzneimittel in ihnen
finden, ſobald die krankhaften Beſchwerden,
die dieſe Saamen verurſachen, noch genauer
gekannt ſeyn werden. Die Indianer bedie
nen ſich der Wurzel dieſes Baums unter an
derm in bösartigen (folglich mit Betäubung
verbundnen) Nervenfiebern. . . . . . .
e, - - - .
Kraut der Vierblatte in
Man hat das
beere (Paris quadrifolia) in Krämpfen
swirkſam befunden. Die Blätter erregen in
gröſserer Gabe ſelbſt, wenigſtens Magen
krampf, nach den noch unvollſtändigen Er
fahrungen, die wir von den krankhaften Er-
ſcheinungen beſitzen, die ſie hervorbringen
mögen. -

- ? Der Kaffe erregt in groſser Gabe Kopf


ſchmerzen, und Kopfſchmerzen ſtillt er da
her in mäſiger Gabe, wenn ſie nicht von
Magenverderbniſs oder Säure der erſten We
ge herrühren. Er befördert die periſtaltiſche
Bewegung der Gedärme in gröſserer Gabe
und heilet daher in kleinerer chroniſche
Durch
– 478 –
Durchfälle, nnd ſo würden die übrigen wi
dernatürlichen Wirkungen, die er erregt,
andern ihnen ähnlichen Zufällen des menſch
lichen Körpers angepaſſet werden können,
wenn wir nicht gewohnt wären, ihn zu mis
brauchen. Die betäubende, den Ton der
Faſer aufreitzende Kraft des Mohnſafts ver
treibt er als entgegengeſetzt wirkendes Pal
liativmittel, und zwar zweckmäſig und hin
reichend, da er hier keine anhaltende Kör
perdiſpoſition, ſondern nur überhingehende,
Symptomen zu bekämpfen hat. Auch die
Wechſelfieberarten, wo Mangel an Reitzbar
keit und übermäßige Straffheit der Faſer die
ſonſt ſpezifiſche Hülfe der Rinde nicht zu
läſt, ſcheint er blos als Palliativmittel in
groſsen Gaben zu vertreiben, deſſen direkte
Wirkung jedoch in ſo groſsen Gaben auf
zwei Tage anhält.
X
-

Der Bitterſüfsnachtſchatten (So


1 an um Dulcamara) bringt unter andern
ſtarke Geſchwulſt der kranken Theile, und
empfindliche Schmerzen oder Gefühlloßg
keit derſelben, auch wohl Lähmung der Zun
ge, (auch des Geſichtsnerven?) in groſser Ga
be hervor. Vermöge lezterer widrigen Wir
kun
- 479 -

kungen iſt es kein Wunder, daſs er Lähmungs


beſchwerden, ſchwarzen Staar und Taub
heit bezwungen hat, und noch ſpezifiſchere
Hülfe in der Zungenlähmung leiſten wird,
in mäſigerer Gabe. Vermöge der erſternbei
den Eigenſchaften iſt er ein Hauptmittel im
chroniſchen Rhevmatism, und in den nächt
lichen Schmerzen vom Queckſilbermisbrau
che.– Vermöge ſeiner Kraft, Strangurie
zu erregen, hat erin hartnäckigen Trippern
Dienſte geleiſtet und wegen ſeiner Neigung,
Iucken und Stechen in der Haut hervorzu
bringen, beweiſet er ſich hülfreich in vielen
Hautausſchlägen, und alten Geſchwüren,
ſelbſt denen vom Queckſilbermisbrauche. –
Da er vor ſich, in groſser Gabe, Krämpfe an
* -
den Händen, den Lippen und Augenliedern
ſo wie Zittern in den Gliedmaſen zuwege
bringt, ſo kann man leicht erachten, warum
er auch in krampfhaften Uebeln dienlich ge
weſen iſt. In der Mutterwuth wird er wahr
ſcheinlich dienſam ſeyn, da er die Nerven
der weiblichen Geſchlechtstheile ſo ſpezifiſch
erregt und Jucken und Schmerzen dieſer
Theile (in gröſserer Gabe) zu erzeugen im
Stande iſt. - -
- - -

- - - - -- - - -
2: 2:1
- V. - Di G

/
Die Beeren des Schwarz nachtſchat
tems (Solanum nigrum), haben wun
derbare Verdrehungen der Glieder, ſonſtauch
Irrereden erzeugt; es iſt daher wahrſchein
lich, daſs dieſe Pflanze in der ſogenannten
Beſeſſenheit (dem Wahnſinne mit wun
derlich emphatiſchen, oft unverſtändlichen,
ehedem für Prophezeihung und fremde Spra
chen gehaltenen Reden, und Verdrehungen
der Gliedmaſen vergeſellſchaftet). Dienſte
thun werde, vorzüglich, wo Schmerzen in
der Gegend des Magens zugleich vorhanden
ſind, die die Beeren ebenfalls in gröſserer
Gabe erregen, folglich auch in kleinerer Ga
beheben –, Da das Kraut Geſichtsroſe er
zeugt, ſo kann es hierinn hülfreich ſeyn, wie
man auch von ihrem äuſſerlichen Gebrauche
wahrgenommen hat. Da er noch ſtärker als
der Bitterfüſsnachtſchatten durch innern Ges
brauch äuſſere Geſchwulſten, das iſt vorüber
gehende Hemmung des abſorbirenden Sy
ſtems, in ſeiner anfänglichen direkten Wir
kung erregt, ſo daſs dann ſeine groſsediu
retiſche Eigenſchaft nur die indirekte Nach
wirkung iſt, ſo läſst ſich feine groſse Tugend
in der Waſſerſucht, durch ähnliche
Wirkung, wohl einſehen, eine Arznei
tugend
– 48 –
tugend, die um ſo mehr die Aufſuchung ver
dient, da die meiſten Mittel, die wir gegen
dieſe Krankheit beſitzen, blos entgegenge
ſetzt handelnde (das Lymphſyſtem nur tran
ſtoriſch aufreizende)folglich palliative, einer
dauerhaften Kur unfähige Mittel ſind. Da
er ferner in groſser Gabe nicht nur Ge
ſchwulſt, ſondern entzündete allgemeine Ge
ſchwalſt, mit. juckenden und unerträglich
brennenden Schmerzen, Steifigkeit der Glie
der, Puſtelausſchlag, Abſchuppung der Haut
Geſchwüre, Brandſchorfe zuwege bringt,
was Wunder, daſs er, äuſſerlich aufgelegt, ver
fchiedne Schmerzen und Entzündungen ge
hoben hat. – Nimmt man aber alle krank
hafte Symptomen zuſammen, die der
Schwarznachtſchatten erregt, ſo kann man
die auffallende Aehnlichkeit mit der Kriebel
krankheit nicht verkennen, für die er
höchſt wahrſcheinlich ein ſpezifiſches
Hülfsmittel ſeyn wird.

Es iſt wahrſcheinlich, daſs die Bella


donn ſchlafbe er e (Atropa bella don
na) wo nicht gar im Tetanus, doch im
Trismus (weil ſie ſelbſt eine Art davon er
regt) und in der krampfhaften Schwierigkeit
Medic. Isurn. II. Band. 4. Stück. Ii ZUl

*
4

– 482 –
zu ſchlucken (da ſie dergleichen ſelbſt ſo ſpe
zifiſch erzeugt) hülfreich ſeyn wird; beides
liegt in ihrer direkten Wirkung. Ob ihre
Kraft gegen Hundswuth , wenn ſie derglei
chen wirklich beſitzt, von letzt gedachter Ei
genſchaft allein herrühre oder auch zugleich
von der palliativen Kraft der Belladonne, auf
mehrere Stunden die in der Hundswuth ſo
hoch ſteigende Reizbarkeit und Ueberem
pfindlichkeit zu unterdrücken, laſſe ich da.
hin geſtellt ſeyn. Ihre Tugend, verhärtete,
ſchmerzhafte, exulzerirte Drüſen zu beruhi
gen und aufzulöſen, wird unleugbar durch
ihre Eigenheit, in dieſen Drüſengeſchwül
ſten einen bohrenden, nagenden Schmerz in
gerader Wirkung zu erzeugen. Doch dünkt
mir, daſs ſie in denen von übermäßg erreg
tem abſorbirenden Syſteme entſtandnen nur
entgegengeſetzt, das iſt, palliativ und nur

auf kurze Zeit wirke. (mit nachgängiger


Verſchlimmerung, wie bey allen Palliativen
chroniſcher Uebel der Fall iſt,) auf die von
allzu trägem Lymphſyſteme aber durch ähn
liches Krankheitserzeugniſs, das iſt, bleibend
und dauerhaft. (Dann wäre ſie gerade in
ſolchen Drüſenverhärtungen dienlich, wo
der Fleckenſchierling nicht gebraucht wer
den
den kann, und dieſer dienlich, wo erſtere
ſcha e). Da ſie jedoch bei anhaltendem Ge-,
brauche (mittelſ ihrer indirekten Nachwir
kung) den ganzen Körper erſchöpft und bei
nur einigermaſen zu ſehr erhöheten oder all
zu kurze Zeit auf einander folgenden Gaben
leicht ein gangrenöles Fieber erregt, ſo wird.
ihre gute Wirkung gar oft von dieſen Neben
nachtheilen verſchlungen und alles geht dem
Tode entgegen (vorzüglich bei Krebskran
ken, deren Kräfte zuweilen von mehrjähri
gen Leiden aufgerieben ſind) wenn ſie nicht
behutſam und bei einigermafen noch robu
ſten Kranken gebraucht wird. – Wuther
regt ſie (ſo wie obgedachtermaſen eine Art
toniſchen Krampf) gerade zu, kloniſche
Krämpfe aber (Konvulſionen) nur als Nach
wirkung mittelſt des nach der direkten Wir
kung der Belladonne (thieriſche und natür
liche Verrichtungen zu hemmen) nachblei
benden, Körperzuſtandes. Daher iſt ihre Tu
gend in Fallſucht mit Raſerei verbunden, im
mer am wirkſamſten gegen leztere gerichtet
geweſen, während erſtere durch die entgegen
geſetzte (palliative) Wirkung der Belladonne
gröſstentheils nur geändert zu werden und
in Zittern und ähnliche, mehr geſchwächten,
Ii 2 reiz
reizbaren Körpern eigne, Krämpfe überzu.
gehen pflegte. Aller Krampf, den die Bella
donne in ihrer anfänglichen geraden Wir

kung erregt, iſt eine Art toniſcher; zwar


find die Muskeln in lähmungsartiger Er
ſchlaffung, aber die mangelnde Reizbarkeit
bewirkt doch eine Art Unbeweglichkeit, und
eine Empfindung von Gebundenheit, als
wenn Konſtriktion da wäre. Da die Raſerei,
die ſie erregt, wilder Art iſt
ſo beſänftigt
ſie Raſereien dieſer Art, oder beninnmt ihnen
wenigſtens das Stürmiſche. Indem ſie die
Rückerinnerung in direkter Wirkung unter
drückt, ſo wird die Noſtalgie vón ihr ver
ſchlimmert,
fahren *). auch wohl erregt, wie ich er.
z

Auch der bemerkte erhöhete Abgang des


Harnes, des Schweiſes, des Monatfluſſes, des
\ Stuhlgangs und des Speichels, ſind blos Fol
gen des nachbleibenden entgegengeſetzten
Körperzuſtandes von übermäſig erhöheter
Reizbarkeit oder doch Empfindlichkeit,
während der indirekten Nachwirkung, wenn
die

*) Sie wird deshalb im geſchwächten Gedächt


niſſe hülfreich ſeyn. -
V -

– 485 –
die anfängliche gerade wirkung der Bela
donne verlöſchi, während welcher alle die
genannten Ausleerungen, wie ich mehrmals
beobachtet habe, oft zehn und mehrere Sinn
den auf gröſsere Gaben völlig unterdrückt
ſind in Fallen alſº, wo die genannten Aus
ſonderungen ſchwierig von ſatten gehen
und eine wichtige Krankheit veranlaſſen,
hebt dieſe Schwierigkeit die Belladoune als -
ähnlich wirkendes Mittel, wenn dieſe Schwie
rigkeit Straffheit der Faſer, und Mangel an
Reizbarkeit und Empfindung zur Urſache
hat, dauernd nnd nachdrücklich. Ich lage
mit Fleiſs, „wichtige Krankheit en“.
denn nur gegen ſolche iſt es erlaubt, eine der
heftigſten Arzneien, welche ſo groſse Behut
ſamkeit nöthig hat, anzuwenden. Einige Ar
ten von Waſſerſucht, Bleichſucht uf. w ſind
- in dieſem Falle, – Die groſse Neigung der –
Belladonne, dieSehenerven zu lähmen, macht
ſie als ähnlich wirkendes Mittel wichtig in
der Amauroſis *). – In gerader Wirkun
hinderte den Schlaf, undI nur
«C- --> i 3 Folge desdem
/
von -

-
*) Wovon mir ſelbſt ſehr
kannt ſind.
gute wirkungen
-3
bº S
- s - J ." d. H.
- -X - “

»
– 486 –
- - - - - -- - - -
dem Nachlaſſed iefer Wirkung erzeugten ent
gegengeſetzten Zuſtandes iſt der tiefe Schlaf,
der nachgehends entſteht Dürch jene künſt
ſichekrankheit alſo wird dieBellaconne ang
wierige Schlafloſigkeiten (etwa von Mangel
-e- . . . . .. . . . Gº - e. . . . . . . .“
an Reizbarkeit): dauerhäfer heben, als irgend
ein Pa iätiv.
. . 3 - - sº o

Man will ſie in der Ruhr hülfreich be


funden haben; vermuthlich, da ſie in di
rekter Wirkung den Stuhlgang hindert, in
der einfachſten Knlix mit zurückgehaltener
Kothausleerung und ſeltner Oeffnung, nicht
aber in ruhrartigen Generiſchen Durchfällen,
wo ſie durchaus ſchaden muſs. Ob ſie aber
in Rückſicht ihrer übrigen Wirkungen der
Huhr angemeſſen ſei, getraue ich mir nicht
zu beſtimmen. o . . .. . . . . .
-- - - . ?", - L. .“ . . - - -2. -- -

Sie erregt, Schlagflüſs; iſt fie, wie man


- „ .. ,. a r ...
. . .
behauptet, im feröfen Schlagfluſſe dienlich
- » -e".«. » – .
befunden worden, ſo iſt es dieſer Eigenheit
- . . . . . “ - . .,
wegen
.. ;- -
geſchehen
. . . .
Üeber
. . -
ies- erfolgt in ihrer
E.--
direkten Wirkung ein innerliches Brennen, - -

-- - -
mit Kälte der äuſſern Theile.
- - - - -
. . . - . . lol - --
Ihre direkte Wirkung danert 12, 24 bis
48 Stunden. Unter zwei Tagen ſollte man
daher
- -
- -

daher die Gabe nicht wiederhohleu. Eine


geſchwindere Wiederhohlung auch noch ſo
kleiner Gaben muſs einer ſtarken Gabe an
(gefährlichen) Wirkungen gleichkommen.
Dies lehrt auch die Erfahrung. -

