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wird bei einer Produktvariation (Produktmodifikation) ein bestehendes Produkt verän-


dert, ohne dass die Anzahl der Varianten erhöht wird. Die Programmtiefe wird also nicht
verändert. Fällt die Produktmodifikation sehr umfassend aus und wird sie durch den Ein-
satz weiterer Marketinginstrumente unterstützt, handelt es sich um einen Produktre-
launch. So hat der Konsumgüterhersteller Henkel sein Waschmittel Persil seit der Mark-
teinführung 1907 aufgrund veränderter Kundenwünsche, rechtlicher Auflagen (z.B.
Umweltschutz) und produktionstechnischer Gegebenheiten kontinuierlich weiterentwi-
ckelt und dabei unter anderem Rezeptur, Verpackung und den Preis mehrfach ange-
passt (Abb. 4).
Produkteliminierung Weist ein Produkt negative Deckungsbeiträge auf, etwa weil das Ende des Produktle-
benszyklus erreicht ist, ist es oft sinnvoll, es vom Markt zu nehmen (Produkteliminie-
rung). Bestehen jedoch Verbundeffekte zu anderen Produkten, etwa weil der Kunde „al-
les aus einer Hand wünscht“, ist eine Eliminierung mitunter nicht möglich.

Frage 5: Worin besteht der Unterschied zwischen einer Produktdifferenzierung


und einer Produktvariation? Verdeutlichen Sie dies am Beispiel von
Tiefkühlpizza.

Literatur:
Bruhn, M.: Marketing. Grundlagen für Studium und Praxis. 12. Aufl., Wiesbaden 2014.
Dechêne, C.: Marketingimplementierung. In: WISU, 44. Jg. (2015), Heft 8/9, S. 910 - 915.
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spricht den größten Erfolg? In: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 77. Jg. (2007), Heft 5, S. 539 -
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Meffert, H./Burmann, C./Kirchgeorg, M.: Marketing. Grundlagen marktorientierter Unternehmensfüh-
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Scharf, A./Schubert, B./Hehn, P.: Marketing. Einführung in Theorie und Praxis. 5. Aufl., Stuttgart 2012.
Tomczak, T./Kuß, A./Reinecke, S.: Marketingplanung. Einführung in die marktorientierte Unterneh-
mens- und Geschäftsfeldplanung. 7. Aufl., Wiesbaden 2014.

Die Fragen werden im WISU-Repetitorium beantwortet.

Unternehmensführung Balanced Scorecard


Prof. Dr. Arne Schulke, Bad Honnef

Kein Konzept der Unternehmenssteuerung dürfte sich weltweit ähnlich schnell


verbreitet haben wie die vor 25 Jahren von Robert S. Kaplan und David P. Norton
entwickelte Balanced Scorecard. Hier werden ihre Entstehung und theoretische
Fundierung, die Verbreitung in der Praxis und die wesentlichen Kritikpunkte be-
leuchtet.

1. Balanced Scorecard — wie sie entstand und was sie ist


Die Väter Vor 25 Jahren erschien in der Januar/Februar-Ausgabe des „Harvard Business Review“
ein sechsseitiger Artikel, der Management-Geschichte schreiben sollte. Die Autoren

