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Kleiner Brünner Gassenbote

Freunden und Mitgliedern des DSKV Brünn

Juli/August 2004 Brünn Jahrgang 3 /Nr.4

Die Redute: Es lässt sich jetzt schon erahnen, welche Bereicherung des Stadtbildes die
renovierte „Redute“ sein wird.

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Zum Geleit
„Zum Geleit“ soll versuchen die Verspätung dieser Ausgabe zu erklären. Es gibt viele Gründe:
Zuerst war es eine Gehirnerschütterung, die sich der Gestalter bei einem häuslichen Unfall
zuzog, dann waren es die verschiedenen Veranstaltungen, die von den Gassenbotenmachern
besucht wurden, dann brach doch noch der Sommer aus, mit anderen Aktivitäten. Ein
Computerausfall verhinderte und verhindert noch immer den Zugriff auf einige wichtige Fotos,
u.a. vom Sudetendeutschen Tag in Nürnberg und, und, und….. Um Ausreden sind wir, wie man
sieht, nicht verlegen.
Wie wir im letzten Gassenboten mit einigem Stolz vermerkten, wird der DSKV zunehmend von
Besuchergruppen kontaktiert, dafür sind Vorbereitungen zu treffen, Reservierungen zu
machen, Zufahrtsgenehmigungen einzuholen, z.B. zum Spielberg. Das macht viel Freude,
kostet aber auch viel Zeit.
Einen Höhepunkt zu diesem Thema wollen wir bereits jetzt ankündigen: Am 15.10. weilt der
Chor der Kantorei St Johannes aus Hannover in Brünn, der hier ein Konzert geben wird. Wir
haben dafür die Kirche St. Augustin im Masaryk-Viertel ausgesucht. Das Konzert beginnt um 17
Uhr. Es handelt sich um einen sehr professionell geführten Chor, der schon Konzerte in vielen
europäischen Städten gab, so unter anderem auch im vergangenen Jahr in Krakau. Der DSKV
wird auch eine Stadtführung für die Chormitglieder durchführen.
Der Südmährische Landschaftrat mit Sitz in Geislingen an der Steige wird, gemeinsam mit den
Vertretern der Stadt Geislingen mit seinem Oberbürgermeister Amann, ebenfalls im Oktober
Brünn besuchen. Auch hier wird der DSKV hilfreich assistieren.
Natürlich wäre manches leichter zu machen, wenn der DSKV Zutritt zum Begegnungszentrum
hätte, aber dort sitzt nach wie vor Frau Müller darauf und blockiert damit manche
zukunfstssichernde Aktivität.
Daß wir mit unserem Bericht über die Herero manchem „Profi“ und selbst dem Deutschen
Bundestag zuvorgekommen sind, erfüllt uns mit Freude, zeigt es doch, daß wir eine ganz „gute
Nase“ für das Zeitgeschehen haben.
Unsere Leser werden sicher bemerken, daß einige unserer Beiträge der „Brünner Zeitung –
online“, der Internet-Schwester des Gassenboten entnommen sind, bzw. dort zuerst
veröffentlicht wurden. Wir hoffen, daß das die Lesefreude nicht beeinträchtigt.

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Brünner Kultur: Architektur

Anknüpfen an die Moderne

Die Brünner Architekturszene heute


Benedikt Hotze, 17. Mai 2004
Fortsetzung von GB3-03
Zurück nach Brünn, zurück zu neuzeitlichen Materialien: Die Architekten Ludvík Grym
und Jindrich Skrabal haben am Brünner Ring (Koliste-Straße 27) einen der
bemerkenswertesten Neubauten der letzten Jahre in Brünn geschaffen - als ihren
Erstling. Es handelt sich um eine Lückenschließung im Block mit einer zweischaligen,
aluminiumverkleideten Fassade, die durch elegante, liegende Fensterformate geprägt
wird. Die Architekten nennen es ihr "Big Little Building", und den Auftrag haben sie als
Abfallprodukt im Zusammenhang mit der Errichtung einer Fußgängerbrücke bekommen:
Ein Investor hatte einige hundert Meter außerhalb des Innenstadtgebiets, abgekoppelt
von den alltäglichen Wegeströmen, ein architektonisch nicht weiter bemerkenswertes,
aber großes Büro- und Einkaufszentrum errichtet. Dieses sollte über einen öffentlichen
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Fußweg mit dem Theaterpark in der Innenstadt verbunden werden, wobei er - in Höhe
einer Baulücke - über die stark verkehrsbelastete Ringstraße hinweg als Brücke führen
sollte. Für den Entwurf der Brücke wollte man einen internationalen Star-Architekten
verpflichten und beauftragte den in London lebenden Exil-Tschechen Jan Kaplicky von
"Future Systems". Der verlor jedoch irgendwann die Lust, so daß seine Londoner
Kollegin Eva Jiřičná zum Zuge kam. Grym und Skrabal dienten ihr als örtliche
Kontaktarchitekten für die Bauleitung der formal ambitionierten, im Grundriß leicht S-
förmigen Stahlbrücke. Den Entwurf des bis dato unausformulierten Gebäudes, das diese
Brücke durchqueren sollte, übernahmen sie kurzerhand selbst, weil die Behörden
forderten, Brücke und Haus als Einheit zu betrachten und zeitgleich zu errichten. Nun
steht es seit September 1998 zeichenhaft direkt neben einem heute angegammelten,
aber gleichwohl immer noch eindrucksvollen Wohnungsbau des Architekten Otto Eisler
von 1935-36.
Etwas mehr Geduld mit ihren Erstlingen mußten die Architekten Rusin und Wahla
aufbringen: Wie der frühe Hans Hollein haben sie sich jahrelang mit Innenausbauten
begnügt, in diesem Falle vor allem für Bars wie das "Café Blau" oder "B 51". Beide
liegen in der Brünner Altstadt, wobei die "B 51" inzwischen schon wieder geschlossen
ist. Ihren ersten Hochbau haben sie kürzlich in Moravské Knínice als ein Einfamilienhaus
mit einer großzügigen, raumhohen Fensterfront in der Beletage errichten können.
Geringere Probleme mit der Auftragsakquise scheint das Büro "A Plus" zu haben: Die
Partner Jaromír Cerny, Karel Tuza und Petr Uhlíř verstehen sich als gewerbliche
Architekten, die für ihre Auftraggeber auch die Projektentwicklung anbieten. Der
Architekturqualität bereitet das erfreulicherweise keinen Abbruch; das Büro hat kürzlich
einen Verwaltungskomplex für die Südmährischen Gaswerke errichtet, das sich in einem
Brünner Industrieviertel an der Plynárenská-Straße, in der Nähe des weithin sichtbaren
Kraftwerks, befindet. Der achtgeschossige Glaszylinder des Verwaltungsturms ist gut
von der Bahnstrecke Brünn-Prag aus sichtbar; er ist in Anlehnung an formale Motive
eines Gasometers mit einer technizistischen Fassade ausgestattet, die von einem Netz
aus diagonalen Auskreuzungen überzogen ist, das als krönender Kranz ein Geschoß
über die Traufkante hinausragt.
Ebenfalls zu einer eher technischen, wenn auch zurückhaltenderen Formensprache hat
Altmeister Viktor Rudis, der einstige Mentor der jüngeren Brünner Szene, gefunden. Er
betreibt sein Büro heute mit seinem Sohn Martin und mit Zdenka Vydrová. Sein
wichtigstes Werk der letzten Jahre ist der "Pavillon G" auf dem Brünner Messegelände,
das als Gesamtkunstwerk der zwanziger Jahre gelten kann. Der ursprüngliche Pavillon
G war 1928 von Bohumil Čermák als Schlußpunkt einer der beiden Achsen des
Geländes errichtet worden und bestand aus zwei Hallen mit Türmchen sowie einem
zentralen, 45 Meter hohen verglasten Turm als Point de Vue. Wegen Bauschäden wurde
nun dieses Ensemble in Teilen abgerissen und durch zwei große Hallen ersetzt. Der
zentrale Turm wurde erhalten, ebenso einer der beiden kleineren; der andere wurde in
veränderter Form neu errichtet. So kann diese Verknüpfung von Alt und Neu als Symbol
gelesen werden: als Symbol für das ganz selbstverständliche Weiterleben des "Brünner
Funktionalismus" in der Brünner Architektur unserer Tage.
Der ursprüngliche Artikel ist auf der Webseite zu finden.
Benedikt Hotze wurde 1964 in Essen geboren, studierte Architektur an der TU
Braunschweig, seit 1997 Chefredakteur des Online-Dienstes BauNetz der Bertelsmann
Fachinformation (heute: Springer Business and Science Media), daneben freiberufliche
Tätigkeit als Architekturkritiker und Fotograf; diverse Buch-, Zeitungs- und

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Zeitschriftenpublikationen (u.a. Die Zeit, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Süddeutsche
Zeitung u.a.)
Eigentlich hätten zu diesem interessanten Artikel noch Bilder gehört, aber die haben wir
mehr nicht untergebracht. Wir werden es im nächsten „Gassenboten“ nachholen. Ja
wenn, siehe „Zum Geleit“.