Der Umſtand, daſs der Schwarz bil ſe n


(Hyos cy am us niger) in ſtarker Gabe
die Lebenswärme beträchtlich mindert und
den Ton auf kurze Zeit in der direkten Wir
kung erſchlafft, und daher in jählingen Zu
fällen von angeſpannter Fiber und Entzün
dung in mäfiger Doſis ein ſehr wirkſames
äuſſeres und inneres Palliativmittel iſt, ge
hört nicht hieher, wohl aber die Bemerkung,
daſs dieſe ſeine Eigenſchaft die chroniſchen
Beſchwerden von ſtraffer Faſer beijeder Gabe
nur ſehr unvollkommen palliativ mildert,
im Ganzen aber durch ſeine indirekte, der
erſtern gerade entgegen ſtehende Nachwirr
kung mehr vermehrt als mindert; dagegen
wird er in chroniſcher Schlaffheit der Fiber
die Kraft der Stärkungsmittel unterſtützen
helfen, da er in erſter Wirkung erſchlafft
und in der Nachwirkung den Ton nur deſto
mehr, und zwar dauerhaft, hebt. Er beſitzt
überdem die Kraft, in groſsen Gaben Blut
i4 : flüſſe
f
-- 488 -
flüſſe zu erregen, nahmentlich Naſenbluten
und öfter wiederkehrenden Monatfluſs, wie
ich nebſt Andern erfahren. Aus eben die.
ſem Grunde ſtillt er chroniſche Blutflüſſe in
kleinen Gaben äuſſerſt wirkſam und dauer
haft. – Am merkwürdigſten iſt die künſt
liche Krankheit, die er in recht groſsen
Gaben zuwege bringet, verdachtſamer, zan
kender, boshaft beleidigender, rachſüchtiger,
mishandelnder , furchtloſer*) Wahnſinn
(die Alten nannten daher den Bilſen Alter.
cum), und eben dieſe Art Wahnſinn iſt es,
die er ſpezifiſch heilt nur daſs ſtraffe Fiber
hier zuweilen ſeine dauerhafte Wirkſamkeit
hindert. Schwerbeweglichkeit und Unem.
pfindlichkeit der Gliedmaſen und die apo
plektiſchen Zufälle, die er erregt, mag er
auch wohl zu heilen im Stande ſeyn. In
hohen Gaben errege er in direktnranfängli
cher Wirkung. Konvulſionen, und iſt eben
deshalb in Ep epſie heilſam, vermuthlich
auch ih dem dabei gewöhnlichen Gedächt
niſsverluſte, da er vor ſich Gedächtniſsman
gel erzeugt. - - - - - --
- 1. -- 1 . Seine
-

- - - - - - -
*) nie nachfolgende indirekte Nachwirkun iſt
-
eine Art Zaghaftigkeit und Furchtſamkeit
-
- - -

/
-

– 489 –
Seine Kraft, Schlafloſigkeit mit immer
währender Neigung zum Schlummer in ge
rader Wirkung hervorzubringen, macht ihn
in chroniſcher Schlafloſigkeit zu einen weit
dauerhaftern Heilmittel, als der oft nur pal
liative Mohnſaft iſt, vorzüglich da er zugleich
den Leib offen erhält, obgleich nur in der
indirekten Nachwirkung jeder Gabe, folg
lich palliativ. Er erregt trocknen Huſten,
Trockenheit des Mundes und der Naſe in
direkter Wirkung; er iſt daher im Kitzelhºl
ſten ſehr dienlich, vermuthlich auch im
Stockſchnupfen. Der von ihm beobachtete
Schleimausfluſs aus der Naſe und Speichel
fluſs iſt nur in ſeiner i.direkten Nachwir
kung. Der Saamen macht Krämpfe in den
Geſichts- und Augenmuskeln, und bei der
Einwirkung auf den Kopf bewirkt er Schwin
del und einen ſtumpfen Schmerz in den unr
ter der Hirnſchale liegenden Häuten. Der
praktiſche Arzt wird Nutzen hieraus zu zie
hen wiſſen. -

Die direkte Wirkung dauert kaum zwölf


Stunden.
-

> -

- Ii 5 - Der
- 49o –
Der Toll ſtechapfel (Datura Sra
moniumn) bewirkt wachende, wunderliche
Träume, Unbemerklichkeit des Gegenwärti
gen, laute, delirirende Konfabulation, wie
die eines im Schlafe liedenden, oft mit Ver
wechſelung der Perſönlichkeit. Eine ähnli
che Manie heilt er ſpezifiſch. Er erregt lehr
ſpezfiſch Konvulſionen und iſt deshalb in
Fallſucht öfters heilſam geweſen. Die erſtere
und die leztere Eigenſchaft machen ihn in
der Beſeſſenheit heilſam. – Seine Kraft,
das Gedächtniſs zu unterdrücken, giebt Win
ke, ihn im geſchwächten Gedächniſſe zu
prüfen. – Am hülfreichſten iſt er, wo
groſse Beweglichkeit der Faſer zugegen iſt,
weil er vor ſich die Faſer in groſser Gabe,
während der direkten Wirkung beweglich
macht. Er macht (in der direkten Wir
kung?) Hitze und Erweiterung der Pupille,
eine Art Waſſerſcheu, geſchwollenes, rothes
Geſicht, Zuckungen in den Augenmuskeln,
zurückgehaltene Leibesöffnung, ſchweres
Athemholen, in der Nachwirkung langſa
men, weichen Puls, Schweis, Schlaf.
. -
– 49 –
Die direkte wirkung groſser Gaben dau
ert etwa 24 Stunden, die der kleinen nur 3
Stunden. – Vegetabiliſche Säuren vorzüg
lich, wie es ſcheint die Zitronſäure hemmen
-“

plötzlich ſeine ganze Wirkſamkeit *).


/

Die andern Arten der Datura ſcheinen


ähnlich zu wirken. -

- -
--

Die ſpezifiſchen Eigenſchaften des Vir


ginien tabaks(Nicotiana Tab a cum)
beſtehen unter andern in Minderung der
äuſſern Sinne und Verdunkelung des Senſo
riums; Blödſinnigkeit hat daher etwas von
ihm zu hoffen,
-
* - *.
.
-- -
. ."
-
- -

schon in kleiner Gabe erregt er die Mus


kelfaſer der erſten Wege heftig, eine Eigen
ſchaft,

*) Ein Kranker, der von zwei Gran Dickſaft


- dieſes Krautes jederzeit heftig angegriffen ward.
- ſpürte einſtmals von dieſer Gabe nicht die
- mindeſte Wirkung. Ich erfuhr, daſs er den
-- Saft von vielen Iohannisbeeren genoſſen; eine
anſehnliche Gabe gepülverter Auſterſchalen
ſtellte ſogleich die ganze Wirkſamkeit des Toll
ſtechapfels wieder her.

- -
– 492 –
ſchaft, welche als temporelles, entgegenge
ſetzt wirkendes Mittel (wie bekannt iſt, aber
nicht hieher gehör) ſchätzbar wird, als
ähnlich wirkendes Mittel aber in chroniſcher
Neigung zum Erbrechen, Neigungizu Koli
ken, und krampfhafter Verengerung des
Schlundes wahrſcheinlich Dienſte leiſtet wie
auch ſchon zum Teil die Erfahrung lehret.
(Er vermindert die Empfindung der er
ſen-Wege; daher ſeine, pallative Eigen
ſchaft Hunger (und Durſt?) Z Ul mindern.)
– Er benimmt den, dem Willen unterworf
nen Muskeln in groſserGabe ihreKeitzbarkeit
und hebt en Einfluſs der Gehirnkraft in die
ſelben temporell auf. Dieſe Eigenſchaft mag
ihm, als ähnlich wirkenden Mittel wohl Heil
kräfte in der Katalepſie geben; aber durch
eben dieſe Kraft wird ſein anhaltender, ſtar
ker Gebrauch (wie bei Tabakerauchern und
Tabaksfchnupfern) dem ruhigen zulande
der Miuskeln, die zu den thieriſchen Verrich
tungen gehören, ſo nachheilig, daſs Nei.
gung zu Fallſuch t, Hypochondrie und Hy
erie mit der Zeit entſteht. – Die Son
derbarkeit, - daſs der Gebrauch des Ta

baks den Wahnſinnigen ſo angenehm iſt,


Iührt von dem Inſtinkte dieſer Unglücklichen
* - - - her,
– 493 =
her, ſich eine Gefühlloſigkeit in den Hypo
chordrien *) und in den Gehirn (den beiden
gewöhnlichen Orten ihrer Quaal) palliativ zu
verſchaffen. Als entgegengeſetzt wirkendes
Mittel aber giebt er ihnen nur temporelle Er
leichterung; das Verlangen darnach wächſt,
Abſicht endlich zuzureichen,
ohne zu dieſer
und im Ganzen vermehrt ſich das Uebel deſto
mehr, da er keine bleibenden Dienſte leiſten
kann. Seine direkte Wirkung ſchränkt ſich
auf wenige Stunden ein, ausgenommen bei
fehr groſsen Gaben, wo ſie bis (höchſtens)
24 Stunden hinausgeht, - -

- 7. . e -

Die Saamen des Krähen augen


f c h w in de 1 b a um s (Sty c h nos Nux
Vom i ca), dié Krähen àügen, ſind eine ſehr
wirkſame Subſtanz: aber die krankhaften
Sym

*) Hieher gehört auch die zuweilen unauslöſch


liche Empfindung von Hunger , woran viele
Wahnſinnige leiden, und wogegen „ſie ſich des
Tabaks am meiſten zu dedienen ſcheinen; we
nigſtens fahe ich einige, welche kein Verlan
gen nach Taback bezeugten, vorzüglich Melan
choliſche, welche aber auch wenig Hunger
hatten.
– 494 –
Symptomen, die ſie erzeugen, ſind noch
nicht genau bekannt. Das meiſte, was ich
davon weiſs, iſt aus meiner Erfahrung.

Sie erregen Schwindel? Angſt, Fieber


ſchauder und in der Nachwirkung eine ge
wiſſe Unbeweglichkeit aller Theile, wenig
ſtens der Gliedmaſen . und ein konvulſivi
Dehnen, je nachdem die Gabe ſtark iſt.
ſches
Hiedurch machten ſie ſich nicht nur, wie man
ſchon weiſs, in Wechſelfiebern überhaupt,
ſondern in den apoplektiſchen beſonders hülf
reich. In der erſten direkten Wirkung erhält
die Muskelfaſer eine beſondreBeweglichkeit.
das Empfindungsſyſtem wird krankhaft ET
höhet zu einer Art von Trunkenheit, mit
Furchtſamkeit und Schreckhaftigkeit beglei
tet. Es entſtehen Konvulſionen. Die Reitz
barkeit ſcheint ſich bei dieſer anhaltenden
Einwürkung auf die Muskelfaſer zu erſchö
pfen, zuerſt bei den thieriſchen und den Le
bensverrichtungen. Bei dem Uebergange in
die indirekte Nachwirkung kömmt Minde
rung der Reizbarkeit zuerſt bei den Lebens
verrichtungen (allgemeiner Schweiſs) dann
bei den thieriſchen, zulezt bei den natürli
chen Verrichtungen zum Vorſchein. Dieſe
» Nach
– 495 –
z

Nachwirkung hält vorzüglich bei den leztern


mehrere Tage an. Während der Nachwir
kung entſteht verminderte Empfindlichkeit.
Ob in der anfänglichen direkten Wirkung
die Torkraft der Muskel verrmindert und bei
der Nachwirkung um deſto mehr erhoben
werde, laſst ſich nicht genau behaupten, ſo
viel aber iſt gewiſs, das die Kontraktilität
der Faſer um eben ſo viel bei der Nachwir
kung ſich mindert, als ſie bei der direkten
Wirkung erhöhet war.

Dieſs als wahr angenommen, erzeugter


einen, den hyſteriſchen und hypochondri
ſchen Paroxysmen ziemlich ähnlichen Anfall
und es erhellet, warum er gegen dieſe Uebel -
- ſo oft hülfreich geweſen,
-
Die Neigung, in anfänglicher direkter
Wirkung dieZuſammenziehbarkeit der Mus
keln und Zuckungen zu erregen und endlich
in der Nachwirkung die Zuſammenziehbar
keit der Muskeln möglichſt zu mindern,
zeigt eine ſo groſse Aehnlichkeit mit der
Fallſucht, daſs man ſchon hieraus vermuthen
könnte, er müſſe dergleichen heilen, wenns
nicht ſchon die Erfahrung zeigte.
' Da
- – 496 -
Da er, auſſer Schwindel, Angſt und Fie
berſchauder, ene Art Delirium, welches in
1ebhaften, zuweilen ſchreckhaften Viſionen
beſicht und eine Spannung im Magen erregt,
ſo bezwang er einſtmals ſchnell ein Fieber
bei cincm arbeitſamen, nachdenklichen
Handwerksmann auf dem Lande, welches
mit einer Spannung im Magen begann, wo
zu plötzlich ein zum Fallen nöthigender
Schwindel kam, der eine Art von Verſtan
desverwirrung mit ſchreckhafter, hypochon
dri!chen vorſtellungen, Aengſtlichkeit und
Ermattung hinterlieſs. Vormittags war er
ziemlich munter und nicht matt, nur Nach
mittags gegen zwei Uhr begann der Anfall.
Er bekam die Krähenaugen in ſteigenden
Gaben, täglich eine; er beſſerte ſich. Bei
der vierten Gabe, welche 17 Gran enthielt,
entſtand eine groſse Angſt und Unbeweglich
keit und Steifigkeit aller Glieder, die ſich
durch einen nachfolgenden reichlichen
Schweifs endigte. Das Fieber und alle Ner
ven: ufälle waren nun verſchwunden und
kauen nie wieder, ungeachtet er vorher
viele Jahre von Zeit zu Zeit mit ſolchen Föz
lich entſtehenden Paroxysmen, auch ohne
Fieber befallen seweſen war.
Seze
– 97 –
“ Seine Neigung Kääpfe des Unterleibes
„Ä
nutzte ich bei ei nem dyfeneriſchen Fieber
(ohne Ruhr) bei Häusgenoſſen von ühr
ranken. Er minderte hier die Unbehag
ichkeit in allen Gliedern, die Verdiesic
Kei, die Aengſtlichkeit und das Mäge.
cken wirkſames hat er auch bei Kuh.
Ä
änd keinen Durchfühauen, ſo machte
die Stühle wegen feiner dauerhaften Nei
ºh.ºpäion zu bewirken nºche
Fenszeichen von econergnhºf
ench und die rührartigen ºbgleich ſelt
Äer'Exkretionen, wären mit eben föanhal:
s dem Stuhlzwang verbunden, wie vorher,
jid vºn gleicher übeln Beſchaffenheit. Der
-dö dis“, , , , , ,
: Äörne oder üble Geſchmack, ,,... ..
blieb. Seins
?...? ...“ ... ... -

egº
Y! 5 T . . .
3 eriſtaltiſche Bewegung
vah ZU.
. . O. '.
mindern, wird däher
- --
in der wahren, .Bei
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»

chen Ruhr nachtheilig. In Durchfällen, äüc


e ird ohl dienlicher ſeyn,

Ä
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43 Äg Palº zuck
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wendung, ahe ich
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sº... 13 --- . . CC. -
«5 *
er der Haut wie von einem lebendigéi
-.- .. . . . . . . . - -

Thiere erst
! I ? ? 5. 2.
in de
.. . .
Gliedmaſen,
éiert HA., vorzüg:
9 *3
ich in den Bauchmus eln entſtehen.
.
«

Medic. Iourn, II. Band. 4. Stück. Kk vOn"