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Robert S. Kaplan und David P. Norton präsentierten unter der Überschrift „The Balanced
Scorecard: Measures that drive performance“ ein neues Instrument, mit dem Unterneh-
men ihre Strategie in der Praxis sicher und präzise steuern könnten. Vermutlich gingen
die beiden Autoren zum Zeitpunkt der Veröffentlichung nicht davon aus, eines der ein-
flussreichsten Managementkonzepte des späten 20. Jahrhunderts zu Papier gebracht
zu haben. Ein Vierteljahrhundert später ist die Balanced Scorecard (BSC) Teil fast jedes
Managementlehrbuchs, obwohl sie bis heute kontrovers diskutiert wird.
Der genannte Artikel war zudem die erste gemeinsame Publikation der beiden Autoren.
Kaplan konnte zu diesem Zeitpunkt bereits eine beachtenswerte akademische Karriere
vorweisen. Nach seinem Bachelor- und Master-Studium der Elektrotechnik am Mas-
sachussetts Institute of Technology (MIT) lehrte er 16 Jahre lang an der Business School
der Carnegie-Mellon-Universität. 1984 trat er eine Professur an der Harvard Business
School an, wo er Leadership Development und Management Accounting unterrichtete.
Norton studierte ebenfalls Elektrotechnik und gründete nach seinem Abschluss mit sei-
nem Partner Richard Nolan ein Beratungsunternehmen, das er nach einigen Jahren an
die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft KPMG Peat Marwick verkaufte.
Das neu benannte Nolan Norton Institute wurde weiterhin von ihm geleitet, fungierte aber
fortan als Forschungsarm von KPMG. Norton promovierte an der Harvard Business
School, wo er auch Kaplan kennenlernte (vgl. Kaplan/Norton 1996a, S. 323).
1990 führte das Nolan Norton Institute das Forschungsprojekt „Managing Performance
in the Organisation of the Future“ mit zwölf Firmen durch, dem Kaplan als akademischer
Berater zur Seite stand. Dabei ging es um die Entwicklung eines zeitgemäßen Instrumen-
tariums zur Leistungsmessung und -steuerung in Unternehmen, das nicht nur auf Fi-
nanzkennzahlen beruhen sollte. Gemeinsam mit den Geschäftsführungen der zwölf Un-
ternehmen wurden die Konzepte verschiedener Unternehmen und die wissenschaftli-
chen Publikationen analysiert und diskutiert, verworfen oder adaptiert. Das Ergebnis war
die 1992 präsentierte Balanced Scorecard.
In den folgenden 16 Jahren haben Kaplan und Norton ihr strategisches Management-
konzept in 25 gemeinsamen Artikeln und fünf Büchern im Detail dargelegt und weiterent-
wickelt. Zudem haben sie 1993 ein Beratungsunternehmen und später eine Software-
Firma gegründet, um der großen Nachfrage aus der Wirtschaft, die Balanced Scorecard
zu implementieren, nachzukommen (vgl. Kennedy, S. 114 ff.). Bis heute stehen beide
den Unternehmen vor, allerdings bekleiden sie keine Management-Positionen.
Der Hintergrund Der Erfolg und die schnelle Verbreitung der BSC muss vor dem Hintergrund gesehen
werden, dass die US-Wirtschaft in den achtziger Jahren mehrere Krisen durchlief. Vor
allem erweckte der internationale Erfolg vieler japanischer Unternehmen wie Sony
oder Toyota große Aufmerksamkeit. Im Vergleich dazu galten die amerikanischen Ma-
nagementkonzepte als unzeitgemäß und nicht zukunftsorientiert. In diese Zeit fiel auch
die Veröffentlichung des internationalen Management-Bestsellers „In Search of Excel-
lence“ von Tom Peters und Robert Waterman, aus dem das 7-S-Modell der Unterneh-
mensberatung McKinsey hervorging. Die Autoren vertraten die These, dass der Erfolg
„exzellenter“ Unternehmen, die von ihnen untersucht worden waren, vor allem auf der
Übernahme typisch japanischer Managementprinzipien beruhte. Dies zeigte, dass die
US-Unternehmen zu Beginn der neunziger Jahre auf der Suche nach neuen Konzepten
für ihr strategisches Management waren, die ihr Überleben in einer von zunehmendem
Wettbewerb geprägten internationalen Wirtschaft sicherstellen sollten.
Shareholder Value In der amerikanischen Management-Literatur entwickelten sich damals zwei unter-
schiedliche Denkrichtungen: So initiierte Alfred Rappapport 1986 mit seiner Veröffentli-
chung „Creating Shareholder Value“ eine Bewegung, die später als „Value Based Ma-
nagement“ bezeichnet wurde. Danach sollten die Unternehmens in erster Linie Werte für
ihre Anteilseigner (Shareholders) schaffen. In den neunziger Jahren wurden dann — vor
allem von Unternehmensberatungen — unterschiedliche Konzepte zur Messung und
Steuerung des Shareholder Value geschaffen, die in der Literatur intensiv diskutiert wur-
den. Beispiele sind die „Metric Wars“ um Stern Stewarts Economic Value Added (EVA),
Boston Consulting Groups Cash Value Added (CVA), A.T. Kearneys Economic Earnings
und McKinseys Economic Profit (vgl. Young/Byrne, S. 381 ff.).
Kernkompetenzen Ganz anders der ressourcenbasierte Ansatz des strategischen Managements, zu dessen
Vertretern unter anderem Gary Hamel und C.K. Prahalad zählen. In ihrem Artikel „The
Core Competence of the Corporation“ aus dem Jahr 1990 betonen sie, dass das lang-
fristige Überleben von Unternehmen vor allem davon abhängt, was diese besonders gut

