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VO (4Std.

)
Unternehmensrecht
RA o.Univ.Prof Dr. Friedrich Harrer

HAUSARBEIT

Eingereicht von:
Carmine Catalano, ERASMUS-Studierend,
Matrikel-Nr. 11730200

LV: VO Unternehmensrecht (Allg. Lehren, Unternehmensgeschäfte u.


Gesellschaftsrecht)

ECTS: 9
VO (4Std.)
U NTERNEHMENSRECHT
RA o.Univ.Prof. Dr. Friedrich Harrer

HAUSARBEIT:

A (40%), B (40%) und C (20%) haben vor vielen Jahren die A-GmbH
(Geschäftsführer: A und B) gegründet. Das Unternehmen hat sich
erfolgreich entwickelt. Seit einiger Zeit bestehen Spannungen zwischen
A, B einerseits und C andererseits. C stellt öffentlich die fachlichen
Leistungen der Leitungsorgane (A, B) in Frage. Er äußert sich auch
negativ über das Unternehmen (Bonität, Erfolgsaussichten).

A und B haben mehrfach versucht, mit C ein klärendes Gespräch zu


führen. Diese Bemühungen blieben ohne Ergebnis. A und B vermuten,
dass C mit persönlichen Schwierigkeiten belastet ist.

Es ist weiterhin damit zu rechnen, dass sich C öffentlich negativ über A


und B bzw die A-GmbH äußern wird. Unter diesen Umständen halten A
und B die Fortführung des Gesellschaftsverhältnisses nicht für sinnvoll.

A und B ersuchen Sie, zu folgenden Fragen Stellung zu nehmen:

1. Kann das Gesellschaftsverhältnis aufgekündigt werden?


2. Kann C aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden?

Abgabetermin: 11. Jänner 2018 !


[Die Arbeiten sind bis 11. Jänner per EMail an
Theresa.Pfeifenberger@sbg.ac.at zu übermitteln !]

Anrechenbar NUR für ERASMUS-Studierende!

Im Internet unter: www.uni-salzburg.at/UR/harrer.friedrich 1/1 tp


UE-Fälle\VO Unternehmensrecht
Fallbearbeitung

§§ ohne Gesetzangabe verweisen auf das GmbH-Gesetz

1.

Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (sog GmbH) stellt die am häufigsten
benützte unternehmensrechtliche Erscheinungsform unter den Arten von
Kapitalgesellschaften der Österreichischen Rechtsordnung dar. Es handelt sich um
eine juristische Person mit eigener Rechtspersönlichkeit, deren Stammkapital aus den
Stammeinlagen der Mitglieder (also der Gesellschafter) besteht und zwar aus
Beiträgen der Gesellschafter mit dem Zweck, das Stammkapital zu bilden. Wegen
ihrer juridischen Persönlichkeit kann eine GmbH Rechte erwerben,
Verbindlichkeiten eingehen, klagen und geklagt werden. Das Wichtigste ist aber,
dass das Gesellschaftsvermögen von jenem der Gesellschafter getrennt ist; das heißt
grundsätzlich keine Haftung der Gesellschafter den Gesellschaftsgläubigern
gegenüber für Gesellschafterverbindlichkeiten. Im Unterschied zu den
Personengesellschaften (OG, KG usw.) kann eine GmbH auch nur durch eine Person

errichtet werden (sog Einmann-GmbH)1.

In diesem Fall geht es um eine GmbH (die A-GmbH), die von den drei Subjekten A, B
und C (durch den Abschluss eines Gesellschaftsvertrages) gegründet wurde. A und B
sind beide Geschäftsführer mit 40% der Gesellschaftsanteile und C ist Mitglieder mit
20% der Gesellschaftsanteile. Wegen Spannungen zwischen den (zwei) Geschäftsführern
A und B einerseits und dem Gesellschafter C andererseits, wollten die ersten wissen, ob
eine Aufkündigung des Gesellschaftsverhältnisses bzw. eine Auflösung der GmbH
möglich sei. Man kann das Ziel der Auflösung einer GmbH gesetzlich (vgl. § 84 ff) oder
gesellschaftsvertraglich durch die Festlegung im Gesellschaftsvertrag von weiteren
(vereinbarten) Auflösungsgründen (§ 84 Abs 2) erreichen. Zu den vom GmbHG
vorgesehenen Auflösungsgründen zählt u.a. der notarielle beurkundete