– 498 –
. Von der Ignatius b ohne oder dem
Saamen des Bi tte r i gnatz (Ignatia ama
ra) hat man mehrſtündiges Zittern, Zu
ckungen, Krämpfe, Aengſtlichkeit, ſardo
niſches Lachen, Schwindel, kalten Schweiſs
bemerkt, In ähnlichen Fällen wird er ſich
hülfreich erweiſen , wie auch ſchon die Er
fahrung zum Theil gelehrt hat. Sie erregt
Fieberkälte und (in der Nachwirkung ?)
Gliederſteifigkeit und hat daher Wechſelfie
ber durch ähnliche Wirkung bezwungen,
die der Rinde nicht weichen wollten, Ver

muthlich jene minder einfachen Wechſel


fieber , wo Ueberempfindlichkeit und erhö
hete Reitzbarkeit (vorzüglich der erſten
Wege ?) die Komplication ausmachten.
Doch wären die übrigen Symptomen, die
ſie erregt, vorher noch genauer zu beob.
achten, um ſie gerade in Fällen anzuwenden,
worauf ſie mit ihren ähnlichen Aeuſſerungen
Paſſet - - - - - - - - - - - - - - ->

Der Purpufgerhut (bfgei


purpurea) macht Ekel von der widñgſten
Art; bei ſeinem anhaltenden Gebräuche er.
ſcheint daher nicht ſelten eine wahre Feſs.

sº sººººººººººººº
AG - - --- - - - - - - - - - -
SI
-- -- - - -- -
– 499 –
hervor, die nicht leicht zu erkennen iſt, da
ſie ſich nicht durch unvernünftige Worte
äuſſert, eine Art von Widerſpenſtigkeit.
Hartnäckigkeit, hinterliſtiger Unfolgſamkeit,
Trieb zu entfliehen u.eſ w., welche ſeinen
fortgeſetzten Gebrauch oft hindert. - Da er
nun überdieſs heftige Kopfſchmerzen,
Schwindel, Magenweh, groſse Verminderung
der Lebenskraft, Gefühl von Auflöſung und
nahen Tode, um die Hälfte langſamern Puls,
und Minderung der Lebenswärme in der die
rekten Wirkung erregt, ſo läſst ſich begrei
fen, in welchen Arten von Wahnſinn er
Dienſte leiſten kann; daſs er auch ſchon in
einigen Arten dieſer Krankheit hülfreich ge
weſen, bezeugen mehrere Erfahrungen, nur
daſs man die genauen Zufälle deſſelben nicht
angemerkt findet. In den Drüſen erzeugt
er eine juckende und ſchmerzhafte Empfin
dung, welche ſeine Kraft in Drüſengeſchwül
ſten belegen kann. - - Je -:
vs» - - - - - - - - - -

rs. Er entzündet, wie ich ſahe, die Meibo


miſchen Drüſen, und wird ſolche Entzün
dungen gewiſs heilen. Ueberhaupt ſcheint
er; ſo wie den Blutlauf zu mindern, ſo das
Syſtem der einſaugenden Gefäſse zu erregen
- -- - Kk 2 und
- 500 –

und am dienlichſten zu ſeyn, wo beide zu


träge ſind. Erſterem hülfe er dann durch
Ähnliche Wirkung ab, lezterm durch entge
gengeſetzte. Da aber die direkte Wirkung
des Purpurfingerhuts ſo lange anhält, (man
Aat Beiſpiele von fünf und ſechs Tagen)
ſo kann er auch als entgegengeſetzt wirken
des Mittel die Stelle eines dauerhaften Heil
mittels vertreten. Die leztere Betrachtung
iſt auf ſeine harntreibende Kraft in der Waſ
ferſucht anzuwenden; ſie iſt gegenſeitig
und palliativ, aber doch anhaltend, und blos
deshalb von Werth.

In der Nachwirkung bringt er einen klei


nen, harten, geſchwinden Puls hervor, er
Paſst ſich daher nicht wohl für Kranke, die
einen ähnlichen (fieberhaften) Puls haben,
vielmehr am beſten für ſolche, die einen Puls
haben, wie ihn der Purpurfingerhut bei ſei
ner direkten Wirkung hervorbringt –lang
ſam, ſchlaff. – Die Konvulſionen, die er
im groſsen Gaben erregt, weiſen ihm einen
Platz unter den antepileptiſchen Mitteln an,
vermuthlich aber iſt er da nur unter gewiſ
ſen Bedingungen hülfreich, die von der
Aehnlichkeit der übrigenkrankhaften Sym
- - Pto
ptomen, die er erregt, beſtimmt werden:
Bei ſeinem Gebrauche erſcheinen nicht
ſelten die Gegenſtände in fremden Farben,
und das Geſicht wird dunkler; er wird
ähnlichen Krankheiten der Netzhaut ab"
helfen. -

-
(Seine, der Heilung zuweilen widrige Ei
genſchaft, Durchlauf zu bewirken, wird
durch zugeſetzte Laugenſalze, wie ich beob
achtete, gehindert.)

Da die direkte Wirkung einige, zuwei


len mehrere, (je länger der Gebrauch des
Fingerhuts fortgeſetzt wird, deſto länger hält
auch die jedesmalige Gabe die direkte Wir
kung an; welches ein ſehr merkwürdiger,
in der Heilung wohl zu achtender Umſtand
iſt) Tage anhält, ſo ſieht man, wie unrecht
diejenigen than, welche ihn gutmeinend in
kleinen Gaben, aber oft wiederhohlt, verord“
nen, und auf dieſe Art (da die Wirkung der
erſten noch nicht verfloſſen iſt, ſie aber viel
leicht ſchon die ſechſte und achte geben) in
der That, obgleich unwiſſenderweiſe, eine
ungeheure Portion eingeben, die nicht ſel:
- Kk 3 TOLA
– so? –
ten den Tod *) nach ſich gezogen hat. Man
hat nur aller drei, höchſtens aller zwei Ta
ge eine Gabe nöthig, überhaupt aber eine
deſto ſeltnere, je anhaltender der Gebrauch
wird. * -

(Während ſeiner direkten Wirkung darf


keine Chinarinde verordnet werden; ſie ver
mehrt die Aengſtlichkeit vom Purpurfinger
hute, wie ich bemerkte, bis zum Todes
kampfe.)

Das Frei ſam veilchen (Viola tri


color) verſtärkt Anfangs die Hautausſchlä
ge, und zeigt dadurch ſeine Hautausſchlag
erregende, folglich eben dergleichen wirk
ſam und dauerhaft heilende Kraft an.

- -- - - Die

*) Ein Weibiu Edinburg bekam drei Tage lang


täglich dreimahl, jedesmahl nur zwei Gran
der gepülverten Blätter, und man wunderte
ſich, daſs ſie bei ſo kleinen Gaben nach einem
ſechstägigen Erbrechen ſtarb. Man bedenke
aber, daſs es faſt ſo gut war, als hätte ſie acht
zehn Gran auf eine Gabe bekommen.
/ -

- 503 -

- Die Ipek akr anhe wird mit Nätzen


in Uebeln angewandt, wogegen die Natur
ſelbſt ſchon einige Anſtrengung anwendet,
aber zu unkräftig iſt, den Zweck zu errei
chen. Hier bietet die Bechwürzel den Ner
ven des obern Magenmundes, dem empfind
lichſten Theile des Organs der Lebenskraft,
einen ihr durchaus widerwärtigen, Ekel, Ue.
belkeit, Aengſtlichkeit erzeugenden Stoffdar
welcher nur ähnlich wirkt, als die zu eñt
fernende krankhafte Materie. Gegen dieſen
nun verdoppelten Widerſtand ſtrengt dann
die Natur antagoniſtiſch ihre Kräfte deſto
mehr an, und ſo wird durch dieſe erhöhete
Gegenſtrebung der krankhafte Stoff-leichter
entfernt. So werden Fieber zur Kriſis ge
bracht, Stockungen der Eingeweide des Un
terleibes, der Bruſt und der Bärmutter be
weglich gemacht: Miasmen anſteckender
Krankheiten auf die Haut getrieben, Krampf
durch den Krampf, den die Brechwurzel be
wirket, überſtimmt, erſchlafften, oder von
einer auf ſie abgelagerten Schärfe gereitzten
zu Blutausleerungen geneigten Gefäſsen ihre
Spannkraft, ihre Freiheit wieder gegeben u.
ſ. w. Am ſichtbarſten wirkt ſie als ein, der zu
hebenden Krankheit ähnlich wirkendes Mit
» Kk 4 tel
tal bei chroniſcher Neigung zum Erbrechen
ohne Materie, Dagieht man ſie in ſehr klei
nen Gaben, um öftere Uebelkeit zu erregen,
und die Neigung zum Erbrechen verſchwin
det bei jeder Gabe immer mehr und dauer
hafter, als durch alle Palliativmittel.
- 1. - - "

Von der Herzklopfen, Angſt und Ohn


macht hervorbringenden Eigenſchaft des Un
hºld ole an der s (Nerium tole an der)
läſst ſich, in einigen Arten, chroniſchen Herz
klopfens u. ſ.w, , auch wohl in der Fallſucht»
etwas Gutes erwarten. Er treibt den Unter
leib auf, und mindert die Lebenswärme,
und ſcheint eine der wirkſamſten Pflanzen
zu ſsyn. - -
-

- - - - - -
- Die krankhaften Symptomen, die der
Ko meſſiale an der (Nerium an tidy
fente ricum) zuwege bringt, ſind nicht
bekannt genug, daſs man, aus Gründen ſeine
wahre Arzneikraft erforſchen könnte. Da
er jedoch die Stuhlgänge anfangs vermehrte
ſo ſcheint er die Durchfälle als ähnlich wir
kendes Mittel zu beſiegen.

- , º Dis
- 5o5 - >

ſº Die San dbeerbärentraube (Ar bu


g t us Uv aur ſi) hat wirklich, ohne eine für
die Sinne merkbare Schärfe zu verrathen, die
Beſchwerden beim Harnlaſſen, den unwill
kührlichen Abgang des Urins, u. ſ.w, nicht
ſelten durch eine ihr eigne, beſondre Kraft
vermehrt, zum Zeichen, daſs ſie ſelbſt der
m gleichen zu erregen Neigung habe, und da
e her ähnliche Uebel, wie auch die Erfahrung
lehrt, dauerhaft heben könne. -,

-- ? «z, - -

- Der Schneeroſe gicht ſtrauch (Rh o:


dodendru mChryſanthu m)zeigt durch
den brennenden, kriebelnden und ſtechenden
Schmerz, den er in den angegriffenen Thei
len erregt, daſs er allerdings geeignet ſey»
Gliederſchmerzen verſchiedner Art, wie auch
die Erfahrung lehrt, durch ähnliche Wir“
kung zu heben. Er bringt Beſchwerlichkeit
im Athemhohlen und Hautausſchläge hervor
und er wird deshalb in ähnlichen Uebeln
Dienſte leiſten, ſo wie in Augenentzündun
gen, da er Thränen und Iucken der Augen
erzeugt.

Der Sumpfporſt (Led um palu ſtre)


macht, nach meinen Erfahrungen, unter an
Kk 5 dera
- 5o6 --

ºdern ein beſchwerliches, ſchmerzhaftes Athèm


hohlen; dieſs, belegt die Hülfe, die er im :
Keuchhuſten leiſtet, vermuthlich auch ins
der krampfhaften Engbrüſtigkeit. Sollte er
nicht im entzündungsartigen Seitenſtiche
hulfreich ſeyn, da ſeine Kraft, die Blutwärme
(in der Nachwirkung?) ſo mächtig zu min
dern, die Geneſung beſchleunigt. Er be
wirkt eine ſchmerzhaft ſtechende Empfin
dung in allen Theilen des Halfes, wie ich
wahrgenommen habe, und daher ſeine un
gemeine Tugend in der bösartigen und eit
zündlichen Bräune. Ebenſo ſpezifiſch iſt,
wie ich ſahe, ſeine Eigenſchaft, beſchwer
liches Iucken in der Haut zu erregen, und
eben daher ſeine groſse Kraft in den lang:
wierigſten Hautübeln. .
-
--
-

----

Die Aengſtlichkeit und die Ohnmachten,


die er hervorbringt, könnten in ähnlichen
Fällen Dienſte leiſten. Er kann als tranſito
riſch und entgegengeſetzt wirkendes, ſtark
Harn treibendes Mittel, und da er zugleich
Schweiſs erregt, wohl Waſſergeſchwülſte hei
len, aber gewiſſer ſchnelle, als chroniſche.
- -

Auf
unhes 5o7 –-

Aufeinige dieſer Eigenſchaften gründet


fich ſeinetwaniger Ruf in der Ruhr. Aber
iſt es wahre Ruhr geweſen, oder waren es,
ſo oft, damit verwechſelte, ſchmerzhafte
Durchfälle? In leztern kann er als Palliativ
wohl die Kur beſchleunigen, auch wohl vol,
enden helfen; aber in der wahren einfachen
Ruhr habe ich keine Dienſte von ihm ge
ſehn. Die lang anhaltende Schwäche, die er
erzeugt, war dem fortgeſetzten Gebrauche
hinderlich und er verbeſſerte weder den
Stuhlzwang, noch die Beſchaffenheit der
Exkretionen, obgleich leztere ſeltner wurden.
Die Zeichen der verderbten Galle waren bei
ſeinem Gebrauche eher häufiger, als wenn
die Krankën ohne Arznei gelaſſen wurden.
Er erregt eine beſondre Verdrieslichkeit,
Kopfweh und Umneblung des Geiſtes; die
untern Gliedmaſen ſchwanken; der Augen
ſtern erweitert ſich. (Sind beide leztern Zu
fälle, oder doch lezterer allein blos in der
Nachwirkung?). Zehn Gran im Aufguſſe
war eine hinlängliche Gabe für ein ſechsjäh
riges Kind, täglich einmahl.

Des Mohn ſaftes (Papaver ſo m ni


sfer um ) anfängliche direkte Wirkung be
/ ſieht
-

<
ſteht in (vorübergehender) Erhebung der
Lebenskräfte und Verſtärkung des Tons der
Blutgefäſse und der Muskeln, vorzüglich de
rer, die zu den thieriſchen und Lebensver
richtungen gehören, ſo wie in Aufregung
der Seelenorgane, des Gedächtniſſes, der
Phantaſie, und des Organs der Leidenſchaf
ten, wodurch bei mäßigen Gaben Aufgelegt

heit zu Geſhäften, Lebhaftigkeit in Reden,


Witz, Rückerinnerung an vergangene Zei
ten, Verliebtheit, u. ſ. w... bei gröſsern aber
Kühnheit, Tapferkeit, Rache, ausgelaſſene
Luſtigkeit, Geilheit, bei noch gröſsern, Ra
ſerei, Zuckungen erfolgen. Bei allen dieſen
Zuſtänden leidet die Selbſtſtändigkeit, Frei
heit und Willkühr des Geiſtes im Empfinden,
Urtheilen und Handeln immer mehr, je
gröſser die Gabe war. Daher Unbemerklich
keit äuſſerer Unannehmlichkeiten, der
Schmerzen, u. ſ. w. Dieſer Zuſtand dauert
aber nicht lange. Es erfolgt allmählig Ideen
mangel, die Bilder verlöſchen nach und nach,
es entſteht Erſchlaffung der Fiber, Schlaf.
Wird der Gebrauch unter erhöheten Gaben

fortgeſetzt, ſo ſind die Folgen (der indirek


ten Nachwirkung) Schwäche, schläfrigkeit,
Trägheit, mürriſche Unbehaglichkeit, Trau
rigkeit,
rigkeit, Unbeſinnlichkeit, (Gefühlloſigkeit,
Blödſinnigkeit) bis eine neue Aufreitzung
durch Mohnſaft, oder ähnliche Dinge zuwe
ge gebracht wird. Bei der direkten Wirkung
ſcheint ſich die Reitzbarkeit der Faſer in
eben dem Grade zu mindern, als der Ton
ſteigt; bei der Nachwirkung mindert ſich
lezterer, indeſs erſtere ſteigt *). Die direkte
Wirkung erlaubt weniger als die Nachwir
kung dem Geiſte die Freiheit, unbefangen
(Schmerz, Verdruſs, u. ſ. w.) zu empfin
- - 7 den,
-
- - - - -
- - -
- - - - - - - -

- - >

*) Es erſcheint eine merkliche Empfindſamkeit


vorzüglich für unangenehm afficirende Gegen
ſtände, für Schreck, Gram, Fureht, für rau
he Luft u. ſ. w. Will man die hier entſtehen r
do leichtere Beweglichkeit der Faſer erhöheta -
Reitzbarkeit nennen, ſo habe ich nichts davvi
der, aber ihr Spielraum iſt nur klein, es ſei
nun, daſs ſie allzu ſehr erfehlafft ſei und ſich
nicht beträchtlich verkürzen könne, oder daſs
fie ſich in einem mehr als nöthig verkürzten
Zuſtande befindet, und zwar leicht, aber un
hinlänglich erſchlafft, folglich keiner kraft
vollen, groſsen That fähig ſei. Bei dieſer Di
ſpoſition der Faſer iſt eine Neigung zu chroni
lehen Entzündungen nicht zu verkennen.