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Kindersoldaten
In der Tschechischen Republik sieht man zur Zeit häufig die Bierreklame mit den
Kindersoldaten. Es mag sein, daß das Bild gestellt ist, es könnte aber ebenso echt sein, denn
Kindersoldaten sind eines der großen sozialen Probleme West-Afrikas. Sie als Geißel zu
bezeichnen widerstrebt mir, sie sind eher Opfer als Geißel, denn von irgendeinem Kriegsherren
mit einer Kalaschnikov ausgerüstet, erhalten sie mehr, als alles was sie vorher vom Leben
erwarten konnten: täglich etwas zu essen.
Für eine Generation in West
Afrika ist eine Kalaschnikov die
Überlebenschance. Dieses
Gewehr hat zehntausenden
junger Männern und
zunehmend auch jungen
Frauen, ermöglicht, durch
Terror ihr eigenes Überleben zu
sichern. Sie waren das Fußvolk
der Konflikte, die in der Region
in den vergangenen 15 Jahren
ausgetragen wurden.
Heute sind fast 24 000 Helfer
im Auftrag der Vereinten
Nationen in dieser Region, d.h.
in Siera Leone, in Liberia und
der Elfenbeinküste tätig. Ihr
wesentliches Aufgabengebiet
ist die Entwaffnung der Milizen, und deren meist jugendlichen Kämpfer einer zivilen Aufgabe
zuzuführen.
Mit einer finanziellen Entschädigung wird versucht, in Liberia und Siera Leone geschätzt je gut
50 000 Kämpfer zur Abgabe ihrer Waffen zu bewegen. Neben der finanziellen Entschädigung
wird diesen Menschen auch der Zugang zu Erziehungsmaßnahmen ermöglicht und damit ein
ganz kleines Fenster „Zukunft“ geöffnet.
In der Elfenbeinküste ist ein ähnliches Programm in Vorbereitung, vorausgesetzt, Regierung
und die Rebellenorganisationen können dafür gewonnen werden.
Was aber geschieht, wenn das Geld aufgebraucht ist?
Leider kann davon ausgegangen werden, daß sich der Kreislauf wiederholt. Hunger kehrt
zurück, weil es im Prinzip keine Arbeit für sie gibt, die ein auskömmliches Leben sichern
könnte. Dazu fehlt die wirtschaftliche Basis, die in den fast eine Generation dauernden
Bandenkriegen zerstört wurde. Also sitzen die jungen Menschen ohne etwas zu tun zu haben
herum.
Bis ein neuer Warlord kommt, der Brot verspricht und ihnen eine Kalaschnikov in die Hand gibt
….
Solange zu den Entwaffnungsprogrammen nicht gleichzeitig eine Lebensperspektive geboten
werden kann, sind sie leider zum Misserfolg verurteilt.

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Warum also nicht einen Bierheller zugunsten von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für
ehemalige Kindersoldaten einführen? Die Biertrinker könnten es sich leisten, die Brauerei
sicherlich auch!
g.h. in „Brünner Zeitung – online“ (www.brünnerzeitung.cz)

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Zum Tode von Dr. Ferdinand Jurda

DSKV – Mitglied Dr. Ferdinand Jurda starb am 31.Juli 2004 im 87. Lebensjahr in Kempten im
Allgäu. Sein Tod hat uns ziemlich überrascht, weil er noch wenige Tage vorher mit der Familie
seiner Tochter Prag besuchte.
Dr. Jurda war nicht nur ein Mitglied des DSKV, er wurde in der kurzen Zeit auch für manche
von uns zum Freund. Wir erinnern uns gerne an die erste Wahl des Vorstandes des DSKV, die
er humorvoll, aber souverän und korrekt leitete.
Wir wollen hier keine großen Worte machen, sondern ihn selbst zu Wort kommen lassen
Der Verstorbene richtete nämlich wenige Wochen vor seinem Tode, noch ein launiges
Schreiben an seinen Freund Dr. Erich Pillwein, das wir im Einverständnis mit dem Adressaten,
hier veröffentlichen:
Lieber Erich, Du kennst sicher das Buch des Budweisers Götz Fehr „Fernkurs in Böhmisch“ in
dem er sich für eine vereinfachte Schreibweise unter Verwendung der tschechischen
Diakritzeichen ausspricht. Das zweite Buch von ihm heißt „Böhmisches Kursbuch“.
Also in dism buch šrajbt er nicht iber die pémischn ajsnbánen, wann und wohin die zíge fárn, er
berichtet iber saine erlebnisse in Budwajs und umgébung. Mir gefellt dise verain-fachte
šrajbwajse sér. Man kann kaum féler machn. Wo man ein ie šrajbn misst, wie in „Wiese, Liebe“,
macht man einfach einen strich ibers í. Ein h als Dehnungszeichen nach a oder e wie z.B.“
mehr, Reh, sehen, Bahn, fahren“, gibts nicht mér, man macht nur ibers e oder a einen Strich
und schon hacichs: mér, ré, sén, bán, fárn. Víl zait špart man mit dem Hackerl iberm s oder r
und man braucht weniger papír bajm šraibn. Ganz daitlich wird es bajm wort arsch, das hat 5
buchstabn und so wie Fehr es voršlagt braucht man nur zwei: ař.
Man sollte diese naje šraibwaise iberall einfírn, wo deič gesprochen wird, und aine Abštimunk
dariber abhaltn, ich mecht dafir sajn. Beste griße Dein Ferdi.

Ja, lieber Ferdi, leider müssen wir in Zukunft auf Deinen Humor verzichten, denn dort wo Du
jetzt bist, gibt es vermutlich keine e-mail – oder vielleicht doch, dann rühr dich bald?
g.h.
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Die Brünner „Spielbergspatzen“ unter der Leitung von Frau Dipl.-Ing Dora Müller haben seit
einiger Zeit das Märchenspiel „Der Rattenfänger von Hameln“ in ihren Repertoire. Der
„Gassenbote“ berichtete darüber und das nahm einer unserer Leser zum Anlaß, uns den
nachfolgenden Beitrag zu schicken, der aus dem „Brünner Heimatboten“ von Anfang 1980
stammt.
Leider ist es uns nicht gelungen, den erwähnten Ort in der Umgebung Brünns zu finden, weder
auf einer aktuellen Landkarte, noch auf alten Karten. Hamiltony bei Wischau/Viskov ist der
einzige Ort, den wir ausmachen konnten, der nach Hameln klingen könnte. Vielleicht weiß eine
unserer Leserinnen oder ein Leser, wo der Ort zu finden ist.

Der Rattenfänger von Hameln – Geschichte einer Kolonisation

Erzählt von Lore Wegener

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Ob jung, ob alt, wer kennt sie nicht, die Geschichte vom „Rattenfänger von Hameln“.
Wir alle kennen den Rattenfänger als Märchen oder Sagenfigur; wie er einst die Stadt Hameln
von den Ratten befreite, sie mit seinem Flötenspiel in die Weser lockte. Weil er dafür aber nicht
den versprochenen Lohn bekam, aus Rache viele Kinder aus Hameln in einen Berg lockte, der
sich hinter ihnen shcloß, wo sie langsam verhungern mussten.
Es ist aber die „Geschichte einer Kolonisation“, die eng mit Mähren, mit einem Ort bei Brünn
verbunden ist.
Man schrieb das Jahr 1230:
Der Bischof von Olmütz, Graf Bruno von Schaumburg, hatte ernste Sorgen, weil riesige Teile
seines mährischen Landes unbebaut waren und es an Arbeitskräften fehlte. Obwohl die
Mongolenkämpfe schon vierzig Jahre zurücklagen und die gelbe Flut aus dem Osten nach dem
plötzlichen Tode des Groß-Khans Ügedei zurückgeflutet war, waren die Verluste an jungen,
starken Männern noch nicht wieder aufgeholt. Die Felder waren verwüstet, die Wälder verkohlt.
Der #Bischof dachte lange nach, wie er junge Männer ins Land für alle die se dringenden
Arbeiten bekommen könnte. Da erinnerte er sich an ein langes Schreiben seines Freundes,
des Bischofs von Minden. Klagte er nicht darüber, daß in seinem Lande gar zu viele hungrige
Mäuler lebten? – Hier zu wenig, dort zu viele, dachte der Graf: sollte sich das nicht miteinander
ausgleichen lassen?
Er schrieb an den Freund in Minden und setzte ihm seinen Plan hochgemut und weitschweifig
auseinander. Weil ihm die Idee so gut gefiel, bekam er Mut und schrieb in der gleichen Weise
noch an andere Bekannte im Braunschweigischen.
Beim Mindener Bischof und bei manch anderem fand der Plan ein freudiges und offenes Ohr.
Noch viele Briefe gingen hin und her, bis es eines Tages so weit war:
Werber aus den mährischen Landen tauchten im Braunschweigischen auf und rührten fleißig
die Trommel, um gesunde, arbeitswillige Männer anzuwerben. Sie verkündeten, daß gutes
Land im Osten von kräftigen und strebsamen Männern zu bebauen und ertragreich zu machen
wäre.
Die Werbemänner hatten eine beschwerliche Reise hinter sich, aber da ihnen die Bedeutung
ihres Werbefeldzuges vom Olmützer Bischof erklärt worden war, traten sie bescheiden und
ehrerbietig auf.
Es waren ausgesucht vertrauenswürdige Männer von angenehmem Äußeren und in guter, ja
eleganter Kleidung. Man empfing sie mit einigem Misstrauen, denn ihr eigenartiger Dialekt
verriet, daß sie Fremde waren. Fremden begegnete man zu jener Zeit mit äußerster Vorsicht,
weil oft solche Leute durch die Lande zogen und kräftige Männer zum Kriegshandwerk
anwarben, die dann für fremde Fürsten auf weit entfernten Schlachtfeldern ihr Leben lassen
mussten. Es gab immer wieder junge Männer, die Neugier oder Abenteuerlust in die Ferne
lockte, die das gute Handgeld annahmen und davonzogen um nie mehr wiederzukehren.
Eine zeitlang war es wie eine Sucht über die jungen Leute gekommen; Aber seit man Kunde
von ihrem Ende oder traurigen Schicksal bekommen hatte, war es nicht mehr so leicht, junge
Leute anzuwerben. Selbst das karge Brot und die heimatliche Enge machte die jungen
Burschen nicht williger, sich zum fremdländischen Kriegsdienst zu melden.
Die Männer aus Olmütz hatten es anfangs sehr schwer, die Leute aus Minden und weit herum
im Braunschweigischen zu überzeugen, daß sie zum Heil des Landes gekommen waren. Sie
hatten Geleitbriefe des Mindener Bischofs sowie der Kirchengewaltigen von Fulda und
Braunschweig bei sich und besiegten damit bald das Misstrauen der Bürger. Man hörte sich
bereitwillig ihr Vorschläge an. Sie versprachen Arbeit und reichlich Brot und Wohlergehen in
einem fremden Lande. Dieses Land lag weit im Osten und sollte schön und von gutem Boden
sein. Das klang den jungen Leuten gut im Ohr, das Handgeld der Olmützer war gut; auch
versicherten die Herren von Olmütz, Minden und Braunschweig höchstselbst mit heiligem Eide,
daß es sich um keinen Betrug handele.
Es wurde klar gesagt, wohin es gehen solle, auch solle jeder in die Heimat zurückkehren
dürfen, sollte es ihm im mährischen Lande nicht gefallen oder wenn das Heimweh zu groß
werden sollte.
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Damit waren bei vielen jungen Leuten Zweifel und letztes Zögern überwunden, viele dachten
wohl, daß eine Wanderung nicht schaden, sondern recht lehrreich und anregsam sein könne,
und so fanden sich nach und nach in den folgenden Jahren insgesamt wohl an die 25 000
Menschen, die es mit einer neuen Heimat versuchen wollten.
In Hameln versammelten sich am 26. Juni
1284, dem Johannistage, auf dem
Marktplatz 130 Wanderlustige,
verabschiedeten sich von ihren
Verwandten und freunden und zogen unter
Anführung des jungen Mannes, der sie
angeworben hatte, durch das Osttor in die
Fremde hinaus.