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können und die Wettbewerber nicht. Die Rede ist von den Kernkompetenzen (vgl. Ha-
mel/Prahalad, S. 79 ff.).
Ideelle Grundlage der BSC Die BSC baut auf dieser Sichtweise auf, ohne dass die Autoren ausdrücklich darauf ein-
gehen. An vielen Stellen rücken Kaplan und Norton die große Bedeutung von Intangible
Assets wie organisationales Wissen, Lernfähigkeit, Unternehmenskultur etc. für den
langfristigen Unternehmenserfolg in den Vordergrund: „The project’s goal was to explore
new approaches to performance management in companies whose primary source of
value came from intangible, not financial or physical assets“ (Kaplan 2009b, S. 539).
Die Historie der BSC Im Rahmen des genannten Forschungsprojekts des Nolan Norton Institute arbeiteten
die beiden Autoren ab 1990 an einem neuen Steuerungskonzept für den Unternehmens-
erfolg. Zuvor hatte Kaplan in dem viel beachteten Buch „Relevance lost“ mit H.T. John-
son (vgl. Johnson/Kaplan) die These aufgestellt, dass sich das Instrumentarium des
Controllings seit Beginn des 20. Jahrhundert wenig verändert habe. Es könne nicht mit
der rasanten Entwicklung in der Industrie seit dem Zweiten Weltkrieg mithalten, da es zu
kostenfixiert und rein operativ ausgerichtet sei und deshalb keine relevanten Informatio-
nen für die Entscheider in der betrieblichen Praxis liefere (vgl. Johnson/Kaplan S. xi ff.).
Kaplans Mitarbeit an dem Forschungsprojekt und die Entwicklung der BSC sollten daher
als ein Beitrag verstanden werden, dieses Defizit zu beheben.
Die Idee zur Balanced Scorecard ging aus einer Corporate Scorecard der Firma Analog
Devices hervor und wurde in Workshops mit den zwölf Partnerunternehmen weiterent-
wickelt. Einige dieser Unternehmen wandten die BSC im Rahmen der Studie erstmals
an. Die ersten drei Artikel von Kaplan/Norton zur BSC beziehen sich ausdrücklich auf die
Implementierungen in den Unternehmen ECI, Rockwater und FMC.

Abb. 1: Die Balanced Scorecard (vgl. Kaplan/Norton 1992, S. 63)

Der Begriff „Scorecard“ Der Begriff „Scorecard“ stammt aus dem Sport, wo in vielen Disziplinen Karten verwen-
det werden, um den Punktestand festzuhalten. Aufgrund der viel beachteten Arbeiten
von Herbert Simon in den sechziger Jahren werden dem Controlling im betrieblichen
Zusammenhang drei Aufgaben zugeschrieben: Scorekeeping, Attention-directing und
Problem-Solving. Mit der Scorecard wird diese Verwendung also in leicht abgewandelter
Form übernommen.
Der Begriff „Balance“ Zum Verständnis des Balance-Gedankens soll zunächst das BSC-Konzept näher be-
leuchtet werden, da er von den Autoren nicht explizit erklärt wird. In der ersten Ver-
sion (vgl. Kaplan/Norton 1992) wurde das BSC-Modell als Mess- und Berichtssystem
mit finanziellen und nichtfinanziellen Indikatoren in diesen vier Bereichen eingeführt
(Perspectives): Financial, Customers, Internal Business sowie Innovation and Learning.
Seit seiner ersten Veröffentlichung 1992 hat sich der Inhalt des BSC-Konzepts auf ver-
schiedene Weise entwickelt. Im dritten Artikel zur BSC, veröffentlicht 1996, sind zwei der
Perspektiven anders benannt: Aus Innovation and Learning Perspective wurde Learning
& Growth, aus Internal Business Perspective wurde Internal Business Process (Abb. 2).
Statt Goals und Measures enthält die Scorecard jetzt diese weiteren Kategorien:
— Objectives: Ziele im Sinne einer Umschreibung des strategischen Unterziels,

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— Measures: Konkrete Meßgrößen bzw. Kennzahlen, die zur Messung des Zielerrei-
chungsgrades geeignet sein müssen (Key Performance Indicators oder KPIs),
— Targets: Ein zeitlich und der Höhe nach konkretisierter Zielwert der entsprechenden
Measures,
— Initiatives: Initiativen oder Projekte, deren Umsetzung im Rahmen der Strategieim-
plementierung die Zielerreichung ermöglichen soll.

Frage 1: Wieso nehmen Kaplan/Norton hier Initiativen gesondert mit auf?

Die richtigen Messgrößen Die Auswahl der richtigen Messgrößen ist dabei jedem Unternehmen im Hinblick auf
seine Strategie selbst überlassen und wird durch das Konzept auch nicht wesentlich
konkretisiert. Allerdings schreiben Kaplan und Norton vor, dass jede Scorecard alle
Kombinationen dieser Kategorien enthalten soll: Finanzielle und nicht-finanzielle
Kennzahlen, zukunftsgerichtete führende Indikatoren und nachlaufende Indikatoren so-
wie interne erhobene Indikatoren und externe Indikatoren aus der relevanten Unterneh-
mesumwelt.