Gesellschafterbeschluss2. Der zu analysierende Sachverhalt erfüllt genau die


Anforderungen dieses Tatbestandes, weil man nicht weiß, ob der Gesellschaftsvertrag
etwas Anderes vorsieht. Im Folgenden wird man versuchen, eine klare Antwort auf die
oben gestellte Frage zu geben. Im ersten Schritt müssen die

1 vgl RIEDER, Bernhard; HUEMER, Daniela: Gesellschaftsrecht (4., überarbeitete Auflage). Wien:
Facultas, 2016, SS 37, 229 ff.
2 s Anmerkung 1; S 334.
1
Gesellschafter in einer von den handelsrechtlichen Geschäftsführern (A, B) einberufenen
Generalversammlung den Beschluss auf Auflösung der A-GmbH fassen. Laut dem
Gesetz genügt die einfache Mehrheit zur Fassung dieses Beschlusses3, obwohl der
Gesellschaftsvertrag andere Beschlussverfahren vorsehen könnte. Die A-GmbH ist aber
noch nicht beendet, weil sie nun in das Liquidationsstadium einsteigt. Die beschlossene
Auflösung der A-GmbH und die Bestellung des Liquidators sind sofort zum Firmenbuch
anzumelden und mit Beginn dieses Unternehmensstadiums tritt eine Änderung des

Gesellschaftszweckes ein (Abwicklungszweck).3 Liquidatoren sind die Geschäftsführer


A und B (sog „geborene“ Liquidatoren), falls der Gesellschaftsvertrag nichts darüber
enthält oder durch einen Gesellschafterbeschluss eine oder andere Personen dazu bestellt
werden (sog „gekorene“ Liquidatoren; §89 Abs 2). § 89 ff ermöglichen in bestimmten

Fällen eine gerichtliche Ernennung von Liquidatoren4.Zuerst haben die zwei


(möglichen) Liquidatoren A und B eine Liquidationseröffnungsbilanz am Tag der
Auflösung der Gesellschaft zu erstellen (§ 91 Abs 1). „Tag der Auflösung“ ist der im
Auflösungsbeschluss genannte Tag bzw. in Zweifelsfällen der Tag der
Beschlussfassung.

Die folgende gesetzlich bestimmte Entwicklung der Liquidationsphase umfasst:

a. den Gläubigeraufruf in den Bekanntmachungsblättern und direkte Mitteilung


an bekannte Gläubiger (§ 91 Abs 1; vgl 6 Ob 119/00v),
b. die Beendigung der laufenden Geschäfte, Verwertung des
Gesellschaftsvermögens,
c. die Befriedigung oder Sicherstellung der Gläubiger (§ 91 Abs 2),
d. die Verteilung des verbleibenden restlichen Vermögens auf die Gesellschafter
im Verhältnis der eingezahlten Stammeinlagen nach einer dreimonatigen
Wartefrist ab dem Tag des Gläubigeraufrufs (§ 91 Abs 3),
e. die Entlastung der Liquidatoren durch einen Gesellschafterbeschluss, wenn also
die Gesellschaft kein Vermögen mehr hat (§ 93 Abs 1),

f. die Löschung der Gesellschaft im Firmenbuch (§ 93 Abs 1)5.

3 vgl GELTER, Martin: §84. Auflösung. In: Gruber, M.; Harrer, F. (Hrsg): GmbHG
Kommentar. Wien: Linde, 2014, S 1491 ff.
4 vgl RIEDER, Bernhard; HUEMER, Daniela: Gesellschaftsrecht (4., überarbeitete
Auflage). Wien: Facultas, 2016, S 333.
5 vgl RIEDER, Bernhard; HUEMER, Daniela: Gesellschaftsrecht (4., überarbeitete Auflage). Wien:
Facultas, 2016, S 305.
6 s Anmerkung 4.

2
Nach Beendigung der Liquidationsphase, der Entlastung der Liquidatoren und der
erfolgreichen Löschung der A-GmbH in Liquidation im Firmenbuch endet die
rechtliche Existenz der A-GmbH6.

