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Virtuelle Architektur
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D er B egriff virtuelle A rchitektur lafit sich aus zwei


if <■' : t if ii-U t’ * M GH\V Quellen erklaren. D ie eine ist die Schnittflâche von
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theorie komplexen Verhaltens.
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Christopher G. Langton, der selbst das Grazer
Symposium besuchen wird, schreibt in der E inlei-
tung zu dem von ihm herausgegebenen B uch „Ar-
tificial L ife "1): D ie einfachste A rt und W eise, zwi-
schen linearen Systemen und nichtlinearen Syste-
men zu unterscheiden, ist darin zu sehen, da6 bei
linearen Systemen das Verhalten des Ganzen nur
die Summe des Verhaltens der T eile ist, wahrend
bei nichtlinearen Systemen das Verhalten des G an­
zen m ehr ist als die Sum me des Verhaltens der
Teile. D iese Formulierung stammt aus der Einsicht,
daB Leben nicht eine Eigenschaft der M aterie ist,
nicht etwas ist, das der M aterie inharent ist, sondern
ein Résultat der Organisation der M aterie, eine
Eigenschaft der Form . D aher ist es bei Systemen
einer bestimmten K om plexitat - wie sie nichtli-
neare Système darstellen - nicht môgliçh, die T eile
in Isolation zu analysieren und aus ihrer K om bina-
tion ein Verstandnis des ganzen Systems zu gewin-
nen. D ie wesentliche Eigenschaft bei nichtlinearen
komplexen Systemen ist es, da6 ihre primàren Ver-
haltensweisen Eigenschaften sind, die aus der Inter-
aktion zwischen den Teilen entspringen und nicht
aus den Eigenschaften der T eile selbst. D iese sy-
stemcharakterisierenden Eigenschaften, die auf
dieser Interaktion basieren, verschwinden daher
notwendigerweise, wenn die T eile unabhangig von-
einander studiert werden, da es ja nicht die T eile
selbst sind, sondern nur ihre Interaktion, welche die
Systemeigenschaften konstituieren. D aher werden
diese T eile virtuelle T eile genannt. B etrachter und'
Werk sollten in einem Kunstwerk solche virtuelle
Teile eines komplexen Systems der Interaktion
werden. Wenn man die physikalischen T eile iso-
liert, dann hôren die virtuellen T eile auf zu existie-
ren, denn die virtuellen T eile, die Verhaltenswei-
sen, sind von den nichtlinearen Interaktionen zwi­
schen den physikalischen Teilen in ihrer Existenz
abhangig. Virtuelle Teile sind „die fundamentalen
Atom e und M olekiile des Verhaltens" (Ch. G.
Langton).

S2EMOQRÂPH1E DES VIRTUELLES


Dieser systemtheôretische Zugang zum Verhalten
komplexer Système wird nun auf den Gebrauch
von Architektur und M edien (visueller Inform a­
tion) übertragén. D er Zuschauer und sein Environ­
ment, eine künstlich errichtete Architektur, sollen
eine Art nichtlineares kom plexes System darstel­
len, wo aus der Interaktion der architektonischen
Module und des Betrachters ein lebendes System
entsteht. D er Betrachter und die A rchitektur bil-
den also selbst virtuelle T eilé eines dynamischen,
flexiblen Systems. D ie wesentlichen Eigenschaften
entstehen in der Interaktion zwischen ihnen. Es
kommt also bei dieser A rchitektur nicht auf die
M aterie an, sondern auf die Organisationsform.
Das Bühnenbild ist daher der virtuellen A rchitek­
tur naher als Béton. A rchitektur und Betrachter

James P. CrulchfiM: Vom Videohild zum chaoliscliei) Rausclien mil Struktur und wieder retour.