Abb. 2: Dimensionen der


Leistungsindikatoren

Der Balance-Gedanke liegt dem Konzept also zweimal zugrunde: Einmal bei der Verwen-
dung mehrerer Perspektiven statt nur der finanziellen Perspektive. Zum anderen bei
der Verwendung eines umfangreichen und ausgewogenen Indikatorenmix aus allen
acht möglichen Kombinationen bei den einzelnen Perspektiven.
Strategie muss Die BSC ist ein Instrument zur Implementierung von Strategien, sie setzt also eine
bereits vorhanden sein Strategie voraus. Kaplan/Norton befassen sich nicht — wie ein Großteil der Literatur zum
strategischen Management — mit der Frage, wie Unternehmen eine geeignete Strategie
entwickeln können, oder was eine gute von einer schlechten Strategie unterscheidet.
Es wird vorausgesetzt, dass diese Fragen bereits beantwortet wurden. Die BSC ist also
ein Instrument, die Strategie eines Unternehmens oder einer Business Unit zu operati-
onalisieren, zu kommunizieren, den Fortschritt bei der Umsetzung zu messen und
gegebenenfalls steuernd einzugreifen.
Erweiterungen Auch in den späteren Publikationen von Kaplan/Norton nimmt die BSC eine zentrale
bis 2008 Rolle ein, das Konzept wird jedoch zu einem strategischen Managementsystem er-
weitert (vgl. Kaplan/Norton 2008), in das die Scorecard nur noch als ein Instrument unter
mehreren eingebettet ist. Kaplan schrieb 2009, dass diese Fortentwicklung des ur-
sprünglichen Konzepts auf den praktischen Erfahrungen der beiden Autoren bei der Be-
ratung von Unternehmen beruht. Einfluss hatte sicher auch das deutlich umfassendere
Controllling-Konzept „Levers of Control“, das der Harvard-Kollege Robert Simons 1994
in seinem gleichnamigen Buch vorstellte. Die BSC erfüllte bei diesem Konzept nur die
klassische Rolle eines „diagnostischen Systems“ und ließ die drei anderen „Levers of
Control“ unberührt, womit eine Erweiterung des ursprünglichen BSC-Konzepts quasi
unumgänglich war (vgl. Kaplan 2009a, S. 1264).
Cause-and-Effect Bei weiteren Veröffentlichungen (vgl. Kaplan 1996a, 1996b) wurde hinzugefügt, dass die
Linkages vier Messbereiche durch Ursachen-/Wirkungsbeziehungen verknüpft sind, die jedes
Unternehmen bei seiner spezifischen Situation ergründen und einarbeiten müsse
(Cause-and-Effect Linkages). Dabei wird auch den vier Perspektiven der BSC eine hier-
archische Ursache-/Wirkungskette unterstellt. So werden Learning and Growth als Ba-
siskategorie bezeichnet, die effektive und effiziente interne Prozesse ermöglicht, die
wiederum Mehrwert beim Kunden schaffen und so durch deren Zufriedenheit und Loy-
alität zur Grundlage für den notwendigen finanziellen Erfolg oder Shareholder Value wer-
den — das höchste bzw. ultimative Ziel jeden Unternehmens.

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Abb. 3: Überarbeitete Balanced Scorecard (vgl. Kaplan/Norton 1996b, S.78)

Abb. 4: Mobil’s Strategy Map


(vgl. Kaplan/Norton 2000, S. 174)

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Strategische Karten In einem Artikel aus dem Jahr 2000 wird die BSC um die strategischen Karten (Strategy
Maps) ergänzt, die als Hilfsmittel bei der Diskussion und Identifizierung der zugrunde lie-
genden Kausalbeziehungen dienen. Die Maßnahmen erfolgen top-down von der strate-
gischen zur operativen Ebene.
Belohnungssystem Zudem wird empfohlen, das Belohnungssytem des Unternehmens mit der Performance-
Messung der BSC zu verknüpfen. Abb. 4 zeigt eine beispielhafte Strategy Map aus Ka-
plan/Norton 2000 für das Unternehmen Mobil Oil. Sie soll die spezifischen Kausalursa-
chen des Unternehmenserfolges, hier gemessen als Steigerung der Rendite des einge-
setzten Kapitals (ROCE) von Mobil Oil, bei den vier vertikal angeordneten Perspektiven
der BSC aufzeigen.
Strategisches Nach dem Jahr 2000 wurde von Kaplan/Norton ein umfassendes Konzept der strategi-
Managementsystem schen Unternehmenssteuerung entwickelt, das noch deutlicher über die ursprüngliche
BSC hinausgeht. Der in Abb. 5 dargestellte Prozess im Kern des Konzepts bezieht die
BSC als wesentliches Element ebenso mit ein wie die strategische Karte, er soll aber als
ganzheitlicher Ansatz des strategischen Managments verstanden werden. Damit wird
jetzt ausdrücklich die Strategiefindung und die strategische Kontrolle einbezogen.

