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Wolfgang Streitbörger
Grundbegriffe für
Journalistenausbildung
Theorie, Praxis und Techne
als berufliche Techniken
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Prolog und Dank 5
Im Mai 2002 berichtete ich für den Deutschlandfunk über die Jahrestagung der
Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft
(DGPuK) in Dresden. Prof. Dr. Romy Fröhlich von der Ludwig-Maximilians-
Universität München (LMU) fragte mich eher beiläufig, ob ich mir vorstellen
könnte, noch zu promovieren. Damals lag mein Journalistik-Diplom von dieser
Universität schon 15 Jahre zurück, meine Rundfunkausbildung an der Deutschen
Journalistenschule noch länger. Seit meiner journalistischen Ausbildung bei
einer Lokalzeitung in den USA waren sogar mehr als 20 Jahre vergangen. Ich
arbeitete in Public Relations und Journalismus. Dennoch, ich konnte es mir vor-
stellen: als berufsbegleitendes Vorhaben, das ich dann im Herbst 2002 begann.
Journalistenausbildung interessiert mich, weil sie eine wichtige Stütze von
Qualität im Journalismus ist. Kritisch und engagiert begleitet haben mich meine
im Qualitätsjournalismus tätigen Freunde Dr. Dirk Asendorpf, Andrea Tebart
und Marion Trutter. Kompromisslos hohe Ansprüche an journalistische Qualität
zu stellen lehrten mich Jim Lehrer und Robert MacNeil von der TV-
Nachrichtensendung MacNeil-Lehrer NewsHour des Public Broadcasting Ser-
vice (PBS) in den USA und Michael Bollinger vom Hörfunkprogramm SWF 3,
bei denen ich während meines Diplom-Studiums Praktika absolvieren durfte. In
meiner späteren journalistischen Berufstätigkeit bestärkten mich darin der Chef-
redakteur der Psychologie Heute Heiko Ernst, der Leiter der Redaktion Wissen
beim SWR Detlef Clas sowie der Leiter der Medienredaktion des Deutschland-
funks Andreas Stopp.
Ursprüngliches Thema der Promotion waren vermutete Unterschiede zwi-
schen Journalistenausbildungen an Universitäten und Fachhochschulen. Schon
bald aber trat ein Problem auf: Mir fehlte das begriffliche Instrumentarium, In-
halte von Journalistenausbildung vergleichen zu können. Die in der deutschen
Journalistik gängige Fachwendung einer Integration von Theorie und Praxis gab
als grundstrukturierende Begriffe Theorie und Praxis vor. Diese aber erwiesen
sich als zu vieldeutig für die analytische Trennung von Inhalten; auch die gefor-
derte Integration blieb nebulös. Ebenso ungenau, mehrdeutig und bisweilen
beliebig erschienen zudem weitere Begriffe hochschulgebundener Journalisten-
ausbildung – bis hin zu Journalismus und Ausbildung.
6 Prolog und Dank
Also wandte ich mich den Begriffen zu. Mein Versuch, ausgehend von The-
orie und Praxis präzise Grundbegriffe für die Analyse und Planung von Curricu-
la in hochschulgebundener Journalistenausbildung zu entwickeln, führte mich
tief in Philologie und Philosophie, in Linguistik – und in eine weitere, mir da-
mals noch gänzlich fremde Welt, in die Terminologielehre. Beim Berliner Leh-
rerausbilder Dr. Manfred Rosenbach fand ich den Hinweis auf einen dritten Be-
griff neben Theorie und Praxis, der für die Ausbildung zu beachten sei: die alt-
griechische Techne, eine frühe und hoch präzise Fassung „beruflicher Techni-
ken“. Techne sollte zu meinem Schlüsselbegriff werden. Eine Referenzarbeit, die
diesen in für meine Zwecke ausreichender Präzision erschlossen hätte, lag nicht
vor. Also analysierte ich vorhandene Quellen selbst. Dies ergab einen umfang-
reichen Anhang. Weil diese Arbeit in der Arbeit aber auch für andere Fächer
neben der Journalistik wertvoll sein könnte, erscheint sie jetzt (Streitbörger
2013) eigenständig als zweites Buch aus meinem Forschungsvorhaben.
Prof. Dr. Fröhlich begleitete und unterstützte mich in meiner Umorientie-
rung hin zu einer Begriffsarbeit. Mit meiner Fixierung auf die Techne war dies
aber nicht mehr die Dissertation, die zu schreiben sie mich eingeladen hatte. Im
Jahr 2009 gab ich mein Münchner Vorhaben auf und bewarb mich um eine neue
Promotion an der Technischen Universität Dortmund, zu der Prof. Dr. Horst
Pöttker mich annahm. Prof. Dr. Claus Eurich schrieb das Zweitgutachten. Ohne
die engagierte Unterstützung dieser drei Professoren wäre die vorliegende Arbeit
niemals entstanden.
Dankbar bin ich auch den Journalistenausbildern, die mir als Probanden in
vier Fallstudien viel Interesse, Zeit und Energie geschenkt haben, nämlich die
Professoren Nicholas Lemann (New York City), Dr. Barbara Witte (Bremen),
Brian Brooks (Columbia, Missouri) und Dr. Frank Lobigs (Dortmund).
Am Thema festzuhalten ermutigten mich auch die Kommunikationswissen-
schaftler und Freunde Prof. Dr. Ingrid Volkmer von der University of Melbourne
in Australien und Prof. Stanley Baran (Ph.D.) an der Bryant University in Provi-
dence, USA. Weitere Professorinnen und Professoren gaben mir ebenfalls Mut,
Rat und Auskunft. Stellvertretend für sie alle seien genannt: Dr. Klaus-Dieter
Altmeppen, Silke Braemer, Dr. Bernd Blöbaum, James Crook (Ph.D.), Dr.
Beatrice Dernbach, Dr. Giso Deussen, Ursula Gröttrup, Dr. Gisela Kerkmann,
Dr. Wolfgang Langenbucher, Dr. Martin Löffelholz, Dr. Kurt Koszyk, Dr. Klaus
Meier, Dr. Bernhard Pörksen, Dr. Manfred Rühl, Dr. Andreas Schümchen und
Dr. Klaus-Dirk Schmitz. Besonderen Dank schulde ich auch Prof. Dr. Karl
Friedrich Reimers, der mich während meines Journalistik-Studiums in München
gelehrt hat, unkonventionelle Zugänge zu den Dingen zu erproben.
Prolog und Dank 7
Vorwort
legt sie das Fundament für weitere curriculare Forschung – nicht nur in der Jour-
nalistik. Streitbörger hat seine minutiösen Begriffsanalysen zur „Techne“ aus der
fachlichen, nur die Journalistik betreffenden Argumentation ausgegliedert und
publiziert sie in einem gesonderten, der Terminologik gewidmeten Band, der
auch der altgriechischen Etymologie des Worts nachgeht1.
Im zweiten Schritt kreuzt Streitbörger die Trias von Theorie, Techne und Pra-
xis mit den vier Anwendungsebenen Journalismus, Journalismusforschung, externe
Disziplinen und Alltag. Daraus entsteht ein 12-Felder-Schema, dem er die plausib-
le Prämisse zugrunde legt, die Integration von Theorie und Praxis in der wissen-
schaftlich fundierten Journalistenausbildung bemesse sich daran, dass alle Felder
dieses Begriffsplans ausgeglichen berücksichtigt werden. Um die Brauchbarkeit
seines Instruments zu prüfen, wendet er es auf vier Journalistik-Studiengänge an
deutschen und US-amerikanischen Hochschulen an, wobei er sich aus arbeitsöko-
nomischen Gründen auf Studienprogramme und Einschätzungen verantwortlicher
Professor(inn)en beschränkt. Gleichwohl sollte zu denken geben, dass der Studien-
gang einer deutschen Fachhochschule nach diesen Kriterien am besten realisiert,
was mit der Formel von der „Integration von Theorie und Praxis“ gemeint sein
dürfte, während ausgerechnet im berühmten Studiengang an der hoch renommier-
ten Columbia University in New York die Anwendungsebenen Journalismusfor-
schung und externe Disziplinen – also wissenschaftlich fundiertes Fach- und
Sachwissen – offenbar ziemlich kurz kommen. Streitbörger geht es nicht um Ver-
gleiche, sondern um den Nachweis der empirischen Brauchbarkeit seines Instru-
ments. Dennoch könnte man angesichts seiner Befunde auf die Idee kommen, dass
Journalistik an traditionellen Universitäten aus Angst vor dem Vorwurf der Praxis-
ferne Gefahr läuft, in Praktizismus zu verfallen, während Journalistik an modernen
Hochschulen für Angewandte Wissenschaften sich aus Angst vor dem Vorwurf der
Theorieferne besonders um wissenschaftliches Niveau bemüht.
In ihrem Bestehen auf präziser Begrifflichkeit und historischer Tiefe knüpft
Wolfgang Streitbörgers Studie, die im Wintersemester 2012/2013 von der Fakul-
tät Kulturwissenschaften der Technischen Universität Dortmund als Dissertation
angenommen wurde, an beste Traditionen deutscher Geisteswissenschaft an. Es
ist der Journalistik zu wünschen, dass sein Begriff der Techne sich bei den noto-
rischen Akklamationen zur Integration von Theorie und Praxis durchsetzen wird.
Wer in Zukunft Programme für journalistische Berufsbildung an Hochschulen
entwickelt, wird um Wolfgang Streitbörgers gründliche und grundlegende Arbeit
nicht herumkommen.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis ..................................................................................... 17
Abkürzungsverzeichnis .................................................................................... 19
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Buches unter http://www.springer.com frei zugänglich publiziert.
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
No. Number
OB Oberbegriff
Ph.D. Doctor of Philosophy
Prof. Professor
sic wirklich so, in der Quelle wie zitiert
u. a. unter anderem; unter anderen
u. ä. und ähnlich
UB Unterbegriff
US United States [of America]
U. S. United States [of America]
USA United States [of America]
usf. und so fort
usw. und so weiter
v. Chr. vor Christus
vgl. vergleiche
www World Wide Web
z. B. zum Beispiel
z. T. zum Teil
€ Euro
§ Paragraph
1.1 Die Terminologielehre auf die Journalistik angewandt 21
2 Wo ich im Sinne der nachfolgend noch zu erklärenden Terminologielehre Begriffe in ihren Be-
nennungen untersuche, hebe ich Letztere hier und auch nachfolgend mitunter durch Kursivschrift
hervor. Durchgehend alle Begriffe kursiv zu setzen wäre jedoch uferlos, da prinzipiell jede Be-
nennung auch als Begriff gesehen werden könnte. Auch erscheinen dieselben Begriffe an anderer
Stelle ohne Hervorhebung. Diese Inkonsistenz ist gewollt, weil ich nur an bestimmten Stellen das
Vorhandensein einer Benennung im Sinne der Terminologielehre betonen möchte.
den nachfolgenden Kapiteln belege ich bis dahin nur Behauptetes, beleuchte den
Kontext vor allem in seinen Begriffen und präsentiere die vier Fallstudien.
Siegfried Weischenberg (1998: 26, 11) hat Journalistik im deutschen Sinne be-
stimmt als die „Wissenschaft vom Journalismus“, die „Journalistenausbildung
und Journalismusforschung“ umfasst. Ich selbst sehe noch weitere Unterbegriffe,
vor allem Beratung von Journalismus und Politik. Auf den zweiten der Unterbe-
griffe, die Journalistenausbildung, wende ich mit dieser Arbeit eine weitere
Disziplin an: die Terminologielehre, von Reiner Arntz et al. (2009: 5) bestimmt
als die „Wissenschaft von den Fachwortschätzen“, die wiederum (vgl. ebd.) in
enger Beziehung zur Angewandten Sprachwissenschaft steht.
Die Terminologielehre entwickelt den Umgang mit Begriffen bis hin zu In-
dustrienormen dafür; in Deutschland stehen die wichtigsten Festlegungen in DIN
2342 des Deutschen Instituts für Normung e. V. (DIN).
In der Verknüpfung der Terminologielehre mit der Journalistik betrete ich
wissenschaftliches Brachland. Ich untersuche Begriffe von Benennungen von Ge-
genständen im Kontext von Journalistenausbildung und ihre begriffshierarchische
Positionierung als Oberbegriffe und Unterbegriffe. In diesem einen Satz sind be-
reits sieben Benennungen aus der Terminologielehre hervorgehoben, die ich in
einer Einführung in die Disziplin in Kapitel 2 noch exakt bestimmen werde.
Die Journalistik als terminologischer Oberbegriff mit mindestens zwei Un-
terbegriffen hat in den USA kein begriffliches Äquivalent. Dort kennt man die
Äquivalente journalism education für Journalistenausbildung und journalism
research für Journalismusforschung nur als Benennungen eigenständiger Begriffe,
aber keinen ihnen gemeinsamen Oberbegriff. Die Terminologielehre dagegen hat
mit terminology in den USA durchaus ihr Äquivalent, die einschlägigen deutschen
Normen des Deutschen Instituts für Normung e. V. finden dort ihre Vorlagen in
Veröffentlichungen der International Organization for Standardization (ISO).
Zwar produziere ich eine englischsprachige Übersetzung meines Begriffs-
plans und wende diese auf Journalistenausbildung in den USA an. Generell aber
betrachte ich auch amerikanische Kontexte mit dem Instrumentarium der
deutschsprachigen Terminologielehre.
Die Untersuchung ist interdisziplinär angelegt und schöpft, neben ihrer the-
oretischen Grundlegung in der Terminologielehre, aus klassischer Philologie,
Philosophie, Sprachwissenschaft, Pädagogischer Psychologie, Berufssoziologie
und Geschichtswissenschaft. Keiner der hier relevanten Begriffe erklärt sich von
selbst, sondern erst aus Begriffsarbeit. Nachfolgend sowie in meiner als separates
1.2 Journalistin oder Journalist? Die terminologische Gender-Frage 23
Buch erscheinenden Analyse des Begriffs von Techne (Streitbörger 2013) spanne
ich einen Bogen über drei Jahrtausende der Geistesgeschichte: von der griechi-
schen Erfindung des Begriffs als Denkform überhaupt, auch über mehr als ein
Jahrhundert hochschulgebundener Journalistenausbildung, bis zur hochgradig
standardisierten und hochpräzisen Sprache von Ingenieuren auf neuestem Stand.
Weil es mir ernst ist mit Begriffen, wird spätestens an dieser Stelle eine Be-
griffsklärung notwendig: Wenn nachfolgend von Journalist die Rede ist, meine
ich nachdrücklich auch Journalistin, und umgekehrt. So erspare ich mir die
sprachlich unschöne JournalistInnenausbildung und das begriffliche Monstrum
Journalistinnen- und Journalistenausbildung. Gleiches gilt für Redakteur, Wis-
senschaftler und so fort. Zur Begründung muss ich keine Gender-Theorie bemü-
hen und mich auch nicht als politisch besonders korrekt hervortun. Mir genügt
dafür die Terminologielehre: Ganz gleich, ob in der femininen oder maskulinen
Benennung der Ausübenden, ist der Begriff vom Beruf Journalist mit seiner
identischen Benennung trotz aller Benachteiligungen von Frauen stets derselbe.
Journalist und Journalistin sind Benennungen von Unterbegriffen eines überge-
ordneten Begriffs – des Berufs Journalist – für den die deutsche Sprache aus
historischen Gründen bedauerlicherweise nur die eine, maskuline Benennung
bereithält. Obwohl endlich die Zeiten vorbei sind, in denen die wenigsten Frauen
journalistisch arbeiten durften, gibt es doch nur den einen Beruf namens Journa-
list. Einen zweiten Beruf namens Journalistin zu denken wäre frauenfeindlich,
weil er Frauen durch Sprache aus dem Beruf Journalist ausschließen würde.
Die Aufgabe dieses Berufs, darin folge ich Horst Pöttker (2008: 64), ist „das
Herstellen von Öffentlichkeit durch das Verbreiten von richtigen und wichtigen
Informationen“ und „für Öffentlichkeit im Sinne größtmöglicher Transparenz
gegenwärtiger Verhältnisse zu sorgen“. Die Benennung Journalist aber ist und
bleibt zweideutig, mit einem weiteren Begriff aus der Terminologielehre polyse-
misch, eben weil sie neben dem Beruf auch die ihn ausübende Person meint. Die
Verwendung für den Beruf kennt keine geschlechtlich ausdifferenzierten Unter-
begriffe, die für die Person dagegen sehr wohl mit den stets mitgedachten Unter-
begriffen Journalistin und Journalist. Im Plural „Journalisten“ weiß man, dass
die Personen gemeint sind, im Singular sollte stets dazugesagt werden, ob von
der Person oder vom Beruf die Rede ist.
24 1 Einleitung: Entwurf des Begriffsplans, Hypothesen
„Die Integration von Theorie und Praxis ist das entscheidende Bildungs- und Aus-
bildungsversprechen der Journalistik. Praxis- und Theoriebegriff werden in den
fachinternen und fachexternen Debatten allerdings in diffuser Weise verwendet, sind
Instrument der Wissenschaftspolitik und Gegenstand von Kontroversen, die letztlich
die Grundorientierung der gesamten Disziplin berühren.“
Ulrich Pätzold (2010: 319), Journalist und emeritierter Professor des Dortmunder
Instituts für Journalistik,3 erinnert sich mit Blick auf die Gründungsphase hoch-
schulgebundener Journalistenausbildung in der Bundesrepublik Deutschland in
den 1970er Jahren:
„Die Bezeichnung Journalistik kommt nicht aus dem Hochschulraum oder aus der
Wissenschaft. Sie wird von Praktikern und von den Zeitschriften der Journalisten je-
nen neuen Modellen für Hochschulen zugeordnet, die eine enge, möglichst instituti-
onelle Verbindung mit einer praktischen Ausbildung anstreben.“
4 Bei eckigen Klammern in Zitaten handelt es sich hier und nachfolgend um meine Hinzufügun-
gen.
5 Runde Klammern in Zitaten hier und nachfolgend entstammen den Originalen.
26 1 Einleitung: Entwurf des Begriffsplans, Hypothesen
„Der Widerspruch zwischen der Suche nach Praxisanteilen im Studium und der Le-
gitimation der universitären Ausbildung mit dem Hinweis auf die von der geltenden
Praxis erkämpfte Unabhängigkeit bleibt unaufgelöst.“
Noch einmal fünf Jahre später erinnerte der Journalist Hans-Georg Kraffzick
(1990: 306) an den offenen Posten aus dem Auftragsbuch der inzwischen nicht
mehr ganz jungen deutschen Journalistik:
Die Journalistik operierte zwar weiterhin mit Begriffen wie Praxisbezüge und
Praxisanteile im Studium. Der Suche nach Antworten auf das weiterhin ungelös-
te Praxis- und Integrationsproblem aber mangelte es an Intensität. Spezifisch zur
Dortmunder Journalistenausbildung beobachtete Kraffzick (ebd.):
„Es scheint, als ob grundlegende Fragen wie die des Verständnisses von Theorie und
Praxis kaum noch thematisiert werden.“
„Die Integration von Theorie und Praxis ist nach wie vor ein ungelöstes Problem.“
Noch in jüngster Zeit stellten Beatrice Dernbach und Wiebke Loosen (2012: 11)
zur „Selbstverständnisdebatte“ der Journalistik fest:
„Seit jeher kreist diese um das Verhältnis von Theorie und Praxis. […] Vielfach ist
ungeklärt, was mit Theorie und Praxis genau gemeint ist, was genau wo integriert
werden soll und wie und auf welcher Ebene dies geschehen soll (z. B. zwischen
Hochschule und Berufspraxis, innerhalb des Curriculums, auf der Ebene der einzel-
nen Lehrveranstaltung).“
“6The theory-practice division is the most pervasive issue regarding the content of
journalism education. It persists but seems to be diminishing with the gradual reali-
zation that both are vital for successful education in this field.”
Um durchaus präzise Begriffe handelt es sich, sofern Praxis als synonym zur
Berufswelt des Journalismus und Theorie als synonym zur ausbildenden Wissen-
schaft gesetzt wird. Theorie und Praxis wird damit zum Synonym für die Zwei
Kulturen, eine Benennung aus der Feder des Journalismuswissenschaftlers und
Journalisten Michael Haller (2000).
Die Integration der Zwei Kulturen und damit in diesem speziellen Sinne
von Theorie mit der Praxis wäre erreicht, wenn die Berufswelt des Journalismus
die Journalistik in sich aufgenommen und umgekehrt die ausbildende und for-
schende Journalistik sich der Berufswelt des Journalismus ganz zugewandt hätte.
So würde aus Teilen eine Einheit, würden sich Theorie und Praxis in ein größe-
res Ganzes eingliedern und ein Zustand erreicht, in dem beides geschehen ist,
ganz so wie die Dudenredaktion (vgl. 2005: 465) Integration fasst. Haller (2012:
47) beschreibt das Besondere einer solchen Beziehung für andere berufsorien-
tierte Studiengänge – zu denen er gerade nicht diejenigen der Journalisten- oder
auch der Lehrerausbildung zählt – beispielsweise die von Ingenieuren:
6 Englischsprachige Zitate mit mehr als einem Wort erscheinen hier und nachfolgend mit engli-
schen Anführungszeichen. Einzelne englischsprachige Wörter zitiere ich im deutschen Text
mit deutschen Satzzeichen.
7 Vgl. http://deuze.blogspot.de, Zugriff am 23. April 2013.
28 1 Einleitung: Entwurf des Begriffsplans, Hypothesen
„Dieses Besondere ist die gegenseitige Evaluation, bei der das wissenschaftsbasierte,
systematische Funktionswissen auf dem Prüfstand real existierender Produktions-
prozesse getestet und bewertet wird, während zugleich das erfahrungsgestützte
Handlungswissen sich unter dem Röntgenschirm der wissenschaftlichen Analyse
begründen, auch rechtfertigen muss.“
Eine solche Beziehung zwischen Beruf und Forschung bleibt für Journalismus
und Journalistik bislang Utopie.
Abgeleitet von den Zwei Kulturen könnte als Minimalkonsens für den Begriff
von der Integration in Journalistenausbildung auch gelten, dass Studiengänge ne-
ben wissenschaftlichem Lernen in ihrem Verlauf hochschulexterne Stationen in der
journalistischen Berufswelt oder die Produktion hochschuleigener Medien beinhal-
ten. In diesem Sinne behandelt auch Bernd Blöbaum (2000) Integration. Sogar
nicht publizierende Lehrredaktionen und Besuche von Journalisten an der ausbil-
denden Einrichtung oder die Verpflichtung von aktiven oder ehemaligen Journalis-
ten als Professoren und Lehrbeauftragte wären bei diesem Verständnis als der
allerkleinste gemeinsame Nenner von Integration der journalistischen Berufswelt
in die ausbildende Wissenschaft konsensfähig. Haller (2012: 46) verwendet für
dieses Verständnis von Integration das Bild vom „gut funktionierenden Reißver-
schluss“ und die Benennung (ebd.: 45) Theorie-Praxis-Verzahnung.
An einem solchen Begriff von Integration ist nichts falsch. Doch bliebe es
auch damit bei einer begrifflichen Engführung. Die Begriffsinhalte und -umfänge
von Theorie und Praxis weisen bei genauerer Betrachtung weit über die Zwei
Kulturen hinaus. Journalismus und Journalistik entwickeln beide ihre Theorie,
dies aber jeweils auf der Suche nach Erkenntnis eigener Methodik: der Journa-
lismus eine mit Recherche, die Journalistik mit Forschung. Beide pflegen auch
eine ihnen jeweils eigene Praxis im Sinne ihres jeweils spezifischen Handelns.
Sowohl die eine als auch die andere Praxis trägt aber stets auch Theorie in sich,
wie auch immer diese verfasst sein mag. Leicht erkennbar gibt es im vorliegen-
den Kontext mindestens zweierlei Praxis und zweierlei Theorie, je beides für die
beiden Kulturen. Die begriffliche Abgrenzung zwischen Theorie und Praxis wird
schon durch diese Doppeldeutigkeit schwierig.
Die vielen „Bedeutungen“, die Blöbaum identifziert hat und die ich im Kapi-
tel 4.1 im Einzelnen vorstellen werde, begründen eine noch weit darüber hinausge-
hende Mehrdeutigkeit: Es ist in der Sprache der Terminologielehre die Diagnose
einer ausgeprägten Polysemie im fortgeschrittenen Stadium, die Theorie und Pra-
xis zu beliebig verwendbaren Begriffen und damit zu leeren Worthülsen degradiert.
Das Vorhandensein von Theorie in jeder Praxis macht die analytische Trennung
sprachlogisch vollends unmöglich. Um das Vokabular der Medizin nochmals zu
bemühen: Die Journalistik ist schwer an Polysemie erkrankt – aber meines Erach-
tens noch heilbar. Ich unternehme den Versuch der begrifflichen Heilung.
1.3 Ausgangslage: Begriffe von Theorie, Praxis, Integration 29
Sind für den Kontext von Journalistenausbildung schon die Begriffe von
Theorie und Praxis hochgradig beliebig, muss umso diffuser bleiben, was mit
einer Integration gemeint sein könnte. Ein Verständnis der Integration von Theo-
rie und Praxis im Geschehen von Journalistenausbildung, auf das sich Journalis-
ten und Journalismuswissenschaftler verständigen könnten, fehlt weiterhin. Dies
ist ein erstaunlicher Befund nach immerhin vier Jahrzehnten hochschulgebunde-
ner Journalistenausbildung in Deutschland. Die Integration mit Theorie bleibt
somit bislang in der Tat ein „ungelöstes Problem“, und das bisherige Verständnis
insbesondere von Praxis ist alles andere als „brauchbar“. Wer aber die Integrati-
on von Theorie und Praxis als „das entscheidende Bildungs- und Ausbildungs-
versprechen der Journalistik“ einlösen möchte und als strukturierende Begriffe in
Journalistenausbildung weiter verwendet, kommt nicht umhin, diese Fachwen-
dung und ihre Bestandteile Theorie, Praxis und Integration angemessen zu be-
stimmen. Dies ist mein Anliegen.
„Setzt sie voll auf die Praxis, verwischt sie die Grenze zur Fachhochschule und macht
sich damit im Extremfall selbst überflüssig. Kappt sie umgekehrt die Praxisbezüge und
setzt noch entschiedener auf die Forschung, enttäuscht sie die Studierenden – und zer-
stört die eigene disziplinäre Tradition. Die Universitäten stehen deshalb vor der Auf-
gabe, einen erkennbar universitätsfähigen Begriff von Praxis zu entwickeln, ohne die
journalistische Berufsvorbereitung aus dem Blick zu verlieren.“
Das begriffliche Problem der Integration von Theorie und Praxis ist allerdings
nicht allein eines der Journalistik, es existiert vor einer breiteren bildungshistori-
schen und hochschulpolitischen Kulisse. Hans-Georg Kraffzick (1990: 306,
Fußnote 10) skizziert den Kontext:
„Die Forderung nach einer Integration von Theorie und Praxis wurde nicht nur im
Rahmen der Diskussion um die hochschulgebundene Journalistenausbildung erho-
ben; sie war vielmehr ein Schlüsselproblem der Studienreform, die in den 70er Jah-
ren in Angriff genommen wurde.“
Vor diesem Hintergrund hatten und haben auch sehr viel größere Disziplinen als
die Journalistik mit der Integration von Theorie und Praxis zu kämpfen, insbe-
sondere die Pädagogik in der Lehrerausbildung. Die in der Journalistik ge-
wünschte Integration von Theorie und Praxis entstammt der Erziehungswissen-
schaft. Die Diskussion um Theorie und Praxis, dort aber ohne die Benennung
Integration, ist bis mindestens in die 1920er-Jahre zu Theodor Geiger (vgl. Pött-
ker 2004: 69) zurückverfolgbar, der seinerzeit eine Reform der Lehrerausbildung
im Land Braunschweig versuchte. Die Pädagogik hat sich, wie die Journalistik,
im Zuge der Studienreform ein halbes Jahrhundert nach Geiger an Fragen des
Verhältnisses zwischen Theorie und Praxis abgearbeitet, ist daran aber gleich-
falls begrifflich gescheitert. Schließlich schlug der Erziehungswissenschaftler
Jürgen Oelkers (vgl. 1984: 31 ff.) vor, nur noch zwischen grundverschiedenen
Diskursen der Theoretiker und Praktiker zu unterscheiden, die aber jeweils eine
eigene Berechtigung und Sinnhaftigkeit hätten. Die Differenz zwischen Theorie
und Praxis wollte Oelkers im Sinne solcher vielfältigen Diskurse fruchtbar ma-
chen, statt vergeblich auf eine Verschmelzung zu warten.
Meine Arbeit soll ein Beitrag zu fruchtbaren Diskursen sein, um die hoch-
gradig polyseme, für Journalismus und Journalistik gleichermaßen schädliche
begriffliche Opposition zwischen Theorie und Praxis zu überwinden.
1.4 Fragestellung: Wie die Begriffsverwirrung überwinden? 33
Die forschungsleitende Frage der vorliegenden Arbeit lautet somit: Wie lässt sich
die Verwirrung aus diffusen Begriffen von Theorie und Praxis in hochschulge-
bundener Journalistenausbildung überwinden?
Den entscheidenden Impuls verdankt mein Lösungsansatz einem Vorschlag
des Lehrerausbilders Manfred Rosenbach (vgl. 2004 a/b), den Blick auch auf
einen dritten altgriechischen Begriff zu lenken, den von der Techne als einer
antiken Fassung dessen, was meiner Einschätzung nach heute mit „beruflichen
Techniken“ konnotiert wird.
Zur Lösung des Theorie-Praxis-Problems beizutragen versuche ich mit einer
nachvollziehbaren und solide begründeten, dabei empirisch geprüften, im Sinne
Manfred Rühls „brauchbaren“ Positionierung der Grundbegriffe Theorie und
Praxis und ihrer Integration. Dafür trenne ich die Praxis, wie sie die Journalistik
bislang kennt, in Praxis und Techne. Es handelt sich, wie ich im Unterkapitel 5.8
aufzeigen werde, um ein Separieren nach einem Jahrtausend der Begriffsvermi-
34 1 Einleitung: Entwurf des Begriffsplans, Hypothesen
schung. Mein Ziel ist die Etablierung grundstrukturierender Begriffe, die präziser
als die herkömmlich gebrauchte Formel Theorie und Praxis das Geschehen in
Journalistenausbildung analytisch abbilden und auf die sich Ausbilder an den
Hochschulen mit Journalisten, aber auch Verleger, Studierende, Bildungsplaner
sowie andere Publika in Journalistenausbildung doch noch verständigen können.
Aus Theorie und Praxis wird Theorie, Praxis und Techne. Diese begriffliche
Operation bildet den Kern meiner Arbeit.
Wenn von Theorie und Praxis in Journalistenausbildung die Rede ist, stellt sich
die von Dernbach/Loosen oben aufgeworfene Frage nach dem Wo. Journalisten-
ausbildung lässt sich auf mancherlei Weise betrachten. Zwei von vielen mögli-
chen Eingrenzungen wären ihre institutionellen Strukturen und ihre Geschichte.
Diese berücksichtige ich, aber ich suche an einer anderen Stelle.
Zu meiner exakten Lokalisierung des Problems einer Begriffsbestimmung
von Theorie und Praxis in der Journalistik folge ich der Einschätzung von Berg-
mann/Pörksen (2007: 16), „dass der zentrale Austragungsort des Theorie-Praxis-
Konflikts die Lehrveranstaltungen der Journalistik sind“. Ich grenze den Fokus
aber noch weiter ein und lenke ihn auf die Studierenden. Mein Interesse gilt dem,
was ich in meiner Begriffsschöpfung mit Lerngeschehen benenne. Mit dieser
Benennung dessen, was in hochschulgebundener Journalistenausbildung beim
Lernenden geschieht, nehme ich dezidiert die Perspektive der Studierenden ein.
Lerngeschehen findet in der Gegenwart statt, nicht etwa als eine Erinnerung oder
als ein Potential. Lerngeschehen ist ein situatives Phänomen des Augenblicks.
Implizit ist Lehrgeschehen stets mit angesprochen, denn Didaktik kann und darf
sich nur am Lerngeschehen orientieren, wenn sie denn erfolgreich sein will.
Meinen Begriff von Lerngeschehen entwickle ich in den Kapiteln 3.4.4 bis
3.4.6 aus der Pädagogischen Psychologie nach Heinz Mandl und Ulrike-Marie
Krause (2001). Die Berufssoziologie nach Thomas Kurtz (vgl. 2010) ziehe ich
hinzu: mit ihrer für die Journalistenausbildung wichtigen Betonung des Sozialen in
der Kompetenz neben dem dort ebenfalls wirksamen pädagogisch-psychologischen
Moment. Auf diesen Grundlagen definiere ich, was ich unten noch begründen
werde:
„[…] Bezeichnung für die Beobachtung oder Betrachtung bestimmter sakraler oder
anderer festlicher Veranstaltungen, später auch für die ‚rein geistige‘ Betrachtung
von Ideen, Sachverhalten oder abstrakten Zusammenhängen, die der sinnlichen
Wahrnehmung nicht zugänglich sind“.
Meinen Begriff von Theorie führe ich auf Aristoteles zurück. Mittelstraß (vgl.
ebd.) zufolge ist ihm die Entdeckung eines „theoretischen Erkennens zu einer von
jeder Praxis unabhängigen und in diesem Sinne einer „‚reinen‘“ Theorie zuzu-
schreiben. Dazu gehört auch die „Bedeutungskomponente des sich jeden Eingriffs
in das beobachtbare Geschehen enthaltenden Betrachters“. Letzteres impliziert:
Reine Theorie hat im Augenblick ihres Geschehens keine Anwendung. Dieser
Begriff von Theorie deckt sich auch mit (ebd.)
„[…] der neuzeitlichen Grundbedeutung [als] Bezeichnung für ein (im allgemeinen
hochkomplexes) sprachliches Gebilde, das in propositionaler oder begrifflicher
Form die Phänomene eines Sachbereiches ordnet und die wesentlichen Eigenschaf-
ten der ihm zugehörigen Gegenstände und deren Beziehungen untereinander zu be-
schreiben, allgemeine Gesetze für sie herzuleiten sowie Prognosen über das Auftre-
ten bestimmter Phänomene innerhalb des Bereiches aufzustellen ermöglicht“.
Die Ethik, als Lehre vom rationalen Reflektieren der Moral des Handelns in Spra-
che verstanden, spielt sich nur in der Theorie ab. Ethik, somit verstanden als die
Theorie der Moral, lässt sich sehr wohl lehren und muss auch angehenden Journa-
listen lehrend vermittelt werden: als Teil der rationalen Diskurse, die Pöttker be-
nennt.
Meine vorwiegend enzyklopädisch gewonnenen Begriffe von Praxis und
Theorie werde ich im Kapitel 5 zur historischen Begriffsgenese und im dazuge-
hörigen Anhang weiter ausführen, um den umfassenderen Kontext herzustellen
und den Bruch in der geschichtlichen Entwicklung zu datieren, mit dem die
Techne in der Praxis verschwand. Für die Konstruktion des Begriffsplans aber
genügt die hier belegte Grundlegung.
Von den drei Begriffen ist der von der Techne der am wenigsten gewohnte
und damit der erklärungsbedürftigste. Im Journalismus handelt es sich, in aller-
erster grober Näherung, um die bereits zitierten (Rust 1985: 55) „handwerklichen
Fähigkeiten“ oder, konkreter, um die (Rühl: 1978: 98) „Techniken des Schrei-
bens, Redigierens, Interviewens, Organisierens usf. […]“. Techne ist ein Quasi-
synonym zu vielem, was in der Journalistik auch mit Handwerk oder skills be-
nannt wird. Und doch trifft, wie es der Linguist John Lyons (1963) grundsätzlich
aufgezeigt hat, kein modernes Wort den antiken Begriff von IJȤȞȘ als volles
übersetzerisches Äquivalent. Der britische Autor (vgl. ebd.: 98-99) weist sogar
spezifisch am Beispiel der IJȤȞȘ bei Platon nach, dass bestimmte altgriechische
38 1 Einleitung: Entwurf des Begriffsplans, Hypothesen
tungen wie Technik, Technologie oder Techniken. Techne als das deutsche Äqui-
valent existiert nur noch in Fachsprachen. Der Plural von IJȤȞȘ lautet (vgl. z. B.
Kube 1969: 29, 30) IJȤȞĮȚ, in der fachsprachlichen philosophischen Übersetzung
(z. B. bei Schneider 1989: 7) Technai.
Rosenbach (vgl. 2004 a, b) führt in die Fachsprache der Lehrerausbildung
Techne als einen Begriff ein, der den gängigen Dualismus zwischen Theorie und
Praxis aufheben soll, indem er beides miteinander verknüpft. Eine nur vermit-
telnde Funktion der Techne aber weist ihr gegenüber Theorie und Praxis eine
Hilfsrolle zu. Ich positioniere die Techne anders: als einen Begriff gleichen Ran-
ges wie Theorie und Praxis, der trotz seiner beide verknüpfenden Positionierung
durch präzise Begriffsmerkmale unterscheidbar und damit terminologisch eigen-
ständig ist. Damit revidiere ich die oben angedeutete historische Weichenstellung
in der Begriffsgenese. Wie ich anhand medizinhistorischer Literatur im Kapitel
2.7.1 im Elektronischen Anhang A aufzeige, waren es Mediziner des europäi-
schen Mittelalters, vielleicht auch schon ihre arabischen Lehrmeister, die altgrie-
chische Techne begrifflich der Praxis zugeschlagen und damit für die gesamte
mitteleuropäische Wissenschaft die terminologisch fatale Weichenstellung voll-
zogen haben. In meinem Entwurf wird dieser Schritt zurückgenommen, wird
Techne wieder zu einer begrifflich eigenständigen Größe.
Techne meint die Kunst oder lateinisch ars der Vormoderne, aber nicht die
Kunst im heutigen Sinne, denn der Techne fehlt Georg Knutzen (1964: 1334)
zufolge „die Vorstellung des Irrationalen, Subjektiv-Intuitiven, Schöpferischen“.
Der deutsche Philologe Werner Jaeger (1943: 129) führt zum englischsprachigen
Äquivalent aus: “[…] art for us implies individual creation subject to no rule,
whereas10 technƝ has the sense of well-established knowledge and ability, which
we associate with the technique or profession.”
Vor zwei Jahrhunderten, als Friedrich Schleiermacher in seinen Platon-
Übersetzungen (Platon 2004) für IJȤȞȘ durchgehend das Äquivalent Kunst setz-
te, traf er damit den Begriffsinhalt für seine Epoche richtig. Der Erfolg dieser
Publikation verbaute aber die Übernahme der Benennung Techne in die deutsche
Sprache. In der frühesten deutschen Übersetzung von IJȤȞȘ, die ich finden konn-
te, wählte Johan David Heilman im Jahr 1760 die Umschreibung „eine gewisse
Geschicklichkeit“.11 Fritz Jeffré (1920: 4) entschied sich in einer der ersten phi-
losophischen Arbeiten der Sekundärliteratur spezifisch zur Techne unter anderem
für Handwerk. An deutschen Übersetzungen von IJȤȞȘ aus jüngerer Zeit er-
scheint bei der Philosophin Ursula Wolf (Aristoteles 2006b: 344) Herstellungs-
12 Helmut Kuhn (1970: 40, dazu die Begriffsmerkmale BM164 bis BM 166) und andere Autoren
arbeiten diesen spezifisch platonischen Bezug der Techne auf „das Gute“ heraus.
1.4 Fragestellung: Wie die Begriffsverwirrung überwinden? 41
der Mathematik. Statt wie die techne1 immer nur Schritt für Schritt vorgehen zu
können, muss techne2 stets auch das große Ganze vor Augen haben und ihren
Entscheidungen anstelle mathematisch hochgenauer Messungen auch Schätzun-
gen zugrunde legen. Gerade in der Fähigkeit, dies zu tun, liegt ihre Stärke.
In vielen modernen Benennungen wie Musik deutet die Endung „-ik“ auf
Ursprünge in Sach- und Fachgebieten altgriechischer Techne hin. Weitere Bei-
spiele dafür (vgl. Löbl 1997: 180) sind Grammatik, Nautik und Politik. Nicht
immer aber (vgl. Balansard 2001: 45) handelt es sich bei Benennungen mit die-
ser Endung um ehemalige Techne. Ein gutes Beispiel dafür ist die Erotik, der
schon in der Antike die Begriffsmerkmale der Techne gefehlt haben dürften,
immer rational zu sein und „stets gegen Entgelt betrieben“ zu werden. Reizvoll,
aber nirgendwo in der von mir durchgesehenen Fachliteratur gestellt, ist die
Frage, ob es sich bei Technik, die den Griechen nicht als Begriff bekannt war,
um die Techne der Techne – also um die Metatechne – handeln könnte.
Die hier nur auf das für die vorliegende Arbeit Wesentliche reduzierten Zu-
sammenhänge der Techne sind in meiner separaten Analyse ihres Begriffs
(Streitbörger 2013) ausführlich dargestellt, terminologisch analysiert und katalo-
gisiert.
Für die altgriechische Techne habe ich (Streitbörger 2013) 331 Formulierungen
von Begriffsmerkmalen identifiziert. Unter Ausschluss des Sonderfalls der Pla-
tonischen Techne belege ich im Kapitel 3 des Elektronischen Anhangs A:
BM Techne: Ein Mensch oder Menschen stellen etwas her oder pflegen
etwas.
BM Techne: Mindestens eine spezifische Methode wird eingesetzt.
BM Techne: Ist rational.
BM Techne: Ist lehrbar.
BM Techne: Zweckmäßigkeit ist letzter Maßstab und Wert. Richtig und
falsch sind Synonyme zu nützlich für den Erfolg und weniger nützlich für
den Erfolg. Dies begründet moralische Werteneutralität.
BM Techne: Menschliches Handeln trifft zeitlich mit sprachlich verfasstem
Wissen zusammen.
BM Techne: Hat ein klar definiertes Ziel, einen Zweck oder eine Aufgabe
außerhalb ihrer selbst und ist damit nützlich.
BM Techne: Passt Methoden und Normen dem Einzelfall an.
BM Techne: Entsteht und entwickelt sich weiter aus Erfahrung: durch Ver-
such und Irrtum.
BM Techne: Ist universell, indem es viele Besonderheiten mit gleicher
Kompetenz behandelt.
BM Techne: Die Beherrschung erfordert Einüben.
BM Techne: Wird gegen Entgelt betrieben.
Für die Unterbegriffe techne1 und techne2 belege ich im Kapitel 3.2 des Elektro-
nischen Anhangs A als wesentliche Begriffsmerkmale:
BM UB techne1: Ist präzise und genügt darin den Standards der Mathematik.
BM UB techne2: Ist präzise, genügt aber nicht den Standards der Mathematik,
verwendet Schätzungen.
Die bisher entwickelten Begriffe von Praxis, Techne und Theorie mit den sie
konstituierenden Begriffsmerkmalen sind allgemein gehalten und damit noch
nicht auf eine spezifische Anwendung in der Forschung bezogen. Mein Ziel, der
Journalistik einen Begriffsplan bereitzustellen, der exakte Analysen und Planun-
gen von Curricula ermöglicht, erfordert die spezifische Applikation auf Lernge-
schehen.
DIN 2342 (2011: 4.7.4) aus der Terminologielehre definiert Begriffsplan als
„veranschaulichende, meist graphische Darstellung eines Begriffssystems“.
In diesem Sinne konstruiere ich für Praxis, Theorie und Techne im Lernge-
schehen von Journalistenausbildung eine Matrix mit vier Ebenen ihres Vor-
kommens: Journalismus als Berufswelt, Journalismusforschung als Journalistik,
Externe Disziplinen in der Wissenschaft sowie Alltag. Das Lerngeschehen auf
jeder der Ebenen hat eine jeweils eigene Praxis, Techne und Theorie. So entsteht
der Begriffsplan mit zwölf Feldern, der das Lerngeschehen in hochschulgebun-
dener Journalistenausbildung abbildet und strukturiert:
Die ersten beiden Ebenen des Begriffsplans entsprechen den Zwei Kulturen, also
der Berufswelt des Journalismus und der Forschung über den Journalismus. Die
dritte Ebene trägt der Tatsache Rechnung, dass Journalisten auch Fachjournalis-
1.5 Entwurf des Begriffsplans 45
Praktika oder absolvieren sie ins Studium integrierte Volontariate, bleibt dies
unproblematisch. Auch wenn sie in Lehrredaktionen für eine Öffentlichkeit pub-
lizieren, und sei es auch für die Studierenden der eigenen Hochschule, ist dies
gegeben. Produzieren sie aber in Lehrredaktionen oder als Hausaufgaben Beiträ-
ge, die nicht veröffentlicht werden, so findet die Praxis des Journalismus im
Lerngeschehen zunächst einmal nicht statt.
Sowohl für Techne als auch Praxis löse ich die Probleme, indem ich auch
ihre Simulation im Begriffsplan als Lerngeschehen hochschulgebundener Journa-
listenausbildung gelten lasse.
Die Anwendung der Begriffe Praxis, Techne und Theorie auf die Analyse von
Lerngeschehen verlangt die Reduktion der wesentlichen Begriffsmerkmale auf
ein in der konkreten Analysesituation handhabbares Maß. Erforderlich ist die
Reduktion auf wenige Begriffsmerkmale, die auch für terminologisch ungeschul-
te Codierer in Curricula erkennbar sind und trennscharf, also als abgrenzende
Merkmale, die Benennung von mindestens einer der beiden anderen Benennun-
gen absetzen.
Noch einmal wiederholt sei an dieser Stelle: Lerngeschehen verstehe ich als
situatives Handeln im Augenblick seines Vorkommens. Als seine wesentlichen,
trennscharf operationalisierbaren und für terminologisch ungeschulte Codierer
verständlichen Begriffsmerkmale identifiziere ich aus den allgemeinen Be-
griffsmerkmalen:
Lerngeschehen in Praxis:
Studierende wählen autonom aus Handlungsoptionen.
Richtig und falsch sind Synonyme zu ethisch gut und ethisch schlecht.
Lerngeschehen in Techne:
Studierende stellen etwas her oder pflegen etwas.
Studierende wenden mindestens eine Methode an.
Richtig und falsch sind Synonyme zu nützlich für den Erfolg und weniger
nützlich für den Erfolg.
Lerngeschehen in Theorie:
Studierende reflektieren Gegenstände rational in Sprache ohne Anwendung
zum Zeitpunkt des Reflektierens.
Richtig und falsch sind Synonyme zu wahr und unwahr oder verifiziert und
falsifiziert.
Der hier gemachte Vorschlag, eine jeweilige Praxis, Techne und Theorie für die
Berufswelt des Journalismus, für Journalismusforschung, für externe wissen-
schaftliche Disziplinen und für den Alltag zu denken und in einem Begriffsplan
in Form einer Matrix aus zwölf Feldern zur Abbildung und Strukturierung des
Lerngeschehens in Journalistenausbildung darzustellen, ist neu. Gleichzeitig
absorbiert der Begriffsplan früher versuchte begriffliche Ausdifferenzierungen
von Theorie und Praxis in Journalistenausbildung, Kommunikationswissenschaft
oder Soziologie:
Bei Denis McQuail (vgl. 2010: 13) finden sich “at least five kinds of theory
which are relevant to mass communication”; die Kennzeichnung mit
Buchstaben füge ich auch hier hinzu: a) “social scientific”, b) „cultural“, c)
„normative“, d) „operational“13 und e) “everyday/common-sense”.
In meinem Begriffsplan handelt es sich um: a) = (10) und (11); b) = (9)
bis (12); c) = (9) bis (11); d) = (9); e) = (12).
Auf der 56. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und
Kommunikationswissenschaft (DGPuK) am 3. Juni 2011 in Dortmund ha-
ben Christoph Jacke und Martin Zierold sowie Frank Marcinkowski in Vor-
trägen die bereits 1985 von Rust geleistete Ausdifferenzierung für sich neu
entdeckt und festgestellt, dass Wissenschaft und Medien jeweils sowohl ei-
ne Theorie als auch eine Praxis besitzen.
In meinem Begriffsplan finden sich entsprechend: Theorie der Wissen-
schaft = (10), (11); Praxis der Wissenschaft = (2), (3); Theorie der Medien =
(9); Praxis der Medien = (1).
Niklas Luhmann (1990: 26) folgt der grundlegenden systemtheoretischen
Vorstellung, dass mit der modernen Gesellschaft durch ihr „hohes Maß an
funktionaler Differenzierung“ die Einrichtung „binärer Codes“ verbunden
ist, „die es ermöglichen, alle Operationen, die einen solchen Code verwen-
den, dem dafür zuständigen System zuzuordnen […]“. Ohne hier eine dezi-
diert systemtheoretische Haltung einnehmen zu wollen, denke ich doch,
dass die drei Unterscheidungen von richtig/falsch für Praxis, Techne und
Theorie des Lerngeschehens in der Journalistik die systemtheoretische In-
terpretation der funktionalen Ausdifferenzierung zulassen würden.
Ich vermeide es in dieser Arbeit, eine einzige theoretische Position aus der Jour-
nalistik einzunehmen, insbesondere aber, bestimmte theoretische Zugänge zum
Phänomen Journalismus auszuschließen. Damit verfolge ich das pragmatische
Ziel einer größtmöglichen Konsensfähigkeit meines Entwurfs in der Journalistik
unabhängig von ihren vielfältigen theoretischen Entwürfen. Zulässig ist dieser
pragmatische Ansatz, weil sich die vorgeschlagenen Begriffe zu den Benennun-
gen Praxis, Techne und Theorie im Abstraktionsgrad generell unterhalb spezifi-
scher Theorien bewegen. Die theoretische Grundlegung setze ich allein mit der
Terminologielehre und deren Zugang zum Begriff.
13 McQuail (2010: 14) meint damit: “[…] it refers to the practical ideas assembled and applied by
media practitioners in the conduct of their own media work.” In einer früheren Ausgabe seines
Lehrbuchs Theory of Mass Communication (McQuail 1987: 4) nannte er die operational theory
noch working theory.
1.5 Entwurf des Begriffsplans 49
anwendet. Jede craft, jeder skill, jedes Handwerk und jede technique trägt in sich
Theorie. Academic traditions/professional traditions stellt lediglich die Berufs-
welten der Zwei Kulturen einander gegenüber. Das Benennungspaar theoretical
education/practical skills nimmt sprachlich Theorie/Praxis dichotomisch und
damit das Dilemma mangelnder Präzision in sich auf. learn to think critical-
ly/please employers ist originell, nur wäre es eine Bankrotterklärung für den
Journalismus, wenn generell angenommen würde, mit kritischem journalisti-
schen Denken wären Arbeitgeber überhaupt nicht zu erfreuen.