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bilden durch ihre Interaktion ein System künstli- V IP EO -A R C H ITEK TU R ; V IR T U E L L E K IN ET IK
chen Lebens. Dabei ist eine zweite Erfahrung der M eine Absicht ist es also, Pràliminarien zu einer
T héorie komplexen Verhaltens zu beachten, nâm- Video-Architektur zu schaffen, w elche einen zen­
lich die Aufgabe einer zentralen Kontrollmaschi- tralen Kontrollmechanismus mit globalen Regeln
nerie, Kom plexe Système - wie das Leben selbst aufgegeben hat und eine lokale Déterm ination des
oder die Intelligenz - haben den Begriff einer zen­ •Verhaltens des B etrachters auf lokaler E ben e er-
tralen globalen K ontrolle dispensiert, wie z. B. eine môglicht. Im Kino herrscht unerbittlich lineare E r-
rotierende Trom m el oder einen M otor, und bauen zahlzeit. Ebenso ist der B lick linear zentriert auf die
auf Mechanismen einer verteilten Kontrolle des Leinwand. D ie visuelle Pyramide (vom Blickpunkt
Verhaltens auf. D ie lokale Bestimmung des Verhal­ des Betrachters zur Flache der Leinwand), welche
tens mit lokalen Regeln ist für die Erzeugung kom­ in der Renaissance dem Studium der Perspektive
plexen Verhaltens eher geeignet als die An- entsprang, erzwingt eine hierarchische lineare Ver-
wendung komplexer globaler Regeln. Im Prinzip haltensweise des Betrachters. D aher gibt es seit
sollte daher der Zuschauer an jedem Ort und zu dem Bruch mit der Perspektive (ab Cézanne) ver-
jedem Zeitpunkt tun und lassen kônnen, was er will. scharfte Anstrengungen in der Kunst, auch die
S o wie die Welt iiberhaupt in lokale, kleine Raum- lineare Betrachtungsweise zu brechen und mit der
und Zeiteinheiten zerfalîen ist. E s gibt kein Rom multiplen Perspektive (Kubismus) auch den B e ­
m ehr als zentralen Kontrollmechanismus, sondern trachter zu aktivieren, indem ihm nichtlineare, be-
die W elt besteht aus vielen lokalen dynamischen wegliche, dynamische Sehweisen gegenüber dem
Systemen. Das hat den V orteil, daB früher, wenn Bild ermôglicht werden. D er bertihmte, von A lex­
der zentrale M otor ausfiel, ein R eich zusammen- ander D orner initiierte „Raum der A bstrakten" von
fiel, daB hingegen bei vielen lokalen M otoren ein E l Lissitzky im Sprengelmuseum Hannover (1 9 2 7 )
System weiterlebt, auch wenn einige M otoren aus- ist ohne einen aktivierten, mobilen B etrachter in
\ . Das erklart auch die Heterogenitât unserer seiner Gestalt gar nicht erfaBbar.
Kuitur, wie der Kosm os zu einer A rt Konsum Alexander D orner schrieb iiber „Die neue Raum -
(-Laden) wird. Früher, bei zentraler, globaler K on­ vbrstellung in der bildenden Kunst“ bereits 1931:
trolle, war ein Kunstwerk von Michelangelo nur in „Das traditionelle Raum bild ist das vor einem hal-
der M étropole, z. B . in der Sixtinischen Kapelle, zu ben Jahrtausend geborene perspektivische, in dem
sehen, heute kann ein Bild von Ad Reinhardt so- von einem festen absoluten Standpunkt aus der
wohl in New Y ork wie auch in der sogenannten Raum als unendliche, hom ogène, dreidimensionale
Provinz, z. B , in Baden bei W ien, harïgen. Dieses Ausdehnung . . . angesehen wird. Das entschei-
scheinbare Chaos ist aber nur das Ergebnis der dende Novum des Kubismus ist die Verdrângung
Virtualitat des Verhaltens hochkomplexer Sy­ . des absoluten Standpunkts durch den relativen. D ie
stème. Kunstsysteme sollten von gleicher Kom - Künstler empfinden . . . als das W esentliche des
plexitât sein und daher zum Beispiel die Struktur R au m es. . . seine unwirkliche A llseitigkeit. . . und
der Zentrik aufgeben. daB man im Raum wandern muB, um ihn wirklich
D ie Art und W eise, wie wir Betrachter in der dreidimensional zu erleben. So verschwindet im
Kino-Architéktur mit der Leinwand interagieren, weiteren Verlauf der abstrakten Kunstentwicklung,
ist hingegen das Ergebnis so bines zentralen Kon­ so im spâten Konstruktivismus, die absolute Aus­
trollmechanismus, namlich der Hiérarchie der dehnung der K ôrper (Lissitzky). Die. M aterie wird
visuellen Pyramide. D a aber das Video-Bild selbst schlieBlich in reine Flâchen und Linien aufgelôst,
schon virtuell ist, liegt es nahe, die statische die, masselos und durchsichtig, sich durchdringen.