Abb. 5: Der strategische Managementprozess (vgl. Kaplan/Norton 2008, S. 65)

Verschiedene Reifegrade Im Einklang mit der Erweiterung des BSC-Konzepts zum strategischen Management-
system zeigt eine empirische Studie, dass in der Praxis große Unterschiede zwischen
den Reifegraden verschiedener BSC bestehen (vgl. Speckbacher/Bischof/Pfeifer). Dabei
werden drei Typen unterschieden: Die Basisversion der BSC ist die Kombination von
finanziellen und nicht-finanziellen Messungen, die in der Regel in die vier Messbereiche
von Kaplan und Norton unterteilt sind (BSC Typ I). Die mittlere Ebene der BSC fügt den
Mindestanforderungen die Ketten der „Kausalbeziehungen“ zwischen den Messberei-
chen hinzu (BSC Typ II). Die umfassendste Version verlangt, dass das BSC-Mess-Fra-
mework mit dem Steuerungs- und Belohnungssystem integriert ist (BSC Typ III). Zu ei-
nem ähnlichen Ergebnis kommt eine weitere Unteruchung, bei der anlässlich von zwei
Befragungen von fast 300 US-Unternehmen nur bei 23 Prozent explizite Modellierungen
der zugrunde liegenden Ursache-/Wirkungsbeziehungen festgestellt wurden (vgl. Ittner/
Larcker, S. 90 f.).
Speckbacher/Bischof/Pfeifer gehen davon aus, dass sich Implementierungen der BSC
immer zu einem höheren Reifegrad hin entwickeln. Es wurde jedoch gezeigt, dass die
Entwicklung von Typ I zu Typ III keine zwangsläufige Entwicklung ist (vgl. Schäffer/Mat-
lachowsky). Die Autoren wiesen anhand von sechs Fallstudien nach, dass sich der BSC-
Typ im Unternehmen auch zurückentwickeln kann — bis hin zu ihrer vollständigen Ab-
schaffung.

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Frage 2: Aus welchen Gründe wird die BSC möglicherweise nicht mehr
von einem Unternehmen verwendet?

2. Die BSC in der Praxis und in der Literatur


Großes internationales Es ist unstreitig, dass die BSC weltweit in vielen Unternehmen ein großes, möglicher-
Echo in der Praxis weise bislang sogar einzigartiges Echo gefunden hat. Eine nahezu unüberschaubare
Zahl von Studien belegt die hohe Praxisrelevanz des Konzepts. Allerdings sind die dabei
verwendeten Methoden derart heterogen, dass sich kein abschließendes Bild ergibt, in
wie vielen Unternehmen das Konzept letztlich angewandt wird. Im deutschsprachigen
Raum sollen dies zur Jahrtausendwende zwischen acht und 50 Prozent der befragten
Unternehmen gewesen sein (vgl. Schäffer/Matlachowsky S. 208 ff.). Bei der jährlichen
Erhebung der zehn global wichtigsten Management-Tools belegte die BSC im Jahr 2015
Platz 6 (vgl. Rigby/Bilodeau).
Die beachtliche Verbreitung scheint die Hypothese von Johnson und Kaplans aus dem
Jahr 1987 zu bestätigen, wonach in der Praxis ein erheblicher Bedarf an zeitgemäßen In-
strumenten und Konzepten für die Unternehmenssteuerung besteht. Die sehr schnelle
Implementierung ist allerdings überraschend: Als die BSC erstmals vorgestellt wurde,
war sie eher eine unüberprüfte Theorie. Zur Verdeutlichung kann eine Analogie aus der
Pharmazie dienen: Wäre die BSC ein Medikament, wäre es nach einer ersten Kurzzeit-
Studie an nur zwölf Probanden eingeführt worden — ein unvorstellbares Vorgehen.
Flut von Publikationen Die Balanced Scorecard hat während all der Jahre auch eine Flut von Veröffentlichungen
in der populären Managementliteratur und in der Wissenschaft hervorgerufen. In der
Wissenschaft können drei Themenbereiche unterschieden werden (vgl. Schäffer/Mat-
lachowky, S. 210 ff.).
a) Kontingenztheoretische Analysen, die die notwendigen oder hinreichenden Kon-
textfaktoren eines effizienten BSC-Einsatzes ermitteln (In welchen Fällen passt das
Instrument, wann nicht?)
b) Untersuchungen von Barrieren und Erfolgsfaktoren der BSC-Implementierung
(Wie macht man es richtig?)
c) Untersuchungen, die den Zusammenhang zwischen BSC-Einsatz und seinem Ef-
fekt oder dem Unternehmenserfolg analysieren (Erreicht die BSC ihr Ziel?)
Ist die BSC nützlich? Zum letzten Typ der Studien ist anzumerken, dass der Versuch, eine den Erfolg stei-
gernde Wirkung zu messen, nur bei Unternehmen mit Typ-III-Implementierungen Sinn
macht (s. oben). Nur in diesen Unternehmen ist die BSC eingebettet in ein umfassendes
strategisches Managementsystem, so wie Kaplan/Norton es fordern. Nur dann kann sie
daran gemessen werden, ob Unternehmen durch ihren Einsatz überdurchschnittlich er-
folgreich sind. In Unternehmen, in denen Implementierungen vom Typ I und II vorliegen,
müsste sich die Messung des BSC-Erfolgs darauf beschränken, ob die formulierte Stra-
tegie besser realisiert wird als ohne BSC. In der Forschung erfolgte diese Differenzierung
des Reifegrads bislang nicht. Insgesamt ist festzuhalten, dass eine zufriedenstellende
generalisierende Aussage für oder gegen den praktischen Nutzen der BSC bei den bis-
herigen Studien meist an der hohen Komplexität des Untersuchungsdesigns scheitert
(vgl. Ittner, S. 266 ff.).
Kaplan stellt fest, dass die BSC in vielen Fällen nicht erfofgreich implementiert werden
konnte (vgl. Kaplan 2009, S. 1267). Dass sich der Unternehmenserfolg nicht verbesserte
oder eine Strategie nicht erfolgreich umgesetzt wurde, lässt jedoch keine unmittelbaren
Rückschlüsse auf das Konzept zu. Wie Kaplan/Norton bereits 1992 betonten, muss je-
des Unternehmen eine für sich und seine gewählte Strategie passende BSC erarbeiten.
Ein nicht erfolgreicher Einsatz kann so im Einzelfall auf das Konzept oder auf die Art und
Weise zurückgeführt werden, wie es vom Management angewandt wurde. Ein klarer
Nachweis in die eine oder andere Richtung ist jedoch kaum möglich. Die Eignung und
Wirksamkeit der BSC und ihre Überlegenheit gegenüber anderen strategischen Konzep-
ten bleibt so im Wesentlichen Glaubenssache.
Kaplan bezieht dazu Stellung, liefert jedoch keine Fakten, wenn er schreibt: „Subsequent
experience revealed that when the balanced scorecard failed in organizations, we could
usually trace the roots of the failure back to a lack of executive leadership, not to any
particular inherent design flaw in strategy maps, scorecards of any of the other for stra-
tegy-focused organization principles“ (Kaplan 2009, S. 1267).

