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6/6/2019 Cala Ratjada 1930: Exil ist kein Stillstand - Mallorca Zeitung

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Cala Ratjada 1930: Exil ist kein


Stillstand
Eine ganz andere Zeit als heute und doch so ähnlich: Ausländer in dem Ort an der
Ostküste von Mallorca
Alexandra Wilms Und Ciro Krauthausen 13.05.2015 | 10:16

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Es war eine kleine Revolution, und sie fand gefühlt D


fast am Ende der Welt statt: Anfang der 30er Jahre
ließen sich in dem von Palma aus gesehen
entferntesten Winkel der Insel – Cala Ratjada – in
kürzester Zeit reihenweise Ausländer nieder. Es
Avantgardistisch: Hans Villiger vor seinem Elektrizitätswerk
waren mitteleuropäische Emigranten, vor allem
„Electra". Foto: Archiv M.M. Villiger
aber Exilanten, die sich an einem Örtchen
versammelten, das bis dahin wenig mehr als eine
Ansammlung von Fischerhütten und Sommerhäuschen der Bürger von Artà war und dessen Straßen bis
1926 noch gar keinen Namen hatten. Dieser Fleck Insel wurde damals, auch von Spaniern, gerade erst
für den Tourismus entdeckt.

Dann kamen die Ausländer und krempelten Cala Ratjada gründlich um.

Ihre Namen sind bekannt: Der österreichische Autor Franz Blei, zum Beispiel, oder der deutsche Pazifist
Heinz Kraschutzki, der Schweizer Elektriker und Unternehmer Hans Villiger, der holländische Maler
Abraham Gerard Van Velde. Ihre Mallorca-Geschichten haben sie teils selbst in Romanen und
Erinnerungen aufgeschrieben. Dennoch vermag ein neues Buch mit zwei Aufsätzen, das vergangene
Woche zusammen mit einem Dokumentarfilm in Capdepera vorgestellt wurde, ein neues Licht auf diese
Zeit zu werfen. „El temps s´esmicola. L´exili centreeuropeu a Cala Rajada" (Die Zeit zerbröselt. Das
mitteleuropäische Exil in Cala Rajada).

Die Autoren haben sich die Arbeit aufgeteilt: Die Schweizerin Gabriele Einsele hat private Archive
gesichtet, die Gemeindearchivare Maria Massanet und Gregori Rexach haben die Akten im Rathaus von
Capdepera ausgewertet. 1930 waren dort gerade mal neun Ausländer als Residenten in Cala Ratjada
gemeldet (von insgesamt 447). 1935 waren es bereits 110 (von 388). Die tatsächliche Zahl dürfte noch
wesentlich höher gelegen haben, denn schon damals vermieden viele, sich im Rathaus zu melden. Oder
lebten nicht ständig vor Ort, sondern reisten hin und her.

Viele der Neuankömmlinge waren Intellektuelle und Künstler, häufig deutsche Juden, die ab 1932 vor
dem Aufstieg Hitlers ins Exil flüchteten. Dass es sie ausgerechnet nach Cala Ratjada trieb, dürfte eher
Zufall gewesen sein. Es war atemberaubend schön dort, die Zeit schien stehen geblieben, das Leben
war günstig. Die Ersten, die sich dort eingerichtet hatten, holten die anderen nach. Die Capdepera-‐
Archivare können mindestens sieben Familien- und Freundesnetzwerke nachweisen, die sich nach und
nach in Cala Ratjada breit machten: die Kraschutzkis, die Blochs, die Kleukens, die Thümmlers ?  

Sicherlich auch, weil die Honorare und Rentenzahlungen aus Nazi-Deutschland immer weniger wurden,
legte diese kleine Kolonie einen beeindruckende unternehmerischen Elan an den Tag: Von 33
Geschäftseröffnungen im Jahr 1935 waren 14 Ausländern – meist Deutschen – zuzuschreiben.
Betrieben wurden Souvenir-Werkstätten und Fotostudios, Bäckereien und Zimmervermietungen,
Parfümerien und Kurzwarenhandlungen. Und natürlich Kneipen – wie etwa eine Südsee-Bar namens
Wikiki, die zeitweise von Hugo Cyrill Kulp Baruch, alias Jack
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Bilbo, geleitet wurde, einem Lebenskünstler und angeblich ehemaligen Leibwächter von Al Capone, der
so manch einen späteren
Insel-Glücksritter vorwegnahm.