Keine der genannten Formulierungen ist „brauchbarer“ für die analytische
Strukturierung von Lehrveranstaltungen im Sinne Manfred Rühls als Theo-
rie/Praxis, denn im Grunde handelt es sich bei den Alternativen zumeist nur um
neue Benennungen alter Begriffsinhalte der herkömmlichen polysemen Begriffe
von Theorie und Praxis. Bei Blöbaum ist dies schon vom Ansatz her, und damit
völlig legitim, gegeben, indem er den Begriffsinhalt und -umfang von Theo-
rie/Praxis mit modernen Synonymen und Quasisynonymen erfasst.
Die Anlehnung an die begriffliche Grundkonstruktion Theorie/Praxis ist
auch an den anderen Dichotomien erkennbar. Keine von ihnen erfasst das Ge-
schehen in der Ausbildung vollständig und trennscharf. Deshalb verlasse ich,
ganz im Sinne Mark Deuzes, dichotomisches Begriffsdenken überhaupt und
erprobe stattdessen mit dem vorgeschlagenen dreigliedrigen Begriffssystem eine
neue Konstruktion.
genschaften mittels Abstraktion gebildet wird“. Die Eigenschaften aber sind konk-
ret. Techne bewegt sich sprachlich und historisch auf demselben Niveau wie Theo-
rie oder Praxis. Alle drei Benennungen stehen auf demselben soliden Boden von
zweieinhalbtausend Jahren europäischer Geistesgeschichte.
Zweitens sind die Benennungen Praxis, Techne und Theorie, im Gegensatz
zu modernen Alternativen, ohne nennenswerte Verluste in allen Kulturen ein-
setzbar, die altgriechische Sprache und Begriffe zu ihrem gemeinsamen Erbe
zählen. Neben Europa und den Amerikas gehört dazu unter anderem auch die
arabisch geprägte Welt. Mit der zunehmenden Globalisierung der Diskussion um
die Journalistenausbildung (vgl. Deuze 2006) macht das neue Begriffssystem ein
Angebot, das gerade wegen seiner antiken Fundierung mit den vorgeschlagenen
Benennungen begrifflich global bestehen kann.
Drittens transformiert nur die Herauslösung der Techne den bisher gängigen
Begriff von Praxis in eine nach Rühl „brauchbare“ Form. Der so entstehende
„neue“, in Wirklichkeit jedoch sehr alte Begriff von Praxis entsteht erst, indem
die Techne mit den ihr eigenen, hoch präzisen Merkmalen aus der Praxis von
Journalismus und Journalistenausbildung im herkömmlichen, modernen Sinne
herausgelöst wird. Mit allegorisch oder metaphorisch gefassten Inhalten eines
modernen Begriffs wäre dies nicht möglich.
Zwar wäre es im Interesse möglichst hoher Akzeptanz des neuen Begriffs-
systems auch im Journalismus denkbar, dieses mit den Benennungen Theorie,
Techniken und Praxis, englisch theory, techniques, and practice, zu konstruieren.
Der historische Anschluss an die Techne wäre mit der modernen Benennung
Techniken oder techniques noch einigermaßen gegeben, im Englischen wäre
practice auch ein akzeptables Quasisynonym für Praxis. Das Begriffsmerkmal
von IJȤȞȘ „wird gegen Entgelt betrieben“ aber trifft nicht zu; auch in nichtberuf-
lichen Tätigkeiten gibt es Techniken. IJȤȞȘ ist zwar mit keiner modernen Ein-
wortbenennung übersetzbar. Nur auf die Wendung Techniken eines Berufs, die
ich in der Fachliteratur allein in Näherung bei Werner Jaeger (1943: 129), wie
bereits zitiert, und nur in englischer Sprache als technique of a profession vorge-
funden habe, treffen alle hier identifizierten Begriffsmerkmale zu. In der speziel-
len Anwendung der vorliegenden Arbeit könnte damit die Formulierung Techni-
ken eines Berufs als modernes Äquivalent zu IJȤȞȘ bestehen.
Diese Benennung zu verwenden wäre aber nur statthaft, wenn stets dazuge-
sagt würde, dass die Techne mit ihren Begriffsmerkmalen gemeint ist. Ich halte
es für weniger umständlich und einer universitären Terminologie angemessener,
die Techne dann gleich Techne zu nennen, statt den Begriffsinhalt hinter Techni-
ken zu verbergen. Die alte Benennung Techne neu zu beleben erscheint mir des-
halb auf der Suche nach analytisch präzisen Unterscheidungen zielführend.
52 1 Einleitung: Entwurf des Begriffsplans, Hypothesen
Auf der Grundlage des neuen Begriffsplans schlage ich einen neuen, empirischen
Begriff von Integration in hochschulgebundener Journalistenausbildung vor. Ihn
konstituiert ein einziges Begriffsmerkmal; dieses wird so zur Definition:
Diesen Begriff von Integration kann ich nicht beweisen, sondern nur deklarieren
als ein „So sei es“. Ihr Begriffsmerkmal ist aber der empirischen Überprüfung
zugänglich.
So wie ich den Begriffsplan bisher dargelegt und begründet habe, wäre er bereits
hinreichend entwickelt, um ihn auf Curricula hochschulgebundener Journalisten-
ausbildung anwenden zu können. Die nachfolgenden Kapitel würden lediglich
dazu dienen, darin vorkommende Grundlegungen herzuleiten und Kontexte zu
festigen. Dem Anliegen, die Terminologielehre in die Journalistik einzuführen und
mit ihrer Hilfe deren grundstrukturierende Begriffe im Sinne Manfred Rühls
„brauchbar“ zu entwickeln, wäre damit bereits Genüge getan. Meinem Anspruch
an die Journalistik aber, eine sozialwissenschaftliche Disziplin zu sein, schulde ich
den empirischen Nachweis der „Brauchbarkeit“. Dieser Nachweis ist nur in der
Untersuchung von realen Journalistenausbildungen und ihren Curricula möglich.
Zur empirischen Überprüfung der Brauchbarkeit des Begriffsplans formu-
liere ich zwei Hypothesen. Die erste lautet:
Die Behauptung, die zwölf Felder aus drei Spalten auf vier Ebenen eigneten sich
zu „grundstrukturierenden“ Begriffen in Journalistenausbildung, erfordert die
Prüfung der zweiten Hypothese:
Hypothese 2: Die Anwendung des Begriffsplans mit zwölf Unterbegriffen auf Cur-
ricula für Journalistenausbildung lässt Grundstrukturen vertikaler Dimension nach
den Spalten Praxis, Techne und Theorie und horizontaler Dimension nach den vier
Ebenen Journalismus, Journalismusforschung, Externe Disziplinen und Alltag er-
kennbar werden.
Würden die Hypothesen verifiziert, so wäre allerdings damit allein die Forderung
nach „Brauchbarkeit“ des Begriffsplans für die sozialwissenschaftliche Curricu-
lumforschung und -planung nicht schon erfüllt. Dies wäre nur unter zwei Ein-
schränkungen der Fall:
Erstens: Der Einsatz des neuen Begriffsplans für sozialwissenschaftliche
Inhaltsanalysen von Curricula erfordert, dass jedes Lerngeschehen seinen in
zwölf Felder gegliederten Unterbegriffen, als Synonyme zu inhaltsanalytischen
Kategorien, trennscharf und erschöpfend zugeordnet werden kann. Die Zuord-
nung von Lerngeschehen in die zwölf Felder des Begriffsplans kann aber nur so
lange erschöpfend sein, wie als Prämisse gesetzt ist, dass die Felder sämtliches
Lerngeschehen in sich aufnehmen, dass also neben den zwölf Unterbegriffen von
54 1 Einleitung: Entwurf des Begriffsplans, Hypothesen
und Praxis möglich war, sowie weitere mögliche Unterbegriffe von Lerngesche-
hen zu erkunden, und dieses tiefer als nur bis zur Ebene einzelner Veranstaltun-
gen hinab zu untersuchen. Ich verstehe die vorliegende Arbeit als eine von po-
tentiell mehreren begrifflichen Grundlegungen für Curriculumforschung in der
Journalistik.
Die Hypothesen 1 und 2 und damit die analytische Tauglichkeit des neuen
Begriffsplans überprüfe ich empirisch an Studiengängen zweier kultureller Kon-
texte: neben dem deutschen dem der USA als der Nation mit der am weitesten
ausgebauten hochschulgebundenen Journalistenausbildung. Ich untersuche Jour-
nalistik-Studiengänge der Technischen Universität Dortmund, der Hochschule
Bremen, der Columbia University in New York City und der University of Mis-
souri in Columbia. In Experimenten stellen für diese Studiengänge Verantwortli-
che fest, in welchen Lehrveranstaltungen der betreffenden Curricula die mit den
Feldern des Begriffsplans behaupteten Unterbegriffe von Lerngeschehen lokali-
sierbar sind. Zusätzlich untersuche ich für die Techne-Zuordnungen, ob es sich
„wirklich“ um altgriechische Techne handelt und frage zu diesem Zweck das
Zutreffen weiterer Begriffsmerkmale von Techne über die in der Zuordnung
verwendeten hinaus ab. Bei den Techne-Zuordnungen frage ich zudem ab, ob
techne1 oder techne2 anhand der definierten Begriffsmerkmale in den Curricula
lokalisierbar sind.
Zur Überprüfung der Hypothese 2 überführe ich auch Eva Nowaks (2007)
Potentialanalyse von Qualität in der hochschulgebundenen Journalistenausbil-
dung in die Struktur meines Begriffsplans und prüfe für die vier untersuchten
Studiengänge, in welchem Maße sie das Potential der Integration im Sinne der
vorliegenden Arbeit erfüllen. Das Ziel dieser Prüfung beschränkt sich darauf zu
prüfen, ob im Sinne der Hypothese 2 Grundstrukturen auch in der graphischen
Darstellung der Tabelle des Begriffsplans erkennbar werden. Belastbare Verglei-
che lässt diese Darstellung nicht zu.
Überhaupt versuche ich mit den Fallstudien nicht, Studiengänge miteinan-
der zu vergleichen. Dies wäre auch schon deshalb kaum möglich, weil die Anla-
ge der Studie nur darüber Aufschluss gibt, ob das Lerngeschehen in ihren defi-
nierten Unterbegriffen in einzelnen Lehrveranstaltungen vorkommt, nicht aber in
welchem Maße dies der Fall ist.
Die nachfolgenden Kapitel belegen die bisher noch offenen Behauptungen und
stellen Kontexte her. Auch prüfe ich mit den vier experimentellen Fallstudien die
Hypothesen.
56 1 Einleitung: Entwurf des Begriffsplans, Hypothesen
Im Kapitel 2 bestimme ich den verwendeten Begriff von Begriff und führe
in die Terminologielehre als theoretische Grundlegung der Studie ein.
Mit dem Kapitel 3 folgt eine Bestandsaufnahme hochschulgebundener
Journalistenausbildung in Deutschland und den USA unter besonderer Berück-
sichtigung ihrer Begriffe – die ich erstmals terminologisch formal erschließe.
Unter anderem entwickle und begründe ich auch meinen Begriff von Lernge-
schehen. Das Kapitel schließt mit Einschätzungen der wichtigsten aktuellen
Herausforderungen an die hochschulgebundene Journalistenausbildung, in die als
empirische Grundlegung auch die Ergebnisse offener Befragungen der vier Pro-
banden aus den Fallstudien eingehen.
Den drei zentralen Begriffen hochschulgebundener Journalistenausbildung,
denen von Praxis, Theorie und Integration, widme ich aufgrund ihrer herausra-
genden Relevanz ein eigenes Kapitel. In diesem Kapitel 4 zeige ich auf, warum
der Versuch, curriculare Inhalte von Journalistenausbildung anhand der Zweibe-
grifflichkeit Theorie und Praxis zu strukturieren – und damit auch der Versuch
ihrer Integration –, wegen hochgradiger Polysemie in Verwirrung enden muss.
Im Kapitel 5 und im dazugehörigen Kapitel 2 des Elektronischen Anhangs
A entwickle ich, über die in dieser Einleitung bereits geleistete sehr knappe Dar-
stellung hinaus, eine Begriffsgeschichte von Theorie, Praxis und Techne des
Umfangs und der Tiefe, die ich in einer Begriffsarbeit zu diesen Begriffen für
angemessen halte.
Im Kapitel 6 und im Kapitel 3 des Elektronischen Anhangs A belege ich mit
einer Auswertung meiner (Streitbörger 2013) separat publizierten Analyse der
Techne die in der Einleitung behaupteten Begriffsmerkmale von Techne und ihre
begriffshierarchische Positionierung sowie die Begriffsmerkmale von techne1
und techne2.
Empirisch prüfe ich die „Brauchbarkeit“ des neuen Begriffsplans anhand
der beiden Hypothesen im Kapitel 7. Ich untersuche vier Curricula hochschulge-
bundener Journalistenausbildung in den jeweils zwei Fallstudien für Deutschland
und die USA. Die Befragungs-Handbücher mit Codierungen sowie Gespräche
mit den Versuchspersonen während der Experimente und anschließender offener
Befragungen über aktuelle Herausforderungen an die Journalistenausbildung als
Transkriptionen sind in den acht Elektronischen Anhängen B bis I vollständig
dokumentiert, Details und Besonderheiten der einzelnen Experimente im Kapitel
4 des Elektronischen Anhangs A.
Im Kapitel 8 fasse ich die Ergebnisse der Arbeit zusammen und wage einen
Ausblick.
Die berücksichtigte Literatur reicht in der Regel bis August 2012, die vier
Fallstudien stammen aus den Jahren 2009 und 2010. Dass dieses Buch damit
nicht dem allerneuesten Stand entspricht, ist dem notwendigen Zeitaufwand für
1.7 Methoden und Aufbau der Arbeit 57
die Auswertung der empirisch gewonnenen Daten und dem Promotions- und
Publikationsprozess seit der Einreichung der ihm zugrunde liegenden Dissertati-
on im September 2012 geschuldet. Möglicherweise hat es in der Zwischenzeit
wichtige Weiterentwicklungen in Journalistenausbildung gegeben und ist Litera-
tur erschienen, auf die einzugehen angezeigt gewesen wäre. In Deutschland kam
es seitdem auch zu Einstellungen ganzer Tageszeitungen wie der Financial
Times und der Westfälischen Rundschau, was die Berufsaussichten angehender
Journalisten in einem neuen Licht erscheinen lässt. Online-Quellen habe ich im
April 2013 überprüft. Würden für die Aktualität dieser Arbeit insgesamt journa-
listische Maßstäbe gelten, wäre die Lücke von rund zehn Monaten in großen
Teilen der Quellenbasis problematisch. Die wissenschaftliche Arbeit aber, um
die es sich hier handelt, darf meines Erachtens trotz dieser Einschränkung nach
den Standards der Forschung als weitestgehend aktuell gelten.
2.1 Philosophischer Zugang 59
Das Historische Wörterbuch der Philosophie (Ritter 1971: II), das „Begriffe und
Termini“ der Philosophie „in ihrem Wechselverhältnis zu ihrer Geschichte und
zu den Wissenschaften“ darstellt und vermittelt, widmet den Stichwörtern „Be-
griff“ (ebd.: 780) und „Begriffsbildung“ (ebd.: 788) umfangreiche Einträge.
Unter „Begriff“ weist der Autor des Eintrags Rudolf Haller (ebd.: 780) gleich
eingangs auf ungenauen Sprachgebrauch hin und damit auf das Grundproblem
philosophischer Zugänge zum Begriff von Begriff:
„Der philosophische Gebrauch der Äquivalente des Terminus <B[egriff]> setzt mit
dem sokratisch-platonischen Philosophieren ein, wobei bestimmend bleibt, daß die
logischen, psychologischen und ontologischen Aspekte häufig vermengt oder unzu-
reichend unterschieden werden.“
Haller (vgl. ebd.: 781) spricht beim „allgemeinen Begriff“ grundsätzlich von
„gemeinsamen Merkmalen (Eigenschaften) von Dingen, Ereignissen und Hand-
lungen“. Für Platon (ebd.) waren Begriffe „[…] vom individuellen Denken und
von den Einzelfällen als unabhängig gedachte Formen“; er (vgl. ebd.) benannte
sie mit „İੇįȠȢ [eidos]“ und „ੁįĮ [idea]“. Platons sokratische, dialogische Me-
thode sucht „nach dem, was verschiedenen Einzelfällen gemeinsam ist“. Als
„ȜંȖȠȢ [logos]“ galt bei Platon nur das, was auch begrifflich denkbar ist;
Aristoteles bildete für dieses Allgemeine das Wort „țĮșᛁȜȠȞ [kaqolon]“. Haller
(ebd.) schreibt weiter über Platon:
„Im übrigen gebraucht er häufig auch ȜંȖȠȢ (logos) und ȡȠȢ [oros] im Sinne von
‹Terminus› bzw. von ‹Wesen einer Sache›, das durch B[egriffs)-Bestimmung
(ȡȚıȝંȢ,) [orismos] festgelegt werden muß.“
Mit Aristoteles kam somit die Definition zum „Begriff“. Haller (ebd.) führt dazu
aus:
Die Verwendung von Begriffen ist allerdings ein halbes Jahrtausend älter als
Platons und Aristoteles’ Schriften. Der Philologe und Sprachwissenschaftler
Johannes Lohmann (vgl. 1970: 7) führt sie darauf zurück, dass die Griechen bald
nach 1000 v. Chr. die semitische Buchstabenschrift übernommen und daraus ein
in seiner Qualität völlig neues Alphabet geschaffen hatten.14 Ebenso einschnei-
dend war Lohmann zufolge die spätere griechische Übernahme der babyloni-
schen Astronomie und Rechenkunst durch Thales. Beides zusammen erst habe
die Erfindung des Begriffs erlaubt.15 Lohmann (ebd.: 7-8) schreibt über die wei-
tere Entwicklung:
„In den folgenden Jahrhunderten wird dann in Griechenland auf allen Gebieten, von
der Wirtschaft über den Staat bis zum reinen Denken und bis zur Musik, die Welt
systematisch unter die Herrschaft des Begriffs gebracht, dessen Form die altindo-
germanische, stamm-flektierende Sprache […] als grammatische Gestalt bereitge-
stellt hatte.
Mit Alexander erobert sodann dieses, auf der Form des ›Begriffes‹ sich aufbau-
ende, Denken den Osten, und mit den Römern, in lateinischem Gewande, den Wes-
ten des Mittelmeerraumes.“
14 Einen kompakten, als PDF-Dokument im Internet frei zugänglichen knappen Überblick zur
Entstehung des griechischen Alphabets hat der Basler Altphilologe Rudolf Wachter (vgl. 2002:
4-7) in einem Vortrag gegeben. Die Frage der Übernahmezeit bzw. Geburtsstunde der griechi-
schen Schrift sei (ebd.: 7) noch „heiss umstritten“. Wachter selbst (vgl. ebd.: 5) datiert die
Schaffung auf vielleicht 10 bis 30 Jahre vor 750 v. Chr., der Entstehungszeit der ältesten Zeug-
nisse in Form von beschrifteten Scherben und Gefäßen. Er (vgl. ebd.) würde sich dem Glauben
an eine frühere Entstehung des griechischen Alphabets aber sofort anschließen, wenn man ihm
ein einziges Zeugnis brächte.
15 Lohmann (vgl. 1970: 8-18) legt vergleichend sprachanalytisch dar, wie sich die Verwendung
von Begriffen über zweieinhalb Jahrtausende im Okzident, aber auch im ebenfalls von den
Griechen stark beeinflussten islamischen Orient entwickelt und gewandelt und die Geistesge-
schichte in beiden Kulturkreisen bestimmt hat.
2.1 Philosophischer Zugang 61
Aus dieser neuen Form des Denkens heraus, des Denkens in Begriffen, entstand
(vgl. ebd.: 3-4) die wissenschaftliche Sprache: als Objektsprache. Sie sei damit
bis heute, ob original oder übersetzt, griechisch. Lohmann (ebd.) führt aus:
„Die griechische Theorie aber besteht, formal gesehen, in einer besonderen Form
des Begriffes, die nur deshalb nicht gesehen wird, weil sie uns in Europa selbstver-
ständlich geworden ist.“
Die platonischen und aristotelischen Ansätze, obwohl Haller (Ritter 1971: 781)
zufolge selbst nicht immer klar, bildeten „nahezu für die gesamte folgende Zeit
die immer wieder interpretierte, in ihrem Grundbestand aber akzeptierte Grund-
lage für die jeweilige Lehre vom B[egriff]“. Seit dem europäischen Mittelalter
(vgl. ebd.: 782) war auch lateinisch vom terminus die Rede; René Descartes
verwendete später einflussreich das Wort idea.
Die Auseinandersetzung der deutschen Philosophie mit dem deutschen Be-
griff und ihrem Begriff davon erscheint, ausweislich des Eintrags im Historischen
Wörterbuch der Philosophie zum Stichwort „Begriffsgeschichte“ von Helmut G.
Meier (vgl. ebd.: 791; Zitate von Feder ebd.), bereits 1774 bei Johann Georg Hein-
rich Feder: im Entwurf seiner „Idee eines philosophischen Wörterbuchs“ mit dem
Ziel, die Philosophie von ihrem Übel zu reinigen, mit „nicht genau bestimmten
Begriffen“ arbeiten zu müssen. Abhilfe schaffen sollte die „Aufklärung des wahren
Gehaltes und Ursprungs“ der Begriffe. Haller (vgl. ebd.: 783) zufolge, an anderer
Stelle und wieder zum Stichwort „Begriff“, differenzierte Immanuel Kant zwi-
schen zwei geistigen Vorstellungen: Anschauungen und Begriffen. Haller (ebd.)
zitiert aus Kants Logik, § 1, 2: „Der B[egriff] ist der Anschauung entgegengesetzt,
denn er ist eine allgemeine Vorstellung dessen, was mehreren Objekten gemein
ist.“ Die „Materie des Begriffs“ ist (vgl. ebd.) bei Kant der Gegenstand, seine Form
die Allgemeinheit. Kant unterscheidet in seiner Kritik der reinen Vernunft zwi-
schen empirischen, also Erfahrungs-Begriffen, reinen Verstandes-Begriffen als
„Kategorien“ und Vernunftbegriffen als „Ideen“.
Im Historischen Wörterbuch der Philosophie folgt (vgl. Ritter 1971: II:
781 ff.) eine umfangreiche Darstellung der Begriffsgenese von Begriff, doch
findet sich keine eindeutige Definition. Auch neuere Sammelwerke (z. B. Dan-
neberg et al. 2009) und Monographien (z. B. Klie 2001), die sich spezifisch dem
Begriff als solchem widmen, schaffen keine definitorische Klarheit.
Von dem einen philosophischen Begriff von Begriff also kann keine Rede
sein, vielmehr gibt es viele davon. Der philosophische Zugang ist zwar unerlässlich
für das Verständnis der historischen Entwicklung des Denkens in Begriffen. Zu-
gleich aber scheinen mir philosophische Begriffe von Begriff wegen der historisch
gewachsenen Vielschichtigkeit und damit mangelnden Schärfe kaum brauchbar zu
62 2 Begriffe von Begriff
sein zur Begründung von Begriffen für präzise Analysen und Planungen von Jour-
nalistenausbildung.
Diese Definition trägt den skizzierten philosophischen Zugang in sich. Sie ist im
Vergleich zu den zitierten philosophischen Zugängen etwas präziser formuliert
und Bedeutung wird aufgelöst in Begriffsinhalt und Begriffsumfang.
Notfalls könnte diese Definition das in der vorliegenden Arbeit verwendete
Verständnis von Begriff begründen. Der Notfall liegt aber nicht vor, denn eine
eigene Wissenschaft der Begriffe – die Terminologielehre – nähert sich dem
Begriff von Begriff mit der hier geforderten Präzision, umfasst auch die skizzier-
ten philosophischen und soziologischen Zugänge gleichermaßen. Die Termino-
logielehre trifft sehr klare Aussagen zu Begriffsinhalt und Begriffsumfang, die
sich gemeinhin hinter der Chiffre von der Bedeutung verbergen, und nimmt da-
mit Abschied von der terminologisch unglücklichen Bedeutung.
Die Terminologielehre hat den Begriff von Begriff zu ihrem Gegenstand. Termi-
nologen – Wissenschaftler dieser speziellen Disziplin in der Angewandten Lin-
guistik – entwickeln Industrienormen des Umgangs mit Begriffen. Diese verwal-
ten die International Organization for Standardization (ISO) in englischer Spra-
che und, für Deutschland in deutscher Sprache, das Deutsche Institut für Nor-
mung e. V. (DIN).
Präzise arbeitende Disziplinen wie das Ingenieurwesen und die Computerwis-
senschaften nutzen Industrienormen von Begriffen, weil belastbare Terminologie
2.3 Zugang der Terminologielehre 63
dort unverzichtbar ist. Brücken stürzen ein, wenn die Begriffe ihrer Konstruktion
nicht tragen. Manche Industrieunternehmen (vgl. Muegge 2007: 17-19) betreiben
ein „terminology management“ und beschäftigen „corporate terminologists“.
Die Anwendung eines industrienormierten Begriffs von Begriff auf die
Journalistik und den Journalismus analog zur Normierung eines Blattes Papier
mit der DIN A4, wie ich sie nachfolgend versuche, mag anfänglich auf Journa-
lismuswissenschaftler und Journalisten sehr befremdlich wirken: als zu tech-
nisch, vielleicht sogar „technokratisch“. Im Kontext dieser Arbeit aber verfängt
der Einwand nicht, führen doch diese beiden Attribute etymologisch zu genau
der Benennung einer Kategorie von Lerngeschehen in Journalistenausbildung,
die ich Theorie und Praxis zur Seite stelle, um der Begriffsverwirrung in der
Journalistik zu begegnen: zur Techne.16
Die Terminologielehre arbeitet fast unbemerkt von allgemeiner Öffentlich-
keit und journalismuswissenschaftlicher Fachöffentlichkeit. Dabei ist die Nähe
zumindest institutionell an einem Ort durchaus gegeben. Klaus-Dirk Schmitz,
international führender Terminologe, Mitautor einschlägiger Industrienormen
und mein Ratgeber zu Fragen der Terminologielehre, wirkt als Professor an der
Fachhochschule Köln in der Fakultät für Informations- und Kommunikations-
wissenschaften, die in einem separaten Institut auch Journalisten ausbildet.17
Einen übersichtlichen Zugang zum Fach bietet die Einführung in die Termi-
nologiearbeit (Arntz et al. 2009), die Schmitz18 als das „‚Standardwerk‘ für die
Terminologielehre im deutschsprachigen Raum“ wertet. Die Autoren (ebd.: 5)
beschreiben die Terminologielehre als fächerübergreifend mit besonders engen
Beziehungen „zu Sprachwissenschaft und Semiotik, zu den Sachwissenschaften,
zu Normung und Sprachplanung, zur Philosophie, zu Information und Dokumenta-
tion, zur Computerlinguistik und zur Wissenstechnik“. Eng verbunden sei sie (vgl.
ebd.) der Sprachwissenschaft, nämlich als die (ebd.) „Wissenschaft von den Fach-
wortschätzen“. Die Terminologielehre (vgl. ebd.) sei auch stark von strukturalisti-
schen Strömungen beeinflusst, die mit Eugen Wüster belegt werden.
16 Als passend darf aus diesem Grund nicht nur gelten, dass die Arbeit an der „Technischen“
Universität Dortmund entstanden ist, sondern auch dass viele der Fachhochschulen, die heute
Journalisten ausbilden, als „Technische Hochschulen“ entstanden sind.
17 Klaus-Dirk Schmitz (vgl. http://www.f03.fh-koeln.de/fakultaet/personen/professoren/klaus-
dirk.schmitz/00213/, Zugriff am und Stand vom 31. Juli 2012) ist Mitglied im für die Normie-
rung des Begriffs von Begriff maßgeblichen Normenausschuss Terminologie NA 105 und wei-
terer Normierungsstellen, Gremien und Verbände der Terminologielehre. Professor ist er am
Institut für Translation und Mehrsprachige Kommunikation und Geschäftsführender Leiter des
Instituts für Informationsmanagement im Fachbereich 03 Informations- & Kommunikations-
wissenschaften der Fachhochschule Köln. Dieselbe Fakultät bildet auch Journalisten aus, dies
im Institut für Informationswissenschaft mit dem Bachelor-Studiengang Online-Redakteur
(vgl. http://www.online-redakteure.com/html/, Zugriff am 23. April 2013.).
18 E-Mail vom 24. Oktober 2010.
64 2 Begriffe von Begriff
Die Normierung des Umgangs mit Begriffen mag zwar ungewohnt sein.
Abgesehen vom wahlweise kostspieligen oder etwas umständlichen Zugang zu
den Industrienormen19 und rechtlich bindenden Genehmigungspflichten20 für die
Zitation aus DIN-Normen spricht nichts dagegen, die Journalistik an ihrer Präzi-
sion teilhaben zu lassen.
Zentral für die vorliegende Studie ist die in der Einleitung und in der Fußnote 18
bereits eingeführte DIN 2342 (2011) Begriffe der Terminologielehre, weil diese
Industrienorm (vgl. ebd.: 2) hochpräzise Begriffe von Begriff, ihre Beziehungen
untereinander und Prozesse sowie Produkte von Terminologiearbeit bestimmt.
Ebenfalls für die deutschen Normierungen von Terminologie relevant sind die
DIN 2332 (1988) Benennen international übereinstimmender Begriffe und die
DIN 2330 (2013) Begriffe und Benennungen – Allgemeine Grundsätze. Diese
kürzlich in überarbeiteter Form neu veröffentlichte Industrienorm ersetzt die
ältere Fassung der DIN 2330 (1993) und DIN 2332 (1988). DIN 2330 nähert sich
dem Begriff von Begriff allgemeiner als DIN 2342 und mit besonders ausführli-
chen Erläuterungen. Die Norm sei damit als erster Zugang in die Begriffswelt
der Begriffsnormierung neben Arntz et al (2009) empfohlen. In der DIN 2330
heißt es aber (ebd.:5): „Für die Anwendung dieses Dokuments gelten die Begriffe
nach DIN 2342“. Auch erklären die Autoren im Normenausschuss Terminologie
NA 105, der beide Normen formuliert hat, im Vorwort der DIN 2330 (2013: 4):
„[…] alle Begriffsdefinitionen wurden in DIN 2342 verlagert.“ DIN 2342 ist damit
die für die Anwendung maßgebliche Industrienorm. Deshalb wende ich in der
vorliegenden Arbeit DIN 2342 an und verwende DIN 2330 nur zur Erläuterung.
19 Die hier zentrale Norm 2342 kann vom Beuth Verlag in Berlin, einem Unternehmen des DIN
Deutsches Institut für Normung e.V., zum Preis von € 77,40 für den Download oder € 81,70 für
den Postversand erworben werden (vgl. http://www.beuth.de, Suchmaskeneingabe „2342“, Zu-
griff am 21. Juli 2013). Der Download der neuen Norm DIN 2330 kostet € 90,00, der Postversand
€ 95,00 (vgl. ebd., Suchmaskeneingabe „2330“). Für bestimmte Zwecke, auch meinen eigenen, ist
der Preis auf Anfrage deutlich reduziert. In zahlreichen Städten gibt es DIN-Normen-
Auslegestellen, beispielsweise in ausgesuchten Hochschulbibliotheken, an denen die Normen un-
entgeltlich eingesehen werden können. Der Beuth Verlag führt online eine Liste dieser Stellen un-
ter der Adresse http://www.beuth.de/php/partner_neu.php?typ=DIN-Auslegestelle&firstcall=
false&gesamt=true (Zugriff am 21. Juli 2013).
20 Das Deutsche Institut für Normung hat sich im Abwägen zwischen seinen Urheberrechten und
wissenschaftlichen Belangen in der Genehmigung der Zitation aus der DIN 2342 in der vorlie-
genden Arbeit sehr kooperativ verhalten und sie kostenlos genehmigt, damit aber keineswegs
die Zitation aus meiner Zitation in anderen Publikationen. Die Formulierungen von DIN-
Normen sind urheberrechtlich geschützt!
2.3 Zugang der Terminologielehre 65
Für die nachfolgende Zitation aus der DIN 2342 gilt folgender Vermerk aus
einer Genehmigungsvorgabe des Beuth Verlags:
„Wiedergegeben mit Erlaubnis des DIN Deutsches Institut für Normung e.V. Maß-
gebend für das Anwenden der DIN-Norm ist deren Fassung mit dem neuesten Aus-
gabedatum, die bei der Beuth Verlag GmbH, Burggrafenstraße 6, 10787 Berlin, er-
hältlich ist.“ (DIN Deutsches Institut für Normung e. V.: Vervielfältigung von DIN-
Normen für die Publikation. Merkblatt 1. Januar 2011: 2)
DIN 2342 enthält Anmerkungen und Beispiele, die ich an solchen Stellen wie-
dergebe, wo es dem Verständnis besonders nützlich ist. Die in bis zu sechs Hie-
rarchieebenen ausdifferenzierten numerischen Kapitelbezeichnungen reichen für
den Beleg und das schnelle Auffinden der Stellen völlig aus; die Angabe von
Seitenzahlen wäre hier überflüssig und würde nur die Lesbarkeit stören. Die
Hervorhebungen von Benennungen in Zitationen der DIN-Norm durch Fettdruck
erscheinen nachfolgend wie im Original.
In DIN 2342 heißt es unter 1 Anwendungsbereich:
„Diese Norm dient der Verständigung in Wissenschaft und Technik, Wirtschaft und
Verwaltung, ist aber auch in anderen Bereichen anwendbar. Sie legt die Grundbe-
griffe für Terminologielehre und Terminologiearbeit fest. Ziel dieser Begriffsnorm
ist es, die Systematik und die Anwendung der Begriffe im Bereich der Terminolo-
giearbeit einschließlich ihrer Computeranwendungen festzulegen.“
DIN 2342 (vgl. ebd.: 3) ist im August 2011 erschienen und ersetzt die DIN 2342-
1 aus dem Jahr 1992. In der Einleitung (ebd.: 4) stellt DIN 2342 fest:
„Die Festlegungen dieser Norm beruhen auf einer Konsensbildung zwischen Termi-
nologiewissenschaftlern und Sprachwissenschaftlern (insbesondere Fachsprachen-
linguisten) sowie Übersetzern, Lexikographen und Terminologiepraktikern. Dabei
steht die Umsetzung der sprachwissenschaftlichen Grundlagen für die praktischen
Anwendungen der Terminologie in Wissenschaft und Technik, Wirtschaft und Ver-
waltung im Mittelpunkt.“
DIN 2342 (vgl. ebd.: 5 ff.) definiert Begriffe der Terminologielehre auf 22 Seiten
in 109 Bestimmungen; die Norm regelt das Vokabular der Terminologielehre
und damit auch den Begriff von Begriff. Auszugsweise im Zitat wiedergegeben
sind nachfolgend nur solche Bestimmungen, die spezifisch für die vorliegende
Arbeit notwendig sind. Aus einigen davon zitiere ich auch nur so viel wie notwen-
dig. Für ein umfassendes Verständnis über die Zwecke der vorliegenden Arbeit
hinaus ist die vollständige Lektüre der Norm unerlässlich. Anwendungen auf die
Gegenstände der vorliegenden Arbeit diskutiere ich jeweils im Anschluss an die
66 2 Begriffe von Begriff
„3.1
Gegenstand
Objekt
beliebiger Ausschnitt aus der wahrnehmbaren oder vorstellbaren Welt
ANMERKUNG Auch Geschehnisse, Sachverhalte und Begriffe (4.1) können Ge-
genstände sein.“
Unter 3.4 Fachsprache versteht die Norm: „Bereich der Sprache, der auf eindeu-
tige und widerspruchsfreie Kommunikation in einem Fachgebiet gerichtet ist und
dessen Funktionieren durch eine festgelegte Terminologie entscheidend unter-
stützt wird“.
Gegenstände der vorliegenden Arbeit sind Begriffe von Theorie, Praxis und
Techne und von ihrer Integration sowie weitere Begriffe im Lerngeschehen des
Fachgebiets namens hochschulgebundene Journalistenausbildung als Teil des
Fachgebiets namens Journalistik mit dem Ziel, die dazugehörigen Fachsprachen
von Journalistik und Journalismus zu präzisieren.
Im Kapitel 4 Begriffsebene bestimmt die Norm den für die vorliegende Ar-
beit zentralen Begriff von Begriff und von Beziehungen zwischen Begriffen.
„4.1
Begriff
Denkeinheit, die aus einer Menge von Gegenständen (3.1) unter Ermittlung der die-
sen Gegenständen gemeinsamen Eigenschaften mittels Abstraktion gebildet wird
ANMERKUNG Begriffe sind nicht an einzelne Sprachen gebunden; sie sind jedoch
von dem jeweiligen gesellschaftlichen und kulturellen Hintergrund einer Sprachge-
meinschaft beeinflusst.“
„4.2
Merkmal
durch Abstraktion gewonnene Denkeinheit, die eine Eigenschaft von Gegenständen
(3.1) wiedergibt, welche zur Begriffsbildung und -abgrenzung dient
BEISPIEL 1 Begriff: ‚Treppe‘; Merkmal: ‚Stufen‘
BEISPIEL 2 Begriff ‚Rechteck‘; Merkmale: ‚vier rechte Winkel‘, ‚parallele Seiten‘“
2.3 Zugang der Terminologielehre 67
„4.3
Begriffsinhalt
Intension
Gesamtheit der Merkmale (4.2) eines Begriffs (4.1)
BEISPIEL Der Begriffsinhalt von ‚Parallelogramm‘ besteht aus den Merkmalen
‚viereckig‘ und ‚parallele, gegenüberliegende Seiten‘.“
„4.4
Begriffsumfang
Extension
Gesamtheit der Unterbegriffe (4.7.2.1) eines Begriffs auf derselben Hierarchiestufe:
ANMERKUNG 1 Jeder Begriff auf dieser Hierarchiestufe ist dadurch mit seinem
eigenen Begriffsumfang im Begriffsumfang des betrachteten Ausgangsbegriffs ent-
halten.
[…]
BEISPIEL Der Begriffsumfang von ‚Kraftfahrzeug‘ umfasst die Unterbegriffe
‚Kraftrad‘, ‚Personenkraftwagen‘, ‚Lastkraftwagen‘, ‚Omnibus‘“
Unter einem 4.6 Begriffsfeld versteht DIN 2342 eine „Menge von Begriffen
(4.1), die thematisch miteinander in Beziehung stehen“, unter 4.7 Begriffssys-
tem die „Menge von Begriffen (4.1) eines Begriffsfeldes (4.6), die entsprechend
den Begriffsbeziehungen (4.7.5) geordnet sind“. 4.7.4 Begriffsplan steht für
„veranschaulichende, meist graphische Darstellung eines Begriffssystems“.
Ich habe das von mir in der Einleitung vorgeschlagene Begriffssystem in ei-
ner Tabelle mit zwölf Feldern der Zuordnung in einem Begriffsplan dargestellt.
68 2 Begriffe von Begriff
„4.7.5.1
hierarchische Begriffsbeziehung
Begriffsbeziehung, die durch schrittweises Unterteilen eines Begriffs (4.1) in unter-
geordnete Begriffe bzw. umgekehrt durch schrittweises Zusammenfassen von Be-
griffen in einem übergeordneten Begriff entsteht
2.3 Zugang der Terminologielehre 69
ANMERKUNG 1 Je nach Anzahl der Schritte führt dies zu einer oder mehreren
Hierarchiestufen.
ANMERKUNG 2 Zwischen den Begriffen einer Hierarchiestufe besteht Nebenord-
nung.“
An dieser Stelle in der Norm sind soeben die zwei grundlegenden Begriffe für
Relationen innerhalb eines hierarchischen Begriffssystems erschienen, nämlich
4.7.1 übergeordneter Begriff, der auf einer höheren Hierarchiestufe mehrere
Begriffe zusammenfasst“, und 4.7.2 untergeordneter Begriff, „der sich beim
Unterteilen eines Begriffs auf einer niedrigeren Hierarchiestufe ergibt“.
Der 4.7.1 übergeordnete Begriff differenziert sich in zwei Begriffe aus, die
sich nach der Art der Begriffsbeziehung unterscheiden:
4.7.1.1 Oberbegriff ist „durch 4.7.5.1.1 Abstraktionsbeziehungen gekenn-
zeichnet“. In der Abstraktionsbeziehung, auch mit dem Synonym „generische
Beziehung“ bezeichnet, schließt „der Begriffsinhalt (4.3) des untergeordneten
Begriffs (4.7.2) den Begriffsinhalt des übergeordneten Begriffs (4.7.1) ein […],
wobei sich der untergeordnete Begriff in mindestens einem zusätzlichen Merkmal
(4.2) vom übergeordneten Begriff unterscheidet“. Das heißt für den Oberbegriff,
wie eine Anmerkung zu 4.7.1.1 Oberbegriff klarstellt: „Der Begriffsinhalt […]
weist mindestens ein Merkmal weniger auf als der Begriffsinhalt seiner Unterbe-
griffe.“
Die zweite Ausdifferenzierung von 4.7.1 übergeordneter Begriff ist der
4.7.1.2 Verbandsbegriff. Diesen gibt es „innerhalb eines hierarchischen Be-
griffssystems, das durch Bestandsbeziehungen (4.7.5.1.2) gekennzeichnet ist“.
In der Bestandsbeziehung, in der Norm auch mit dem Synonym „Teil-Ganzes-
Beziehung“ bezeichnet, beziehen sich „der übergeordnete Begriff (4.7.1) […]
auf einen Gegenstand (3.1) als Ganzes“ und „die untergeordneten Begriffe
(4.7.2) […] auf die Teile dieses Gegenstands“. Als Beispiel einer 4.7.5.1.2 Be-
standsbeziehung nennt die Norm „Woche – Tag“.
Auch 4.7.2. untergeordneter Begriff differenziert sich in zwei Begriffe
aus: Der 4.7.2.1 Unterbegriff ist „durch Abstraktionsbeziehungen (4.7.5.1.1)
gekennzeichnet“ und, wie auch semantisch zu erwarten ist, das hierarchische
Gegenstück zu 4.7.1 übergeordneter Begriff.
Der 4.7.2.2 Teilbegriff dagegen ist „durch Bestandsbeziehungen
(4.7.5.1.2) gekennzeichnet“ und damit das hierarchische Gegenstück zu 4.7.1.2
Verbandsbegriff. Unter 4.5 Begriffsbestand versteht die Norm die „Gesamtheit
der Teilbegriffe (4.7.2.2) eines Begriffs (4.1) auf derselben Hierarchiestufe“.
DIN 2342 erläutert dies an einem Beispiel: „Der Begriffsbestand von ‚Vollpen-
sion‘ besteht aus ‚Frühstück‘, ‚Mittagessen‘ und ‚Abendessen‘[…]“.
Teilbegriffe sind nach meinem Verständnis dieser Festlegungen immer auch
Unterbegriffe. So konstituieren sich die Wochentage aus dem Beispiel durch die
70 2 Begriffe von Begriff
abstrakten Merkmale „1. Tag der Woche“, „2. Tag der Woche“ usw., die Begrif-
fe der Vollpension aus den Merkmalen „am Morgen“, „zu Mittag“, „am Abend“.
Umgekehrt aber gilt dies nicht. Aus Unterbegriffen werden nur dann Teilbegrif-
fe, wenn sie sozial konsentiert ein Ganzes konstituieren. Für die Woche ist aus-
geschlossen, dass ein bisher unentdeckter achter Wochentag gefunden wird.
Daher ist das Vorhandensein eines Ganzen gesichert. Für Vollpension dagegen
ließe sich darüber streiten, ob auch ein Kaffeetrinken oder Getränke zwischen-
durch inkludiert sind, wie es beim touristischen Begriff all inclusive der Fall ist.
Dort also ist nicht klar, ob es einen sozialen Konsens gibt, der die Vollpension
eindeutig konstituiert und sie damit zu einem Verbandsbegriff macht.
Beziehe ich diese anhand der vorgegebenen Beispiele angestellte Überle-
gung auf den in der vorliegenden Studie entwickelten Begriffsplan vom Lernge-
schehen, so handelt es sich bei den in zwölf Feldern geordneten Begriffen mit
Sicherheit um Unterbegriffe von Lerngeschehen. Dessen Teilbegriffe sind sie
aber nur so lange, wie sie in den Fachgebieten Journalismus und Journalistik
sozial konsentiert sind, wie also Fachleute der Fachsprachen einen Konsens
pflegen, dass keine weiteren Unterbegriffe bzw. Felder im Begriffsplan den Be-
griff von Lerngeschehen als Ganzes konstituieren. Damit würden sie zu einem
Begriffsbestand. Das Auffinden weiterer Unterbegriffe kann aber, wie bereits in
der Einleitung ausgeführt und hier am fachfremden, jedoch eingängigen Beispiel
Vollpension erläutert, grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden. Deshalb posi-
tioniere ich die Begriffe zu den zwölf Feldern im Begriffsplan terminologisch
nicht als Teilbegriffe, sondern als Unterbegriffe.
Auch für andere Begriffsbestimmungen der vorliegenden Arbeit ist zu fra-
gen, ob es sich um Teilbegriffe handelt. Beispielsweise wird in der Einleitung
der Begriff von Journalistik als bestehend aus Journalismusforschung und Jour-
nalistenausbildung gefasst. Wäre damit die Gesamtheit der Journalistik vollstän-
dig abgebildet, so würde es sich zweifellos um die Teilbegriffe eines Verbands-
begriffs Journalistik handeln. Möglicherweise aber kommen, wie ebenfalls in der
Einleitung bereits angedeutet, noch weitere Unterbegriffe hinzu, beispielsweise
Politikberatung und Medienberatung. Es ist deshalb hier grundsätzlich termino-
logisch sicherer, sich auf Unterbegriffe zu konzentrieren, statt Teilbegriffe fest-
stellen zu wollen. Und es ist auch ausreichend, es zumeist bei der Betrachtung
von Unterbegriffen zu belassen. Zur Konstituierung von Begriffen genügt neben
der Feststellung der Begriffsmerkmale definitionsgemäß die des Begriffsumfangs,
und der ergibt sich gemäß der zitierten Bestimmung 4.4 der Norm durch Unter-
begriffe, nicht durch Teilbegriffe.
Im Begriffsplan, den ich vorschlage, sind Praxis, Techne und Theorie somit
nebengeordnete Begriffe mit dem gemeinsamen übergeordneten Begriff vom
Lerngeschehen in Journalistenausbildung. Die Felder der Ebenen Journalismus,
Journalistenausbildung, Externe Disziplinen und Alltag repräsentieren Unterbe-
2.3 Zugang der Terminologielehre 71
griffe von entweder Praxis, Techne oder Theorie. Die zwölf Felder des Begriffs-
plans stehen zueinander in der Beziehung nebengeordneter Begriffe; keines da-
von steht also hierarchisch über dem anderen.
DIN 2342 bestimmt 4.8 Begriffsbestimmung als „Beschreibung eines Be-
griffs (4.1) in seinem Begriffsfeld (4.6)“. Außerhalb der Terminologielehre wird
die Begriffsbestimmung oftmals mit der Definition gleichgesetzt. In der DIN
2342 aber ist die Begriffsbestimmung deren Oberbegriff. Die Begriffsbestim-
mung hat in der Norm erstaunlicherweise nur einen Unterbegriff: die 4.8.1 Defi-
nition als „Begriffsbestimmung mit sprachlichen Mitteln“.
Ein Oberbegriff, der nur einen Unterbegriff aufweist, könnte leicht als ter-
minologischer Unfug aufgefasst werden. Dieser liegt hier aber nicht vor, denn
die Norm beschäftigt sich nur mit Sprache und darf deshalb Begriffsbestimmun-
gen mit anderen als sprachlichen Mitteln außer Acht lassen. Welche das sein
könnten, bleibt offen. Vorstellbar wären aber beispielsweise Begriffsbestimmun-
gen mit graphischen Mitteln.
Definition gliedert sich in der DIN 2342 als letzte Bestimmung auf der 4
Begriffsebene in drei Unterbegriffe. In einer Anmerkung zu 4.8.1 Definition
heißt es: „Die für die Terminologielehre wichtigste Form der Definition ist die
Inhaltsdefinition (siehe DIN 2330).“
„4.8.1.1
Inhaltsdefinition
intensionale Definition
Definition, bei der ausgehend von dem Oberbegriff (4.7.1.1) die einschränkenden
Merkmale (4.2) angegeben werden, die den zu definierenden Begriff von anderen
Begriffen derselben Abstraktionsstufe unterscheiden
BEISPIEL
Glühlampe
elektrische Lampe, bei der feste Stoffe durch elektrischen Strom so hoch erhitzt
werden, dass sie Licht aussenden
ANMERKUNG
Oberbegriff (bekannt oder bereits definiert)
- elektrische Lampe
einschränkende Merkmale
- durch elektrischen Strom feste Stoffe hoch erhitzen
- Licht aussenden: Abgrenzung von Begriffen derselben Reihe:
- von ‚Leuchtstofflampe‘“
Bei den Begriffsbestimmungen von Praxis, Techne und Theorie gehe ich stets
vom Oberbegriff des Lerngeschehens in Journalistenausbildung aus. Ich erarbei-
te mit der Identifizierung der abgrenzenden Merkmale, die Praxis, Techne und
Theorie voneinander unterscheiden, implizit Inhaltsdefinitionen für die drei Be-
griffe. Die Inhaltsdefinitionen würden explizit als solche erscheinen, sobald ich
72 2 Begriffe von Begriff
„4.8.1.2
Umfangsdefinition
extensionale Definition
Definition, bei der alle Unterbegriffe (4.7.2.1) eines Begriffs (4.1) aufgezählt wer-
den, die innerhalb des betreffenden Begriffssystems (4.7) auf derselben Hierarchie-
stufe stehen“
Die Aufzählung der Begriffe zu den zwölf Feldern des Begriffsplans wäre eine
Umfangsdefinition von Lerngeschehen in Journalistenausbildung, wenn die
abgrenzenden Merkmale nicht genannt würden. Eine solche Definition ist zwar
umfassend, hat aber analytisch im Sinne der Begriffstrennung nur geringen Wert.
Nun noch zum letzten der drei Unterbegriffe von Definition:
„4.8.1.3
Bestandsdefinition
Definition, bei der alle auf derselben Hierarchiestufe stehenden Teilbegriffe
(4.7.2.2.) des Begriffs (4.1) aufgezählt werden“
Wie schon zu Teilbegriff ausgeführt, setzt auch die mit ihr korrespondierende
Bestandsdefinition voraus, dass sämtliche möglichen Unterbegriffe bekannt sind.
Dies kann für den Begriffsplan aus den genannten Gründen nicht als gesetzt
gelten. Auch für Begriffe der Journalistik, die ich im Kontext hochschulgebun-
dener Journalistenausbildung untersuche, kann die Ganzheit oftmals nicht als
abschließend bestimmt angenommen werden, wie ich am Beispiel des Begriffs
von Journalistik selbst bereits gezeigt habe: Für diese könnten neben den Unter-
2.3 Zugang der Terminologielehre 73
„5.3.1
Synonymie
Beziehung zwischen verschiedenen Bezeichnungen (5.1) in derselben Sprache, die
denselben Begriff (4.1) repräsentieren
ANMERKUNG Bezeichnungen, die in dieser Beziehung zueinander stehen, heißen
Synonyme.
