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LESEPROBE

Matthias Stürmer

Community Building
Nach näherer Betrachtung muss man zwangsläufig feststellen, dass TYPO3 eine äußerst aktive
Community besitzt. Doch welche Eigenschaften zeichnet eine derart prosperierende
Community aus? Welche Aspekte sind wichtig für das zukünftige, nachhaltige Wachstum des
Projekts?

Dieser Artikel basiert auf den Ergebnissen der Lizenziatsarbeit Information von Community-Mitgliedern kümmern. Wie bei den
„Open Source Community Building“ [1], die zum Ziel hatte Grund- Entwicklern kann diese Rolle auch hier mit einem unterschiedli-
lagen zu analysieren sowie Handlungsempfehlungen im Bereich chen Status verbunden sein. Die Projektverantwortlichen sind
des Community-Aufbaus von Open-Source-Projekten abzuge- dem engsten Kreis zuzuordnen.
ben. Dafür wurden acht Interviews mit „hochrangigen“
Community-Mitgliedern von unterschiedlichen Open Source CMS
und weiteren Web Applications durchgeführt und analysiert.
Die Akteure eines Open-Source-Projekts
Bevor im Folgenden die verschiedenen Aspekte einer Open-Sour-
ce-Community betrachtet und beurteilt werden, empfiehlt es sich
klarzustellen, wie der Begriff „Community“ in diesem Artikel ver-
standen wird. In jeder Community lassen sich mehr oder weniger
präzise verschiedene schichtartige Rollen identifizieren. Als tat-
sächliche Open-Source-Community wird die Gesamtheit aller Per-
sonen bezeichnet, die durch direkte oder indirekte Beiträge an der
Entwicklungstätigkeit eines Open-Source-Projekts mitwirken.
Dies sind ausdrücklich nicht nur die Programmierer, die den ei-
gentlichen Source-Code entwickeln. Ausgegrenzt sind hingegen
jene Personen, die die Software lediglich nutzen, ansonsten aber
keinen aktiven Beitrag zur Weiterentwicklung leisten. Ausgespro-
chen oder unausgesprochen haben die Personen, die als Entwick-
ler (beispielsweise von Erweiterungen) den Source-Code voran-
treiben, oftmals eine privilegierte Stellung innerhalb der
Community. Dabei kann sich sowohl aus der Art als auch des Um-
fangs der Entwicklungstätigkeit ein unterschiedlicher Status ab-
leiten. Diesbezüglich wurde die Rolle des Hauptentwicklers
herausgehoben und dem innersten Kreis der Community zuge-
Grob typisierte Abstraktion eines Open-Source-Projekts
ordnet.
Es handelt sich dabei um Personen, die praktisch uneingeschränk-
ten Zugriff auf den Entwicklungsserver sowie die Software haben
und anderen Personen bestimmte Zugriffsrechte einräumen
(oder verweigern) können. Sie erfüllen ebenfalls Koordinations-
aufgaben. In den Kernbereich eines Projekts sind sehr häufig auch
die Projektinitiatoren einzuordnen, sofern sie sich nicht zurück-
gezogen haben. Die folgende Abbildung visualisiert die ange-
sprochenen Rollendefinitionen anschaulich.
Ideale Communities
Wie zeichnet sich nun eine prosperierende Community aus? Wel-
ches sind die erstrebenswerten Charakteristiken der Community-
Mitglieder? Die Interviews haben sieben Kriterien ergeben, welche
ideale Communities definieren. Das heißt also, dass nicht einfach
ein generelles Wachstum der im Projekt involvierten Personen er-
zielt werden sollte, sondern primär ein solches, das die folgenden
Punkte berücksichtigt:
1. Die Community hat keinen Selbstzweck, sondern ein pri-
In der Studie „Open Source Community Building“ wurden acht Open-Source-
CMS-Projekte genauer betrachtet. märes Anliegen: die „Weiterentwicklung“ des Open-Source-Pro-
jekts, d. h. Programmcodes zu erstellen und zu verbessern,
Weiterhin erfordert eine Community auch die Rolle von Koordi- Dokumentationen zu erstellen, Marketing zu betreiben und auf
natoren, welche vor allem im zwischenmenschlichen Bereich ar- andere Art produktiv zu sein. Dies ist nicht selbstverständlich,
beiten und sich um die Anleitung, Motivation und vor allem auch denn in vielen Projekten wird wertvolle Energie in endlose Dis-
kussionen und Streitigkeiten gesteckt, ohne die Software tatsäch-

1 © yeebase 2006. Veröffentlichung und Vervielfältigung nur mit Genehmigung der yeebase media solutions GbR.