Das Foto zeigt eine Szene des Spiels der


Spielbergspatzen.

Viele Bürger gingen noch ein Stück des


Weges mit ihnen und winkten ihnen so
lange nach, bis der Zug über einen Hügel
hinweg ihren Augen entschwand und das
fröhliche Lied, das der Werber auf seiner Flöte spielte, in der Ferne verklang.. Es dauerte gar
nicht so lange, daß man die Kunde erhielt, daß die Ausgezogenen das Land Mähren erreicht
hatten und dort Grund und Boden, Arbeit, Brot und reichliches Auskommen gefunden hatten.
Die Auswanderer aus Hameln nannten ihre neue Heimat in der Nähe von Brünn „Hamlingen“,
woraus später in slawischer Schreibweise „Haminglov“ wurde. Noch heute trifft man dort alte
Hamelner Familiennamen an, als Zeugen dafür, daß die Ansiedler dort Familien gründeten und
zu den Urvätern neuer Generationen wurden, die sich dem kolonisierten Mähren verbunden
fühlten und nicht mehr in die alte Heimat zurückkehren wollten.
Dem Werber aber , der vor über sieben Jahrhunderten die 130 jungen Leute aus Hameln
wegführte und dessen Überredungskünsten sie ihr Glück verdankten, wurde seine
menschenfreundliche Tat von der Geschichtsschreibung schlecht gedankt, er ging in die
Überlieferung als Urbild des Massenverführers ein, als „Rattenfänger von Hameln“.
Daran war nur eine damals übliche falsche Malweise und der frühere Sinngehalt eines Wortes
schuld: Die Hamelner Bürger gaben für eine ihrer Kirchen ein Glasgemälde in Auftrag.
Der Künstler sollte sollte den Auszug ihrer Kinder in angenehmer und erbaulicher Weise ins
Bild setzen. Die Bezeichnung „Kinder“ wurde damals wesentlich großzügiger angewandt als
heute, wir würden sagen, es waren junge Leute, die zu der Zeit, also im 13. Jahrhundert, selbst
Erwachsene noch klein an Körpergröße waren.
Die Menschen wurden im Laufe der Jahrhunderte immer größer. Unsere „Teenager“ im
Vitaminzeitalter, sind meist Riesen im Vergleich zu den vor 700 Jahren lebenden Menschen.
Einerseits kannte der Maler damals noch keine perspektivische Malerei, diese kam erst im 15.
Jahrhundert auf, zum anderen wollte er Hamelner „Kinder“ ins Bild bringen und im rechten
Gegensatz zu ihrem Anführer mit der Flöte setzen.
So gerieten sie wahrscheinlich kleiner, als sie in Wirklichkeit waren. Die „Kinder“ malte er in
einheimischer Tracht, derb und fürs Wandern gekleidet; der Werber jedoch, den man ihm als
schönen Mann von fremdländischer Eleganz geschildert hatte, geriet größer und prächtiger als
die Hamelner Jugend, die er anführte.
Und wie war es mit den Ratten?
In alten Chroniken kann man lesen, daß die Städte des Mittelalters sehr oft von Ratten
wimmelten, plötzlich verschwanden diese Plagegeister oft spurlos und ohne erkennbare
Ursache. Das kam den Bürgern dann wie ein himmlisches Wunder vor. Jahrhunderte später
erst stellte die Naturwissenschaft fest, daß Ratten, Mäuse und andere Nager oft ganz plötzlich

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von unerklärlicher Wanderlust gepackt wurden, oder auch flohen, wenn sie nicht mehr genug
Nahrung fanden.
Kommen nun dies zwei wundersamen Geschehnisse zusammen, das plötzliche Befreitsein von
der Rattenplage und der herzbewegende Auszug der Hamelner Kinder mit dem fremdländisch,
geheimnisvollen Flötenspieler, dan kann man schon begreifen, wie die aus dem ereignisarmen
Alltagsleben aufgerüttelten Bürger beim Schwätzchen miteinander während des Besprechens,
Erzählens und Nacherzählens vieles von früher nicht mehr wussten und wegließen, aber auch
manches zusammnegefügt hatten, was nicht zusammen gehörte, bis das Märchen, die Sage –
oder wie immer man es nennen will – vom „Rattenfänger von Hameln“ fertig war.

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Sprichwörterecke.

Frau Christa Braun regte schon vor einiger Zeit an, leere Plätze an den Seitenenden mit
Sprichwörtern aus dem reichen Schatz deutscher Volkesweisheiten zu füllen. Wir griffen diese
Idee nur halbherzig auf, nicht weil sie uns missfiel, sondern weil genau dann, wenn Platz
vorhanden war, wir keinen passenden Spruch finden konnten und weil es genau dann immer
eilt. Lücken entstehen eigentlich erst, wenn die ganze Ausgabe fertig gestaltet ist, und wie
unsere Leser sicher bemerkt haben, sind wir meistens ohnehin sehr spät fertig.
Gut, inzwischen kam von Dr. Pillwein eine ähnliche Idee, nämlich ein deutsches Sprichwort
abzudrucken und unsere Leser aufzufordern, das entsprechende tschechische Sprichwort zu
finden. Auf diese Weise könnte ein deutsch-tschechisches „Schatzkästlein“ entstehen. Wir
werden diese Sprichwörter nicht als „Lückenbüßer“ benutzen, sondern dafür eine eigene Rubrik
machen. Unsere Leser bitten wir, nicht nur die andersprachliche Ergänzung zu machen,
sondern auch ganze Paare einzusenden. Also probieren wir, wie es geht:

Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben.


Nechval dne před večerem

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Erinnerung an den Brünner Todesmarsch

Am 28. August wird das Mahnmahl der Vertriebenen, der Nachbau des von den Tschechen
gesprengten Aussichtsturmes auf dem Altvater in Sudetenschlesien, feierlich eröffnet. Auf dem
Altvater/Pradet befand sich seit der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert ein Aussichtsturm.
Dieser musste in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts dem jetzigen Fernseh- und
Aussichtsturm weichen.
Zum Gedenken an die Vertreibung der Deutschen aus der Tschechoslowakei wurde der
abgerissene Turm originalgetreu auf dem Wetzstein in Thüringen aufgebaut. In vorgesehenen
Nieschen des Turmaufganges werden Gedenktafeln angebracht, die an markante
Vorkommnisse der Vertreibung hinweisen sollen. Eine Tafel wird an den Brünner Todesmarsch
erinnern. Die Tafel wurde von Markwart Lindenthal in Zusammenarbeit mit seinem Vater
gestaltet. Von einem kleinen Team der Bruna, bestehend aus Hanna Zakhari und Dr. Pillwein
wird eine Informationsschrift zu Brünn und den Ereignissen des Mai 1945 vorbereitet, die dann
dort ausliegen wird. Ausserdem wird zur Eröffnung auch eine Pressemitteilung an anwesende
Zeitungsberichterstatter vorbereitet und dort verteilt.

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Das Bild links zeigt
den Wachsabguß
der Tafel. Der
inzwischen
angefertigte
Bronzeabguß wird
dem Sicher voll
entsprechen. Das
rechte Bild zeigt den
neuerrichteten Turm.
Lesen Sie dazu den
Bericht über den
Altvater von Dr.
Moravčik auf Seite

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In der vergangenen Ausgabe ließen wir einen


„Spätheimkehrer“ über seinen Besuch in Brünn zu Wort
kommen. Ein Leser, Herr Morawek nahm dies zu Anlaß,
uns den nachfolgenden Beitrag zuzuschicken. Unsere
Arbeit mit diesem Artikel wurde noch erleichtert, weil der
Text bereits auf einer Diskette bei uns ankam.

Wissen Sie noch ? Erinnerungen an


das "Alte BRÜNN "
Es ist ein neuerlicher Versuch einen Spaziergang durch unser liebes Brünn zu machen.
Einen Streifzug kreuz und quer, den wir in all den Jahren, in Gedanken, immer wieder
gemacht haben .Erinnerungen tauchen auf.
Vieles ist in Wahrheit anders, aber vor unseren Augen größer, schöner - und na ja, - es
ist halt unser liebes Brünn! Aber wo beginnen wir? Mitten in der Stadt? Oder von der
Wienergasse? Am besten wohl vom Hauptbahnhof aus! Aber kein Anspruch auf
Vollständigkeit. Eben so, wie es gerade einem einfällt und wie wir es auch so oft aus
unserer Erinnerung taten.
Aber . . . eines wollen wir nicht. Ermüdende Jahreszahlen, die sowieso niemand behält .
Also beginnen wir am Bahnhof. Aber wohin? Gehe ich nach links an der Post, den
Prerauer Bahnhof vorbei, die Strassengasse bis zum Brausebad am Ende der
Berggasse oder über den Franzensberg mit dem Obelisk - die Fernsicht genießend bis
zu den Pollauer Bergen? Setze mich im Pavillion auf eine Bank und schaue versonnen
auf's kleine Bassin mit den Goldfischen, gehe weiter durch das gußeiserne Tor in die
Bischofsgasse vorbei an dem Bierausschank Michalke zum Dom?
Ich stehe aber immer noch unschlüssig vorm Hauptbahnhof! Soll ich mich nach rechts
wenden zum Viadukt, wo zwei Geschäfte mit Emailgeschirr und Korbwaren auf Kunden
warten? Und auf der anderen Straßenseite Erfrischungen feilgeboten werden .Die