Apparatur des Bildmediums, den Monitor (TV - So en tsteh t. . . der Raum als Durchkreuzung von
Apparat) zu überwinden und die Architektur der Bewegungs- und Energiestrom en.”2)
Apparatur selbst in eine Architektur des Virtuellen D ie Video-A rchitektur muB also davon ausgehen,
zu verwandeln.
daB in ihr die perzeptueUe Situation des Betrachters
D ie stets verschwindenden virtuellen Teilb des anders ist als im K ino, und daB die neuen Raum -
elektronischen Bildes sollten einer Szenographie
vorstellungen, die durch eine zunehmend immate­
des^ Unsichtbaren eingeschrieben sein, wo die rielle visuelle Kunst entstànden sind, in ihr selbst
i bile Pyramide zumindest so fraktalisiert ist, wie abgebildet werden müssen. E s wird also in der T at
kuum und Zeit in der K inetik des Unsichtbaren,
Bewegungsstrôme des Betrachters als virtuellen
dem elektronischen Bild, in der technischen Kom-
T eil geben, wenn ér im Raum wandert und auf den
munikation insgesamt fragmentarisiert sind.
masselosen und durchsichtigen Bildschirmen das
Voraussetzung dafür ist, den Bildschirm des M o-
Konzert der reinen Flachen und Linien erlebt. Àn-
nitors nicht langer mit der Filmleinwand gleichzu-
stelle einer linearen A usgerichtetheit des Blicks
setzen und zu verwechséln, weil sie beide einer
wird ihm die Video-A rchitektur eine «unwirkliche
gegensatzlichen Technologie mit vollkommen ver- Allseitigkeit", ein W andern im Raum und ein W an­
schiedenen Darstellungsmethoden entstammen.
dern des Blicks erm ôglichen. E s wird ihm auch die
Nicht-Linearitat ist seit je h e r als Kennzeichen der simultané Wahrnehmüng von nebeneinander situ-
elektronischen Kommunikation interpretiert wor-
ierten Monitoren (virtuellen Raum teilen) gewahrt.
den.' D ie Video-Technologie erlaubt z. B . eine
D ie raumliche Vorstellung der Video-A rchitektur
schleifenartige, rekursive, nicht-lineare Wahrneh-
muB also allein schon aus ihrer kunsthistorischen
mung.
Entwicklung eine m asselose, dynamische, beweg-
D ie Video-Technologie zerstôrt mit ihren R e-
liche, relative, nichtlineare, unwirkliche und vir­
wind-, Fast-Forward- und Repeat-Tasten die li- tuelle sein.
neare Zeit. Zeit wird im V ideo-D om ein Muster
kombinatorischer Fiktionen. D ie Logik des Kom - TRAN SPAREN Z
binatorischen erstreckt sich aber auch auf den
D a Video keine Cam éra obscura ist, bedarf Video
Raum . Denn der Raum ist sozusagen der L eib der
auch keiner abgedunkelten W ürfel, in denen der
Zeit. Wird die Z eit fragmentarisiert, so auch der
Zuschauer vereinsamt und verangstigt sitzt und
Raum. Zumal wir es in der elektronischen Techno-
starr nach vorne auf die Leinwand blickt, zitternd
W elt ohnehin mit einem temporalisierten Raum zu
ob der UngewiBheit,’ ob ihn nicht ein kurzes
tun haben, mit einem Raum , der in Zeiteinheiten
Schwanken seiner A ufm erksam keit, ein dezentra-
(statt Raumeinheiten) gemeàsen wird. In dieser
les Abwenden des Blicks, ein Verlassen der visuel-
kombinatorischen Logik von spatialen und tempo-
Narendm S. Goel & Richard L. Thompson: Entwickiungs- .
ralen Mustern zersplittert, zerbricht die visuelle stadien einer sich selbsiaufbauenden Frefizelle. (Aus: Arii-
ficial Life. Hrsg. von Christopher G. Langton. Addison-
Pyramide und multipliziert sich zu einem Hyper- Wesley Publishing 19S9).
kubus, zu einem Polyhedron, zu einem dekompo- Peter Weibel: Der fraktale Dom. Skizze der Videoinstalla-.
nierten Torso, zu einem Rôssler Band oder einem lion fiir die AussteUung „Virtuelle Architektur" (1989).