-
den, daher ſeine groſse Schmerzſtillende
Kraft. . . . . . . . ." - -- - - :
-E - 3. - . . . . . . . . .
» (In Fällen, wo blos, die direkte Wirkung,
als Kardiakum, nöthig iſt, wird die öftere
Wiederhohlung des Gebrauchs, aller drei,
vier Stunden erforderlich, das iſt, ehe jedes
mahl die erſchlaffende, Reitzbarkeit erhö
hende Nachwirkung erfolgt. In allen dieſen
Fällen wirkt er blos entgegen geſetzt, als
Palliativmittel. Danerhafte Stärkung kann
man von ihm allein und auf dieſe Weiſe ge
braucht, nie erwarten, am wenigſten in
chroniſcher Schwäche. Doch dieſs iſt hier
nicht unſer Zweck-) . . .
- * * ----

will man aber den Ton (Ton der Faſer


nenne ich die Kraft derſelben, ſich völlig zu
verkürzen, und völlig zu erſchlaffen) der
Fiber dauerhaft herabſtimmen, die allzu ge
- * . . . . .. . .. . a

ringe Reizbarkeit dauerhaft vermehren, und


die immer rege Wachſamkeit der Phantaſie
(bei groſsem Pulſe)dauerhaft vermindern wie
in einigen Fällen von Manie der Fall iſt, da
– braucht man den Mohnſaft mit Erfolg als
ähnlich wirkendes Mittel in erhöheten
-
º
I.
- - - -
. . -- -- -- - - -- -- --
V

– 511 = v

ben fortgeſetzt, und nuzt, ſo die indirekte


Nachwirkung. Eben nach dieſem Grund
ſatze iſt das Verfahren zu beurtheilen, da
man den Mahnfeſt gegen Scht inflammatori
„ſche Krankheiten, z. B. den Seitenſtich, zu
brauchen verſucht hat. . . . . . . .
sº - - . . . . . . - - :
. In erwähnten Fällen iſt etwa aller 12 bis
e4 Stunden, eine Gabe nöthig . . .
r). » . 7.: 7," , &
Doch dieſe indirekte Nachwirkung ſcheint
man ſogar als ähnlich wirkendes Heilmittel
angewendet zu haben; ein Fall, der mir von
keiner andern Arznei bekannt iſt. Man hat
nämliehen. Mohnſaft mit dem gröſsten Ex
folge. (sidht gegen ächt veneriſche KrankH
heiten, denn dies war Täuſchung, ſondern)
- gegen die vom Nueckſilbergebrauche und
Misbraucht sin veneriſchen Krankheiten ſo
.
häufigentſtehenden nach heiligen Zufälle an
gewendet, die oft weit ſchlimmer als die
Luſtſeithefſelbſt ſind. - f 3s...ei
ed seqöz ist, so sehr e.ºr
-, Ehe ich dieſe Anwendung des Mohnfaf.
tes erkläre Gmuſs ich vorher etwas hieher
Gehörenden über die Natur der Luſtſeughs
05. - erin
- -

-
.. - * -
erinnern, und was ich überhaupt hier vom
Queckſilber zu ſagen habe, einſchalten."
.“ -- - - - - -

- Die Luftſeiche hat ein Gift zum Gründe,


welches, äuſſer andern Eigenheiten, die es im
menſchlichen Körper äuſſert, vorzügliche
Neigung hat, ſich entzündende und eiternde
Geſchwülſte der Drüſen hervorzübringen,
(den Ton zu ſchwächen?) den meehaniſchen
Zuſammenhang der Faſer zur Trennung ſo
geneigt zu machen, daſs eine Menge um ſich
freflende Geſchwüre entſtehen, deren unheil
bare Natur ſich durch ihre runde Geſtalt zu er
kennen giebt, und endlich die Reitzbarkeit
zu erhöhen. Da eine ſo ſehr chroniſche
Krankheit nur durch ein Mittel gehoben
werden konnte, welches eine der Luſtſeuche
ſehr ähnliche Krankheit hervorbringt, ſo
konnte auch keine hülfreichere Arznei dage.
gen erſonnen werden, als das Queckſilber.
35 2. 1. 3

Des Queckſilbers vorzüglichſte Kraft ià


Veränderung des menſchlichen Körpers be
ſteht darinn, daſs es das Drüfsnſyſtem in di
rekter Wirkung reitzt (und Drüfenverhär
rüngen zur indirekten Nachwirkung hinter
- i2 läſst)
-

läſst) den Ton der Faſer und ihren Zufam


-
menhang dergeſtalt ſchwächt, und zur Tren
nung geneigt macht, daſs eine Menge um
fich freſſende Geſchwüre entſtehen, deren
unheilbare Natur ſich durch die runde Ge
ſtalt zu erkennen giebt und endlich die Reiz
barkeit (und Empfindlichkeit) ungemein er
höhet. Die Erfahrung hat dieſs Spezifikum
gekrönt. Da es aber kein ſo ähnlich wir
kendes Heilmitel giebt, als die zu heilende
Krankheit ſelbſt iſt; ſo iſt auch die Queck
ſilberkrankheit (ihre im Körper erzeugten
gewöhnlichen Veränderungen und Sympto
men) von der Natur der Luſtſeuche doch
noch ſehr verſchieden. Die Geſchwüre der
Luſtſeuche bleiben nur in den oberflächlich
ſten Theilen, vorzüglich die deuteropathi
ſchen, (die protopathiſchen nehmen ſehr
langſam an Umfange zu) ſie geben einen kleb
richten Saft ſtatt des Eiters von ſich, ihre
Ränder ſind mit der Haut faſt ganz eben (die
protopathiſchen ausgenommen) und ſind faſt
ganz ſchmerzlos (blos die protopathiſchen,
das von der anfänglichen Anſteckung ent
ſtandne Geſchwür, den Schanker und die ei
ternde Leiſtendrüſe, den Bubo ausgenom
men). Die Geſchwüre des Queckſilbers freſ
Medic. Iourn. II. Band. 4. Stück. Ll ſen

»
ſen tiefer (nehmen geſchwind an Gröſse zu)
ſind äuſſerſt ſchmerzhaft, und geben theils
eine ſcharfe dünne Iauche von ſich, theils
ſind ſie mit einem unreinen kafichten Ueber
zuge bedeckt, legen auch die Ränder über.
Die Drüſengeſchwülſte der veneriſchen
Krankheit bleiben wenige Tage; ſie ver
ſchwinden entweder bald, oder die Drüſe
eitert. Die vom Queckſilber angegriffenen
Drüſen werden in der direkten Wirkung die
ſes Metalls zur Thätigkeit angereizt (und ſo
verſchwinden von andern Urſachen erzeugte
Drüſengeſchwülſte davon) oder ſie werden
während der indirekten Nachwirkung in ei
mer kalten Verhärtung zurückgelaſſen. Das
veneriſche Gift verhärtet die Beinhaut der
erhabenſten, von Fleiſch entblöſetſten Stellen
der Knochen; es entſtehen peinliche Schmer
zen darinn. Beinfraſs aber bringt dieſs Gift
in unſern Zeiten nie hervor, ſo viel Nachfor
ſchungen ich auch angeſtellt habe, das Ge
gentheil zu erfahren. Queckſilber löſet den
Zuſammenhang der feſten Theile auf, nicht
nur derweichen, ſondern auch der Kno
chen; es friſst die löcherichſten und verdeck
teſten Knochen zuerſt an, und dieſer Bein
fraſs verſchlimmert ſich durch fernern Ge
- brauch
brauch dieſes Matalls nur daſ geſchwinder,
Die von äuſſern. Verletzungen entſandnen
Wunden werden während der Queckſilber
krankheit zu alten ſchwerheilbarenGeſchwür
ren, ein Umſtand, den man bei der Luſt
ſeuche nicht antrifft. Das in der Queckſil
berkrankheit bemerkliche Zittern findet ſich
bei der Luftfeuche nicht. Vom Queckſilber
entſteht ein ſchleichendes, ſehr entkräftende
Fieber mit Darſt und groſser ſchneller Abmar
gerung. Die Abmagerung von der Luſtſeu
che und die Entkräftung geſchieht nur ſehr
allmählig und bleibt in mäfigen Schranken.
Die Ueberempfindlichkeit bei der Queckſil
berkrankheit und die Schlafloſigkeit iſt die
ſem Metalle, nicht der Luſtſeuche eigen. Die
meiſten dieſer Symptomen ſcheinen mehr
indirekte Nachwirkung als direkte Wirkung
des Queckſilbers zu ſeyn.? .. ,,
- - -
Ich bin hier ſo umſtändlich geweſen,
weil es dem Praktikern oft ſo ſchwer fällt. *
- L 2 die /

d stoi abäckt meak in. s. «25 zwei


felt, ob man gewiſſe Zeichen einer vollkom
men überwundnen Venusſeuche habe, d. i.
ihm ſelbſt waren die Zeichen nicht bekannt,
-- - - -- - - - - - - WQa
- die chroniſcheQaeckſilberkrankheit von den
Zufällen der Luſtſeuche zu unterſcheiden,
und foSymptomen, die ſie für veneriſch
halten und doch blos merkurialiſch ſind, zum
Verderben ſo vieler Kranken mit fortgeſetz
tem Queckſilbergebrauche beſtreiten, vor
züglich aber deshalb, weil es mir hier darum
zu thun iſt , die Queckſilberkrankheit zu
ſchildern, um zu zeigen, wiefern der Mohn
ſaft als ähnlich wirkendes Mittel dieſelbe hei
len könne.
- ** - - - - -
. . . - -

“ Mohnſaft erhebt, wenn er in gerader


Wirkung geleitet, das iſt, wenigſtens aller
acht Stunden gegeben wird, als entgegenge
fetzt wirkendes Mittel die ſinkenden Kräfte
der Queckſilberkranken und ſtillt die Reitz
barkeit. Dieſs geſchieht aber nur in groſsen,
der Gröſse, der Schwäche und der Reizbar
keit angemeſſenen Gaben, ſo wie er bei
groſser Reitzbarkeit der hyſteriſchen und hy
pochondriſchen Perſonen und bei der Ueber
empfindlichkeit erſchöpfter Perſonen nur in
groſsen, oft wiederhohlen Gaben hülfreich
iſt.

wodurch ſich dieſe Krankheit von der Queck


ſilberkrankheit unterſcheidet.
– 57 -
iſt. Indeſs ſcheint die Körpernatur wieder in,
ihre Rechte einzutreten, es entſteht eine ge1
heime Umbildung der Körperbeſchaffenheit
und die Queckſilberkrankheit wird allmähli
bezwungen. Die ſich erhohlenden Kranken
vertrageu nun eine immer geringere, und
geringere Gabe. So ſcheint zwar durch die
palliative, entgegengeſetzte Kraft des Mahns
ſaftes die Queckſilberkrankheit bezwungen
zu werden; aber wer die faſt unbezwingli
che Natur der die thieriſche Maſchineunauf
haltbar zerſtörenden und auflöſenden Queck
ſilberkrankheit, wenn ſie in ihrem hohen
Grade iſt, kennt, wird inne werden, daſs
ein bloſes Palliativ dieſes äuſſerſt chroniſch?
Uebel nicht überwältigen würde, wären
nicht die Nachwirkungen des Mohnſaftes der
Queckſilberkrankheit ſehr parallel und hül,
fen dieſe nicht das Uebel beſiegen. Die
Nachwirkungen des in groſsen Gaben fort
geſetzten Gebrauchs des Mohnſaftes - erhör
hete Reizbarkeit, Schwäche der Tomkraft, ><

leichte Trennbarkeit der feſten Theile und


ſchwere Heilbarkeit der Wunden, Zittern,
Abmagerung des Körpers, ſchläfrige Schlaf
loßgkeit ſind den Symptomen der Queckſil
berkrankheit ſehr ähnlich, und nur darinº
- » - Ll 3 U1IATST
z= 518 –
wmterſcheiden ſie ſich, daſs die des Hueckſ
bers wenn ſie ſtark ſind führe lang, oft bis
züm föde änhaften, die des Mohnſaftes aber
Für Sründen oder Tage. Der Mohnſaft
küſste fehr tange Zeit und in übermäſig
groſsen Gaben gebräucht worden ſeyn, wenn
die Sympiöñen ſeiner Nachwirkung Wo
chehängoäer erwäsänger fortdauern ſoll.
ien. "Dieſe abgekürzte in eine nicht lange
zeit eingeſchränkte Däer der Mohnſaft
Fachwirkungen wirdärfäieſe Art das wahre
Gegeigifr der zur faſt unbegränzten Fort
däner geneigten Qieckſilbernachwirkungen
ihrem hohen Grade; faſt nur vön ihnen
kann man die ärhaltende, wahre Wieder
Herſtellung erwarten. Dieſe Nachwirkun
gen Röniſer während der ganzer Kur ihre
Hefkraftvehfähren, in der Zeit zwiſchen
Aé Wiederhöhung der Mohnſaftgaben, ſo
bald die erſte direkte Wirkung jeder Doſis
worüber iſt, und wenn man mit dem Gebrau
ähe aufhört. **** "
ht sei . . . . . . . . . . . .