2.

Was den gleichen Sachverhalt betrifft, wurde eine zweite Frage gestellt, und zwar ob
es die Möglichkeit gebe, den A-GmbH-Gesellschafter C auszuschließen. Man kann
deutlich sehen, dass es im Falle von C um einen pflichtwidrig verhaltenden GmbH-
Gesellschafter geht, der keine Leistung mehr erbringt und dessen Verbleib die
Ausübung der Geschäftstätigkeit des Unternehmens droht. Das könnte ein wichtiger
Grund sein, um C aus der A-GmbH auszuschließen. Im Gegensatz zu den
Bestimmungen der Auflösung und der Liquidation7, stellt der Tatbestand des
Ausschlusses von Gesellschaftern aus wichtigem Grund bei der GmbH ein bisher
umstrittenes Problem im Rahmen des GmbH-Rechts dar8. Beides Rechtsprechung
und Lehre sind allerdings damit einverstanden, dass dieser Tatbestand nur als ultima
ratio (äußerster Notbehelf) gilt9.

Das GmbH-Gesetz enthält keine Regelung über den Ausschluss eines Gesellschafters
aus wichtigem Grund; die einzigen gesetzlichen Grundlagen bieten § 66 und § 73
Abs 1, welche die Möglichkeit des Ausschlusses von GmbH-Gesellschaftern wegen
nicht rechtzeitiger Einzahlung der Stammeinlage bzw. der gesellschaftsvertraglich
vorgesehenen Nachschüssen geben9 bis
und das im Jahre 2006 in Kraft gesetzte
Gesellschafter-Ausschlussgesetz (GesAusG), das Mehrheitsgesellschaftern, die über
mindestens 90 % des stimmberechtigten Kapitals verfügen, unter bestimmten
Voraussetzungen erlaubt, die Minderheit grundlos aus der Gesellschaft zu drängen
und deren Anteile zu übernehmen.

6 s Anmerkung 5; S 338.
7
§§ 84 ff
8
vgl REICH-ROHRWIG, Johannes: Ausschluss von GmbH-Gesellschaftern aus wichtigem Grund nach
der GesBR-Reform. In: Harrer F.; Rüffler F.; Schima G. (Hrsg.): Die GmbH (Festschrift für Hans-Georg
Koppensteiner zum 80. Geburtstag). Wien: LexisNexis, 2016, S 235.
9 vgl KORN, Sarah Katharina: Ausschluss eines Gesellschafters aus der GmbH (Diplomarbeit
Unternehmensrecht). Salzburg: Rechtswissenschaftliche Fakultät der Paris-Lodron-Universität
Salzburg (Fachbereich Arbeits- und Wirtschaftsrecht), 2017, S 34.
9 bis vgl SCHUHMACHER, Florian: §66 [Kaduzierung]. In: Torggler, U. (Hrsg): GmbHG
Kurzkommentar. Wien: Manz, 2014, S 599 ff; TRENKER, Martin: §73 [Folgen der Säumnis;
Haftung des Vorgängers]. In: Torggler, U. (Hrsg): GmbHG Kurzkommentar. Wien: Manz, 2014,
S 620-621.

3
Jahrelang enthielt die Österreichische Rechtsordnung keine Regelung eines
Kündigungsrechts für jeden einzelnen Gesellschafter; der historische Gesetzgeber hat
auf diese Weise diese Tatsache gerechtfertigt:

„Es soll nicht in Abrede gestellt werden, dass unter Umständen einem Gesellschafter,
der die Überzeugung von dem Gedeihen des Unternehmers verloren, einen
Auflösungsbeschluss aber nicht durchzusetzen vermocht hat, der Austritt sehr
erschwert, ja unmöglich gemacht werden kann. Dieser Fall wird aber gewiss zu den
Seltenheiten gehören. Deshalb überwiegen die Bedenken, die sich bei der
Konstruktion der Gesellschaft als Zweckvermögen vom theoretischen Standpunkt
der Auflösungsklage entgegenstellen und die von praktischen Gesichtspunkte aus
darin gefunden werden müssen, dass die Beurteilung der Wichtigkeit der
Auflösungsgründe dem Gericht eine in vielen Fällen nahezu unlösbare Aufgabe

stellt“10.