Andrea Neuwirth: Transformationen der Mandelbrot-
anderen chaotischen Attraktor. Menge. Computergraphiken (1989).

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len Pyramide gerade die wesentlichsten Elem ente S P ECU LU M ; A R TIBU S ET HISTOBilAE kunst“. Computeranim ationen über stürzende G e-
der Handlung oder der visuellen Komposition ver- genstande, karam bolierende A utos und andere
E in e wahre mediale A rchitektur ist also eine sol-
saumen lassen. Videobilder kann man auch bei che, die auf Interaktivitat W ert legt. D er aktivierte Katastrophen der Schw erkraft kônnen mit künst-
Helligkeit sehen, und der B etrachter muB nicht in Betrachter wird der interaktive Benützer der B il­ lerischen Experim enten gegen die Schwerkraft und
i einen Sessel gezwungen werden. In der idealen der. Wenn Architektur, B ilder und Betrachter be- innerhalb einer A rchitektur jenseits der Gravitation
Video-Architektur (anders als in der perspektivisch wegliche virtuelle T eile eines komplexen- dynami­ gezeigt werden.
beherrschten Città Ideale der Renaissance) kann schen Systems bilden, das Zerstreuungen, Zufallen, Virtuelle Architektur ist also selbst ein M odell für
der Betrachter frei herumwandern, seine Aufmerk- Morpho-Dynamik.
Bifurkationen, Dezentralisierungen unterworfen
samkeit darf oszillieren, sein Blick darf dezentriert ist, gilt diese Virtualitat natürlich nicht nur fur den
abschweifen, und die visuelle Pyramide darf nach Raum und für die Sehm aschinerie, sondern auch
lokalen Bediirfpissen und Regelnverform t werden. für die Zeit. Die Vision offnet sich nicht nur dem
PIE M E P IE N C E R E C H T E Z U R S C H A U S T ELLU N G
Visuelle Pyramide und virtuelle T eile sind also Op- virtuellen Raum, diesem Raum ohne Raum , die- Die Ausstellung «Virtuelle A rchitektur" darf für
ponenten. D er Zuschauer als aktivierter Betrachter sem cartesianischen, mathematisierten Raum , son­ sich ein Novum beanspnichen. Zum ersten Mal
interagiert in der virtuellen Architektur nach loka­ dern die Vision offnet sich auch einer diachronen, wird Video nicht in einer Kinosituation, sondern als
len Regeln in einem nichtlinëaren System. D ie vi­ virtuellen Zeit. Zufallige Irrfahrten auf dem feinen Medium in dem ihm adaquaten raumlichen und
suelle Erfahrung muB also in der idealen Video- G itter der Zeit und réversible Zeitreisen werden in zeitlichen Environment gezeigt. Neben der neuar-
Architektur (anders als im Kino) einen nichtlinea- der medialen Architektur moglich. Im virtuellen tigen baulichen Umwelt wird ein neues zeitliches
- ren, dezentralisierten, dynamisierten Zugang des Techno-Raum entfaltet sich auch d ieT ech no-Z eit, Feld für den Betrachter moglich. A uch die Betrach-
Betrachiters zur visuellen Inform ation und im Raum welche eine M aschinen-Zeit ist. W ie aber die Seh- tungsweise selbst wird (anders als im Kino) erstmals
ermôglichen. Daher wird ein Videoband nicht auf maschine selbst als mechanisches System zerbro- den immanenten M ôglichkeiten des Médiums V i­
einem Monitor abgespielt, sondern es wird ein und chen und bloB virtueller T eil innerhalb der Dyna­ deo angepaBt. So stehen also nicht wie bisher Vi-
dasselbe Band durch Computersteuerung gleich-
mik des Sehaktes geworden ist, so ist auch die M a- deoskulpturen funktionslos und isoliert in einem
zeitjg oder zeitverzogert auf mehreren Bildschir- schinenzeit nur virtueller T eil der Thermodynamik neutralen Raum, sondern die raumliche und bild-
/ Vu sehen sein. Es wird dadurch z. B . moglich, des Sehens. Die T echn o-Z eit ist also ebenfalls sto- liche Erfahrung wird durch Video transformiert.