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Kotscheber mit ihren Bauchläden, vollgestopft mit Knöpfen, Zwirn, kleine Handspiegel,
auch etwas für die Kinder. Außen an den Bauchläden hängen Schuhbandeln und
dekorativ einige Hosenträger; all das versuchen sie an den Mann zu bringen. Abends
sind diese Männer in Restaurants unterwegs. Ihr Bauchladen enthält aber jetzt
Schokoladen, Bonboniers und Rauchwaren. Aber nicht zum Verkauf. Sie lassen den
Interessenten, für einen Geldbetrag, in ein Säckchen greifen und Lose ziehen und dann
heißt es " Grad oder Ungrad "? Die aufgerollten erstandenen Lose erweisen sich dann -
ob Glück oder Niete. Also meistens hat der Kotscheber Glück - und er muß sich nicht
von seiner Ware trennen.
Doch wieder beim Viadukt. Vor mir die Kröna und nach rechts zum Dornych wo vor dem
Mannesmanngebäude eine kleine Grünanlage war, von hier halbrechts in die
Nordbahnstraße die mich geradewegs bis zur Schwarza führt, wo einst das Marterle
stand . - Zurück zum Dornych . Das Haus Mannesmann ist heute der einzige Punkt
von dem aus man noch erahnen kann wo die Straße verlief. Keine Grünanlage, keine
Häuserzeile bis zur ehemaligen Ponavka, kein Klein-Venedig, ein freier Blick bis zur
Tuchfabrik Neumark . .. Zurück zur Kröna. Oder soll ich mich nach links wenden zum
Anfang des Glacis?
An der Ecke Kröna und Glacis, beim Zweiggeschäft "Steinbrecher", wo die Omnibusse
aus der ländlichen Umgebung hielten und die Fabrikarbeiter und die Weiblein zur Stadt
brachten.
Immer noch unschlüssig - Oder soll ich die Bahnhofstraße, bezw. Palackystraße mit dem
wuchtigem Merkurhaus, der breiten Treppe zur Josefsgasse mit den Obst -Standeln, am
Grandhotel vorbei und gegenüber eine dreieckige Grünanlage, wo vereinzelt
Verkaufsbuden, Obst und Süßwaren anboten, und Abends wetteiferten die Karbid -und
Petroleumlampen darum, welche wohl mehr Licht verbreitete. Übrigens an dieser Stelle
war auch eine der letzten Benzinzapfsäulen, wo man noch von Hand den Treibstoff in je
links und rechts 5 Liter fassende Glasbehälter pumpen mußte, bevor man tanken
konnte.
Ach so, also Grand-Hotel, Polizei-Direktion und gegenüber der Güterbahnhof dessen
Geleise bis an die Rückseite des Zoll-und Steueramtes reichten. Übrigens in diesem
Gebäude war ein Paternoster, das heißt ein stetig umlaufender Aufzug, auf einer Seite
nach oben und daneben nach unten. Als Bub dachte ich immer die Leute müßten jetzt
kopfüber herunter kommen. Ab und zu sieht man so einen Paternoster in einem Film. Da
fällt mir dann immer das Zollamt ein.
Apropo Film, da wäre ja noch das Kino-Kapitol, weiter die Basteigasse mit Bienenhaus,
Stadttheater, Justizpalais . . . aber ich stehe ja immer noch vor dem Hauptbahnhof. Ich
habe mich endlich entschlossen und werde mich nach links wenden im Uhrzeigersinn.
Vor mir ein neuerer, moderner Bau -REUNION- steht es mit großen Lettern
geschrieben. Eine Versicherungsanstalt von vielen.
Dann Nehera ein großes Konfektionsgeschäft und gleich daneben O.P. nein, nein kein
Operationssaal , sondern das Kino "Ohne Pause" . Man konnte hineingehen, vielleicht
mitten im Film und blieb solange sitzen bis der Teil kam, den man schon gesehen hat.
Etliche kleinere Geschäfte z.B. Piovati Delikatess-Wurstwaren , dann Voltin ebenfalls ein
bekanntes Wurtwaren und Delikatessengeschäft und an der Ecke der Lamplota.
Eingeweihte wissen es ist ein Kaffeegeschäft, in dessen Auslage öfters ein kindsgroßer
Reklame-Mohr stand, der in der Hand eine Kaffeetasse hielt und stetig mit dem Kopf
nickte .- Auf der anderen Strassenecke steht das bekannte Hotel Padowetz. Und ab hier
wollen wir endlich über die Ferdinandsgasse bzw. Masarykstrasse, zur Stadtmitte .Es
reihen sich Geschäft an Geschäft . Gleich neben dem Lamplota war ein großes

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Fotoatelier "Camillo" . In den Auslagen und Vitrinen waren viele Porträtaufnahmen und
Hochzeitsbilder ausgestellt.- Auch unseres war mal dabei.
Wir gehen weiter. Rechts geht es dann in die Josefsgasse, an der Ecke das Bankhaus
"Suchanek" der Schwiegersohn der Wirtsleute Leiser vom "Blauen Stern" am
Stadthofplatz . Gegenüber vom "Suchanek" das Eckhaus vom Brünner Eichamt und dem
Kaffee und Kolonialwarengeschäft Tejkal.
Gegenüber der Josefsgasse , ging es die Kapuzinergasse hinauf .Links unten an der
Ecke das Kleidergeschäft Nedbal; über diesem im 1.ten Stock das Cafe zu den drei
Hahnen; übrigens auch der Durchgang zum Hotel Padowetz. Also Kapuzinergasse,
Kapuzinerkirche mit der Gruft. Man könnte jetzt die mumifizeirten Mönche erwähnen und
von Pandur Trenk, seiner letzten Ruhestätte. - Weiter.- Dann noch oben links Bananas
sowie vorne am Platz, Vala & Beck, beides große Südfrüchte-Händler,- mit dem
Durchblick zum Dom.
In Erinnerung sind die Straßen, Geschäfte, Erlebnisse und Begebenheiten. Also
Masarykstrasse. Links das bekannte große Geschäft der "Platschek" Saisonmäßig jedes
Jahr, mit langen, von den oberen Stockwerken bis nach unten hängenden langen
weißen Fahnen - welche die "Weißen Wochen" anzeigten. Gegenüber wie erwähnt das
Eichamt. Daneben die Magdalenenkirche. Um deren Ecke die Fraziskanergasse. Hier
standen immer die Weiblein, die je nach Jahreszeit , Heidelbeeren , Johannisbeeren ,
oder auch die ersten Kirschen auf einem Staberl mit Maiglöckchenblättern geschmückt,
darboten. Oder auch 3 Zitronen um 1 Krone.
Und im Winter war der Maronimann da. Da war noch die Drogerie "Zum schwarzen
Hund" und weitergehend ein kleines Plätzchen ,der "Schwammerlmarkt" , gingen wir
weiter, wären wir auf der Josefsgasse beim Cafe-Sedlatschek und vor der Josefskirche.
Zurück zur Masarykstrasse. Anschließend an Platschek und einigen Geschäften kommt
die Blumengasse die zum Krautmarkt führt. Zu erwähnen die Markthalle selbst, wo die
Standelfrauen ihre Standeln aufräumten. Dann die Wildbrethandlung "Deutsch" und
anschließend die "Redoute". Nach überqueren der Blumengasse ist vor uns das
"Schuhhaus Poper". Ach wie hieß es damals noch ? "Bata, Dostal, Poper , Deli" ....will
heißen, er bekam den Popo verhauen. Es hat sich so schön gereimt und nannte
gleichzeitig damalige Großgeschäfte. - Auf der anderen Seite das Herren-und
Knabenkonfektionsgeschäft "Schlesinger",daneben zur Ecke Adlergasse das
Delikatessengeschäft "Wittreich".
Meine Gedanken wirbeln jetzt durcheinander. Soviel geht mir durch den Kopf, kommt auf
mich zu . Ich muß da Ordnung hinein bringen. Am besten wir bleiben auf der linken Seite
und verfolgen alles reihum.
Auf der Masarykstrasse, linke Seite an der Ecke, das Schokoladengeschäft "Zora". Wir
überqueren die 2.te zum Krautmarkt führende Strasse und stehen vorm Haus der
"Modernen Brünnerin" vormals das Lyoner Seidenhaus. Dann der Durchgang zum alten
Rathaus die Rathaussteige. Geschäft an Geschäft, Schmuckwaren, Miederwaren,
Trafiken, Friseure. Wir überqueren die Herrengasse und sind auf dem Großen Platz oder
Freiheitsplatz u.s.w. so viele Namen, wie auch die Straßen den jeweiligen Zeitläufen
haben über sich ergehen lassen müssen.
Es sind berühmte Gebäude, an denen man so oft vorbei ging und sich eigentlich nichts
dabei dachte, sie waren einfach da. Wenn ich in Gedanken an den Häuserfronten
entlang gehe, merke ich erst jetzt diese unendlich große Zahl von Geschäften, die sich
aneinander reihten . Ich sehe sie alle noch vor mir , aber die Namen---- alles vergessen.
Wir müssen uns beeilen . Ein elegantes Modegeschäft Ist auch heute noch an der Ecke
bevor wir die Schlossergasse, die zum Dominikanerplatz führt überqueren. Da war eine