BEISPIEL Tierarzt – Veterinär“
„5.3.2
Quasisynonymie
Beziehung zwischen verschiedenen Bezeichnungen (5.1) in derselben Sprache, die
zwar nicht genau denselben Begriff (4.1) repräsentieren, aber in bestimmen Kontex-
ten (5.2) gegeneinander austauschbar sind
ANMERKUNG Bezeichnungen, die in dieser Beziehung zueinander stehen, heißen
Quasisynonyme.
BEISPIEL
Zündschalter
Zündschloss
Lenkanlass-Schloss
Zünd-Start-Schalter“
Für die mit der vorliegenden Studie in die Journalistik neu eingeführte Benen-
nung Techne liegen in Philosophie und Philologie zahlreiche, bereits in der Ein-
leitung genannte, teils allegorische oder metaphorische Umschreibungen21 vor,
21 DIN 2342 führt „Allegorie“, „Metapher“ und „Umschreibung“ nicht, auch nicht als einen Unter-
begriff von Bezeichnungsbeziehungen. Der Eintrag für „Allegorie“ in Das Fremdwörterbuch der
Dudenredaktion (2005: 51) lautet: „[...] ‹gr.-lat.; ‚das Anderssagen‘›: (bildende Kunst, Literatur)
rational fassbare Darstellung eines Begriffs in einem Bild, oft mithilfe der Personifikation [...]“.
Für „Metapher“ (ebd.: 654): „[...] (gr.-lat.): (Sprachw.) sprachlicher Ausdruck, bei dem ein Wort,
eine Wortgruppe aus seinem eigentlichen Bedeutungszusammenhang in einen anderen übertragen
wird, ohne dass ein direkter Vergleich zwischen Bezeichnendem u. Bezeichnetem vorliegt; bild-
hafte Übertragung (z. B. das Haupt der Familie)“. Nach meinem Verständnis übertragen Allegorie
und Metapher unausgesprochene Begriffsmerkmale auf eine andere Benennung, was die Darstel-
lung des Begriffs dann rational fassbar macht. Allegorie und Metapher übertragen aber offenbar
auch unausgesprochene Emotionen von einer Bezeichnung auf die andere. Auch dieses ist bei ge-
eigneter Analyse rational fassbar. Ich verwende in dieser Arbeit Allegorie und Metapher sowie de-
ren adjektivische Formen nicht als Begriffe der Terminologielehre, sondern als Entleihungen aus
der bildenden Kunst und Literatur. Terminologisch handelt es sich im Hinblick auf die Merkmale
und bei Ausblendung der emotionalen Elemente um Synonyme oder Quasisynonyme.
2.3 Zugang der Terminologielehre 75
„5.3.4
Äquivalenz
Beziehung zwischen Bezeichnungen (5.1) in verschiedenen Sprachen für den glei-
chen Begriff (4.1)
ANMERKUNG Bezeichnungen, die in dieser Beziehung zueinander stehen, heißen
Äquivalente.
BEISPIEL
de serielle Schnittstelle
en serial interface
fr interface série“
Die Terminologielehre (vgl. Arntz et al. 2009: 148-151) kennt das Problem,
dass Übersetzungen nicht immer genau sein können. Problematisch seien dabei
„begriffliche Überschneidungen“, wie sie die Kontrastive Lexikologie systema-
tisch beschreibt. Übersetzer und Übersetzungswissenschaftler kämpften ständig
mit dem „Äquivalenzproblem“, sowohl in der Gemeinsprache als auch in den
Fachsprachen. Erich Prunþ (2002: 64) konstatiert in seiner Einführung in die
Translationswissenschaft ein „Gestrüpp der Äquivalenzbeziehungen“.
In der DIN 2342 aber fehlt eine begriffliche Bestimmung und Benennung
spezifisch für nicht vollständig zutreffende Übersetzungen. Die Norm birgt je-
doch die Möglichkeit – auch ohne die umfangreiche Diskussion des Äquivalenz-
problems in den Übersetzungswissenschaften nachvollziehen zu müssen –, rein
formal terminologisch zu einer Bestimmung zu gelangen, und zwar in analoger
Ableitung von den vorhandenen Bestimmungen von Synonymie und Quasisyno-
nymie. Dabei gehe ich folgendermaßen vor:
Synonymie (5.3.1) benennt, wie bereits ausgeführt, laut DIN 2342 nur eine
„Beziehung zwischen verschiedenen Bezeichnungen (5.1) in derselben Sprache,
die denselben Begriff (4.1) repräsentieren (5.3.1)“. Quasisynonymie (5.3.2)
benennt eine „Beziehung zwischen verschiedenen Bezeichnungen, […] die zwar
nicht genau denselben Begriff (4.1) repräsentieren, aber in bestimmen Kontex-
ten (5.2) gegeneinander austauschbar sind“, dies aber „in derselben Sprache“.
Bei ungenauen Übersetzungen handelt es sich gewiss nicht um Quasisyno-
nymie, weil das Begriffsmerkmal „in derselben Sprache“ gerade nicht zutrifft.
Möglich wäre es aber, analog zur Synonymie der Norm eine Bestimmung auf
gleicher Hierarchiestufe hinzuzufügen. Mein Vorschlag für diese Ergänzung der
DIN 2342 lautet:
Quasiäquivalenz:
Beziehung zwischen verschiedenen Bezeichnungen (5.1) in unterschiedlichen Spra-
chen, die zwar nicht genau denselben Begriff (4.1) repräsentieren, aber in bestim-
men Kontexten (5.2) gegeneinander austauschbar sind.
Mein Vorhaben besteht allerdings nicht etwa darin, die Norm fortzuentwickeln,
sondern die vorhandene DIN 2342 auf die Journalistik anzuwenden. Mir bleibt
als Notbehelf zur Überwindung meines Äquivalenzproblems für IJȤȞȘ und die
deutsche, englische und französische Benennung Techne, techne oder technè,
diese durch mich selbst wenigstens in den Fachsprachen von Philosophie, Philo-
logie und Linguistik als eingeführt zu betrachten. Damit ist für neusprachliche
Übersetzungen von IJȤȞȘ das Merkmal „in derselben Sprache“ erfüllt und kann
nunmehr bei ihnen terminologisch tatsächlich von Quasisynonymie die Rede
sein. Auch für die deutsche Journalistik betrachte ich die Techne in deutscher
Schreibweise mit der vorliegenden Arbeit als eingeführt und damit auch als Teil
2.3 Zugang der Terminologielehre 77
von deren Fachsprache. Somit kann ich auch in meiner Studie in der Journalistik
die nicht vollständig zutreffenden Übersetzungen von Techne terminologisch als
Quasisynonyme einordnen.
Die vierte in der vorliegenden Arbeit zentrale Bezeichnungsbeziehung ist:
„5.3.6
Polysemie
Beziehung zwischen identischen Bezeichnungen (5.1) in derselben Sprache, die un-
terschiedliche Begriffe (4.1) repräsentieren und einen erkennbaren gemeinsamen
etymologischen Ursprung haben
ANMERKUNG 1[sic] Bezeichnungen, die in dieser Beziehung zueinander stehen,
heißen Polyseme.
BEISPIEL Nase (Körperteil), Nase (Vorsprung), Nase (Lackläufer)“
Von der Polysemie zu unterscheiden ist für den Fall, dass kein gemeinsamer
etymologischer Ursprung vorliegt:
„5.3.7
Homonymie
Beziehung zwischen identischen Bezeichnungen (5.1) in derselben Sprache für un-
terschiedliche Begriffe (4.1)
ANMERKUNG 1 Bezeichnungen, die in dieser Beziehung zueinander stehen, hei-
ßen Homonyme.
ANMERKUNG 2 Der Unterschied zwischen Homonymie und Polysemie ist nur in
der historischen Terminologieforschung relevant.
BEISPIEL Miete (Geldbetrag für die zeitweilige Überlassung einer Sache); Miete
(mit Stroh o. ä abgedecktes Lager von Feldfrüchten); Tau (Seil); Tau (kondensierter
Niederschlag)“
Streng genommen müsste die Norm in der von ihr selbst vorgegebenen Systema-
tik Polysemie als Unterbegriff von Homonymie anordnen mit den einschränken-
den Begriffsmerkmalen „gemeinsamer etymologischer Ursprung“ und „in der
historischen Terminologieforschung verwendet“.
Wie ich in der Einleitung bereits festgestellt habe, ist Journalist ein Poly-
sem, weil es den Beruf und begrifflich unterscheidbar davon zugleich die ihn
ausübende Person bezeichnet. Aber auch die vielfältigen Begriffe von Theorie
und Praxis in Journalistenausbildung sind Polyseme. Polysemie ist in der Tat ein
sehr wirkungsvolles Instrument, versehentlich oder absichtlich Begriffsverwir-
rung herbeizuführen.
Im Kapitel 6 Terminologielehre und Terminologiearbeit der DIN 2342
finden sich fünf Unterbegriffe, von denen hier zwei von Interesse sind.
78 2 Begriffe von Begriff
Die vorliegende Arbeit ist eine der Terminologieplanung. Ich schlage Be-
griffe sowie Benennungen und Begriffsbeziehungen vor. Dies geschieht aber
außerhalb eines autorisierten Gremiums und ohne das Ziel, Industrienormen für
den Umgang mit Begriffen in Journalismus und Journalistik zu schaffen. Es
handelt sich damit explizit nicht um Terminologienormung. Sehr wohl aber wen-
de ich DIN- und ISO-Normen zum Begriff von Begriff selbst und damit Ergeb-
nisse der Terminologienormung auf Journalismus und Journalistik an. Die um-
fangreiche Identifizierung von Merkmalen der Techne aus philologischer, philo-
sophischer, linguistischer und weiterer Fachliteratur in meiner separaten Analyse
(Streitbörger 2013) fällt unter den Begriff der 7.5 Terminologieextraktion.
DIN 2342 gliedert schließlich noch 8 Produkte der Terminologiearbeit in
22 Unterbegriffe. Hier besonders relevant ist:
„8.1
Terminologie
Fachwortschatz
Gesamtbestand der Begriffe (4.1) und ihrer Bezeichnungen (5.1) in einem Fachge-
biet
ANMERKUNG Eine Terminologie kann ein-, zwei- oder mehrsprachig sein.“
“term: verbal designation of a general concept in a specific subject field.” (Ebd.: 41)
Die deutschen Äquivalente der drei aufgeführten Benennungen lauten 5.1.3 Be-
nennung, 4.1 Begriff und 4.2 Merkmal.
Die terminologisch korrekte Übersetzung von Begriff ist damit nicht, wie man
annehmen könnte, term – dabei handelt es sich um die Benennung –, sondern:
concept. Auch ist das deutsche Konzept in der Terminologielehre keineswegs ein
Äquivalent zum englischen concept. Klaus-Dirk Schmitz, Mitglied des für die DIN
2342 maßgeblichen Normenausschusses Terminologie (NAT) NA 105 des deut-
schen DIN-Instituts, erklärt:22
„Terminus (auch Fachwort): Das zusammengehörige Paar aus einem Begriff und
seiner Benennung als Element einer Terminologie.“
Nach der neuen Fassung ist Terminus keine eigenständige Vokabel der Termino-
logielehre mehr, auch wenn die DIN 2342 (2011: 11) sie in der Bestimmung von
Benennung (5.1.3) noch als deren Synonym verwendet und Terminus im Stich-
wortverzeichnis (ebd.: 22) ebenfalls noch erscheint. Schmitz erklärt die Gründe
des Normierungsausschusses dafür, in der formalen Systematik der Norm die
Benennung Terminus für die Benennung fallen zu lassen:25
„‚Terminus‘ mit der Definition ‚Einheit von Begriff und Benennung‘ hat uns immer
Probleme bereitet, auch bei der Übersetzung in andere Sprachen, da es dort keine
Entsprechungen gibt. Deshalb haben wir in der neuen Fassung (Entwurf 2004)
‚Terminus‘ synonym zu ‚Benennung‘ und ‚Fachausdruck‘ gesetzt […].“
Begriffe kann es nur von Gegenständen geben, auch wenn sie gleich den Gegen-
ständen benannt sind. Die deutsche Konstruktion Terminus als eine gedachte
Einheit von Begriff und Gegenstand setzte die fundamentale sprachtheoretische
Unterscheidung zwischen Real World und Abstraction, wie in der ISO-Norm 704
(ISO 2009: 4) bezeichnet,26 außer Kraft. Die damit geschaffene Unklarheit aber
ist in der aktuellen deutschen Terminologielehre überwunden durch den Verzicht
auf Terminus.
In dem Bemühen, die vorliegende Begriffsarbeit international anschlussfä-
hig zu gestalten und in der aktuellen Terminologielehre zu verankern, verzichte
ich auf die Benennungen Konzept und Konzeption sowie auf Terminus und ver-
meide ihre Verwendung, sofern sie nicht als Zitat oder Paraphrase anderer Auto-
ren auftreten.
Begriffsplan des Semiotischen Dreiecks nach Reiner Arntz et al. und Heidi Suonuuti.
Für terminologische Arbeit ist diese Darstellung heute verzichtbar; in der DIN
2342 kommt sie nicht vor. In der überarbeiteten DIN 2330 (2013: 6) aber findet
sich, als eine Ergänzung der Fassung aus dem Jahr 1993, wieder eine Abbildung.
Ganz anders als DIN 2342 setzt das Semiotische Dreieck die Begriffe seines
Umgangs mit Begriff nicht etwa hierarchisch zueinander in Beziehung, sondern
in einem zweidimensionalen graphischen Begriffsplan, also nebengeordnet. Das
Semiotische Dreieck verdeutlicht auch graphisch, was ich sprachlich bereits
konstatiert habe: Begriffe sind, wie seit der griechischen Antike erkannt, keines-
wegs dasselbe wie die Gegenstände, auf die sie sich beziehen, sondern durch
Abstraktion gewonnene Repräsentationen von ihnen.
Begriffe kann es somit nur von den Gegenständen geben, und nicht „der“
Gegenstände, auch wenn sie den Gegenständen gleich benannt sind. Entspre-
chend untersuche ich mit der vorliegenden Arbeit Benennungen nicht so, als
wären sie Realitäten, sondern Begriffe von Gegenständen mit Benennungen wie
Theorie, Techne und Praxis im Kontext hochschulgebundener Journalistenaus-
bildung als Abstraktionen von realem Lerngeschehen. Auch Begriffe von ande-
ren Gegenständen aus diesem Kontext untersuche ich nur als solche, ohne sie
damit zu den Gegenständen selbst machen zu wollen – und schon gar nicht als
„Wahrheiten“. Für eine vertiefende Betrachtung des Semiotischen Dreiecks und
seiner Bezüge zur modernen Terminologielehre verweise ich auf das Kapitel 1.1.
im Elektronischen Anhang A.
2.5 Abschied von der Bedeutung 83
etymologisch eine Bedeutung, im Hinblick auf die Polysemie aber zugleich nur
eine Relation zu einem Gegenstand. Wo ich in der vorliegenden Arbeit gemeint
oder meine verwende, beziehe ich mich also auf die Relation zum Gegenstand,
nicht aber die Bedeutung. Auch jener Unterbegriff von meinen, der im deutschen
Wort Meinung als „Ansicht, Urteil“ (ebd.) evident wird, ist in meinen nachfol-
genden Verwendungen von meinen nicht der Gegenstand.
Was das Wörterbuch der Soziologie (Hillmann 2007: 81) ausdrücklich mit
Bedeutung meint, nämlich Begriffsinhalt und Begriffsumfang, fasst die Termino-
logielehre mit genau diesen Benennungen hochpräzise. Im Interesse der Präzisi-
on soll es in der vorliegenden Arbeit genügen, mit diesen beiden Benennungen
zu operieren und auf Bedeutung oder meaning zu verzichten. Bedeutung und
meaning in Zitationen lese ich nachstehend nach Möglichkeit des jeweiligen
Kontextes als Begriffsinhalt und Begriffsumfang.
28 Oros: In direkter Übersetzung (vgl. Gemoll 2006: 588) „Berg, Gebirge, Anhöhe“. Im übertrage-
nen Sinne auch „Schranke, Maß“. Darunter, unter mehreren voneinander abweichenden Überset-
zungen auch „Begriffsbestimmung, Definition“.
86 2 Begriffe von Begriff
tisch nicht dasselbe sind, obwohl die Benennung immer den Begriff repräsentiert.
Der Zusammenhang, in dem Benennung oder Fachwendung auftreten, ist termi-
nologisch der Kontext. Kontexte der vorliegenden Arbeit sind der Beruf namens
Journalist, die Journalistik und die Journalistenausbildung.
Für diese Arbeit wichtige Bezeichnungsbeziehungen aus der Terminologie-
lehre nach DIN 2342 sind die Synonymie für verschiedene Bezeichnungen, die
innerhalb derselben Sprache denselben Begriff repräsentieren, und die Quasisy-
nonymie, bei der dies nur in bestimmten Kontexten der Fall ist. Äquivalenz meint
die Bezeichnungen in verschiedenen Sprachen für denselben Begriff. Da ich
Curricula in englischer und deutscher Sprache untersuche, stellen sich Fragen der
Äquivalenz. Ich untersuche auch, ob für fachsprachliche Benennungen der Tech-
ne oder techne deutsche oder englische Synonyme bereitstehen, die dann immer
auch als Äquivalente zu werten wären. Wo ich unkommentiert das Adjektiv sy-
nonymisch verwende, meine ich damit Synonymie, Quasisynonymie oder beides.
Gemäß DIN 2342 handelt es sich um eine Terminologiearbeit und darin um
Terminologieplanung als Prozess, die Terminologie eines Fachgebiets zu entwi-
ckeln, zu verbessern, umzusetzen und zu verbreiten. In der vorliegenden Arbeit
sind es zwei Fachgebiete, nämlich die vom Journalismus als Berufswelt und von
Journalistik als Wissenschaft vom Journalismus. In meiner (Streitbörger 2013)
separaten Analyse unternehme ich eine Terminologieextraktion zur Techne.
Die terminologisch korrekten englischsprachigen Äquivalente von zentralen
Wörtern der Terminologielehre lauten:
Gegenstand = object
Benennung = term/designation
Begriff = concept
Merkmal = characteristic
Begriffssysteme der Terminologielehre, darunter vor allem die DIN 2342, bilden
die theoretische Grundlage der vorliegenden Begriffsarbeit. Das Ziel, im Sinne
Manfred Rühls „brauchbare“ Grundbegriffe der Analyse von Curricula zu be-
gründen, bedingt mein Vorgehen, mich auf wesentliche, vor allem aber abgren-
zende Merkmale zu konzentrieren. Einige Definitionen entstehen damit automa-
tisch, andernorts stelle ich sie her zur Bestimmung von Begriffen aus Journalis-
mus und Journalistik, sofern sie im Kontext notwendig sind. Im Mittelpunkt
dieser Arbeit aber stehen Begriffsinhalte, ausweislich Begriffsmerkmalen, und
nicht Definitionen.
Die Terminologielehre nach DIN 2342, wie ich sie anwende, konstituiert
Begriffe aus Begriffsinhalt und Begriffsumfang. Diese zu bestimmen erübrigt das
ungenaue Hantieren mit Bedeutung und meaning. In meiner terminologischen
88 2 Begriffe von Begriff
„Die Gegenstände des täglichen Lebens lassen sich in der Regel auch ohne sprachli-
che Präzision erfassen und vermitteln, und gerade in dieser Unschärfe liegt die große
Leistungsfähigkeit der Gemeinsprache. In vielen Fachgebieten muss jedoch auf-
grund ihrer speziellen Sichtweisen und ihres Differenzierungsbedarfs ein präziser
Fachwortschatz gepflegt werden.“
3 Hochschulgebundene Journalistenausbildung
kein geschlossenes Begriffssystem der Journalistik. Wohl aber eröffnen sich aus
dem terminologischen Zugang neue Sichtweisen und Vorschläge für punktuelle
begriffliche Neustrukturierungen.
Darüber, ob ich identifizierte Merkmale und Umfänge eigens als Definitio-
nen ausweise, entscheidet, ob ich darin einen Erkenntnisgewinn sehe. Aus Grün-
den des beschränkten Raums überlasse ich es in aller Regel aber Interessierten,
Inhaltsdefinitionen durch Zusammenführen der angebotenen Begriffsmerkmale
selbst zu bilden.
Ich untersuche Deutschland und die USA als die beiden Länder, denen ich
an späterer Stelle jeweils zwei Fallstudien widme, nähere mich aber beiden Kon-
texten mit Begriffen der deutschsprachigen Terminologielehre.
Ein subjektives Element liegt darin, dass prinzipiell jedes in dieser Arbeit
verwendete Wort als Benennung eines Begriffs und jeder Begriff aus dem gro-
ßen Kontext von Journalistenausbildung thematisiert werden könnte. Dies würde
jeden Rahmen sprengen. Deshalb untersuche ich nur solche Begriffe, die für die
terminologische Fundierung meines Begriffsplans vom Lerngeschehen relevant
sind. Weitergehende terminologische Untersuchungen von Begriffen aus Journa-
listik und Journalismus wären zwar reizvoll und würden aufschlussreiche Ergeb-
nisse versprechen, müssen aber nachfolgenden Studien überlassen bleiben.
Ich vermeide begriffliche Festlegungen auf spezifische theoretische Zugän-
ge zu Journalistenausbildung und Lernen. Mein Anliegen ist es, den vorgeschla-
genen Begriffsplan möglichst universell nutzbar zu machen. Ich bestimme damit
Begriffe allgemein genug, um den Begriffsplan zu tragen, und spezifisch genug,
um ihn in der Journalistik zu verankern. Ich halte zwar meinen Begriffsplan für
anwendbar auf alle Vorstellungen von hochschulgebundener Journalistenausbil-
dung, sehe mich aber verpflichtet, meine Position zu einigen wichtigen Unter-
scheidungen, insbesondere der Ziele und Zwecke, darzulegen.
3.1 Referenzliteratur
In der Fachliteratur zu Journalistenausbildung stütze ich mich vor allem auf Arbei-
ten in deutscher Sprache, die erst nach der Jahrtausendwende erschienen sind.
Ein besonderer Glücksfall für mein eigenes Forschungsvorhaben ist das von
Michael Harnischmacher (2010) publizierte Buch Journalistenausbildung im Um-
bruch: Zwischen Medienwandel und Hochschulreform: Deutschland und USA im
Vergleich, das als eine Eichstätter Dissertation entstanden ist. Das ausgewertete
Sample (vgl. ebd.: 181) seiner Online-Befragung von 23 Studiengangsleitern in
Deutschland und 45 in den USA sowie 91 leitenden Redakteuren in Deutschland
und 144 in den USA in den Jahren 2006 und 2007 zeigt auf, wie führende Vertreter
3.1 Referenzliteratur 91
29 Vor allem folgender Darstellung (Harnischmacher 2010: 268) will ich nicht zustimmen: „Quasi
alle Medien in den Vereinigten Staaten sind privatwirtschaftlich organisiert.“ In meiner Münchner
Diplomarbeit über Public Television in den USA, die zusammen mit Heidrun Wimmersbergs
Diplomarbeit über Public Radio in einem Buchband (Möller/Wimmersberg 1988) erschienen ist,
konnte ich zeigen: Das Public Broadcasting in den USA schließt jene Lücken, die kommerzielle
Anbieter hinterlassen. Wolfgang Hoffmann-Riem schreibt in seinem Vorwort (ebd.: VI): „Seine
systemstabilisierende Funktion gibt dem Lückenbüßer politische und publizistische Kraft.“ Das
Public Broadcasting (vgl. New York Times 2011; Süddeutsche Zeitung 2011) steht allerdings
immer wieder aufs Neue unter Rechtfertigungsdruck, vor allem wenn es um Zuweisungen staatli-
cher Mittel geht.
92 3 Hochschulgebundene Journalistenausbildung
phie nach Systematik und Umfang für das Thema Journalistenausbildung und
insbesondere ihre Didaktik bisher einzigartig geblieben ist. Ich teile Pörksens
Interesse am konstruktivistischen Ansatz, halte aber für theoretische Begründun-
gen von Journalistenausbildung andere theoretische Ansätze für ebenso legitim
und plausibel und, je nach Forschungsinteresse, sinnvoll.
Beatrice Dernbach und Wiebke Loosen (2012) haben mit Didaktik der
Journalistik: Konzepte, Methoden und Beispiele aus der Journalistenausbildung
einen umfangreichen Sammelband von Beiträgen herausgegeben, in dem neben
didaktischen Fragen auch grundsätzlichen Probleme von Journalistenausbildung
höchst differenziert und aus vielen Perspektiven zur Sprache kommen.
Meine eigene Untersuchung betrachte ich als weiteren Beitrag dieser Se-
quenz neuerer Veröffentlichungen zu Kernfragen aktueller hochschulgebundener
Journalistenausbildung aus deutscher Perspektive. Anders als die genannten
Publikationen aber gehe ich einen großen Schritt zurück und beleuchte grund-
strukturierende Begriffe mit dem Ziel, eine empirische Curriculumforschung
begrifflich überhaupt erst zu ermöglichen, und mit der Absicht, terminologische
Systematik mitsamt der ihr eigenen Präzision in die Journalistik einzuführen.
Eine geschichtliche Gliederung der wichtigsten Punkte aus fast einem Jahr-
hundert hochschulgebundener Journalistenausbildung formulierte Walter Hömberg
(2006) mit einem Aufsatz in einem Sonderband der Publizistik. Ein noch prägnan-
teres Resümee von Journalistenausbildung an deutschen Hochschulen legte der
Autor vier Jahre später in einer Festschrift für Horst Pöttker (Eberwein/Müller
2010: 283-312) vor und nannte es (ebd. 309) eine „Erfolgsgeschichte“.
Als weiteren wichtigen, internationalen Referenzrahmen verwende ich die
von Romy Fröhlich und Christina Holtz-Bacha (2003) herausgegebene englisch-
sprachige Übersicht Journalism Education in Europe and North America, in der
Fachautoren Entwicklung und Stand in zwölf Ländern, darunter auch den USA,
in Aufsätzen beleuchten.
Nur auf Europa bezogen gab Georgios Terzis (2009) mit European Journa-
lism Education eine noch genauere und wegen ihres späteren Erscheinens auch
aktuellere internationale Übersicht in Aufsätzen. Einen europäischen Überblick
in Aufsätzen deutscher Sprache über die Lage zur Jahrtausendwende gab Gerd
G. Kopper (2001) mit Europa als Herausforderung heraus.
Spezifisch zum Thema der Begriffe von Theorie, Praxis und Integration legte
Bernd Blöbaum (2000) mit seiner Münsteraner Habilitationsschrift Zwischen Re-
daktion und Reflexion: Integration von Theorie und Praxis in der Journalistenar-
beit die Arbeit vor, in der er die von mir mit Polysemie benannte Vieldeutigkeit des
Praxisbegriffs systematisch aufzeigt. Wo Blöbaum aufhört, setzt meine eigene
Arbeit mit dem Versuch einer Klärung an. Zugleich enthält Blöbaums Buch eben-
falls eine Geschichte von Journalistenausbildung, die aber bei ihrem Erscheinen
3.1 Referenzliteratur 93
An dieser Stelle untersuche ich zunächst Begriffe aus den Kontexten Hochschule
und Journalismus, wie sie in der Benennung hochschulgebundene Journalisten-
ausbildung evident sind.
3.2.1 Hochschule
3.2.2 Wissenschaft
„Wissenschaft, Bezeichnung für eine Lebens- und Weltorientierung, die auf eine
spezielle, meist berufsmäßig ausgeübte Begründungspraxis angewiesen ist und inso-
fern über das jedermann verfügbare Alltagswissen hinausgeht, ferner die Tätigkeit,
die das wissenschaftliche […] Wissen produziert. W[issenschaft] heißt auch jede aus
der W[issenschaft] im genannten Sinne ausdifferenzierbare Teilpraxis, sofern diese
durch einen bestimmten Phänomen- oder Problembereich definiert ist.“
Der Eintrag geht noch sehr viel weiter. Für die Bestimmung des in der vorlie-
genden Arbeit verwendeten Begriffs von Wissenschaft genügt es, dass es sich um
einen Unterbegriff von Lebens- und Weltorientierung und Tätigkeit handelt, und
zwar mit den folgenden drei Begriffsmerkmalen:
BM3 Wissenschaft Ist auf eine spezielle, meist berufsmäßig ausgeübte Begrün-
dungspraxis angewiesen.
Für die Bestimmung von „einer Wissenschaft“, auch der Journalistik, genügt es,
sie als Unterbegriff von „Wissenschaft“ zu fassen:
Wissenschaft lässt sich neben ihrer Begründungspraxis, zu verstehen als ihre Me-
thode, auch institutionell definieren. Demnach wäre Wissenschaft im vorliegenden
Kontext von Journalistenausbildung alles, was dazu an Hochschulen geschieht.
Dies entspräche der von Blöbaum (2000: 120) identifizierten, weiter unten noch zu
diskutierenden „Bedeutung“ von Theorie/Praxis als Hochschule/Beruf.
Mit der vorliegenden Arbeit bewege ich mich in den hier aufgezeigten Be-
griffen von Wissenschaft. Sie lassen Raum auch für die interdisziplinären Bezüge
der Journalistik als eine Wissenschaft.
3.2 Kontextuelle Grundbegriffe zu Hochschule und Journalismus 97
Der Schriftsteller und Publizist Robert Prutz (1971/1845: 7) begriff den Journa-
lismus in seiner Geschichte des deutschen Journalismus als ein historisches Phä-
nomen. Vor fast 170 Jahren stellte sich für ihn Journalismus
„[…] als das Selbstgespräch dar, welches die Zeit über sich selber führt. Er ist die
tägliche Selbstkritik, welcher die Zeit ihren eigenen Inhalt unterwirft; das Tagebuch
gleichsam, in welches sie ihre laufende Geschichte in unmittelbaren, augenblickli-
chen Notizen einträgt.“
Ein halbes Jahrhundert später definierte der Journalist Richard Wrede (1902: 4)
in seinem Lehrbuch Handbuch der Journalistik den Journalismus als einen Ge-
genstand im Kontext Beruf:
Im ersten Satz des ersten Kapitels Grundbegriffe definiert Wrede – als promo-
vierter Jurist geschult im Umgang mit Begriffen – die Benennung Journalist.
Das Wort erscheint als erstes überhaupt. Dem Begriff von Journalist sind nach-
folgend in Wredes Lehrbuch begriffshierarchisch alle weiteren Begriffe unterge-
ordnet, auch der von Journalismus.
Wrede arbeitet auch nach neuesten Maßstäben terminologisch ausgespro-
chen präzise. Er verwendet zudem Terminologie, die sich ein Jahrhundert später
teils wortgleich in der DIN 2342 wiederfindet, darunter die Benennungen Be-
griffsbestimmung, Merkmale und bezeichnen. Wrede war journalismuswissen-
schaftlich und terminologisch seiner Zeit weit voraus.
Wrede (ebd.: 3) differenziert zwischen Journalist im weiteren Sinne und
Journalist im engeren Sinne. Im Vokabular der Terminologielehre etabliert er
damit Unterbegriffe von Journalist:
„J o u r n a l i s t (im weiteren Sinne) kann genannt werden, wer für Zeitungen oder
Zeitschriften gewerbemässig [sic] Aufsätze oder kleinere Beiträge liefert oder bear-
beitet. Es würden also hierher gehören: Redakteure; Korrespondenten; ständige Mit-
arbeiter eines oder mehrerer Blätter; freie Schriftsteller, die nach Lage des Falls die-
sem oder jenem Blatt Artikel aktuellen Inhalts senden; Reporter; Rechercheure
u. s. w.“
UB1 Journalist im weiteren Sinne BM1 Liefert gewerbemäßig Aufsätze oder klei-
nere Beiträge an Zeitungen oder Zeitschriften oder bearbeitet sie.
OB1 Gewerbe.
Wrede (ebd.) spezifiziert, eine Tätigkeit müsse eine „wenn auch nicht umfang-
reiche, so doch nicht nur sporadische“ sein, um sie als „journalistisch“ bezeich-
nen zu können. Er nennt dies „subjektive Merkmale“ des Begriffs von Journa-
list. Den Begriffsinhalt des heutigen Begriffs von Aktualität fasst Wrede noch
ohne Einwortbenennung mit „Aus der Zeit für die Zeit“, ohne anzugeben, wen er
an dieser Stelle zitiert. An Begriffsmerkmalen ist festzuhalten:
UB1 Journalist im weiteren Sinne BM3 Ist mehr als nur sporadisch tätig.
UB1 Journalist im weiteren Sinne BM4 Schreibt aus der Zeit für die Zeit.
Anschließend bestimmt Wrede (ebd.: 3-4) seinen zweiten Unterbegriff von Jour-
nalist:
„J o u r n a l i s t (im engere Sinne) ist ein Tageszeitungsschreiber, der aber nicht zum
Redaktionsstabe einer Zeitung gehört, also auch für mehrere Zeitungen thätig [sic]
sein kann. Diese freien Arbeiter (im volkswirtschaftlichen Sinne, nicht im intellek-
tuellen oder ethischen, ist dieser Ausdruck gebraucht) sind wohl von den Gelegen-
heits-Journalisten zu trennen. […] aus allgemeinen volkswirtschaftlichen und jour-
nalistischen Standesinteressen ist zu wünschen, dass die ‚freien Arbeiter‘ auch dau-
ernde günstige Dienstverträge abschließen.“
Dieser Unterbegriff „Journalist im engeren Sinne“ ist leicht erkennbar ein Syno-
nym für Freier Journalist im heutigen Begriff, und dies bis hin zu berufspoliti-
schen Fragen der sozialen Absicherung und arbeitsrechtlichen Positionierung.
Als Begriffsmerkmale erscheinen:
3.2 Kontextuelle Grundbegriffe zu Hochschule und Journalismus 99
„P u b l i c i s t , ein Wort, das in neuerer Zeit bisweilen für Journalist gebraucht wird,
ist ein Journalist oder Schriftsteller, der sich besonders mit politischen Tagesfragen
beschäftigt.“
Auch wenn der Publicist als Unterbegriff von Schriftsteller betrachtet wird, kann
er ein Unterbegriff von Journalist sein, denn in Wredes Ausgangsdefinition von
Journalist im weiteren Sinne sind Schriftsteller ausdrücklich genannt.
Jeder dieser hier durch Sperrung erkennbaren Unterbegriffe von Journalist stellt
sich bei Wrede, auch wenn er dies nicht explizit sagt, als ein gesonderter Beruf
dar, nicht als eine spezialisierte journalistische Tätigkeit.
Die Definitionen von Wrede lohnen diese ausführliche Wiedergabe, weil sie
weiterhin in größten Teilen begrifflich sehr klar und aktuell zutreffen. Es handelt
sich um Begriffsbestimmungen des Kontextes von Journalistenausbildung aus
dem Journalismus: von einem Journalisten, der offensichtlich aus seinem juristi-
schen Studium geschult war, in scharf voneinander abgegrenzten und damit
präzisen Begriffen zu denken. Die Bestimmungen sind aber vor allem auch des-
halb bemerkenswert, weil sie sowohl für Journalismuswissenschaftler als auch
für Journalisten nachvollziehbar sind und damit die Grundvoraussetzung einer
Verständigung zwischen Journalismus und Journalistik erfüllen. Zur Aktualisie-
rung bedarf es lediglich der Umbenennung von Journalist im engeren Sinne in
Freier Journalist und der Streichung des nicht mehr immer gültigen Merkmals
von Reporter, dieser gehöre der Redaktion meist nicht an. Die Eingrenzung auf
Zeitungen und Zeitschriften war seinerzeit keine wirkliche Beschränkung, weil
es noch keinen Rundfunk und keine Online-Medien gab. Zeitung und Zeitschrift
bei Wrede können deshalb heute als Quasisynonyme zu Massenmedium gelesen
werden. Auch sind seitdem weitere Unterbegriffe in den Begriffsumfang von
Journalist eingegangen, zum Beispiel Online-Redakteur oder Dokumentarfilmer.
Die aktuelle Journalistik bestimmt Journalismus auf dreierlei Weise: als ein
gesellschaftliches System, als einen Beruf mit einer Aufgabe oder als beides
zusammen.
Wird Journalismus als ein System verstanden, erschließt er sich aus seiner Funk-
tion. Siegfried Weischenberg (in Weischenberg et al. 2005: 134) formuliert drei
Dimensionen eines systemtheoretisch verstandenen Journalismus:
3.2 Kontextuelle Grundbegriffe zu Hochschule und Journalismus 101
„Der Journalismus erfüllt so insgesamt die Funktion der Synchronisation der Teil-
systeme in der modernen, ausdifferenzierten Gesellschaft (zeitliche Dimension), die
der Thematisierung gesellschaftlicher Kommunikation (sachliche Dimension), und
trägt wesentlich zur Selbstbeobachtung und auch Selbstverständigung von Gesell-
schaft bei (soziale Dimension).“
Weischenberg, Malik und Scholl (2006: 31) sehen die Funktion journalistischer
Medien in einer anderen Formulierung darin, dass sie „aktuelle, auf Tatsachen
bezogene und (für ein spezifisches Publikum) relevante Ereignisse und Entwick-
lungen beschreiben und der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen“. Unter Journa-
listen verstehen die Autoren (ebd.)
Die Taxierung auf gerade die Hälfte des Einkommens oder der Arbeitszeit mag
zwar willkürlich erscheinen, ist aber der Notwendigkeit geschuldet, für die empi-
rische Erfassung der Journalisten in Deutschland die zu erforschende Gruppe zu
definieren. Die Autoren (ebd.) merken an:
Für alle Journalisten – auch den nicht zur „Profession“ gehörenden – erscheint
als Begriffsmerkmal:
BM1 Journalist Die Tätigkeiten sind unmittelbar mit der Herstellung des redaktio-
nellen Produkts verbunden.
Aus der begrifflichen Verknüpfung von Journalist mit dem redaktionellen Pro-
dukt von Journalismus ist ableitbar:
BM2 Journalist Beschreibt aktuelle, auf Tatsachen bezogene und für ein spezifi-
sches Publikum relevante Ereignisse und Entwicklungen und stellt diese der Öffent-
lichkeit zur Verfügung.
102 3 Hochschulgebundene Journalistenausbildung
UB4 Hauptberuflicher Journalist Bezieht mehr als die Hälfte des Einkommens
aus journalistischer Arbeit oder ist mehr als die Hälfte der Arbeitszeit für journalisti-
sche Medien tätig.
„Der Begriff Journalist als Letztbezug für Journalismen mag unter Artenschutz ge-
stellt werden. Als Begriff ist er ebensowenig wissenschaftsfähig wie Journaille,
Edelfeder, Alphajournalist, Bürgerjournalist oder Heldenjournalist.“
Die Ablehnung ist durchaus plausibel für (vgl. ebd.: 144 ff.) einen mit dem binä-
ren Code System/Mitwelt operierenden Wissenschaftler, der im Rahmen dieses in
sich schlüssigen Paradigmas Journalismen (ebd.: 228) erklärt:
Horst Pöttker (2008: 63) dagegen begreift Journalismus gerade nicht als ein
System, sondern sehr wohl als einen Beruf:
„[…] zum Teil im Sinne des Handlungstheoretikers Max Weber, der darunter ein
Bündel von Fähigkeiten verstand, das seinen Inhabern die Chance auf einen kontinu-
ierlichen Lebensunterhalt eröffnet […]; darüber hinaus der Vorstellung folgend, dass
104 3 Hochschulgebundene Journalistenausbildung
diese Fähigkeiten und die darauf gestützten Handlungsweisen nicht nur dem Brot-
erwerb dienen, sondern auch einer Aufgabe, die zu erfüllen für die Gesellschaft und
jedes ihrer Mitglieder wichtig ist.“
Bei Weber selbst konstituiert sich ein Beruf also aus „tatsächlich“ erbrachten
Leistungen, nicht allein schon aus der Fähigkeit, diese zu erbringen.
Die Fassung von Beruf als einen Unterbegriff von Fähigkeiten – nicht von
Leistungen – findet sich allerdings, und auch dort mit deutlichem Anklang an We-
ber, nicht nur bei Pöttker, sondern auch bei anderen Vertretern der neueren Berufs-
soziologe. Ulrich Beck, Michael Brater und Hansjürgen Daheim (1980: 19) fassen
in ihrer Soziologie der Arbeit und Berufe die Berufe als „komplexe, institutionali-
sierte Bündelungen der marktrelevanten Arbeitsfähigkeiten von Personen“. Die
Autoren (ebd.: 20) definieren Berufe, fast 60 Jahre nach Max Weber als:
32 Pöttker zitiert die 5. Auflage (Weber 1972), die unter dem Titel „Wirtschaft und Gesellschaft.
Grundriß der verstehenden Soziologie“ erschienen ist. Der Titel der Originalausgabe (1922), aus
der ich hier zitiere und auch die Sperrung übernehme, lautet: Grundriß der Sozialökonomik. III.
Abteilung. Wirtschaft und Gesellschaft. Die zitierte Textstelle ist in beiden Ausgaben identisch.
3.2 Kontextuelle Grundbegriffe zu Hochschule und Journalismus 105
Wie aber steht es um Personen, die kraft ihrer Fähigkeiten die Erwerbschance
nutzen könnten, es aber nicht tun? Sind auch solche Menschen Journalist von
Beruf, die eine zu journalistischen Leistungen befähigende Ausbildung abge-
schlossen haben, aber in Public Relations, der Lehre oder ganz anderen Berufs-
feldern arbeiten? Und bleiben auch solche Personen Angehörige des Berufs
Journalist, die einmal Leistungen im Journalismus erbracht haben, aber jetzt in
anderen Berufsfeldern arbeiten?
Weischenberg (2005: 133) begreift Journalismus als eine „soziale Konstruk-
tion“, die „bestimmte benötigte Leistungen erbringen kann“. Durch das Wort
„kann“ scheint auch hier offen zu bleiben, ob schon das Merkmal der Möglich-
keit, journalistische Leistungen zu erbringen, einen Menschen zum Journalisten
macht. Entsprechend Weischenbergs oben dargelegtem Verständnis sind sie aber
erst dann hauptberufliche Journalisten, spezifiziert als Angehörige der Professi-
on, wenn sie mit Journalismus mehr als die Hälfte ihres Einkommens erwirt-
schaften oder mehr als die Hälfte ihrer Arbeitszeit dafür aufwenden, tatsächlich
journalistische Leistung zu erbringen.
Die Berufssoziologie hat diese Problematik erkannt, hält aber keine Lösung
bereit. Ihr Vertreter G. Günter Voß (2001: 287) stellt fest:
Die Soziologie bietet hier aber als Begriffsinhalt von Beruf neben den bereits
diskutierten Fähigkeiten und tatsächlich erbrachten Leistungen eine dritte Option
an, nämlich die Kombination von Fähigkeiten und Tätigkeiten durch das Wort
„auch“. Unterstellt man, dass beim Tätigsein im Journalismus etwas geleistet
wird, könnte der Journalistenberuf –in einer Verbindung der Weber’schen Defi-
nition mit Voß’ Anmerkung – als Kombination von auf den Journalismus spezia-
lisierten Arbeitsfähigkeiten und tatsächlich erbrachten journalistischen Leistun-
gen konstruiert werden. Da tatsächliche Leistungen im Journalismus aber ohne
Fähigkeiten unmöglich sind, also deren Vorhandensein stets implizieren, komme
ich wieder bei Max Weber an, der Beruf als „Spezifizierung, Spezialisierung und
106 3 Hochschulgebundene Journalistenausbildung
Kombination, von Leistungen“ definiert. Ich verstehe Fähigkeiten dabei als die
Voraussetzung für tatsächlich erbrachte Leistungen und damit als einen Teil des
Begriffsumfangs von Leistungen und damit deren Oberbegriff.
Dass erst das Begriffsmerkmal tatsächliche Leistung im Journalismus den
Journalistenberuf konstituieren kann, wird implizit auch bei Pöttker (2010: 115)
sehr deutlich, wenn er den „elementaren Imperativ für das journalistische Han-
deln“ benennt, nämlich mit: „Publiziere!“ Auch zur klaren Abgrenzung des
Journalismus von anderen Berufen wie Public Relations entscheide ich mich
dafür, unter Berufsjournalisten nur solche Personen zu verstehen, die journalisti-
sche Leistungen tatsächlich erbringen. Damit ist noch nichts über Ausbildung
gesagt: Es gibt Journalisten, die intuitiv oder aus Erfahrung Leistungen oder
Teilleistungen erbringen, ohne dies in einer Ausbildung erlernt zu haben.33
Jenen Personen, die alle Fähigkeiten besitzen, journalistische Leistungen zu
erbringen, dies aber nicht tun, spreche ich nicht ab, ihre individuelle Identität auch
damit zu begründen, Journalistin oder Journalist zu sein. Mit der Identität bewege
ich mich jedoch terminologisch in der Fachsprache der Psychologie, nicht aber der
sozialwissenschaftlich operierenden Journalistik. Beck/Brater/Daheim (1980: 20)
unterscheiden als Soziologen zwischen „der persönlichen Bedeutung und der ge-
sellschaftlichen Funktion der Berufe“. Im Kontext der vorliegenden Arbeit sind mit
Journalisten nur solche Personen gemeint, welche im Sinne Pöttkers die gesell-
schaftlichen Aufgaben des Journalismus erfüllen oder, gemäß Weischenbergs
systemtheoretischer Perspektive, ihre Funktion der Zuständigkeit im Sinn- und
Handlungszusammenhang des Journalismus wahrnehmen, also tatsächlich als
Journalisten arbeiten.
In einem entscheidenden Punkt ist Pöttkers Begriff von Journalismus als
Beruf deutlich weiter gefasst als der von Weischenberg/Malik/Scholl oder
Beck/Brater/Daheim. Letztere verlangen zur Benennung einer Person mit Jour-
nalist, dass diese von journalistischen Medien beschäftigt wird beziehungsweise
dass sie „gegen Bezahlung in fremdbestimmten, kooperativ-betrieblich organi-
sierten Arbeits- und Produktionszusammenhängen“ arbeitet. Mit diesem Be-
griffsmerkmal wären Journalisten ausgeschlossen, die direkt ans Publikum
kommunizieren, ohne den Weg über die Beschäftigung bei Medien zu gehen,
und die damit ihren Lebensunterhalt bestreiten. Solche Konstruktionen blieben in
früheren Zeiten sehr begrenzt, beispielsweise auf das Publizieren von Flugblät-
tern, wobei das Begriffsmerkmal, damit eine Chance auf das Bestreiten des Le-
benserwerbs zu finden, höchst selten erfüllt gewesen sein dürfte. Durch das In-
ternet aber ist Journalismus ohne Beschäftigungsverhältnis in großem Stil mög-
33 Dazu zähle ich mich selbst mit meiner Pressefotografie, die anzufertigen ich niemals unter
Anleitung erlernt habe, die aber von Redaktionen vielfach der Veröffentlichung wert befunden
wurde.
3.2 Kontextuelle Grundbegriffe zu Hochschule und Journalismus 107
“Opinion and information become journalism only when they are circulated among a
public.”
Als wichtigstes Merkmal für den Begriff Journalist erscheint hier, was bis zum
Aufkommen des Internet selbstverständlich gewesen war und deshalb nicht ge-
sehen werden konnte:
Im Begriff Webers und Pöttkers von einem Beruf wären Personen, die sich ihr
Publikum in Internet selbst suchen und damit eine Chance haben, ihren Lebensun-
terhalt zu bestreiten oder es womöglich sogar tun, in aller Regel als Journalist
einzuordnen, solange sie die Aufgaben des Journalismus erfüllen. Das Vorhanden-
sein des Internet als Mittel, ohne Beschäftigung bei Medien journalistisch tätig zu
sein und damit Geld zu verdienen, lässt mich entscheiden, mir das engere Ver-
108 3 Hochschulgebundene Journalistenausbildung
Pöttker greift mit „Herstellen von Öffentlichkeit“ eine Formulierung auf, die bis
in die Anfänge von Journalistenausbildung heutiger Prägung an deutschen Uni-
versitäten zurückverfolgbar ist. So definierte der Münchener Modellversuch
Berufsbezogener Studiengang im Bereich Kommunikationswissenschaft, aus dem
die späteren Journalistik-Studiengänge an der Universität München hervorgin-
gen, unter dem Stichwort „Berufssituation“, auf die hin ausgebildet werden soll-
te, wenn auch ohne die Verwendung des Wortes „Aufgabe“ (Blaes/Gallenkamp
1978: 163):
3.2 Kontextuelle Grundbegriffe zu Hochschule und Journalismus 109
„Journalistinnen und Journalisten haben die Aufgabe, Sachverhalte oder Vorgänge öf-
fentlich zu machen, deren Kenntnis für die Gesellschaft von allgemeiner, politischer,
wirtschaftlicher oder kultureller Bedeutung ist. Durch ein umfassendes Informations-
angebot in allen publizistischen Medien schaffen Journalistinnen und Journalisten die
Grundlage dafür, dass jede/r die in der Gesellschaft wirkenden Kräfte erkennen und am
Prozess der politischen Meinungs- und Willensbildung teilnehmen kann. Dies sind Vo-
raussetzungen für das Funktionieren des demokratischen Staates.“
„Sie erfüllen eine demokratiepolitisch wichtige Aufgabe, indem sie nicht nur Öffent-
lichkeit über gesellschaftlich relevante Vorgänge in Politik, Wirtschaft und Kultur
herstellen, sondern vor allem auch Kritik- und Kontrollaufgaben wahrnehmen, in-
dem sie auf die Wahrung rechtsstaatlicher Prinzipien bei Gesetzgebung (Legislati-
ve), Gesetzesvollzug (Exekutive) und Rechtsprechung (Judikative) sorgfältig achten.
Gleichwohl stellen Medien und Journalismus keine ‚Vierte Gewalt‘ dar; weder sieht
dies die deutsche Verfassung vor, noch verfügt die Mehrheit der Journalisten auch
nur annähernd über die dazu erforderliche Kompetenz und Qualifikation.“
Die Kritik- und Kontrollaufgabe der Massenmedien wird von Pürer durch die
Hervorhebung „vor allem“ ranglich über der Aufgabe positioniert, Öffentlichkeit
herzustellen. Was als zwei unterschiedlich bewertete Aufgaben des Journalismus
110 3 Hochschulgebundene Journalistenausbildung
erscheint, ist terminologisch beides subsumierbar unter dem Oberbegriff der von
Pöttker formulierten Aufgabe, Öffentlichkeit herzustellen. Medien und Journalis-
ten können nämlich nur kontrollieren und kritisieren, indem sie Öffentlichkeit
herstellen. Kritik und Kontrolle sind damit Unterbegriffe zu Öffentlichkeit her-
stellen. Auch in diesem Verständnis folge ich also weiter Pöttkers prägnanterer
Formulierung, die konstitutive Aufgabe des Journalismus sei es, Öffentlichkeit
herzustellen.