dhw 'éer aktive Betrachter beim Abwandern einer chastisch, nonlinear, lokal. Dadurch wird es môg- D er gesamte Raum ist videospezifisch, und mit ihm
Videowand, beim Durchwandern einer Videoland- Iijch, kunstgeschichtliche R eferenzen als Formen andern sich auch das zeitliche und das perzeptuelle
schaft buchstâblich den Zeitablauf eines Videos einer periodischen Stimulation, als einzelne Puls- Erleben des Betrachters. In der V ideo-A rchitektur
ergeht. Anstatt starr auf einem Sessel zu sitzen und perturbationen einzubauen. Kunstgeschichte als zahlen Interaktion •und Virtualitat. D ie Video-
20 Minuten in ein und dieselbe Richtung zu starren, Spiegel. Leonardo da Vincis „Sintflut“-Zeichnun- maschine selbst wird eine virtuelle M aschine in
werden die 20 Minuten Vorführzeit in 20 parallel- gen und andere Reispiele seiner intensiven Studien, einem kqmplexen dynamischen System, dessen
geschaltete M onitore mit je einer Minute des zu Phanomenen der Dynamik, wie Wolkeir- und Generator der B etrachter ist.
Videoprogramms râumlich umgeschlagen, so daB Vôgeifliige, kônnen daher in Beziehung gebracht Die Ausstellung vereinigt visuelle M odelle von wis-
der Betrachter, wenn er in 2 0 Minuten langsam die werden zu coniputerunterstiitzten Bewegungsstu-. senschaftlichen Forschungen und Installationen
20 Monitore abschreitet, wobei er jederzeit auch
dien von Wolkenbildungen und Wasserstrômun- von Médienkünstlern. D o ch nicht nur dreidimen-
stehenbleiben kann, nach rückwârts oder nach gen. D er tropfende W asserhahn („Drip Music“) des . sionale KunstWerke, sondern auch zweidimensio-
vorne eilen kann, in der T at das gesamte Programm
Flùxuskünstlérs George B rech t kann mit der Trôp- nale, die sich mit den Phanom enen einer extremen
zu Gèsicht bekommt. E r geht 2 0 Minuten im feltechnik („Drip Painting“) des Malers Jackson Dynamik und ihrem U m feld beschàftigen, w iez. B .
Raum, um 20 Minuten Z eitzu inhalieren. Das Idéal Pollock und der Studie „The Dripping Faucet as a Arbeiten von François M orellet, werden in einer
ware die Chinesische M auer als Leinwand und ein M odel Chaotic System” des M athematikers Robert Auswahl prasentiert. So bilden künstlerische und
orbitajer Blickpunkt. Aile „Kader“ eines Films wür- Shaw in Verbindung gebracht werden. Oskar K o- wissenschaftliche Installationen, eingebettet in eine
den (statt nacheinander in der Z eit zu laufen) ne- kosçhka, der Crétin, schreibt noch 1 9 6 4 von «einer spezifische mediale A rchitektur, den Rhythmus
beneinander auf die Chinesische M auer (in den amerikanischen Verwüstung im Physischen und des Lebens ab und schaffen die virtuellen Teile
Raum ) projiziert und kônnten somit von einem Sittlichen: Hiroshima, Pornographie und Trôpferl- einer Dynamik des Sehens, und des Wachsens.
orbitalen Standpunkt aus gleichzeitig erfaBt wer­
den. The Vasulkas: Transformationen (J 974).
ANM ERKUNGEN
') Artificial Life. H rsg. v. C hrislopher G. Langton. Ad-
dison-W esley Publ. 1989, vgl. S 4 1.
IN TER A KTIV ITÀ T . 2) M alew itsch-M ondrian. K onstruklion als Konzcpi
(A lexander D om ergcw idniet). Knnstvercin Hannover
Diese Umwandlung von Zeiterfahrung in Raum- 1977, S; 2 f.

