1. Definition
Unterrichtsprinzipien sind Bestimmungsfaktoren des Unterrichts. Sie bestimmen Lernverfahren (Methoden) grundsätzlich und gelten überfachlich
für alle Unterrichtsbereiche. (Schröder)
Unterrichtsprinzipien werden zur Planung, Durchführung, Auswertung und Legitimation von Unterricht herangezogen
sie haben einen normativen Charakter , d. h. sie sagen wie ein guter Unterricht auszusehen hat (Kretschmer/Stary)
In der erziehungswissenschaftlichen Literatur wird je nach Verfasser einmal von "didaktischen" oder von "Unterrichts- Prinzipien" gesprochen, ohne
dass man sich um eine exakte Abgrenzung beider Begriffe bemüht. So verwendet Schröder (2000) nur den Begriff der "Unterrichtsprinzipien", der
Begriff der "didaktischen Prinzipien" wird nicht erwähnt und somit auch nicht definiert.
Die Autoren Kretschmer/Stary (1998) verweisen in ihrem Sachregister bei dem Begriff "didaktische Prinzipien" auf "Unterrichtsprinzipien" und
gebrauchen somit diese Begriffe synonym.
Jank/Meyer (1994), Köck (1991) verwenden ausschließlich den Begriff der "Unterrichtsprinzipien". Glöckel (1990. S. 273 f.) verwendet den Begriff
"Unterrichtsgrundsätze" als weiteres Synonym, Hinz/Pöppel/Rekus (1993, S. 52f.) schreiben: "Prinzipien des Unterrichtsprozesses sind als
didaktische Kriterien anzusehen" und setzen somit "Unterrichtsprinzipien" und "didaktische Prinzipien" ebenso gleich.
Resumee:
Aufgrund der Literaturlage können somit die Begriffe "didaktisches Prinzip" und "Unterrichtsprinzip" synonym verwendet werden.
Darstellung und Ordnung der Unterrichtsprinzipien:
- Aktivierung/Handlungsorientierung/Selbsttätigkeit
- Aktualität (siehe auch Sachgemäßheit und Realitätsbezogenheit)
- Anschaulichkeit / Veranschaulichung
- Differenzierung(>Individualisierung)
- Erfolgsbestätigung (siehe auch Motivierung)
- Erfolgssicherung
- Elementarisierung (auch: didaktische Reduktion)
- Erfahrungsbezug
- Erziehender Unterricht / Mündigkeit / Solidarität
- fächerübergreifender Unterricht / Interdisziplinarität
- Ganzheit/ Ganzheitlichkeit
- Handlungsorientierung
- Lebensnähe / Lebensweltbezug
- Motivierung
- Mündigkeit (siehe auch Erziehender Unterricht)
- Offenheit (nach innen und nach außen)
- Ökonomie
- Realitätsbezogenheit / Sachgemäßheit / Wissenschaftsorientierung
- Sachgemäßheit
- Schülerorientierung (siehe auch Elementarisierung, Lebensnähe, Erfahrungsbezug und Handlungsorientierung)
- Selbsttätigkeit (siehe auch Handlungsorientierung)
- Solidarität (siehe auch Erziehender Unterricht)
- Strukturierung
- Veranschaulichung (>Anschauung, Anschaulichkeit )
- Wertorientierung
- Wissenschaftsorientierung
- Zielgemäßheit
Lebensnähe
Unterricht bezieht gegenwärtige und zukünftige Lebenswelt der Schüler mit ein
- Realitätsbezogenheit
Orientierung an der außerschulischen Wirklichkeit, welche die Lebenswelt der Schüler mit einbezieht
- Zielgemäßheit
Unterricht ist zielgemäß, wenn die Teilziele sich in übergeordnete Bildungsvorhaben integrieren lassen, wenn die "zielgemäße " Unterrichtseinheit in das
Curriculum und das stoffliche Jahresvorhaben integriert ist.