Die Differenzierung zwischen systemtheoretischer Funktion und handlungs-
theoretischer Aufgabe des Journalismus ist sicherlich in bestimmten Kontexten
analytisch sinnvoll. Spätestens auf der gesetzgeberisch-demokratietheoretischen
Ebene aber löst sie sich auf. Folglich bezeichnet Klaus Arnold (vgl. 2009: 187) die
„Informations-, Artikulier- und Kritikfunktion“, wie sie ihm zufolge Wildenmann
und Kaltefleiter 1965 formuliert haben, als eine allgemeine „Aufgabenbestim-
mung“ der Medien und verschmelzt damit die Begriffe Funktion und Aufgabe.
Vorschlag: Journalismus als das System, Journalist als der Beruf oder die
Person
Im Verständnis der vorliegenden Arbeit von Journalist als Beruf erbringen Jour-
nalist und Journalistin als ihm angehörende Personen sämtliche dieser Leistun-
gen im Journalismus als dem System, in dem dies geschieht. Dabei erfüllen sie
sämtliche gesammelten Begriffsmerkmale von Journalist.
Dass der systemtheoretische Ansatz und die Fassung des Journalismus als
Beruf sich gegenseitig nicht ausschließen, sondern vielmehr einander ergänzen,
zeigt deutlich das Wirken Siegfried Weischenbergs – eines exponierten Vertre-
ters systemtheoretischer Journalistik. In einem gemeinsam mit Steffen Burkhardt
verfassten englischsprachigen Papier (Weischenberg/Burkhardt 2010b) für den
World Journalism Congress in Südafrika im Jahr 2010 bringen die Autoren Ar-
gumente vor, Max Webers Programm für Journalismusforschung vom Deutschen
Soziologentag aus dem Jahr 1910, auf den ich im Unterkapitel 3.3.1 noch einge-
hen werde, auf den heutigen Journalismus zu beziehen. Im selben Arbeitspapier
(ebd.: 3) heißt es als Hinleitung zur westdeutschen Journalistik moderner Prä-
gung in den späten 1960er-Jahren: “Eventually journalism was considered a
profession that journalists can learn and train and which is not a natural gift.” Die
Begriffe Beruf und Profession sollten auch hier terminologisch nicht synonym
gesetzt werden, und profession nicht äquivalent zu Profession. Wie ich aber im
nachfolgenden Kapitel 3.2.4 aufzeigen werde, ist im Begriff von Profession stets
der Beruf enthalten, denn Beruf ist der Oberbegriff von Profession.
112 3 Hochschulgebundene Journalistenausbildung
Der Aufbau universitärer Journalistik ist als ein Versuch interpretierbar, den
Beruf Journalist als Profession oder zumindest als professionell zu etablieren, und
hat damit von Anfang an immer auch den Beruf Journalist als den Oberbegriff im
Fokus. Die Journalistik untersucht zugleich, ebenfalls von Anfang an, das System
Journalismus. Die deutsche Journalistik bildet erfolgreich für den Journalistenbe-
ruf aus und erforscht ebenso erfolgreich das System des Journalismus.
Ich entscheide mich im vorliegenden Kontext von Journalistenausbildung da-
für, Handlungstheorie und Systemtheorie zusammenzuführen: Pöttker folge ich
darin, Journalist als den Beruf zu sehen, der die Aufgabe hat, Öffentlichkeit herzu-
stellen. Hinzu füge ich die Unterscheidung, dass Journalist oder Journalistin auch
die Bezeichnung eines anderen Begriffs ist: für die Angehörigen dieses Berufs, die
dessen Leistung erbringen. Das Herstellen geschieht in den Systemen Journalismus
und Massenmedien. Diese Systeme haben die Funktion, Öffentlichkeit herzustellen
oder zu repräsentieren, während der Beruf dies zu seiner Aufgabe macht.
In meinem vorgeschlagenen Begriffsplan vom Lerngeschehen steht Journa-
lismus für die Berufswelt von Journalist, die auch als das System Journalismus
verstanden werden darf – ganz gleich, ob nun real oder in Simulation an der Hoch-
schule.
Ich hoffe, mit meinem Vorschlag der Unterscheidung zwischen Journalist
als Beruf und Journalismus als System die Kluft zwischen den Zwei Kulturen
überbrücken zu helfen. Die Systemtheorie operiert mit einem umfangreichen
Begriffssystem, das nicht soziologisch vorgebildeten Journalisten allzu leicht
fremd bleibt. Um es systemtheoretisch auszudrücken: Die Systemtheorie nach
Luhmann ist wegen der hohen Anforderungen an ihr Verständnis wenig geeig-
net, die strukturelle Kopplung zwischen den Systemen Journalismus und Journa-
listik herzustellen, derer hochschulgebundene Journalistenausbildung und Jour-
nalismus so dringend bedürfen.
Der vorgeschlagene Begriffsplan auf der Basis des Begriffssystems Pra-
xis/Techne/Theorie für das Lerngeschehen in Journalistenausbildung und die Über-
tragung auf das Berufsgeschehen im Journalismus erlauben aber eine Verständi-
gung zwischen den Zwei Kulturen auch mit einer gemeinsprachlichen Vorstellung
vom enthaltenen Begriff von System: im Sinne eines irgendwie regelhaft ablaufen-
den Zusammenspiels von Dingen und Beziehungen.34 Vor allem aber ist der Be-
griffsplan kompatibel mit dem Selbstverständnis vieler Journalisten.
Systemtheoretisches Denken in seinen streng wissenschaftlichen Formen
hingegen, das die Funktionen der Massenmedien anstelle von Aufgaben des
Journalismus in den Mittelpunkt stellt, hat in dem Begriffssystem unter derselben
34 Das Fremdwörterbuch der Dudenredaktion (2005: 1015) formuliert ein solches gemeinsprach-
liches Verständnis als eine von mehreren Begriffsbestimmungen: „Prinzip, Ordnung, nach der et-
was organisiert od[er] aufgebaut wird.“
3.2 Kontextuelle Grundbegriffe zu Hochschule und Journalismus 113
3.2.4 Profession
Profession ist ein Unterbegriff von Beruf, der in der Journalistik beispielsweise
wie oben bei Weischenberg erscheint oder im Titel (Eberwein/Müller 2010)
Journalismus und Öffentlichkeit. Eine Profession und ihr Auftrag aus der Fest-
schrift für Horst Pöttker zum 65. Geburtstag. Mein Ansatz, Journalist als Beruf
zu sehen, macht es für mich verzichtbar, den sehr viel komplexeren Begriff der
Profession ausführlich zu bestimmen. Damit ist meine Grundpositionierung
vollzogen. Zur Einordnung des Begriffs von der Profession in den Kontext hoch-
schulgebundener Journalistenausbildung ist nur ein Hinweis auf die Begriffshis-
torie hinzuzufügen.
Die Journalistik führte in den 1970er-Jahren eine Diskussion um die Profes-
sionalisierung des Journalismus mithilfe von Ausbildung. Wolfgang Donsbach
(1978: 109) formulierte damals als „Minimalkonsens“ der berufssoziologischen
Diskussion über Professionen die Merkmale, dass diese
Kairat und Dietrich Rüschemeyer ableitete, keine Profession sein. Zum einen
garantiert der Artikel 5 des Grundgesetzes den freien Berufszugang zum Journa-
lismus, sodass die geforderte systematische Berufsausbildung nicht verpflichtend
sein darf und eine Monopolisierung der Berufsausübung ausgeschlossen ist. Zum
anderen muss gerade im Journalismus die Laienkritik erlaubt sein: Die Aufgabe,
Öffentlichkeit herzustellen, muss dem Urteil derer ausgesetzt sein dürfen, für
deren Belange der Journalismus Öffentlichkeit herstellt oder nicht herstellt, sie
angemessen oder unangemessen herstellt.
In den USA bezeichnet der Journalismus sich selbst mit größter Selbstver-
ständlichkeit als profession; das Adjektiv professional drückt dort nicht etwa
eine Orientierung an der Professionssoziologie aus, sondern schlicht den An-
spruch, gemäß den Vorstellungen der journalistischen Berufswelt zu arbeiten.
Profession ist dabei nicht das übersetzerische Äquivalent zu Beruf. Im Engli-
schen ebenso möglich und der deutschen Benennung Beruf näherliegend ist vo-
cation, wie es im Sinne von Berufsausbildung etwa im Titel des Fachjournals
Journal of Vocational Education and Training35 vorkommt. Wenn der US-
amerikanische Journalismus sich als profession darstellt, dann signalisiert er
damit vor allem Selbstbewusstsein, nicht aber eine Selbstbeschreibung in einem
soziologischen oder auf andere Weise wissenschaftlich bestimmten Begriff.
Meine Feststellung, der Journalismus könne nach den soziologischen Be-
griffsmerkmalen der 1970-Jahre keine Profession sein, wirft die Frage auf, ob
dies mittlerweile nicht doch der Fall sei. Die genannten Ausschluss-Begriffs-
merkmale gelten auch für den Journalismus von heute noch. Allerdings haben
sich die Vorstellungen der Berufssoziologie von der Profession in vier Jahrzehn-
ten weiterentwickelt. Dies sehe ich bisher in der Journalistik kaum wahrgenom-
men. Die Entwicklung hier nachzuzeichnen würde den Rahmen der vorliegenden
Arbeit sprengen. Dies ist aber hier auch nicht nötig, denn der Berufssoziologe
Thomas Kurtz (2002) hat eine Synopse des Forschungsstands publiziert. Seine
Arbeit liegt zwar auch schon wieder ein gutes Jahrzehnt zurück, gibt aber mit
dieser Einschränkung einen guten Überblick.
Kurtz (ebd.: 49-57) differenziert den Begriff von Profession in fünf theore-
tische Ansätze aus, die terminologisch als Unterbegriffe zu werten sind. Die fünf
Ansätze folgen dem Strukturfunktionalismus, Symbolischen Interaktionismus,
Machttheoretischen Ansatz, Strukturtheoretischen Ansatz und der Systemtheorie.
Die spezifischen Begriffsmerkmale für jeden der Unterbegriffe herauszuar-
beiten und auf den Journalismus zu beziehen kann und muss ich in meinem Kon-
text nicht leisten, denn mir genügt es, den Journalismus als Beruf zu fassen. Es
soll genügen aufzuzeigen, dass der Forschungsstand der 1970er-Jahre überholt
ist. Feststellen kann ich, dass die Angabe des gewählten theoretischen Zugangs
3.2.5 Professionalität
Obwohl der Journalismus in seiner ganzen Breite nur bei speziell ausgewiesenen
theoretischen Zugängen oder in amerikanisch-robuster Selbstzuschreibung eine
Profession ist, kann der Beruf durchaus Professionalität zeigen: als eine Eigen-
schaft in der Person des Journalisten und in der Arbeit der journalistischen Insti-
tution sowie abstrahierend als Begriffsmerkmal von Journalist. Horst Pöttker
(2008: 70) formuliert im Hinblick auf Journalismus:
„Professionalität bedeutet konkret, sich der Aufgabe seines Berufs bewusst zu sein
und die Regeln zu befolgen, die sich im Hinblick auf diese besondere Aufgabe ent-
wickelt haben. Regeln, die nur für diesen Beruf gelten und ihn von seiner sozialen
Umwelt abgrenzen.“
„Wer will sich auch noch auskennen zwischen Pro-, Über-, Ent-, De-, Durch- und
Re-professionalisierung, zwischen Prä-, Para-, Semi-, Halb-, Pseudo-, Schein- und
Exprofessionellen?“
Ein spezielles Verständnis von Professionalität entwirft der Medizin- und Pro-
fessionssoziologe Eliot Freidson (vgl. 2001: 1-2) mit professionalism als einer
von drei Formen möglicher Organisation von Arbeit: Die erste idealtypische
Form folgt den Marktkräften von Angebot und Nachfrage. Gut informierte Kun-
den kaufen zum niedrigstmöglichen, Anbieter verkaufen zum höchstmöglichen
Preis. Die Produktionskosten definieren den Wert des Angebotenen. Die zweite
Organisationsform wird von einer Verwaltung oder großen Organisation kontrol-
liert, wozu auch Unternehmen zählen können. Ein ausführliches Regelwerk be-
stimmt die Qualifikationen derer, die beschäftigt werden, um unterschiedliche
Arbeiten zu erledigen. Effektive Planung sowie die Beaufsichtigung der Arbeiten
standardisieren die Produktion so, dass Konsumenten mit zuverlässigen Produk-
ten zu vertretbaren Kosten rechnen können. Die wichtigsten Ziele sind Bere-
chenbarkeit und Effizienz.
Leicht erkennbar beschreibt Freidson hier – auch wenn er diese Benennun-
gen oder ihre englischsprachigen Äquivalente zumindest an dieser Stelle nicht
verwendet – Marktwirtschaft und Planwirtschaft. Dem dritten Idealtypus gibt er
den Namen: professionalism.
Die professionals als Vertreter dieser Organisationsform besitzen, weiter
Freidson (vgl. ebd.) zufolge, ein spezialisiertes knowledge, das es ihnen erlaubt,
besonders wichtige Dienstleistungen zu erbringen. Sie haben die Macht, ihre
eigene Arbeit selbst zu organisieren und zu kontrollieren. Per Gesetz dürfen nur
sie die betreffenden Dienstleistungen erbringen. Die im Sinne des professiona-
lism Arbeitenden müssen ihre Arbeit nur von Kollegen beaufsichtigen oder kor-
rigieren lassen. Sie werden aber ihre exklusiven Rechte nicht missbrauchen, denn
ihnen geht es mehr darum, zur eigenen Genugtuung gute Arbeit im Dienste ande-
rer zu leisten, als darum, ihr Einkommen zu maximieren. Ihre Kunden und Ar-
beitgeber können mit Arbeit hoher Qualität zu vertretbaren Kosten rechnen.
Freidson (vgl. ebd.: 2) unterstreicht, dass es sich bei diesen Idealtypen um
“pipe-dreams, of course” handelt, um Konstruktionen, die es in Reinform real
nicht geben kann. Der Markt kenne auch Betrug, planwirtschaftliche Organisati-
36 Pfadenhauer nennt als Quelle: Terhart, Ewald (1990): Professionen in Organisationen. Institutio-
nelle Bedingungen der Entwicklung von Professionswissen. In: Alisch, Lutz-Michael/Baumert,
Jürgen/Beck, Klaus, Hg.: Professionswissen und Professionalisierung. Braunschweig: 152.
3.2 Kontextuelle Grundbegriffe zu Hochschule und Journalismus 117
„Zum Gegenstand selbständiger und stabiler Berufe werden nur Leistungen, welche
ein Mindestmaß von Schulung voraussetzen und für welche kontinuierliche Erwerb-
schancen bestehen.“
Schulung ist ein kaum noch verwendeter Oberbegriff der heutigen Benennungen
Ausbildung und Weiterbildung.
Mit Ausbildung meine ich berufliche Erstausbildung. Darin folge ich dem
Berufssoziologen Thomas Kurtz (2005: 53). Diese und die Weiterbildung lokali-
siert er „in Berufsschulen, Betrieben und Hochschulen“.
Martin Löffelholz und Marcus Kieppe (1990: 111) gehörten zu den wenigen
Autoren in der Kommunikationswissenschaft, die eine Begriffsbestimmung vor-
nehmen, anstatt Ausbildung und Weiterbildung so zu verwenden, als handele es
sich um begriffliche Selbstverständlichkeiten. Sie stützten sich auf eine Definiti-
on von Weiterbildung (zitiert in ebd.) des Bundesministers für Bildung und Wis-
senschaft aus dem Jahr 1984 als „[…] alle Formen der Fortsetzung und Wieder-
aufnahme organisierten Lernens nach Abschluß einer unterschiedlich ausgedehn-
ten ersten Bildungsphase […]“. In einer Fußnote (vgl. ebd.) weisen sie darauf
hin, dass sich schon in der damaligen politischen und wissenschaftlichen Diskus-
sion Weiterbildung als „Oberbegriff“ gegenüber der früher üblichen Fortbildung
durchgesetzt hat. Dabei verweisen sie auf eine über die Journalistik hinauswei-
sende Fachliteratur zur beruflichen Weiterbildung. Dies ist eine der sehr seltenen
Wahrnehmungen der neueren allgemeinen Berufsforschung in der Journalistik.
„Oberbegriff“ sollte hier aber nicht als terminologischer Begriff missverstanden
werden, sondern als ein Quasisynonym zu Synonym.
Die zitierte Definition von Weiterbildung und deren Synonym erste Bil-
dungsphase für Ausbildung lässt sich indes noch 14 Jahre weiter zurückverfolgen
auf einen Urtext deutscher Bildungsreform, nämlich den Strukturplan für das
Bildungswesen der Bildungskommission des Deutschen Bildungsrats (1970:
197). Dort heißt es:
terbildung ist in der Regel durch den Eintritt in die volle Erwerbstätigkeit gekenn-
zeichnet; dabei ist die Hausfrau dem Personenkreis der Erwerbstätigen zuzuordnen.
Die Grenzen zwischen erster Bildungsphase und Weiterbildung bleiben fließend, ein
Mindestzeitraum der Erwerbstätigkeit als Voraussetzung für die Weiterbildung lässt
sich nicht angeben.“
37 Vgl. http://www.uni-muenchen.de/studium/studienangebot/studiengaenge/studienfaecher/
journalis_/master/index.html, Zugriff am 26. April 2013.
38 Vgl. http://www.uni-leipzig.de/journalistik/index.php?id=394, Zugriff am 26. April 2013.
120 3 Hochschulgebundene Journalistenausbildung
„Lehre und Studium sollen den Studenten auf ein berufliches Tätigkeitsfeld vorbe-
reiten und ihm dafür erforderliche fachliche Kenntnisse, Fähigkeiten und Methoden
zum jeweiligen Studiengang so vermitteln, dass [sic] er zu wissenschaftlicher oder
künstlerischer Arbeit und zu verantwortlichem Handeln in einem freiheitlichen, de-
mokratischen und sozialen Rechtsstaat befähigt wird.“
Der „Vorbereitungsdienst“ ist für staatlich reglementierte Berufe wie Lehrer, Rich-
ter oder Rechtsanwalt leicht identifizierbar als das verpflichtende Referendariat.
Trotz der neuerdings geforderten „Berufsqualifizierung“ ist es durchaus im Sinne
des HRG, wenn ein Journalistik-Studium lediglich zum Antritt eines Volontariats
als Ausbildung qualifiziert, nicht schon zum Journalistenberuf. Doch bereits die
gesetzliche Vorgabe, der Vorbereitungsdienst sei (ebd.) „mit den übrigen Teilen
des Studiums inhaltlich und zeitlich abzustimmen und nach Möglichkeit in den
Studiengang einzuordnen“, ist mit einem regulären Volontariat nicht mehr zu erfül-
len, denn kein Volontariatsgeber kann seine Ausbildung mit einer Vielzahl unter-
schiedlicher Curricula diverser Journalistik-Studiengänge abstimmen.
Was mit Ausbildung und Weiterbildung speziell in der Journalistik inhaltlich
gemeint ist, findet sich in der bereits zitierten Formulierung Horst Pöttkers (2010:
108) zur Begriffsbestimmung der Journalistik: „[…] in rationalen Diskursen zu
vermitteln […], wie Journalisten in ihrem Beruf handeln sollen“. Für Klaus-Dieter
3.2 Kontextuelle Grundbegriffe zu Hochschule und Journalismus 121
Altmeppen und Walter Hömberg (2002: 10) handelt es sich bei der Ausbildung in
der Journalistik um „Vermittlung von Qualifikationen“. Diese Vermittlung sei auf
ein „offensichtlich konsentiertes Raster“ gestützt, und zwar sollen die Studierenden
„Qualifikationen in den Bereichen Sach-, Fach- und Vermittlungskompetenz und –
wenn auch weit weniger ausgeprägt – zur sozialen Orientierung erwerben“. Bei
den Kompetenzen verweisen die Autoren wiederum auf Weischenberg et al. Auch
Blöbaum (2000: 15) formuliert sein Verständnis von Ausbildung über Kompeten-
zen, und zwar mit folgendem Ziel für die auszubildenden Journalisten: „Sie müs-
sen mit Kompetenzen ausgestattet werden, die es ihnen ermöglichen, aktuelle und
zukünftige Qualitätsanforderungen zu erfüllen.“
Hier erscheinen als wichtige Begriffe Kompetenz und Qualität. Beide Be-
nennungen werde ich als zentrale Grundbegriffe hochschulgebundener Journalis-
tenausbildung in den Kapiteln 3.4.2 und 3.2.8 untersuchen.
Berufsausbildung ist zu unterscheiden von einer Berufsausbildung. Journa-
listen erwerben die genannten Qualifikationen und Kompetenzen auf unter-
schiedlichsten Wegen. Oftmals haben sie ein Fachstudium absolviert, das ihre
Fachkompetenz begründet, und zusätzlich Praktika oder ein Volontariat zum
Erwerb von Sach- und Vermittlungskompetenz in journalistischen Betrieben
absolviert. Handelt es sich um ein Studium der Kommunikations- oder Medien-
wissenschaft, so besitzen sie Kompetenzen nicht nur im Fachgebiet der technisch
vermittelten Kommunikation sowie in anderen von Sozial- oder Kulturwissen-
schaften erschlossenen Fachgebieten, sondern auch Sachwissen über die Medien,
in denen sie arbeiten, und vielleicht auch speziell über Journalismus. Soziale
Orientierung erwerben sie auf solchen und noch ganz anderen Wegen, beispiels-
weise in freiwilligen sozialen Diensten. Das alles ist Ausbildung, verstanden als
zeitlich begrenzte, der Ausübung eines Journalistenberufs vorgeschaltete Phasen
organisierten Lernens zur Vermittlung von Kompetenzen, Qualifikationen und
sozialer Orientierung, die Journalisten bei der Ausübung ihres Berufs nutzen.
Hochschulgebundene Journalistenausbildung im Sinne der vorliegenden Arbeit
aber trägt auch das abgrenzende Begriffsmerkmal, dass sie spezifisch für und nur
für den Beruf Journalist ausbildet.
Die universitäre Journalistik in Deutschland (vgl. Hömberg 2010: 294) un-
terschied vor der Umstellung im Zuge des Bologna-Prozesses organisatorisch
zwischen dem Ein-Phasen-Modell, auch als Integrationsmodell bezeichnet, und
dem Zwei-Phasen-Modell, das mit Aufbau-Studiengängen arbeitete. Das Zwei-
Phasen-Modell setzte für die Aufnahme des Journalistik-Studiums ein abge-
schlossenes Fachstudium voraus, das als journalistische Vorbildung verstanden
wurde. In diesem Modell hatte die Journalistik keinen Einfluss darauf, wie wel-
ches Sachwissen im Fachstudium vermittelt wurde. Im Integrationsmodell dage-
gen versuchte sie (ebd.), „die verschiedenen Studienelemente und die Praxisaus-
bildung synchron oder in kurzfristiger diachroner Folge zu verbinden“.
122 3 Hochschulgebundene Journalistenausbildung
„Früher hatte Bildung einen Abschluss. Mit dem Abitur oder dem Examen hatte man
die Voraussetzungen für den Beruf erworben, die Rückkehr auf die Schulbank oder
zur Universität bildete die Ausnahme. In der Informationsgesellschaft soll sich die-
ses Paradigma der Ausbildung wandeln in das des lebenslangen Lernens. Schule und
3.2 Kontextuelle Grundbegriffe zu Hochschule und Journalismus 123
Studium bilden dann nur mehr den Anfang einer lebenslangen Bildungskarriere, die
uns immer wieder in die Akademien und Hochschulen zurückbringt, um dort weiter
zu lernen.“
„Folge ist, daß man zukünftig nicht mehr ‚eine‘ fachliche Ausbildung ‚hat‘ (die man
mit vielen anderen teilt), sondern sein je eigenes Berufsprofil ‚machen‘ muß, und
zwar als kontinuierliches Projekt mit unklarem Ausgang. Hinzu kommt die für fast
alle Beschäftigungsgruppen zunehmende Anforderung an zwar immer noch für kon-
krete Arbeitsprozesse nützliche, aber nicht fachspezifische Fähigkeiten, mit der Fol-
ge, daß die Bedeutung der engeren Fachanteile von Arbeitskraft und ihrer Anwen-
dung erheblich revidiert wird.“
Der Autor bietet in einer Fußnote eine Revision der Berufsdefinition Max We-
bers an, die diesen Veränderungen Rechnung trägt. Bei Weber (1922: 80) soll
Beruf, wie bereits mehrfach zitiert, „jene Spezifizierung, Spezialisierung und
Kombination von Leistungen einer Person heißen, welche für sie Grundlage
einer kontinuierlichen Versorgungs- und Erwerbschance ist“. Dabei steht, Voß
(vgl. 2001: 303-305) zufolge, noch die fachliche Seite des Berufs an erster Stelle,
gefolgt von der ökonomischen Funktion. Diese Reihenfolge könnte sich ändern.
Voß (ebd.: 303) schlägt für den Individualberuf des Arbeitskraftunternehmers
eine entsprechende Neuformulierung der Weber’schen Definition vor:
Ich halte diese Revision der Weber’schen Definition nicht für unbedingt erfor-
derlich, sondern den älteren Entwurf weiterhin für ausreichend, um auch heute
124 3 Hochschulgebundene Journalistenausbildung
noch den Beruf Journalist gut zu fassen. Die Anwendung der meines Erachtens
sachlich korrekten Voß’schen Neuformulierung auf den Journalismus zeigt aber
sehr deutlich, dass der Begriff von Ausbildung im alten Sinne, dass sie per se
lebenslang eine Erwerbschance sichere, höchst fragwürdig geworden ist. Auch
eine Ausbildung, ob nun als Volontariat, Besuch einer Journalistenschule oder
Studium absolviert, ist nur noch einer von vielen Bausteinen lebenslangen Ler-
nens. Ausbildung oder eine Ausbildung sind zwar nicht mehr hinreichend für den
Berufserfolg, aber angesichts steigender Anforderungen gewinnen sie an Ge-
wicht als notwendige Voraussetzung für Erwerbschancen. In diesem Paradoxon
lösen sich traditionelle Grenzen zwischen Aus- und Weiterbildung auf.
Bildung
Von Aus- und Weiterbildung zu unterscheiden ist der spezifisch deutsche Begriff
von Bildung. Dieser und seine Benennung finden kein Äquivalent im Englischen
oder Französischen. Dies liegt daran, dass der Begriff mit der deutschen und
österreichischen politischen und kulturellen Geschichte engstens verwoben ist.
Der Siegener Germanist und Kulturwissenschaftler Georg Bollenbeck39 (vgl.
1996) hat die Begriffsgenese in Bildung und Kultur: Glanz und Elend eines deut-
schen Deutungsmusters nachgezeichnet und u. a. die Einbettung in die Kontexte
frühe Aufklärungspädagogik, mystisch-pietistische Tradition, Neuhumanismus
und deutscher Idealismus aufgezeigt. Bollenbeck stellt Wilhelm von Humboldt
als den Repräsentanten des spezifisch deutschen Bildungsideals vor und schildert
die reaktionäre Modernisierung des Begriffs „von oben“ nach dem Scheitern der
bürgerlichen Revolution von 1848. Der damals neue Begriff von Bildung gab,
weiter Bollenbeck folgend, dem Bildungsbürgertum einen Ersatz für die nicht
errungene politische Macht: mit all dem damit einhergehenden Bildungsdünkel.
Diesen hätten die bürgerlichen Eliten in erfolgreich verbürgerlichten Gesell-
schaften, beispielsweise in Frankreich und Großbritannien, nicht nötig zu entwi-
ckeln gehabt, eben weil sie politische Macht errungen hatten. Bollenbeck (vgl.
ebd.) beschreibt auch das Versagen des deutschen Bildungsideals und des ihn
zuvor tragenden Bildungsbürgertums während der nationalsozialistischen Herr-
schaft und seine vorübergehende Reaktivierung in der Nachkriegszeit.
An dieser Stelle können all diese Bezüge nicht im Einzelnen nachgezeichnet
werden. Die für den vorliegenden Kontext wichtige begriffliche Unterscheidung
zwischen deutscher Bildung und Berufsausbildung hat ein führender Vertreter
„Bildung ist ein ganz individueller, sich an und in der Person, am Ende durch diese
vollziehender Vorgang. ‚Ich bilde mich‘, lautet die richtige Beschreibung. Eine
Form, die mir ein anderer aufprägt, macht mich nicht zum Gebildeten, sondern zu
einem Gebilde. Und die Ertüchtigung für eine gesellschaftliche Tätigkeit ist etwas
ganz anderes und heißt Ausbildung.“
3.2.7 Öffentlichkeit
Horst Pöttker (2010: 109, Fußnote 3) begreift Öffentlichkeit als einen „Modus
von Kommunikation“ und nicht als „eine Art von sozialem Gebilde“, wie er das
Begriffsverständnis bei Jürgen Habermas sieht. Die „Überkomplexität“ des deut-
schen Öffentlichkeitsbegriffs führt Pöttker auf Habermas’ einflussreiches Buch
Strukturwandel der Öffentlichkeit aus dem Jahr 1962 zurück. Pöttker (ebd.)
schreibt:
126 3 Hochschulgebundene Journalistenausbildung
„Da nur ein Gebilde, also etwas Substantielles, eine Struktur haben und diese auch
verändern kann, hat der Titel von Habermas’ Buch dazu beigetragen, dass ‚die‘ Öf-
fentlichkeit heute für eine Art soziale Institution gehalten wird.“
Pöttker (ebd.: 110) verfolgt die historische Entwicklung des Begriffs von Öffent-
lichkeit und findet bereits bei Daniel Defoe im England der Jahre 1711/12 „of-
fen“ als entscheidendes Kennzeichen, terminologisch (DIN 2342 2011: 4.2.2) zu
sehen als wesentliches Merkmal von Öffentlichkeit. Dieses Merkmal spezifiziert
Pöttker (2010: 110) mit:
Für Pöttker (vgl. ebd.) ist Öffentlichkeit, als „Modus von Kommunikation“ ver-
standen, nicht etwa eine Institution, „sondern ein Strukturprinzip der gesell-
schaftlichen Kommunikation: das Prinzip ihrer Unbeschränktheit“. Öffentlich-
keit in diesem Sinne ist
„[…] dadurch charakterisiert […], dass einerseits jede(r) von allem Kenntnis erlan-
gen kann, was jenseits unmittelbarer Erfahrung liegt und für die Lebensgestaltung
relevant ist; wofür andererseits – in Anbetracht der dafür notwendigen öffentlichen
Medien – auch alle Gegenstände und Probleme, die es gesellschaftlich zu verarbei-
ten und zu regeln gilt, eine reelle Chance haben müssen, in den Medien Beachtung
zu finden.“
Weiter erfordert Pöttker (ebd.: 111) zufolge dieser Begriff von Öffentlichkeit,
„[…] dass idealiter alle Subjekte der Gesellschaft mit ihren Wahrnehmungen, Erfah-
rungen und Interessen freien Zugang zu den Medien haben, und zwar als Rezipien-
ten wie als Produzenten und Objekte der Medienberichterstattung“.
Dieses Verständnis von Öffentlichkeit stimmt teilweise mit dem Niklas Luh-
manns (1996) überein. Bei ihm erscheint allerdings, hier terminologisch formu-
liert als weiteres wesentliches Begriffsmerkmal, zusätzlich die Beobachtbarkeit.
Luhmann entwickelt einen Begriff von Öffentlichkeit, (ebd.: 184) „der sich deut-
lich genug vom System der Massenmedien und auch vom Begriff der ‚Öffentli-
3.2 Kontextuelle Grundbegriffe zu Hochschule und Journalismus 127
Luhmann (ebd.: 185) sieht den Vorteil dieser Definition von Öffentlichkeit darin,
„[…] daß man sie auf die gesellschaftlichen Funktionssysteme übertragen kann. Der
‚Markt‘ wäre dann die wirtschaftssysteminterne Umwelt wirtschaftlicher Organisa-
tionen und Interaktionen, die ‚öffentliche Meinung‘ wäre die politiksysteminterne
Umwelt politischer Organisationen und Interaktionen.“
In diesem Begriff von Öffentlichkeit bei Luhmann (vgl. ebd.) ist entscheidend,
dass Systemgrenzen operativ nicht überschritten werden können. Jedes beobach-
tende System kann seine Grenzen aber reflektieren. Das System sieht zwar im-
mer nur seine Innenseite, weiß deshalb aber um eine Außenseite, denn nur so
kann von einer Grenze des Systems überhaupt die Rede sein. Das System kann
die Verantwortung für interne Irritationen anderen, äußeren Systemen zuschrei-
ben. Hier (ebd.) kommt die bereits erwähnte Unvorhersehbarkeit ins Spiel:
„Wenn das System dagegen reflektiert, daß es von außen beobachtet wird, ohne daß
schon feststünde, wie und durch wen, begreift es sich als beobachtbar im Medium
der Öffentlichkeit. Das kann, muß aber nicht, zur Orientierung an generalisierbaren
(öffentlich vertretbaren) Gesichtspunkten führen. Funktional äquivalente Strategien
sind solche der Geheimhaltung und solche der Heuchelei.“
40 Luhmann belegt mit: Baecker, Dirk (1996): Oszillierende Öffentlichkeit. In: Maresch, Rudolf/
Adrian, Robert (Hg.): Mediatisierte Öffentlichkeiten (im Druck). Erschienen im selben Jahr unter
dem dann abweichenden Titel Medien und Öffentlichkeit, München, dort 89 ff.
128 3 Hochschulgebundene Journalistenausbildung
„[…] ist der Kunde König, folgen die Medien bei der Auswahl und Präsentation von
Nachrichten ausschließlich den Präferenzen der Bürgerinnen und Bürger. Es gibt
hier keine Skrupel gegenüber Irrelevanz der Themen und keine sich prinzipiell ver-
bietende Form der Darstellung im Rahmen geltender Gesetze.“
„[…] das die freie Arena zum Austausch von Argumenten im Blick hat und nach
dem Beitrag des Journalismus für die demokratische Willensbildung fragt“.
gen. Das heißt allerdings nicht, dass es innerhalb einer solchen Gesellschaft
allein das republikanisch-demokratische Modell geben darf. In Deutschland und
vielen anderen Ländern besteht es neben dem neoliberalen Modell. Um die de-
mokratische Verfasstheit von Staat und Gesellschaft abzusichern, muss lediglich
gewährleistet sein, dass genügend Öffentlichkeit des demokratisch-diskursiven
Modells hergestellt wird. Diese Notwendigkeit ist aus der demokratischen Ver-
fasstheit von Gesellschaft und Staat normativ begründet. Um das republikanisch-
demokratische Modell als Unterbegriff von Öffentlichkeit geht es, wenn Blöbaum
Informationsjournalismus wählt für die Benennung des Unterbegriffs von Jour-
nalismus, für den auszubilden sei.
Allerdings legitimiert sich auch das neoliberale Modell normativ, wenn
auch aus einer ganz anderen Norm: aus dem Postulat der freien wirtschaftlichen
Betätigung. Dennoch ist die freie medienwirtschaftliche Betätigung des neolibe-
ralen Modells im Journalismus nur legitim, solange ausreichend demokratisch-
diskursive Öffentlichkeit hergestellt wird. Weischenberg/Malik/Scholl (2006: 22)
formulieren diesen Sachverhalt so: „[…] es gibt keine Legitimation für ein Me-
diensystem, das ausschließlich ökonomisch tickt.“
An der Aufgabe, Öffentlichkeit herzustellen, sind nicht nur Journalisten,
sondern, wie oben bei Pürer berücksichtigt, stets auch die Medienorganisationen
beteiligt, in denen Journalisten arbeiten, vor allem Verlage und Rundfunkhäuser.
Klaus-Dieter Altmeppen (vgl. 2008: 84-85) trennt scharf zwischen den Aufga-
ben. Aufgabe der Medienorganisationen sei die Distribution von Inhalten als
Beitrag zur öffentlichen Kommunikation. Medienorganisationen handeln dem-
nach ökonomisch nach der Referenz „Zahlung/Nichtzahlung“. Journalistische
Organisationen hingegen haben bei Altmeppen die Aufgabe, Inhalte zu dieser
Distribution herzustellen und so zur öffentlichen Kommunikation beizutragen.
Sie handeln nach der Referenz „öffentlich/nicht-öffentlich“. Altmeppen benennt
dies mit Informationsproduktion des Journalismus und Mitteilungsleistung der
Medien. Beides zusammen konstituiert den Kommunikationsprozess. Altmeppen
(ebd.: 89) sieht daher für den Journalismus die „[…] gesellschaftliche Aufgabe
der Bereitstellung von Inhalten zur Distribution“ und die öffentliche Aufgabe der
„Berichterstattung“.
Die spezifischen Studiengänge hochschulgebundener Journalistenausbil-
dung müssen sich entscheiden zwischen der Ausrichtung auf Journalismus zur
Herstellung demokratisch-diskursiver Öffentlichkeit im Sinne von Informations-
journalismus, der Herstellung von neoliberaler Öffentlichkeit oder beidem. Letz-
teres dürfte schwierig zu realisieren sein, weil die verfügbare Studienzeit schon
für die Ausbildung im Sinne demokratisch-diskursiver Öffentlichkeit kaum aus-
reicht, wie ich im Kapitel 3.5.2 als ein Ergebnis meiner Befragungen von Ver-
antwortlichen noch aufzeigen werde.
130 3 Hochschulgebundene Journalistenausbildung
Normativ aber sind alle drei Optionen legitim. Der von mir vorgeschlagene
Begriffsplan ist anwendbar auf Journalistenausbildung aller drei Perspektiven
und unabhängig von sämtlichen hier vorgestellten spezifischen Begriffen von
Öffentlichkeit.
Aus dem Anspruch von Journalistenausbildung, mit ihren Absolventen zur Qua-
lität im Journalismus beizutragen, stellt sich zwingend die Frage, was genau
damit gemeint ist. In der vorliegenden Studie übersetzte ich diese gemeinsprach-
liche Fragestellung in eine der Terminologie: Wie ist journalistische Qualität
terminologisch erfassbar?
Weischenberg (2006: 9) sieht für die „Qualität von Medienproduktion“ eine
„Vieldeutigkeit des Begriffs“, terminologisch formuliert wäre es eine Polysemie.
In der Journalistik begegnet auch die Benennung im Plural (ebd.: Buchtitel „Me-
dien-Qualitäten“41; Pöttker 2008: 73; Arnold 2009: 232) Qualitäten. In meiner
terminologischen Betrachtungsweise sind diese als Begriffsmerkmale oder als die
Unterbegriffe journalistischer Qualität denkbar. Qualität im Journalismus wie-
derum kann terminologisch positioniert werden als Unterbegriff von Qualität
überhaupt.
Wie schon für Rühls Journalismen ausgeführt, sind auch Qualitäten ge-
meinsprachlich zulässig, nicht aber streng terminologisch als übergreifende Be-
nennung, denn dieser Oberbegriff lautet Qualität.
Nachfolgend in diesem Kapitel ist mit Qualität stets der hier relevante Un-
terbegriff journalistische Qualität gemeint.
Bevor ich darauf eingehe, folge ich einem Hinweis von Klaus Arnold
(2009: 237), was Qualität im Journalismus nicht ist. Im Sinne des von ihm hier
angewandten Organisationsmodells des Neo-Institutionalismus
41 Band zur Jahrestagung zum Thema „Medien-Qualitäten“ der deutschen Gesellschaft für Publi-
zistik- und Kommunikationswissenschaft (DGPuK) 2005 in Hamburg.
3.2 Kontextuelle Grundbegriffe zu Hochschule und Journalismus 131
einmal, weiter Arnold (ebd.: 237-238) zufolge, Profite erwirtschaften und des-
halb möglichst ökonomisch handeln.
„Journalistische Qualität ist jedoch teuer und wird mitunter vom Publikum nicht re-
flektiert, nicht erkannt bzw. ist es nicht dazu bereit, für journalistische Qualität ange-
sichts zahlreicher kostengünstiger oder vermeintlich kostenfreier Angebote journa-
listische Qualität entsprechend zu bezahlen. Somit kann es ökonomisch zunächst ra-
tional sein, an der Umsetzung von kostenaufwändigen Qualitätskriterien zu sparen
und auf leicht erkennbare Qualitäten wie z. B. die optische Präsentation zu setzen.“
Hieraus aber nun einen Unterbegriff von Qualität mit der Benennung Zeremonielle
Qualität zu konstruieren wäre verfehlt, denn gemeint ist das Vortäuschen von
Qualität. Ein Nichtvorhandenes kann aber kein Unterbegriff von etwas sein. Ter-
minologisch handelt es sich bei der zeremoniellen Verwendung der Benennung
Qualität um eine absichtliche Polysemie. Diese wird gesetzt, um Kosten zu sparen
und mit dem Begriff von Qualität im Interesse des ökonomischen Vorteils Verwir-
rung zu stiften. Denn Qualität ist ja immer „irgendwie“ positiv besetzt. Die Crux
liegt darin, dass Qualität aber kein „Irgendwas“ ist, sondern für einen sinnvollen
Umgang mit dem Begriff terminologisch präzise gefasst werden muss.
Die terminologische Fundierung des Begriffs von Qualität ist in Journalis-
tenausbildung schon deshalb notwendig, weil Journalisten, die zu sehr idealis-
tisch und zu wenig realistisch auf den Beruf vorbereitet werden, der Realitäts-
schock droht: wenn beispielsweise für Recherchen zu wenig Ressourcen bereit-
stehen und die Journalisten vielleicht sogar zu normativ unzulässigem Handeln
gedrängt werden. Zwar wird kaum eine ausbildende, die Ausbildung fordernde,
fördernde oder finanzierende Institution42 auf idealistische, diskursiv-demokra-
tietheoretische Begründungen verzichten, um den Einsatz von Geld, Zeit, Ar-
beitskraft und politischem Kapital zu rechtfertigen. Fraglich ist aber auch dort,
wie es Arnold (vgl. ebd.) für Tageszeitungen aufwirft, in welchem Maße es sich
um eine zeremonielle Begründung handelt mit dem Ziel, Legitimität für das
eigene Angebot zu gewinnen, in welchem Maße also auch ökonomische und
andere Faktoren als das Streben nach vertretbaren Begriffen von Qualität die
Interessenlagen bestimmen. Wissenschaftlich ließe sich diese Frage nur empi-
risch am Einzelfall beantworten.
Dies vorausgeschickt, kann nun die Untersuchung des Begriffs von „wirkli-
cher Qualität im Journalismus“ beginnen, der Untersuchung von Qualität in
meinem Begriff als ein präzises, auch empirisch fassbares Phänomen.
Für Stefan Ruß-Mohl (vgl. 1994: 110) ist Journalistenausbildung eine von
mehreren Infrastrukturen der Qualitätssicherung im Journalismus. In seiner
Untersuchung der Modelltauglichkeit amerikanischer journalistischer Qualitäts-
sicherung für Europa entlehnt er den Begriff der Infrastrukturen aus den Wirt-
schaftswissenschaften. Ruß-Mohl benennt keine spezifische wirtschaftswissen-
schaftliche Theorie, sondern formuliert (ebd.) eine „Binsenwahrheit“ für jeden
Wirtschaftswissenschaftler:
„Zu den Bedingungen der Produktion, also auch der Medienproduktion, gehören
funktionsfähige Infrastrukturen. So werden gemeinhin Vorsorgeeinrichtungen be-
zeichnet, die zur Aufrechterhaltung der Produktion und des öffentlichen Lebens un-
verzichtbar sind.“
Der Rezipient (vgl. ebd.: 81) tritt in zwei Rollen auf: als Marktteilnehmer und als
Staatsbürger. Journalismus ist damit (ebd.: 88-89) „sowohl kommerzielles Ge-
schäft als auch öffentliche Aufgabe“, also in der Sprache der Wirtschaftswissen-
schaften (ebd.: 89) ein „meritorisches Gut“. Dabei gilt (ebd.: 88): „Bei öffentli-
chen Gütern ist […] Marktversagen die Regel.“ Mit Infrastrukturen des Journa-
lismus meint Ruß-Mohl (ebd.: 22-23):
„[…] jene Vielzahl von Initiativen und Institutionen, die mit ihren Aktivitäten quali-
tätssichernd den Journalismus prägen – also auf Journalismus Einfluß nehmen, in der
Regel ohne selbst zur Erstellung von Medienprodukten direkt etwas beizutragen“.
Als Beispiele nennt er (vgl. ebd.: 23) neben Aus- und Weiterbildungsinstitutio-
nen Selbstkontrollorgane wie den Deutschen Presserat, andere media watchdogs,
Journalistenverbände, „aber insbesondere auch die Medienforschung und den
Medienjournalismus“. Einzeln genommen würden diese Einrichtungen vor-
schnell als wirkungslos abgeurteilt. Dabei aber würde der Prozesscharakter von
Qualitätssicherung in demokratischen Gesellschaften verkannt, denn (ebd.: 23)
„[…] zusammengenommen bilden sie ein Netzwerk, dessen Wirksamkeit ganz an-
ders zu bewerten ist; den Beitrag dieses Netzwerks zur publizistischen Qualitätssi-
cherung bezeichne ich als den Infrastruktur-Faktor (I-Faktor) im Journalismus“.
Zum I-Faktor zählt Ruß-Mohl (vgl. ebd.: 170, 177) neben den genannten Ein-
richtungen u. a. auch Journalistenpreise und Ombudsmänner. Er stellt aber im
Kapitel Professionalisierung durch Ausbildung schon eingangs (ebd.: 123) fest:
„[…] über die wir uns in der Journalistik ausnahmsweise einigermaßen einig sind.
Ich nenne Wahrheit (mit den Komponenten Richtigkeit, Vollständigkeit/Relevanz,
Wahrhaftigkeit und Unabhängigkeit), Universalität, Aktualität und Vermittlung (mit
den Komponenten Verständlichkeit und Unterhaltsamkeit), wozu noch Überein-
stimmung mit der Berufsethik kommt. Eine etwas kürzere Liste führt Richtigkeit, Re-
levanz, Aktualität und Vermittlung an.“
„Unabhängigkeit bedeutet vor allem, dass Journalisten sich bei der Themenwahl, bei
ihren Entscheidungen für Relevanzmaßstäbe, nicht von berufsfremden Interessen
leiten lassen.“
43 Schröders (2011: 21) Liste umfasst vollständig: Aktualität, Relevanz, Vielfalt, Ausgewogenheit
und Unabhängigkeit, Richtigkeit, Transparenz, Verständlichkeit, Unterhaltsamkeit.
134 3 Hochschulgebundene Journalistenausbildung
des unbeteiligten Beobachters erklärt Pöttker (vgl. ebd.) aus der historischen
Genese des Journalistenberufs, vor allem im Zeitalter der Presse vor dem Em-
porkommen elektronischer Medien aus der damals immer gegebenen Zeitdiffe-
renz zwischen Ereignis und Bericht. Besonders elektronische Medien aber verlei-
ten Journalisten (ebd.), „in die Realität, die sie zu vermitteln haben, einwirken zu
wollen oder diese Realität überhaupt erst zu inszenieren“. Pöttker (ebd.) bezeich-
net dieses Phänomen als die (ebd.) „Artefakt-Tendenz des Journalismus in der
neuen Medienwelt“ und schließt daraus (ebd.: 123):
Die Erkenntnis, dass der Beobachter das Beobachtete durch sein Beobachten
beeinflusst, mag in Journalismus und Journalistik bisweilen noch überraschen. In
einer anderen Wissenschaft aber, der Physik, ist Pöttkers Einwurf längst ein
Klassiker. Die Quantenphysik kennt das Phänomen seit 1927 mit der Heisen-
berg’schen Unschärferelation. Quantenmechanik zu erklären würde den Rahmen
dieser Arbeit sicherlich sprengen. Dies ist aber auch nicht nötig, denn ein Physi-
ker hat es in einem wissenschaftsjournalistischen Fernsehbeitrag bereits sehr
anschaulich getan, nämlich Harald Lesch, Professor für theoretische Astrophysik
an der Ludwig-Maximilians-Universität München in einer Folge der Wissen-
schaftssendung des Bayerischen Fernsehens alpha-Centauri. In der Sendung
fragt Lesch und antwortet gleich:44
„Was ist die Unschärferelation? Dieses Experiment behauptet, dass die Beobachtung
eines Vorgangs das Ergebnis verändert. […] Und das ist das allererste Mal in der Phy-
sik gewesen, dass man das festgestellt hat, dass der Beobachter durch seine Beobach-
tung […] die Wirklichkeit, die er beobachten will, verändert, […] dass in der Quan-
tenwelt Ursache und Wirkung nicht mehr so ohne weiteres zu unterscheiden sind.“
44 Prof. Dr. Harald Lesch, BR Alpha, alpha-Centauri, 28. April 2002.Was ist die Unschärferelation?
http://www.br.de/fernsehen/br-alpha/sendungen/alpha-centauri/alpha-centauri-unschaerferelation-
2002_x102.html, Zugriff am 28. April 2013.
3.2 Kontextuelle Grundbegriffe zu Hochschule und Journalismus 135
tung, die sie mit der Wirklichkeitskonstruktion tragen. Die journalistische Wirk-
lichkeit ist nicht „nur“ konstruiert, sondern – viel schwerwiegender für verant-
wortungsbewusstes Handeln – „immer auch“ konstruiert.