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Frage 3: Ist dieses Fazit von Kaplan wissenschaftlich belegbar?

3. Die BSC in der Kritik


Die BSC ist in der Literatur umfassend behandelt worden. Hier können nur die wesentli-
chen Kritikpunkte kurz umrissen werden (für eine umfangreiche kritische Würdigung der
BSC vgl. Dechow; Nørreklit 2000, 2003 und die dort genannten Quellen):
— Der BSC fehlt eine solide theoretische Untermauerung und Herleitung, womit sie
im streng wissenchaftlichen Sinn nicht fundiert ist. Dies erlaubt keinen automatischen
Rückschluss auf ihre Tauglichkeit oder Untauglichkeit als Managementinstrument,
verstärkt aber die Kritik von wissenschaftlicher Seite.
— Das Konzept wird teils als zu mechanistisch kritisiert, da es für sich in Anspruch
nimmt, eine existente Strategie über einen Zeitrahmen von mehreren Jahren konse-
quent und ohne wesentliche inhaltliche Änderungen umsetzen zu können. Auch der
Ansatz einer von der Unternehmensführung erarbeiteten Top-Down-Strategie findet
zunehmend Kritik von Autoren, die mehr Flexibilität und Dezentralität in der Strategie-
entwicklung und -umsetzung fordern. Die BSC läuft damit Gefahr, dass sie sich in der
Praxis als zu rigide erweist. Die Annahme langfristig stabiler Kausalketten wird von
Autoren in diesem Kontext ganz in Frage gestellt. Die Notwendigkeit, die Strategie
im Laufe der Zeit anzupassen, wird von Kaplan/Norton später in den strategischen
Managementprozess aufgenommen (Abb. 5).
— Das ursprüngliche Konzept der BSC wurde nicht nur erweitert, sondern auch mehr-
fach inhaltlich verändert. Die Veränderungen wurden nicht weiter begründet oder
hergeleitet. Die Darstellung der vier Perspektiven als aufeinander aufbauende Kausal-
kette ist dafür ein Beispiel: Sie wird eingeführt und argumentativ belegt, Learning &
Growth somit an den Anfang der Kausalkette gestellt. Kaplan räumt hier selbst ein,
dass dies bei der praktischen Umsetzung zu Schwierigkeiten führt, da diese Sicht
zu rigide sein kann (Kaplan 2009a, S. 1262).
— Die Offenheit des Konzepts wird je nach Autor mal als flexibel und individuell anpass-
bar gewürdigt oder als generisch und als zu breit interpretierbar kritisiert. Wie unter II.
dargelegt, führen die Offenheit und die erfolgten Erweiterungen zu großen Schwierig-
keiten bei der Bewertung des praktischen Nutzens der BSC.
— Die Veröffentlichungen von Kaplan/Norton, insbesondere die Monographien, ent-
sprechen nicht den Anforderungen an wissenschaftliche Arbeiten. Sie enthalten
viele nicht näher belegte Beispiele, Analogien, Anekdoten und Behauptungen, die mit
den Erfahrungen der Autoren begründet werden. Dies führt dazu, dass diese von ei-
nigen Autoren eher als Management-Gurus eingestuft werden, denen in der Regel
vor allem kommerzielle und weniger wissenschaftliche Interessen unterstellt werden.