- Interdisziplinariät / fächerübergreifender Unterricht (vgl. Min. f. Jugend und Sport des Landes Brandenburg (o.J.): Materialien zur
Rahmenlehrplanimplementation: „Über das Fach hinaus – fächerübergreifender, fächerverbindender Unterricht u. d. Übergreifenden Themenkomplexe.“)
Fachunterricht bietet den Rahmen für systematischen Wissenserwerb, mach aber auch gleichzeitig auf die Grenzen der stellbaren und beantwortbaren
Fragen aufmerksam. Er macht bewusst, was mit SEINEN Konzepten, Denk- und Arbeitsweisen bearbeitet werden kann und was ANDERE Fächer zur
Erschließung der Welt beitragen können. Im fächerübergreifenden Unterricht werden die Fachmethoden und unterschiedlichen Sichtweisen verschiedener
Fächer mit einander verbunden; damit bezieht er sich nicht nur auf die Inhalte der „ursprünglichen“ Fächer, sondern hat das Ziel fachliche
Zusammenhänge und Erklärungen in lebensweltliche Fragen und Erfahrungen Schüler/innen einzubetten. Da Wissen nach Ergebnissen der
Lernforschung mit der Situation verwoben ist, in der es erworben wurde, gilt Wissen aus einem reinen Fachunterricht als „träge“ – immer an die jeweilige
Unterrichtsstunde und ihre Ereignisse gebunden. Es ist „Vorratslernen“ im Gegensatz zum „Anschlussfähigen Lernen“, das auf Neues angewendet werden
kann, mit dem man Neues erschließen kann. Damit fächerübergreifender Unterricht anschlussfähiges Wissen vermitteln kann, muss er auf der einen Seite
systematisches Lernen (vernetztes System von Kenntnissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten aus dem Fachunterricht, das flexibel angewandt werden kann)
und situiertes Lernen (ausgehend von Lebenssituationen der Schüler, von Gesellschaftsproblemen, mit denen man sich auseinandersetzen will)
verbinden. Im fächerübergreifenden Unterricht wird die Lebenswirklichkeit denkend verarbeitet, wird das Handeln gelernt, werden fachliche Kenntnisse
angewandt und werden die eigenen Fähigkeiten eingesetzt. Dies motiviert zum Weiterlernen. Geeignete Methoden sind Wochenplan- und Freiarbeit,
Planspiele, Projekt(orientierter)Unterricht.
Nach dem Prinzip der Aktivierung werden Schüler zum Erwerb von Lernerfahrungen "im tätigen Umgang mit den Dingen" angeregt. Dieser "tätige
Umgang mit den Dingen" ist Element der Handlungsorientierung, welche Schüleraktivität im umfassenden Sinne erreichen will:
- Beteiligung an der Auswahl der Lerninhalte, der Festlegung von Zielen und an der Methodenwahl
- Anwendung von fachspezifischen Arbeitsweisen und von Methoden, welche der Sparte der "überfachlichen Qualifikationen" zugeordnet werden können
wie Techniken zur Informationsbeschaffung, Strukturierungs- und Dokumentations- / Präsentationstechniken etc.
Aktivierung will demzufolge nicht "Aktivismus", sondern echte Selbsttätigkeit im Sinne eigenverantwortlichen Handelns, dessen Beherrschung letztlich
die Gewährung einer gewissen Autonomie erlaubt. Damit wird auch dem Prinzip der Mündigkeit Rechnung getragen.
Der Unterricht, von dem hier in erster Linie gesprochen wird, wendet sich an die Zielgruppe der Schüler, die in der Regel als Klasse unterrichtet werden.
Schülerorientierung heißt zunächst, dass sich die Auswahl der Inhalte und auch die Auswahl der Methoden an der entwicklungspsychologischen Situation,
dem Leistungsstand, den bisherigen Lernerfahrungen, den Interessen der Gruppe (beeinflusst vom sozialen und kulturräumlichen Umfeld) mit orientieren
muss.
Damit wird der Rahmen für die Begründung der Auswahl von Lerninhalten (eine der didaktischen Grundfragen) über die Pflicht hinaus, den Klassen-
(Fach-)Lehrplan umzusetzen, erweitert. Es wird zunächst Erfahrungsbezug im weitesten Sinne zum übergeordneten Prinzip.