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lich weiter zu bringen. Ein anderes Phänomen sind Einzelpersonen eine klare Stoßrichtung für die Zukunft des Projekts herauskris-
und vor allem Unternehmen, die Open-Source-Software für sich tallisieren, sonst wird die Diskussion stets an den gleichen Stellen
und für Kunden gewinnbringend einsetzen ohne z. B. im Rahmen hängen bleiben. Zu bewältigen ist also die Gratwanderung zwi-
dieser Tätigkeiten erstellte Weiterentwicklungen dem Projekt zur schen Berücksichtigung der Interessen aller Beteiligter und der
Verfügung zu stellen. Solches Trittbrettfahrverhalten ist in der Fokussierung auf bestimmte Ziele, wobei einerseits die schon ent-
Community unerwünscht und bringt auch das Projekt nicht direkt wickelten Stärken der Software und andererseits die vorhandenen
weiter. Personen und Mittel beachtet werden sollten.
2. Eine wichtige Eigenschaft von aktiven Community-Mitglie-
dern ist deren hohe „Selbstmotivation“. Optimal ist es, wenn Möglichkeiten der Wachstumsförderung
Personen eigene Ideen von Anfang bis Ende selbst realisieren und Nachdem nun klar ist, wohin es mit der Community eines erfolg-
dennoch für Kritik und Verbesserungsvorschläge anderer offen reichen Open-Source-Projekts gehen soll, wird im Folgenden an-
bleiben. Üblicherweise müssen die Entwickler gewisse Barrieren hand von acht umfassenden Bereichen im Detail beschrieben, wie
überwinden, bevor sie Änderungszugriff auf die Software erhal- das Wachstum einer Community gefördert werden kann. Diese
ten. Dadurch wird gewährleistet, dass nur Personen, die schon Wirkungsfelder zeigen verschiedene Aspekte auf, in denen die
längere Zeit intensiv am Projekt mitarbeiten und Beiträge liefern, Projektverantwortlichen konkrete Maßnahmen zur nachhaltigen
direkten Einfluss auf die Weiterentwicklung der Software nehmen Vergrößerung der Community unternehmen können. Um die
können. zahlreichen Handlungsmöglichkeiten noch in eine zweite Dimen-
3. Um die Langlebigkeit eines Open-Source-Projekts gewähr- sion zerlegen zu können, sind sie in die drei Ebenen Rekrutierung,
leisten zu können, ist es vorteilhaft, Community-Mitglieder aus Zusammenarbeit und Entwicklungstätigkeit zusammengefasst.
verschiedenen Organisationen und Regionen zu beteiligen. Ei- Aktivitäten auf der Ebene Rekrutierung beabsichtigen, weitere
nerseits macht diese „Vielfältigkeit“ der Mitwirkenden das Projekt Projektbeitragende für die Community zu gewinnen und betref-
unabhängig von lokalen Veränderungen, weshalb unter anderem fen somit Themen wie Projektattraktivität, Bekanntmachung, Ver-
die Apache Foundation für neue Projekte voraussetzt, dass die teilung und externe Kommunikation. Maßnahmen auf der Ebene
Entwickler aus mindestens drei unterschiedlichen Unternehmen Zusammenarbeit sollen die internen Prozesse verbessern und be-
stammen müssen. Andererseits bringen erst verschiedenartig ta- einflussen deshalb Organisation, Koordination, interne Kommu-
lentierte Menschen das umfangreiche Wissens- und Fertigkeits- nikation und Beziehungen. Aktionen auf der Ebene Entwicklungs-
spektrum mit, welches für die Leitung und Umsetzung von Open- tätigkeit betreffen die Weiterentwicklung der Software und
Source-Projekten notwendig ist. behandeln Themen wie Quellcode, Softwarearchitektur und Tech-
4. Da sich die Mitarbeitenden in Open-Source-Projekten viel- nologien. Acht weitere Bereiche von Maßnahmen, die ausschließ-
fach freiwillig auf unentgeltlicher Basis beteiligen, ist „Korrektheit“ lich in einer der drei Ebenen wirken, werden ebenfalls noch kurz
in der Kommunikation unentbehrlich. Das heißt konkret, dass z. B. angesprochen. Die oben stehende Tabelle stellt einen Überblick
selbst einfache Anfängerfragen von der Community respektvoll empfohlener Aktionen der Projektverantwortlichen dar. Die
beantwortet werden sollten. Andererseits bedeutet es aber auch, Handlungsmöglichkeiten der sieben übergreifenden Bereiche
dass Neueinsteiger sich an die geltenden Kommunikationsregeln werden im Folgenden kurz erläutert.
