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ÖSTERREICH NACH 1945.

EIN ÜBERBLICK

Die Zweite Republik

Die Zweite Republik bedeutete eine Neugründung des österreichischen Staates nach dem Zweiten
Weltkrieg. Sie wurde deshalb „Zweite Republik“ genannt, weil es in der Zwischenkriegszeit die „Erste
Republik“ gab.

Nach dem Zweiten Weltkrieg teilten die Alliierten Österreich in vier Besatzungszonen auf: 1. die
englische Zone, 2. die amerikanische Zone, 3. die französische Zone und 4. die russische Zone. Diese
Zonen hielten bis ins Jahr 1955, in dem nach zehnjähriger Besatzung im Staatsvertrag Österreichs
Unabhängigkeit ausgerufen wurde: „Österreich ist frei!“ Österreich war damals das einzige Land,
welches die Russen freiwillig aus ihrem Einflussbereich entließen.

Der Zweiten Republik war eine antifaschistische Stoßrichtung vorgegeben. Dafür waren die Parteien der
Sozialisten (SPÖ), der Kommunisten (KPÖ) und der Konservativen (ÖVP) verantwortlich.

Unabhängigkeit; wirtschaftliche und soziale Entwicklung nach 1955

Nach dem Jahr 1955 änderte sich Österreichs politisches Selbstverständnis. Österreich sah sich fortan als
neutraler Kleinstaat, der zwischen kapitalistischem Westen und kommunistischem Osten vermittelte.
Dieser Staat war vom Wiederaufbau gekennzeichnet. Österreich sah sich als Hort des sozialen Friedens,
was sich beispielsweise in der Sozialpartnerschaft1 und der Redewendung „Insel der Seligen“2
widerspiegelt. Alles, was Österreichs Selbstverständnis in den 70er- und 80er-Jahren ausmachte,
wandelte sich mit dem Kalten Krieg, dem Beitritt zur Europäischen Union und der fortschreitenden
Globalisierung.

Das österreichische Selbstverständnis wurzelt einerseits im kulturellen Erbe und andererseits im Sport
und im Fremdenverkehr. Vor allem der Wintersport bringt eine Umwegrentabilität für den Tourismus
mit sich.

Die wissenschaftliche Unterscheidung zwischen „Kulturnation“ und „Staatsnation“ ist für das Verstehen
der österreichischen Identitätskonstruktion sehr wichtig. Während die „Staatsnation“ nach
französischem Vorbild sich als politische Einheit definieren lässt, versteht sich die „Kulturnation“ als
ethnokulturelle und sprachliche Gemeinschaft. Sein kulturelles Erbe half Österreich dabei, sich als
Kulturnation zu definieren, und leistete einen wichtigen Beitrag zur Stabilisation der politischen

1
Österreich verfügt über ein besonders ausgeprägtes System der Zusammenarbeit der großen wirtschaftlichen
Interessenverbände untereinander und mit der Regierung.
Diese Zusammenarbeit war eine Grundvoraussetzung für den Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg und
bildet die Basis für das weitere wirtschaftliche Wachstum und für sozialen Frieden.
Die Sozialpartnerschaft beruht auf dem Prinzip der Freiwilligkeit: das historisch gewachsene Zusammenwirken der
Interessenverbände ist weitestgehend informell und nicht durch Gesetz geregelt.
2
Der Ausdruck, Österreich sei eine „Isola felice“, eine „glückliche Insel“, wird Papst Paul VI. anlässlich eines
Vatikanbesuches von Bundespräsident Franz Jonas zugeschrieben. In den 1970er Jahren wurde er unter
Bundeskanzler Bruno Kreisky auf die Insel der Seligen umformuliert.
Situation. Nach dem Ersten Weltkrieg ging zwar die politische Großmacht zugrunde, das Bild der
„kulturellen Großmacht“ half Österreich jedoch, in seine neue Rolle als Kleinstaat hineinzufinden.

Identität und Tradition

Die Zweite Republik interessierte sich dafür, kulturelle Instanzen aufrechtzuerhalten (z. B. die Wiener
Philharmoniker und das Burgtheater).

Auch wenn die Wiener Philharmoniker eine hohe Anzahl an Mitgliedern der NSDAP (der
Nationalsozialistischen deutschen Arbeiterpartei) auf wiesen, wurde nach dem Jahr 1945 versucht, ihren
Weiterbestand zu sichern.

Am 12. April 1945 brannte das Burgtheater, wobei Zuschauerraum und Bühnenhaus zerstört wurden.
Am 27. April 1945 wurde bereits im Ronacher weitergespielt.

Das Theater wurde als systemstabilisierend angesehen. Nach dem Jahr 1945 hatten Ideendramen
Konjunktur (Toleranz, Friede, Freiheit usw.). Während und nach dem Krieg war auch das Amüsante (so
genanntes „evasorisches Theater“ oder „Ablenkungstheater“) sehr beliebt. In Österreich kamen vor
allem ausländische Dramen zur Aufführung. Was das zeitgenössische Theaterschaffen betraf, gab es
einen großen Nachholbedarf. Das Medium Theater wurde genutzt, um nach den Hitler-Jahren und dem
Austrofaschismus ein neues Bewusstsein zu befeuern. Nach dem Zweiten Weltkrieg war im Theater alles
auf Harmonie und Stabilisation ausgerichtet – Disharmonie und Destabilisation sorgten für Proteste. Ein
Beispiel für ein solches Theaterstück, das Proteste hervorrief, ist ÖDÖN VON HORVÁTHs Geschichten aus
dem Wiener Wald (1948). Zum Zeitpunkt der Aufführung war das Stück schon an die anderthalb
Jahrzehnte alt und der Autor seit etwa einem Jahrzehnt tot. Die österreichische Erstaufführung endete
mit einem Aufruhr unter den Zuschauern. Konservative wie Kommunisten lehnten das Stück aus
unterschiedlichen Gründen ab (Befleckung des Österreichertums, Darstellung des Wieners als Bestie
usw.). Das Publikum war auf die Wiederentdeckung des Österreichertums abgestellt. Das Stück zeigte
jedoch nicht das, was die Leute sehen wollten.