Wie dieser kurze Abschnitt zeigt, wurde die Notwendigkeit einer besonderen
Regelung des GmbH-Gesellschafter-Abschlusses aus wichtigem Grund vom
historischen Gesetzgeber nicht bemerkt, denn die damals neue Rechtsform der
GmbH wurde als juristische Person nur als „Zweckvermögen“ „ohne die Dimension
der umfassenden Betroffenheit der Gesellschafter als „Teilnehmer“ und ihre
wechselseitigen Einwirkungsmöglichkeiten, die sich zur Treuepflicht steigert“11,
betrachtet. Vor allem ist es ganz sinnlos, dass wichtige Gründe ganz allgemein im
Zivilrecht zur (vorzeitigen) Auflösung eines Vertragsverhältnisses berechtigen und
im Gesellschaftsrecht (insb. bei der häufig verwendeten GmbH!) unsanktioniert
bleiben12. Die Versuche des österreichischen Schrifttums, eine Lösung durch die
Anwendung verschiedener Auslegungskriterien zu finden13, wurden immer von der
Rechtsprechung des OGH verneint, weil es grundsätzlich keine besondere Norm im
Bereich des positiven GmbH-Rechts gab, die als reine juridische Rechtfertigung der
Ergebnisse der Lehre diente14.

10
REICH-ROHRWIG, Johannes: Ausschluss von GmbH-Gesellschaftern aus wichtigem Grund nach der
GesBR-Reform. In: Harrer F.; Rüffler F.; Schima G. (Hrsg.): Die GmbH (Festschrift für Hans-Georg
Koppensteiner zum 80. Geburtstag). Wien: LexisNexis, 2016, S 236;vgl GELTER, Martin: §84. Auflösung.
In: Gruber, M.; Harrer, F. (Hrsg): GmbHG Kommentar. Wien: Linde, 2014, S 1507.
11
s Anmerkung 8; S 243.
12
s Anmerkung 8; S 241, S243, S244.
13
Vor der GesBR-Reform 2015 gründete die hL das Ausschlussrecht eines Gesellschafters aus wichtigem
Grund bei der GmbH auf die analoge Anwendung des § 140 UGB; s Anmerkung 8; S 237-240;
s Anmerkung 9; S23-41; für eine Vertiefung im Rahmen des §140 UGB vgl ZOLLNER, Johannes; SIMONISHVILI, Zurab:
§140. Ausschluss statt Auflösung. In: Zib, C.; Dellinger, M. (Hrsg.): UGB (Unternehmensgesetzbuch) Großkommentar (Band
II. §§ 105 – 188 UGB).Wien: LexisNexis, 2017, S 963 ff.
14
OGH 17.10.2006, 1 Ob 135/06v; OGH 14.9.2011, 6 Ob 80/11z.
4
Rebus sic stantibus schien es quasi unmöglich bzw. absolut schwierig, ein
Gleichgewicht zwischen diesen widersprüchlichen Meinungen zu erreichen, um
einen in der Praxis nicht ungewöhnlichen Fall zu lösen. Über die Änderung der
Anforderung der einfachen Stimmenmehrheit im Rahmen des Auflösungsbeschlusses
der GmbH-Gesellschafter hinaus15, hat der Gesetzgeber einen wichtigen Fortschritt
gemacht, indem er eine Reform der GesBR am 1. 1. 2015 in Kraft setzte.