zu halten haben und ihre Fragen zuerst selbst in Mailing-List-Ar- In der Software-Entwicklung ist seit langem bekannt, dass
chiven oder Wikis zu beantworten versuchen. „Modularität“ des Quellcodes seine Verständlichkeit und Flexibi-
5. Auch ein gewisser Grad an „Altruismus“ ist wichtig, denn lität erhöht und dadurch den Aufwand für die Weiterentwicklung
grundsätzlich gilt: Open-Source-Projekte sind keine „One Man verringert (Parnas 1972). Besonders in einer meist virtuell zusam-
bzw. One Company Shows“ und „die Community ist wichtiger als menarbeitenden Open-Source-Community ist es wichtig, dass sie
der Einzelne.“ Auch wenn z. B. jemand sehr viel Quellcode beiträgt an derselben Applikation programmieren kann, ohne alle Einzel-
und wichtige Tätigkeiten für die Community ausführt, kann dies heiten des Gesamtsystems kennen zu müssen. Wenn die Entwick-
langfristig das Ende des Projekts bedeuten, wenn er durch seine lung von umfangreichen Erweiterungen und Plug-Ins möglich ist
dominante Art die anderen Mitglieder vertreibt und damit die und durch eine entsprechende Einstiegsdokumentation unter-
Community schwächt. Besonders wenn Unternehmen maßgeb- stützt wird, kann das Projekt einen breiten Kreis von Anwendern
lich an der Weiterentwicklung eines Projekts beteiligt sind, müs- und potentiellen Entwicklern ansprechen. Ihnen wird ermöglicht,
sen sie Rücksicht nehmen auf die Bedürfnisse der Community und die Software auf relativ einfache Weise ihren Bedürfnissen anzu-
dürfen zum Beispiel bezüglich Fragen über Rückwärtskompatibi- passen, was auch die Eintrittsbarriere für neue Programmierer
lität nicht egoistisch vorgehen. senkt. Auf der Ebene der Zusammenarbeit schafft Modularität die
6. Ein „langfristiges Engagement“ von Mitarbeitenden in Grundlage für die Spezialisierung der Programmierer und macht
Open-Source-Projekten ist ein wertvolles Gut. Vielfach kommt es diese unabhängiger von den Hauptentwicklern der Software, da
vor, dass neu Dazugestoßene sich über die vorhandene Situation nun konkrete Probleme ohne Eingriff in die Kernapplikation gelöst
beschweren und Änderungswünsche anbringen aber bald wieder werden können. Steigt die Anzahl verfügbarer Erweiterungen, ist
verschwinden. Verbesserungsvorschläge z. B. an der Software- die Qualitätssicherung durch erfahrene Entwickler zu empfehlen.