Frage 4: Welchen Zusammenhang könnten Kritiker zwischen der Offenheit


des Konzepts und kommerziellen Interessen der Autoren herstellen?

4. Vorläufiges Fazit
Ein abschließendes Fazit zur Balanced Scorecard ist hier nicht möglich. Viele Unterneh-
men nutzen die BSC seit 25 Jahren und haben sie mal umfassend, mal teilweise, mal mit
großem Erfolg und mal mit geringem eingesetzt. Einige Unternehmen, die sie bereits früh
anwandten, bleiben ihr bis heute treu, andere haben andere Managementkonzepte ge-
wählt oder selbst entwickelt. Die BSC wird Praxis und Wissenschaft also weiterhin be-
schäftigen.
Die BSC sollte jedoch nicht als Allheilmittel und Garant für den langfristigen Unterneh-
menserfolg gesehen werden. Man kann es auch so ausdrücken: „The answer is rather
obvious. A reductionist model, albeit more exhaustive than traditional accounting or ma-
nagement control models, cannot serve to manage and balance intelligibility, empower-
ment, meaningfulness, love and time“ (Johanson/Skoog/Backlund/Almqvist, S. 853).

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Speckbacher, G./Bischof, J./Pfeifer, T.: A descriptive analysis on the implementation of Balanced
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Young, S.D./O’Byrne, S.F.: EVA and Value Based Management: a practical guide to implementation.
New York 2001.

Die Fragen werden im WISU-Repetitorium beantwortet.

Ökologieorientiertes Nachhaltige Infrastruktur


Management
Prof. Dr. Edeltraud Günther / Patrick Ilg, M.Sc., Dresden
Die Infrastruktur hat große Bedeutung für jede Volkswirtschaft. Mit ihrer Planung
und Instandsetzung sind zum Teil große Herausforderungen verbunden. So wird
etwa in Deutschland bis 2030 ein Sanierungsbedarf von 160 Mrd. Euro erwartet.
Auch bei Infrastrukturmaßnahmen spielt Nachhaltigkeit eine immer größere Rolle.

1. Einleitung
Bedeutung Verkehrswege wie Straßen- und Eisenbahnnetze, Wasserwege, Häfen, Flughäfen, Was-
der Infrastruktur ser-, Abwasser-, Energie und Telefonnetze sind wichtige Teile der Infrastruktur eines

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wisu
Repetitorium
Betriebswirtschaftslehre Betriebswirtschaftslehre
Antworten 1 - 5 zu „Produktmanagement“ von Prof. Dr. C. Antworten 1 - 4 zu „Balanced Scorecard“ von Prof. Dr. A.
Dechêne (S. 63 - 69). Schulke (S. 69 - 77).