Radikal konstruktivistisch geschultes Denken dürfte die Akzeptanz der Un-
möglichkeit des Unbeteiligtseins erleichtern, ganz im Sinne der Gespräche Bern-
hard Poerksens mit Heinz von Foerster (Foerster/Poerksen 1998), die unter dem
bezeichnenden Titel Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners erschienen sind. Mit
einem weiteren Buchtitel, KybernEthik unterstreicht von Foerster (1993) – übri-
gens ein Physiker – die Verantwortungsdimension jeder Wirklichkeitskonstruktion.
den Zwang zur Attraktivität als eine Bedrohung der Identität des Journalismus.46
Diese Sorge ist sicherlich berechtigt, weil jeder Konkurrenzdruck eine Bedro-
hung sein kann. Im Zwang zur Attraktivität liegt aber auch eine Chance des
Journalismus: nämlich die Aufmerksamkeit tatsächlich auf sich zu ziehen. Auf-
merksamkeitsattraktivität ist meines Erachtens ein zentraler Unterbegriff und ein
herausragendes Begriffsmerkmal von Qualität im Journalismus. Eine Journalis-
tenausbildung, die Studierenden nicht vermittelt, Qualität auch als Aufmerksam-
keitsattraktivität zu produzieren, bleibt unvollständig. Das einzige Begriffs-
merkmal dieses Unterbegriffs von Qualität journalistischer Produkte lautet:
Hält Journalismus das Interesse nicht, müssen Journalisten damit rechnen, dass
Rezipienten umgehend ihr Angebot verlassen und stattdessen solche alternativen
Angebote nutzen – und zwar zunehmend im Internet –, die Aufmerksamkeitsat-
traktivität und Interessantheit in sich vereinen. Dies können beispielsweise
Blogs sein. Der Blogger Sascha Lobo (2009: n. p.) weiß:
„Das redaktionsgetriebene Diktat der Relevanz wird ergänzt durch das Diktat der In-
teressantheit. Damit bedroht ein neuer Filter die Macht der Redaktionen.“
Volker Lilienthal (vgl. 2011: 53-54) zitiert diese Sätze, relativiert aber (ebd.) die
Bedrohung:
46 Die Autoren zitieren aus einem Zeitungsbeitrag des polnischen Autors Ryszard Kapuscinski,
eines der „großen alten Männer“ des europäischen Journalismus: „Vor langer Zeit wurde der
Wert einer Information daran gemessen, wie schwierig es war, die Wahrheit zu suchen und
herauszufinden. Jetzt ist etwas anderes das Wichtigste: Der Wert einer Information bemisst
sich nicht an ihrer Wahrheit, sondern an ihrer Attraktivität. Sie muss sich vor allem gut verkau-
fen.“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12. Februar 1999: Die große Reporterarmee. Wie die
Medien die Welt beschreiben: 18. Zitiert in Weischenberg 2006: 208)
3.2 Kontextuelle Grundbegriffe zu Hochschule und Journalismus 137
„Ein Trugschluss ist die These von der zukünftigen Entbehrlichkeit des professionel-
len Journalismus auch deshalb, weil auch die Blogger – wie zunehmend die profes-
sionelle Presse – ihr Aufmerksamkeitsproblem haben. Denn sie müssen im Internet
erst mal aufgefunden werden, sonst ist ihre Resonanz gleich null. Und ihr Beitrag
zur Meinungsbildung ebenso.“
47 In: Rosen, Jay (2011): What I Think I Know About Journalism. In: Jay Rosen’s Press Think,
April 26th, 2011. http://pressthink.org/2011/04/what-i-think-i-know-about-journalism/, Zugriff
am 28. April 2013.
138 3 Hochschulgebundene Journalistenausbildung
dung basiert auf der Relevanz der Inhalte für den Rezipienten und auf Emotiona-
lität. Rezipienten gebührenfinanzierter journalistischer Angebote treffen zwar
keine Kaufentscheidung. Erleben sie aber das Gebotene als interessant, erleich-
tert dies ihnen, den Zwang zur Zahlung des Rundfunkbeitrags zu akzeptieren,
was politisch dem Weiterbestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunksystems
förderlich ist. Hier wird Interessantheit zwar nicht unmittelbar, aber doch mittel-
bar zu einem Faktor des wirtschaftlichen Überlebens journalistischer Angebote.
Aufmerksamkeit der Rezipienten und das sequentiell nachgeschaltete Inte-
resse sind – wegen der durch sie erst ermöglichten Kaufentscheidung oder Ak-
zeptanz des Beitragszwangs – die Grundlage für das wirtschaftliche Überleben
von Medien, in denen Journalismus stattfinden kann. Journalisten von Boule-
vardzeitungen, die ihr Produkt täglich am Kiosk neu verkaufen müssen, verfol-
gen, so Hartmut Büscher (1996: 5), das Ziel, „die Aufmerksamkeit und das Inte-
resse des (potentiellen) Lesers unmittelbar zu erregen, ihn spontan zu ergreifen
und zu fesseln“. Der Autor (vgl. ebd.) formuliert in seiner Untersuchung über die
Emotionalität in Schlagzeilen der Bild-Zeitung, dass es Boulevardjournalisten
gelingt, den Leser „anzuspringen“. Sie haben die Kunst perfektioniert, Über-
schriften, Texte und Bilder so attraktiv wie irgend möglich zu gestalten. Büscher
zufolge (vgl. ebd.: 7) erregen vor allem Schlagzeilen durch emotionales Ergrei-
fen die Aufmerksamkeit der Leser.
Qualitätszeitungen erreichen Aufmerksamkeit mit anderen Mitteln als die
Boulevardpresse: vor allem, indem sie das Vertrauen der Leser gewinnen, die
von ihnen gewünschten Qualitätsmerkmale zu erfüllen.
Volker Lilienthal (2011: 57) zufolge fragt sich der Rezipient ohnehin, „ob
Qualitätsjournalismus nicht ein Pleonasmus sei und Qualität eigentlich das, was
er legitimerweise von jeglichem Journalismus erwarten dürfte“. Qualitätsmedien
gelingt so das eigentlich Unwahrscheinliche: Aufmerksamkeit und Interesse auch
ohne schrille biologische Reize und sogar für solche Themen zu gewinnen, über
die mehr zu erfahren dem Rezipienten eigentlich widerstrebt.
Während Werbetreibende um die zentrale Rolle der Aufmerksamkeit von
Konsumenten wissen, kämpfen PR-Experten vor allem um die Aufmerksamkeit
und das Interesse von Redakteuren, um auf diesem Umweg die Aufmerksamkeit
und das Interesse von Rezipienten für ihre interessengeleitete Kommunikation
überhaupt erst gewinnen zu können. In der Auftragskommunikation besteht so-
mit sogar ein zweistufiger Zwang, Aufmerksamkeit und Interesse zu wecken:
zunächst beim Redakteur und dann erst auch beim Rezipienten. Manche PR-
Leute werden auch deshalb besser als viele Journalisten bezahlt, weil sie auf
diese Weise in der Lage sind, doppelte sequentielle Aufmerksamkeitsattraktivität
und Interessantheit zu generieren.
Christoph Neuberger (2008: 43) erkennt eine „Aufmerksamkeitsparadoxie“.
Mit Verweis auf Siegfried Schmidt (vgl. 2000: 270), der eine Vermarktung von
3.2 Kontextuelle Grundbegriffe zu Hochschule und Journalismus 139
„In der Welt der Medien ist durch die neuen Kommunikationsformen ein ähnliches
Spannungsfeld entstanden, wie es politisch zwischen der plebiszitären und der reprä-
sentativen Demokratie besteht. Vergleichbar mit der plebiszitären Demokratie disku-
tieren in den neuen Medien alle gleichberechtigt und ohne Steuerung auf Basis der
allgemein verfügbaren Informationen. Dem gegenüber steht das Modell der reprä-
sentativen Demokratie, in dem es die Aufgabe der gewählten Repräsentanten ist, in-
haltliche Einordnungen vorzunehmen, Diskussionen zu gestalten. Diese Rolle fällt in
der Medienwelt den Journalisten zu.
Es ist ihre Aufgabe, angesichts der unendlichen Vielfalt der verfügbaren Informa-
tionen diese zu systematisieren, einzuordnen und zu bewerten. Und die Bedeutung
dieser Aufgabe wächst mit den Kommunikationskanälen.“48
48 Schäuble, Wolfgang: Journalisten als repräsentative Demokraten. Auszüge der Rede. Süddeut-
sche Zeitung, 6. Mai 2011: 17.
140 3 Hochschulgebundene Journalistenausbildung
das Mandat, stellvertretend für sie, also als ihre Repräsentanten, die Überfülle an
Informationen und Kommunikation, wie von Schäuble formuliert, „zu systemati-
sieren, einzuordnen und zu bewerten“. Journalisten erringen dieses Mandat täg-
lich aufs Neue – und zwar mit Aufmerksamkeitsattraktivität und Interessantheit.
Journalisten werden damit aber keineswegs zu „repräsentativen Demokraten“,
wie die Süddeutsche Zeitung die Auszüge aus der Rede irreführend betitelt. Die
Bürger bleiben die repräsentierten Demokraten und Parlamentarier bleiben ihre
Repräsentanten. Sehr wohl aber erfüllen Journalisten die Aufgabe, Information
und Kommunikation repräsentativ zu verarbeiten, aufzubereiten. Genau dies
geschieht, wenn sie Öffentlichkeit herstellen. Denkbar wäre anhand der von
Wolfgang Schäuble vorgeschlagenen Analogie zwischen Politik und Medien die
Neuschöpfung des Begriffs mit der Mehrwortbenennung Repräsentative gesell-
schaftliche Kommunikation als ein Synonym zu Journalismus. Demzufolge hätte
es in der Überschrift der Süddeutschen Zeitung heißen können: „Journalisten als
repräsentative Kommunikatoren“.
Ich schlage vor, Aufmerksamkeitskompetenz als Lehrziel von Journalisten-
ausbildung fest zu verankern. Damit gehe ich konform mit Horst Pöttkers (2008:
66) Feststellung,
„[…] dass sowohl das ökonomische als auch das publizistische Interesse darauf
zielt, mit der Information möglichst viele Menschen zu erreichen – egal, ob sie nun
Käufer oder Leser, Kundschaft oder Publikum genannt werden.“
Glaubwürdigkeit
Die Listen von Pöttker und Schröder müssen um einen häufig diskutierten As-
pekt von Journalismus erweitert werden, der dort nicht als eine der Qualitäten
3.2 Kontextuelle Grundbegriffe zu Hochschule und Journalismus 141
Universalität [Pöttker]
Glaubwürdigkeit
Unabhängigkeit
Recherche
Kritik
Zugänglichkeit
Hintergrundberichterstattung
Regionaler/lokaler Bezug
Transparenz [Pöttker]
Horst Pöttker formuliert in einer Stilistik für Journalisten (vgl. Kurz et al. 2010:
335) eine „zweite, universelle“ Sphäre neben der professionellen Sphäre, die sich
aus den Aufgaben des Berufs ableitet: die Moral.
Moral und Ethik könnten zwar als Unterbegriffe von Qualität des Journa-
lismus neben vielen anderen verstanden werden. So nennt Pöttker (2008: 73)
oben „Übereinstimmung mit der Berufsethik“ als eine der „Qualitäten“, über die
sich die Journalistik einig sei; in meinem terminologischen Verständnis wäre
dies ein Begriffsmerkmal oder ein Unterbegriff von Qualität.
Bei Moral und Ethik handelt es sich aber um derart fundamentale Begriffe,
dass ihre Bestimmung eigenständiges Augenmerk – nicht nur als Begriffsmerk-
male oder Unterbegriffe von Qualität – verdient. Horst Pöttker (Kurz et al. 2010:
335) konstatiert als Journalismuswissenschaftler
„[…] die für alle Menschen und Berufe gleichermaßen bestehende Moral. Darunter
ist die Gesamtheit der durch Werte begründeten Pflichten zu verstehen, die auf ande-
re Menschen bezogenes Handeln regulieren. […] Von der Moral zu unterscheiden
ist die Ethik als wissenschaftliche Disziplin, die sich um die rationale Diskussion,
Begründung und Systematisierung der moralischen Regeln kümmert.“
Diese Unterscheidung zwischen Moral und Ethik spiegelt die in meiner Einlei-
tung dargelegte Konstruktion für meinen Begriffsplan, dass Moral ihren Ort in
der Praxis und nur dort hat.
Pöttker (2010: 108) meidet in seinem bereits erwähnten programmatischen
Aufsatz in der Publizistik, in dem er begrifflich bei Immanuel Kant anknüpft, die
Benennung Ethik. Pöttker schreibt – wobei „Begriff“ hier im Sinne der von ihm
nicht angewandten Terminologielehre als „Benennung“ zu lesen ist – über die
Ethik (ebd.):
„Da dieser Begriff irreführend sein kann, weil er oft mit Moral verwechselt wird, de-
ren Regeln Ethik nur prüfen, begründen und dadurch wirksam machen sollen, und
weil dem Etikett ‚Ethik‘ zumal im Kontext deutschsprachiger Wissenschaft leicht
das Odium des Wirkungslosen und Obsoleten anhaftet, wird hier stattdessen ein Be-
griff Immanuel Kants zu Grunde gelegt. Kant hat das rationale Erwägen der Frage,
wie Menschen handeln1 sollen, praktische Vernunft genannt.“
Die Fußnote 1 zum Zitat (ebd.) beginnt, auf Max Weber verweisend, mit einer
wichtigen Klarstellung:
„Der Begriff des Handelns umfasst sowohl aktives Tun als auch passives Unterlas-
sen, sofern dem Verhalten ein subjektiver Sinn unterliegt.“
Pöttkers Fassung auch des Nichthandelns als ein Handeln spiegelt die Konstruk-
tion des ersten allgemeinen Begriffsmerkmals für Praxis als „menschliches Han-
deln in Eigenverantwortung“ aus meiner Einleitung, die ich auf die aristotelische
„Vorzugswahl“ Prohairesis, ʌȡȠĮȡİıȚȢ, zwischen Handlungsoptionen (vgl.
Kuhn 1970: 29-30) zurückführe. Das betreffende Begriffsmerkmal für Praxis
lautet dort: „Ein Mensch oder Menschen wählen autonom aus Handlungsoptio-
nen; auch Nichtwählen ist eine Wahl.“
Dem Philosophen und Politikwissenschaftler Henning Ottmann (vgl. 2001,
Teilband 2: 121) zufolge lehnt sich Kants Grundlegung an Aristoteles an, der
zwischen praktischer und theoretischer Philosophie unterscheidet. Während sich
die theoretische Philosophie auf Dinge richtet, die der Mensch nicht verändern
kann, beispielsweise den Sternenhimmel, befasst sich die praktische Philosophie
mit solchen Dingen, die durch menschliches Handeln veränderlich sind, vor
allem mit der Politik.
Ethik und das von Pöttker vorgeschlagene Synonym praktische Vernunft,
die als einem weiten Synonym auch mit Theorie der Moral benannt werden
könnten und als Begriffsmerkmale Pöttker zufolge „wissenschaftlich“, „rational“
tragen, können Hochschulen besser als viele andere Institution vermitteln. Nicht
etwa, dass Hochschulen „moralischer“ wären. Sie sind aber an Wissenschaft und
Rationalität orientiert und darin besonders gut aufgestellt als Ort für jede „wis-
senschaftliche Disziplin, die sich um die rationale Diskussion, Begründung und
Systematisierung der moralischen Regeln kümmert“. Die Notwendigkeit der
Ethik im Journalismus ist somit ein starkes Argument für hochschulgebundene
3.2 Kontextuelle Grundbegriffe zu Hochschule und Journalismus 145
„Bezogen auf einen Beruf, z. B. den Journalismus, lautet die zentrale Frage prakti-
scher Vernunft: Was sollen diejenigen, die diesen Beruf ausüben, tun und lassen,
wie sollen z. B. Journalisten handeln? Das lässt sich nur beantworten, wenn man die
Aufgabe des betreffenden Berufs kennt.“
Die Aufgaben des Journalismus, wie ich sie im Kapitel 3.2.3 dargelegt habe,
muss Journalistenausbildung angehenden Journalisten auch deshalb präzise und
umfassend aufzeigen, weil sie sonst im späteren Beruf nicht moralisch handeln
können.
Erst aus dem rationalen Verständnis der Aufgaben und der Kenntnis der Ethik
des Journalismus kann etwas entstehen, das ich in dieser Arbeit als journalisti-
sche Haltung bezeichne. Keineswegs gemeint ist damit, vorgefasste Meinungen
zu Themen der Berichterstattung in der journalistischen Arbeit „durchzuhalten“,
statt ergebnisoffen zu recherchieren und zu berichten. Vielmehr meine ich ein
persönliches Einstehen für die Aufgaben des Journalismus und Moral im Journa-
lismus, das zwar rational begründet werden kann, aber erst zu Leben erwacht
durch den individuellen, sich ständig erneuernden Akt des Einnehmens einer
aufrechten Haltung gegenüber den Dingen.
Journalistische Haltung trägt als wichtigstes Begriffsmerkmal die nicht ver-
handelbare Selbstverpflichtung auf die Erfüllung der Aufgaben und die Wahrung
der Moral im Journalismus.
Die englische Sprache kennt dafür die Benennung (Ben Bagdikian 1977:
84) dedication und, vor allem, commitment. Die European Journalism Training
Association EJTA formuliert in ihrer “Tartur Declaration” unter dem Anhang
Competence Goals als erstes Lehrziel für angehende Journalisten: “[…] have a
146 3 Hochschulgebundene Journalistenausbildung
“[…] extended training and professional pay rates are essential in developing profes-
sional attitudes in the media – the long-term professional commitment which reduc-
es staff turnover and develops a selfgenerating sense of social responsibility.”
Ein volles deutsches Äquivalent zu commitment in diesem Sinne habe ich nicht
finden können. Quasiäquivalente – wenn es solche denn terminologisch nach
DIN 2342 und nicht nur als meinen Vorschlag – gäbe, wären Für etwas stehen,
Für etwas vorbehaltlos eintreten oder Sich einer Sache verschreiben.
So verstandene journalistische Haltung, als vorbehaltloses Eintreten für
Journalismus mit seinen Aufgaben und seiner Moral, geht über bloßes morali-
sches Handeln weit hinaus. Haltung umfasst auch das Eintreten für Qualität und
die Entwicklung eines realistischen beruflichen Selbstverständnisses sowie die
ständige Bereitschaft, diese notfalls auch kämpferisch zu verteidigen.
Engstens mit journalistischer Haltung verbunden ist der im Kapitel 3.2.6
bereits vorgestellte spezifisch deutsche Begriff von Bildung als (Hentig 1998: 8)
„ein ganz individueller, sich an und in der Person, am Ende durch diese vollzie-
hender Vorgang“. Nur in diesem Vorgang von Bildung kann journalistische
Haltung überhaupt entstehen.
Journalistische Haltung und Bildung als Lerngeschehen von Journalisten-
ausbildung und als Berufsgeschehen des Journalismus sind, wenn überhaupt,
empirisch nur sehr schwierig zu erfassen. Es handelt sich um sich auszubildende
und festigende professionelle Persönlichkeitsmerkmale, die empirisch zu verfol-
gen vielleicht die Persönlichkeitspsychologie in der Lage wäre, kaum aber die
Journalistik. Deshalb verzichte ich in meinem Begriffsplan des Lerngeschehens
auf die Integration von Journalistische Haltung und Bildung. Ich beschränke
mich darauf, Haltung und Bildung als einen Rahmen von Lerngeschehen zu
sehen, der im Idealfall mit dem Lernen wächst und zu einem stabilen Persönlich-
keitsmerkmal wird.
Journalistische Haltung ist keine Praxis, keine Techne und auch keine The-
orie. Sie umschließt alle drei Unterbegriffe von journalistischem Geschehen und
Lerngeschehen und stabilisiert sie. Die Einbettung von Journalistenausbildung in
die Kontexte von journalistischer Haltung und Bildung lässt sich in einem Be-
griffsplan darstellen:
nen der Journalistenausbildung als abgeschlossen und damit nur noch als Ge-
schichte einzuordnen sind.
Im Journalismus aber ist ein Strukturwandel weiterhin in vollem Gange. Als
seine oftmals krisenhaft diskutierten Unterbegriffe begegnen, ohne Anspruch auf
Vollständigkeit: (Harnischmacher 2012: 14) Digitalisierung und (Weischenberg
2006: 16) Entgrenzung, Boulevardisierung, Ökonomisierung, Hybridisiering,
Deprofessionalisierung. Weischenberg (ebd.: 17) warnt: „Mit dem Feuer spielt
man aber insbesondere dann, wenn der Journalismus schutzlos PR-Kampagnen
ausgesetzt ist, weil seine Rechercheressourcen nicht ausreichen.“ Zur Entgren-
zung führt Weischenberg (2001: 61) aus:
„In den USA wie in Deutschland lassen sich zunehmend neue Formen des Journa-
lismus ausmachen, die ihn erweitern hin zur Technik, hin zum Marketing, hin zur
Unterhaltung, hin zu den Public Relations. Nicht zuletzt deshalb wird immer häufi-
ger gefragt, wie Journalismus unter den vor allem technisch induzierten Gegebenhei-
ten (noch) möglich ist.“
Pöttker (2008: 72) weist auf eine auf Entprofessionalisierung des Journalismus
drängende Kritik aus der Gesellschaft hin, insbesondere durch Blogger:
„Folgt er ihr nicht, sondern entwickelt seine spezifischen Regeln und Kommunikati-
onsweisen sogar in Richtung verstärkter professioneller Autonomie weiter, dann
lässt er einen Teil der relevanten Gegenstände und damit einen Teil des Publikums
außer Acht, der sich für diese Themen interessiert. Auch aus dieser Zwickmühle
kommt der Beruf nicht heraus.“
„1. Die Tageszeitung verliert nicht nur junge Leser, sondern auch ‚News Junkies‘ im
mittleren Alter ans Internet.
2. Die Anzeigenkrise verschärft den Wettbewerb zwischen Print und Internet, aber
der Online-Werbezuwachs kann die Print-Verluste nicht ausgleichen.
3. Crossmedialer Journalismus in integrierten Print-Online-Redaktionen ist nach wie
vor ein tragfähiges Konzept, um starke Print-Marken in die digitale Zukunft zu führen.
4. Nachrichten sind nichts mehr wert.
5. Gedrucktes Papier funktioniert für Hintergrund, Analyse und Meinung – zumin-
dest in Krisenzeiten.
6. Die Konzentration im Tageszeitungsmarkt wächst; die Zeitungsvielfalt nimmt ab.
7. Das Geschäftsmodell des privat-kommerziellen Journalismus steht auf der Kippe.
Die ganze Branche ist auf der Suche nach neuen Modellen.
3.2 Kontextuelle Grundbegriffe zu Hochschule und Journalismus 149
Journalistenausbildung kann nur eine Zukunft haben, wenn es trotz allen Struk-
turwandels auch zukünftig den Beruf namens Journalist gibt.
Pöttker (vgl. 2010: 120) erwartet, dass der Journalismus die Krise der Presse
überstehen werde, denn er verdanke sich dem „fundamentalen Bedarf moderner
Gesellschaften an Öffentlichkeit, den keine Medienentwicklung zum Verschwin-
den bringt“. Brian Brooks von der University of Missouri äußert sich im offenen
Interview (in Columbia, Missouri, am 26. Februar 2010, Elektronischer Anhang G:
151) ähnlich:
“Journalism is not going away. It’s just going to be practiced in different ways. You
may be working for yourself, you may be working for a website, and it may be dif-
ferent. But there is still a need for somebody to sort through all the information out
there and make sense of it. And that’s what journalists do.”
Die Frage ist nur, ob dies auch mit der Chance verbunden ist, aus der erbrachten
Leistung den Lebensunterhalt zu bestreiten, wie sie Max Weber als Begriffs-
merkmal für Beruf formuliert hat: ob also Journalist als Beruf angesichts der
Veränderungen eine Zukunft hat oder nur Journalismus als System.
Pöttkers Optimismus teile ich voll und ganz für das System Journalismus,
kaum aber für den Beruf Journalist. Die vielfältigen Informationsangebote im
Internet mögen zwar, einzeln genommen, nicht den oben genannten Begriffen
von Qualität genügen, so wie übrigens auch viele vermeintlich journalistische
Angebote in der Presse oder im Rundfunk ihnen nicht genügen. In ihrer Gesamt-
heit aber können Angebote von Amateuren und interessengeleiteten Kommuni-
katoren durchaus eine Wahrscheinlichkeit begründen, dass Rezipienten sich aus
dem Chaos der Informationen und Meinungen ein Bild destillieren, das insge-
samt die Merkmale Richtigkeit, Relevanz und Aktualität aufweist.
Dieser Prozess, wie er zu nichttagesaktuellen Inhalten durch Wikipedia und
ähnliche Angebote längst erprobt wird, ist in einer Weiterentwicklung durchaus
auch für tagesaktuelle Themen möglich: konsolidiert in Angeboten analog zu
Wikipedia oder in der kommunikativen Kombination mehrerer Angebote.
150 3 Hochschulgebundene Journalistenausbildung
Das Internet ermöglicht damit etwas, das ich wegen der sehr hohen Anfäl-
ligkeit gegen vielfältige chaotische Wahrscheinlichkeiten mit einer weiteren
Begriffsschöpfung als Stochastische Konstruktion von Realität benenne: als die
Nutzung von Alternativen zum Journalismus, mit denen Rezipienten Inhalte
selektieren und ihre Wirklichkeit konstruieren, so wie es Winfried Schulz (1976)
schon früh mit seiner Studie über die Nachrichtenauswahl Die Konstruktion von
Realität in den Nachrichtenmedien empirisch aufgezeigt hat.
Noch bedrohlicher für angehende Journalisten, die sich die Chance erhof-
fen, durch Ausbildung im Journalistenberuf ihren Lebensunterhalt zu verdienen,
ist eine neue technisch-gesellschaftliche Entwicklung: Die chaotische stochasti-
sche Wirklichkeitskonstruktion im Internet wird in Teilen automatisiert. Nicht
mehr nur Menschen, auch Maschinen stellen Öffentlichkeit her. Christoph Beh-
rens (2012) berichtet darüber in der Süddeutschen Zeitung; die Überschrift fasst
zusammen:
„Schreibmaschinen. Sie verfassen Texte über Sport und Finanzen: Erste Computer-
programme übernehmen die Arbeit von Journalisten“.
Dabei (vgl. ebd.) geht es um das System Stats Monkey in den USA, das innerhalb
von zwei Sekunden eine Geschichte über ein Baseball-Spiel erstellt. Die Soft-
ware sammelt nicht nur, sie erzählt auch. Behrens zufolge hat sie im Jahr 2011
bereits 400.000 Artikel geschrieben, 2012 sollten es 1,5 Millionen sein.52 Das
Programm entstand im Jahr 2009, als der Informatik-Professor Larry Birnbaum
Informatik- und Journalistik-Studierende zusammensetzte. Die Journalistik-
Studierenden lieferten Textbausteine. Daraus entstand die Firma Narrative Sci-
ences in Chicago. Die Konkurrenzfirma Automated Insights bündelte 2012 schon
über 400 Websites, „die vollautomatisch über amerikanischen College- und Pro-
fisport berichten“. Behrens weiter zufolge handelt es hierbei nicht mehr nur um
Sportberichterstattung. Die Firma erhält Anfragen auch für Themen wie Energie
und Gesundheit. Und wer holprige Robotertexte erwartet, wird eines Besseren
belehrt. Behrens zitiert den Firmengründer Robbie Allen:
„,Wenn die Kunden etwas Trockenes wollen, schreiben wir etwas Trockenes‘,
schwärmt Allen. ‚Wenn sie etwas wollen, das ungewöhnlich klingt oder eine gewis-
se Persönlichkeit hat, bauen wir einfach die jeweiligen Adjektive und Formulierun-
gen mit ein.‘“
Des Weiteren (vgl. ebd.) arbeitet die Firma daran, aus Millionen von Twitter-
Mitteilungen Informationen für automatische Artikel zu filtern. Sie hat diese Tech-
52 Christoph Behrens nennt als Quelle dieser Zahlen die Zeitschrift Wired.
3.2 Kontextuelle Grundbegriffe zu Hochschule und Journalismus 151
„,Wir ersetzen nicht den Journalisten. […] Wir stellen Inhalte in Dimensionen be-
reit, die ein menschlicher Schreiber unmöglich bewerkstelligen kann. Er müsste tau-
sende, Millionen gleichartiger Dokumente schreiben, die für einen ganz bestimmten
Zweck zugeschnitten sind. […] Eine Art, wie wir mit Journalisten zusammenarbei-
ten, ist, dass der Computer drei Viertel des Textes schreibt. […] Der Mensch fügt
dann etwas Farbe hinzu oder sucht noch ein Bild aus […].‘ Oder der Journalist kön-
ne alternativ, falls er über einen ‚analytischen‘ Verstand verfüge, auch selbst an der
Entwicklung solcher Systeme mitarbeiten, dem Robo-Reporter also die Textschnip-
sel zuliefern.“
Ob am Ende weniger Arbeit für angehende Journalisten bleibt, ist noch nicht
absehbar. Möglicherweise gleichen die gesteigerten Dimensionen der Produkti-
onsmenge den Verlust in der Tat aus, so wie es Allen andeutet. Dass aber der
menschliche Anteil an der journalistischen Produktion kleiner wird, kann ange-
sichts der sich ständig weiterentwickelnden IT-Technologie als gesetzt gelten.
Zumindest für die amerikanische Journalistenausbildung ist es an der Zeit, dar-
über nachzudenken, die neuen Strukturen auch in der Ausbildung abzubilden, für
die deutsche wohl auch.
In die stochastische Realitätskonstruktion, ob nun durch eigene Auswahl der
Rezipienten oder automatisiert, können durchaus auch traditionell menschenge-
machte journalistische Angebote einfließen, solange Medien diese noch kostenlos
ins Netz stellen. Auch andere kommunikationsprofessionelle Inhalte gehen mit ein,
so vor allem aus den Public Relations und aus Eigendarstellungen auf Websites.
Darüber hinaus äußern sich aber mit steigender Tendenz Einzelpersonen. Millio-
nen von Stimmen werden hörbar in Blogs, über Dienste wie Twitter, in Wikis, in
Online-Buchbesprechungen, in sozialen Netzwerken und auf Plattformen, die noch
kommen werden. Dabei muss es nicht bei Meinungsäußerungen bleiben, sondern
es sind auch Berichte von Orten des Geschehens möglich, wie es aus der Bericht-
erstattung über die Umbrüche in der arabischen Welt in Form von Amateurvideos
in Nachrichtensendungen zu beobachten ist. Harnischmacher (2010: 15) schreibt:
Gut möglich erscheint mir auch, dass Journalismus als Beruf nur ein vorüberge-
hendes historisches Phänomen ist und, mit wenigen Ausnahmen, auch nur so lange
bestehen kann, bis stochastische Formen der Herstellung von Öffentlichkeit sich
vollends durchsetzen. Damit würde die Ausbildung zum Beruf Journalist weitest-
152 3 Hochschulgebundene Journalistenausbildung
Aus Platzgründen muss ich mich darauf beschränken, für Deutschland und die
USA die wichtigsten Linien der historischen Entwicklung und wesentliche
Strukturen hochschulgebundener Journalistenausbildung nachzuzeichnen.
ebd.: 195-196 und Harnischmacher 2010: 152) etablierten sich 1959 die Deut-
sche Journalistenschule in München, 1978 die Henri-Nannen-Schule in Ham-
burg sowie weitere Journalistenschulen. Dies änderte aber nichts daran, dass
weiterhin das Volontariat als ein „Anlernsystem“ dominierte.
rem veröffentlichte er ohne Not Indiskretionen aus dem Privatleben Max Webers.
Obst wertet diese Veröffentlichung als eine Unbedachtheit, deren Tragweite Adolf
Koch nicht bewusst war. Max Weber fühlte sich gekränkt und musste mit einer
Beleidigungsklage antworten. Koch (vgl. ebd.: 197) starb im Jahr 1922.
Mit Max Weber scheiterte Adolf Koch ausgerechnet an dem Wissenschaft-
ler, der wie kein anderer seiner Zeit in Deutschland für eine sozialwissenschaft-
lich fundierte Journalismusforschung eintrat. Obst (vgl. ebd.: 190) entfaltet auch
diesen Zusammenhang: Auf dem Ersten Deutschen Soziologentag im Oktober
1910 in Frankfurt war es Weber, der als vordringlichste Aufgabe der Soziologie
eine umfassende Untersuchung der Presse forderte und eine Kommission zu ihrer
Vorbereitung einberufen durfte. Den Historiker Adolf Koch überging er dabei. In
der Folge entwickelte sich der Streit. Weber nahm in dem Konflikt einen Bruch
des Redaktionsgeheimnisses in Kauf, um sich durchzusetzen. Dies diskreditierte
ihn in der Presse und machte die geplante Presse-Enquete im Ansatz zunichte.
Auf diese Weise scheiterte Weber, umgekehrt, auch an Koch. Siegfried
Weischenberg (2010) hat diese Auseinandersetzung in einem ausführlichen jour-
nalistischen Beitrag in Die Zeit und in einem Buch über Max Weber (2012:
134 ff.) geschildert. Als tragisch erscheint das gegenseitige Scheitern, weil es in
der Auseinandersetzung nie um die Sache von Presse, Journalistik oder Journa-
listenausbildung ging, sondern stets nur um private Angelegenheiten. Der Kon-
flikt erwies sich aber als geeignet, die sozialwissenschaftliche Journalismusfor-
schung und hochschulgebundene Journalistenausbildung auf Jahrzehnte hinaus
schwer zu beschädigen.
Direkt aus dem Journalismus heraus, also abseits des universitären Betriebs,
gründete (vgl. Sösemann 2006: 1) der Redakteur und promovierte Jurist Richard
Wrede (vgl. 1902: 8) seine private Journalisten-Hochschule und wandte sich
damit gegen die Begabungstheorie vom (ebd.) „geborenen Journalisten“. Daniel
Müller (2005: n. p.) hat das „ausgeschlagene Erbe“ dieser Journalistenschule als
„erste Einrichtung zur hochschulgebundenen Journalistenausbildung“ untersucht.
Diese Einschätzung erscheint zwar zunächst fraglich angesichts der Arbeit
Adolf Kochs an der Heidelberger Universität, zumal Wrede ja gerade an keine
Universität angebunden war. Wrede (vgl. ebd.) aber hatte den ersten Entwurf
eines Lehrplans bereits 1893 vorgelegt, also Jahre vor den ersten Journalistik-
Veranstaltungen Adolf Kochs. Von dessen Arbeit erfuhr er erst 1902. In einer
Fußnote bei Wrede (1902: 20) heißt es: „Soeben, während der Revision der
Druckbogen, wird mir mitgeteilt, dass der a. o. Heidelberger Geschichtsprofessor
Adolf Koch ‚Praktische Übungen zur Einführung in die Journalistik‘ hält. Nähe-
res konnte ich noch nicht erfahren. R.W.“
Obwohl Wredes Schule nicht an das angebunden war, was man seinerzeit
unter einer Hochschule verstand, leistete sie sehr wohl auch eine theoretische
3.3 Entwicklungslinien und Strukturen 155
„[…] nicht ungern gesehen, wenn wenigstens die Vorlesungen, die ein angehender
Redakteur m. E. besuchen sollte, und die wir im Rahmen der Journalisten-
Hochschule bieten, an der Universität abgehalten werden könnten, damit wir uns
noch mehr den Uebungen [sic] widmen könnten, aber vorläufig ist dazu noch keine
Aussicht, sodass wir eben beides, Theorie und Praxis, pflegen müssen“.
„Die Vorbereitung nur durch ein akademisches Studium halte ich für ausgeschlos-
sen, die Vorlesungen und Uebungen [sic] unserer ‚Hochschule‘ sind für die jungen
Journalisten zur Ausbildung nötig, an welcher Universität würde man sie einzurich-
ten versuchen? Darum sei man vorläufig mit dem, was wir bieten, zufrieden.“
„Wenn eine derartige Vorbildung den jungen Redakteuren zu Teil geworden, dann
haben sie es nicht mehr nötig, als V o l o n t ä r e sich autodidaktisch stückweise ihre
Kenntnisse zu sammeln, und das wird ihnen selbst und den vielbeschäftigten Redak-
tionskollegen sehr lieb sein, denn ‚Volontäre‘ sind meist Herren, die den Redakteu-
ren im Wege stehen und sie durch allerhand Fragen in der Arbeit stören […].“
Das Beispiel Kischs aber zeigt, dass die Kombination einer hochschulgebunde-
nen Journalistenausbildung im heutigen Sinne mit einem Volontariat schon im
Jahr 1906 den Weg in den Journalistenberuf ebnete.
Müller (vgl. 2005: n. p.) zufolge stellte die Schule im selben Jahr 1906 ihren
Lehrbetrieb wieder ein. Gescheitert sei sie an der Missgunst von Journalisten, die
unter anderem die Konkurrenz der Absolventen fürchteten. Dabei zählte die
Einrichtung im Jahr 1904 gerade einmal elf Studierende.
Diese Zahl ist verschwindend gering angesichts der Dimensionen des damali-
gen Pressewesens. Wrede (vgl. 1902: 116-118) beziffert die Zahl der Zeitungen im
Deutschland des Jahres 1901, einer Erhebung des Vereins Deutscher Zeitungsver-
leger folgend, mit 3452. Darunter erschienen viele nur an einem oder wenigen
Wochentagen. Die 93 größten Zeitungen aber kamen mindestens je elfmal wö-
chentlich heraus, die beiden größten sogar 19- und 20-mal. Den großen Zeitungen
genügte ein Redaktionspersonal von sechs bis 20 Köpfen, den mittleren zwei bis
vier Redakteure, und viele der kleinsten, darunter die meisten Kreisblätter, arbeite-
ten ganz ohne Redakteure. Dort stellten Drucker-Verleger die Inhalte zusammen.
Müller (vgl. 2005: n. p.) hält Wredes Einrichtung für die „wohl weltweit
erste Journalistenschule“. Das stimmt so nicht: Zumindest in den USA gab es
schon 1870 eine Journalistenschule, und zwar bereits damals an einer Hochschu-
le.56 Es dürfte sich aber bei Wredes Gründung um die erste Journalistenschule in
Deutschland handeln. Es war auch die bis heute einzige Journalistenschule in
Deutschland, die neben praktischer Ausbildung mit einem an der Universität
orientierten hohen Anspruch im eigenen Haus theoretisch ausbildete.57 Späteren
56 Der ehemalige General Robert Lee begründete 1870, fünf Jahre nach dem Amerikanischen Bür-
gerkrieg, in dem er die Armeen der Konföderierten befehligte, und nunmehr als der Präsident des
Washington College, eine Journalistenausbildung in Lexington im Staat Virginia. Dieses Ausbil-
dungsangebot bestand nur wenige Jahre. Die Nachfolge-Hochschule Washington & Lee Universi-
ty bildet seit den 1920er-Jahren wieder Journalisten aus. (Vgl. http://www.wlu.edu/x52085.xml,
Zugriff am 27. April 2013)
57 Walter Hömberg (1978: 17) berichtet über die „Rundfunkschule“ des NWDR in Hamburg, „die
zwischen 1946 bis 1949 nicht nur medienbezogene handwerkliche Fertigkeiten, sondern auch
‚Allgemeinbildung‘ in verschiedenen gesellschaftsorientierten Fächern“ vermittelte. Von einer
Vermittlung auf Hochschulniveau ist in der Quelle aber keine Rede.
3.3 Entwicklungslinien und Strukturen 157
Walter Hömberg (1978: 10-11) schildert frühe Initiativen für geregelte Journalis-
tenausbildung, die von Berufsverbänden ausgingen. Die nachfolgenden Zitatio-
nen der Beschlüsse stammen aus ebd. So verabschiedete der Landesverband der
Bayerischen Presse auf seiner ersten Jahreshauptversammlung am 1. Oktober
1911 eine Resolution, die den Hauptvorstand beauftragte zu untersuchen, inwie-
weit Journalisten an höheren Bildungsanstalten ausgebildet werden sollten. Am
17. Juni 1912 beschloss der Delegiertentag des Reichsverbandes der deutschen
Presse, „der Frage der journalistischen Berufsausbildung eine erhöhte Aufmerk-
samkeit“ zukommen zu lassen. Die Delegierten fassten den Beschluss, „die wil-
den Institute zur Vorbereitung von Journalisten zu beseitigen“. Die Einrichtung
von entsprechenden Hochschulveranstaltungen fand aber keine Mehrheit. Der
Schlusssatz erhielt Zustimmung und wurde Programm für den Blick auf den
Journalistenberuf der nachfolgenden Jahrzehnte: „Der Delegiertentag geht von
dem Grundsatz aus, daß der journalistische Beruf ein freier Beruf bleibt und nach
wie vor der Begabung aus jedem Berufskreise offenstehen muß.“ Der Chefredak-
teur der Münchner Neuesten Nachrichten Martin Mohr wandte sich zwar auf
derselben Versammlung gegen die These, Journalismus beruhe auf Begabung,
und setzte sich für eine systematische, theoretisch fundierte universitäre Ausbil-
dung ein. Damit konnte er sich jedoch nicht durchsetzen.
Weiter Hömberg zufolge (vgl. 2006: 203) plädierte Mohr dann auf der De-
legiertenversammlung des Reichsverbandes der deutschen Presse im Juni 1913
für „die Zeitungskunde als Mutterdisziplin einer universitären Journalistenvor-
bildung, die wissenschaftlich-theoretische und journalistisch-praktische Lehrin-
halte integrieren sollte“. 1916 kam es in Leipzig zur Gründung des ersten deut-
schen Universitätsinstituts für Zeitungskunde durch den Ökonomen Karl Bü-
Hömberg (vgl. 1978: 11-12) zufolge kam die Diskussion um die Begabung als
vermeintliche Grundlegung des Journalistenberufs und Ersatz für geregelte Aus-
bildung Ende der 1960er-Jahre wieder in Bewegung. Günter Kieslich (vgl. ebd.:
60 Hömberg belegt mit: Koszyk, Kurt (1991): Karl Bücher und der Journalismus. Ein streitbares
Leben für die Zeitungskunde. In: Aviso, Jahrgang 2, Nr. 4: 11 ff.
61 Müsse nennt auf Seite 86 als Quelle des Zitats: „ZW Nr. 1/1934, Seite 1“.
3.3 Entwicklungslinien und Strukturen 159
204-205) legte auf der Sitzung des Deutschen Presserats am 29. Januar 1970 das
Arbeitspapier Probleme der journalistischen Aus- und Fortbildung vor. Dies
führte zum ersten Memorandum zur Journalistenausbildung des Deutschen
Presserates vom Januar 1971, als dessen Impulsgeber Hömberg (vgl. ebd.) Kurt
Koszyk und Wolfgang R. Langenbucher benennt, zu dessen Autoren aber auch
(vgl. Pätzold 2010: 315) der bereits Ende desselben Jahres gestorbene Günter
Kieslich gehörte. Die Begabungsthese war erfolgreich hinterfragt, die systemati-
sche Ausbildung von Journalisten fand erstmals ausreichende Zustimmung von
Journalisten, Wissenschaft und Politik, um Studiengänge an Hochschulen ein-
richten zu können. Ulrich Pätzold (ebd.) erinnert sich:
„Im Rückblick kann wohl behauptet werden, dass zu keiner anderen Zeit als in den
Jahren 1973 bis 1975 der Konsens so ausgeprägt war, neue Hochschuleinrichtungen
für die Journalistenausbildung und Journalismusforschung aufzubauen, in denen
Wissenschaft und Praxis in engen Handlungskontexten zusammengeführt werden
sollten. Dieser Konsens war so gefestigt, dass Journalisten- wie Verlegerverbände
davon ausgehen, diese neuen Hochschulmodelle würden die Regel der künftigen
journalistischen Bildungsarbeit.“
Die Dortmunder Journalistik (vgl. ebd.: 320-324) startete 1976 als Modellstudien-
gang und wechselte im Jahr 1980, mit der Integration der ganzen Pädagogischen
Hochschule Ruhr, als ständiges Angebot an die Universität, an die heutige Techni-
sche Universität Dortmund. Größere Forschungsprojekte begannen Pätzold zufolge
in Dortmund erst zwei Jahrzehnte nach der Gründung. Die Firmierung als „Journa-
listik“ bestand nicht von Anfang an, sondern es kam (ebd.) zu seiner „schleichen-
den Annahme“.
Das Dortmunder Angebot hochschulgebundener Journalistenausbildung
war schon von Anbeginn ein Sonderfall darin, dass es sich nicht wie die meisten
anderen Studiengänge an einem kommunikationswissenschaftlichen Institut
ansiedelte. Die Kommunikationswissenschaft ist in Dortmund ein Fach unter
mehreren, zu denen beispielsweise auch die medienbezogenen Rechtswissen-
schaften gehören. Das Dortmunder Institut für Journalistik gehört zur Fakultät
Kulturwissenschaften – neben dem Institut für Deutsche Sprache und Literatur,
dem Institut für Anglistik und Amerikanistik sowie dem Historischen Institut.62
Auch an der Katholischen Universität Eichstätt firmiert die Journalistik mit ei-
genständigen Studiengängen und nicht als Teil eines kommunikations- oder
medienwissenschaftlichen Instituts. Sie gehört dort zur Sprach- und Kulturwis-
senschaftlichen Fakultät.63 An diesen beiden Instituten wird deutlich: Hoch-
schulgebundene Journalistenausbildung in Deutschland ist keineswegs ein Un-
terbegriff von Kommunikationswissenschaft, sondern von Journalistik. Bei dieser
handelt es sich um ein eigenständiges, interdisziplinäres Fach.
Walter Hömberg (vgl. 2005: 207) zählte für das Jahr 1987, im „Jahrzehnt
der Institutionalisierung“ gegen dessen Ende und damit noch vor der Deutschen
Einheit, an Universitäten der Bundesrepublik Deutschland die Studiengänge für
Journalistenausbildung: Neben drei Hauptfachstudiengängen in München, Dort-
mund und Eichstätt waren es drei Nebenfachstudiengänge in Hamburg, Bamberg
und Gießen sowie drei Aufbau- und Ergänzungsstudiengänge in Mainz, Stutt-
gart-Hohenheim und Hannover. Hömberg (ebd.) fand in allen genannten Studi-
engängen weitgehende Übereinstimmung darin, dass sie eine „Integration von
theoretischer und praktischer Ausbildung“ anboten: „Das theorieorientierte Stu-
dium wird ergänzt durch Praxisphasen in den eigenen Lehrredaktionen und ex-
terne Praktika in Medienunternehmen.“ Übereinstimmung stellte Hömberg (vgl.
ebd.) auch darin fest, dass „Sach-, Fach- und Vermittlungskompetenzen zu-
gleich“ geschult werden sollten, sowie: „Ohne Ausnahme bieten sie eine mehr-
mediale Ausbildung an.“
„Darin wurden Strukturmerkmale festgeschrieben, die in vielen, aber längst nicht al-
len Volontariaten schon seit längerem selbstverständlich waren, wie z. B. die Be-
nennung eines Ausbildungsredakteurs, bzw. -redakteurin, überbetriebliche Ausbil-
dung von mindestens sieben Wochen, monatliche verlagsinterne Schulungen, Aus-
bildung in mindestens drei Ressorts und mindestens drei Redakteure/innen pro Vo-
lontär/in. […] Es folgten Tarifverträge für Zeitschriftenvolontariate und solche an
öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten.“
Der Tarifvertrag zwischen dem BVDZ als Vertreter seiner regionalen Mitglieds-
verbände mit dem Deutschen Journalisten-Verband e.V. und der IG Medien,
Druck und Papier, Publizistik und Kunst64 am 1. Juli 1990 (Deutscher Journalis-
ten-Verband 1990) gilt bis heute. Schon im ersten Satz der Präambel (vgl. ebd.:
2) ist festgehalten, dass die Vertragsparteien eine verpflichtende Ausbildung
jeglicher Art zum Journalistenberuf ablehnen, indem sie formulieren:
„Unbeschadet des freien Zugangs zum Beruf des Redakteurs/der Redakteurin stim-
men die Tarifvertragsparteien darin überein, dass eine systematische, Theorie und
Praxis einschließende Ausbildung der Verantwortung des Berufs des Redakteurs/der
Redakteurin entsprechen muss.“
Die Präambel stellt aber auch fest, was im selben Jahr Lutz Michel (vgl. 1990:
73) bei den Bindenden Grundsätzen noch als fehlend moniert hatte, nämlich die
Festschreibung, dass es sich beim Volontariat um eine Ausbildung handelt – und
nicht nur um eine Berufsvorbereitung.
Siegfried Weischenberg (vgl. 1998: 28-37) fasst die Geschichte der Begriffe hinter
den Benennungen Journalistik und Journalistenausbildung in der Deutschen De-
mokratischen Republik (DDR) zusammen. Die Karl-Marx-Universität Leipzig
bildete Journalistik-Studierende ab 1951 inoffiziell und seit der Gründung der
Fakultät der Journalistik 1954 auch offiziell zentral für das Staatsgebiet nach sow-
jetischen Vorbildern aus. Bald wurde die Fakultät in Sektion Journalistik umbe-
nannt, entwickelte sich zur (ebd.: 30) „später als ‚rotes Kloster‘ etikettierten Kader-
schmiede des sozialistischen Journalismus in der DDR“. Die Sektion für Journalis-
tik (vgl. ebd.: 32) war direkt der Abteilung Agitation und Propaganda beim Zent-
ralkomitee der SED unterstellt. Zwei von drei DDR-Journalisten begannen ihren
Berufsweg dort; insgesamt wurden mehr als 5000 Diplome ausgestellt. Das Studi-
enangebot (vgl. ebd.: 33-37), das über die Wende hinaus bis 1991 bestand, beinhal-
tete neben theoretischen, vor allem marxistisch-leninistischen Inhalten auch ein
umfassendes Übungssystem mit Lehrredaktionen.
Einen Schwerpunkt (vgl. ebd.: 35) der wissenschaftlichen Arbeit in Leipzig
bildete die marxistische Genreforschung. Diese hatte dem DDR-Autor Willy
Walther (zitiert in ebd.) zufolge ihren Sinn darin, den Journalisten „zu einer voll-
kommenen Beherrschung des journalistischen Instrumentariums zu befähigen“.
Im Jahr 1991 (vgl. ebd.: 37) ersetzte in Leipzig eine Journalistenausbildung
nach westdeutschen Vorbildern diese Schulung. In der Neugründung des Instituts
für Kommunikations- und Medienwissenschaft war die Journalistik einer von
mehreren Schwerpunkten neben u. a. Kommunikationswissenschaft und Öffent-
lichkeitsarbeit.
Gründungsdekan wurde der Westdeutsche Karl Friedrich Reimers, bis dahin
Ordinarius für Kommunikations- und Medienwissenschaften in München.65
Reimers hatte in seiner eigenen Jugend bereits zeitweise in Leipzig studiert.
Manfred Rühl (2011b) warnte im Kontext von Veränderungen in Leipzig
aus jüngerer Zeit davor,66 die Aktivitäten in der DDR mit einer Journalistenaus-
bildung zu verwechseln; terminologisch betrachtet verweigert er ihnen mit der
Ende der 1990er-Jahre und vor allem nach der Jahrtausendwende entstanden
zahlreiche außeruniversitäre Studiengänge für angehende Journalisten. Für den
Jahresbeginn 2007 listete Eva Nowak (vgl. 2007: 274-277) 17 Fachhochschulen
mit solchen Angeboten auf.
