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Erreger nutzt
perfiden Immun-Mechanismus
focus.de/gesundheit/news/was-bei-corona-im-koerper-passiert-ace_id_11938655.html
Jetzt entdeckten die Forscher einen weiteren Effekt von Interferon, wie sie im
Fachjournal „Cell“ berichten: Es kurbelt in Zellen die Aktivität bestimmter Gene an, die
dann mehr von den Proteinen produzieren, für die sie codieren. Dazu gehört auch das
Gen mit der Bauanleitung den sogenannten ACE2-Rezeptor. Dieses Biomolekül sitzt in
einer ganzen Reihe von Geweben auf den Oberflächen der Zellen.
Dieser Mechanismus setzt, wie sich zeigte, einen Teufelskreis in Gang: In den befallenen
Geweben wird Interferon ausgeschüttet, was wiederum die Produktion von ACE2
stimuliert. Nun stehen dem Virus mehr Rezeptoren zur Verfügung, sodass es seinen
Angriff intensivieren und auch mehr Zellen befallen kann.
Als wäre das nicht schon perfide genug, greift Sars-CoV-2 mittels ACE2 noch an einer
zweiten Front an. Das Molekül trägt nicht nur dazu bei, den Blutdruck zu stabilisieren,
sondern verhindert auch, dass Blutgefässe durchlässig werden. Beides ist für eine
normale Funktion der Lunge unabdingbar. „ACE2 ist wichtig, um Menschen bei
verschiedenen Verletzungen der Lunge zu schützen“, sagt Jose Ordovas-Montanes vom
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Boston Children's Hospital, einer der Leiter der Studie. „Gibt es mehr davon, ist das
normalerweise eine produktive Reaktion. Da das Virus aber ACE2 angreift, denken wir,
dass es diese Schutzreaktion ausnutzt.“
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Noch ist unklar, ob ACE-Hemmer das Risiko für solche Patienten erhöhen. „ACE und
ACE2 nutzen den gleichen Stoffwechselpfad“, erklärt Ordovas-Montanes. „Es ist
komplexe Biologie, doch es ist wichtig zu wissen, wie ACE-Hemmer die Reaktion des
Organismus auf das Virus beeinflussen.“
Weiter prüfen Ärzte derzeit, ob Interferon zur Behandlung von Covid-19 taugt. Auch hier
ist im Licht des Studienergebnisses unklar, ob es Patienten mehr helfen oder mehr
schaden würde. „Es könnte sein, dass Interferon bei manchen Patienten das Virus
abhängig vom Zeitpunkt und der Dosis eindämmen kann, während es bei anderen die
Infektion beschleunigt“, konstatiert Ordovas-Montanes. „Wir wollen besser verstehen,
wo das Gleichgewicht liegt und wie wir eine antivirale Reaktion erhalten können, ohne
mehr Zielzellen für den Erreger zu erzeugen.“
„Es könnte sein, dass wir einen Zytokinsturm sehen, weil das Interferon das Virus
anfänglich nicht bändigen kann, deshalb ruft die Lunge nach mehr Hilfe“, vermutet
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Ordovas-Montanes. Dann eilen weitere Immunzellen herbei, die am Ende ihr
selbstzerstörerisches Werk beginnen.
Diesen Mechanismus wollen der Bostoner Mediziner und seinen Kollegen nun aufklären.
Darüber hinaus planen sie, neben der weiteren Untersuchung der Verheerungen, die
Sars-CoV-2 im Körper anrichtet, Gewebeproben von Kindern und Erwachsenen zu
analysieren. Ziel ist zu verstehen, warum Covid-19 bei den Jüngeren in der Regel viel
schwächer verläuft. Die Forschungsarbeit, so viel ist sicher, wird ihnen so schnell nicht
ausgehen.
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