Mit der GesBR-Reform „wurde der Norm des § 1175 Abs 4 ABGB (iVm § 1213
ABGB) neue Kraft verliehen“16. Diese Norm ermöglicht die Anwendung der
Bestimmungen des reformierten 27. Hauptstücks des ABGB auch auf „andere
Gesellschaften, soweit für diese keine besonderen Vorschriften bestehen und die
Anwendung dieser Bestimmungen auch unter Berücksichtigung der für die jeweilige
Gesellschaft geltenden Grundsätze angemessen ist“17. Nach hM bemüht sich der
GesBR-Reform-Gesetzgeber zweifellos, dass die Rechtsentwicklung der stark
personalistisch ausgeprägten GmbH vorhanden wird18, weshalb § 1213 ABGB nF -
anders als § 66 und § 73 Abs 1- „nicht mehr eine taxative Aufzählung der
Ausschussgründe enthält, sondern eine umfassende Ausschließungsmöglichkeit aus
wichtigem Grund“19. Im hier gegebenen Zusammenhang wird jetzt der Wortlaut der
am Anfang gestellten Frage u.zw. die Möglichkeit der Ausschließung des A-GmbH-
Gesellschafters C so aussehen: Ist nunmehr die Anwendung des § 1213 nF ABGB
durch § 1175 Abs 4 ABGB auf GmbH-Gesellschafter zulässig?

Laut § 1175 Abs 4 ABGB selbst sind die Prinzipien des GesBR-Rechts auf andere
sonstige Gesellschaftstypen anwendbar, wenn die für die von uns gewählten
Gesellschaftsformen „angemessen“ sind. Um die Anforderung der Angemessenheit
zu erfüllen, stellt sich das Problem der Wahl der Auslegungsmethode. Diese Wahl ist
wesentlich, weil die Äußerung dieses Begriffs, ohne eine konsequente Klarstellung
des Rechtssatzes im Bereich des generellen Gesamtzusammenhangs und der
Gesellschaftsrechtsentwicklung, zwecklos sein wird.

15
s.o.; S 2.
16
KORN, Sarah Katharina: Ausschluss eines Gesellschafters aus der GmbH (Diplomarbeit
Unternehmensrecht). Salzburg: Rechtswissenschaftliche Fakultät der Paris-Lodron-Universität
Salzburg (Fachbereich Arbeits- und Wirtschaftsrecht), 2017, S 41.
17
§ 1175 ABGB Abs 4.
18
s Anmerkung 8; S 243. Nach ROTH, G.; FITZ, H.: Unternehmensrecht (Handels- und Gesellschaftrecht, 2.,
neue bearbeitete Auflage). Wien: LexisNexis, 2006, S170:“ Im Einzelnen […] deckt die GmbH ein breites
Spektrum unterschiedlicher Ausgangssituationen ab, und das […] GmbH-Recht erlaubt die Ausprägung
sowohl einer mehr kapitalistischen wie auch personalistischen Organisationsform“.
19
REICH-ROHRWIG, Johannes: Ausschluss von GmbH-Gesellschaftern aus wichtigem Grund nach der 5
GesBR-Reform. In: Harrer F.; Rüffler F.; Schima G. (Hrsg.): Die GmbH (Festschrift für Hans-Georg
Koppensteiner zum 80. Geburtstag). Wien: LexisNexis, 2016, S 243.
5
Was unseren Fall betrifft, wurde das Auslegungskriterium der sog subjektiv-historischen
Interpretation 20gegen den natürlichen Sinn des Gesetzes verstoßen, das heißt, dass sie
zur widersprüchlichen und nutzlosen Ergebnissen führt, wie die alte Rechtslage zeigt.

Das ist der Grund, weshalb nur eine objektiv-teleologische Interpretation21 uns die
Möglichkeit gibt, Ergebnisse zu zeitigen, „die über die Absicht des historischen
hinausgehen oder von ihr abweichen, weil die seinerzeit verfolgten Zwecke im
Auslegungszeitpunkt gänzlich überholt oder gar untragbar erscheinen können“22. Auf
diese Weise krönt man von Erfolg die zahlreichen Anstrengungen, das Problem zu lösen,
aufgrund der Tatsache, „dass die fehlende Ausschlussmöglichkeit dem das Zivilrecht
zwischenzeitig beherrschenden Grundsatz der Auflösbarkeit von
Dauerschuldverhältnissen widerspricht und dieser Grundsatz auch im Bereich des
Gesellschaftsrechts […] gilt, muss demnach zur Folge haben, dass nach neuer
Rechtslage (§ 1175 Abs 4 ABGB iVm § 1213 ABGB) auch der Ausschluss von GmbH-
Gesellschaftern aus wichtigem Grund über die gesetzlich geregelten Fälle hinaus
zulässig ist“23. Methodisch handelt es sich um keine Analogie, sondern um eine
subsidiäre Anwendung des § 1175 Abs 4 ABGB für andere Gesellschaftsformen, insb.
die GmbH. Viel Erfolg hat daher die Entgegenhaltung des bisherigen Arguments des
OGH u.zw., dass keine planwidrige Lücke vorhanden sei“24.