Andere der Ausländer hatten von Beginn an einen unternehmerischen – und nicht politischen oder
künstlerischen Hintergrund. Sie erkannten früh, dass das aufstrebende Cala Ratjada die Möglichkeit bot,
gute Geschäfte zu machen. Der Schweizer Hans Villiger baute das erste Elektrizitätswerk des Ortes auf,
andere Einwanderer waren in den Hotels beschäftigt, etwa im Hotel Castellet, dem ersten Haus am
Platz.

So wurden Arbeitsplätze geschaffen, für die Zuzügler, aber auch für die Einheimischen. Das ging so weit,
dass sich unter einigen örtlichen Unternehmern und Händlern bald Unmut darüber regte, dass die
Ausländer wesentlich höhere Löhne als üblich zahlten. G

Dafür kauften sie ihnen aber auch Grundstücke ab, auf denen sie dann ganz anders bauten, als man es
bislang auf Mallorca tat. Und sie zahlten höhere Mieten als die Einheimischen. In gerade mal vier, fünf
Jahren entstand so in Cala Ratjada gar ein kleiner Immobilienboom.
de

Darüber hinaus hatten die neuen Nachbarn recht wenig mit den Mallorquinern zu tun. Man blieb unter
sich. Die Ausländer hatten ihre eigene Infrastruktur und ihre eigenen Treffpunkte, um ihre eigenen
Sorgen zu besprechen. Ihre Bars waren ganz anders als die schlichten lokalen Cafés, in denen nur
Männer verkehrten. Und sie begannen damit, eine eigene Schule aufzubauen, um ihre Kinder mit eigens
dafür eingestellten Privatlehrern zu unterrichten.

Dennoch war es ein „harmonisches" Zusammenleben, wie Massanet und Rexach betonen. Beide Seiten
wussten, was sie aneinander hatten. Das ging so weit, dass etwa der Bürgermeister von Capdepera im
April 1936 den Vertreter der Zentralregierung in Palma schriftlich darum bat, etwas gegen die
Bespitzelung seiner Ausländer durch Nazideutsche zu unternehmen. Denn auch das prägte diese
Künstler- und Intellektuellen-Kolonie: Man stand unter ständiger Beobachtung durch den deutschen
Konsul Hans Dede in Palma und seine Spitzel, die sich zumeist im luxuriösen Hotel Castellet
einrichteten.

Der Vertreter der Zentralregierung in Palma antwortete im April 1936 schriftlich, dass gegen die Spitzel
nichts auszurichten sei, solange sie keinen Zwang auf die Exilanten ausübten oder ihre
Bewegungsfreiheit einschränkten. Gut zwei Monate später brach der spanische Bürgerkrieg aus,
Francos Schergen übernahmen auf Mallorca die Macht und entfesselten eine Terrorwelle gegen die
Parteigänger der Republik. Die Ausländer wurden zwar nicht – wie Hunderte von Mallorquinern –
exekutiert, aber einige wurden sehr schnell festgenommen, unter ihnen Heinz Kraschutzki, der zwölf
Jahre in spanischen Arbeitslagern verbringen sollte.

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Wer konnte, verließ Mallorca so schnell es ging. Nur wenige Familien blieben dauerhaft in Cala Ratjada.
Die Schicksalsgemeinschaft war zerschlagen, verstreute sich in alle Winde. Das Provisorium war
H
zerplatzt. Cala Ratjada trat in einen wirtschaftlichen und sozialen Winterschlaf, aus dem es erst Jahre
später unter ganz anderen touristischen Voraussetzungen erwachen sollte.

„El temps s´esmicola" ist in den Touristeninformationen Capdeperas erhältlich und kostet 5 Euro.

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