Theorie und Praxis im Studium integrieren zu wollen ist eines der Grün-
dungsversprechen auch von Journalistenausbildung an Fachhochschulen. Die
erste von ihnen mit einem Journalistik-Studium, die Fachhochschule Hannover
(1999: Blatt 3), argumentierte im Antrag auf die Gewährung von Bundesmitteln
für den Modellversuch Journalistik aus dem Jahr 1999 mit einem Angriff auf die
universitäre Journalistenausbildung:
„Die universitären Angebote sind wissenschaftlich ausgerichtet und können den ho-
hen Bedarf an Praxisanteilen überhaupt nicht oder nur sporadisch z. T. durch Lehr-
verpflichtungen erfüllen. Auf die sich ständig wandelnden Anforderungen des Ar-
beitsmarktes kann nur begrenzt bzw. unzureichend reagiert werden.“
Eva Nowak (vgl. 2007: 266-282) gliedert die Angebote außerbetrieblicher Jour-
nalistenausbildung nach drei Organisationsformen. In meinem Kontext wären
dies Unterbegriffe von Ausbildungsorganisation: Universitäten und Fachhoch-
schulen (52 Angebote), Journalistenschulen und Stiftungen (26 Angebote) sowie
Fort- und Weiterbildung (27 Angebote). Zu Letzteren zählt Nowak auch Anbie-
ter von Volontärkursen und andere Organisationen außerhalb von Hochschulen
und journalistischen Betrieben. Einige Angebote erscheinen in mehreren Katego-
rien. Nowaks akribisch recherchierte Liste mit Stand Anfang 2007 wirft ein
Schlaglicht auf den Stand der bereits erreichten Ausdifferenzierung vor einem
halben Jahrzehnt – und zwar sowohl nach Orten als auch nach den drei Organi-
sationsformen geordnet. Dieser Überblick ist leicht zugänglich, weil die gesamte
Arbeit ohne Zugangsbeschränkung online abrufbar ist.84
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV 2008b) gab ein Jahr nach Nowaks
Veröffentlichung die Publikation Journalist/in werden heraus, eine Übersicht der
Ausbildungsgänge im Journalismus und auch über hochschulgebundene Journa-
listenausbildung. Die Redakteurin der Zusammenstellung und damalige Chefre-
dakteurin der DJV-Mitgliederzeitschrift Journalist Ulrike Kaiser (vgl. ebd.: 18)
bezifferte die damalige Zahl der Volontariatsplätze in Deutschland auf 2600.
Davon entfielen rund 1100 auf Tageszeitungen, ca. 800 auf Zeitschriften, mehr
als 400 auf regionale und lokale private Hörfunkstationen und ca. 200 auf große
Rundfunkanstalten und -unternehmen. Über die Zahl und Verteilung von Prakti-
kums- und Hospitanzplätzen macht die Quelle keine Angaben. Ausgewiesen sind
Anschriften und kurze Skizzen der außerbetrieblichen Angebote. Demnach boten
15 Rundfunkanstalten und -unternehmen die bereits erwähnten ca. 200 Volonta-
riatsplätze an sowie zumeist auch Hospitanzen oder Praktika. Als Anbieter von
Volontärskursen listet das Buch 12 Institutionen. Des Weiteren nennt die Über-
sicht 17 Journalistenschulen. Die Studienangebote an Hochschulen, von der
Berufsakademie über die Fachhochschule bis zur Universität, bezeichnete Kaiser
(ebd.: 33) schon damals als „fast unüberschaubar“. Die Übersicht unterscheidet
nach grundständigen Angeboten (6 Studiengänge) und Aufbau-Studiengängen (7
Studiengänge) für Journalismusausbildung ohne fachliche Spezialausrichtung.
Dem schließt sich die Rubrik Spezielle Fachschwerpunkte (28 Anbieter) an.
Einige der dort versammelten Studiengänge bilden nicht spezifisch für den Jour-
nalistenberuf aus, so zum Beispiel die Bachelor- und Master-Studiengänge Me-
dienkultur, Europäische Medienkultur und Medienmanagement der Bauhaus-
Universität Weimar, die sich unter teilweise anderer Benennung der Studiengän-
ge weiterentwickelt haben.85
Es gab keine Neuauflage der Publikation, wohl aber eine Online-Übersicht
Journalistenschulen/Studium,86 in einer Sisyphusarbeit redigiert und laufend aktua-
lisiert von Ulrike Kaiser, die ein weiteres Wachstum der Angebote anzeigt. Mit
Stand 28. April 2013 erscheinen dort: 5 „grundständige Journalistik-Studiengänge
mit integrierter praktischer Ausbildung“ (Universitäten und Fachhochschulen), 5
„Aufbau-Studiengänge“ (Master-Studiengänge an Universitäten), als „Auswahl“
47 „journalistische Studiengänge mit speziellen Fachschwerpunkten“ (Universitä-
ten, Fachhochschulen, Kunsthochschulen und anderen Instituten), 11 „Studiengän-
ge mit Schwerpunkt Multimedia“ mit teilweisem Bezug zu Journalismus und wei-
tere Angebote im Kontext von Medien. Dieser Sammlung zufolge gibt es in
Deutschland mindestens 68 Studiengänge hochschulgebundener Journalistenaus-
bildung. Kaiser (vgl. ebd.) listet darüber hinaus 24 Journalistenschulen auf.
Eine laufend aktualisierte Zusammenschau von Journalistenausbildung an
Hochschulen bietet die Hochschulrektorenkonferenz an. Die Fachsuche ihres elekt-
ronischen Hochschulkompasses87 generierte zum Stichwort „Journalistik“ am 11.
September 2010 noch Informationen zu 44 Studiengängen. Am 11. Februar 2011
waren es bereits 51 und am 28. April 2013 sogar 55. Manches davon mag zwar bei
genauerer terminologischer Betrachtung als Journalistik nicht bestehen. Wohl aber
wird auch hier ein aktuell starkes Wachstum der Zahl von Studiengängen im weite-
ren Kontext von Journalistenausbildung in Deutschland deutlich.
Zum Zeitpunkt der Untersuchung von Weischenberg/Malik/Scholl (vgl.
2006: 67) im Jahr 2005 hatten diejenigen Journalisten in Deutschland, die min-
destens die Hälfte ihrer Arbeitszeit auf den Journalistenberuf verwenden oder
mindestens die Hälfte ihres Einkommens mit Journalismus verdienten und nach
diesem Kriterium als „hauptberuflich” eingestuft wurden, höchst unterschiedli-
che Ausbildungswege beschritten. 69 Prozent hatten ein Praktikum absolviert, 62
Prozent ein Volontariat. 14 Prozent hatten eine Journalistenschule besucht. Jour-
nalistik im Haupt- oder Nebenfach studiert hatten 14 Prozent, Publizistik bzw.
Kommunikations- oder Medienwissenschaft 17 Prozent. 14 Prozent waren auf
sonstigen Aus- und Weiterbildungswegen in den Journalismus gelangt. Auffällig
an den Zahlen dieser repräsentativen empirischen Untersuchung zur Lage der
Journalisten in Deutschland ist, dass im Vergleich mit dem Jahr der vorherge-
85 Vgl. http://www.uni-weimar.de/cms/medien/medienkulturemkefms/studiengaengeprogramme.
html, Zugriff am 27. April 2013.
86 Vgl. http://www.djv.de/en/startseite/infos/themen-wissen/aus-und-weiterbildung/journalisten
schulenstudium.html, Zugriff am 28. April 2013.
87 Vgl. http://www.hochschulkompass.de/studium/suche.html?tx_szhrksearch_pi1%5Bsearch%5D
=1&genios=&tx_szhrksearch_pi1%5Bfach%5D=Journalistik&tx_szhrksearch_pi1%5Bstudtyp%
5D=3&x=47&y=11, Zugriffe am 11. September 2010, 11. Februar 2011 und 28. April 2013.
3.3 Entwicklungslinien und Strukturen 169
henden Erhebung 1993 der Anteil der Journalistik-Studierten von 21 auf 14 Pro-
zent gefallen war. Die Frage, ob das seitdem starke Wachstum der hochschulge-
bundenen Angebote diesen Trend gestoppt oder sogar gedreht hat, könnte nur
eine neue große Erhebung klären.
Trotz der gewachsenen und zumindest in der Vielgestaltigkeit weiterhin
wachsenden hochschulgebundenen Journalistenausbildung verlaufen in Deutsch-
land die Wege in den Journalistenberuf weiterhin außerordentlich vielfältig. In der
nicht hochschulgebundenen Ausbildung spielen, neben dem Volontariat und Jour-
nalistenschulen, auch Autodidaktik und Praktika wichtige Rollen. Praktikanten im
Journalismus sind in aller Regel Personen, die ein Hochschulstudium absolvieren
oder bereits absolviert haben. Damit haben sie zwar nicht eine Ausbildung, aber
Ausbildung für den Beruf Journalist vorzuweisen, im Falle eines gut strukturierten
Praktikums als eine Form „organisierten Lernens“ vielleicht auch eine Ausbildung.
Das Volontariat als Option für Studienabbrecher, wie es vor Jahrzehnten
häufig vorkam, spielt kaum noch eine Rolle. Wie Walter Hömberg (2010: 309)
feststellt, ist ein Studienabschluss „[…] meist sogar die Bedingung für ein Vo-
lontariat […]“. Mit jedem abgeschlossenen Studium bringen Volontäre schon
viel Ausbildung mit.
In den USA mit ihrer eigenen Kultur und Geschichte stellen sich Entwicklungsli-
nien und Strukturen von Journalistenausbildung in vielen Punkten sehr viel anders
dar als in Deutschland, obwohl auch Parallelen erkennbar sind. Der erste Zusatzar-
tikel der Verfassung garantiert die Rede- und Pressefreiheit. Daher verbietet sich,
im Ergebnis ähnlich wie in Deutschland durch das Grundgesetz, jede staatliche
Zwangsreglementierung des Berufszugangs. Ein Volontariat wie in Deutschland
als von den Medien selbst und Berufsverbänden regulierten Zugang zum Journalis-
tenberuf gibt es in den USA nicht. Wohl aber kennt dort der Journalismus mit dem
allgemein akzeptierten Journalistik-Studium eine zwar nicht gesetzlich fixierte,
informell aber wirksame Regelvoraussetzung für den Berufszugang.
Michael Harnischmachers (2010: vgl. 67-162) Historien sowohl des Hoch-
schulwesens als auch von Journalistenausbildung in Deutschland und in den
USA sind auch die jüngste mir bekannte Zusammenfassung der amerikanischen
Entwicklungen in einer Veröffentlichung aus der deutschen Journalistik. Diese
gut gelungene Übersicht auf 95 Seiten muss nicht wiederholt werden. Um die
Geschichte von hochschulgebundener Journalistenausbildung in den USA und
deren Grundbegriffe zu skizzieren, stütze ich mich deshalb in diesem Punkt auf
Harnischmachers Darstellung und ergänze sie um nur wenige weitere Informati-
onen und den Versuch einer Klärung zentraler Begriffe.
170 3 Hochschulgebundene Journalistenausbildung
30. September 2009, Elektronischer Anhang C: 48-49) auf einige für das Ver-
ständnis des amerikanischen Hochschulsystems wichtige historische Aspekte
hin, insbesondere den massiven Ausbau einzelstaatlicher Universitäten im 19.
Jahrhundert infolge der bahnbrechenden Gesetzgebung des Morrill Act:
“[…] in 1862, Congress passed the Morrill Act, which established land-grant colleg-
es. And this was really quite a different idea of universities from what prevailed in
Europe, what started in Europe. It was the university as an institution to teach practi-
cal skills that you could take into the workplace. Not to do pure research. So in
1900, these universities that had been established that were still by current standards
quite small. By, say, 1970, you had mass higher education in the United States,
which was really unknown in Europe, especially at the time. But the reason it was
mass higher education was that it wasn’t on the research university model, really. It
was on the model of skills education. […] The typical university in America would
teach things that not would have occurred to a traditional European university [to]
teach. Journalism was one of them. But, you know: Accounting, geology, agricul-
ture, animal husbandry, all of these were taught in universities in the United States,
and by and large not taught in Europe. And […] it was because of teaching those
things that universities became a mass experience in the United States.”
Für die Zeit von ca. 1983 bis 2003 sieht Harnischmacher (vgl. ebd.: 108,
130-133) eine fünfte Phase, Konsolidierung, mit diversifizierten Ausbildungsan-
geboten für verschiedene Medienbereiche und einer (ebd.: 108) „Stärkung der
Journalismus- und Ausbildungsforschung“.
Die sechste Phase bei Harnischmacher (vgl. ebd.: 108, 137-143), Rückbe-
sinnung oder Innovation?, dauert bis heute an: Hochschulgebundene Journalis-
tenausbildung in den USA, so der Autor (ebd.: 107), befindet sich in einer „Iden-
titätskrise“. Sie ergebe sich (vgl. ebd.: 106-108) aus der ungelösten Spannung
zwischen den Konzepten der Anfangszeit und der sozialwissenschaftlichen,
akademischen Ausrichtung. Auch die medialen Entwicklungen seit den 1990er-
Jahren würden zu dieser Orientierungskrise beitragen.
Diesen Identitätskonflikt kann es in Deutschland schon deshalb nicht geben,
weil die Einrichtungen der ersten Gründerzeit vor mehr als einem Jahrhundert
nicht überlebt haben. Hochschulgebundene Journalistenausbildung in Deutsch-
land war nach ihrer Neugründung in den 1970er-Jahren immer auch akademisch
ausgerichtet und ist es, zumindest an Universitäten und Fachhochschulen, wei-
terhin. Die Frage, ob Journalistenausbildung auch akademische Komponenten
aufweisen soll, stellt sich somit in Deutschland gar nicht erst.
David Weaver (vgl. 2003: 50) gibt in einem Überblick aus dem Jahr 2003 für
die USA dieselben ersten vier Phasen an, sieht aber die vierte Phase zu dieser Zeit
noch andauern. Die Etablierung der sozialwissenschaftlichen Journalismusfor-
schung begann ihm zufolge im Jahr 1927 mit der Einrichtung eines Ph.D. minor in
journalism, das Äquivalent wäre Nebenfach, für Journalismus in Promotionsstudi-
engängen der Politikwissenschaft und Soziologie an der University of Wisconsin.
Den institutionellen Beginn der vierten Phase datiert Weaver (vgl. ebd.) auf die
Einrichtung der Abteilung für Journalismusforschung an der University of Min-
nesota im Jahr 1940. An anderer Stelle (vgl. ebd.: 52) hebt Weaver das starke
Wachstum des Anteils von Frauen an den Journalismusstudierenden der Under-
graduate-Stufe hervor. Im Jahr 1977 hatte die Zahl der Frauen erstmals die der
Männer überstiegen, nachdem die Verteilung vier Jahrzehnte lang bei 40 zu 60
gelegen hatte. 1988 hatte sich das Verhältnis umgekehrt: auf 61 zu 39 Prozent.
Wie Harnischmacher (vgl. 2010: 144-145) darlegt, sind die communications
als Wissenschaft über den Journalismus nur in wenigen Fällen (wie an der Grady
School of Journalism in Athens, Georgia) an für den Journalistenberuf ausbil-
denden Instituten angesiedelt. Zumeist findet man sie an Instituten für communi-
cations, die sich in dezidierter Abgrenzung zu Journalistenausbildung entwickelt
haben. Die meisten Professoren und Lehrbeauftragten der journalism education
in den USA sind erfahrene Journalisten, nur sehr wenige aber Journalismusfor-
scher; die wissenschaftliche Erforschung des Journalismus ist vergleichsweise
schwach ausgeprägt geblieben.
174 3 Hochschulgebundene Journalistenausbildung
“[…] the sense that if it’s just trade school education, it doesn’t belong in universi-
ties. So the question has always been if you frame it that way: What would be the
justification for having journalism education in universities? And the answer tradi-
tionally has been: Well, we can do communications research, and create communi-
cations research as scholarly discipline. Now, I should say: Even that has been done
only up to a point. And you cannot get a Ph.D. in communications at most of the
elite American research universities. Here you can, [also at the] University of Penn-
sylvania, [but] none of the other Ivies, [such as the] University of Chicago. That’s
really serious institutions consider it second grade and don’t offer degrees in it.”
93 Vgl. Columbia University, The Journalism School, 22. September 2009: M.S. Fall 2009 Cur-
riculum; M.S. Spring 2009 Curriculum. Im Anhang B ist dieser Lehrplan, mit Ergänzungen von
mir zur Codierung, vollständig wiedergegeben.
176 3 Hochschulgebundene Journalistenausbildung
“So there is always this sort of quest for academic legitimacy. So when I was ap-
pointed Dean here it was in one of the repeating moments of trying to see if journal-
ism could be kind of upgraded to become part of the real life of a research universi-
ty. So I was appointed with a very specific and controversial charge from our Presi-
dent […] to upgrade the academic content of the school. And I’ve done that, trying
to do that mainly through the MA program, which is now in its fifth year, but some
of this has sort of migrated back a bit to the MS program. But […] we also have a
Ph.D. program, which started before I came, but I think we have enhanced it in the
last few years. And I am involved in a number of other efforts to try to sort of gener-
ally define more crisply and raise the intellectual level of journalism education. I
don’t know if they work or not. So I believe very strongly that in terms of your table
journalism, I particularly believe that journalists should be trained to interact with
this row here, (3), (7), (11), ‘External Disciplines’. Universities are an easy place to
do that, obviously, it’s very teachable and it makes you a better journalist if you
know how to read research produced in other disciplines.”
“[…] in the U. S. system of journalism education, two thirds of the course work is
also not in journalism. It’s in learning about society and what do you know about
government, and how government affects the lives of all of us. And what do you
know about history? Can you place things in […] context? Can you think critically?
Critical thinking skills [are] really, really important these days. Being able to ana-
lyze situations, come to conclusions, find the right experts to support you. It’s al-
most like the scientific method, if you will.”
Die Elemente der Liberal Arts können in meinem Begriffsplan durchaus als
Theorie verortet werden: nicht als Theorie der Journalismuswissenschaft im Feld
(10), sondern diejenige Externer Disziplinen im Feld (11). Bei den Liberal Arts
handelt es sich um Unterricht, wie er in Deutschland mit der gymnasialen Ober-
stufe einschließlich des von Fachhochschulen geforderten Fachabiturs bereits
3.3 Entwicklungslinien und Strukturen 177
Michael Harnischmacher (2010: 210) ermittelte für die Jahre 2006 und 2007
unter 91 leitenden Redakteuren in Deutschland, dass nur 4,4 Prozent von ihnen
ein abgeschlossenes Journalistik-Studium ohne Volontariat als „sehr geeignet“
für die Vorbereitung auf die Arbeit als Journalist ansehen. Zusammen mit weite-
ren 25,3 Prozent, die ein Journalistik-Studium als „eher geeignet“ einstuften, lag
die positive Bewertung als grundständige Berufsausbildung immer noch bei
unter 30 Prozent. Ein abgeschlossenes Journalistik-Studium in Kombination mit
einem Volontariat hingegen erzielte 49,5 plus 37,4 Prozent, insgesamt also fast
87 Prozent als „eher geeignet“. Auf eine höhere Zustimmungsquote kam nur
„Abgeschlossenes Fachstudium + Volontariat“ mit 72,5 Prozent „eher geeignet“
plus 18,7 „sehr geeignet“, also für beide Einschätzungen zusammen eine Zu-
stimmung von mehr als 91 Prozent.
In den USA halten in Harnischmachers Untersuchung (vgl. ebd.: 208) von
144 befragten Chefredakteuren 68,9 Prozent ein Hauptfach-Bachelorstudium für
„sehr geeignet“ zur Vorbereitung auf die Arbeit als Journalist und 25 Prozent für
„eher geeignet“. Mit insgesamt fast 94 Prozent Zustimmung war damit zur Zeit
der Befragung die grundständige hochschulgebundene Journalistenausbildung in
den USA unter denjenigen, die Nachwuchsjournalisten einstellen, sehr viel stär-
ker als berufsbefähigend akzeptiert als in Deutschland. Unklar bleibt, welche
amerikanischen Formulierungen „sehr geeignet“ und „eher geeignet“ übersetzen.
Bei oberflächlicher Betrachtung bietet sich als Erklärung für die sehr viel
höhere Akzeptanz des Journalistik-Studiums als berufsbefähigende Ausbildung
in den USA, neben der stark an der profession ausgerichteten journalism educa-
tion, das Fehlen des Volontariats im deutschen Begriff an. Dies aber wäre zu
kurz gegriffen.
Ich sehe in den USA eine informelle Form des Volontariats im Sinne eines
Anlernens wie in Deutschland, aber unter Verzicht auf externe Kurse. Die Hal-
tung deutscher leitender Redakteure, das Journalistik-Studium ohne Volontariat
sei nicht berufsqualifizierend, kann sich nur auf die Eignung der Absolventen als
voll einsatzfähige Redakteure beziehen. Auch in den USA erwartet man kaum,
dass frisch examinierte Journalistik-Absolventen die Stelle eines voll einsetzba-
ren Redakteurs ausfüllen könnten. Auch dort werden Berufsanfänger in Betrie-
ben sozialisiert, auch dort nehmen sie erst damit „Stallgeruch“ an. So wie deut-
sche Absolventen sich im Volontariat bewähren und einarbeiten müssen, gilt dies
für amerikanische Absolventen in Einstiegspositionen. Die Anfängergehälter
entsprechen keineswegs denen voll einsatzfähiger Redakteure. Sie liegen auf
verblüffend ähnlichem Niveau wie Volontärsvergütungen in Deutschland.
Eine Modellrechnung mit mir verfügbaren Zahlen des Jahres 2007 macht
dies deutlich: Für die USA bewegten sich die Einstiegs-Jahresgehälter für Tages-
3.3 Entwicklungslinien und Strukturen 181
der Raum, weniger produktiv als Redakteure sein zu dürfen, ist die Kombination
eines Journalistik-Studiums, vor allem das an einer staatlichen Hochschule mit
vergleichsweise geringen Gebühren, mit einem Volontariat in Deutschland für
Berufseinsteiger ökonomisch sehr viel vorteilhafter als der Einstieg in den USA
nach einem fast ausnahmslos mit hohen Summen gebührenpflichtigen Journalis-
tik-Studium, an dessen Ende für viele Studierende aus wirtschaftlich schwachen
Familien ein Schuldenberg steht.
Der Journalistik-Professor an der University of California Berkeley Ben
Bagdikian (1977: 92) kritisierte in der Publikumszeitschrift The Atlantic die
Abwesenheit einer systematischen innerbetrieblichen Journalistenausbildung in
den USA als Abwälzung der Last auf Hochschulen. Er stellte fest, das “technical
training does not require a university setting” und erklärte, warum dennoch
Hochschulen auch diesen Part der Ausbildung übernehmen:
Rühl (vgl. ebd.: 35) hebt hervor, dass es sich um eine gedankliche Unterschei-
dung auch zwischen zwei Phasen des Professionalisierungsprozesses handelt, die
empirisch noch nicht gesichert sei.
Eine wichtige Frage für die Akzeptanz hochschulgebundener Journalisten-
ausbildung scheint mir zu sein, ob auch die Berufssozialisation im Studium
schon in einem Maße geleistet werden kann, dass die Absolventen als Journalis-
ten einsetzbar sind. Wenn deutsche Verlage, anders als in den USA, weiterhin
bereit sind, für die Ausbildung erhebliche Mittel aufzuwenden, so ist dies ein
Indiz für ihr Engagement, sich neben der in ihrem Begriff richtigen Berufsaus-
bildung auch und gerade die Gestaltung der Berufssozialisation vorzubehalten.
Dieser Aufwand wird auch für solche Volontäre getrieben, die ein Journalistik-
Studium absolviert haben.
Hier kommt ein wesentliches Element zumindest hochschulgebundener
Journalistenausbildung ins Spiel: nämlich den Journalismus durch Ausbildung zu
verbessern und dafür den Studierenden die Berufsausbildung außerhalb des jour-
nalistischen Milieus zu ermöglichen, das dazu neigt, sich selbst zu reproduzieren.
Dies kann von Verlagen als Bereicherung verstanden werden, aber auch als Be-
drohung der von ihnen gewünschten Sozialisierung.
Indes sind das Volontariat in Deutschland oder die Festanstellung in einer
Einstiegsposition in den USA längst keine Selbstverständlichkeit mehr. Sowohl
in den USA als auch in Deutschland führt der Weg oftmals zunächst durch nicht
oder gering bezahlte Praktika und endet mitunter auch dort.
111 Deuze belegt mit Gaunt, Philip (1992): Making the Newspapers: International handbook of
Journalism training, Westport, CT: Greenwood Press.
184 3 Hochschulgebundene Journalistenausbildung
na Holtz-Bacha (vgl. 2003) zusammenfasst. Deuze (2006: 22) gliedert die Jour-
nalistenausbildung weltweit in “five distinct types”, die ich hier unter Wiederga-
be seiner Benennungen paraphrasiere und kommentiere:
1) Training at schools and institutes generally located at universities [Auf
diesen Typus entfallen bei Deuze die USA]; 2) Mixed systems of stand-alone and
university-level training [Hier verortet Deuze Deutschland, mit Journalistenschu-
len und Universitäten sowie Fachhochschulen, wobei Fachhochschulen internati-
onal als Universitäten für angewandte Wissenschaften gelten]; 3) Journalism
education at stand-alone schools [Als Beispiel für Länder, an denen Journalis-
tenschulen dominieren, nennt Deuze Dänemark]; 4) Primarily on-the-job trai-
ning by the media industry, for example through apprenticeship systems [Deuze
nennt für die Dominanz der Volontariate unter anderem Österreich und Japan]
und 5) All of the above, and particularly including commercial programs at
universities as well as in-house training by media companies [Deuze nennt unter
anderem Osteuropa].
Ich selbst ordne in dieser Gliederung Deutschland mit seiner großen Vielfalt
der Ausbildungswege eher der fünften Kategorie zu. Zum einen spielt das Volon-
tariat neben dem Studium, wie oben ausgeführt, weiterhin eine sehr wichtige
Rolle. Zum anderen haben sich seit dem Erscheinen des Artikels von Deuze auch
Studiengänge an privaten Fachhochschulen, beispielsweise der Macromedia
Hochschule für Medien und Kommunikation, etabliert, die als “commercial pro-
grams at universities” gelten können, so wie es seitdem auch ein starkes Enga-
gement für “in-house training by media companies” gegeben hat, beispielsweise
die Axel-Springer-Akademie in Berlin, die sich selbst als „Deutschlands fort-
schrittlichste Journalistenschule“ und „Deutschlands beste Journalistenschule“
sowie „exklusiver Kooperationspartner der Columbia Graduate School of Jour-
nalism“112 bezeichnet.
Deuze (vgl. ebd.: 23) hat die internationale Fachliteratur zu Journalisten-
ausbildung, bestehend aus Forschungsberichten, Fachzeitschriften des Journa-
lismus sowie nationalen und regionalen Synopsen, als die Beschäftigung mit
zehn fundamentalen Fragestellungen konzeptionalisiert, die ich hier zunächst mit
den von ihm verwendeten Benennungen und Erklärungen wiedergebe:
4. Orientation: “on what aspect (or aspects) of journalism is the education based
(such as: the media, genres, or functions of journalism in society)?”
5. Direction: “what are the ideal characteristics of those graduating?”
6. Contextualization: “in what social context is journalism education grounded?”
7. Education: “is journalism education a socializing or an individualizing agent?”
8. Curriculum: “how is the balance between practical and contextual knowledge re-
solved?”
9. Method: “what is the structural or preferred pedagogy, and why?”
10. Management and Organization: “how is journalism education organized?”
Deuzes Gliederung halte ich für ein nahezu vollständiges Begriffssystem zur
Einordnung von Fragen zu Journalistenausbildung. Die vorliegende Arbeit fo-
kussiert auf den achten Punkt, Curriculum, und zwar das durch Curricula organi-
sierte Lerngeschehen. Als Ergänzung des Begriffssystems schlage ich vor:
Gleichzeitig verstehe ich die Begriffsarbeit als elementaren Teil eines jeden der
zehn von Deuze postulierten Fragenkomplexe. Mit der Benennung zentraler
Fragestellungen leistet Deuze eine wichtige Begriffsarbeit.
186 3 Hochschulgebundene Journalistenausbildung
Die im Kapitel 3.2. bereits dargelegten Begriffe der Kontexte Journalismus und
Hochschule sowie die historischen und strukturellen Einordnungen im Kapitel
3.3. bilden die Grundlage, um nun auch spezifische Begriffe für Journalistenaus-
bildung zu analysieren.
„[…] ob wir eigentlich die ‚richtigen‘ Journalisten haben: Gut ausgebildete, mutige,
reflektierende Personen, die uns ins Bild setzen können, Orientierung geben, glaub-
würdig sind und frei von Vorurteilen; und die uns kein I für ein U vormachen – U
wie Unterhaltung, I wie Information.“
Ben Bagdikian (1977: 84) erklärt, wie Journalistenausbildung das unterstützt, was
ich im Kapitel 3.2.10 Haltung nenne. Er benennt diesen Begriff mit dedication:
„Es geht letztlich um die Durchleuchtung von Institutionen auf ihre Abhängigkeit
vom Publikum.“
Die Journalistenausbildung hat viele Publika. Jedes davon verfolgt eigene ökono-
mische und politische Interessen, die mit den normativen Interessen nicht unbe-
dingt in Konflikt geraten, aber ebenso wenig übereinstimmen müssen. Die Abhän-
gigkeiten von den Publika und deren Interessen zu analysieren kann die vorliegen-
de Arbeit nicht leisten. Hier muss ein Aufriss grundsätzlich möglicher Interessen-
lagen genügen, um zumindest deren Dimension aufzuzeigen und es dann anderen
Forschungen zu überlassen, sie umfassend zu analysieren. Ich biete diesen nicht
empirisch abgesicherten Aufriss an, weil ich bisher nirgendwo eine Zusammen-
schau der möglichen Publika von Journalistenausbildung gesehen habe.
Studierende/Auszubildende:
Qualifikation und Kompetenzen für den gelingenden Berufseinstieg und das
Ausüben des Berufs erwerben. Dies steigert „employability“ und damit für
Absolventen eine Wertsteigerung ihrer Arbeitskraft auf dem Arbeitsmarkt.
Nützliche Netzwerke für das Berufsleben aufbauen.
Einen zeitlich begrenzten Freiraum nicht nur für Ausbildung, sondern auch
für Bildung und für die Chance gewinnen, frei von den Zwängen der Er-
werbstätigkeit über Journalismus zu reflektieren und mit Journalismus zu
experimentieren.
Einen zeitlich begrenzten Freiraum gewinnen, das Leben zu genießen, be-
vor die Zwänge der Erwerbstätigkeit greifen, und damit eine positive Le-
benseinstellung zu entwickeln und sich für gesellschaftlich-politische Be-
lange zu engagieren. Diese Chance wird zerstört, wenn Ausbildungen so
sehr mit Leistungsanforderungen überfrachtet sind, dass keine Zeit mehr
bleibt für Muße oder Engagement in einer wichtigen Lebensphase.
Rezipienten:
Als Verbraucher: Garant dafür, eine angemessene Gegenleistung für den
Kaufpreis von Medienprodukten und die Zahlung von Rundfunkbeiträgen
zu erhalten.
Als Staatsbürger: die Befähigung von Journalisten, ihnen die Informationen
und Meinungen zu vermitteln, die sie in einer demokratisch verfassten Ge-
sellschaft zur Teilhabe oder in anders verfassten Gesellschaften zur Durch-
setzung ihrer Interessen benötigen.
Als Staatsbürger demokratisch verfasster Gesellschaften: Selbstsicherung
demokratisch verfasster Gesellschaften durch die Befähigung angehender
Journalisten, die notwendige demokratisch-diskursive Öffentlichkeit herzu-
stellen und
damit dem ökonomischen Druck auf journalistische Qualität entgegenzu-
wirken.
Staat:
Als Finanzier von Studiengängen bildungspolitische Selbstlegitimation.
In demokratisch verfassten Gesellschaften, wie oben für seine Bürger:
Selbstsicherung der demokratisch verfassten Gesellschaften durch die Befä-
higung angehender Journalisten, die notwendige demokratisch-diskursive
Öffentlichkeit herzustellen und damit dem ökonomischen Druck auf journa-
listische Qualität entgegenzuwirken.
Mit Ausbildung von Personen aus dem Ausland oder im Ausland auf das
politisch-journalistische System anderer Staaten einwirken.
Mit Ausbildung von Personen aus dem Ausland oder im Ausland Entwick-
lungshilfe leisten.
Für das Wirtschaftssystem mit Mitteln des Staates die Befähigung angehen-
der Journalisten herstellen, profitablen und damit wirtschaftlich erfolgrei-
chen Journalismus zu produzieren oder in anderen Funktionen gewinnbrin-
gend zu arbeiten, zum Beispiel in Public Relations.
190 3 Hochschulgebundene Journalistenausbildung
Dieser Aufriss ist ein erster Versuch, mögliche ökonomische und politische Inte-
ressen unterschiedlicher Publika an Journalistenausbildung aufzuzeigen und zu
ordnen, die über das universell-normative Interesse hinausgehen, angehende Jour-
nalisten zu befähigen, ihren Beitrag zur Qualität und Moral des Journalismus zu
leisten, ihre Aufgaben zu kennen und Haltung für Journalismus zu wahren.
Horst Pöttker (2008: 65) zufolge „erweist sich der von uns Wissenschaftlern
so gern beklagte Widerspruch zwischen ökonomischen und professionellen Inte-
3.4 Grundbegriffe journalistischer Ausbildung 191
ressen als ziemlich oberflächlich“. Auch Ärzte, Pfarrer, Richter und Lehrer, so
Pöttker, lassen sich für ihre Tätigkeit bezahlen. Pöttker weist auch darauf hin,
dass „die meisten Regeln dessen, was uns als guter Journalismus gilt – vom Ge-
genchecken bei der Recherche über die Pyramidenform der Nachricht bis zur
Trennung von Fakt und Meinung – im amerikanischen Journalismus entstanden“
sind. „Und zwar nicht trotz, sondern wegen des durch und durch kommerziellen
Mediensystems der USA“, weil das Publikum Professionalität erwartet.
Inwieweit diese Beobachtung für die USA durch den großen ökonomischen
Erfolg ideologisch voreingenommener – und damit professionelle Standards wie
Wahrhaftigkeit und Ausgewogenheit dezidiert ausblendender – Medien noch
valide ist, sei dahingestellt. Dass solche Standards aber in einem kommerziell
geprägten Mediensystem zunächst einmal entstehen konnten, also wegen massi-
ver ökonomischer Interessen und nicht nur in Opposition zu ihnen, ist evident.
3.4.2 Kompetenzen
113 Deuze (2006:26) schreibt: “Weischenberg (2001) offers one of the most complex and articulate
approaches to what he calls the ideal-typical journalistic competence, defining three particular
domains: Fach-Kompetenz, Vermittlungs-Kompetenz, and Sach-Kompetenz.”
114 Donsbach (1978: 111-112) unterscheidet zur Annäherung zunächst zwischen „einem fachli-
chen und einem sachlichen Aufgabenbereich“ von Journalisten. Er führt weiter aus: „Es wird
sich zeigen, daß die beiden Ebenen freilich nur analytisch, nicht aber empirisch zu trennen sind
und daß sie sich teilweise gegenseitig bedingen. Fachlich meint solche Tätigkeiten, die sich auf
den Modus der Kommunikation beziehen, sachlich solche, die den Gegenstand dessen, was
kommuniziert werden soll, betreffen.“
192 3 Hochschulgebundene Journalistenausbildung
Weischenberg (1990: 22-24) fügt, unter Nennung auch von Sigrid Schnei-
der und Lutz Michel, die Vermittlungskompetenz hinzu als eine (ebd.: 23)
„Schnittmenge“ beider Begriffe. Er betont (ebd.: 25), mit der Benennung Kom-
petenzfelder für die drei Begriffe:
„Mit dieser Differenzierung der Kompetenzfelder sind aber noch nicht die Lernziele
konkretisiert, die hochschulgebundene Journalistenausbildung wesentlich von ande-
ren Ausbildungsangeboten unterscheidet – abgesehen vom prinzipiellen Ressour-
cenvorteil der Universität zur Herstellung von Sachkompetenz.“
Die Sachkompetenz bezieht sich in meinem Begriffsplan auf die Ebene der Ex-
ternen Disziplinen. Es ist die Kompetenz in dem, worüber Journalisten schrei-
ben. Die Fachkompetenz beziehe ich auf die beiden Ebenen Journalismus und
Journalistik. Sie ist die Kompetenz von Journalisten, sich in Journalismus und
Journalistik zu bewegen.
Erweitert wurde das Schema später noch um soziale Kompetenz und Tech-
nikkompetenz auf somit fünf Bereiche journalistischer Kompetenz. Michael Har-
nischmacher (2010: 24) nennt dafür als Urheber Britta Müller sowie Jürgen
Dörmann und Ulrich Pätzold.
Weischenbergs Dreiteilung von Kompetenzen ist keine Erfindung der Jour-
nalistik, sondern spiegelt eine Gliederung für die Lehrerausbildung aus der Bil-
dungskommission des Deutschen Bildungsrats (vgl. 1970: 18) in deren Struktur-
plan für das Deutsche Bildungswesen. Der Vorsitzende Karl Dietrich Erdmann
schreibt im Vorwort:
„Die Bildung aller Lehrer, gleichgültig auf welchen Stufen und an welchen Schulen
sie unterrichten, baut sich aus drei Elementen auf: Der Fachwissenschaft, der Erzie-
hungswissenschaft einschließlich Gesellschaftswissenschaft und Psychologie sowie
Praxis.“
Pöttker (vgl. 1996: 322 ff.) entwickelt aus seiner bereits in der Einleitung der
vorliegenden Studie vorgestellten Zweiteilung sowohl von Theorie als auch von
Praxis vier Kompetenzfelder, die in Journalistenausbildung zu vermitteln seien:
Strukturierungsfähigkeit/Sachverstand, Selbstreflexion/Ethik, Handwerk/Metho-
dik und Medienerfahrung.
Die European Journalism Training Association (EJTA), der bereits erwähn-
te Zusammenschluss europäischer Institutionen für Journalistenausbildung, for-
muliert in der Tartur Declaration eine Reihe von Lehrzielen als zu vermittelnde
3.4 Grundbegriffe journalistischer Ausbildung 193
„[…] bedeutet in seiner Anwendung auf Sprache und Sprecher die Fähigkeit des
letzteren, über die Sprachrichtigkeit von Sätzen zu entscheiden (Entfaltung bei Be-
chert et al. 1970: S. 17 ff) und eine potentiell unbegrenzte Zahl von Sätzen und Aus-
sagen zu produzieren. Kompetenz meint damit nicht mehr eine durch Entwicklungs-
prozesse festgelegte Reaktion auf herausfordernde Reize (innerhalb eines Systems),
sondern eine in der Sprache angelegte Verfügung über den Sinn und die Intention
von Aussagen.“
Baacke (vgl ebd.: 263) belegt diese Annahme u. a. mit Noam Chomskys sprach-
wissenschaftlichen Arbeiten über die angeborene Sprachkompetenz des Men-
schen. In den deutschen Sozialwissenschaften führt Baacke (vgl. 1973: 272)
seinen Begriff von kommunikativer Kompetenz unter anderem auf Jürgen Ha-
bermas’ Aufsatz Vorbereitende Bemerkungen zu einer Theorie der kommunikati-
ven Kompetenz119 aus dem Jahr 1971 zurück, der wiederum auf Austin und Se-
arle rekurriere.
Die Genese des Kompetenz-Theorems in den Sozialwissenschaften ließe
sich gewiss noch weiter zurückverfolgen. Für den Kontext der vorliegenden
Arbeit ist aber zunächst einmal nur wichtig: Kompetenzen sind Lernziele. Lern-
geschehen bilden sie nicht ab. Kompetenzen mögen zwar im Lerngeschehen
beobachtbar sein. Wenn sie aber vorhanden sind, dann nur in einem graduell
wachsenden Ausmaß vom Anfang der Ausbildung bis zu ihrem Ende. Wären
Kompetenzen von Anfang an in voller Ausprägung vorhanden und entwickelt, so
würde die Ausbildung obsolet.
3.4.3 Qualifikationen
Eva Nowak (vgl. 2007: 58) unterscheidet zwischen Kompetenzen und Qualifika-
tionen. Damit greift sie einen Vorschlag auf, den der Technik-Didaktiker Kurt
Schobel (2005: 105-106) für die Ingenieurwissenschaft unterbreitet hat:
„Kompetenz ist immer eine Form von Attribution aufgrund einer beobachteten
Handlung. Um Kompetenzen im Rahmen der Curriculumplanung zu operationalisie-
ren, definieren wir Kompetenz in Anlehnung an Mandel/Krause [sic: Mandl]120 als
ein System von Voraussetzungen für erfolgreiches Handeln – also Leistung, die
durch Lernprozesse beeinflussbar ist.“
Kompetenzen (vgl. ebd.: 106) seien schlecht messbar, Zielzustände aber be-
schreibbar. Daraus folgt für Schobel (ebd.):
„Deshalb führen wir den Qualifikationsbegriff ein, der oft synonym zum Kompe-
tenzbegriff benutzt wird. Der Unterschied zur Kompetenz liegt aber darin, dass Qua-
lifikationen zum einen abprüfbares Wissen und zum anderen abprüfbare Leistungen
beinhalten.“
Als abgrenzendes Merkmal (DIN 2342 2011: 4.2.3) für Qualifikation gegenüber
Kompetenz erscheint somit:
Nowak (2007: 58) interpretiert dies wie folgt: „Kompetenzen ermöglichen Han-
deln, ziehen es aber nicht zwangsläufig nach sich.“ Ich halte diese Unterschei-
dung für sinnvoll, da das Hantieren mit Qualifikation besser als mit Kompeten-
zen den Entwurf von Curricula erlaubt, eben weil Qualifikationen abprüfbar oder
auf andere Weise empirisch verifizierbar sind. Die Unterscheidung ist zudem
anschlussfähig an die bereits thematisierten Unterschiede im Verständnis von
Beruf bei Pöttker und Weber: In Pöttkers Sinne gehören zum Beruf Kompeten-
zen. Im von mir bevorzugten Verständnis streng nach Weber, wonach eine Per-
120 Schobel belegt, bei fehlerhafter Literaturangabe, mit einem Forschungsbericht des Lehrstuhls
für Empirische Pädagogik und Pädagogische Psychologie der Ludwig-Maximilians-Universität
München (LMU), vgl. Mandl/Krause 2001.
3.4 Grundbegriffe journalistischer Ausbildung 197
„[…] es in der Soziologie bekannterweise eher um das Soziale geht. […] Insofern
verweist eine soziologische Analyse von Kompetenz über Fähigkeiten bzw. Befähi-
gungen von Personen hinausgehend immer auch auf den sozialen Aspekt. Soziolo-
gisch gesehen sind Kompetenzen also eher sozial zugeschriebene Qualitäten, die
sich über vielgestaltige Kommunikationen und Interaktionen manifestieren bzw. als
sich manifestierend dem Subjekt attestiert werden.“
es aber immer auch ein anderes, angemesseneres Wissen geben, das man nicht
kennt.“ Kurtz (ebd.: 15) stellt fest:
„Und so wird es nicht überraschen, dass heute eine besondere Form der Kompetenz
immer mehr an Bedeutung gewinnt; nämlich die Kompetenz, mit Unsicherheit und
Ungewissheit umzugehen.“
Kurtz (vgl. ebd.: 7) räumt ein, dass die Soziologie bisher nicht die Disziplin zur
Erforschung von Kompetenzen ist, sondern andere Disziplinen wie Psychologie
und Pädagogik sowie disziplinübergreifend die Empirische Bildungsforschung
der Thematik näher sind. Im Anschluss an seine Darstellung der drei klassischen
theoretischen Zugänge der Soziologie zur Kompetenz fragt Kurtz auch, warum
nicht die Soziologie die leitende Wissenschaft zur Erforschung des Kompe-
tenzerwerbs sein sollte, und weist ein mögliches Themenspektrum (vgl. ebd.: 17-
18) aus. Dieses habe (ebd.) mindestens zwei Seiten:
„Die eine Seite setzt bei der Person an und fragt nach Wissens- und Kompetenz-
strukturen, die man erwerben muss, um sich in einer unsicheren Welt zurechtzufin-
den. Die andere Seite setzt an der Form der modernen Organisation an und fragt et-
wa danach, welche personalen Kompetenzen Organisationen brauchen, um sich in
der Wirtschaft der Gesellschaft zu halten […].“
Hier ist der Kern des bereits mehrmals angesprochenen Problems formuliert, ob
an einer Hochschule Journalisten berufsqualifizierend für den Journalismus aus-
gebildet werden können, ohne dass eine weitere Ausbildung in der journalisti-
schen Organisation integriert ist oder sich anschließt. Folgte man Kurtz, wäre das
unmöglich, was ein Argument für den Bestandsschutz des Volontariats wär –
ganz gleich, ob dieses nun eigenständig oder im Anschluss an das Studium ab-
solviert wird.
Im Sammelband Soziologie der Kompetenz (Kurtz/Pfadenhauer 2010), aus
dem ich soeben zitiert habe, gehen neben Kurtz auch andere Autoren auf vielfälti-
ge, höchst interessante Aspekte ein, so unter anderem Reiner Keller (ebd.: 29-48)
auf die Kompetenz als eine Zumutung und Achim Brosziewski (ebd.: 119-134) auf
den Wandel der Begriffe von Kompetenz im Erziehungssystem hin zu Bildung als
3.4 Grundbegriffe journalistischer Ausbildung 199
3.4.4 Lernen
„Im Gegensatz zur traditionellen Auffassung des Lernens, der zufolge Wissen wie
ein Gegenstand vom Lehrenden zum Lernenden transportiert werden kann, wird in
der Pädagogischen Psychologie in den letzten Jahren zunehmend eine konstruktivis-
tische Lehr-Lern-Philosophie vertreten. Diese geht davon aus, dass Lernen ein
selbstgesteuerter Prozess ist, der von Lernenden eine aktive Wissenskonstruktion er-
fordert. Das Wissen, das der Lernende konstruiert, ist kein Abbild des Lehrer-
Wissens, sondern es ist von Vorkenntnissen, Erfahrungen und Überzeugungen des
Lernenden geprägt.“
Mandl/Krause (vgl. ebd.: 5) betrachten Lernen zudem als situativen und sozialen
Prozess. Situativ ist der Prozess, weil die Wissenskonstruktion in bestimmten
Kontexten erfolgt und mit ihnen verbunden ist. Erst die Dekontextualisierung
erlaubt die Anwendung von Wissen auch in anderen Zusammenhängen. Die
Dekontextualisierung leisten zu können ist nicht selbstverständlich, sondern
diese Fähigkeit muss beim Lernenden gezielt unterstützt werden. Sozial ist der
Prozess des Lernens, weil er vor dem Hintergrund soziokultureller Bedingungen
in gesellschaftlichem Rahmen stattfindet. In Journalistenausbildung sind dies die
soziale Situation der Journalistik als Institution oder das soziale Gefüge der aus-
bildenden Medienorganisationen und anderer Organisationen.
Dieser Begriff von Lernen erscheint mir für die Journalistenausbildung be-
sonders gut geeignet, weil er einerseits das im Journalismus unabdingbare le-
benslange Lernen adäquat berücksichtigt, womit auch der Anschluss von der
3.4 Grundbegriffe journalistischer Ausbildung 201
Aus- zur Weiterbildung abgedeckt ist, und weil andererseits dieses Lernen als
aktiv und selbstgesteuert verstanden wird. Dies verknüpft den hier entwickelten
Begriff von Lernen auch mit dem deutschen Begriff von Bildung. Ohne Selbst-
steuerung kann Lernen, wenn schon grundsätzlich nicht, so erst recht nicht für
Arbeit im Journalismus stattfinden. Der Umgang mit immer neuen Themen einer
prinzipiell unendlich großen Vielfalt und immer neuen sozialen Kontexten erfor-
dert von Journalisten in höchstem Maße die Fähigkeit zum Lernen und insbeson-
dere die Fähigkeit zur Dekontextualisierung.
Die theoretische Offenheit des Ansatzes von Mandl und Krause aus der Pä-
dagogischen Psychologie und ihre Anwendbarkeit auf Journalistenausbildung
lässt mich ihren Begriff von Lernen für die Grundlegung des Begriffsplans wäh-
len, den ich mit der vorliegenden Studie entwickle.
3.4.5 Lernkompetenz
Mandl/Krause (vgl. ebd.: 2) erläutern den Begriff von der Lernkompetenz als
eine Anforderung an den Einzelnen, als „Fähigkeit zum lebenslangen Lernen“.
Die Autoren gliedern Lernkompetenz in Selbststeuerungskompetenz, Kooperati-
onskompetenz und Medienkompetenz, in meinem Ansatz sind dies Unterbegriffe
von Lernkompetenz. Den Bestandteil „-kompetenz“ in diesen Mehrwortbegriffen
definieren Mandl/Krause (ebd.) als „Fähigkeit zum erfolgreichen Handeln“.
„Lernen als selbstgesteuerter Prozess“ bei Mandl/Krause kann synonym gesetzt
werden zu Lernen in Eigenverantwortung. Zu Handeln in Eigenverantwortung
habe ich in der Einleitung den aristotelischen Begriff von Praxis synonym ge-
setzt. Lernen in diesem Sinne ist eine Praxis.
Lernkompetenz ist damit die Fähigkeit zu einer Praxis lebenslangen Ler-
nens. Diese ist für Journalisten von größter Bedeutung, weil Journalismus, eben
da er aktuell sein muss, immer mit Dingen umgeht, die sich verändern, und auch
weil die Medienwelt, in der Journalisten arbeiten, sich ständig verändert. Dieser
fortwährende Wandel zwingt Journalisten allgemein in ihrem Sach- und Fach-
wissen zu ständigem Lernen. Im Speziellen aber kann die Recherche, eine der
Kerntätigkeiten von Journalismus, als eine Form von Lernen aufgefasst werden.
Wer recherchiert, lernt. Lernkompetenz ist damit auch für die journalistische
Kernarbeit des Recherchierens zwingend erforderlich. Auch das Auswählen von
Inhalten und das Redigieren als weitere Kerntätigkeiten von Journalismus sind
ohne die ständige Wahrnehmung von Veränderungen in der Umwelt, ohne stän-
diges Lernen und Lernkompetenz als dessen Voraussetzung, schlicht unmöglich.
202 3 Hochschulgebundene Journalistenausbildung
3.4.6 Lerngeschehen
Mein Begriff von Lerngeschehen geht perspektivisch vom Lernenden aus, nicht
vom Lehrenden. Im Kontext dieser Arbeit sind es die Studierenden. Selbstver-
ständlich findet in Journalistenausbildung auch ein Lehrgeschehen statt, das dem
Lehrenden eine Didaktik der Journalistik (vgl. Nowak 2007) abfordert. Darauf
habe ich im Kapitel 3.1 bereits hingewiesen. Und ebenso selbstverständlich sind
Lehrende in Journalistenausbildung immer auch Lernende. Sie aber sind in mei-
ne Definition von Lerngeschehen nicht eingeschlossen, denn das Ziel ihres Han-
delns in der Ausbildung ist nicht die Befähigung zum eigenen erfolgreichen
Handeln im Beruf Journalist, sondern das erfolgreiche Handeln der Auszubil-
denden in diesem Beruf.
Der Anspruch, dass Ausbildung stattfindet, gibt somit vor, dass an der
Hochschule die Studierenden perspektivisch stets im Mittelpunkt stehen. Ihre
Praxis, ihre Theorie und ihre Techne im Studium sind das Lerngeschehen, wie es
die vorliegende Arbeit begrifflich entwickelt. Jedes Lehrgeschehen in einer Be-
rufsausbildung muss den Anforderungen des Lerngeschehens folgen, ist ihm also
terminologisch und prozessual untergeordnet.