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große Bank. Und heute? Wie kann es auch anders sein? Mac Donald auch hier! Daran
anschließend das große Metallwarengeschäft der "Till". Ein nicht ganz so großes aber
immerhin sehr bekanntes der gleichen Branche, war Horny& Zauner , rechts der Kröna .-
Also nach dem Till kommt das große moderne Glashaus -MORAVIA- mit einer Passage
zur Fröhlichergasse. Anfangs gab es immer eine Menge Zuschauer, wenn die
Glasaußenfront, mit an Seilen hängenden Arbeitsbühnen , auf und abwärtsfahrend,
gereinigt wurde. Daneben war die Konditorei Toman. In dem unruhigen Jahr 1938 war
an der Eingangstüre ein Schild : "Hunden und Deutschen ist der Zutritt verboten": Es war
1939 als ein großes Luftschiff über der Stadt zu sehen war. Da fällt mir ein, es muß
1930/32 gewesen sein , als ein kleines Sportflugzeug einige male über der Stadt kreiste
und bunte, Schreibheftgroße Werbezettel abwarf. Es war schön anzusehen wie diese
bunten Blätter langsam hernieder schwebten.
So-jetzt -Stredeniusgässchen beim ASO- wer erinnert sich nicht? Das erste Kaufhaus
mit einer Rolltreppe. Damals ein technisches Wunder. Hier in diesem Haus wurden die
Kunden nur mit tschechischer Schallplattenmusik berieselt.- Tschechische Gasse
"Stopka, der Pilsnerkeller" existiert heute noch, weiter Schreibwaren Winniker,
Antiquariate u.s.f. An der Salzamtsgasse machen wir kehrt. Hotel AVON gibt es heute
noch, dann Friedmann Schreibwaren und Büroartikel, Mrnka die Buchhan-lung , Fahrrad
Spiegler später auf der Basteigasse gegenüber dem Theater . Es folgt das schmale
Jakobsgässchen -und ein neuerbautes mehrstöckiges Kaufhaus .Es hieß "Brouk &
Babka" unter anderm gab es sogar Möbel zu kaufen.
Wir sind wieder auf dem Freiheitsplatz. Hier die Apotheke "Sonntag". Zur Weihnachtszeit
war im ersten Stock eine laufende Lichtreklame und in einem Fenster wechselnde Bilder
zu sehen . Es war als wollte man dem großen Christbaum auf dem Platz, vor der
Standuhr, Konkurrenz machen. Denn unter dem Baum war eine 1x1 m große Leinwand ,
vor der sich jeden Abend immer viele Leute einstellten um die dargebotenen Kurzfilme
anzusehen.
Neben der Apotheke Sonntag eine Versicherung, Mährisch-Schlesische-Wechselseitige,
Reisebüro Cedok und ein Sanitätsgeschäft. Um die Eccke gehend sind wir auf der Dr.
Raschingasse, im dritten Reich Kirchgasse, die zum Laschanzkyplatz führt. An der
Stefanieschule vorbei kommen wir zur Druckerei Carl-Maria-Rohrer wo der Tagesbote
das Licht der Welt erblickte , und wir blicken auf's Deutsche Haus die Thomaskirche mit
Stadthalterei, am Kino Dopz vorbei zum Zentralbad, das wohl bekannteste Hallenbad
und man bedenke ein großes Schwimmbecken und das im 1.ten Stock!!! Ein zweites
Hallenbad war in der Preßburgerstrasse neben Schokoladen Opp, nämlich das
Charlottenbad, und als drittes kleiners Hallenbad in der Arbeitergasse, eine Seitengasse
der Französischen Straße.
Fortsetzung folgt
- SERVUS
Morawek Horst 14.03.1999 und 02.05.2002
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Die Beneš-Dekrete, eine europäische Tragödie


g.h., 7. Juli 2004

Am Vorabend der Wahl zum europäischen Parlament, lud in Brünn die MIP, die Jugend
für interkulturelle Verständigung, zu einer Autorenlesung im Hause der Herren von
Kunstat (Schmetterhaus) ein. Niklas Perzi sollte sein o.g. Buch vorstellen. Es kam zu

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keiner Lesung, was der Veranstaltung keinen Abbruch tat, im Gegenteil, denn Ondrej
Liška und Niklas Perzi diskutierten über das Buch und dessen Inhalt.
Niklas Perzi war mir
schon durch seinen
Vortrag, den er in
Geislingen/Steige über
die Geschichte der
ersten
Tschechoslowakischen
Republik gehalten hatte
bekannt. Was also lag
näher, als sich das Buch
zu beschaffen!
Eine Feststellung, die
Perzi bereits im Vorwort
vermittelt ist:
„Stimmt, stimmt nicht“.
Diese Formel zieht sich
wie ein roter Faden durch
die Geschichte des
Zusammenlebens von
Deutschen und Tschechen in den Böhmischen Ländern. […] Was für den einen stimmt
muß für den anderen noch lange nicht wahr sein.“
Diese Erkenntnis zieht sich nicht nur durch die Geschichte, sondern auch als roter
Faden durch das ganze Buch.
So führt der Autor den Leser auf eine Reise durch die Geschichte. Von Jan Hus und den
Hussiten über den „Weißen Berg und die danach erfolgte Gegenreformation. Mythen
entstanden auf beiden Seiten, für die einen war die Schar von Zižka eine Räuberbande,
für die andere waren sie Volksbefreier. Beides stimmt irgendwie.
Auch für die späteren Geschehnisse vermittelt das Buch insgesamt nichts grundsätzlich
neues, was es aber besonders interessant macht, ist, dass es Perzi versteht, die
Standpunkte beider Seiten überzeugend darzustellen. Er ist offensichtlich kein Anhänger
des „fettgedruckten“, so dass man manchmal schon genau lesen muß, um die Aussage
zu verstehen. Er relativiert manches, dazu drei Beispiele:
Es ist ein Fakt, dass Beneš in Versailles falsche oder gefälschte Karten über die
deutschen Siedlungsgebiete vorlegte. Es ist aber auch wahr, dass diese Fälschungen
nicht den Einfluß hatten, der ihnen manchmal zugeschrieben wird. In Versailles/St.
Germain ging es insbesondere den Franzosen darum, Deutschland zu schwächen und
es nicht durch einen Gebietszugewinn zu stärken.
Als die südmährischen Kreise den Anschluß an Österreich anstrebten, waren nicht
nur die Tschechen vehement dagegen, sondern auch die Deutsch-Böhmen, die eine
Schwächung des Deutschtums befürchteten.
Masaryk benutzte in seiner programmatischen Rede 1919 das ungute Wort von den
deutschen Kolonisten, aber er besuchte auch am selben Abend demonstrativ das
deutsche Theater in Prag.
Zur Zwischenkriegszeit vermerkt der Autor, dass viel übereinander geredet und diskutiert
wurde, aber nicht miteinander. Die tschechische Seite hatte dabei wie auch schon vor
1918 den Vorteil mehr oder weniger an einem Strick zu ziehen, während die
sudetendeutsche Seite fortgesetzt Strömungen ausgesetzt war: autonom oder doch

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lieber großdeutsch, für das Verbleiben im tschechischen Staat, oder doch lieber einen
Anschluß (an Deutschland oder Österreich). Daran hat sich auch während des Exils
nichts geändert und das Prinzip des lieber übereinander als miteinander zu reden
besteht ja immer noch. Spannend die Schilderung der Ereignisse von 1935-1938.
Zu den Dekreten selbst: Perzi
widmet einen großen Teil der
Debatte um die
Staatsbürgerschaft. Wenn das
Münchner Abkommen als von
Anfang an für nicht existent
erklärt wird, wären ja die
Sudetendeutschen
Staatsbürger der ČSR
geblieben… Auch um die Art
der Vermögenswegnahme:
Konfiskation oder Enteignung.
Man bemühte sich, die sich
ergebenden Widersprüche in
einen legalen Rahmen zu
zwängen. Aber war das
überhaupt erforderlich? Die
wilde Vertreibung war in vollem Gange, wurde auch nach Potsdam fortgesetzt. Benesch
hatte offenbar nach Kriegsende nicht mehr viel zu sagen, er durfte die Dekrete aber
unterschreiben, gemacht und gestaltet wurden sie bereits von der KP.
Perzi vermeidet es, durch Fußnoten und fortgesetzte Querverweise den Lesefluß zu
stören, so dass das Buch als Sachbuch trotz seiner 352 Seiten relativ leicht zu lesen ist.
Das Buch könnte einen Beitrag bedeuten, auch die andere Seite zu verstehen, vielleicht
erscheint es eines Tages auch in Tschechischer Sprache, gut wäre es.
Der Schlußsatz des Buches sei noch angeführt:
„Die Zerstörung der deutsch-tschechischen „Konfliktgemeinschaft“ brachte aber nicht
mehr Nutzen, sondern Schaden- für alle Beteiligten. Sich das einzugestehen, wäre ein
erster Schritt, auf den weitere folgen könnten.“
Wobei diesen Schaden sich die deutsche Seite nicht mehr einzugestehen braucht – sie
hat ihn erlitten und verarbeitet.
Niklas Perzi, „Die Beneš-Dekrete, eine europäische Tragödie“ ISBN 3-85326-099-3; Preis € 23,50