1. Er muss Entscheidungen zur Produktgestaltung, zum Markenauf- 1. Kaplan/Norton bemängeln, dass in vielen Unternehmen die stra-
bau, zur Produktinnovation und zur Programmgestaltung treffen. tegische Planung und der jährlich durchgeführte Budgetierungspro-
2. zess nicht verzahnt sind. Dies führe häufig dazu, dass strategische
Projekte und Initiativen nicht ausreichend beplant und mit Ressour-
— Gestaltung der technisch-funktionalen Eigenschaften (z.B. Maße, cen ausgestattet werden. Die Aufnahme der Initiatives in die BSC
Design, Inhalt der Trommel), soll sicherstellen, dass das Management sich zu einem frühen Zeit-
— produktbegleitende Services (z.B. Beratung, Wartung, Entsor- punkt mit der konkreten Planung von strategischen Projekten be-
gungshilfen), schäftigt und die Umsetzung mithilfe der Scorecards steuert. Kap-
lan/Norton fordern darüber hinaus die explizite Aufnahme strategi-
— Verpackungsgestaltung, dabei geht es weniger um Ästhetik, son- scher Projekte in die jährliche Budgeterstellung durch eine koordi-
dern mehr Transport und der Lagerhaltung, nierende Organisationseinheit.
— Garantieleistungen, 2. Ein Grund könnte zunächst sein, dass die gewählte Strategie er-
— Aufbau einer Marke zur Steigerung der Zahlungsbereitschaft und folgreich umgesetzt wurde und die BSC damit überflüssig geworden
als Qualitätsindikator. ist. Da die Umsetzung der Strategie aber eine Daueraufgabe in einer
Abfolge von strategischen Plänen darstellt, würde die BSC in diesem
3. Brainstorming, Methode 635, Reizwortanalyse, Synektik und mor- Fall sicherlich weiter überarbeitet und dauerhaft eingesetzt werden.
phologischer Kasten. Wahrscheinlichere Gründe sind daher beispielsweise Widerstände
4. der Organisation gegen die Implementierung der BSC, der hohe
Mess- und Pflegeaufwand, die Unzufriedenheit des Managements
First-Mover-Strategie: Ein Anbieter schafft einen neuen Markt und mit dem Instrument beim praktischen Einsatz oder die mangelnde
eine neue Produktklasse. technische Unterstützung des Einsatzes. Auch ein personeller
Follower-Strategie: Der neue Markt wird vorerst dem Wettbewerber Wechsel in der Unternehmensführung könnte zum Einsatz anderer
überlassen. Tools führen.
Sprinkler-Strategie: Auslandsmärkte werden gleichzeitig betreten 3. Kaplan führt das Scheitern der BSC-Implementierung auf ein
und bearbeitet. Manko an „Leadership“ zurück, was als Hypothese interpretiert wer-
den kann. Eine Hypothese ist überprüfbar, hierzu müsste allerdings
Wasserfall-Strategie: Auslandsmärkte werden zeitversetzt betreten das Konstrukt „Leadership“ konkretisiert werden. Sinnvoll wäre es,
und bearbeitet. zunächst explorativ vorzugehen und den Autor zu fragen, wie er das
für eine erfolgreiche Umsetzung der BSC notwendige Leadership
Strategie Vorteile Nachteile
beschreibt. Auf dieser Basis könnte dann in Fallstudien oder mittels
First-Mover- — Image als Innovator — Unkenntnis über das Fragebögen versucht werden, die Hypothese zu überprüfen, dass
Strategie — Monopolist mit hohen Marktpotenzial das Fehlen von Leadership der Hauptgrund für nicht erfolgreiche Im-
Spielräumen bei der — Unkenntnis über plementierungen in der Praxis ist.
Preissetzung Käuferwünsche
— Errichtung von Markt- — Oft Kinderkrankhei- 4. Kaplan/Norton fordern, dass das Management von Unternehmen
eintrittsbarrieren ten bei Innovationen die BSC aus der eigenen Strategie ableitet und selbst erarbeitet. Sie
möglich haben diese Arbeit mit ihrer eigenen Beratung ab 1993 in vielen Fäl-
— Setzen von Standards len unterstützt. Da diese Unterstützung nicht unentgeltlich ge-
möglich schieht, müssen die Autoren sich der Kritik stellen, dass das Kon-
Follower-Strategie — Begrenztes Risiko — Image als Imitator zept so ausgelegt sein könnte, Beratungsbedarf zu erzeugen. Histo-
— Cherry Picking mög- — Marktpotenzial ggf. risch gesehen ist die Verbindung von Forschung und Beratung in
lich bereits ausgeschöpft den Wirtschaftswissenschaften in den USA sehr eng und kann sogar
als untrennbar gesehen werden. Eine öffentlich finanzierte For-
Sprinkler-Strategie — Hohes Umsatz- — Hoher Ressourcen-
potenzial bedarf
schung und Lehre wie in Deutschland gibt es dort zwar auch, sie
— Errichtung von Markt- — Bei Scheitern sehr spielt jedoch eine untergeordnete Rolle. Diese an der BSC geübte
eintrittsbarrieren kostenintensiv Kritik ist nicht neu, sie wurde bereits bei vielen Managementkonzep-
möglich ten von Beratungsunternehmen geübt.
— Niedrige Stückkosten
durch Kostendegres-
sion
Betriebswirtschaftslehre
Wasserfall-Strategie — Weniger riskant als — Wettbewerber Antworten 1 - 4 zu „Nachhaltige Infrastruktur“ von Prof. Dr. E.
Sprinklerstrategie, da schöpfen Märkte ab Günther/P. Ilg, M.Sc. (S. 77 - 82).
Erfahrungswerte ge- — Eintrittsbarrieren
nutzt werden können durch Wettbewerber
1. Eine gute Infrastruktur erhöht die Produktivität des Landes und
5. Bei einer Produktvariation wird ein vorhandenes Produkt modifi- führt damit zu Wachstum und Wohlstand. Eine modernisierte Infra-
ziert, die Anzahl der Produktvarianten aber nicht erhöht. Damit bleibt struktur wirkt sich direkt auf die Leistung der Volkswirtschaft aus (die
die Programmtiefe konstant. Bei einer Pizza kann etwa die Rezeptur Modernisierung von einem Prozent der Infrastruktur führt zu einem
verändert werden. Bei Produktvarianten wird die Programmtiefe ver- Anstieg des BIP um ein Prozent). Allein schon die Bauwirtschaft ist
größert. Bei einer Pizza könnten etwa verschiedene Packungsgrö- ein wichtiger Teil des Arbeitsmarktes. Eine schlechte oder teilweise
ßen angeboten werden. ausfallende Infrastruktur wirkt sich direkt oder indirekt auf zahlreiche

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