Dokumentation können nützlich sein, viel wichtiger ist es jedoch, Die Wichtigkeit von ausführlicher und vielseitiger „Dokumen-
dass Personen sich über lange Zeit produktiv in das Projekt ein- tation“ wurde bereits mehrmals erwähnt. Für Anwender wie auch
bringen und Aufgaben verantwortungsvoll ausführen. Deshalb für Entwickler ist sie von zentraler Bedeutung und beeinflusst stark
erhalten in allen fortgeschrittenen Projekten nach dem Merito- die Eintrittsmotivation zukünftiger Community-Mitglieder. Ent-
kratie-Prinzip ausschließlich solche Mitglieder Zugriff auf wichtige scheidend ist, dass ein klarer Dokumentations-Leitfaden anhand
Ressourcen, die sich schon lange aktiv in der Community beteiligt von wenigen, dafür aktualisierten und zweckmäßig strukturierten
haben. Tutorials und Handbüchern den Einstieg in die Software ermög-
7. Auch wenn sich viele Personen aus unterschiedlichsten Mo- licht. Freiwillige für die Erstellung qualitativ hochwertiger Doku-
tivationen in einem Projekt einbringen, ist eine „gemeinsame mentationen, die z. B. für Lehrbücher verwendet werden können,
Vision“ für die Weiterentwicklung der Software unentbehrlich. sind schwer zu finden. Deshalb sollten Projektverantwortliche ein
Neben aller Offenheit für Beiträge neuer Mitwirkender muss sich Anreizsystem schaffen, das zum Beispiel in Form von öffentlichen

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Empfohlene Tätigkeiten von Open-Source-Projektverantwortlichen


Übergreifende Bereiche
Rekrutierung Zusammenarbeit Entwicklungstätigkeit
Modularität Beschreibung zur Entwicklung Bei starker Zunahme der Er- Erweiterbarkeit der Software
Software soll modular program- von Erweiterungen zur weiterungen Qualitätssicherung durch externe Komponenten
miert werden Verfügung stellen durch erfahrene Programmierer von Anfang an vorsehen
einführen
Dokumentation Wenige, dafür aktuelle und klar Anreizsystem für die Erstellung Erläuterungen im Quellcode und
Für verschiedene Interessens- strukturierte Tutorials und hochwertiger Dokumentation zum Application Programming
gruppen Dokumentationen er- Handbücher verfügbar machen schaffen Interface schreiben
stellen
Release Management Regelmäßig und häufig Soft- Fairen Rückwärtskompatibilität
Release-Management- Prozess ware-Releases inklusive Veröffentlichungsprozess, u.a. gewährleisten; wenn
einführen aussagekräftiger Ankündigun- mit Feature-Freeze, praktizieren unmöglich, Migrationsskripte
gen herausgeben entwickeln
Umgebung der Projekt auf den bekannten Platt- Vorhandene bzw. individuelle Den Entwicklern ein
Zusammenarbeit formen unter kennzeichnenden Entwicklungs- und Zusammen- hochverfügbares Revision Con-
Eine Umgebung der Zusamme- Stichwörtern registrieren arbeits-Plattform aufbauen trol System zur Verfügung
narbeit verwenden stellen
Physische Begegnungen Präsentationen und Workshops Community-Treffen zur tech- Entwickler-Sprints in mo-
Physische Treffen veranstalten an Konferenzen und Messever- nischen und organisatorischen tivierender Umgebung und mit
anstaltungen geben Zusammenarbeit organisieren klaren Zielen veranstalten
Trägerorganisation Das Projekt einer bestehenden Organisatorische, rechtliche und Entwicklertätigkeiten durch die
Eine organisatorische Träger- Trägerschaft anschließen oder repräsentative Aufgaben durch Trägerschaft unterstützen und
schaft für das Projekt gründen eine maßgeschneiderte neue die Trägerschaft wahrnehmen beschützen lassen
gründen lassen
Internationalisierung Auf Englisch kommunizieren In einer multikulturellen Com- Mehrsprachigkeit der Software
Eine internationale Community und Übersetzungsaufgaben munity höflich und respektvoll auf technischer Ebene von An-
anstreben ausschreiben miteinander kommunizieren fang an vorsehen
Ebenenspezifische Bereiche
Rekrutierung Zusammenarbeit Entwicklungstätigkeit
Bekanntmachung Herkömmliche
Marketingaktivitäten betreiben
und Pressemitteilungen ver-
fassen
Credit System Alle Beiträge mit deutlichem
Hinweis auf Autoren
veröffentlichen
Kommunikationskanäle Entsprechend der Community-
Größe Kommunikation auf
einige wenige Kanäle
fokussieren
Community-Struktur Den Bedürfnissen der Commu-
nity entsprechende Strukturen
schaffen
Aufgabenliste Kurze Beschreibungen anste-
hender Aufgaben mit Auf-
forderung zur Mithilfe pub-
lizieren und aktuell halten
Software-Qualität Nur funktionierende und aus-
gereifte Software-Änderungen
und -Erweiterungen integrieren
Benutzeroberfläche Benutzeroberfläche für einfache
Bedienbarkeit und Gestaltung
ausarbeiten
Installation Installationsprozess anhand
eingeholter Feedbacks opti-
mieren

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Danksagungen oder finanzieller Unterstützung Projektmitarbei- unter bestimmten Voraussetzungen auch Hauptentwickler für ge-
tende ermutigt, Ressourcen für die Erstellung einer anspruchsvol- wisse Tätigkeiten finanziell entschädigen.