*Bas Brei erregt bei feiner anfänglichen


wirking in den entblöſstliegenden (zur
Mrskelbewegung gehörigen?) Nerven einen
heftigen, reiſſenden Schmerz und erſchlafft
-13J 1 § J die
-. 519 -

die Muskelfaſer (hiedurch ?) bis zur Läh


mung; ſie wird blas und welk, wie Zerglie
derung zeigt, doch mit übrig bleibenderob
wohl geringerer äuſſerer Empfindung. Nicht
nur, die Fähigkeit ſich zu verkürzen min
dert ſich bei der angegriffenen Faſer, ſondern
aueh, die noch mögliche Bewegung iſt ſchwie
riger, als bei ähnlichen Erſchlaffungen, durch.
faſt völligen Verluſt der Reizbarkeit.*) Dieſs
bemerkt man jedoch nur bei den zu den na
türlichen und hieriſchen Verrichtungen ge
hörigen Muskeln, bei den zu den Lebens
verrichtungen gehörigen aber geht dieſe wir
kung ohne Schmerz und in minderm Grade
vor ſich. Da hier das wechſelſeitige Spiel
des Syſtems der Blutgefäſse langſamer wird
(ein harter, ſeltner Puls) ſo wird die Urſa
che der vom Blei verminderten Blutwärme
hiedurch einleuchtend,
Ll 4 Queck
– r
- - - - - - - - * -

-*). Das bei ſehr groſser Menge verſchluckten


Beis, zuweilen erfolgende, konvulſiviſche Er
brechen, und der ruhrartige Durchlauf, muſs
nach andern Grundſätzen erklärt werden und
gehört eben ſo wenig hieher, als die Brechen
erregende Eigenſchaft des in zu groſser Menge
genommenen Mohnſaftes. ...d . . . . . . .
Queck fliber mindert zwar ebenfalls die
Attraktion der Theile der Muskelfaſer unter
einander ſehr wirkſam, erhöhet aber ihre Em
pfänglichkeit für den Reizbarkeitsſtoff bis zur
Leichtbeweglichkeit. Dieſe Wirkung ſei nun
direkt oder es ſei indirekte Nachwirkung,
genug ſie iſt ſehr daüernd und daher auch in
lezterer Eigenſchaft als entgegengeſetzt han
delnde Arznei von wirkſamen Folgen gegen
die Bleikrankheit; in erſtererEigenſchaft aber
wirkt es ähnlich handelnd. Aeuſſerlich ein
gerieben, ſo wie innerlich gegeben, hat das
Queckſilber eine faſt ſpezifiſche Kraft gegen
die Bleiübel. Mohnſaft vermehrt in ſeiner ge
raden Wirkung die Verkürzung der Muskel
faſer, und mindert die Reitzbarkeit. Ver
möge erſterer Eigenſchaft wirkt er palliativ
gegen die Bleikrankheit, vermöge lezterer
aber dauerhaft als ähnlich wirkendes Mittel, -
"

Aus obigem Begriffe von der Natur der


Bleiübel wird man einſehn, daſs die Hülfe,
die dieſes behutſam zu gebrauchende Metall
(Blei) in Krankheiten geleiſtet hat, blos auf
einer entgegengeſetzten (nicht hieher gehö
renden ) obgleich ungemein anhaltenden
Wirkung beruht. ... :
Die
>. - 52 I -

Die wahre Natur der Wirkung des Ar


: femiks iſt noch nicht genau unterſucht. So
viel habe ich ſelbſt erfahren, daſs er ſehr ge
neigt iſt, jenen Krampf in den Blutgefäſsen
und die Erſchütterung in den Nerven zu erre
gen, die man Fieberſchauder nennt. Braucht
man ihn in etwas ſtarker Gabe (zu # # Gran)
für einen Erwachſenen, dann wird dieſer
Schauder ſehr merklich. DieſeNeigung macht
ihn zu einem ſehr kräftigen Mittel als ähnlich
wirkende Arznei gegen Wechſelfieber und
zwar um deſto mehr, da er die von mir be
merkte Kraft beſitzt, einen täglich wieder
kehrenden, obgleich immer ſchwächern Pa
roxysm zu erregen, wenn man auch mit ſei
nem Gebraucheinnehält. In typiſchen Krank
heiten aller Art (im periodiſchen Kopfweh,
u. ſ. w.) wird dieſe Typus erzeugende Eigen
ſchaft des Arſeniks in kleinen Gaben (rs bis
höchſtens 5 Granin Auflöſung) ſchätzbar und
wird unſern vielleicht noch kühnern, noch
- aufmerkſamern, und noch behutſamern Nach
kommen, wie mir ahndet, unſchätzbar wer
den.“) – (Dä ſeine Wirkſamkeit auf meh
- h“, - .
. . . . . . . . L 15 Y SYS.

*D Ich muſs, mit aller Achtung gegen den Hrn.


Verfaſfer, hier das Bekenntniſs ablegen, daſs
ieht
rere Tage geht, ſo ſammeln ſich öftere, ob
gleich noch ſo kleine Gaben zu einer unge
heuren, gefährlichen Gabe im Körper an,
Findet man daher nöthig, täglich einmahl
ihn zu verordnen, ſo müſſen alle folgenden
Gaben immer wenigſtens ein Drittel kleiner
ſeyn, als die vorhergehende. Aber beſſer thut
man, wenn man kurze Typen, Bt Wa- VOI

zwei Tagen Zwiſchenzeit zu beſtreiten hat,


immer nur für einen Paroxysm eine Gabe
zu verordnen, zwei Stunden vorher; und
den folgenden Anfall überzuſchlagen und
richts von Arſenik dafür zu geben; nur erſt
etwa zwei Stunden vor dem dritten Anfalle.
Am beſten thut man, dieſs ſelbſt gegen vier
tägige Fieber ſo zu machen, und nur erſt
gegen die Keihe der zwiſchen liegenden Pa
roxysmen zu verfahren, wenn man beiderer
ſtern Reihe von Anfällen ſchon ſeine Abſicht
glücklich erreicht hat. (Bei längern Typen
z. B. ſieben, neun, eilf und vierzehntägigen
". . . . . .“ kann
- ---

- ich mich zu dem innerlichen Gebrauch des


z, Arſeniks, beſonders in Wechſelfiebern, noch
- nicht verſtehen kann. Meine Gründe werde
ich nächſtens mittheilen. . . .“
a. H.
– 525 -

kann man vor jedem Anfalle Eine Gabe ver


ordnen) – Der fortgeſetzte, in gröſsern
Gaben gebrauchte Arſenik bewirkt allmählig
einen faſt immer anhaltenden Fieberzuſtand;
er wird ſich hiedurch, wie auch ſchon zum
Theil die Erfahrung gelehrt hat, in hektis
fchen und remittirenden Fiebern, als ähnlich
wirkendes Mittel hülfreich erzeugen, in klei
nen Gaben (etwa zu Ys Gran). Eine ſolche
fortgeſetzte Anwendung des Arſeniks aber
wird immer ein Meiſterſtück der Kunſt blei«
ben, da er eine groſse Neigung beſitzt die
Lebenswärme und den Ton der Muskelfaſer
zu mindern. (Daher die Lähmungen von
ſeinem ſtarken oder ſonſt langwierig unbe
hutſamen Gebrauche.) (Dieſe leztern Ei
genſchaften würden ihn als entgegengeſetzt -
wirkendes Mittel in reinen Entzündungs
krankheiten, hälfreich machen). Den Ton
der Muskelfaſer mindert er, indem er das
Verhältniſs der gerinnbaren Lymphe im Blu
te und ihren Zuſammenhang mindert, wie
ich mich durch Aderläſſe arſenikkranker Per
fonen überzeugt habe, und zwar ſolcher, die
vor dem Gebrauche dieſer Metallſäure ein
allzudichtes Blüt hatten. Doch nicht nur
die Lebenswärme, und den Ton der Muskel
- - faſer
-- 524 -
faſer verringert er, ſondern ſogar, wie ich.
mich überzeugt zu haben glaube, die Em
pfindlichkeit der Nerven. (So macht er Ra
ſenden mit ſtraffer Fiber und allzu ſubſtan
tiöſen Blute ſchon in einer einzigen kleinen
Gabe ruhigen Schlaf, wo alle andre Mittel
fehlſchlagen, als entgegengeſetzt wirkendes
Mittel. Mit Arſenik vergiftete Perſonen ſind
ruhiger über ihre Lage, als man erwarten
ſollte – ſo wie er überhaupt mehr durch
Auslöſchung der Lebenskraft und der Em
pfindung zu töden ſcheint, als durch die et
wanige doch nur örtlich und in kleinen Um
fange freſſende, entzündende Eigenſchaft.
Nimmt man dieſen Satz zum Grunde, ſo
wird die ſchnelle Auflöſung der an Arſenik
verblichenen Leichname, wie derer am Bran
ele Geſtorbenen, begreiflich.) – Er ſchwächt
das abſorbirende Syſtem, ein Umſtand, aus
welchem vielleicht dereinſt eine eigne Heil
kraft zu entlehnen wäre, (als ähnlich/wir
kendes oder als entgegengeſetzt wirkendes
Mittel?) der aber bei ſeinem anhaltenden
Gebrauche immer mehr und mehr Zurück
haltung einflöſen muſs. – Eben dieſs muſs
ich über ſeine beſondre Kraft erinnern,
die Reitzbarkeit der Faſer, vorzüglich des
Sy
- 525 -

Syſtems der Lebensverrichtungen zu erhö


hen, daher Huſten, und eben daher die ge
dachten chroniſch fieberhaften Bewegungen,

Es iſt ſelten, wenn der Arſenik in etwas


gröſsern Gaben und anhaltend gebraucht
wird, daſs er nicht, vorzüglich wenn ſchweiſs
treibende Mittel und eine erhitzende Lebens“
ordnung gebraucht wird, eine Art etwas
langwierigen Hautausſchlags (wenigſtens
Hautabſchuppung) erregen ſollte. Dieſe
Neigung macht ihn hülfreich bei den Aerz
ten der Hindoos gegen das fürchterliche
Hautübel, die Elephantiaſis. Ob auch in
der Pellagra? – Sollte er wirklich (wie
män ſagt) in der Waſſerſcheu Dienſte leiſten,
ſo würde er vermöge ſeiner Eigenſchaft (den
Einfluſs der Nervenkraft auf) die Attraktion
der Theile der Muskelfaſer, und den Ton
derſelben, ſo wie die Empfindung der Nerven
zu mindern,
Kraft wirken.das–iſt,Erdurch entgegengeſetzte
erregt empfindliche, W

anhaltende Gelenkſchmerzen, wie ich ſahe.


Ich will nicht entſcheiden, wie man ſich die
ſer Eigenſhaft als eines Heilmittels bedienen
könnte.

Was
– 526 --
. Was die Arſenikkrankheit, die Bleikrank
heit und die Queckſilberkrankheit aufeinan
„der für Einfluſs haben, und wie eine durch
die andre gehoben werden könne, wird die
Zukunft genauer entſcheiden.

Sollten die Zufälle vom langwierigen Ge


brauch des Arſeniks drohend werden, ſo
wird (auſſer der Anwendung der Schwefel
leberluft in Getränken und Bädern, um das
noch in Subſtanz gegenwärtige Metall zu til
gen) der freie Gebrauch des Mohnſafts auf
die Art, wie gegen die Queckſilberkrankheit
(ſiehe oben) hülfreich ſeyn. . . ."
-

- -- - - - - -- -

Ich gehe wieder zu den Gewächſen über


und zwar zu einer Pflanze, die an heftiger
und anhaltender Wi rkung den mineraliſchen
Giften an die Seite geſetzt zu werden ver
dient, ich meine den Bee reiben ba um
(Taxus baccata). Die von ihm genom
menen Theile, vorzüglich die Rinde des
ſchon geblüheten Baumes muſs Behutſam
keit bei ihrem Gebrauche einflöſsen; die zu
weien erſt mehrere Wochen nach der lezten
Gabe erfolgenden Hautausſchläge oft mit
Zeichen brandiger Auflöſung der Faſer, der
ZU
– 527 –
zuweilen plötzlich,zuweilen erſt mehrere
Wochen nach der lezten Gabe unterbrandi
gen Zufällen erfolgende Tod, u. ſ.w. lehren
dieſs. – Sie erregt, wie es ſcheint, eine
gewiſſe Schärfe in allen flüſsigen Theilen,
-und eine Verdichtung der Lymphe, die Ge
fäſse und Faſern werden gereizt, und doch
ihre Verrichtung eher erſchwert, als erleich
tert. - Die kleinen, mit Stuhlzwang beglei
teten Leibesöffnungen, die Harnſtrenge, der
zähe, ſalzige, brennende Speichel, die zähen
ſtinkenden Schweiſse, der Huſten, die flie
genden empfindlichen Schmerzen in den Glie- -

dern nach dem Schweiſse, das Podagra, der


entzündsartige Piothlauf, die Hautpuſteln,
das Jucken der Haut und die Röthe da, wo
die Drüſen darunter liegen, die künſtliche
Gelbſucht, die Schauder, das anhaltende Fie
beru. ſ. w., die ſie zuwege bringt, ſind Zeugen
hievon. Doch ſind die Beobachtungen noch
nicht genau genug, daſs man unterſcheiden
könnte, welches die erſte gerade Wirkung,
welches die Nachwirkung ſei. Die direkte
Wirkung ſcheint ziemlich lang anzuhalten,
Ein ſchlaffer, reizloſer, von Lebenskraft zum
Theil beraubter Zuſtand der Faſer und der
Gefäſse, vorzüglich derer, die zum abſorbi
renden
–– 528 -

renden Syſtem gehören, ſcheint die Nach


wirkung zu ſeyn. Daher die Schweiſse, der
Speichelfluſs, der wäſſerige häufige Harn,
die Blutflüſſe (eine Auflöſung des rothen
Blutkuchens) und nach groſsen Gaben, oder
allzu lang fortgeſetztem Gebrauche, die Waſ
ſerſucht, die hartnäckige Gelbſucht, die Pe
techien, die brandige Auflöſung der Säfte.
In behutſamen, allmählig erhöheten Gaben
gebraucht, mag ſie wohl, wie auch ſchon
zum Theil die Erfahrung gelehrt hat, in ei
mer ähnlichen Verderbniſs der Säfte und in
einem ähnlichen Zuſtande der feſten Theile,
mit einem Worte, in ähnlichen krankhaften
Beſchwerden, als dieſs Gewächs erzeugt, mit
bleibenden Nutzen angewendet werden kön
nen. In der Verhärtung der Leber, Gelb
ſucht tand Drüſengeſchwülſten bei ſtraffer
Fiber, in langwierigen Katarrhen, Blaſenka
tarrh (der Ruhr, der Harnſtrenge, Geſchwül
ſten, mit ſtraffer Faſerverbunden?) in der
Amennorrhöe von ſtraffer Faſer (Ihrer lang
dauernden direkten Wirkung wegen, mag
ſie wohl als entgegengeſetzt wirkendes Mit
tel zuweilen bleibende Dienſte leiſten, in der
Rachitis, der Amenorrhöe bei Schlaffheit,
u.ſ, w. Doch dieſs gehört nicht hieher).
Der
– 5 29 -

Der Napelſturm hut (Aconitum


Na pell us) erregt kriebelnde, auch em
pfindlich reiſſende Schmerzen in den Glied
mafen, in der Brüſt, in den Kinnbacken;
er iſt ein Hauptmittel in Gliederſchmerzen
aller Art, er wird in chroniſchen Zahnſchmer
zen rhevmatiſcher Art, in dem falſchen Sei
tenſtiche, dem Geſichtsſchmerze und den
Folgen vöm Einpflanzung menſchlicher Zäh
ne hüffreich ſeyn. Er erregt kältenden Ma
gehdruck, Hinterkopffchmerzen. Stechen
in den Nieren, äuſſerſt ſchmerzhafte Augen
*eitzündung, ſchneidende Schmerzen in der
Zünge; der praktiſche Arzt wird dieſe künſt
lichen Krankheiten in ähnlichen natürlichen
anzuwenden wiſſen. – Hauptſächlich iſt
er geartet, Schwindel, Ohnmachten, Schwä
cher, Schlagflüſſe, und tranſitoriſche Läh
rittigen, allgemeine und Partiallähmungen, -

"Hemiplegie, Lähmungen einzelner Gliedma


'fen; der Zunge, des Afters, der Blaſe, Ver
rankelung des Geſichts und temporelleBlind
heir, Ökºrenklingen zu erregen und eben ſo
hülfreich iſt er in allgemeinen und Partial
"lähmungen der genannten Theile, wie die
Erfahrung ſchon zum gröſsten Theile bewie
fém hat - er hat als ähnlich wirkendes Mit
Meteoornu. Band. 4. Stück- Mm tel