Um die rechtstechnische Umsetzung des Ausschlusses zu klären, muss man


allerdings beachten, dass verglichen mit dem Recht der Personengesellschaften das
GmbH-Recht seine Besonderheiten hat, insb. was die Normen der Kapitalerhaltung
betrifft. Im Rahmen einer GmbH liegt das bedeutsamste Problem darin, dass der
Geschäftsanteil des auszuschließenden Gesellschafters nicht untergeht bzw. dass er
von anderen – nicht notwendigerweise von sämtlichen anderen - Gesellschaftern

übernommen werden muss25.

20
vgl KOZIOL, Helmut; WELSER, Rudolf (Begr.); KLETEČKA, Andreas (Bearb.): Grundriss des bürgerlichen
Rechts (Band I. Allgemeiner Teil, Sachenrecht, Familienrecht). Wien: Manz, 2014, S 26 ff.
21
s Anmerkung 20; S27 ff.
22
KOZIOL, Helmut; WELSER, Rudolf (Begr.); KLETEČKA, Andreas (Bearb.): Grundriss des bürgerlichen
Rechts (Band I. Allgemeiner Teil, Sachenrecht, Familienrecht). Wien: Manz, 2014, S 28 ff.
23
REICH-ROHRWIG, Johannes: Ausschluss von GmbH-Gesellschaftern aus wichtigem Grund nach der
GesBR-Reform. In: Harrer F.; Rüffler F.; Schima G. (Hrsg.): Die GmbH (Festschrift für Hans-Georg
Koppensteiner zum 80. Geburtstag). Wien: LexisNexis, 2016, S 244.
24
KORN, Sarah Katharina: Ausschluss eines Gesellschafters aus der GmbH (Diplomarbeit
Unternehmensrecht). Salzburg: Rechtswissenschaftliche Fakultät der Paris-Lodron-Universität
Salzburg (Fachbereich Arbeits- und Wirtschaftsrecht), 2017, S 69.
25
s Anmerkung 8; S 244 ff.

6
Kein auszuschließender Gesellschafter wird regelmäßig damit einverstanden sein,
seinen Geschäftsanteil freiwillig abzutreten und zu übertragen und so
auszuschneiden, weshalb er dazu durch eine (gerichtliche oder schiedsgerichtliche)
Entscheidung verurteilt werden muss;26 dementsprechend sehen sich die übrigen
Gesellschafter (nach § 1213 ABGB) gezwungen, eine Klage auf (lastenfreie)
Abtretung des Geschäftsanteils vom Auszuschließenden an die klagenden
Gesellschafter zu erheben27. Unzweifelhaft betrachtet man auf diese Weise eine
zulässige rechtstechnische Nachbildung, die eine Ausschlussmöglichkeit des GmbH-
Gesellschafters im Einklang mit den Kalpitalerhaltungsbestimmungen gewährleistet
u.zw. man kann dadurch sichergestellt werden, dass der Geschäftsanteil des
ausgeschlossenen Gesellschafters auf einen oder mehrere (Mit)Gesellschafter
übergeht. Demgemäß muss man (anteilig) den Erwerb des Geschäftsanteils und die
Zahlung des Abfindungspreises durchführen.

Im Laufe der Anwendung des § 1213 ABGB auf die GmbH gibt es noch drei Fragen
zu beantworten:

a. Muss die Klage von sämtlichen Gesellschaftern erhoben werden?


b. Wer wird die entstehenden Kosten der Abfindung übernehmen?
c. Kann der auszuschließende Gesellschafter die Sicherstellung seiner
künftigen Abfindung begehren?

a. Die Problematik der Erhebung der Klage von all den GmbH-Gesellschaftern wird
von Bedeutung, wenn es Gesellschafter gibt, die dagegen stoßen, diese ablehnen oder

sich „neutral“ verhalten. Was tun? Nach J. Reich-Rohrwig28 stellt sich bei der GmbH
keine Notwendigkeit vor, die Erhebung der Klage gegen diese anderen Gesellschafter zu
verlangen29. Die GmbH ist eine Kapitalgesellschaft und eine juridische Person, „denn
bei der GmbH bedeutet der Ausschluss einzelner Gesellschafter und die dadurch
bewirkte Änderung im Stande der Gesellschafter keine Änderung des
Gesellschaftsvertrags“30, weil das nur im Falle der Personengesellschaften gilt.