len Projektdokumentation einzusetzen. Den Community-Aufbau eines Projekts „international“ anzu-
Die Attraktivität eines Open-Source-Projekts wird auch durch gehen erfordert unter anderem sämtliche Kommunikation auf
dessen „Lebendigkeit“ bestimmt. Diese kommt vor allem durch Englisch zu führen. Dies ist für einen Nicht-Muttersprachler etwas
die Häufigkeit von veröffentlichten Software-Versionen zum Aus- schwieriger, bringt aber gewichtige Vorteile mit sich. Einerseits
druck. Die Projektverantwortlichen sollten deshalb regelmäßig kann ein viel größeres Anwender- und damit auch Entwickler-Pu-
neue Releases veröffentlichen. Zum „Release Management“ ge- blikum angesprochen werden, was ermöglicht, eine multikultu-
hört neben einer Ankündigung mit Hinweis auf alle wegweisen- relle Community aufzubauen. Andererseits sind Übersetzungstä-
den Erneuerungen auch ein vollständiges Änderungsprotokoll tigkeiten, wenn technisch vorgesehen, eine gute Einsteigerauf-
der neuen Software-Ausgabe. Die Festlegung eines neuen Relea- gabe für motivierte Anwender um erstmals aktiv am Projekt
ses ist eine sensible Aufgabe, bei der unter Einbezug aller Inter- mitzuwirken. Des weiteren trägt eine Community mit vielseitiger
essengruppen auch Feature Freezes eingehalten werden müssen. Herkunft zu einer ausgeglichenen Kommunikation bei und kann
Dies erfordert zuweilen einige Durchsetzungskraft der verant- bei respektvollem Umgang gewisse lokale kulturelle Phänomene
wortlichen Personen. Um eine gewisse Kontinuität ausweisen zu abschwächen.
können, sollte auch ein zeitlich festgelegter Veröffentlichungs- Neben den erläuterten sieben übergreifenden Gebieten des
rhythmus von beispielsweise einem halben Jahr in Betracht ge- Community-Aufbaus fördern weitere Tätigkeiten das Wachstum,
zogen werden. Bei jedem Update ist die Rückwärtskompatibilität die Zusammenarbeit und die Entwicklungstätigkeit der
zu gewährleisten und nur unter unumgänglichen Umständen zu Community-Mitwirkenden. So steigern herkömmliche Marke-
brechen. Migrationsskripte können in diesem Fall einen Lösungs- tingaktivitäten, wie beispielsweise der Versand von Pressemittei-
ansatz bieten. lungen an alle bekannten Technologie-Medien, den Bekannt-
Obwohl SourceForge, Freshmeat, Tigris und andere „Kollabo- heitsgrad der Software und wirken imagebildend. Des weiteren
rationsplattformen“ dieser Art Einschränkungen unter anderem in werden Mitwirkende durch ein Credit-System motiviert, qualitativ
den Bereichen Technologie, Server-Zugriff und Gestaltung vor- hochwertige Beiträge für das Projekt zu liefern. Die bewusste Wahl
geben, bieten sie dennoch zahlreiche Möglichkeiten an, unkom- der Kommunikationskanäle wie Website, Chat-System, Mailing
pliziert ein neues Open-Source-Projekt zu starten und die Listen, Wiki und Foren helfen, die Diskussionen auf einige wenige
anfängliche Zusammenarbeit zwischen den Community-Mitglie- Kanäle zu konzentrieren. In jedem Fall ist die Qualität der Software
dern zu unterstützen. Oft beschließen Projektverantwortliche zu sicherzustellen, was bedingt, dass ausschließlich funktionierende
einem späteren Stadium, das Projekt auf einen individuellen Ser- und ausgereifte Software-Änderungen und -Erweiterungen ins
ver zu transferieren. In jedem Fall ermöglichen diese Plattformen Projekt integriert werden. Auf technologischer Ebene spielen
dem Open-Source-Projekt eine breite Sichtbarkeit, wodurch sie auch die ansprechende Benutzeroberfläche und der einfache In-
im Internet einfacher aufgefunden werden – besonders wenn es stallationsprozess wichtige Rollen und dürfen nicht als Nebensa-
durch den intensiven Gebrauch der Plattform-Funktionalitäten che abgehandelt werden.