Der kulturelle Massegeschmack war so etwas wie die kulturelle Visitenkarte der Republik. Das Erbe der
Monarchie wurde im 20. Jahrhundert zum Erbe der Republik umgedeutet. Es wurde versucht, aus der
Monarchiegeschichte brauchbare Identifikationselemente herauszulösen. Das wird auch als
„Eklektizismus“ bezeichnet.

Die Monarchie war jedoch ein Vielvölkerstaat, die Republik ein Kleinstaat. Die Frage ist, wohin Leute wie
FRANZ KAFKA gehören (Ist er überhaupt ein österreichischer Schriftsteller?). JOSEPH HAYDN,
WOLFGANG A. MOZART, LUDWIG VAN BEETHOVEN, FRANZ SCHUBERT, das Burgtheater, die Staatsoper,
die Wiener Philharmoniker, die Wiener Sängerknaben und die Wiener Festspiele sind Dinge, die nach
1945 immer wieder mit Österreich verbunden werden.

Heimatfilme

Heimatfilme sind ein typisch österreichisches und deutsches Genre, das seine große Zeit in den 50er-
Jahren feierte und welches es außerhalb Österreichs und zum Teil auch Deutschlands nicht gibt. Sie
stellen eine Antwort auf den Zweiten Weltkrieg dar und dienen der Aufarbeitung von Beschädigungen,
indem das Idyll hervorgehoben wird.

Die drei Kennzeichen des Heimatfilmes sind 1. die Schauplätze, 2. das Brauchtum und 3. die Darstellung
einer „heilen Welt“.

— Schauplätze: Als Schauplätze dienten Gebiete, die von den Kriegsverwüstungen verschont blieben (z.
B. das Donautal, die Wachau, das Salzkammergut und die Hochalpen). Der Film betreibt auch Werbung
für den Fremdenverkehr, indem er Reiseanregungen gibt. Das geschieht aber auch durch die Darstellung
von Naturschönheiten. Ein Beispiel für einen Heimatfilm ist ALFONS STUMMERs Der Förster vom
Silberwald – Echo der Berge (1955). Dieser Film war ursprünglich ein Dokumentarfilm über die steirische
Jägerei, um dessen Tier- und Naturaufnahmen später eine Handlung gestrickt wurde. Trivial-dramatische
Handlung und unzerstörte Natur gehen in diesem Film eine Symbiose ein.

— Brauchtum: Das Heimatfilm zeigt das ländliche Brauchtum (z. B. Feiern, Singen und Tanzen). Er sieht
sich auch als Kontrast zur urbanen Kultur. Das heimische Brauchtum zeigt, wie beständig Tradition sein
kann. Das Brauchtum übersteht die Kriegsbeschädigungen unbeschadet. Die Heimatfilme sollten den
mythisierten nationalsozialistischen Heimatbegriff, der noch von Blut durchtränkt war, untergraben. Das
triviale Unterhaltungskino sollte die mythisierten Darstellungen ersetzen. Leichtigkeit und
Unterhaltsamkeit sollten die österreichische Identität festigen und der zer- und verstörten Gesellschaft
einen Halt geben.

— Darstellung einer „heilen Welt“: Heimatfilme zeigen eine heile Gesellschaft oder Welt. Werke der
Trümmerliteratur (wie z. B. jene der deutschen Schriftsteller WOLFGANG BORCHERT und BERTOLT
BRECHT) zeigen eine Welt, die nicht immer rosig ist. Dem steht der Heimatfilm entgegen. Heimatfilme
hinterfragen Werte und Strukturen nicht, sondern präsentieren eine Märchenwelt, deren
Gegebenheiten überdauern: Gut und Böse sind klar voneinander getrennt, und Autoritäten werden nach
wie vor geachtet. Das versöhnliche Ende des trivialen Erzählens findet sich auch im Heimatfilm. In den
50er-Jahren entwickelten sich verschiedene Subgenres: 1. alpine Erotikkomödien (besonders in den
60er- und 70er-Jahren), 2. Lederhosen-Filme, 3. Fernseh-Serien (Ein Schloß am Wörthersee [1990–
1992], Schlosshotel Orth [1996–2004], sozialkritische Heimatfilme (Der Bockerer [1981] von FRANZ
ANTEL oder Die Piefke-Saga [1990/1993] von WILFRIED DOTZEL, FELIX MITTERER und WERNER
MASTEN]). Diese Nebenstränge lösten sich vom Hauptstrang des Heimatfilmes der 50er-Jahre langsam
los.

Ein gängiger komischer Bestandteil der Heimatfilme ist die Konfrontation von Einheimischen und
Feriengästen. Dieser Aspekt wird etwa in der Fernsehserie Die Piefke-Sage kritisch und ironisch auf die
Spitze getrieben.

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