Lerngeschehen findet zum Teil in Lehrveranstaltungen statt, wie sie Curri-
cula idealiter abbilden. An Hochschulen sind dies mehrere Formen von Vorle-
sungen und seminaristischen Veranstaltungen, ob nun mit physischer Präsenz,
online oder kombiniert. Außerhalb des Hochschulgeländes gehören zu diesem
Lerngeschehen auch Hausarbeiten und Praktika sowie andere Formen der Mitar-
beit Studierender in der journalistischen Berufswelt. Spezifisch für Journalisten-
ausbildung findet Lerngeschehen zudem in Lehrredaktionen (vgl. z. B. Blöbaum
2000) sowie an nahezu beliebigen Orten außerhalb der Hochschule während der
Recherche für Reportagen und Berichterstattung statt. Zu einem erheblichen
weiteren Teil aber – weil Journalisten sich mit grundsätzlich jedem Thema be-
schäftigen können – findet sich Lerngeschehen in jedem wachen Augenblick der
3.5 Aktuelle Herausforderungen an Journalistenausbildung 203
Politisches System
Hochschulwesen
System Journalismus: technisch, wirtschaftlich, strukturell, politisch, Be-
rufsbild
Ausbildungsleistung: Anerkennung durch Medienorganisationen, Auszubil-
dende, Politik, Hochschulen
Begrifflich-theoretische Grundlegung
Für alle Veränderungen dieser Dimensionen ist der Journalistik die Chance ge-
geben, sie mitzugestalten, und zwar mit zunehmendem Einfluss von oben nach
unten in der Liste.
Jede der Dimensionen von Herausforderungen an die Journalistenausbil-
dung hat ihre Konjunkturen. Beispiele für Veränderungsdruck, der einmal wirk-
sam war, aber heute weniger im Fokus der Aufmerksamkeit steht, lassen sich
leicht finden: Meine historischen Abrisse in den Kapiteln 3.3.1 und 3.3.2 haben
verdeutlicht, wie nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten und – wenn
auch völlig anders zu bewerten – nach der deutsch-deutschen Wende von 1989
Veränderungen des politischen Systems zur bestimmenden Herausforderung
avancierten. Veränderungen des Hochschulwesens spielten historisch eine ent-
scheidende Rolle bei der Einrichtung der land-grant colleges in den USA vor ei-
nem Jahrhundert und im Zuge der Bildungsreform der Bundesrepublik Deutsch-
land in den 1970er-Jahren während der Einrichtung von Journalistenausbildung an
Universitäten und der Gründung von Fachhochschulen, die dann drei Jahrzehnte
später zu Orten von Journalistenausbildung wurden, sowie mit dem Bologna-
Prozess. Technische Veränderungen haben die Journalistenausbildung immer mit
hohem Anpassungsdruck herausgefordert. Dies zeigte sich beim Entstehen der
Massenpresse mit hohen Druckauflagen im 19. Jahrhundert, das in Deutschland
Adolf Koch mit ersten Angeboten an einer Hochschule und Richard Wrede mit der
ersten Journalistenschule auf den Plan rief und in den USA die Journalistenausbil-
dung an Hochschulen vorantrieb. Das Hinzukommen des Rundfunks im frühen 20.
Jahrhundert und die Digitalisierung seit spätestens den 1980er-Jahren brachten
weitere technologische Sprünge im System Journalismus und im Berufsbild, die
ebenfalls Anpassungsleistungen erforderten und weiter erfordern.
Dieser unvollständige historische Rückblick soll aufzeigen: Geregelte Jour-
nalistenausbildung stand sowohl in Deutschland als auch in den USA immer
3.5 Aktuelle Herausforderungen an Journalistenausbildung 205
In den offenen Interviews meiner vier Fallstudien habe ich die Probanden auch
dazu befragt, welche Herausforderungen an hochschulgebundene Journalisten-
ausbildung ihrer jeweiligen Hochschule sie für die aktuell wichtigsten halten.
Barbara Witte von der Hochschule Bremen (in Bremen am 25. Januar 2010,
Elektronischer Anhang F: 173-174) gibt eine Antwort in zwei Teilen, von denen
sich der erste auf den Wandel im Journalismus bezieht, unter anderem auf die
fortschreitende Digitalisierung, und der zweite auf das Hochschulwesen:
124 Ich beobachte während meiner häufigen Aufenthalte in den USA eine neue ideologische Pola-
risierung der politischen Öffentlichkeit, in der Positionen von Anhängern der Demokratischen
Partei und der Republikanischen Partei feindselig statt diskursiv aufeinandertreffen oder gar
nicht mehr verhandelt werden.
206 3 Hochschulgebundene Journalistenausbildung
[…]
Und der andere Part ist für mich eher ein genereller Part der Bologna-Geschichte.
Die aktuellen Entscheidungen der Kultusministerkonferenz haben nämlich den
Knackpunkt von Bologna leider überhaupt nicht aufgelöst. Und der besteht darin,
die komplexe Welt in zehn Semester zu pressen. […] Das ist eigentlich zu wenig.
[…] das merken wir natürlich auch, weil das Problem einfach darin besteht: Sie ha-
ben ja relativ unterschiedliche Kompetenzen, die Sie schulen müssen: Medienpraxis,
Medientheorie. Und in unserem Fall, wir nennen es Fachschwerpunkte, wenn man
sich aber die Curricula anguckt, Dortmund beispielsweise, dann gibt es bestimmte
Bereiche, die haben natürlich alle drin. […] also politische Systeme beispielsweise.
[…] Also, über die eigentliche Fachwissenschaft hinausgehende Kompetenzen und
Wissensbereiche schulen. Und wenn man das in zehn Semestern machen soll, den
Bachelor und Master, und noch verlangt, inzwischen, was wir ja schon haben, das
Auslands- und das Praxissemester, dann ist das eigentlich zu wenig Zeit, um den
Studierenden die Möglichkeit zu geben, mal ein bisschen zu reflektieren.“
Auch Frank Lobigs von der Technischen Universität Dortmund (in Hamburg am
22. April 2010, Elektronischer Anhang I: 101-102) beantwortet die Frage nach
den wichtigsten Herausforderungen – für die Dortmunder Journalistenausbildung
– zweiteilig, auch er bezieht sich zunächst auf die Folgen der Digitalisierung und
des Strukturwandels der Medien überhaupt und dann auf das Hochschulwesen:
„[…] am Puls der Zeit in der technischen Entwicklung zu bleiben […] und damit für
den Arbeitsmarkt relevant zu bleiben. Also dass die Absolventen weiterhin mit der
Ausbildung eine gute Chance auf dem Arbeitsmarkt haben. Das ist die erste große
Herausforderung […], von außen. Das war früher nie so eine Herausforderung, weil
das Modell lange Zeit oder auch […] die Medienmärkte lange Zeit sehr stabil waren.
Das waren sehr stabile, sehr vermachtete Märkte, und jetzt bricht das so ein bisschen
auf und erfordert eben eine Anpassung an diese Entwicklung.
Das ist die erste Herausforderung, und die zweite ist die, dass man einfach in ei-
nem größeren Wettbewerb mit anderen Institutionen der Ausbildung steht. Das war
früher auch nicht so stark. […] die Fachhochschulen, die stark praxisorientierte
Ausbildung anbieten wollen, oder zumindest behaupten, das zu tun, und das war ja
natürlich immer ein Markenzeichen der Ausbildung in Dortmund, dass man eben
auch praxisorientiert ausgebildet hat, und nicht nur rein theoretisch, also im Ver-
gleich zu den anderen kommunikationswissenschaftlichen Studiengängen sehr, sehr
praxisorientiert. Aber jetzt kommt von unten quasi, also von FHs kommt jetzt eine
Konkurrenz, die sozusagen sehr praxisorientiert ist, in der Regel gut ausgestattet.
Und dazwischen sehen wir uns jetzt. Das heißt: Die Konkurrenz hat zugenommen,
die Konkurrenz in der Produktion der Dienstleistung sozusagen, die wir machen,
nämlich Studierende auszubilden, dass sie hinterher also qualifiziert sind. […]
[Wir haben] höhere Konkurrenz und eine niedrigere Nachfrage auch auf der an-
deren Seite. Also, Journalismus verkauft sich schlechter, das hat auch mit diesen
technologischen Entwicklungen zu tun, die Nachfrage ist nicht mehr so stabil, der
3.5 Aktuelle Herausforderungen an Journalistenausbildung 207
Journalismus selbst ist gefährdet, er weicht sich ein bisschen auf. Das war alles [an-
ders] in dieser klaren, vermachteten Welt, die es früher gab, wo es eben Print und
Fernsehen und Hörfunk gab, und das alles in sehr, sehr klaren Strukturen, sehr, sehr
klaren Ordnungen, die eher journalistisch geprägt waren. All das verändert sich halt
jetzt. Und darauf zu reagieren, das ist die größte Herausforderung.“
“And journalism research for journalists we are doing more of, and you know, my
dream would be, we do it here, and then it would sort out here, and then it would fil-
ter its way into the education of professional journalists more.”
Wieder direkt anschließend stellt Lemann (ebd.) eine Relation zwischen den
Ebenen Journalism und Journalism Research im Begriffsplan her:
“As compared to a program in Germany, I think we’d be more inclined to send peo-
ple out into the streets to write stories. And that’s something that I like and am proud
of. In other words: My own vision would be we should keep doing that stuff, but en-
rich it intellectually by pairing it with the kind of intellectual, and academic and re-
search context that isn’t ordinarily given in journalism schools. So that’s kind of the
big picture for me.”
“We are now in a […] moment when it’s all about the collapse of the business model
and all that. So I am about to go out to a meeting for a couple of days of supposedly
the 12 leading journalism schools in America. We are going to discuss some of these
questions we have been discussing about our future. Of the 12 deans, the majority, if
you said to them: ‘Is the lack of academic content a problem?’ they would say: ‘No,
it’s not a problem. The problem is we need to get more digital and we need to invent
the new business model.’ So that’s where a lot of the conversation is. I am not there.
But that’s, you know, my mission, for which, you know, I have the support of the pres-
ident and provost. I would fail miserably in an election of journalism school deans,
journalism school faculty members and journalism school students and alumni. Even
now.”
Brian Brooks von der School of Journalism der University of Missouri (in Co-
lumbia, Missouri, am 26. Februar 2010, Elektronischer Anhang G: 146-148) gibt
eine mehrteilige, facettenreiche Antwort auf die Frage nach den wichtigsten
Herausforderungen an die Journalistenausbildung an seiner Hochschule. Wie die
drei anderen Probanden auch beginnt er mit den Folgen der Digitalisierung:
“All students need to be trained today in cross-media journalism. […] in all the areas
we teach, we are doing what I would call convergence. That is: Print students learn
to do web work, they learn to do video. […] Broadcast students increasingly are
writing more, because they have to write for their websites, and on and on. So pho-
tojournalism is not just photojournalism any more, it’s multimedia journalism. In
other words: They are not just working with still cameras any more, they are increas-
ingly doing video and audio as well, and doing multimedia presentations for web-
sites. So the big challenge to us is: How do you teach all of that in a curriculum?
[…] And it’s very equipment-intensive, which means we’ve got to buy a lot of
equipment and furnish a lot [of] equipment for the students to use. So technology is
becoming an increasing force in journalism education.
The employment patterns are changing. There are fewer jobs at newspapers. Jobs
are really tight at local television stations. But we are seeing increased numbers of
jobs in Internet journalism. Websites like propublica.com [sic: offenbar
www.propublica.org], […] www.mlb.com [Site der ersten Baseball-Liga], we have
students working at all those places, former students.
So there is a lot of growth in Internet journalism. There is also growth in cable
television network journalism. For example, two or three years ago, Fox started a
business news channel in the United States. Seems like there is a new cable channel
started every year or two in the United States, multiple ones. So these are creating
jobs. While local television is not hiring so much, the cable networks are. So there is
still a home for the ones trained in broadcast journalism. […] it’s certainly more
training with a broader view of the news, rather than the […] basic local news cov-
erage. You need to think about maybe developing a specialty in business journalism
or health journalism or something like that. Whatever the target of that particular
network might be. […] We have courses in science, health and environmental re-
210 3 Hochschulgebundene Journalistenausbildung
sich – anders als bei Lemann – mit Harnischmachers Analyse, nach der in den
USA diese Veränderungen im Vordergrund stehen, und weniger Veränderungen
im Hochschulwesen.
Die Antworten auf die offene Frage nach den wichtigsten Herausforderungen an
Journalistenausbildung, aufgenommen zwischen Ende 2009 und Anfang 2010,
zeichnen ein etwas anderes Bild von den wichtigsten Dimensionen des Anpas-
sungsdrucks, als sie Harnischmacher mit der „doppelten Umbruchsituation“
beschreibt.
Die Dimension der Veränderungen in den Medien, insbesondere die Digita-
lisierung, als wichtigen Teil der Herausforderungen, habe ich wie Harnischma-
cher bei allen vier Probanden feststellen können, bei Brian Brooks von der Uni-
versity of Missouri zudem mit ausdrücklichem Hinweis auf die hohen Kosten,
mit technischer Ausstattung der Studiengänge der fortlaufenden Digitalisierung
zu folgen. Journalistenausbildung wird damit teurer.
Die Dimension der Veränderungen im Hochschulwesen aber, die bei Har-
nischmacher für Deutschland noch eine der zwei wichtigsten war, ist mittlerwei-
le in den Hintergrund getreten. Barbara Witte von der Hochschule Bremen the-
matisiert zwar die Schwierigkeit, in der Kürze des Studiums viele Inhalte be-
rücksichtigen zu müssen, und Frank Lobigs die neue Konkurrenz der Fachhoch-
schulen, der sich die Technische Universität Dortmund stellen muss. In beiden
Antworten aber geht es nicht mehr um die Herausforderung eines noch stattfin-
denden Umbruchs. Dieser ist schlicht abgeschlossen. Es geht nur noch darum,
sich mit den neuen Strukturen der gestuften Studiengänge zu arrangieren. Für die
vielen neu hinzugekommenen Studiengänge an Fachhochschulen, die von An-
fang an in der Stufung zwischen Bachelor- und Masterabschlüssen entstanden
sind, war die Umstellung niemals eine Herausforderung, sondern eine Chance,
die sie zu nutzen wussten.
Bei Nicholas Lemann begegnet die Begrifflich-theoretische Grundlegung
als die ihm wichtigste Dimension: und zwar gerade um die im Journalismus alles
beherrschenden Umbrüche beherrschen zu lernen.
In keiner der vier Fallstudien haben die Probanden die möglichen Dimensi-
onen Politisches System und Akzeptanz der Ausbildungsleistung als Herausforde-
rungen erwähnt.
4.1 Polysemie als Grund für die Begriffsverwirrung 213
Manfred Rühl merkte in seinem in der Einleitung zitierten Aufsatz (1979: 98) an,
weder Praxis des Journalismus noch Praxis in den Medien seien selbstverständ-
liche Begriffe. Er lenkte die Aufmerksamkeit (ebd.) auf zwei weitere Begriffe
von Praxis in der Journalistik neben der eines Synonyms für die Berufswelt in
den Medien:
„Meinen die einen mit Praxis die tägliche Arbeits- und Erfahrungswelt der Beteilig-
ten, also der Journalisten, Verleger, Medienmacher u. ä., so steht Praxis für die ande-
ren an Stelle von Techniken des Schreibens, Redigierens, Interviewens, Organisie-
rens usf., und wieder andere bezeichnen damit die Gesamtheit der heute vorfindba-
ren Medien, ohne sie in der Regel gegenüber Nichtmedien einsichtig abzugrenzen.“
Der Begriff von Praxis gerät ins Schwimmen, sobald er nicht mehr die Berufs-
welt des Journalismus benennt, sondern die Arbeitstechniken des Journalismus
oder einen unbestimmten Begriff von Medien. Bei den dreierlei Begriffen han-
delt es sich auch hier im Vokabular der Terminologielehre nach DIN 2342
(2011: 5.3.6) um eine Polysemie als „Beziehung zwischen identischen Bezeich-
nungen (5.1) in derselben Sprache, die unterschiedliche Begriffe (4.1) repräsen-
tieren und einen erkennbaren gemeinsamen etymologischen Ursprung haben“.
Auf die Feststellung mehrerer Begriffe von Praxis folgt bei Rühl zwingend
die in der Einleitung zitierte Forderung nach einer „brauchbaren“ Bestimmung
von Praxis. Terminologisch heißt das: Es bedarf der Feststellung von für das
Fach empirisch brauchbaren, also adäquaten Begriffsmerkmalen und -umfängen
von Praxis. Den Kern des Bestimmungsproblems für Praxis erkenne ich aber in
dem, was Manfred Rühl als Techniken bezeichnet und was ich in der vorliegen-
den Studie als den Begriff von Techne untersuche.
Der herkömmliche Begriff von Praxis, wie sie an Lehrredaktionen diverser
Hochschulen vermittelt werden soll, lässt sich von Theorie nicht mehr analytisch
trennen, weil jede Praxis auch Theorie beinhaltet. Wer schreibt, redigiert, inter-
viewt oder organisiert, macht dies niemals kopflos, sondern immer mit Wissen,
also mithilfe welcher Theorie auch immer. Die Trennung wird erst möglich durch
die in der Einleitung vorgenommene Rückführung des Begriffs von Praxis auf
seine antike Fassung als Handeln in Eigenverantwortung und das damit verbunde-
ne Herauslösen von Techne. Entscheidend dafür, ob etwas Theorie ist – oder Tech-
ne in der Praxis – ist der Zeitpunkt: Im Moment zentraler Handlungen von Journa-
listen finden somit Theorie und Praxis zusammen, wenngleich Theorie im Augen-
blick der Anwendung aufhört, solche zu sein, und in der Techne aufgeht.
Theorie der Journalistik ist nur relevant, wenn sie sich auf die Praxis des
Journalismus bezieht, sie ist also alles andere als vom Beruf abgewandte Wissen-
schaft. Theorie wird relevant, wenn sie im Augenblick der Anwendung in Tech-
ne übergeht und außerhalb dieses Augenblicks die Praxis reflektiert. In etablier-
ten Professionen wie der Schulmedizin sind die Theorien von Beruf und For-
schung weitestgehend identisch, ist Praxis somit immer auch Theorie und ange-
wandte Theorie immer auch Praxis; der Journalismus operiert vielfach noch mit
selbst generierter Theorie fernab der Theorie aus der Journalismusforschung.
Zur Klärung der Frage, warum dies so ist und wo die Crux im herkömmli-
chen Begriff von Praxis liegt, hat Bernd Blöbaum (2000) eine wichtige Vorarbeit
geleistet, auf die ich nachfolgend aufbaue. Der Autor (ebd.: 120) schreibt über
Theorie und Praxis in der Journalistik: „Als semantische Versatzstücke eignen
sie sich hervorragend, vieles darunter zu subsumieren.“ Ich interpretiere dies
terminologisch als eine Diagnose von Polysemie.
Blöbaum belässt es aber nicht bei der Feststellung, sondern er katalogisiert
herkömmliche „Bedeutungen“ des Gegenübers von Theorie und Praxis in der
Journalistik. Als erstes identifiziert er die „Bedeutungen“ allgemein für Hoch-
schulen, als zweites speziell für die Journalistik. Die beiden Kataloge sowie
4.1 Polysemie als Grund für die Begriffsverwirrung 215
Die Analyse der Begriffsmerkmale und Unterbegriffe der bei Blöbaum „Bedeu-
tungen“ genannten Begriffspaare in oppositionellen Begriffsbeziehungen zeigt,
224 4 Theorie, Praxis und ihre Integration in der Journalistik
dass es sich nicht um Unterbegriffe von Theorie und Praxis in einem geschlosse-
nen Begriffssystem handelt. Als solche hätten die jeweils gegenübergestellten
Begriffe gemeinsame Begriffsmerkmale mit Theorie und Praxis. Diese sind aber
nirgendwo ausgewiesen. Auch bewegen sich die „Bedeutungen“ auf mehreren
Stufen der Begriffshierarchie. Die terminologische Analyse offenbart somit eine
hochgradig ausgeprägte Polysemie von Theorie und Praxis für hochschulgebun-
dene Berufsausbildungen allgemein und Journalistenausbildung im Speziellen.
Diese Polysemie ist die terminologische Erklärung für die Verwirrung der
Journalistik in ihren grundstrukturierenden Begriffen von Theorie und Praxis
und damit für ihr Unvermögen, eigene Studiengänge zu analysieren und hoch-
präzise zu planen und sich gegen Angriffe auf ihre Ressourcen zu verteidigen.
Die Grundkonstruktion von oppositionellen Begriffsbeziehungen durch-
bricht Blöbaum mit der letzten der genannten „Bedeutungen“. Für Lehrveranstal-
tungen am Dortmunder Institut für Journalistik etabliert er dort eine Unterschei-
dung nicht mehr zwischen zwei, sondern nun drei Begriffen: a) sozial- und kom-
munikationswissenschaftliche Grundlagen, b) redaktionelles Handeln, c) Sach-
wissen. Der so vollzogene Wechsel von einer Begriffsdichotomie hin zu einer
Begriffstrichotomie nimmt im Ansatz vorweg, was ich mit der vorliegenden
Arbeit versuche. Ebenso wie in meiner Arbeit vorgeschlagen, bezieht sich die
Begriffstrichotomie auf Curricula. Als synonymische Mehrwortbenennungen
von Theorie und Praxis können a) und b) aufgefasst werden. Mit c) Sachwissen
erkennt Blöbaum ein Drittes neben Theorie und Praxis an, charakterisiert dieses
aber als „Säule“ und damit nur sinnbildlich, also vage.
Aus dem von Blöbaum verwendeten Bild der Säule leitet sich implizit das
Merkmal zur Konstitution des Begriffsinhalts von Sachwissen ab, dieses trage in
der Ausbildung etwas mit. Die Benennung Sachwissen ist aber unglücklich ge-
wählt, weil sie auch als Bezeichnung allein für theoretisches Wissen über Journa-
lismus oder aus der Journalistik missverstanden werden könnte. Blöbaums Erklä-
rung „hat praktische und theoretische Elemente“ aber weist aus, dass dem in
seinem Entwurf nicht so sein soll.
In der „Bedeutung“ nach der Unterscheidung zwischen Lehrveranstaltungen
macht Blöbaum zwar mit Sachwissen den Versuch, ein Drittes auch begrifflich zu
etablieren. Die Zuordnung zu den Ausgangsbegriffen Theorie und Praxis aber
gelingt nicht. Mangels eines dritten Begriffs teilt der Autor das entdeckte Dritte auf
Theorie und Praxis auf. Dies aber beschädigt die grundlegende Unterscheidung
zwischen Theorie und Praxis. Diese beiden Begriffe sind mit der Einführung eines
Dritten zwischen ihnen, das „praktische und theoretische Elemente“ enthält, nicht
mehr begrifflich trennbar. Stattdessen entsteht eine diffuse Schnittmenge.
Offenkundig thematisiert Blöbaum in dieser Erweiterung von Theorie und
Praxis mit einem Dritten das, was Rühl als Techniken bezeichnet und was ich
4.1 Polysemie als Grund für die Begriffsverwirrung 225
selbst in meinem Begriffsplan als Techne bezeichne, ohne aber dafür auch die
Ausgangsbegriffe Theorie und Praxis um einen dritten Begriff zu ergänzen. Damit,
dass Blöbaum dieses Dritte wieder als Theorie und Praxis bezeichnet, bleibt er
trotz seiner Entdeckung dem herkömmlichen begriffsoppositionellen Denken ver-
haftet und kommt über den Anlauf zu seiner Überwindung nicht hinaus.
Blöbaum hebt hervor, dass der Begriff von Theorie und Praxis als Hoch-
schule und Medienbetrieb in der von ihm durchgesehenen Literatur und den von
ihm herangezogenen Dokumenten am häufigsten verwendet wird. In diesem
Begriff von Theorie und Praxis hat Blöbaum ein Jahrzehnt später vorgeschlagen,
Theorie und Praxis in Ebenen zu ordnen, deren Benennungen Organisation,
Rollen und Programme er systemtheoretischem Vokabular entnimmt. Bei der
nachfolgenden Tabelle handelt es sich um die Wiedergabe einer Folie, die
Blöbaum für einen öffentlichen Vortrag auf der Jahrestagung der Deutschen
Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft 2011 in Dort-
mund gehalten hat.126 Die Tabelle bezieht sich auf den Journalismus und die
Journalistik, also nicht spezifisch auf die Journalistenausbildung.
Dieses Verständnis von Theorie und Praxis erlaubt klare analytische Trennun-
gen, beschränkt sich aber auf deren einfachsten Begriff, den von den Zwei Kultu-
ren. Wie oben ausgeführt und von Blöbaum selbst ausdifferenziert, weist Theorie
und Praxis aber in der Journalistik über dieses einfachste Verständnis weit hin-
aus. Die darin nicht erfassten Bezüge versuche ich in meinem Begriffsplan mit
abzudecken.
Zusammenfassend ist festzuhalten: Solange die Begriffsmerkmale von The-
orie und Praxis selbst nicht bestimmt sind, muss es auch mit Blöbaums hochdif-
ferenzierter Analyse bei einer hochgradigen Polysemie und damit Verwirrung
bleiben.
126 „Wissenschaft und Medienpraxis als offene Zweierbeziehung. Reflexion zu einer Langzeitstudie“.
Thema war eine von Blöbaum geleistete Langzeitstudie zur Leserschaft der Tageszeitung taz.
226 4 Theorie, Praxis und ihre Integration in der Journalistik
Ich entwickle den Begriffsplan auch im Hinblick auf seine Anwendung in ande-
ren Kulturen, insbesondere in der US-amerikanischen Journalistenausbildung.
Dies erfordert eine Bestandsaufnahme dessen, ob und in welchem Maße Theorie
und Praxis oder Äquivalente davon überhaupt in der amerikanischen Journalis-
tenausbildung begrifflich verankert sind.
Theorie und Praxis als Synonym der Zwei Kulturen, von Wissenschaft und
Berufswelt des Journalismus, findet im amerikanischen Kontext sein begriffli-
ches Gegenüber als das wichtigste grundstrukturierende Begriffspaar, keines-
wegs aber Äquivalent, in academia and profession. Dies sind die Schlüsselbe-
nennungen einer fachhistorisch gewachsenen, völlig anderen Terminologie als in
Deutschland.
Einen Urtext der dortigen Diskussion, der die zwei Pole des Denkens frontal
aufeinanderprallen lässt, publizierte der Journalistenausbilder Jake Highton
(1967) von der Wayne State University in Detroit mit seinem Zeitschriftenaufsatz
Green Eyeshades vs. Chi-Squares in The Quill. Grün-durchsichtige Mützen-
schirme, die früher einmal amerikanische Zeitungsredakteure vor gleißendem
Deckenlicht schützten, wurden so zum Synonym für die journalistische professi-
on, die “chi-squares” aus der Statistik zum Synonym für academia. Nach einer
brieflichen Auskunft des emeritierten Journalistik-Professors und ehemaligen
Leiters der Journalistenausbildung an der University of Tennessee James Crook
(2002) wurde der Artikel in der Zeitschrift der Society of Professional Journa-
lists, damals Sigma Delta Chi, zu einem “slogan that defines the debate in Ame-
rican journalism education”.
Highton (ebd.: 10) polarisiert, den damals bereits verstorbenen Journalistik-
Dean der Ohio State University George J. Kienzle zitierend, zwischen theorists
und professionals. Beide Berufsgruppen stehen bei Highton einander “bitterly
split” gegenüber. Das Geschehen in Journalistenausbildung trennt er, wieder als
scharfe Gegensätze präsentiert, mit Kienzles abwertender Begriffsschöpfung
communicology und seiner eigenen Formulierung für den Gegenpol, hard-nosed
professional newspaper training. Highton (ebd.: 12) wendet sich entschieden
gegen die “chi-squares” und “study of ‘communicology’” und warnt, “communi-
cations processes” könnten zum Verschwinden von “trade school courses” füh-
ren. Es ging hier also um den oben beschriebenen Konflikt im damals aktuellen
Versuch, in die von der profession beherrschten Journalistenausbildung an Hoch-
schulen mehr Wissenschaft einzubringen.
Lange vor dem Einzug der ersten Computer in die Redaktionen prophezeite
Highton (ebd.: 13) mit einem für das Jahr 1967 beträchtlichen Weitblick:
4.2 Begriffliche Grundlegung in den USA 227
“The day may come when newspapers will be circulated in homes by television tape
and read any time of the day. But someone will still have to report and edit the news.
Journalism schools had better train newsman, goad them to acquire a knowledge of
politics, history, government, law, science, social problems and economics; and,
with luck, inspire them to love language, books, theater, music and art. […] God
knows, that with the mediocre state of many newspapers today, better journalists –
and publishers – are needed, not more sociologists and communicologists.”
und (ebd.) auch practice unter anderem als „Übung“ und als „im Gegensatz zu
Theorie“. Practice ist im gemeinsprachlichen Englisch und auch an den Hochschu-
len sehr viel geläufiger; das Großwörterbuch Der Kleine Muret-Sanders (Messin-
ger, Heinz/Langenscheidt-Redaktion 1991: 866) bietet für Praxis überhaupt nur
practice an. Praxis und praxis gehen (vgl. Unterkapitel 1.4.2) auf ʌȡ઼ȟȚȢ zurück
und stellen damit eine direkte Übernahme der altgriechischen Schreibweise dar.
Damit kann das englische practice als gemeinsprachliches, das englische praxis als
fachsprachliches Äquivalent aus Philosophie und Philologie zu ʌȡ઼ȟȚȢ und somit
auch Praxis eingeordnet werden. Ich setze für die Zwecke der vorliegenden Arbeit
practice und praxis synonym, obwohl es sich bei genauerer philologischer Be-
trachtung eher um eine Quasisynonymie handelt. In der Übersetzung meines Be-
griffsplans wähle ich praxis, weil mit practice allzu leicht das Missverständnis
eintreten könne, damit würde ein Einüben von Journalismus bezeichnet.
In der US-amerikanischen Fachdiskussion waren zunächst weder theory and
praxis noch theory and practice als Äquivalente zu finden. Stattdessen hatten sich
neben academia und profession einige andere Benennungen in oppositioneller
Begriffsbeziehung entwickelt, die als Quasisynonyme dazu interpretiert werden
können. So unterschied der Verleger und Stifter der Columbia Journalism School
Joseph Pulitzer im Jahr 1902 und damit lange vor der Gründung der Schule 1912
zwischen knowledge und craft (vgl. Cunningham 2002: 20). Bemerkenswert ist an
dieser Stelle aber auch, dass Pulitzer (ebd.), der Einwanderer aus Österreich-
Ungarn, den Begriff craft als „the practical side of news gathering, news editing,
news writing, style, composition, accuracy, everything, even the makeup of a
newspaper“ explizierte und dabei mit „practical“ adjektivisch das englischsprachi-
ge Äquivalent für die deutschsprachige Benennung Praxis verwendete.
Der Begriff professional begegnet zwar sehr häufig in der amerikanischen
Journalistik-Literatur, sollte aber keineswegs als ein Äquivalent für professional
im Sinne der sozialwissenschaftlichen Professionalisierungsdiskussion missver-
standen werden, das stets auch Elemente akademischer Ausbildung umfasst. Das
Adjektiv professional und das Nomen profession stehen im Journalismus der
USA gerade nicht dafür, dass der Beruf auf die Theorie der Journalismusfor-
schung aufbaut, sich ein Beruf das dazugehörige wissenschaftliche Fach zur
Wissensgrundlage macht, wie es etwa bei Ärzten oder Rechtsanwälten mit der
Medizin oder der Rechtswissenschaft der Fall ist. Professional hat im amerikani-
schen Journalismus, noch weitaus stärker ausgeprägt als im deutschen, den Be-
griffsinhalt, man wisse über den eigenen Beruf so gut Bescheid, dass es keiner
ihn erklärenden Fremdbeschreibung durch eine Fachwissenschaft bedarf, dass
man von dieser also bitte verschont bleiben möge. Im amerikanischen Journalis-
mus beschreibt der polysemisch gebrauchte Begriff professional somit eine Hal-
tung, die sich mit der Selbstbeschreibung des Journalismus zufrieden gibt und
die der niederländische Journalismusforscher Mark Deuze (2006: 21), der auch
4.2 Begriffliche Grundlegung in den USA 229
in den USA Journalistik gelehrt hat, als weltweiten Konsens unter Praktikern des
Journalismus hervorhebt:
“[…] that the status quo in the industry is the ideal one, hence newcomers only need
to internalize what their senior peers already do.”
Die Verwendung von integration habe ich in der amerikanischen Literatur nur an
dieser einen Stelle gefunden. Wohl aber erscheinen sinnbildliche Formulierun-
gen als Quasisynonyme.
Der Accrediting Council on Education in Journalism and Mass Communi-
cations, ACEJMC (2012: 2. Curriculum and Instruction, Indicators, b), verlangt
so in seinen aktuellen “Accrediting Standards”, dort unter “Curriculum and In-
struction”, vom zu akkreditierenden Studiengang:
“The unit provides a balance between theoretical and conceptual courses and profes-
sional skills courses to achieve the range of student competencies listed by the coun-
cil.”
“Balance also should be provided between professional skills courses and theoretical
and conceptional courses. Graduate programs will concentrate on skills and other
professional courses but they should not be limited to such courses.”
127 Stephen D. Reese ist heute Professor of Journalism an der School of Journalism des College of
Communication derselben Universität, vgl. http://journalism.utexas.edu/faculty/stephen-d-
reese, Zugriff am 21. Juli 2013.
4.2 Begriffliche Grundlegung in den USA 231
“The master journalist needed in the classroom is a master not only of the intellectu-
al and technical skills of written and/or visual aspects of journalism, but she or he al-
so should be capable of analyzing, with both a close-up and a wide-angle intellectual
lens, the problems and challenges of journalism.”
232 4 Theorie, Praxis und ihre Integration in der Journalistik
“[…] having the option, not now available in many universities, of conducting re-
search and writing that is substantial journalistic works, traditional scholarly work or
a combination of both”.
Medsger (vgl. ebd.) empfiehlt den ausbildenden Hochschulen den Aufbau von
Journalistik-Instituten als “schools of thought and practice”. Medienunternehmen
legt sie (vgl. ebd.: 69) nahe, jungen Journalisten endlich angemessene Gehälter zu
zahlen und Partnerschaften mit Journalistenausbildungen an Hochschulen aufzu-
bauen sowie ein Auge auf die Journalistenausbildung zu behalten. Sie warnt (ebd.):
“In a vacuum of inattention from the profession, journalism education could easily
become disconnected from the mission and needs of journalism.”
Master-Programme sollen Medsger (vgl. ebd.: 67) zufolge klar darauf fo-
kussieren, Studierende entweder auf den Journalistenberuf oder auf die Promoti-
on vorzubereiten. Die Promotionsprogramme der Journalistik-Institute “should
include a strong emphasis on issues affecting journalism”.
Ich lese Medsgers Buch als ein Plädoyer für die Emanzipation der Journa-
listik von den communications als unabhängige, eigenständige akademische Dis-
ziplin mit offenen Türen auch für bewährte Journalisten kraft der intellektuellen
Natur ihrer Arbeit. Medsger geht es nicht darum, die communications aus Jour-
nalistenausbildung auszuschließen, sondern ihren institutionellen Einfluss zu-
rückzudrängen. Ihr geht es aber meiner Einschätzung nach auch darum, den
bereits vorhandenen Durchgriff der journalistischen Berufswelt und Medienor-
ganisationen auf die hochschulgebundene Journalistenausbildung mit Personal-
politik zu stärken: indem bewährte, aber akademisch gering qualifizierte Journa-
listen nicht nur als Lehrbeauftragte, sondern verstärkt auch als Professoren auf
Lebenszeit arbeiten dürfen sollen.
Falsch ist Reeses Behauptung (1999: 71), Medsgers Arbeit “misframes the
debate as theory versus practice”. Richtig ist: theory und practice kommen bei
ihr gar nicht als oppositionell aufeinander bezogene Begriffe vor. Zu finden ist
(Medsger 1996: 11), neben thought und practice, eine Wendung skills, theory
and survey courses. Was mit survey courses gemeint ist, bleibt unklar. Es dürfte
sich um die Methodenlehre wissenschaftlicher Erhebungen handeln: im Vokabu-
lar des von mir vorgeschlagenen Begriffsplans um das Feld (6) Techne of Jour-
nalism Research oder um das Feld (7) Techne of External Disciplines.
Unter den Stimmen, die Medsger zu Wort kommen lässt, formuliert Clint C.
Wilson (ebd.: 154), Professor und Chair des Department of Journalism an der
Howard University in Washington, D.C., “basic skills and theoretical frame-
4.2 Begriffliche Grundlegung in den USA 233
work”. Auch Journalisten finden in dem Buch ein Forum. Michael J. Parman
(ebd.: 163), Herausgeber der Zeitung The Press Democrat in Santa Rosa, stellt
“real world experience” der „theory“ gegenüber. Ray Suarez (ebd.: 166), Moder-
ator der Sendung Talk of the Nation des National Public Radio, wünscht sich
von Journalistik-Absolventen, sie hätten “the practical training to practice the
craft of journalism and a demonstrated knowledge of an area of knowledge”.
Auffällig ist auch hier die Konstruktion von gliedernden Begriffsdichotomien
durch die Vermischung jeweils einer Hälfte von theory and practice mit traditio-
nellen Begriffen aus der amerikanischen Journalistenausbildung.
Die Frage, ob Reese nun mit seiner Kritik an Betty Medsger Recht hat oder
nicht, darf an dieser Stelle in den Hintergrund treten. Wichtig sind mir die von ihm
verwendeten Begriffe. Reese macht einen für den Kontext der vorliegenden Studie
sehr wichtigen Schritt, indem er die in Europa den Diskus prägenden Begriffe
Theorie und Praxis in Form ihrer direkten Äquivalente zu theory und practice mit
den in den USA diskursbestimmenden Begriffen academic und professional sinn-
voll zusammenführt. Dafür schlägt er (1999: 74) eine neue Unterscheidung vor:
“Theory and practice may be used to label approaches to learning, with an emphasis
on reasons and experience, respectively, while the terms academic and professional
are often used to describe institutional outlook, inward toward a discipline or out-
ward toward practitioners.”
In meiner Untersuchung, die sich vor allem mit dem Lerngeschehen in Journalis-
tenausbildung befasst, geht es, wie von Reese vorgeschlagen, um theory und prac-
tice als “approaches to learning”. Bei academic und professional handelt es sich
um eine institutionelle Unterscheidung, um die beiden Elemente der von Haller
formulierten Zwei Kulturen. Obwohl Reese (vgl. ebd. 70) sich ausdrücklich gegen
ein „Entweder-oder“ zwischen theory und practice in Journalistenausbildung wen-
det, erkennt er (ebd.) den Primat der practice an: “The ultimate objective of journa-
lism education should be to improve the practice of journalism […].”
Im Lerngeschehen dienen bei Reese theory und practice der späteren Praxis
angehender Journalisten. Die von ihm kritisierte Betty Medsger (1996: 68) sieht
das kaum anders, indem sie die “quality of student learning as evidenced in the
journalism they produce and the issues they articulate” verortet.
Der Präsident der Columbia University Lee Bollinger nahm in der Diskussi-
on um die Ausrichtung der Journalistenausbildung an seiner Hochschule eine
ähnliche Haltung wie Medsger ein, dem Journalismus sei eine eigene intellektu-
elle Qualität zuzugestehen. In einem Interview mit dem Columbia Journalism
Review (November/December 2002: 23) sagte er über den Journalismus:
234 4 Theorie, Praxis und ihre Integration in der Journalistik
“I definitely think it’s as intellectually rigorous as the practice of law. But some
people like to divide the issue between teaching technique on one side and teaching
theory on the other side. I think that’s an artificial distinction. […] It is not worthy of
a great university to produce graduates who know a technique and nothing else. But
I don’t think that’s what the profession wants.”
Hervorzuheben ist dabei: Nicht das Denken in „Theorie und Praxis“ soll
überwunden werden, sondern wie bei Reese die vermeintliche Notwendigkeit,
sich in Journalistenausbildung für das eine oder andere entscheiden zu müssen.
Beides soll also seinen Platz haben. Auch Deuze (ebd.: 27) verwendet die Mehr-
wortbenennung integration of theory of practice – dies mit Verweisen auf Reese
und Blöbaum, also auch auf offenbar europäisch inspiriertes und unmittelbar
europäisches Denken.
Für Wissen und Können, wie es die Technische Universität Dortmund (2012)
als Quasisynonym von Theorie und Praxis verwendet, kann es kein englischspra-
chiges Äquivalent geben, weil sowohl Wissen als auch Können mit knowledge
übersetzt werden. Möglich wäre bestenfalls know-what und know-how.
Deutlich soll hier werden: Auch die amerikanische Journalistik führt eine
Diskussion um den Begriffsinhalt einer „Integration“ von „Theorie und Praxis“.
In den Benennungen aber verwendet sie nur selten das direkte Äquivalent theory
and practice. Dominant bleibt die Gegenübersetzung von academic und profes-
sional, doch kommt es auch zu einer Vermischung von theory and practice mit
dieser und anderen dichotomischen Benennungen. Traditionell erscheinen anstel-
le eines einheitlichen Begriffssystems zahlreiche Synonyme und Quasisynony-
me, die sich erst durch die von Stephen Reese vorgeschlagenen Unterscheidun-
gen zwischen theory und practice für das Lerngeschehen und academic und
professional für die Berufswelt des Journalismus zu ordnen beginnen. Als Fach-
wendung kommt theory and practice zwar kaum vor, die beiden Bestandteile
theory and practice aber durchaus in vielfältiger Kombination mit ganz anderen
Benennungen aus der Tradition amerikanischer Journalistenausbildung.
Amerikanisches Interesse an der Frage, was es mit practice und theory und
der Beziehung der beiden Begriffe zueinander in Journalistenausbildung auf sich
habe, zeigte sich mir in der sehr großen Bereitschaft von Dean Nicholas Lemann
an der Columbia School of Journalism und Associate Dean Brian S. Brooks an
der School of Journalism in Missouri, mir für die Fallstudien viel Zeit und Mühe
zu schenken.
Während in Deutschland Theorie und Praxis seit dem Neubeginn hoch-
schulgebundener Journalistenausbildung vor vier Jahrzehnten als grundgliedern-
de Begriffe dominieren, ist in der englischsprachigen Literatur eine Begriffsge-
nese zu beobachten, die sich über mehr als ein Jahrhundert erstreckt. Wie bereits
oben ausgeführt, haben Reese und Deuze in jüngster Zeit theory und practice aus
Europa in die amerikanische Journalistenausbildung importiert. Dafür, dass sich
daraus auch die Wendung theory and practice oder theory and praxis entwickeln
könnte, sind terminologisch zumindest in Form der zwei Bestandteile die Grund-
lagen vorhanden. Damit ließe sich dann auch mein Begriffsplan aus pra-
xis/techne/theory oder practice/techne/theory auf die US-amerikanische Journa-
listenausbildung anwenden.
236 4 Theorie, Praxis und ihre Integration in der Journalistik
Auch in der englischsprachigen Fachliteratur über die USA lässt sich die
jeweils nur hälftige Verwendung von theory and practice nachzeichnen. Mit der
zunehmenden Bereitschaft europäischer Wissenschaftler, auch in der kommuni-
kationswissenschaftlichen Weltsprache Englisch zu publizieren, gelangt die
europäische Unterscheidung nach theory und practice offenbar in die englisch-
sprachige internationale Fachöffentlichkeit. So präsentieren in dem von Romy
Fröhlich und Christina Holtz-Bacha (2003) herausgegebenen Sammelband und
dem von Georgios Terzis (2009) herausgegebenen Pendant Journalistenausbilder
aus mehr als 33 größtenteils nicht englischsprachigen europäischen Ländern
begriffliche Grundlagen einer fachwissenschaftlichen Weltöffentlichkeit in eng-
lischer Sprache.
Reeses Unterscheidung folgend, die professional der Praxis des Journalis-
mus und academic der Theorie der Journalismuswissenschaft zuweist, unter-
nehme ich nachfolgend den Versuch, englischsprachige Quasisynonyme den
Begriffen theory und practice zuzuordnen und so die Genese der englischspra-
chigen Begriffe und insbesondere die zunehmende Etablierung des Äquivalents
von Theorie und Praxis auch in der nichtamerikanischen englischen Fachsprache
besser sichtbar zu machen. Neben den genannten Sammelbänden beziehe ich
auch die für den amerikanischen Kontext bereits zitierten Textstellen sowie wei-
tere Quellen mit ein. Der so entstehende Überblick über die Genese von eng-
lischsprachigen Synonymen und Quasisynonymen, von theory und practice,
erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit:
Auch außerhalb der USA finden sich theory and practice somit als grundstruktu-
rierende Begriffe, in europäischen Quellen auch oftmals in der gemeinsamen
Verwendung als ein Begriffspaar. Für die Anwendung meines Begriffsplans gibt
es damit auch eine vorhandene terminologische Grundlegung in der englisch-
sprachigen Fachliteratur, die über die USA hinausreicht.
Die Adaption des europäisch geprägten Begriffsplans theory and practice
vollzieht sich offenbar über persönliche Kontakte zwischen Wissenschaftlern.
Die früheste begriffliche Gliederung von Inhalten in Journalistenausbildung in
theory and practice in den USA als direkte Gegenüberstellung habe ich in der
amerikanischen Literatur für das Jahr 1994 mit John Wickleins Unterscheidung
zwischen theoretical courses und practical courses gefunden. Wicklein (vgl.
1994: 45) hatte, ausweislich der Autorenmarke im Columbia Journalism Review,
kurz vor dem Erscheinen des Beitrags unter europäischem Einfluss gestanden,
und zwar als Berater einer Journalistenausbildung in Polen. Die vollständige,
substantivische Äquivalenz zu Theorie und Praxis als theory and practice er-
scheint erst 1999 bei Stephen Reese. Ihre Verwendung ging einher mit Reeses
engen Beziehungen zur europäischen Journalismusforschung,129 unter anderem
durch eine Gastprofessur in Amsterdam und die Zusammenarbeit mit Thomas
Hanitzsch, Wolfgang Donsbach und Martin Löffelholz. Jeremy Cohen (vgl.
2011: n p) hatte zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung im Jahr 2005 in Europa
Vorträge gehalten.
In der englischsprachigen Journalistik-Literatur aus Europa erscheint die
Dichotomie theory and practice dann mindestens seit dem Jahr 2000, und zwar
gleich im Titel des gleichnamigen Fachjournals für Journalismusforschung. In
weiteren englischsprachigen europäischen Veröffentlichungen erscheint theory
and practice seit mindestens 2003 bei Autoren so unterschiedlicher Länder wie
Deutschland, Großbritannien, den Niederlanden, Irland und Ungarn.
Es wird deutlich, dass seit spätestens Mitte der 1990er-Jahre die europäi-
sche Begriffsdichotomie Theorie und Praxis für die Gliederung von Inhalten in
Journalistenausbildung auch in den USA und in der darüber hinausgehenden
englischsprachigen Journalistik-Literatur mit dem Äquivalent theory and prac-
tice Verwendung findet, und sei es auch nur mit jeweils einer der beiden Be-
griffshälften. Es kommt in der englischsprachigen Fachliteratur weiterhin zu
Vermischungen jeweils eines Pols oppositioneller Benennungen mit vielfältigen
anderen Benennungen, so etwa als theory/research und professional education
bei der International Communications Association (ICO), die ich für problema-
tisch halte, eben weil sie grundverschiedene begriffliche Unterscheidungen mit-
einander vermengt.
„Jede Integration von Theorie und Praxis steht vor dem Problem, dass es sich dabei
analytisch um zwei Felder handelt, die zwar aufeinander bezogen sind, jedoch ihr
Profil gerade in Abgrenzung von dem jeweils anderen erhalten: Jede Theorie sollte
sich auf eine Praxis (die Wirklichkeit) beziehen; zugleich ist Theorie ein eigener Be-
reich, in dem Regeln, Kommunikationen und Handlungsbezüge anderen Maßgaben
folgen als in der Praxis beruflicher Tätigkeiten.“
Das Ringen mit der Integration von Theorie und Praxis als grundlegende Fach-
wendung der deutschen Journalistik hat seine Ursache im Begriffsumfang nicht
nur von Praxis, sondern auch von Integration. Blöbaum (ebd.: 12) identifiziert
für die universitäre Journalistenausbildung zwei Begriffsverständnisse, die ich
hier als Unterbegriffe auffasse:
„Mal steht die Formel für eine allgemeine Praxisorientierung des Studiums, mal
meint sie konkret das Training von Elementen beruflicher Tätigkeit in einer Lehr-
veranstaltung.“
242 4 Theorie, Praxis und ihre Integration in der Journalistik
Damit liegt auch für den herkömmlichen Begriff von Integration eine Polysemie
vor.
Die Benennung Integration für eine Beziehung zwischen Theorie und Pra-
xis geht in der deutschen hochschulgebundenen Journalistenausbildung mindes-
tens bis auf einen ihrer Urtexte zurück. Im Neuen Memorandum für einen Rah-
menplan zur Journalistenausbildung der vom Deutschen Presserat bestellten
Gemischten Kommission für Fragen der journalistischen Aus- und Fortbildung
vom 28. November 1973 (abgedruckt in Aufermann/Elitz 1975: 291) heißt es:
„Eine neue Konzeption in diesem Berufsfeld soll am Ziel einer Integration von prak-
tischer und wissenschaftlicher Ausbildung orientiert sein.“
„[…] in die journalistische Aus- und Fortbildung künftig die öffentlich getragenen
Einrichtungen für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft voll zu integrieren
und angemessen aufzubauen“.
Sie (vgl. ebd.: 301) schlagen die Ansiedlung der neuen Studiengänge an Ge-
samthochschulen vor und argumentieren, dies schaffe
Die Vokabel „Integration“ konnte ich in noch älteren Texten der Journalistik für
Inhalte der Ausbildung nicht finden. Ich habe Kurt Koszyk (2011) und Wolfgang
Langenbucher (2011) schriftlich befragt, ob sie sich an die Urheber der Benennung
Integration für das Verhältnis zwischen Theorie und Praxis erinnern konnten. Sie
konnten es nicht. In der Gemischten Kommission saßen neben Vertretern der Wis-
senschaft auch solche der Medien. Es ist durchaus möglich, dass der Begriff In-
tegration in der Journalistik – ähnlich wie von Ulrich Pätzold für Journalistik an-
gemerkt – nicht etwa der Wissenschaft, sondern dem Journalismus entstammt.