eine hohe Platzierung in den Aktivitäts-Ranglisten bekommt.
„Physische Begegnungen“ wie Präsentationen, Vorträge und Ausblick
Workshops an Konferenzen oder Messeveranstaltungen sind eine Sind nun nach den erstrebenswerten Community-Charakteristi-
geeignete Möglichkeit die Funktionalitäten der Software vorzu- ken auch die Maßnahmen aufgezeigt, welche eine derartige Ent-
führen und neue Anwender und damit potentielle zukünftige stehung unterstützen, ist es interessant, zum Schluss noch kurz
Entwickler zu gewinnen. Dabei wirken soziale Kontakte, beson- einen Blick auf die TYPO3 Community im Spezifischen zu werfen.
ders zu den Hauptentwicklern, vertrauensbildend und erhöhen Dazu sei festgehalten, dass – auch wenn hier nicht explizit ausge-
den Anreiz am Projekt mitzuwirken. Der Wissenstransfer, der bei wiesen – zahlreiche der oben angesprochenen Themen aus dem
solchen physischen Begegnungen auf intensive Weise stattfindet, beinahe zweistündigen Interview mit Daniel Hinderink von der
fördert die Zusammenarbeit auf technischer und organisatori- TYPO3 Community stammen. Es ist deshalb kein Zufall, dass alle
scher Ebene und motiviert zur Weiterarbeit. Zu berücksichtigen der acht umfassenden Handlungsbereiche von der TYPO3
ist dabei jedoch, dass abwesende Community-Mitglieder nach Community vollständig oder zumindest in Teilbereichen bereits
Möglichkeit nicht benachteiligt und wichtige Diskussionen und heute bearbeitet werden.
Entscheidungen immer noch online geführt werden sollten. Bei
Sprints sollten im Vorfeld klare Ziele gesteckt werden, um fokus- Links und Literatur
siert auf die nötigen Verbesserungen hinarbeiten zu können. [1] Open-Source Community Building: http://opensource.mit.edu/
Die meisten großen Open-Source-Projekte werden heutzuta- papers/sturmer.pdf
ge von einer nicht gewinnorientierten Trägerorganisation gelei- DER AUTOR
tet. Diese juristischen Institutionen tragen zur Stabilität und
Matthias Stürmer hat an der Universität
Kontinuität des Open-Source-Projekts bei, indem sie sich bei-
Bern Betriebswirtschaft und Informatik
spielsweise um rechtliche Aspekte der Lizenzen und Marken küm-
mit der Lizenziatsarbeit „Open Source
mern, mehr Transparenz in Hinsicht auf Entscheidungsprozesse Community Building“ abgeschlossen. Im
bieten, personelle Fluktuationen glätten, die Entwicklungs-Infra- Januar 2006 hat er an der ETH Zürich im
struktur bereitstellen und finanzielle Fragestellungen zentral an- Team von Prof. Georg von Krogh eine Dis-
gehen können. Gegenüber Externen repräsentiert die Träger- sertation über Open-Source-Software
schaft den Ansprechpartner des Projekts und kann dadurch auch und Open Innovation begonnen. Er in-
die Community-Aktivitäten im Bereich Marketing bündeln und itierte 2004 die erste Open-Source-Mes-
einen Image-Aufbau bewirken. Für individuelle Entwickler bietet severanstaltung LOTS – Let's Open the Source in der Schweiz mit
sie, beispielsweise bezüglich etwaiger Programmierfehler, Schutz und wirkt nun im Verein /ch/open mit.
gegenüber Anklagen, sichert die Rechte am Quellcode und kann

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