Niklas Perzi studierte in Wien und Prag: "Die Öffnung der Grenzen war für mich der
Grund, ins Waldviertel zurückzukehren".
Seine Staatsbürgerschaft ist österreichisch, sein Wohnort Kauzen im nördlichen
Waldviertel, seine Arbeitsstätte Waidhofen/Thaya. Zu Hause ist Niklas Perzi, 33, aber
auch in Tschechien. "Für mich ist das nicht Ausland, wenn ich rüberfahre", betont er
daher.
So befasst sich Perzi nicht nur in seiner Funktion als Geschäftsführer der Waldviertel
Akademie, die grenzüberschreitende Veranstaltungen macht, mit dem Nachbarland.
Auch privat überquert er die Grenze mehrmals die Woche. Im vergangenen Winter hat
er Bildungskarenz genommen und ganze vier Monate in Prag verbracht. Dort warten
seine Freundin Jitka und eine noch unvollendete Dissertation.
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Der Altvater im Sudetenland
Zdenek Moravčik, 29. Juli 2004
Der Orginal Altvater ist der höchste Gipfel des des nordmährischen Altvatergebirges
(Jeseníky), an der Grenze zu Polen. Der Altvater (Praded) ist 1491 Meter hoch und
damit nicht nur der höchste Berg seines Gebirges, sondern Mährens überhaupt. Der
Gipfel und seine Umgebung dienen heute als ein beliebtes Zentrum für Wintersport und
Bergtouristik. Man findet hier die höchstgelegenen Pisten und Lifte in der Tschechischen
Republik sowie Loipen für Skiläufer und zahlreiche Hotels und Hütten. Die Gegend
erfreut sich großer und immer noch zunehmender Beliebtheit bei den Touristen, eine
Tradition, die mittlerweile etwa 150 Jahre dauert.
Noch früher als die Touristen, sind jedoch Hirten im
Altvatergebirge belegt. In diesem Falle handelte es
sich um keine Zuwanderer aus dem Balkan, die die
nahen Beskiden kolonisierten, sondern um
anerkannte Experten aus den Alpen, aus denen
auch die Besitzer der Herrschaft von Velke Losiny,
die Lichtensteiner stammten. 1829 wurde die erste
Sennhütte in diesem Gebiet gebaut, die nach dem
Herkunftsort des Senners Michael Aegerter benannt
wurde. Sie heißt bis heute Svýcárna - die
Schweizer Hütte. Zur Sennhütte gehörten auch ein
steinerner Stall für mehr als 100 Stück Vieh und
einige Holzgebäude, die bald auch von Wanderern
genutzt wurden. Einen Beweis dafür stellt die
Einführung eines Besucherbuches bereits in den
40er Jahren des 19. Jahrhunderts dar.
Das Altvatergebirge wurde damals vor allem von
Professoren und Studenten der Hochschulen und
Gymnasien aufgesucht. Der Tourismus nahm
allmählich zu, das Hirtenwesen wurde jedoch einem
langsamen Niedergang ausgesetzt. 1860 wurde die
Viehzucht auf dem Altvater eingestellt und nach einem Brand der Sennhütte im Jahre
1887 ließ Fürst Liechtenstein eine touristische Hütte bauen, die bis heute in Betrieb ist.
An die Hirtenvergangenheit erinnert heute nicht nur der Name, sonden auch ein
steinerner Heuschuppen, der sich an die Hütte anschließt.
Auch auf der anderen Seite des Berggipfels, die dem Deutschritterorden gehörte, wuchs
eine Sennhütte. Sie entstand 1863 und bekam den Namen Neue Schäferei. Schon der
Name verrät uns, daß sie ältere ähnliche Bauten ersetzte. Schon am Anfang des 18.
Jahrhunderts weidete hier wahrscheinlich Vieh. Zunächst waren es vor allem Ochsen,
die man in Polen und Ungarn einkaufte, später setzte sich die Schafzucht durch, die
einfacher war. Auch hier kam es aber später zum Niedergang, und zwar als Folge des
Imports billiger Wolle aus Australien.
Die Schäferei bestand zur Zeit ihrer Entstehung aus den Schafställen, einer Wohnung
für den Schäfer, einem Inspektionszimmer sowie Räumen, in denen die Milch verarbeitet
wurde. Die Milchprodukte wurden in die unter dem Berg liegende Kurstadt Karlova
Studánka geliefert, wo sie auch zu Kuren genutzt wurden. Die größte Ressource des
Kurorts war jedoch nicht Milch, sondern das angeblich "gesündeste Klima"
Mitteleuropas, das gut situierte Besucher aus unterschiedlichen Ländern anlockte. Die
Kurgäste waren gleichzeitig auch die ersten Touristen auf der Schäferei, die sich
91
allmählich in eine Touristenherberge verwandelte. Die
Bergaufstiege auf den Altvater wurden zu einer Mode-
und Prestigeangelegenheit. 1902 baute der
Deutschritterorden eine Zugangsstraße von Karlova
Studanka zur Schäferei, und sechs Jahre später
wurde in der unmittelbaren Nachbarschaft der Hütte
ein Botanischer Garten errichtet. Ein großzügiger
Umbau der Schäferei in eine große Touristenhütte, so
wie wir sie heute kennen, erfolgte nach der Eröffnung
des Aussichtsturms auf dem Gipfel, der ein immer
größeres Interesse an dieser Region erweckte.

Der Altvaterturm
Der Altvaterturm entstand 1903-1912 ursprünglich als
" Habsburgwarte " bezeichnet, auf dem höchsten
Gipfel des Altvatergebirges, dem Altvater (1490m).
Der ca. 32m hohe steinerne Aussichtsturm stand bis
ca. 1959 und wurde wegen Einsturzgefahr gesprengt.
Aus Mayers Reisebücher 1921: von hier bald zum
Gipfel des Altvaters (1490m), der höchsten Erhebung des Gesenkes, das nach ihm auch
Altvatergebirge heißt. Sein Scheitel ist eine flach gewölbte, begraste Kuppe, auf ihr die
Habsburgwarte, ein 32m hoher Aussichtsturm ( der Turmwart bietet in seiner Hütte
Unterkunft und eine kleine Erfrischung )...
Der alte Aussichtsturm beherrschte fast 50 Jahre das Altvater-Gebirge und war eine
Dominante des höchsten Bergs Mährens. Der Bau wurde im Jahre 1903 begonnen und
dauerte beinahe zehn Jahre. Die "Habsburgwarte" - so der ursprüngliche Name - wurde
am 4. Juli 1912 kolaudiert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Alte
Ansichtskarten zeigen uns ein bizarres Gebäude, aus dessen Dach ein mächtiger Turm
emporsteigt. Der Steinbau war 32,5 Meter hoch. Das ursprüngliche Projekt sah in den
unteren Geschossen ein Restaurant vor, darüber sollten Herbergen den Bergwanderern
dienen und die Verwaltung untergebracht werden, und erst das letzte, siebte Stockwerk
sollte als ein Aussichtsplateau dienen.
Die Kolaudationskommission erlaubte aber nur das Restaurant und den Aussichtsturm,
und die weiteren Zimmer sollten als Lagerräume dienen. Während des Krieges wurde
zum Wachtturm noch eine Posthütte und eine meteorologische Station dazugebaut.
Nach dem Krieg diente das Haus weiterhin seinem ursprünglichen Zweck, es fand sich
in der damaligen Tschechoslowakei jedoch keine Organisation, die die Renovierung
finanziell sichern konnte. Der Aussichtsturm fiel dem allmählichen Verfall zum Opfer und
wurde 1957 geschlossen. Nach zwei Jahren wollte man mit einer umfangreichen
Renovierung beginnen - jedoch zu spät. 1959 stürzte das Haus ein.
Der heutige Fernsehturm
Elf Jahre dauerte es, bis man mit dem Bau eines neuen Turms begann. Auf dem Gipfel
des Altvaters wuchs ein 162 Meter hoher, schlanker Fernsehsender mit zwei
Aussichtsebenen in einer Höhe von 17 und 70 Metern.
Noch eine andere beliebte Berghütte unter dem Altvater hat eine interessante
Geschichte, obwohl sie sich von der Vergangenheit der alten Sennhütten unterscheidet.
Die Hütte heißt heute Barborka und entstand erst 1942 als eine Herberge für den Stab

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der Gebirgsjäger der Wehrmacht. Zum Haus
gehörte auch ein Häftlingslager. Die Aufgabe der
Häftlinge war es, in der Nähe einen Bergflughafen
zu bauen, der zur Übung der Bergoperationen im
Kaukasus dienen sollte. Das Projekt wurde nicht
vollendet und blieb nur ein Torso. Im Februar 1950
diente es jedoch trotzdem als Notlandungsfläche für
ein Verkehrsflugzeug mit 38 Reisenden. 32 von
ihnen verdanken die Rettung ihres Lebens dem
Eingriff der Soldaten aus der Schäferei, die sich
nach dem Krieg in ein Militärobjekt verwandelte.
Dieses Ereignis unterstützte wesentlich die Idee, im
Altvatergebirge ein professionelles Team der
Bergwacht zu gründen, das dort bis heute wirkt und
über die Touristen wacht.

Zum Schluß möchten wir Sie noch auf ein


interessantes Objekt auf dem Altvater aufmerksam
machen. Nur wenige der heutigen Touristen und
Skiläufer bemerken den Grenzstein unter dem
Gipfel des Altvaters. Drei Herren teilten sich in der
Geschichte den dortigen Naturreichtum, und ihre Wappen sind bis heute auf den drei
Seiten des marmorne Steins dargestellt: der Löwe der Liechtensteiner, eine Mitra als
Symbol des Bischofs von Breslau und das Kreuz des Deutschen Ritterordens. Das
waren die Besitzer des Altvaters.

Quelle: Tschechischer Rundfunk

Aus dem Verein


Ja, wo soll begonnen werden?
Fangen wir mit dem –fast-
Jüngsten an,
Pavels Promotion.
Dazu lassen wir ihn einfach selbst
zu Wort kommen:

Dieses Jahr habe ich mein Studium der Germanistik und Nordistik an der Brünner
Philosophischen Fakultät zu Ende geführt. Schon immer habe ich mich für die deutsche
Sprache und Kultur interessiert. Deshalb habe ich mir das Studium der Germanistik
ausgewählt. Ich bin froh, dass ich die Gelegenheit hatte, einige interessante und
spannende Werke der deutschsprachigen Literatur kennen zu lernen. Sie haben zu
meinem inneren Wachstum beigetragen.
Meine Deutschkenntnisse habe ich im Laufe vieler Jahre gesammelt. Das meiste habe
ich bei meiner Oma gelernt. Einige Jahre lang habe ich sie jeden Montag besucht. Wir

93
haben zuerst die beiden Teile
eines tschechischen Lehrbuches
durchgenommen. Später sind
wir allmählich zum Lesen der
schönen Rübezahl-Märchen
übergegangen. Zum Lernen der
Sprache haben mich immer am
meisten die kleinen Erfolge
motiviert, vor allem wenn ich zu
meiner Überraschung feststellte,
dass ich im Stande bin, mich
mehr oder weniger in Deutsch
zu verständigen. Das Erlernen
der Sprache im späteren
Stadium wurde immer
interessanter und müheloser.
Zur Zeit beschäftige ich mich vor
allem mit der deutschsprachigen Literatur. Ich werde das Studium an der Uni fortsetzen, da ich
zum Doktorstudium aufgenommen wurde.
Pavel Knapek
Soweit Pavel sozusagen im Originalton.
Wir und mit uns der ganze DSKV wünschen Pavel alles Gute für seine weiteres Studium.
Insbesondere beglückwünschen wir ihm zu seiner Zulassung zum Doktorstudium.
Das Bild zeigt rechts den mit frischen akademischen Weihen ausgezeichneten Pavel
und links den Zelebranten eines runden Geburtstages.