e \ u n g , von fixiertem zu beweglichem Blick,


vou'G lobalitat in Lokalitât des Verhaltens, von
Zentralismus in Dezentralismus, von H iérarchie in
Zufall ist selbstverstandlich gerade bei solchen Bil-
dern vordringlich, die selbst von den Eigenschaften
komplexer, nichtlinearer Système handeln. Wenn CHAOS & O R D N U N G : V IR T U E L L E A R C H I-
TEKTU R
also dynamische Prozesse, Turbulenzen bei Wol- Mil W crkcn von G rclch en Bender, G eorge Brecht, W ar­
ren Burt, Jam es P. C rulchfield, Jiirgen Lit Fischer,
kenbildungen und Wasserstromungen, und andere Heinz-Olto Peitgen, D ietm ar Soupe, H nrtnuit Jürgens,
chaotische oder zufallige Vorgange ih der Natur auf Michael M cG uire, S tcina & W oody Vasulka, Andrej
Zdravic, Franz X aver u. a.
den Bildschirmen gezeigt werden, liegt es nahe, 14. bis 24. O ktober, G ra z c r Messe, Halle 12.
auch dem Zuschauer einen chaotischén oder zufal-
PETER W E IB E L
ligen Zugang zu diesen Bildern zu ermôglichen. geb.‘ 1945 in O dessa/U dS S R , lebi in Wien und Buffalo/
D er Zuschauer soll selbst virtueller Teil eines New York. Studien d e r Litcratur, M cdizin, M athem atik,
Loeik und P hilosophie in Paris und W icn, 1976-1981
dynamischen Systems mit fluktuierenden Parame- Lcktor für ..Theorie d e r Form “ an d er H ochschulc für
angcwandtc Kunst in W ien, 1979/80 G astprofcssor für
tern sein diirfen, gerade wenn es darum geht, M cdicnkunst und 1983 für Folografic an d er Gesam i-
dynamische Système, chaotisches Verhalten, kata- hochschulc Kassel, 1981 Visiling Artlsl am College o f Art
and Design in H àlifax/K anada und 1984 an der Univer-
strophale Bifurkationen und zufallige Fraktale dar- sity o f Southern C alifornia in Los Angeles, seit 1985
Associate P rofcssor fo r Digital A rts im D epartm ent of
zustellen. Es sollen also nicht nur Bilder des Zufalls, Media Study an d e r S tate University o f New York in
Buffalo.
des Chaos und der Katastrophe gezeigt werden, M edienkünstlcr, M usiker, Schriflsleller.
sondern es soll auch eine chaotische Wahrnehmung Ausstellungcn in L o n d o n (D estruction in A rt Symposium
1966), Frankfurt (E x p é rim e n ta 4 1971), Philadelphia
dieser Bilder, ein Zufalls-Zugang zu diesen Bildem (Video A rt 1975), Kassel (,,docum enta 6“ 1977), Bascl
(Slampa 1977 und 1980), Venedig (B iennale 1978), Am­
ermôglicht werden. Bild und Betrachter sind also sterdam (G alerie de A p p e l 1978), Paris (C entre Georges
virtuelle Teile einer Interaktion, die der Dynamik Pompidou 1980), M ünchen (Lcnbachhnus I9S3), New
York (M uséum o f M o d e m A n 1984), Los Angeles („stci-
der Isomorphie folgen. rischer hcrbst“ 1985), M adrid (M usco d ’a rtc eontenipo-
raneo 1986), Berlin (Film feslival 1986), G raz (..steiri-
Idealerweise ist natürlich so eine interaktive Iso­ scherherbs!" 1987, ..A nim al A rt“), W ien (M A K 1988/89
nlnszenierte K unstgeschichte11) u. v. a.
morphie nur auf digitaler Basis, z. B . mit computer- Jüngstc V erôffentlichungen und Filme: „Dic Beschlcuni-
unterstützten Simulationen (wie das Projekt „Les- gungder B ilder14(B ern: B enleli 1987). «Clip, Klapp, Bum.
Von der visuellen M usik zum M usikvideo'‘ (Buch- und
bare Stadt“ von Jeffrey Shaw) oder mit interaktiven Vidcoanthologie, zusam m en mit Veruschka Body, Koln:
DuMont 1988). „K urt G ô d e l - Ein m athcm aliscncr My-
digitalen Videoplatten, erreichbar. Computerge- tlios" (Film, 80 min., 1987, zus. mit W erner Schimano-
nerierte Architekturbilder in Bewegung werden vich). „Stimmen aus d e m Innenraum*' (M cdienoper, 80
min., Ars Elcctronica L in z 1988, zus. mit Valic Export
daher gerne virtuelle Architektur genannt. und Susnnne W idcl).

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