>
- 55o –
tel Harnunaufhaltſamkeit, Zungenlähmung
und ſchwarzen Staar ſchon in mehrern Fäl
len beſiegt, ſo wie Lähmungen der Glied
maſen. In heilbaren Marasmen und Partial
„atrophien wird er, als ähnliche Krankheits
zufälle erzeugendes Mittel, gewiſs mehr wir
ken, als alle übrigen bekannten Heilmittel.
„Auch hat man ſchon glückliche Fälle dieſer
Art. – Faſt eben ſo ſpezifiſch erzeugt er
Konvulſionen, allgemeine ſowohl als, par
tielle, der Geſichtsmuskeln, einſeitiger Lip
penmuskeln, einſeitiger Halsmuſkeln der
„Augenmuskeln: in allen dieſen leztern wird
er ſich wirkſam erweiſen, ſo wie er auch
ſchon Fallſuchten, geheilt hat. - Er erregt
Engbrüſtigkeit; wie wollte man ſich wun
dern, daſs er mehrmahls verſchiedne Eng
brüſtigkeiten gehoben hat? – Er erregt
Iucken, Kriebeln in der Haut, Abſchuppung,
'röthlichen Ausſchlag und iſt deshalb in
ſchlimmen Hautübeln und Geſchwüren ſo
hülfreich. Seine angebliche Wirkſamkeit
«gegen die hartnäckigſten veneriſchen Be
„ſchwerden war wohl nur gegen die Sympto
-men des dagegen gebrauchten Queckſilbers
-gerichtet, wie die Umſtände darthun. In
deſs iſt es ſchätzbar za ywiſſen, daſs der Nº
. . . . . . pell
-
-

--- -- -- 12 . . . .
- 531 -

pellſturmhut als ein Schmerzen, Hautübel,


- Geſchwülſte, und Reitzbarkeit erregendes,
mit einem Worte, als ähnliches Mittel die
ähnliche Queckſilberkrankheit ſehr mächtig
beſiegt, und den Vorzug vor Mohnſaft be
ſitzt, keine anhaltende Schwächung zu hin
terlaſſen. – Zuweilen bringt er die Empfin
dung um den Nabel hervor, als wenn von
da eine Kugel in die Höhe ſtiege und im
obern und hintern Theile des Kopfs eine
Kälte verbreitete; dieſs, giebt Anleitung, ihn
in ähnlichen Fällen von Hyſterie zu verſu
chen. In der Nachwirkung ſcheint die an
fängliche Kälte im Kopfe in eine brennende
Empfindung überzugehn. – Man bemerkt
in der anfänglichen Wirkung allgemeine
Kälte, langſamen Puls, Harnverhaltung,
Manie – in der nachgehenden aber einen
ausſetzenden, kleinen, geſchwinden Puls, all
gemeinen Schweiſs, Harnfluſs». Durchlauf,
unwillkührlichen Stuhlabgang, Schlaftrun
kenheit. – (Wie mehrere in ihrer direk:
ten Wirkung kältende Pflanzen, löſeter Drü
ſengeſchwülſte auf). – Die Manie, die er
erzeugt, iſt ein mit Verzweiflung abwech
ſelnder Frohſinn; er wird als ähnlich wir
&endes Mittel Manien dieſer Art belegen
4. X
Mm 2 kön
-
– 532 –

können. – Die gewöhnliche Dauer ſeiner


Wirkſamkeit iſt ſieben bis acht Stunden –
ſchwierige Fälle von allzu groſsen Gaben
ausgenommen. -
*

*, - * - - -

Die Schwarz chriſtwurzel (Helle


borus niger) macht unter fortgeſetztem
Gebrauche beſchwerliche Kopfſchmerzen
(daher wohl ihre Kraft in einigen Gemüths
krankheiten auch im chroniſchen Kopf
ſchmerze), und ein Fieber; daher ihre Kraft,
Quartanfieber zu heilen und eben daher zum
Theil ihre Kraft in Waſſerſuchten, deren
fchlimmere Gattungen immer mit einem re
inittirenden Fieber vergeſellſchaftet ſind und
worinn ſie mit Beihülfe ihrer (wer ſagt, ob
in der direkten, oder in der Nachwirkung,
wie ich vermuthe, befindlichen?) Harn trei
benden Kraft ſo hülfreich iſt. (Leztere iſt
verwandt mit jener Eigenheit derſelben, die
Blutgefäſse des Unterleibes, des Afters und
der Bärmutter zur Thätigkeit zu reitzen. –
Die Eigenheit derſelben, eine zuſammen.
ſchnürende, erſtickende Empfindung in der
Nafe zu erregen, kann Anleitung geben ſie
in ähnlichen Zufällen ( die ich auch bei einer
Art voi Gemüthskrankheit gefunden habe)
- * - Y. - -- - zu
- 553 – º.

zu verordnen. Ihre häufige Verwechſelung -

-
mit andern Wurzeln hat uns nur dieſe weni
gen wahren Data übrig gelaſſen. -

Der bohrende ſchneidende Schmerz, den


der innere Gebrauch der Küchenſchell
wind blume (Anem one pra ten ſis)
in den kränklichen Augen hervorbringt, lei
tete zu ihrer glücklichen Anwendung im
ſchwarzen Staare, dem grauen Staare und
der Verdunkelung der Hornhau. Der
ſchneidende Kopfſchmerz, der von dem in
nern Gebrauche des aus dem deſtillirten Waſ- -

ſer kryſtallißrten, brennbaren Salzes erfolgt


- -
– giebt Anleitung, dieſe Pflanze in einem
ähnlichen Falle an zu wenden. Vermuthlich
- deshalb hat ſie einſt einen Melancholiſchen
geheilt. -

Die Nelkenwurz gar affel (Geum


urban um) beſitzt, auſſer ihrer gewürzhaf
ten Eigenſchaft, eine Uebelkeit erregende
Kraft, welche immer etwas fieberähnliches
im Körper hervorbringt, und daher etwa die
Dienſte gegen Wechſelfieber leiſten kann,
wie Gewürze, neben der Ipckakuanha ge
braucht.
- - Mm 3 Der
– 534 –
Der Bittermandel ſtoff, welcher die
Arzneikraft der Kerne der Obſtkirſche
(Prunus Cera ſus), der Traubenkir
ſche (Prunus Pad us), des Pfirſch.
mandelbaums (Amygdalus per ſi ca),
der bittern Abart des Mi 1 c h m and el
baums (Amygd a lus comm unis),
vorzüglich aber der Blätter der Lorber kir
ſche(Prunus laurocera fus) ausmacht,
beſitzt die beſondre Eigenheit, Lebenskraft
und Zuſammenziehbarkeit der Muskelfaſer
in ſeiner direkten Wirkung ſo ſehr zu erhö
hen, als während der Nachwirkung beide
ſinken. Es erfolgt bei mäſig groſsen Gaben
Angſt, ein beſondrer Magenkrampf und an
dere toniſche Krämpfe, Kinnbackenzwang.
Erſtarrung der Zunge, Opiſthotomus, abwech
ſelnd mit kloniſchen Krämpfen mancherlei
Art und verſchiedner Heftigkeit in der di
rekten Wirkung *); indeſs erſchöpft ſich der
Reitz

*) Wollte man die erſte direkte Wirkung des


Bittermande ſtoffs, die ich durch die Phäno
mene von erhöheter Verkürzungsfähigkeit der
Muskelfaſer und Anſtrengung der Lebenskraft
dargeſtellt, deshalb ableugnen, weil in eini
gen Fällen ungeheurer Gaben der Tod faſt au
- *- gen
A -

– 555 –
Retzbarkeitsſtoff allmähligf) und in der
Nachwirkung ſinkt die die Muskelfaſerve
- -
* -
- - M m4. -
- kür
. . --- : " : cs . . - -- - re

genblicklich, ohne ſichtbare Reaktion der Le


benskraft oder Schmerz erfolge, ſo würde man
eben ſo ſehr irren, als wenn man, dem Tode
durchs Schwerd allen Schmerz abſprechen
und leugnen wollte, daſs der Schwerdſtreich
einen vor ſich beſtehenden, von dem nachge
henden Tode verſchiednen Zuſtand ausmache.
Dieſer Schmerz wird eben ſo unendlioh , ob
gleich vielleicht weniger als augenblicklich
ſeyn, als die Empfindung von Angſt und Qual
unbeſchreiblich ſeyn wird , die auf eine, ob
ſchon kaum eine Minute dauernde Wirkung
einer ſehr tödlichen Gabe Kirſchlorberwaſſers
erfolgen mag und muſs. Dieſs beweiſt ein von
Mad den angeführter Fall der ungeheuren
Angſt in der Gegend des Magens (der Gegend
des vermuthlichen Hauptorgans der Lebens
kraft) eines binnen etlichen Minuten von ei
ner groſsen Gabe Lorberkirſchwaſſer Getöde
ten. Daſs in dieſer Kürze der Zeit nicht die
ganze Reihe von nach einer
Phänomenen, die
untödlichen Gabe erfolgen, zum Vorſchein
kommen kann, iſt leicht begreiflich, ſo wahr.
ſcheinlich es iſt, daſs ähnliche Veränderungen
und Eindrücke auf die thieriſche Haushaltung
in dieſer kurzen Zeit (bis einige Augenblicke
vor dem Tode, d. i. die einige Augenblicke
- dauern
-

- º- 8536 - - -

kürzende Eigenſchaft, und die Lebenskrafr


in eben dem Grade, als ſie vorher geſtiegen
war. Es erfolgt Kälte, Erſchlaffung, Läh
mung – welches aber ebenfalls bald wieder
vorüber geht. 3 : . :

- z .
(Man hat hie und da das Kirſchlorberwaſ.
ſer bei Magen- und Körperſchwäche als Ana
leptikum, das iſt, als entgegengeſetzt wir-
. . . . . . . . . . ken
- - - - - -
- 3 -
dauernde indirekte Nachwirkung) im weſent
lichen vor ſich gehen werden, als ich oben
von der direkten Wirkung aus der Natur an
gegeben habe – ſo ſieht man wohl die elektri
ſchen Erſcheinungen, wenn man ſie allmählig
vor den Augen vorüber führen kann, aber in
dem dicht vor uns niederſtrömenden Blitze
weiſs man nieht recht, was man geſehn oder
gehört hat. - -- -

†) Eine kleine Eidachſe (Lacerta agilis) die ſich


in verdünntem Lorberkirſchwaſſer eine Minu
te lang ziemlich ſchnell bewegt hatte, legte
ich in konzentrirtes vor ſich bereitetes Kirſch
lorberwaſſer. Sogleich wurden ihre Bewe
gungen ſo unendlich geſchwind, das man ſie
kaum mit Augen beobachten konnte etliche
Sekunden lang; dann geſchahen zwei oder
drei angſame Zuckungen, und nun war alle
Bewegung weg, ſie war tod.
kendes Palliativ, wie leicht begreiflich,
- - - - - - -
mit
2-

ſchlechtem Erfolge, als Hausmittel gebraucht.


Lähmungen und Schlaguſs war der Aus
gang). .
- - - - - -

Merkwürdiger und eigentlicher für uns


gehörig iſt die Heilkraft ſeiner direkten Wir
kung (die eine Art von Fieberparoxysm dar“
ſtellt) gegen Wechſelfieber, vorzüglich, WEI Il
ich recht ſehe, gegen die wegen elner allzu
- thätigen Verkürzungsfähigkeit der Muskel
faſer für die Rinde allein unheilbaren Wech
elfieber. Eben ſo hülfreich iſt das ſchwarze
Kirſchwaſſer oft bei Zuckungen der Kinder -

geweſen. – Als ähnlich wirkendes Mittel


wird das Lorberkirſchwaſſer in Krankheiten
von allzu ſtraffer Faſer, oder wo überhaupt
die Zuſammenziehbarkeit der Muskelfaſer
ihre Erfchlaffungsfähigkeit bei weitem über
ſteigt in der Hundswuth , im Tetanus, ker
krampfhaften verſchlieſsung des Galausfüh
rungskanals und ähnlichen tomiſchen Kräm

pfen, in einigen Manien u. ſ. w. ſich hülf


- reich erweiſen *), wie auch einige Erfahrun
Mm 5 gen
-) Toniſche (und kloniſche) Krämpfe ohne Ent
zündung des Blutes, und wo das Bewuſſeyn
micht
N - - 538 -
gen zeigen. – In eigentlichen Entzündung
krankheiten verdient es gleichfals Aufmerk
ſamkeit, wo es wenigſtens zum Theil als
ähnlich wirkendes Mittel handeln wird.
Liegt die vom Bittermandelſtoff beobachtete
Harn treibende Kraft in ſeiner indirekten
Nachwirkung, ſo hat man in Waſſerſuchten
mit chroniſch entzündlicher Beſchaffenheit
f des Blutes ſich viel von ihm zu verſprechen.

Die Kraft der Rinde der Traubenkir


fche (Prunus Pad us) gegen Wechſel
fieber beruht nicht weniger auf dem darinn
enthaltnen Bittermandelſtoffe, mittelſt deſſen
ſie als ähnlich wirkendes Mittelt handelt,
Vom Rundblatt ſonn enthau (Dro.
wiſſen“ wir nichts
fer a rot und ifolia)
gewiſſes weiter, als daſs er Huſten erregt,
und daher im feuchten Katarrhalhuſten, ſo
wie
-

nicht ſonderlich leidet, ſcheinen der eigent


lichſte Wirkungskreis des Bittermandelſtoffs
zu ſeyn, da er meines Wiſſens ſelbſt in der
direktenWirku ng die Lebenswärme nicht er
höhet und das Empfindungsſyſtem unangegrif
fen läſst.
-- -

– 539
* –
wie in der Influenza, mit Nutzen gebraucht
- . . " :,
worden iſt.

Das Heilprinzip in den Blumen und an


dernTheilen des Schwarzholders (Sam
bucus nigra) (und Attichholders?) ſcheint
in ſeiner anfänglichen direkten Wirkung,
die Verkürzungsfähigkeit, der vorzüglich den
natürlichen und Lebensverrichtungen zuge
hörigen, Muskelfaſer und die Blutwärme zu
erhöhen, in ſeiner indirekten Nachwirkung
aber dieſe Kraft der Muskelfaſer herabzuſtim
men, die Wärme zu mindern, die Lebens
thätigkeit abzuſpannen (und wohl ſelbſt die
Empfindung zu mindern). Verhält ſich dies
ſo, wie mich dünkt, ſo werden ſie, was ſie
in dem toniſchen Krampfe der feinſten En
den der Arterien bei Erkältungskrankheiten,
Katarrhen, dem Rothlaufe gutes ausrichten,
als ähnlich wirken des Mittelthun. Sollten
die Holderarten nicht ſelbſt flüchtige roſen
artige Entzündungen erregen können?
Verſchiedne für giftig gehaltene Arten
des Su mach, z. B. Rhus radicans, ſchei
men eine ſpezifiſche Neigung zu beſitzen, ro
ſenartige Hautentzündungen, und Hautaus
- ſchläge
- 54o -
ſchläge hervorzubringen. Sollte er nicht
wirkſam in chroniſchen Rothlauf und den
ſchlimmſten Hautkrankheiten ſeyn ? Der zu
weit gehenden Wirkung deſſelben ſetzt der
Schwarzholder (als ähnlich wirkendes Mit
tel?) Gränzen.