Gleichzeitig feierte der damals noch designierte, jedoch in der Zwischenzeit gewählte
neue Vorsitzende des DSKV,
Georg Nestraschill, Geburtstag,
seinen siebzigsten. Auch dazu gratulieren wir herzlichst und wünschen alles erdenklich
Gute für die Zukunft! Statt ein Loblied auf Georg anzustimmen, entschlossen wir uns,
hier eine andere Würdigung abzudrucken, eine Würdigung, die im BHB zum 75.
Geburtstage seines Vaters, Alfred Nestraschill erschien.
„Hohe Auszeichnung
Anlässlich seines 75. Geburtstages wurde dem DSV-Kamerad Alfred Nestraschill,
der ehemalige so verdienstvolle „Generalsekretär“ der beiden DSV-
Kameradschaften, eine hohe Ehre zuteil. Er erhielt für seine großen Verdienste um
den deutschen Fußballsport in Brünn und nachher in der neuen Heimat um die
DSV-Kameradschaften von der Kameradschaft des Sudetendeutschen
Fußballverbandes die Goldene Ehrennadel verliehen. Herzliche Glück- und
Segenswünsche! F.P.“
Man sieht, daß der neue Vorsitzende des DSKV einen soliden familiären Hintergrund für
sein neues Amt mitbringt.

Wir dürfen einen weiteren Geburtstag nicht vergessen, nämlich den 93sten

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Geburtstag unserer lieben Frau Samstag

Frau Samstag ist ja inzwischen im Altenheim in Bilovice. Zu ihrem Geburtstag kam aber
eine recht große Gesellschaft aus Brünn angereist, unabhängig von der
Verbandszugehörigkeit. (Daß der Verband der Frau Müller nicht vertreten war, versteht
sich von selbst, dort hält man insbesondere Feindbilder hoch in Ehren.)
Wie man den Bildern entnehmen kann, war es eine vergnügte Gesellschaft die sich dort
versammelte. Weil Frau Ruth wie immer ihr „Klavier“ dabei hatte, wurde viel gesungen
und gelacht. Frau Samstag klagte lediglich, daß die Haxn nicht mehr so richtig wollen,
aber sonst machte sie einen recht mobilen Eindruck.
Das Bild auf der nächsten Seite zeigt die Gratulationsrunde mit Frau Samstag in der
Mitte

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Die seit längerem angekündigte Besichtigung

Historischer Gräber auf dem Brünner Friedhof

fand am 13.Juli unter der sachkundigen Führung von Frau Dr. Sedlařova statt. Es fand
sich eine kleine Gemeinde Interessierter ein, die diesen Rundgang, der zu historisch
interessanten und auch wichtigen Grabstätten führte, mitmachten.
Wir werden versuchen, darüber einen ausführlichen Bericht zu schreiben und ihn in
einem der nächsten Ausgaben des „Gassenboten“ abzudrucken. Hier aber sollen einige
Bilder von der Gruppe genügen.

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Die Gruppe mit der
Führerin Frau Dr.
Sedlařova (2. von rechts)
vor der Grabstätte von
Gregor Mendel.

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Neuwahl des Vorstandes


Weil für die Nominierung von Kandidaten zur Delegiertenversammlung der Landes-
versammlung eine Generalversammlung der einzelnen Verbände vorgeschrieben ist, hat
sich der Vorstand entschlossen, auch die anstehende Neuwahl des Vorstandes, die
eigentlich erst für den Oktober vorgesehen war, auf den 27.Juli 2004 vorzuziehen.
Die Wahl erfolgte satzungsgemäß.
Das Ergebnis:
1. Vorsitzender: Georg Nestraschill
2. Vorsitzende: Michaela Knapek
Schriftführerin: Marie Schrimpel
Als beigeordnete Mitglieder wurden weiter gewählt:
Daniela Horak, JuDr. Felicita Stranska, Dr. Siegfried Wanka, Milos Schimscha, Gerd
Hanak.

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An dieser Stelle möchten wir Herrn Dr. Wanka herzlich für seine Arbeit als Vorsitzender
danken. Er hat den Verein sicher durch die schwierigen Anfangsjahre geleitet und gibt
nun die Leitung des Vereines, der inzwischen als konsolidiert gelten kann und geordnete
Finanzen aufweist, in die Hand von Georg Nestraschill.
Wir wünschen dem neuen Vorstand viel Glück und eine gute Hand!

Als Kandidaten für die Delegierten zur Landesversammlung wurden gewählt:


Georg Nestraschill, Frau Michaela Knapek und Frau JuDr. Felicita Stranska.

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Römerstadt-Rýmařov

Als die Einladung von


Herrn Sitte an den
DSKV kam, an der
Veranstaltung seines
Verbandes, Des
Verbandes der
Deutschen Nord-
mähren und
Adlergebirge in
Römerstadt
teilzunehmen, gab es
kein zögern, der DSKV
wird, wie schon vor
zwei Jahren auch, an
dieser Veranstaltung
teilnehmen.
Ein weiterer Beschluß
war, daß, wenn wir
schon die Fahrt
unternehmen, das
gleich mit einem Ausflug verbinden können und so wurde der gefaßte Beschluß auf
einen Zweitagesausflug erweitert. (Nicht ohne vorher die Vereinskasse zu befragen, die
aber auch, ohne zu zögern, eine Zustimmung bekundete).
Also ging es am Sonntag dem 8.August los. Weil noch die Kulissen für die Aufführung
des „Rotkäppchen“ in den Bus eingeladen werden mussten, wurde noch ein Umweg
über die Wienergasse gemacht. Später stellte sich heraus, daß ein Teilnehmer zu spät
zum Bus kam und mit der Eisenbahn nachfahren musste.
Die Fahrt verlief reibungslos und schneller als erwartet, so daß die Reisegruppe so früh
den Veranstaltungsort erreichte, daß genügend Zeit zur Vorbereitung blieb.
Insbesondere der Kulissenaufbau musste vorher gemacht werden, denn seit der
Großveranstaltung in Prag waren diese eingelagert.
Zur Eröffnung der Veranstaltung begrüßte Herr Sitte die Anwesenden, vor allem hieß er uns
Brünner herzlich willkommen, denn wir hatten ja die lange Fahrt von Südmähren bis nach
Nordmähren gemacht. Danach hat er alle Prominten begrüßt und auch erwähnt, das der
Bürgermeister aus Bodenstadt/Poštat, Herr Slama anwesend ist, der sich als einziger
Bürgermeister in Mähren zur deutschen Nationalität bekennt. Das war sicher für alle

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Anwesenden sehr interessant. Auch ein Vertreter der bulgarischen Minderheit war anwesend
und die Vertreterin der Minderheiten in ganz Mähren aus Olmütz. Der Römerstädter
Bürgermeister hielt dann eine kurze Ansprache und begrüßte alle Anwesenden und sagte
einige anerkennende Worte über uns Deutsche, daß wir Leute mit viel Humor sind und gute
Patrioten. Dann kam ein Mann als "Vater Altvater" bekleidet, so eine lustige Figur wie z.B. der
Rübezahl und eröffnete das Programm. Zuerst spielte eine tschechische Kapelle auf, alle in
Trachten und es wurde Tanzmusik und Volksmusik gespielt und das Orchester wurde von 2
Sängerinnen begleitet. Nach einigen Musikstücken und viel Beifall kam ein Gittarist an die
Reihe; er spielte dann noch auf einem indischen Instrument herrliche Weisen.
Danach kam schon unsere Brünner Gruppe an die Reihe. Zuerst trat die Singgruppe auf,
die aus Mitgliedern vom DSKV und der Gruppe Frau Samstag zusammen besteht und
von Frau Ruth herrlich auf ihrem
Instrument begleitet wurde. Es kamen
alte schöne deutsche Volkslieder zu
Ausführung, wie z.B."Sah ein Knab
ein Röslein stehen", "Am Brunnen vor
dem Tore" oder "Heideröslein" und
viele andere mehr. Dann war es
schon Zeit für das Auftreten des
Rotkäppchens.
.
Dieses alte deutsche Märchen der
Gebrüder Grimm wurde sehr gut von
unseren „Schauspielern“ aufgeführt.
Vor allem die kleine 10 jährige
Martina, die das Rotkäppchen spielte,
bekam viel Beifall, sie war ja auch die
jüngste, die zu unserer Gruppe gehört und immer mitmacht. Aber auch der Wolf, von
Michaela gespielt, war eine schöne Leistung. Die Mutter, der Jäger und die Großmutter
von Maria, Georg und Martha dargestellt bekamen viel Applaus. Das hat uns alle sehr
gefreut, denn es war
keine Gelegenheit zu
einer „Generalprobe“!
Danach kam eine Frau
aus Freiwaldau zu Wort
mit einem Gedicht wie
es früher war und wie es
jetzt ist; dann spielte ein
junges Mädchen einige
Stücke auf dem
Waldhorn. Danach las
eine Teilnehmerin einen
Artikel über den Bauern-
stand und dann kamen
schon die Frauen aus
dem Adlergebirge zu
Wort, besser gesagt
"zum Lied", denn sie
sangen herrliche

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Weisen. Diese Leistung muß man umso mehr bewundern da es bekannt ist, daß diese
Frauen sehr weit verstreut im Adlergebirge leben und es sehr schwer ist,
zusammenzukommen um zu proben. Es kamen noch viele Gedichte "zum Wort", auch
unsere Magda mit dem schönen Gedicht "Der Kastanienbaum" und freilich spielte auch
Frau Cäsar aus Mährisch Schönberg auf der Harmonika und zuletzt ein Herr so schön
zum Tanz und viele schwangen das Tanzbein. So klang in froher Weise dieser Tag
aus..,

Blick in den Veranstaltungssaal und rechts einige der Brünner TeilnehmerInnen im


Gruppenbild.