26
s Anmerkung 8; S 245.
27
s Anmerkung 8; S 245-246; S 248.
28
s Anmerkung 8; S 246.
29
Zur weiteren Beziehung mit § 50 Abs 4 s Anmerkung 8; S 247.
30
REICH-ROHRWIG, Johannes: Ausschluss von GmbH-Gesellschaftern aus wichtigem Grund nach der
GesBR-Reform. In: Harrer F.; Rüffler F.; Schima G. (Hrsg.): Die GmbH (Festschrift für Hans-Georg
Koppensteiner zum 80. Geburtstag). Wien: LexisNexis, 2016, S 246.

7
Unter diesen Umständen genügt, dass das rechtliche Gehör aller Gesellschafter
gewährleistet wird. Kann man die anderen Gesellschafter, die an die Ausschlussklage
noch nicht aktiv teilgenommen haben, zusammen mit einer angemessenen Frist dazu
einladen, um über die Wahrung des rechtlichen Gehörs hinaus den anteiligen Erwerb
des Geschäftsanteils zu ermöglichen. Auch wenn man einige definitive Ablehnungen

stattfinden, ist die Wahrung des rechtlichen Gehörs genug31.

b. Im Wesentlichen gelten die Bestimmungen der §§ 81 und 82. Im § 81 wird die


Unzulässigkeit bei der GmbH selbst bestimmt, keine eigenen Anteile zu erwerben
und laut § 82 besteht das Verbot der Rückzahlung der Stammeinlage. Die
Aufbringung der Abfindung durch die verbleibenden Gesellschafter scheint
notwendig. Nach hL müssen die Kläger, die den Geschäftsanteil des
auszuschließenden Gesellschafters übernehmen, für die entstehenden Kosten dessen
Abfindung anteilig aufkommen. Eine weitere zulässige Möglichkeit wird von der
Zahlung der Abfindung durch einen Dritter32 dargestellt, der den Geschäftsanteil

übernehmen möchte und die Abfindung in voller Höhe erstattet33.

c. § 2 Abs 3 GesAusG ermöglicht für den Fall der zu wenigstens 90% beteiligten
Hauptgesellschafter, der die Gesellschafterminderheit nach dem GesAusG ausschließen
will, die Hinterlegung der Abfindung bei einem Treuhänder oder die Hinterlegung einer
Bankgarantie in Höhe des Abfindungsbeitrages. Diese Vorschrift ist bei der GmbH
unanwendbar, weil es sich im Falle der GesAusG um einen grundlosen Ausschluss
handelt. Unser Zweck ist die Bestimmung des Ausschlusses aus wichtigem Grund, zu
betrachten. HM druckt keine Notwendigkeit der Sicherstellung der Abfindung im
Vorhinein aus. Nach Reich-Rohrwig „müssen die klagenden Gesellschafter (auf
Verlangen des Auszuschließenden) allerdings die Verpfändung des vom
Auszuschließenden zu erwerbenden Geschäftsanteils zugunsten seiner
Abfindungsansprüche anbieten, sodass er – wenn dieses Anbot annimmt – mit

Rechtskraft des Urteils eine dingliche Sicherheit für seine Abfindung erhält“34.

31
s Anmerkung 28.
32
s Anmerkung 9; S 51 ff.
33
s Anmerkung 8; S 247-248.
34
REICH-ROHRWIG, Johannes: Ausschluss von GmbH-Gesellschaftern aus wichtigem Grund nach der
GesBR-Reform. In: Harrer F.; Rüffler F.; Schima G. (Hrsg.): Die GmbH (Festschrift für Hans-Georg
Koppensteiner zum 80. Geburtstag). Wien: LexisNexis, 2016, S 248.