Der Kampfer mindert in gröſsern Ga


ben die Empfindung im ganzen Nervenſy
ſtem; der Einfluſs der (wenn ich mich des
etwas groben Ausdrucks bedienen darf)
gleichſam erſtarrten Lebensgeiſter auf Sin
nen und Bewegung wird gehemmt. Es ent
ſteht eine Kongeſtion im Gehirne, eine Um
nebelung, ein Schwindel, eine Unvermögen
heit, die Muskeln nach Willkühr zu regieren,
eine Unvermögenheit zu denken, zu em
pfinden, ſich zu erinnern. Die Zuſammen
ziehungsfähigkeit der Muskelfaſern, vorzüg
lich der zu den natürlichen und den Lebens
verrichtungen gehörigem ſcheint bis zur
Lähmung herabzuſinken, die Reizbarkeit
ſinkt in gleichem Grade, vorzüglich die der
äuſſerſten Enden *) der Blutgefäſse; weniger
die

*) Auf dieſe ſcheint die Nervenkraft und ihr


Zuſtand den meiſten Einſluſs zu haben, weni“
ger
- 541 –
die der gröſsern Schlagadern, noch weniger
die des Herzes. Es entſteht Kälte der äuſſern
Theile, kleiner, harter, allmählig langſame
rer Puls, und wegen des verſchiednen Zu
ſtands des Herzens gegen den der äuſſerſten
Enden der Blutgefäſse – Angſt, kalter
Schweiſs. Iene Verfaſſung der Faſer erzeugt
eine Unbeweglichkeit z. B. der Kinnbacker
muskeln, des Afters, der Halsmuskeln, die
das Anſehn eines toniſchen Krampfes an
nimmt. Es entſteht tiefer, langſamer Odem,
Ohnmacht“). Während dem Uebergange
in die Nachwirkung erfolgen Konvulſionen.
Wahnſinn, Erbrechen, Zittern. – In der
indirekten Nachwirkung ſelbſt beginnt zuerſt
die
. . . si - ºr . . - ...
-
ger auf die gröſsern Gefäſse, am wenigſten auf
, das Herz. . . . . . . »s na:
""- “) Ein Beweiſs nach Carminat i, daſs der
Kampfer nichts weniger als die Reitzbarkeit
auslöſcht, ſondern nur ſo lange ſuſpendirt,
-
die Muskeln in der Abhängigkeit von dem er
ſtarrten Nervenzuſtande bleiben – iſt, daſs,
- wenn ſchon alle Empfindung vom Kampfer
, erloſchen iſt, das ausgeſchnittene Herz nun
- - noch um deſto ſtärker zu. „ſchlagen fortfährt,
* * . . .
Stunden
-
lang
– 542 –
die erwachende Empfindung und, wenn ich
ſo ſagen darf, Beweglichkeit des vorhin er.
ſtarrten Nervengeiſtes, die faſt erloſchene Be
weglichkeit in den äuſſerſten Arterienenden
hebet ſich, das Herz ſiegt über den bisheri.
zer. Widerſtand. Die vorher langſamen Puls
ſchläge nehmen an Zahl und Gröſse zu, das
Spiel des Blutſyſtems gelangt zu ſeinem vori
gen Standpunkte, oder kömmt in einigen
Fällen (von gröſsern Kampfergaben, von
Plethora u. ſ. w.) wohl noch drüber – es
entſteht geſchwinderer, vollcrer Puls. Ie
bewegungsloſer vorher die Blutgefäſſe gewe
ſen, - deſto leicht beweglicher werden ſie
nun; es entſteht vermehrte Wärme über den
ganzen Körper, auch wohl Röthe und gleich
förmige, zuweilen reichliche Ausdünſtung.
Der ganze Auftritt iſt in 6, 8, 10, 12, höch
ſtens 24 Stunden geendigt. Unter allen Mus
kelfaſern kehrt die Leichtbeweglichkeit des
Darmkanals am ſpäteſten Zurück. – In al
len Fällen, wo die Verkürzungsfähigkeit der
Muskelfaſer über die Erſchlaffungsfähigkeit
ein merkliches Uebergewicht hat, ſchafft der
Kampfer als entgegengeſetzt wirkendes Mit
tel ſchnelle aber nur palliative Häfe, in ei
nigen Manien, “in örtlichen und gemeinen
s“ “Ent
– 545 -
Entzündungen, reiner, rhevmatiſcher un
eriſpelatöſer Art, und in Erkältungskrank
heiten. - - - - - ->

Daimbösartigen reinen Nervenfieber das


Syſtem der Muskelfaſern das Empfindungs
ſyſtem, und die geſunkene Lebenskraft et
was ähnliches mit der direkten, anfänglichen
Wirkung des Kamphers hat, ſo wirkt er als
ähnlich wirkendes Mittel, das iſt, dauerhaft
und hülfreich. Nur müſſen,die Gaben zwar
hinlänglich groſs, das iſt bis zur Erſche
nung einer faſt noch gröſsern Unempfind
lichkeit und Mattigkeit, doch ſelten, nur
etwa aller 36 bis 48 Stunden (wo nöthig)
gegeben werden . . . . .
- --- ,
Hebt der Kampfer wirklich die Stran
gurie von Kanthariden, ſo thut er es als ähn
lich wirkendes Mittel; denn auch er bewirkt -

- Strangurie. Die ſchlimmen Zufälle von dra


ſtiſchen Purganzen nimmt er theils als Em
pfindung hemmendes und Faſern erſchlaffen
des (folglich entgegengeſetztes, palliatives,
hier zulängliches) Mittel hinweg, Bei den d

ſchlimmen Nachwirkungen derSquille, wenn


ſie chroniſch ſind – ein allzu leicht erreg /

* *
bares -
– 544 –
bares Spiel der Verkürzungs- und Erfchlaf
füngsfähigkeit der Muskelfaſer, – handelt
er nur palliativ und minder wirkfam, wenn
man die Gaben nicht häufig wiederhohlt.
Eben ſo gegen die chroniſchen Zufälle vom
Queckſilbermisbranche. – Als ähnlich wir.
kendes Mittel und kräftig hilft er in den
lang anhaltenden Froſtſchauer ausgearteter
(ſoporöſer) Wechſelfieber zur Unterſtützung
der Rin de: – Epilepſie und Konvulſionen,
welche erſchlaffe der Reizbarkeit beraube
- - - - - - - - - - - -
Faſer zum Gründe haben, werden kräftig
von der ähnlichen wirkung des Kampfer
gehoben. Er iſt ein bekanntes Gegenmittel
groſser Gaben Mohnſaft, wogegen er gröſs.
tentheils entgegengeſetzt palliativ, aber da
der ganze Zufall tranſitoriſch iſt, doch hinrei
chend wirkt.) Eben ſo iſt Mohnfäft ein
wirkſames Gegengift groſser Gaben Kam
pfer, wie ich erfahren. Iener hebt die durch
leztern geſunkene Lebenskraft und verlö
ſchende Lebenswärme entgegengeſetzt, aber
hier zureichend. – Ein ſonderbares Phä
nomen iſt die Wirkung des Kaffees bei der
direkten Wirkung groſser Gaben Kampfer;
er macht die erſtarrte Reitzbarkeit des Magens
krampfhaft beweglich, es entſteht konvul
-- - - - ſivi
– 545 –
ſiviſches Erbrechen, oder im Klyfire ſchnel
le Ausleerung, aber weder die Lebenskraft
hebt ſich, noch wird der betäubte Zuſtand
der Nerven freier eher noch betäubter; wie
mir deucht erfahren zu haben. Da des Kam
phers auffallendſte direkte Wirkung auf die
Nerven darin beſteht, das alle Leidenſchaf
ten gleichſam einſchlafen, und eine völlige
Gleichgültigkeit gegen äuſſere, auch noch ſo
intereſſante Dinge entſteht, wie ich erfah
ren habe, ſo wird er als ähnlich wirkendes
Mittel in Manien hülfreich ſeyn, deren Haupt
ſymptomGleichgültigkeit iſt mit unterdrück
ten langſamen Pulſe und zuſammengezoge
ner Pupille – auch wohl, nach Auen
brugger, aufwärts gezognen Hoden. In
Manien jeder Art ihn zu brauchen, iſt zweck
widrig. Beim innern Gebrauche hebt wohl
der Kampher temporelle allgemeine und lo
kale Entzündungen, auch wohl chroniſche
auf etliche Stunden, aber die Gaben müſsten
gegen erſtere ſehr ſchnell wiederhohlt wer
den, wenn etwas Beträchtliches dämit aus
gerichtet werden ſollte, d, i. immer wieder,
ehe die Nachwirkung erſcheint. Denn in
der Nachwirkung verſtärkt der Kampher die
TNeigung zu erneuerter Entzündung nur deſto
Medic. Iourn. II. Band. 4. Stück. - Nn mehr,
– 546 –
mehr, macht ſie chroniſch und diſponirt den
Körper vorzüglich zu katarrhaliſchen und
Verkältungskrankheiten. Beim äuſſern fort
geſetzten Gebrauche kann er mehr leiſten,
und ſeine nachgängigen Nachtheile kann
man hier auf andere Art wieder gutmachen.

Die Gönner neuer Arzneien begehen ge


wöhnlich den Fehler, die widrigen Phäno
mene der von ihnen in Schutz genommenen
Arzneien, ganz wider den Zweck, ſorgfäl
tig zu verheelen. *) Wäre dieſe Verheiali
chung nicht, ſo könnten wir, z. B. nach den
krankhaften Wirkungen, die die Rinde des
Roſskeſten äſchels (Aeſculus Hip
pocaſtanum) erregen mag, ihre Arznei
- kräfte

") So lieſt man oft, daſs die oder jene für ſehr
kräftig gehaltene Arzneiſubſtanz fo und ſoviel
hundert Kranke von den ſchwierigſten Krank
heiten befreit haben ſoll, ohne die mindeſten
übeln Zufälle zu erregen. Hat das leztere ſei
ne Richtigkeit, ſo kann man auf die völlige
Unkräftigkeit der Droque einen ſichern Schluſs
machen. Ie bedenklicher aber die von ihr er
regten Zufälle ſind, deſto ſchätzbarer wird ſie
für den Kenner.
- kräfte würdigen, und einſehen, abfez. B.
dem reinen Wechſelfieber oder den Abarten
deſſelben gewachſen ſei, und welchen? Das
einzige Phänomen, was wir von ihr kennen
iſt, daſs ſie eine die Bruſt zuſammenſchnü
rende Empfindung hervorbringt; in der
(periodiſch) krampfhaften Engbrüſtigkeit
wird ſie deshalb hülfreich befunden werden.
Die eignen symptomen, die die ker
mesphytolacke bei Menſchen erregt,
ſind werth, genau beſchrieben zu werden,
Sie iſt gewiſs eine ſehr arzneiliche Pflanze.
Bei Thieren erregt ſie Huſten, Zittern, Kon
Yulſiºpgnº As - - -
4. -.- fie.
Da die Rinde der weifsrüſter (U-
mus campeſtris)
. - ..:: ee':
beiNnihrem“)
2
anfängt
- lichen

*) will man eine günſtige Induktion aus den


> ein Uebel verſchlimmernden Wirkungen einer
Droque ziehen, ſo muſs dieſe Verſolimme
rung gleich zu Anfange ihres Gebrauchs, das
iä, in ihrer direkten Wirkung entſtehen, nur
. . dann kann man ſie für gleichwirkend hülf
reich halten. Die ſo häufigen nachgängigen
(in der indirekten Nachwirkung) erfolgenden
3 - e . - sº - Krank
„*-
-- - * ** * -- -
– 548 –
iche n innern Gebrauchs die Hautausſchlä
ge vermehrt, ſo iſt es mehr als wahrſchein
ich, daſs ſie Neigung hat, dergleichen auch
vor ſich zü bewirken, folglich auch hülfreich
gegenſey, wie auch die Erfahrung hin
länglich beſtätigt. - 1. - - - - -- (...

- Der Saft der Ha nfblätter, (Canna


bis fati va)iſt dem Anſcheine nach ein dem
Mohnſaft ähnliches Narkotikum. Doch dieſs
ſcheint nur ſo, bei den unvollkommnen
Nachrichten, die wir von ſeinen krankhaf
ſen Wirkungen haben. Ich müſste mich
ſehr irren, wenn er nicht verſchiedenheiten
- hätte, die ihm beſondere Arzneikräfte anwei
ſen werden, wenn ſie bekannt ſind. Er
macht Geſichtsverdunkelungen und in dem
wahnſinn, den er erregt, mancherlei ge
wöhnlich angenehme, Erſcheinungen.
. .“ “. ..
Es ſcheint, als wenn der Safran (Cro
cus ſativus) in ſeiner direkten Wirkung
den Blutlauf und die Lebenswärme mindere;
- : ,
- * II12Il
- N .. . . . - - 9

- 4 - - - - - - - -
Krankheitserhöhungen beweiſen das Gegen
theil bei übel angepaſſeten Mitteln.
-

man hat langſamern, Puls, Geſichtsbläſſe,


Schwindel, Ermattung bemerkt. In dieſen
Zeitpunkt fällt vermuthlich die zuweilen
von ihm beobachtete Erregung von Traurig
keit, die Kopfſchmerzen und erſt in den
zweiten Zeitpunkt (die indirekte Nachwir
kung) fällt wahrſcheinlich die unſinnige aus
gelaſſene Luſtigkeit, die Betäubung der Sin
nen, die Erhebung der Schlagadern, und
die Hitze, welche er erregt, zulezt die da
von beabachteten Blutflüſſe. Er mag aus
dieſer Urſache wohl gehemmte Blutausse
rungen wiederherſtellen, als ähnlich wirken
des Mittel, indem ſeine Blutlauf erhebende
Kraft erſt in die Nachwirkung fällt, folglich
in der direkten Wirkung das Gegentheil ſtatt
finden muſs. – Man hat ihn im Schwin.
del, und Kopfweh bei langſamen Pulſe als
ähnlich wirkendes Mittel dienlich gefunden.
– In einigen Arten von Melancholie mit
trägem Blutlaufe und bei Amenorrhöe ſcheint
T er ebenfalls als ähnlich wirkendes Mittel
Dienſte zu leiſten. – Er hat mit Schlag
fluſs (in ſeiner direkten Wirkung) getödet
und in gleichen Zufällen (vermuthlich bei
ſchlaffen Körpern) will man ihn hülfreich -

befunden haben. Die Zufälle, von ſeiner


- - Nn 3 Nach
= 55o - -
Nachwirkung deuten auf eine ſtark erregte
Reitzbarkeit der Faſer; dashalb mag er wohl
ſo leicht Hyſterie erregen.

Der Tau mell olch (Lolium tem u


len tum) iſt eine ſo kräftige Pflanze, daſs,
wer die krankhaften Symptome kennt, die
ſie erregt, dem Zeitalter Glück wünſchen
muſs, wo man ſie zum Heil der Menſchen
anzuwenden gelernt haben wird. Die Haupt
zufälle der direkten Wirkung der Samen
ſind tonifchſcheinende Krämpfe (eine Art
von Unbeweglichkeit), mit Erſchlaffung der
Fafer und Hemmung der Lebeusgeiſter –
groſse Angſt, Ermattung, Kälte ,Zuſam
menziehen des Magens, Engbrüſtigkeit, be
ſchwerliches Schlingen, Steifigkeit der Zun
ge, drückender Kopfſchmerz und Schwin
del (beide halten ſo lange an, als von keiner
bekannten Subſtanz erfahren worden, im
höchſten Grade, mehrere Tage) Ohrenſauſen, -

Schlafloſigkeit, Sinnloſigkeit, oder Schwä


che der äuſſern Sinne, rothes Geſicht, ſtarre.
Augen, Funkeln vor den Augen. Während
dem Uebergange in die Nachwirkung wer
den die Krämpfe kloniſch, es entſteht Stot
tern, Zittern, Erbrechen, häufiger Harnab
gang»
- 66 I -

gang, und (kalter) Schweiſs, (Hautaus.