Dann fuhren wir zur Übernachtung ca 6 Kilometer hinter die Stadt zum Hotel "Mühle", wo
wir eine ruhige und angenehme Nacht verbringen konnten, denn wir waren im Hotel die
alleinigen Gäste, nur unter uns. So trafen wir uns noch nach dem Abendessen im Saal
des Hotels um zu singen und plaudern, es war eine fröhliche Runde. Am nächsten Tag,
es war Montag der 9.August, fuhren wir nach dem Frühstück nach Karlsbrunn/Karlova
Studanka, wo unsere Teilnehmer das wunderschöne Bad besichtigen konnten und sich
auch am guten Wasser erfrischen konnten. Danach ging es zur Eulenburg/Sovinec. Eis
ist eine Burg aus dem 13. Jahrnundört, wo in den Jahren 194o-1941 französische
Gefangene leben mußten. Bei der Burg ist eine Kirche /Empire/ aus den 4oer Jahren des
19 Jahrhunderts, Die Burg und die Kirche gehörte dem Deutschen Ritterorden, der sich
nun wieder bemüht, dieses

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geraubte Eigentum zurückzubekommen. Dann machten wir noch kurz Aufenthalt in
Römerstadt. Diese Stadt ist eine alte Bergmannsstadt, gegründet von einem gewissen
Seimann. In der Stadt waren im Jahre 1551 Silbergruben, im Jahre 1557 wurde dort eine
Münzstätte gegründet. Die Stadt hatte auch eine große Textilindustrie.
Danach ging unsere Fahrt weiter nach Sternberg wo wir gut zu Abend gegessen haben und
dann ging es fröhlich heim, Brünn entgegen. Es war eine schöne zweitätige Fahrt mit vielen
Erlebnissen, manche unsere Mitreisenden waren das erste Mal in diesen Gegenden und waren
ganz begeistert von der schönen Natur und vom guten Empfang in Römerstadt. Nicht zu
vergessen soll sein, daß wir wieder einmal alle schön beisammen waren. Schon jetzt freuen wir
uns alle auf weitere Ausflüge. Es hat uns auch besonders gefreut, daß Mitglieder der Gruppe
von Frau Samstag mit uns kamen und so unsere bisherige gute Zusammenarbeit förderten.
Daniela Horak

Fotoausstellung
Richard Šulko in Nečtiny – Breitenstein
Der Einladung, diese Ausstellung zu besuchen befolgten Georg Nestraschill und Maria
Schrimpel. Es gefiel ihnen sehr gut und sie tragen sich mit dem Gedanken, diese Bilder
eventuell auch in Brünn zu zeigen. Als „Gegenleistung“ könnte man sich vorstellen, die
Bilder von Gerd Hanak, „Südmährische Gemeinden vom Flugzeug aus gesehen“ im
Egerland zu zeigen.
Die Bilder unten haben Maria und Georg aus Breitenstein mitgebracht.

Anmerkung:
Der DSKV bemüht sich aufrichtig seinen aktiven Beitrag zum Leben der Deutschen
Minderheit in der ČR zu leisten. Vielleicht regen die vorstehenden Beiträge andere
Verbände an, auch mit dem DSKV Kontakt aufzunehmen wenn sie Brünn besuchen,
selbst wenn diesem der Zugang zum BGZ verwehrt wird. Wie man sieht, ist ein aktives
Vereinsleben nicht unbedingt von der Schlüsselgewalt über fremdfinanzierte
Räumlichkeiten abhängig.

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Das europäische Parlament


g.h., Juli 2004

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Bei den Boeing-Flugzeugwerken in Seatle/USA hing in den Büros und Werkhallen der folgende
Spruch des Firmengründers:
Nach allen aerodynamischen Erkenntnissen ist es unmöglich, daß eine Hummel fliegen
kann!
So ähnlich verhält es sich auch mit dem europäischen Parlament. Eigentlich kann es nicht
funktionieren. Insgesamt sind in ihm fast 200 nationale Gruppierungen vertreten. Nach allen
Erkenntnissen über die Funktion von Parlamenten, kann unter solchen Bedingungen keine
vernünftige Arbeit zustande kommen. Aber es funktioniert entgegen allen Befürchtungen und
Erwartungen ganz gut und immer besser.
Bei der ersten Wahl im Jahre 1979 wurden Politiker ins Rennen geschickt, die man zu Hause
loswerden, oder denen man ein einträgliches Austragsstübchen zukommen lassen wollte. So
richtig ernst genommen wurde diese europäische Volksvertretung nicht, wahrgenommen schon
gar nicht.
Vielleicht lag es auch gar nicht in der Absicht der nationalen Politiker. Diese wollten sicher ihre
Machtstellung im Ministerrat und die sie aus den nationalen Parlamenten herleiteten, nicht mit
einem zusätzlichen Parlament teilen. Anderseits aber brauchten sie die Straßburger Vertretung
als demokratisches Alibi, denn schon damals gab es Stimmen, die der Brüsseler Kommission
die demokratische Legitimität absprachen und eine Demokratisierung forderten.
Unter solchen Voraussetzungen nahm das erste EU-Parlament seine Arbeit auf. Vielen
Befürchtungen zum Trotz bildeten sich keine nationalen Fronten, sondern übernationale
Fraktionen, in denen die französischen Sozialisten mit den deutschen Sozialdemokraten
zusammenarbeiteten oder in einer anderen Fraktion, die Christdemokraten aus den
Niederlanden mit jenen aus Italien.
Das europäische Parlament hat nicht die Aufgabe, eine Regierung zu bilden. Die Regierung ist,
so man sie so bezeichnen will, die Kommission in Brüssel. Diese aber wird in ihrer
Zusammensetzung von den Regierungen der Mitgliedstaaten bestimmt.
Durch diese Konstellation gibt es die klassischen Parlamentskonflikte, die sich in den
Gegensätzen von Regierungsparteien und den Oppositionsparteien ausdrückt, nicht.
Das hat Vor- und Nachteile.
Nachteil ist zweifellos, daß das Fehlen der Auseinandersetzungen zwischen Regierung und
Opposition, die ja dazu führen soll, die besten Lösungen für die Bürger zu finden, die
Wahrnehmung bei den Wählern vermindert. Das wiederum führt zu den bekannten, und
sicherlich bedauernswerten geringen Wahlbeteiligungen. Die EU-Bürger, an den
unausweichlichen Streit in ihren nationalen Parlamenten gewöhnt, können sich einfach ein
Parlament ohne diese klassischen Gegensätze nicht vorstellen.
Vorteil ist jedoch, daß diese Konstellation die reine Sacharbeit erleichtert, vielleicht sogar erst
ermöglicht. Durch seine Arbeit in den vergangenen 2 Dekaden hat sich das Europaparlament
seine Kompetenz und seinen Einfluß buchstäblich erarbeitet. Der gestiegene Einfluß führte
auch dazu, daß kaum noch altgediente Politiker nach Straßburg aufs Altenteil abgeschoben
werden. Das Parlament hat sich emanzipiert. So stieg der Anteil der Brüsseler Vorschläge, die
in Straßburg ratifiziert werden müssen, von anfangs 15 auf über 40. Der Einfluß des
Straßburger Parlamentes zeigte sich auch darin, daß es über jedes einzelne Land, das neu
aufgenommen werden soll, zu entscheiden hat.
Nicht zuletzt zeigte das Europaparlament Muskeln, als es 2001 der Kommission das Mißtrauen
aussprach, was dazu führte, daß diese geschlossen zurücktrat.
Inzwischen aber haben sich die Europaabgeordneten so weit vorgearbeitet, daß sie eigene
Vorschläge nach Brüssel zur Behandlung schicken. Dabei haben sie sich die Gebiete Umwelt,
Wirtschaft und Recht auf ihre Fahnen geschrieben. Der Einfluß wird nach dem Inkrafttreten der
europäischen Verfassung sicherlich noch zunehmen.

Die Zusammensetzung:

101
Grundsätzlich ist die Anzahl der Abgeordneten, die jedes Land nach Straßburg schicken kann,
von der Einwohnerzahl des jeweiligen Landes abhängig. Allerdings ist das nicht rein
proportional ermittelt worden. Die kleinen Länder dürfen wesentlich mehr Delegierte schicken,
als im Verhältnis die Großen. So vertritt ein Abgeordneter aus Deutschland ca. 800 000
Bundesbürger, während sein Kollege aus Malta für 70 000 maltesischer EU-Bürger zuständig
ist. Für Tschechien ist es ein Abgeordneter auf 450 000 Einwohner. Bei einer proportionalen
Ermittlung der Abgeordneten stünden Deutschland ca.160 Abgeordnete zu, während sich für
Malta kein einziger ergeben würde. Das stünde dem Gedanken der Gleichbehandlung der
„Kleinen“ entgegen.
Land Sitze Land Sitze Land Sitze
Belgien 24 Italien 78 Schweden 19
Dänemark 14 Lettland 9 Slowakei 14
Deutschland 99 Litauen 13 Slowenien 7
Estland 6 Luxemburg 6 Spanien 54
Tschechie
Finnland 14 Malta 5 n 24
Frankreich 78 Niederlande 27 Ungarn 24
Griechenland 24 Österreich 18 Zypern 6
Großbritannien 78 Polen 54
Irland 13 Portugal 24

Grafisch sieht es dann so aus:

Wie eingangs bereits erwähnt,


bilden die Abgeordneten im
Parlament länderüber-greifende
Fraktionen, die weitgehend ein
Abbild der in den nationalen
Parlamenten existieren-den
darstellen. Die nächste Grafik
zeigt die Fraktionen des
Parlamentes. Die
Fraktionsbildung des neu-
gewählten Parlamentes ist noch
nicht abgeschlossen, so
bestehen in der EVP
(Europäische Volks-partei) noch
Zweifel über die Aufnahme der
tschechischen ODS, die sich im
Wahlkampf als eher
europafeindlich gebärdete, und auch wegen ihrer Haltung zu den Benesch-Dekreten. Auch
sonst dürfte es einige Probleme z.B. mit den Kommunistischen Parteien geben.
Die Fraktionen sind: EVP = Europäische Volksparteien (Konservativ); SPE =
Sozialdemokratische Partei Europa; LIEBE = Liberale; KVEL/NGL = Konföderale Fraktion der
Vereinigten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke; GRÜNE/FEA = Grüne/Freie
Europäische Allianz; UEN = Partei für das Europa derNationen; EDU = Europäische
Demokratische Union. Es ist natürlich denkbar, daß sich im neuen Parlament andere
Fraktionen bilden.

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