Da die Lerngruppe in Bezug auf Leistungsstand (Fähigkeiten, Fertigkeiten, Kenntnisse ...), Lernerfahrungen, Motivation und Interessenlage nicht
homogen ist, muss letztlich schülerorientierter Unterricht in unterschiedlichem Maße zur Lernerleichterung
- elementarisieren (Sachverhalte didaktisch reduzieren)
- differenzieren (zur Schaffung optimaler Lernbedingungen) und teilweise - besonders im sonderpädagogischen Bereich mit noch höherem Förderbedarf -
- individualisieren.
Damit stehen die genannten Prinzipien in einem engen Zusammenhang.
Lebensnaher Unterricht bezieht die gegenwärtige und zukünftige Lebenswelt der Schüler mit ein. Dazu ist er automatisch "realitätsbezogen", bezogen auf
die soziale, politische und technische Realität. Er vermittelt so zwingend wie irgend möglich allgemein als richtig erkannte Inhalte, was einen hohen
Anspruch an die Fachkompetenz und den Informationsstand der Lehrkräfte stellt, und fördert dadurch ganz allgemein das "Streben nach Wahrheit", das
Interessen an Fakten bei den Schülern.
Durch die ständige Herstellung eines Bezugs zu den bisher gemachten Erfahrungen und die Forderung nach einer realistischen Auseinandersetzung mit
der Zukunft - auch durch gedankliche Vorwegnahme möglicher Erfahrungen in unterschiedlichen Szenarien - ist ein Unterricht möglich, der durch
Erfahrungsbezug lebensnah ist, sich auf die Realität bezieht und immer sachgemäß bleibt. Zum Thema "Sachgemäßheit" ist auch die Frage der
didaktischen Reduktion im Rahmen der "Elementarisierung" zu beachten!
Das Prinzip der Zielgemäßheit bezieht sich zunächst auf den Aufbau der einzelnen Unterrichtsstunde , dann auf die Struktur einer Unterrichtssequenz oder
Unterrichtsreihe, weiterhin auf die Einbettung von Unterrichtsstunden und Sequenzen in das Jahresvorhaben und schließlich im Gesamtzusammenhang
auf die Leit- und Richtziele des Faches. Von Bedeutung ist hier in erster Linie der Lehrplan, aber auch die bereits angesprochene Dimension der
Lebensnähe, des Erfahrungsbezugs, kurz: die pädagogische Situation der Schulklasse.
So setzt Zielgemäßheit eine klare Struktur voraus, die sich wie ein roter Faden durch den Aufbau der Stunde (Problemstellung/Einstiegssituation über
angemessene Lerninhalte/Informationsmaterialien/Methoden in der Erarbeitung bis zur Lernzielkontrolle, Erfolgssicherung und -Bestätigung) und durch
die Einbettung der Unterrichtseinheiten in Sequenzen und das (lehrplangemäße) Jahresvorhaben zieht.
Das Prinzip der Ökonomie setzt ein solches Vorgehen voraus, um die Zeitressourcen effektiv zu nutzen, überflüssige Wiederholungen und
Überschneidungen zu verhindern und den Schülern durch eine klare Struktur des Unterrichts auch effektives, zielgerichtetes Lernen zu ermöglichen
("Optimierung des Lehr- und Lernprozesses"). Allerdings gehen die Anforderungen an die Lehrkräfte zur Umsetzung des Prinzips der Ökonomie noch
einen Schritt weiter. Es wird hier im Sinne einer effektiven Vernetzung der Fachinhalte und Ziele die Berücksichtigung von Themenbereichen aus dem
gesamten Fächerkanon verlangt, die nur in Kooperation der in einer Jahrgangsstufe unterrichtenden Lehrkräfte erreicht werden kann (Klassenkonferenzen
nicht nur zum "Notenabgleich"!)
Ökonomisches Vorgehen bei der Planung und Durchführung des Unterrichts unterstützt die Schüler bei Erkennen einer Systematik des Gelernten und trägt
maßgeblich zum Lernerfolg bei. Damit wird auch dem Prinzip der Erfolgssicherung in doppelter Hinsicht entsprochen: einmal spiegelt die Sicherung
tatsächlich inhaltlich das durch die Problemstellung und Zielangabe intendierte Ergebnis der Stunde wider, zum anderen stehen die gesicherten Ergebnisse
aller Unterrichtseinheiten in einem Gesamtzusammenhang der Themenbereiche und der übergeordneten Lernziele.
