Sie sind auf Seite 1von 1

Glück und Erfolg

Wie konnte Bill Gates innerhalb kürzester Zeit zum reichsten Mann der Welt werden? Wurde Al
Pacino nur aufgrund seines Talents zu einem der erfolgreichsten Hollywood Stars? Für diese und
zahlreiche andere Beispiele zeigt Robert H. Frank, dass glückliche Zufälle unentbehrliche
Ingredienzien des Erfolgs sind.

Frank ist ein US-Ökonom, der in mehreren Publikationen das neoklassische Paradigma des umfassend
informierten und rational kalkulierenden „homo oeconomicus“ kritisiert hat. Sein Buch über die
„Winner takes all society“ zählt zu den meistzitierten ökonomischen Beiträgen der letzten Jahrzehnte.
Das aktuelle Buch zielt auf den Mythos, dass Erfolg in der Marktgesellschaft ausschließlich auf Grund
eigener Leistung zustande kommt. Natürlich bestreitet Frank nicht, dass in den meisten Fällen
Leistungsbereitschaft und Talent unerlässlich sind, um erfolgreich zu sein. Aber, so sein Argument,
die eigene Tüchtigkeit ist eine zwar notwendige, doch keine hinreichende Bedingung. Ohne die
Rahmenbedingungen glücklicher Zufälle stellt sich kein Erfolg ein. Häufig sind es scheinbar
unbedeutende Begebenheiten, die eine Kaskade von Ereignissen auslösen, die letztlich zum Erfolg
führen.

Die meisten erfolgreichen Menschen überschätzen den Anteil ihrer eigenen Leistungen und
unterschätzen den Beitrag glücklicher Umstände. Ein allfälliger Gegenwind wird sehr wohl als
ärgerlich empfunden, wird man aber vom Rückenwind ins Ziel getragen, werden die externen
Faktoren gerne ausgeblendet. Selbst viele Lottogewinner bestreiten, dass ihnen Fortuna gnädig gesinnt
war, sie halten ihre Intuition für Zahlenkombinationen oder einen anderer Firlefanz für
ausschlaggebend. Darüber mag man schmunzeln, aber ist es ein Problem? Ja und nein. Für die
betreffende Person hat die Überschätzung der eigenen Leistung häufig positive Auswirkungen. Von
seinen Fähigkeiten überzeugt zu sein, ist ein starker Motivationsfaktor. Aus gesamtgesellschaftlicher
Sicht ist eine solche Haltung problematisch. Wer die externen Faktoren unterschätzt, die individuellen
Erfolg erst ermöglichen, hält zumeist wenig von sozialer Gerechtigkeit und betrachtet hohe
Einkommens- und Vermögensunterschiede als legitim. Solche Hybris ist auch eine ideologische
Speerspitze des Steuerwiderstands.

Es ist erfreulich, dass sich Frank einer einfachen und anschaulichen Sprache bedient. Aber manchmal
schießt er übers Ziel hinaus. Die vielen Fallbeispiele, mit denen er seine Aussagen auch dann noch
verdeutlicht, wenn der Sachverhalt längst klar ist, wirken bisweilen ermüdend. Leser seiner früheren
Bücher werden überdies viel Bekanntes entdecken. Fast and Drittel des Textes besteht aus
Zusammenfassungen früherer Publikationen. In Summe handelt es sich also um eine kenntnisreiche
Darstellung eines wichtigen Themas, der aber eine stringentere Formulierung gut getan hätte.

Hans Pechar

Robert H. Frank, Ohne Glück kein Erfolg. Der Zufall und der Mythos der Leistungsgesellschaft. 224
Seiten, dtv.

Das könnte Ihnen auch gefallen