ſchläge, Geſchwüre auf der Haut?) Gähnen,
(andre Krämpfe), geſchwächtes Geſicht, lan
ger Schlaf. – In der Praxis kommen Fälle
von der hartnäckigſten Art Schwindel, und
Cephaläa vor; Fälle, die wir ihrer Unheilbar
keit wegen zu verlaſſen pflegen. Für die
ſchwierigſten Fälle dieſer Art ſcheint der Tau
mellulchſaamen geſchaffen zu ſeyn; vermuth
lich auch für Blödſinnigkeit, dem Scandal
der Arzneikunſt. – Für Taubheit und
Amanroſis kann man auch etwas von ihm
erwarten. - - -

Die Meer zwiebel (Scilla mariti


ma) ſcheint eine im Körper ſehr lang anhai
tende Schärfe zu beſitzen, deren Handlungs
art ich, aus Mangel genauer Nachrichten,
nicht genau in direkte Wirkung und indi
rekte Nachwirkung abtheilen kann. Dieſe
Schärfe, deucht mir, beſitzt eine ſehr dauer
hafte Neigung, die Capacität des Blutes zum
Wärmeftoffe zu mindern, und daher den
Körper in eine langwierige Goneigtheit zu
chroniſcher Entzündung zu ſetzen. Ob man
dieſe Kraft zum Guten lenken könne, ſe wie
ſie bisher blos eine Klippe bei dem Gebrau
Nn 4 che
– 55a – -

che dieſer Droque geweſen, kann ich wegen


Dunkelheit des Gegenſtandes nicht ſagen.
Da jedoch dieſe Kraft gewiſs ihre Gränzen
hat, wenigſtens anfänglich nur akut in
flammatoriſch wirkt, und hintennach nur
die chroniſchentzündliche Eigenſchaft ſchlei
chender Art, vorzüglich erſt nach langwie
rigem Gebrauche zurückläſst, ſo ſcheint ſie
mir auch mehr in reinen Entzündungen und
ſtraffer Faſer, wenn ſonſt ihr Gebrauch nö
thig iſt, als bei kalter oder hektiſch entzünd
licher Beſchaffenheit der Säfte und leicht be
weglicher Faſer angezeigt zu ſeyn. Die um
vergleichliche Hülfe der Meerzwiebel in der
Lungenentzündung, und: die ungemeine
Schädlichkeit ihres fortgeſetzten Ge
brauchs in chroniſcher geſchwürigen Lun
genſucht, ſo wie in der ſchleimigen Lungen
ſucht beweiſen dieſe zur Gnüge; von pallia
tiven Erleichterungen iſt hier die Rede nicht.
Dieſe Schärfe ſetzt die Schleimdrüſen in
Stand, einen dünnen Schleim, ſtatt des zä
hern auszuarbeiten, wie jede mäſig inflam
matoriſche Diatheſis zu thun pflegt. – Die
Meerzwiebel erregt in hoher Gabe Strangu
rie; es wird hieraus deutlich, daſs ſie in der .
zurückgehaltnem Harnabſcheidung bei eini
gen
– sss - "

gen Arten Waſſerſucht ſehr hälfreich zur


Harnabſonderung ſeyn müſſe, wie die täg
liche Erfahrung lehrt. Schnelle akute Waſ
ſergeſchwülſte ſcheinen ihr vorzüglichſter
Wirkungskreis. – Sie hat Arten von Ki
tzelhuſten gehoben, weil ſie ſelbſt vor ſich
Huſten erregt. -
- 1 --- -.

Das unvergleichliche Heilmittel, die


Weiſs niefs wurze 1 (Vera trum a1
bum) bringt die giftigſten Wirkungen her
vor, welche dem nach Vollkommenheit ſtre
benden Arzte Behutſamkeit und Hoffnung
einflöſsen können, einige der ſchwierigſten
Krankheitsfälle zu beſiegen, die bisher ge
wöhnlich ohne Hülfe blieben. Sie erregt in
der direkten Wirkung eine Art von Wahn
ſinn, welcher bei gröſsern Gaben Hoffnungs
loſigkeit und Verzweifelung, bei kleinern
aber nur gleichgültige Dinge betrift, welche
der Einbildungskraft als gegenwärtig darge
ſtellt werden, da ſie es nicht ſind. Sie er
regt in der direkten Wirkung a) Erhizung
des ganzen Körpers, b) Brennen in verſchied
nen äuſſern Theilen, z. B. den Schulterblät
tern, dem Geſichte, dem Kopfe; c) Haut
entzündung und Auftreibung des Geſichts
Nn 5 ZU

-
- 554 - s
zuweilen (in gröſsern Gaben) über den gan
zen Körper; d) Hautausſchläge. Abſchup
pung der Hant; e) eine kriebelnde Em
pfindung in den Händen und Fingern, toni
ſche Krämpfe; f) Zuſammenſchnürung des
Schlundes, der Kehle, Erſtickungsempfin
dung g) Erſtarrung der Zunge, zähen Schleim
im Munde ; h) Zuſammenſchnürung der
Bruſt; i) pleuritiſche Zufälle; k) - Spann
krampf in den Waden; 1) eine ängſtliche
(freſſende?) Empfindung im Magen, Uebel
keit; m) Bauchgrimmen, und ſchneidende
Schmerzen hie und da in den Gedärmen;
n) allgemeine groſse Angſt; o) Schwindel;
p) Kopfweh (Hauptverwirrung); q) hefti
gen Durſt. Beim Uebergange in die indi
rekte Nachwirkung löfet ſich der toniſche
Krampf in kloniſchen auf; es entſteht 1)
Zittern; s) (Stottern; ſſ) Verdrehung der
Augen; ). Schluckſen; u) Nieſen (vom
innern Gebrauche; v) Erbrechen, (in ho
hen Gaben ſchwarzes blutiges Erbrechen);
w) ſchmerzhafte, kleine, mit Stuhlzwang
begleitete, Stuhlgänge; x) örtliche Zuckun
gen oder (bei hohen Gaben) allgemeine;
y) kalter (in ſehr hohen Gaben, blutiger)
Schweiſs; z) wäſſeriger, reichlicher Harn
- fluſs;
- 555 ---
flüſs; aa) Speichelfluſs; bb) Bruſtauswurf.
cc.) allgemeine Kälte: da) beträchtliche
Schwäche; ee) Ohnmacht; ff) langer, tie
fer Schlaf. – Einige der Symptomen der
direkten Wirkung ) m) n) p) q) – geben
Anleitung, ſie im Ruhrfieber, wo nicht in
der Ruhr, - gelegentlich zu prüfen. Der
Wahnſinn, den ſie erregt, nebſt einigen
Symptomen der direkten Wirkung e) f) g)
ºh) m) q) geben Anleitung, ſie in der Waſ
ferſcheu mit Zuverſicht eines guten Erfolgs
anzuwenden. Ein Hund bekam davon eine
achtminutliche, wahre Wuth. Die Alten .
rühmen ſie in der Waſſerſcheu. (Im Teta
mus?), in der krampfhaften Verengerung
der Speiſeröhre, und in der krampfhaften
Engbrüſtigkeit wird ſie wegen f. und h. ſpe
zifiſch gefunden werden. In chroniſchen
Hautausſchlägen wird ſie, wegen c. und d.
bleibende Dienſte leiſten, wie auch ſchon die
Erfahrung bei der Freſsflechte (herpes) ge
lehrt hat. – In ſogenannten Nervenübeln
wird ſie, wenn ſtraffe Fieber, oder Entzün
dungsſymptomen zu Grunde liegen (aq)
- und die Symptomen im übrigen viel Aehn
- lichkeit mit der Nieswurzkranhheit haben,
hülfreich; ſo in Manien dieſer Art, – Eih
- Gaſt
-

Gaſtwirth auf dem Lande von feſter Faſer,


ausgearbeitetem Körper, rothen blühenden
Geſicht und etwas hervorſtehenden Augen
bekam faſt alle Morgen bald nach dem Er
wachen eine ängſtliche Empfindung um den
Magen, welche binnen etlichen Stunden die
Bruſt einnahm, ſe beengte, zuweilen bis
zum Ausbleiben des Athems: worauf nach
einigen Stunden das Uebel die Gegend der
Kehle einnahm und ihn zu erſticken drohte
(wobei das Hinterſchlingen feſter und flüſH

ger Dinge unmöglich ward) und dann bei


Sonnenuntergang auch dieſen Theil verlieſs
und blos den Kopf einnahm mit mismuthi
gen, verzweifelnden, troſtloſen, ſelbſtmör
deriſchen Gedanken bis gegen zehn Uhr, da
dann der Schlaf erſchien mit Verſchwindung
aller krankhaften Symptome. Der beſchrieb
ne, der Nieswurzeleigne Wahnſinn, die ſtraf
fe Fiber dieſes Kranken und die Symptomen
vf) g) h) l) n) befahlen mir, ihm jeden Mor
gen drei Gran zu verordnen, welches er un
ter allmähliger Verſchwindung aller Be
ſchwerden vier Wochen lang fortſetzte; das
Datum dieſer ſeiner unglücklichen Krank
heit war über vier Iahr. – Eine 35jährige
Frau bekam nach vielen Fallſuchtanfällen in
D ihren
ihren Schwangerſchaften etliche Täge nach
ihrer lezten Niederkunft eine unbändige Ra
ſerei mit allgemeinen Zuckungen der Glied
maſen. Sie war ſchon zehn Tage mit Aus
leerungen von oben und unten behandelt
worden ohne Erfolg. Alle Mitternächte be
kam ſie ein Fieber mit groſser Unruhe, wo
bei ſie ſich alle Kleider vom Leibe riſs, vor
züglich alles, was um den Hals herum war.
China trieb das Fieber nur immer etliche
Stunden vorwärts, und vermehrte den Durſt,
die Angſt; der nach Bergius Rath ge
brauchte Dickſaft vom Tollſtechapfel brachte
die Zuckungen“ bald zum Schweigen, und
veranlaſste vernünftige Stunden, in denen
man erführ, dafs ihre gröſste Beſchwerde
(auſſer dem Fieber) die erſtickende Empfin
düng im Halſe und in der Bruſt ſei, auſſer
Schmerzen in allen Gliedern. Mehr ver
mochte er nicht, vielmehr ſtiegen bei ſeinem
fortgeſetzten Gebrauche leztere drohenden
Bëſchwerden, das Geſicht wardaüfgetrieben,
die Angſt unermeſslich, das Fieber ſtärker.
Brechmittel halfen nichts, Mohnſaft machte
Schlafloſigkeit, vermehrte die Unruhe; der
Harn war dunkelbraun, der Leib langwierig
verſtopft. Die hier gewiſs unzweckmäfigen
-- .. . Ader
– 553 –
Aderläſſeverbot noch überdieſs die ungeheu
re Schwäche. Es kehrten Deliria zurück,
auch bei dem Tollſtechapfelextrakte und er
neuerte Zuckungen und Fuſsgeſchwulſt. Ich
gab ihr Vormittags einen halben Gfan Pulver
der Weiſsnieswurzel und Nachmittags um
zwei Uhr eine gleiche Gabe. Es erſchienen
Deliria andrer Art, zäher Schleim im
Munde, aber es erſchien kein Fieber, es
folgte Schlaf, und früh weiſstrüber Harn.
Sie war wohl, ruhig und vernünftig, groſse
Schwäche abgerechnet. Die erſtickende Em
pfindung im Halſe war weg, die Geſichtsge
ſchwulſt fiel, ſo wie die an den Füſſen, nur
erſchien den Abend drauf, ohne daſs ſie Arz
nei nahm, eine verengende Empfindung in
der Bruſt. Sie erhielt alſo noch einen hal.
ben Gran Nieswurzel den folgenden Nach
mittag, es erfolgten kaum merkliche Deliria,
ruhiger Schlaf, früh reichlicher Harnfluſs
und etliche kleine Stuhlgänge. Nach zwei
Nachmittage bekam ſie einen halben Gran
Nieswurzel. Alle ihre Beſchwerden waren
vorüber – ihr Fieber verſchwunden und
ihre Schwäche gab guter Lebensordnung
nach. – Von einer noch plötzlicher damit
geheilten Krampfkolik an einem anderte.nor
-
* -
= 559 –
ke. – Sie hat ſich als Manie und Krampf
erregendes Mittel in der Beſeſſenheit wirk
ſam erwieſen. – In hyſteriſchen und hy
pochondriſchen Anfällen, denen ſtraffe Fiber
zum Grunde liegt, wird ſie dienſam ſeyn,
wie ſie auch zuweilen ſchon geweſen. Die
Lungenentzündung wird ein hülfreiches
Mittel an ihr finden. Ihre Wirkung iſt kurz
dauernd etwa auf 5,8 höchſtens 1o Stun
den ſammt der Nachwirkung – einge
ſchränkt; auſſer in ſchweren Fällen vönho
hen Gaben, . . .
-

Der Sabadillſam en macht Verſtandes


verwirrung und Konvulſionen und heilet der
gleichen; aber die genauen Umſtände ſind
noch nicht bekannt. Er erregt auch eine
kriebelnde Empfindung durch alle Glieder,
wie ich erfahren, und ſoll Magenſchmerz
und Uebelkeit bewirken,, - -
d
.. . / -

. Der Fliesenbatterfehwamm(ag».
ricus muſcarius) erregt, ſo weit meine
Nachrichten gehen, einen trunknen, furcht
loſen Wahnſinn (nit rachſüchtigen, kühnen
Vorſätzen, Neigung zum Verſemachen, zu
Prophezeihungen u. ſ. w. verbunden), Er
- - / he
A

– 56o –
hebung der Kräfte, Zittern und Konvulſio
nen zur erſten direkten Wirkung, und Mat
tigkeit, Schlaf zur Nachwirkung. Er iſt da
- her mit Nutzen in (von Schreck entſtande
ner) mit Zittern verbundener Fallſucht ge
braucht worden. Er wird mit ſeinen Wir
kungen ähnliche Gemüthskrankheiten und
Beſeſſenheit heben. Seine direkte Wirkung
- dauert zwölf bis ſechzehn Stunden. - -
-

. . . -

- Die Muskaten nuſs (Samenkern der


Myriſtica aromatica) mindert die Reiz
barkeit des ganzen Körpers, vorzüglich aber
der erſten Wege ſehr anhaltend. ( Verſtärkt
ſie nicht die Zuſammenziehungsfähigkeit der
Muskelfaſer vorzüglich der erſten Wege, und
mindert ihre Fähigkeit zu erſchlaffen ?) la
groſsen Gaben bringt ſie eine völlige Unen
pfindlichkeit des Nervenſyſtems, Stummheit,
Unbeweglichkeit, Verſtandloſigkeit zur erſten
direkten Wirkung und Kopfſchmerz und
Schlaf zur Nachwirkung hervor. Sie beſitzt
erwärmende Eigenſchaftten. – Sollteſie
nicht im Blödſinn, mit Schlaffheit und Reitz
barkeit der erſten Wege verbunden, dienlich
ſeyn ? gegen erſtere als ähnlich und gegen
leztere als entgegengeſetzt wirkendes Mittel?
Sie
- 561 –
Sie ſoll in Lähmung des Schlundes ſich dien
lich erwieſen haben; vermuthlich als ähn
\ lich wirkendes Mittel.

Die Rhabarber iſt mehr ihrer Nei


gung» den Stphgang zu fördern, als ihrer
aäſtingenden Kraft wegen in Diarrhöen
ohne Materie ſelbſt in den kleinſten Gaben
heilſam. - -

- Die topiſchen Schmerzmittel, die Kanthä


riden, der Senfumſchlag, der geriebne Meer
rettig, die Seidelbaſtrinde, der gequetſchte
Hahnefuſs, die glimmenden Baumwollkegel
ſtillen figirten Schmerz durch einen künſt
lich erregten Schmerz andrer Art, oft mit
bleibend gutem Erfolge, -

- - - - -

-
-
- -–-m- –– - -

- *

-* -

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»
-

- -

Medic. Iouru, II, Bana.4. stück. Oo II, Hei


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