Das Unterrichtsprinzip der Motivierung meint, dass im Unterricht eine Lernmotivation zu erzeugen hat, einen positiven Anstoß zur Lernbereitschaft, zum
Handeln, zur Aktivität geben soll. Das kann geschehen, in dem der Unterricht einerseits an der Lebenswelt der Schüler und ihrer Interessenlage orientiert
ist, andererseits dabei auch selbst neues Interesse weckt. Motivierung als Prinzip erfolgt durchgängig; sie bezieht sich aus diesem Grunde nicht nur auf die
Auswahl von Problemstellungen und von Unterrichtsmaterialien, die sich durch Lebensnähe und Sachgemäßheit auszeichnen sollen. Motivierung im
Unterricht geschieht auch über die Auswahl der Methoden, welche Gelegenheit zur Selbsttätigkeit, also zu eigenverantwortlichen Aktivität bieten, bzw.
dazu auffordern. Zusammen mit der Sachgemäßheit, dem Realitätsbezug von Inhalten und Lernstoff weckt die Möglichkeit zum eigenverantwortlichen
Tun die Motivation, da hierdurch die Schüler als Persönlichkeiten ernst genommen werden. Daneben werden durch Selbsttätigkeit, Lebensnähe und
Sachgemäßheit auch die Lern- und Leistungsbedürfnisse der Schüler berücksichtigt.
Eine an Verstärkung, Lob und positiver Rückmeldung orientierte Erfolgsbestätigung ist ebenfalls der Weckung von Lern- und Leistungsbedürfnissen
dienlich und damit ebenfalls Element des Unterrichtsprinzips Motivierung.
Hauptbezugsebenen der Didaktischen Prinzipien
Didaktische Prinzipien beziehen sich im Allgemeinen auf die Zielebene, die Methoden und Inhalte und auf die Persönlichkeit des Schülers. Dabei gibt es
eine Reihe von Überschneidungen. Allerdings lassen sich die didaktischen Prinzipien in ihrer Vielzahl und teilweisen Ähnlichkeit in ihrem
Bedeutungsumfang auch jeweils einer Hauptbezugsebene zuordnen, ohne dass die endgültige Diskussion über andere Betrachtungsweisen und
-Blickwinkel damit abgeschlossen werden soll.
Bezugsebene: Gesellschaft und ihre Bezugsebene: Inhalte und Ziele und ihre Bezugsebene Schüler
Erwartungen an Unterricht Adaption für den Lernprozess
- Erziehender Unterricht - Aktualität - Motivierung
- Mündigkeit - Differenzierung - Erfolgsbestätigung
- Solidarität - Elementarisierung -Erfolgssicherung
- Wertorientierung - Fächerübergreifender Unterricht - Schülerorientierung,
- Individualisierung - Handlungsorientierung /Selbsttätigkeit /
- Lebensnähe Aktivierung
- Realitätsbezogenheit - Ganzheitlichkeit
- Sachgemäßheit
- Strukturierung
- Veranschaulichung
- Wissenschaftsorientierung
- Zielgemäßheit
Literatur: Kontakt:
Jank/Meyer: Didaktische Modelle, Frankfurt 1994. Dr. Peter Pfriem
Glöckel, H.: Vom Unterricht, Bad Heilbrunn 1990. Fachvertretung Did. d. Arbeitslehre
Köck, P.: Praxis der Unterrichtsgestaltung und des Schullebens, Donauwörth 1991. Univ. Würzburg
Hinz/Pöppel/Rekus: Neues schulpädagogisches Wörterbuch, Weinheim 1993. Wittelsbacherplatz 1
Schröder, H.: Lernen- Lehren- Unterricht, München 2000. D - 97074 Würzburg
Kretschmar/Stary: Schulpraktikum- eine Orientierungshilfe zum Lernen und Lehren, Berlin 1998.