8
Auf diese Weise kann der auszuschließende Gesellschafter durch diese Pfandhaftung
ausreichend gesichert werden. Jetzt können wir einen klaren Lösungsvorschlag des
Falls der A-GmbH betrachten.

1. Der Ausschluss des Gesellschafters C aus der A-GmbH ist nur aus wichtigem
Grund möglich, weil den Sachverhalt keine Anforderung der §§ 66 und 73
Abs 1 und des GesAusG erfüllt. C hat „öffentlich die fachlichen Leistungen
der Leitungsorgane (A, B) in Frage [gestellt]“ und „äußert sich auch negativ
über das Unternehmen (Bonität, Erfolgsaussichten)“; ferner ist zu beachten,
dass A und B haben ohne Erfolg „mehrfach versucht, mit C ein klärendes
Gespräch zu fuhren“ und dass „sich C öffentlich negativ über A und B bzw.
die A-GmbH äußern wird“. Unzweifelhaft gilt der Ausschluss des C als
„äußerster Notbehelf“.
2. Durch die subsidiäre Anwendung des § 1175 Abs 4 ABGB iVm §1213
ABGB nF sind A und B aktivlegitimiert, eine Ausschließungsklage gegen C
zu erheben. Diese Klage muss auf (lastenfreie) Abtretung des vom
Auszuschließenden Geschäftsanteils an die klagenden Gesellschafter A und B
im Verhältnis ihrer übernommenen Stammeinlage lauten, wenn im
Gesellschaftsvertrag nichts Anderes bestimmt wurde.
3. Die klagenden Gesellschafter A und B bzw. ein Dritter müssen die Kosten
der Abfindung übernehmen und für die Abfindung selbst aufkommen35.
4. Falls C eine Sicherstellung seiner Abfindung begehrt, s.o.; S. 8 unter c36.

35
s Anmerkung 31.
36
s Anmerkung 33.
9
Literaturverzeichnis
GELTER, Martin: §84. Auflösung. In: Gruber, M.; Harrer, F. (Hrsg): GmbHG Kommentar. Wien: Linde, 2014.
KORN, Sarah Katharina: Ausschluss eines Gesellschafters aus der GmbH (Diplomarbeit
Unternehmensrecht). Salzburg: Rechtswissenschaftliche Fakultät der Paris-Lodron-Universität Salzburg
(Fachbereich Arbeits- und Wirtschaftsrecht), 2017.
KOZIOL, Helmut; WELSER, Rudolf (Begr.); KLETEČKA, Andreas (Bearb.): Grundriss des bürgerlichen Rechts
(Band I. Allgemeiner Teil, Sachenrecht, Familienrecht). Wien: Manz, 2014.
REICH-ROHRWIG, Johannes: Ausschluss von GmbH-Gesellschaftern aus wichtigem Grund nach der GesBR-
Reform. In: Harrer F.; Rüffler F.; Schima G. (Hrsg.): Die GmbH (Festschrift für Hans-Georg Koppensteiner
zum 80. Geburtstag). Wien: LexisNexis, 2016.

RIEDER, Bernhard; HUEMER, Daniela: Gesellschaftsrecht (4., überarbeitete Auflage). Wien: Facultas, 2016.

ROTH, G.; FITZ, H.: Unternehmensrecht (Handels- und Gesellschaftrecht, 2., neue bearbeitete Auflage).
Wien: LexisNexis, 2006.

SCHUHMACHER, Florian: §66 [Kaduzierung]. In: Torggler, U. (Hrsg): GmbHG Kurzkommentar. Wien: Manz,
2014.

TRENKER, Martin: §73 [Folgen der Säumnis; Haftung des Vorgängers]. In: Torggler, U. (Hrsg): GmbHG
Kurzkommentar. Wien: Manz, 2014.
ZOLLNER, Johannes; SIMONISHVILI, Zurab: §140. Ausschluss statt Auflösung. In: Zib, C.; Dellinger, M.
(Hrsg.): UGB (Unternehmensgesetzbuch) Großkommentar (Band II. §§ 105 – 188 UGB). Wien: LexisNexis,
2017.

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