In der Journalistik vor der Zeit der Gemischten Kommission erscheinen statt
der hoch abstrahierenden lateinischen Benennung Integration simple deutschspra-
chige Quasisynonyme. Richard Wrede (1902: 13) zufolge sollte seine Journalis-
ten-Hochschule „Theorie und Praxis zugleich pflegen“. Anstelle des später ver-
wendeten integrieren erscheint somit das Quasisynonym zugleich pflegen. Die
Technische Universität Dortmund (2012) formuliert in ihrer Online-
Außendarstellung gemeinsprachlich verständlich: „Das Studium der Journalistik
vermittelt eine Mischung von Wissen und Können […]“. Hier erscheint Mischung
als Quasisynonym zu Integration und Wissen und Können zu Theorie und Praxis.
4.3 Der Begriff von Integration 243
In beiden Unterbegriffen ist Integration ein Vorgang, ein Prozess. Die Dudenre-
daktion (ebd.) weist aber auch einen dritten, statischen Unterbegriff aus als:
„3. Zustand, in dem sich etwas befindet, nachdem es integriert worden ist“.
Das Zutreffen des Merkmals Theorie und Praxis sind integriert wäre in hoch-
schulgebundener Journalistenausbildung ein ebensolcher Zustand: als die end-
gültige Erfüllung ihres Versprechens. Ein solches Verständnis setzt einen Zu-
stand voraus, der sich nicht mehr verändert. Den aber kann es nicht geben, denn
der Journalismus ändert sich ständig, und damit auch das auf ihn bezogene Lern-
geschehen. Also bleiben für den Kontext dieser Arbeit nur die ersten beiden
Unterbegriffe der Integration. Sie bestimmen deren Begriffsumfang in hoch-
schulgebundener Journalistenausbildung und entsprechen dabei auch der etymo-
logischen Herkunft des Wortes integrieren. Die Dudenredaktion (2001: 365)
führt es in ihrem Herkunftswörterbuch: Etymologie der Deutschen Sprache zu-
rück auf „integer“:
„Das Adjektiv wurde – wohl unter dem Einfluss von frz. intègre – im 19. Jh. ent-
lehnt aus lat. integer […] ‚unberührt, unversehrt; ganz‘, das mit verneinendem […]
in…, In… zur Sippe von lat. tangere ‚berühren‘ (vgl. Tangente) gehört. – Eine be-
sondere Bedeutung spielen im deutschen Wortschatz Ableitungen von lat. integer,
nämlich lat. integrare‚ heil, unversehrt machen, wiederherstellen; ergänzen‘, mlat.
inegralis ‚ein Ganzes ausmachend‘ und lat. integratio ‚Wiederherstellung eines
Ganzen‘. Aus ihnen sind die Fremdwörter integrieren (18. Jh.), Integralrechnung
(17. Jh.) und Integration (19./20. Jh.) hervorgegangen.“
Blick auf die Begriffsinhalte, wie ihn die oben identifizierten Merkmale konstitu-
ieren, so gibt es in der Tat eine von Horst Pöttker (2004: 69) postulierte „be-
rühmte, von allen berufsorientierten Disziplinen einschließlich der Journalistik
angestrebte Integration von Theorie und Praxis“. Sie anzustreben ergibt sich
zwangsläufig daraus, dass jede Berufsausbildung, auch die theoretische, sich auf
die Praxis des Berufs beziehen und für die Praxis ausbilden muss. Täte sie es
nicht, gäbe sie den Anspruch an sich selbst auf, eine Berufsausbildung zu sein.
Besonders intensiv thematisiert werden die Beziehungen zwischen Theorie
und Praxis für die Lehrerausbildung. Dies lässt hoffen, dass die Journalistik bei
dieser immerhin sehr viel größeren Nachbardisziplin Lösungsansätze für ihr
Theorie-Praxis-Dilemma finden könnte.
Pöttker (ebd.) führt die Integration von Theorie und Praxis, wie sie die
Journalistik verwendet, denn auch bis auf die von ihm selbst formulierte „Ver-
knüpfung von Wissenschaft und Schulerfahrung“ bei Theodor Geiger zurück, auf
ein ebenfalls von Pöttker (ebd.) formuliertes „sinnvolles Verhältnis“ von Theorie
und Praxis. Der Soziologe Geiger (vgl. ebd.: 68-69) war 1928 auf einen Lehr-
stuhl für Allgemeine- und Erziehungssoziologie an die Technische Universität
Braunschweig im Freistaat Braunschweig berufen worden und engagierte sich
bis 1930 im Rahmen einer sozialdemokratischen Bildungsreform für die wissen-
schaftliche Ausbildung der Volks- und Berufsschullehrer. Pöttker bezieht sich
auf Uwe Sandfuchs (1995) und zitiert eine dort wiedergegebene Textstelle, in der
Siegfried Bachmann Geigers Verständnis von „Integration” erklärt und schließ-
lich auch Geiger selbst zitiert wird. In Geigers Worten (Bachmann 1995: 381,
zitiert in Pöttker 2004: 69)
„[…] seien Theorie und Praxis ‚zu einem Ganzen aus einem Guß‘ zu formen und
das Studium ‚straffer als jetzt auf die vorgestellte Berufsfigur des Volkslehrers aus-
zurichten‘, könne sich der Lehrplan nicht aus den Bedürfnissen einzelner Wissen-
schaften ergeben, sondern [nur] aus dem Ausbildungszweck“.
Von Integration ist dort keine Rede. Auch bei Geiger selbst in den von Sand-
fuchs dokumentierten Textstellen konnte ich die Benennung nicht finden. Geiger
wählt hier die allegorisch-metaphorische Benennung „zu einem Ganzen aus
einem Guß formen“. Der Begriff davon deckt sich mit dem ersten der beiden
oben vorgestellten, prozessualen Unterbegriffe im Deutschen.
Der zweite davon, Einbeziehung, Eingliederung in ein größeres Ganzes,
setzt voraus, dass es ein solches größeres Ganzes gibt. Dieses benennt Theodor
Geiger hier für den Kontext von Lehrerausbildung in aller Präzision; es ist der
Ausbildungszweck.
Der erste Unterbegriff, Wiederherstellung einer Einheit, Vervollständigung,
setzt voraus, dass es eine solche Einheit einmal gegeben habe, diese aber zerbro-
4.3 Der Begriff von Integration 245
chen sei. Dieser Unterbegriff muss dem der Eingliederung in ein größeres Drittes
nicht widersprechen. Er kann, muss aber nicht zwangsläufig ein Unterbegriff
dieses Unterbegriffs von Integration sein. Für den Zweck dieser Arbeit erscheint
der von Theodor Geiger konzipierte Unterbegriff einer Integration als Eingliede-
rung von Theorie und Praxis in das größere Ganze des Ausbildungszwecks „aus
einem Guß“ als ausreichend.
In seinem Aufsatz Über die Ausbildung der Volksschullehrer entwickelt
Theodor Geiger (zitiert in Rodax 1991: 411 ff.) seinen Begriff des Zusammen-
treffens von Theorie und Praxis in einer hochschulgebundenen Berufsausbil-
dung:
„Die Frage war: in welcher Weise sollen bei der hochschulmäßigen Ausbildung The-
orie und Praxis miteinander verbunden werden? und gerade diese Frage wird in
Braunschweig erneut aufgeworfen und anders als bisher aufgelöst werden müssen.
Sprechen wir es schonungslos aus: die bisherige Ordnung der Dinge ist dem mit
hochschulmäßiger Ausbildung verfolgten Zweck gefährlich. Neben dem eigentlich
wissenschaftlichen Bildungsgang läuft die Schulpraxis und die Anleitung in den so
genannten technischen Fächern. Dieses Nebeneinander drückt sich schon darin aus,
daß zwei verschiedene Instanzen als Ausbildungsträger erscheinen. Der Student ist
an der Hochschule immatrikuliert, die schulpraktische Unterweisung und die Schu-
lung in den technischen Fächern untersteht der Schulverwaltung. […]“
„Die heutige Ordnung der Dinge ist dazu geeignet, die beiden Ausbildungsträger in
ein Verhältnis abträglicher Konkurrenz statt förderlichen Zusammenwirkens zu
bringen.“ (Ebd.: 412)
[…]
„Wissenschaftlich-theoretische und pädagogisch-paktische (sic: praktische) Ausbil-
dung brauchen keineswegs im Verhältnis wechselseitiger Beeinträchtigung zu ste-
hen; sie können sehr wohl verschmolzen und zu einem Ganzen aus einem Guß ge-
formt werden.“ (Ebd.: 415)
gebnis, wofür es allerdings – das füge ich hinzu – in Gießereien wie auch in
Journalistenausbildung eine Form geben muss, eine Struktur. Diese Struktur
versuche ich mit meinem Begriffsplan zu schaffen.
Theodor Geiger (zitiert in Rodax 1991: 416) postuliert die „Verbindung von
Wissenschaft und Kunstlehre der Erziehung in einer Lehrerpersönlichkeit als
dringendes Gebot“. Deutlich wird hier, dass die Integration sich bei Geiger in der
Person des Auszubildenden ausdrückt. Dies entspricht meiner eigenen Verortung
des Lerngeschehens bei den Studierenden.
Der Begriffsinhalt einer Integration von Theorie und Praxis nach Theodor
Geiger wird demnach, obwohl die Benennung Integration in den betreffenden
Textstellen nicht nachgewiesen ist, von folgenden Begriffsmerkmalen konstituiert:
Bei Theodor Geiger finden sich somit sämtliche Unterbegriffe von Integration
wieder, wie ich sie oben für das allgemeine Verständnis diskutiert habe: die beiden
ersten Unterbegriffe, die Prozesse bezeichnen, und der dritte, der einen statischen
Zustand meint, der eintritt, wenn der Prozess erfolgreich stattgefunden hat.
Der deutschen Pädagogik ist Integration als Benennung für die Verbindung
von Theorie und Praxis kaum geläufig. Positiv ausschließen kann ich die Ver-
wendung zwar nicht. Ich habe sie aber trotz intensiver Suche in Schlüsselwerken
zur langen erziehungswissenschaftlichen Diskussion um „Theorie und Praxis“
nicht finden können. Geigers Zeitgenosse Oswald Kroh (1927: 9) schreibt in
seinem Band Theorie und Praxis der Pädagogik allgemein vom Verhältnis von
Theorie und Praxis sowie (ebd.: 59) – als Postulat vergleichbar mit der in der
Journalistik verwendeten Integration – von einer Durchdringung von Theorie
und Praxis. Vier Jahrzehnte später wählt Wilhelmine Sayler in ihrer Dissertation,
die als Buch (1968: 25) Das Verhältnis von Theorie und Praxis in der Pädagogik
erschienen ist, die Formulierung einer fruchtbaren Zusammenarbeit von Theorie
und Praxis. Ein weiteres Jahrzehnt Bildungsreform später erschien ein Sammel-
band (Teichler/Winkler 1979) Praxisorientierung des Studiums mit 41 Beiträgen
von Autoren nicht nur aus der Pädagogik und weiteren Disziplinen wie der Inge-
nieurwissenschaften, sondern auch aus der noch jungen Journalistik. Von einer
Integration von Theorie und Praxis ist unter allen vertretenen Disziplinen allein
in einem Aufsatz über den Modellversuch zur Journalistenausbildung in Mün-
chen (Gallenkamp 1979) die Rede. Ansonsten dominiert die Vokabel aus dem
4.3 Der Begriff von Integration 247
„Informierende Irritationen sind […] externe Anregungen, die von einem Beobach-
ter als systemintern informativ bzw. relevant klassifiziert werden: Der Lernende ar-
beitet nun erkennbar mit den Unterscheidungen, die man in seine Umwelt hinein-
konstruiert hat, kombiniert sie mit eigenen Leitdifferenzen, arrangiert Unterschei-
dungssysteme neu, tauscht sie eventuell sogar aus, behält sie kurzfristig oder länger-
fristig im Gedächtnis.“
„Es geht mir ganz gewiss nicht darum, mich vom Hochsitz der Theorie aus an die
Praktiker am unteren Ende zu wenden – und zu sagen: ‚Jetzt irritiere ich Euch mal
ein wenig; und was ihr damit anfangt, ist eure Sache.‘ Irritation als Kerngeschäft der
Journalistik meint vielmehr: hinterfragen, was in der Praxis einfach für selbstver-
ständlich gehalten wird; der Praxis mit Daten und Fakten, mit neuen Fragen und
Antworten, mit neuen Perspektiven und Herangehensweisen den Weg in die Rich-
tung einer schlichten Bestätigung des Immer-schon-Dagewesenen zu verbauen;
sichtbar zu machen und immer wieder neu vorzuführen, dass alles immer auch an-
ders sein könnte. Also, wenn man so will: Gewissheiten infrage zu stellen, Unruhe
zu stiften. Das ist alles andere als ein reines Theorieprogramm, sondern lässt sich
auch ganz konkret z. B. in einer Lehrredaktion demonstrieren und in Form von kon-
kreten Handlungsanleitungen realisieren.“
die Integration von Theorie und Praxis im Sinne einer Integration der Zwei Kul-
turen gute Chancen hat, liegt auf der Hand. Zumindest entsteht so, abgesehen
vom Fehlen eines wichtigen Begriffsmerkmals eines Berufs, nämlich der Bezah-
lung, journalistische Praxis an der Hochschule. Ein Problem aber bleibt so unge-
löst: Journalistische Curricula bestehen aus mehr als nur Lehrredaktionen. Das
Versprechen der Journalistik, eine Integration von Theorie und Praxis zu leisten,
erstreckt sich auf die gesamten Curricula und kann deshalb nicht allein an Lehr-
redaktionen delegiert werden.
In der amerikanischen Literatur über Journalistenausbildung konnte ich die
integration von theory and practice allein bei Stephen Reese mit dem direkten
Äquivalent finden. Anders als Reese verwendet Jeremy Cohen (vgl. 2005: 336),
der als ein Vertreter der Hauptströmung hochschulgebundener Journalistenaus-
bildung in den USA theory and practice einführt, das Äquivalent integration
nicht. Er fordert, wie bereits ausgeführt, ein allegorisches connecting the dots
und a line of connection between theory and practice. Cohen (ebd.: 337)
beschwört “the value of infusing training on the day-to-day aspects of journalism
with the work of communications theory into our curricula”. Hier erscheint als
weiteres Quasisynonym zu integration die medizinische Allegorie einer infusion
of, die eine lebenserhaltenden Maßnahme für Journalismus und Journalistik kon-
notiert. Cohen bietet damit mehrere allegorisch-metaphorische Quasisynonyme
für integration in Mehrwortbenennungen anstelle einer Einwortbenennung an.
Wolfgang Donsbach und Tom Fiedler (2008: 15) formulieren in einer Zwischen-
überschrift ihres Forschungs-Zwischenberichts zur US-amerikanischen Journa-
listenausbildung ein Integrating Knowledge and Techniques.
Der Accrediting Council on Education in Journalism and Mass Communi-
cations, ACEJMC (2012: 44, 2. Curriculum and Instruction, Indicators, b), pos-
tuliert eine balance von “professional skills courses and theoretical and concep-
tional courses”.
Betty Medsger (1996: 11) verwendet zwar das Wort integration, dies aber
nicht als Äquivalent zum deutschen Integration, sondern in völlig anderen Kon-
texten. Zum einen kritisiert sie das “integrated curriculum model” an US-
Instituten der communications, das Studierende zu “generic communicators”
ausbilde, also zu beliebigen Kommunikatoren, die auch in Public Relations oder
Werbewirtschaft Arbeit finden. Zum anderen (vgl. ebd.: 18) thematisiert sie mit
der Benennung das Bemühen in den USA “to integrate new technology into its
teaching”. Hier liegt eine Polysemie vor.
Für integration als Äquivalent der deutschen Benennung Integration im
Sinne begriffsoppositionell arrangierter Inhalte von Journalistenausbildung kur-
sieren in den USA damit, abgesehen vom versuchten Begriffsimport integration
durch Reese, nur allegorisch-metaphorische Quasisynonyme wie connecting the
250 4 Theorie, Praxis und ihre Integration in der Journalistik
und journalistischer Berufswelt mit Allegorien, hat aber, außer in Ansätzen, für
das Lerngeschehen die Benennung integration nicht aufgenommen, wohl aber
für ganz andere Kontexte polysemisch verwendet. Ein Problem der Polysemie
mit der Vokabel Integration besteht in Deutschland darin, dass sie zunehmend
mit Fragen der Einwanderung statt mit Berufsausbildungen assoziiert wird.
Diese Polysemien erscheinen mir kaum noch reparabel. Mein Begriffsplan
bietet die Chance eines Neubeginns, indem er die begrifflichen Ungenauigkeiten
bisheriger Postulate von Integration in Journalistenausbildung hinter sich lässt.
Deshalb schlage ich in der Einleitung vor, Integration im Lerngeschehen mit
einem einzigen Begriffsmerkmal neu zu fassen als: „Alle zwölf Felder des Be-
griffsplans sind ausgewogen präsent und empirisch nachweisbar“.
Den für diese Arbeit entscheidenden Hinweis auf eine mögliche Überwindung
des Theorie-Praxis-Dilemmas im herkömmlichen Begriff von Theorie und Pra-
xis gibt der Erziehungswissenschaftler132 Manfred Rosenbach (2004a: 2.2) aus
dem Kontext der Lehrerausbildung, indem er Theorie und Praxis die Techne zur
Seite stellt,133 die Hervorhebungen in den nachfolgenden Zitationen übernehme
ich aus dem Original:
„Für PLATON sind Theorie und Praxis eine polare Einheit, doch zeigt das Studium
seiner Dialoge, dass ihnen ein weiterer wichtiger Begriff zugeordnet ist – die ‚téch-
ne‘. Dieses Wort wird mit Kunst nur unvollkommen übersetzt; es beschreibt die
komplexen Fähigkeiten eines Handwerkers. Dieser Begriff verknüpft die beiden an-
deren miteinander; er kann sowohl als ein Teilgebiet der Theorie als auch als Aspekt
der Praxis verstanden werden. In modernen Sprachen bezeichnet er das Können.
[…]
Diese Unterscheidungen heben den gängigen Dualismus von Theorie – Praxis auf
und lassen ihn in einem anderen Licht sehen.“
132 Der promovierte Autor ist ein pensionierter Lehrerausbilder mit zwei Jahrzehnten Erfahrung
im Vorbereitungsdienst für das Amt des Studienrates. (Auskunft des Autors per E-Mail vom 8.
Januar 2005.) Weitere biographische Details stehen auf http://www.wbg-wissenverbindet.
de/WBGCMS/php/Proxy.php?purl=/de_DE/wbg/second/Autoren/Autorenprofile/R/show,1387.
html, Zugriff am 28. April 2013.
133 Rosenbachs Aufsatz Theorie und Praxis: Problem, Begriff, Bedeutung (Rosenbach 2004a)
wurde, ebenso wie sein Plädoyer für Theorie und Praxis statt Theorie oder Praxis (Rosenbach
2004b), auf dem Bildungsserver des Berliner Senats veröffentlicht. (Hervorhebungen durch
Unterstreichen, im Original durch Kursivsatz hervorgehoben.)
252 4 Theorie, Praxis und ihre Integration in der Journalistik
Mit Kunst bietet Rosenbach hier ein Äquivalent für IJȤȞȘ an, relativiert dies aber
sofort, indem er die Übersetzung als „unvollkommen“ bezeichnet. Können dage-
gen setzt der Autor als ein volles Synonym zu Techne.
Praxis beschreibt für Rosenbach (ebd.), „wie die Werthaltung beschaffen
ist, in der ein Handelnder handelt“:
Dem Hinweis Manfred Rosenbachs auf die Techne folgend, habe ich die Begriffe
von Praxis und Theorie schon in der Einleitung auf ihre altgriechischen Ur-
sprünge zurückgeführt. Diese historisch-kulturelle Entwicklung der Begriffe über
zweieinhalb Jahrtausende erfordert einige Einordnungen. Als Erstes aber muss
ich aufzeigen, was mit Theorie hier nicht gemeint ist
Der Gegenstand Theorie in dieser Untersuchung sind nicht die Theorien der
Journalistik oder anderer Disziplinen, sondern es ist „die Theorie“, die mein
Begriffsplan mit den Feldern (9), (10), (11) und (12) in Curricula von Journalis-
tenausbildung verortet. Der Begriff von der hier nur im Singular verwendeten
Benennung Theorie umfasst zwar die auch im Plural vorhandenen Theorien als
Unterbegriffe, geht aber in seinem Begriffsumfang darüber hinaus.
Die Kommunikationswissenschaft und die Journalistik forschen als empiri-
sche Sozialwissenschaften theoriegeleitet. „Die eine“ Theorie des Journalismus
gibt es allerdings nicht, sondern nur Ansätze der Theoriebildung. Martin Löffel-
holz (2004) hat sein Lehrbuch Theorien des Journalismus folgerichtig als „dis-
kursives Handbuch“ herausgegeben; Vertreter der im deutschen Sprachraum
diskutierten Lehrschulen legen dort unterschiedliche Ansätze dar.
Löffelholz (ebd.: 60) schreibt von einem „komplexen, heterogenen und
durchaus widersprüchlichen Diskurs“ und stellt (ebd.) fest:
„Freilich handelt es sich nicht immer um Theorien im engeren Sinn, sondern häufig
um Taxonomien (Begriffssysteme), die ihre Gegenstände eher ordnen als erklären
und einen eher heuristischen als prognostischen Gehalt besitzen.“
Die Journalistik arbeitet also mit Theorienfragmenten, und diese sind zum größ-
ten Teil anderen sozialwissenschaftlichen Disziplinen entlehnt. Je nach fachli-
cher Ausrichtung betreten in der kommunikationswissenschaftlich orientierten
Journalistik Wissenschaftler mal dieses, mal jenes Theoriengebäude. Gleiches
gilt für die Journalismusforschung, die Journalistik, sofern sie sich als einen Teil
Diese Auswahl wie auch die vollständige Liste dienen allein der Dokumentation
versuchter Übersetzungen. Wegen der festgestellten prinzipiellen Unübersetz-
barkeit von IJȤȞȘ verzichte ich darauf, sie weiter zu analysieren.
Der Begriffsinhalt erschließt sich laut DIN 2342 nicht aus der Benennung, sondern
aus den Begriffsmerkmalen. In der Einleitung habe ich wesentliche Begriffsmerk-
male von Techne isoliert, und zwar unter Ausschluss des Sonderfalls des Unterbe-
griffs von Platonischer Techne. Diese Begriffsmerkmale gilt es jetzt zu belegen.
Methodisch stellt sich vorab die Frage, warum ich gerade diese Begriffs-
merkmale als wesentlich einschätze und andere nicht. Hier droht eine Subjektivität
der Auswahl, die als unwissenschaftlich gewertet werden könnte. Ein denkbarer
Weg, dieses Risiko zu minimieren wäre es, deduktiv in den gefundenen Formulie-
rungen nach Gruppen von ähnlichen Merkmalen zu suchen und unterschiedliche
Formulierungen dann zusammenzufassen. Diesen Weg habe ich zunächst versucht
zu gehen, ihn dann aber verlassen, als ich einsah, dass auch dem Erkennenwollen
solcher Gruppen ein subjektives Element der Willkür innewohnt.
Als objektiveren, weil von meiner Person isolierten Zugang zum Wesentli-
chen habe ich die 14 Kataloge von Begriffsmerkmalen identifiziert, in denen
andere Autoren die ihrer Einschätzung nach wichtigsten Begriffsmerkmale iden-
6.3 Hierarchische Positionierung: Oberbegriffe 257
tifizieren. Dabei ist zu beachten, dass KAT13 den Spezialfall der Benennung
Techne für ein Lehrbuch (vgl. Fuhrmann 1960) darstellt, der hier nicht berück-
sichtigt werden muss, und dass es sich bei KAT1, KAT2 und KAT6 bis KAT12
sowie bei KAT14 um Kataloge handelt, die jeweils Unterbegriffe von Techne
betreffen und zusammengefasst werden können. Insgesamt liegen Kataloge von
sieben Autoren vor.
Für objektiv, weil reproduzierbar, halte ich es, in dieser Anwendung auf die
Journalistik forschungspragmatisch den Filter zu setzen, nur solche allgemeinen
Begriffsmerkmale als wesentlich anzunehmen, die für den Kontext von Berufs-
ausbildung relevant sind. Das Wesentliche wird damit zu einer kontextbezogenen
Größe. Dies erachte ich als zulässig, weil die Suche hier der Untersuchung von
Lerngeschehen untergeordnet ist. Der Filter, die wesentlichen Merkmale auf
mein Thema anzuwenden, reduziert die Gefahr unzulässiger Subjektivität.
Dennoch bleibt die Auswahl und Formulierung der für meinen Kontext iso-
lierten wesentlichen Begriffsmerkmale zwangsläufig zumindest ansatzweise
subjektiv. Sie ist das Ergebnis einer Zusammenschau der separat (Streitbörger
2013) geleisteten Terminologieextraktion für die Anwendung auf das Lernge-
schehen in Journalistenausbildung. Es ist durchaus möglich, sogar wahrschein-
lich, dass ich andere wesentliche Begriffsmerkmale übersehen habe. Was ich für
relevant halte, werden andere in der Reproduktion vielleicht ebenfalls als rele-
vant filtern, vielleicht aber auch nicht.
Dem Meinungscharakter dieses Filters kann ich ebenso wenig wie der
grundsätzlichen Subjektivität der Auswahl und Formulierung entkommen. Wohl
aber belege ich objektiv und nachvollziehbar jede von mir gewählte Formulie-
rung für Begriffsmerkmale anhand der ausgewerteten Literatur und weise damit
nach, dass sie valide sind. Dieses Vorgehen ist gute wissenschaftliche Praxis und
geeignet, das prinzipiell nicht ausschließbare subjektive Element zu minimieren.
Damit relativiert sich die vorab festgestellte Subjektivität. Die formalen Nach-
weise im Einzelnen stehen im Kapitel 3 des Elektronischen Anhangs A.
Dort habe ich jedes als wesentlich ausgewählte und formulierte allgemeine
Begriffsmerkmal von Techne mit mehreren Autoren der philosophisch-
philologischen Fachliteratur belegt. Zudem ist auch jedes von ihnen in bis zu
fünf der sechs Kataloge wesentlicher Begriffsmerkmale nachgewiesen.
Für meinen Begriffsplan sind die Oberbegriffe von Techne unerheblich; meinem
Zweck genügt die Identifizierung ihrer Begriffsmerkmale. Ich weise Oberbegrif-
fe nur aus dem einen Grund aus: aufzuzeigen, dass Techne in vielfältigsten be-
griffshierarchischen Positionierungen nach oben hin steht. Als für das generelle
Verständnis bemerkenswert erachte ich ihre Positionierung als Unterbegriffe von
Beruf sowie Können und Wissen: nicht also synonym zu ihnen, sondern als eine
besondere Form. Ebenfalls nicht übersehen werden sollte die Positionierung als
Unterbegriff von Menschen. Die diesbezüglich gefundenen Formulierungen
lauten in einer Auswahl:
OB54 Bereich des Menschen, mit dem dieser sich gegen die Götter stellt. Nach
Solon. (Vgl. Jörg Kube 1969: 30)
OB59 Die praktische Intelligenz des Menschen überhaupt: nicht mehr als die-
ses oder jenes konkrete Können, sondern formal. Spätestens seit Pindar und
Aischylos. (Vgl. ebd.: 37)
6.4 Hierarchische Positionierung: Unterbegriffe 259
OB74 Behauptung des Menschen gegen seine Umwelt. Sophistisch. (Vgl. ebd.:
228)
Hier geht es nur oberflächlich darum, dass nicht etwa Tiere eine Techne ausüben
könnten. In der Tiefe heißt die Positionierung als Unterbegriff von Menschen,
dass Techne ein elementarer Teil und ein Potential des Menschseins ist. Maschi-
nen mögen zwar, wie oben beschrieben, Sportberichte schreiben. Techne aber ist
das nicht, denn die ist immer menschlich. In der Übertragung des Begriffsplans
vom Lerngeschehen in Journalistenausbildung auf Berufsgeschehen im Journa-
lismus wird Techne auch dort zu einem elementaren Teil des Geschehens und
damit zu einem Begriffsmerkmal von Journalismus. Wenn maschinell hergestell-
te Texte und Bilder keine Techne enthalten, kann es in diesem Begriffsverständ-
nis auch keinen maschinengenerierten Journalismus geben. Journalismus ist nur
als menschlich zu haben.
Für die in der Einleitung bereits vorgestellte Unterscheidung zwischen den Un-
terbegriffen UB1 techne1 und UB2 techne2 schulde ich den Nachweis der dort
behaupteten Begriffsmerkmale. Diesen führe ich im Kapitel 3.2. des Elektroni-
schen Anhangs A.
Die behaupteten Begriffsmerkmale für techne1 und techne2 weise ich dort
nicht nur bei ihrem Urheber David Roochnik nach – wo es auch nicht anders zu
vermuten gewesen wäre –, sondern auch beim zweiten Übersetzer des Alexander
von Aphrodisias, Johannes M. Van Ophuijsen, und mit Ausnahme von 6.6.1: „Ist
extrem zuverlässig“ auch bei anderen Autoren von Sekundärliteratur als David
Roochnik.
Wäre Platons Sonderfall des Entwurfs von Techne eine Fortentwicklung der
sophistischen Auffassung bzw. des Alltagsverständnisses von Techne, müsste ihr
bei konfligierenden Kriterien für das Vorhandensein von Techne der Vorzug
gegeben werden. Das aber ist sie gerade nicht. Wie Jörg Kube (vgl. 1969: 118)
überzeugend herausgearbeitet hat, geht es Platon vielmehr darum, die Wissens-
vorstellungen der Sophisten zu desavouieren. Platon setzt mit seinem Bezug der
Techne auf das „Gute“ für die Sophisten Maßstäbe, die nicht die ihrigen sind.
Platon kümmert sich überhaupt nicht um den Begriff von Techne; deren Diskus-
sion ist ihm nur Mittel zum Zweck in der Diskussion anderer Fragen. Aus diesen
Gründen folge ich in meinem Begriffsplan dem sophistischen und gemeinsprach-
lichen altgriechischen Begriff von Techne.
Für die Untersuchung der Techne sind die platonischen Schriften damit aber
keineswegs irrelevant. Drei Gründe sprechen dafür, dass Platon bei der Erörte-
rung der Techne nicht ausgeklammert werden kann, auch wenn sein eigener
Begriff von ihr höchst fragwürdig erscheint:
Erstens sind Platons Schriften, wie bereits ausgeführt, wichtige Quellen der
Überlieferung sophistischen Denkens: gerade weil sophistisches Schriftgut ins-
gesamt nur in sehr geringem Umfang erhalten ist. In der vorliegenden Arbeit
tragen einige Fundstellen aus dem platonischen Werk deshalb das Prädikat „bei
Platon“ und nicht „platonisch“. In der Auswertung der Platon-Schriften als histo-
rische Quellen ist allerdings stets zu beachten, dass die Dialoge, wie bereits aus-
geführt, eine literarische Form darstellen. Ihnen mögen tatsächlich geführte Ge-
spräche des Sokrates zugrunde liegen, doch sind sie nicht als Gesprächsprotokol-
le zu verstehen. Sophistisches Denken wird hier mit Platon durch einen seiner
Gegner vermittelt.
6.6 Werteneutrale Sophistische versus „gute“ Platonische Techne 261
zwischen den Techne-Begriffen fällt auf das vor- und nachplatonische, vor allem
von den Sophisten zu seiner Blüte entwickelte Techne-Verständnis: auf den
Begriff von Techne, den die Sophisten unter Einbeziehung der hippokratischen
Autoren, aber auch Aristoteles und ihm nachfolgende antike Autoren vertreten
und weiterentwickelt haben.
Um Missverständnissen vorzubeugen: Meine Entscheidung für Sophisti-
schen Techne und Alltags-Techne anstelle Platonischer Techne bedeutet keines-
wegs, journalistisches Handeln als wertfrei im Blick auf seine Auswirkungen
bestimmen zu wollen; sie beschränkt sich auf das Begriffsmerkmal Werteneutra-
lität der Techne, nicht aber der Praxis. Es geht hier keineswegs um die Daseins-
berechtigung und Notwendigkeit journalistischer Ethik, sondern um deren be-
griffliche Verortung: Ethische Fragen sind in der Praxis zu entscheiden, in der
Anwendung der Techne, nicht in deren Anlage. Das Wissen um ethische Maß-
stäbe ist nicht in der Techne zu verorten; sein Ort ist die Theorie.
Jörg Kube (1969: 45) macht in einer philosophischen Arbeit über die Techne
deren wichtigstes abgrenzendes Begriffsmerkmale gegenüber Technik als Inge-
nieurtechnik an der Beziehung des Techniten versus des Technikers zur Natur,
der Physis fest. Der Ingenieurtechniker (ebd.) „paßt sich nicht mehr an, sondern
er paßt an sich an“.
Der Germanist Wilfried Seibicke (1968) hat die Entwicklung der Sprachfami-
lie um IJȤȞȘ in Deutschland vom 16. Jahrhundert bis 1832 sprachwissenschaftlich
untersucht. Sein Interesse gilt der Ingenieurtechnik. Der Autor (vgl. ebd.: 11) da-
tiert das Entstehen des im Deutschen vorherrschenden Verständnisses von Technik
als Ingenieurtechnik auf die ersten drei Jahrzehnte nach dem Jahr 1800.
Seibicke (1968: vgl. 285) vertritt die These, das Wort Technik sei nicht, wie
vielfach angenommen, aus dem Französischen ins Deutsche übernommen wor-
den, sondern im Zuge einer zweifachen Entlehnung (ebd.) „[…] aus dem Grie-
chischen ins Neulateinische und aus diesem wieder in die modernen Einzelspra-
chen“. Im Deutschen habe sich das Wort Technik im letzten Viertel des 18. Jahr-
hunderts einzubürgern begonnen, Einzelglieder der Wortfamilie weist er jedoch
schon für das erste Viertel jenes Jahrhunderts nach, wie (ebd.) Pyrotechnik, Hyd-
rotechnik und Technologie.
In Seibickes terminologischer Einschätzung (vgl. ebd.: 5) haben wir es heu-
te mit mindestens zwei homonymen Wörtern Technik zu tun. Neben der Ingenie-
urtechnik sei es weiterhin nicht ungewöhnlich, von einer Maltechnik, von
Sprechtechnik oder der Technik eines Pianisten zu sprechen. Techne in diesem
Sinne sei sprachlich keine Übertragung der Ingenieurtechnik. Vielmehr führt
6.7 Abgrenzung der Techne von Technik und Technologie 263
Seibicke den Begriff auf die beiden gemeinsame griechische IJȤȞȘ zurück. Mit
diesem gemeinsamen etymologischen Ursprung wird in Seibickes Arbeit der
historischen Terminologieforschung gemäß DIN 2342, wie im Kapitel 2 ausge-
führt, aus der Homonymie (5.3.7) eine Polysemie (5.3.6).
In den Techniken lebt die Techne somit auch nach der mittelalterlichen
Vermischung mit der Praxis noch weiter.
Auch die Technikphilosophie hat, vor allem in Veröffentlichungen der 70er-
und 80er-Jahre des 20. Jahrhunderts, den Begriff der Techne aufgegriffen. Auto-
ren wie Simon Moser (1973: 44-52) und Langdon Winner (1982) haben Techne
thematisiert.
Heinrich Stork (1977) verzichtet auf den 185 Buchseiten seiner Einführung
in die Philosophie der Technik auf jede Diskussion der Techne bzw. fasst sie
gleich als Technik. Dies ist ein Hinweis darauf, dass zu jener Zeit in der Tech-
nikphilosophie Techne im antiken Sinne fast vergessen war.
Die neuere Technikphilosophie nimmt den Techne-Begriff durchaus wieder
wahr und kann sich in ihrem Verständnis auf jüngere größere Untersuchungen
der Techne stützen. In Thomas Zoglauers (2002) Sammelband Technikphiloso-
phie rekurriert der Autor für die Erklärung der Techne in der Einleitung auf die
auch von mir (Streitbörger 2013) ausführlich ausgewerteten Arbeiten von Rudolf
Löbl (1997) und Helmuth Schneider (1997). Zoglauer (vgl. ebd.: 11) schreibt,
die Arbeiten anderer Autoren zusammenfassend interpretierend, über die (ebd.)
„doppelte Bedeutung von Techne als Technik und Kunst“. Damit erfasst auch er
die Techne mit Benennungen moderner Begriffe, statt sie als eigenständigen
Begriff mit eigener Benennung zu sehen. Er verwendet aber für Techne, abgese-
hen von der einmaligen Ableitung (ebd.: 11) des Wortes Technik von techné,
durchgehend (vgl. ebd.: 9-51) die Benennung Technik.
7 Experimentelle Überprüfung des Begriffsplans 265
Hypothese 2: Die Anwendung des Begriffsplans mit zwölf Unterbegriffen auf Cur-
ricula für Journalistenausbildung lässt Grundstrukturen vertikaler Dimension nach
den Spalten Praxis, Techne und Theorie und horizontaler Dimension nach den vier
Ebenen Journalismus, Journalismusforschung, Externe Disziplinen und Alltag er-
kennbar werden.
134 Die Anhänge sind auf der Produktseite dieses Buches unter http://www.springer.com frei
zugänglich publiziert.
chem Maße den Probanden die Lokalisierung konkret gelingt, um die allgemeine
Hypothese 1, die Felder seien empirisch lokalisierbar, zu verifizieren oder zu
falsifizieren. Des Weiteren dient die erste Abfrage der Prüfung der in der Einfüh-
rung formulierten Hypothese 2, die Anwendung des Begriffsplans lasse Grund-
strukturen von Curricula erkennbar werden.
Die zweite Abfrage betrifft nur Markierungen von Techne. Für die von den
Probanden anhand nur weniger Merkmale identifizierten Techne-Felder stelle ich
fest, ob und in welchem Maße das betreffende Lerngeschehen auch weitere, in
der Einleitung genannte und im Kapitel 6.5 nachgewiesene wesentliche Be-
griffsmerkmale von Techne erfüllt, ob es sich also im Sinne der vorliegenden
Arbeit „wirklich“ um altgriechische Techne handelt. In einer zweiten Zusatzab-
frage, die sich ebenfalls nur auf Markierungen von Techne-Feldern bezieht, prüfe
ich, ob und in welchem Maße es sich um techne1 oder techne2 nach der Unter-
scheidung von David Roochnik handelt.
Besonderheiten der jeweiligen Untersuchungen sowie die Auswertungen
der zusätzlichen Abfragen für Techne-Markierungen finden sich im Kapitel 4 des
Elektronischen Anhangs A.
Die Experimente fanden zwischen dem 30. September 2009 und dem 22.
April 2010 statt. In Deutschland fiel die Wahl auf den Bachelor-Studiengang
Journalistik der Technischen Universität Dortmund als größte universitäre Jour-
nalistenausbildung des Landes und auf den Bachelor-Studiengang Fachjourna-
listik der Hochschule Bremen als etablierte, mit mehr als einer Professur ausge-
stattete Fachhochschulausbildung. In den USA wählte ich die älteste ununterbro-
chen noch bestehende, sehr große hochschulgebundene Journalistenausbildung
an der staatlichen University of Missouri in Columbia mit ihrem grundständigen
Undergraduate Program als Beispiel der in den USA dominierenden Bachelor-
Ausbildung an staatlichen Universitäten sowie die ebenfalls renommierte Journa-
listenausbildung der privaten Columbia University in New York City mit einem
ihrer beiden Master-Studiengänge für Journalistenausbildung, dem Master of
Science Program. Der untersuchte Studiengang an der Columbia University
setzt, als Master-Programm, einen Bachelor-Abschluss und damit ein Fachstudi-
um voraus. Der Name der Stadt Columbia, wo die universitäre Ausbildung in
Missouri stattfindet, und der Name der Universität in New York City, die Journa-
listenausbildung betreibt, lauten zwar identisch, aber es bestehen keine besonders
engen Beziehungen zwischen den beiden Hochschulen.
Die University of Missouri bildet zwar auch für Public Relations und Wer-
bewirtschaft aus, ihr untersuchter Studiengang der Journalistik aber, wie gefor-
dert, ausschließlich zum Beruf des Journalisten. Studierende der Journalistik
belegen in Missouri auch Veranstaltungen aus Public Relations und Werbewirt-
schaft, um Kenntnisse über diese Berufsfelder zu sammeln.
268 7 Experimentelle Überprüfung des Begriffsplans
Die Begriffsmerkmale, die als Filter der Identifizierung dienten, habe ich in
der eigentlichen Prüfung als vorausgehende Instruktionen definiert und standar-
disiert. In den Befragungs-Handbüchern habe ich diesen Entwurf in der TA-
BELLE 1 in deutscher Sprache und TABLE 1 in englischer Sprache umgesetzt.
Die beiden Zusatzabfragen erscheinen als TABELLE 2135 und TABLE 2 sowie
TABELLE 3 und TABLE 3.
Alle Probanden habe ich zu Beginn der Befragungen in die Experimente
eingeführt, indem ich in standardisierten Formulierungen deutscher oder engli-
scher Sprache den bevorstehenden Ablauf angekündigt und erklärt habe. Auch
habe ich allen Probanden Gelegenheit gegeben, die deutsch- bzw. englischspra-
chigen Tabellen genau zu lesen, und habe mir bestätigen lassen, dass sie verstan-
den worden sind.
Die Texte der standardisierten Einführungen für die Probanden sowie die
TABELLEN 1 bis 3 finden sich jeweils am Anfang der in den Elektronischen
Anhängen B, D, F und H abgebildeten Befragungs-Handbücher. Zur Veran-
schaulichung der Untersuchungen stehen exemplarisch nachfolgende Abbildun-
gen der ersten Seiten zweier Befragungs-Handbücher:
135 In der TABELLE 2 unter (b) erscheint die sprachlich unglückliche Formulierung „Hat ein klar
definiertes Ziel, einen Zweck oder eine Aufgabe außerhalb sich selbst“. In der Auswertung ha-
be ich außerhalb sich selbst“ in der Bezugnahme auf Techne durch „ihrer selbst“ ersetzt. Be-
zugnehmend auf ein Etwas, das zu prüfen ist, wäre „seiner selbst“ in der Tabelle passender
gewesen. Für das Ergebnis sollte diese Nuance unerheblich sein.
270
Bitten, Defin itionen, Erklärungen, Instrukti onen und Ablauf der Befra g ung:
,Frau ~ Wi!t&, <I01f ic:fI bitta ""'" Audio-Auf.... hme dies« Bet' ''lI"Rg """leIenr
.~ N~ln (Into",iowl ' ""'<kieot A nlwO<! durch u""l,hlnl. Ja: .IM tHlgin .... ,jem m~ de/ Auf.... hme:
.Sina SO;
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""'e~, da. 8efmgungs·Har>OOuGl> U'Id Oie ""tIIaI_
Konze.pIe !);o zur Veröll""1ld>ung der S1""io
ul9> m _ _ 7 $1& dUrIen Ihr Exempjar dam~ _noo, Bitte "".liIigen Sie die V""'''''lichk .... ,·
(#'. beIUUIIIIS. ' ragondor mart<ie" Aßlwort; übe .... lch. "". zu BeI •• gondon " .. HandbuCh)
Nt ln : (Bofug l ndl llHlprltht m~ d. ,zu BI ',agenden, ob die Bt hgunll tt.tffilldt . bnn)
.1"""" li8Q1 ein e xemplar " ... in KunstSlotf Qebundeneft HancIbucIIs vor •• '" dem oct>le.., ~. Handbuc:/1
....1hIiII aI>Ch "'''; T . _ .TASHlE 1", ,TABEUE 2" U'Id .TABELlE 3' sowit' ...... Aus<IruC!< <l<K
Dbrnic!mna""le IE,gänwoo zur M!lduI>tSe!>reOOoo im mrtd'tierungsantcagl- BA f ~I;';', wie ;er,
... am 6. _t>er 2009 vom o.w.Auf\tilldft .Internationalen Sll.>d~ngs FlOChjoum.o~.~k B.A_' gelaOen
Mbe. Dill ÜDersiclUstaDello möcrrte;cn gemeinsam"'" I""", untersucllen. Dem 0rigiIl" tw>zugeJUgI Mbe Ictl
Fr9<Ie<Ion. Mein Exemplar trägt darin Etil:.ettoo, ~uf _
$'"
ich diG L&/IrvOO;Instanungoo nl.OTlf'Jl8l'ier MbIJ uM
!In Antwon"" not _ _ .<10. Ihr Exemplar enlhii/l kewl. e~ketl .... ' So ~ Sie oicto <IK An~
kon>flntt"''''' u.-.cl miis""" oicto nidll zusiWicl> m~ ""'" Einllagen da< Antworl"" balDOI"". "'" Seile 45 Ge-s
Auod<ucks hat>e ich _ lais""" Te,H"""a""tUllll komgiert. WUtd«o Sie bille _liil;gen. da .. 1 _ dos
B'"
H_~m~ den drei T _ und dem Ausdnld< da< Obenichtslobell<t V<>tIio>gl?"1
da. Exe mpl.r du Hondbuch5 1lt-gt VO<' (eeltogende r marille " Antwo,,) ".
.D.... ke. _1<önnen je!>:l m~ Deff1!tione<J und E!!dMUIl!Jefl begonne:nJBrne .,_ Sie in der TABElLE 1dje
Def";' _ _ _ PRAXIS. TECHNE and THEORIE. die diese SIU'''. _ . Sie _ sie in Fenlldvill
unIItt""qb$r$Chrift.....
BitI(r _ Sio ...... und brI$LiIiIIoo Sie <lau s...,..
OolfinitiorulI> Sj>racIlIi<:h "",,1_,·
eYbelUllgl (Bel rage nde r m. rIIle " Antw<>") Ne In : .Was mOssen Sio wlosen. um Zu "",""'hen1"
.l...... § .. ~ bitl& den R6slda< TABElLE \ ood brlst.ätlgoBn Sio. da .. Sio Struktur und S ..."""" """,&hftn,.
(Ja, besUtigl (Be/rage nde r ma rille " Antwo,,) Ne In : .Wa. müssen Sio wissen. um ..., "",""'hen1" l;
Be.1li1~SIe
0_ . . . . _
J a, bHlitigl (Bitlroge ndl r ma rllie " Antwo") Ne In: .Wa. mu""" Sie wissen. um..., "","lehen1"
.wo- _ ~ die B"oc"'''''''ng.<' von ~.n.",~ung.<' .. _ Ot-oleht.. _ "" • .,.,........ Sotten
s.. oieh deo IohaHs ........ Beoc;tve;bu"ll _ $ie . . biM und n"""""" oieh Zei1 n..:hzu_.
F(ir jede ~ _ ieI> SIe zuersl fragen • . . - _ Aussagen (1) bio (12) in der TABElLE 1 .." dio
~ LeI'o've<an.lSllung :zurreN..,. Zusitzliche AuSdruck.der Tebele<1lieOen lMen vor. um IMen
Zur\id<blältem Zu ...spar..,. ld1 _ I"'" .........., in meinet Kop .. Ge-s Befragunos.HandeucI\s auf dem
dazugolhOOgen Eliken ~, ~ wer<l. ic:/1 Kommen",r. OOI"""n. Eo is' mögIic:/1 und ic:/1
""""" •• da .. Sie """""'11 m"""". Aussagen luS TABELlLE 1 alS zutretf&nd wärIIen. W..,n dies _ Fa' isl.
od'IIiWln S .. bitte. _ Proz...-rtslitt.. "'" Ze. "'" Le!-lvet_lottungM und PnljeI<ten auf \WIldle AuMIO""
",,~--. . N..- _nn nie ....... Oder .............. _ Au_li"" !SI (Q) !ll 9!Ier@0I ...."_"-L<OM:hn<m-o.
lIir-.;I d" " " ' " - .. der S",,~e .TECHNE· - _ ic:/1 """" dO! TABELLEN 2 und 3 ablragen. lc/I ocIIIieße d ..
UnlerOochuog jeder- Beoc:hteibung dam~ ab. da$$ ieI> die ni<:h.l. BeWv";1J<ong aulrufe.
M _ EIem,",1& l<önnten lIIe_og .... in dem Sv'Ine. da.o sämUd>e A u . _ det TABEllEN 1 bis 3
zutretf..... W""" Sie oiel> Iid>er sind , dass Aussagen ib!t ...... 8flO<:I>tfIirlunO m~ """"" übOt""'" bOt'"'"
aDgef'agI. ~ ubOtfl .. olirnmeto. oago>n Sie es biHe. So ""Ir"" _ Zed .
..... ben 50! Fragen. bevor wir """ BeWvei~ in der ~1$_ """,*,,, .......1"
J a, .RoIIA OIA_ ru..1"' ~ ~r"ll"" ~ ,N ~ ln ' J ___ S .. "no ""'" m~ _ .... '4n _ _ no boo(I_ •
•Schauen S .. bin. auf die .... '" Besorw-ttit>ung .• 1. Einliihrurog in d" Joo.<nalislik· Mör;!1len S .. den Ted lesen?'
J • •Bitle nel>rnen Sio .i<:h die Ze~ .u lesen.· N<tln, .Dam _1& ic:/1 Sie jelZl f"."er'·l Bitlrage nde r
morlll. " Antwo,,!
.W_Auo_ PI bit~12)" da< TABELLE 1 ~_ zu auf Ga. Geod>et>en in cIer l_1811ung Oder
dem Ptoje~L und .....,.. _ießIicrt da< "'" SI".."",,_ a ußerl>at> der lnolllUl .. äume geIeis, ...... Atbe<I?
(Belragender lräOt ArltWOl1,", auf Eiken ein!
Wie" "lVI.mg .............. ' ..-..Aw" ' ..... ' ...... _ , 3 ....... , Pru."" ........... Zo i l"".~" s ...... _o!tt fUr
jede et m~ cIer Auo_ be_.., Ak1Nlllil _.-.den? (ilefrogonder m.,k le" Antwo"1
Au".""" !51 !6J !7l oder {SI \ßIHeo QiqI1 ZU; (iIe!r.g. ndet ruft d ie nl ehS' " BI""ht. ibung l ul)
WonoAil •• ageoI51 le) mOOVC!8Il111'effoo ' (ilelroge nde rlrogt ffir IUo\l<'0ono'on Au . .ogen
n""he lnl""e r Ob ): .Bine _ S .. ,'" d .. Au._ N""",*" ,. ..
. . - d ... .o.uss.agen (a) bio (h) in "'" TABellE 2 """"Nett" (Bl 1roll_ er Irlgt elnl
.. . . - d ... " " ' " - .. det TABELLE 3 !iir difle eine Aussage ""treffen.· (e . lrlg-endl t 1f191 .in)
2
271
TABELLE 1
PRAXIS . TE CHNE . THEORIE.
Definition von . Pr• • i,", o.fin~ion .on "Ttehn.": o.Iinitioooo • • n _ :
In <!er l.~. die our oln In "",ZoK, cl .. ,uI.ln In der Zoll. d ie our oln
""me.I,," Element Inno"'olb currlcu," . . . E"""'nt Innomoll> curricul •• " E...... nt Inn''''.11>
und ,.&.",.11> von Unt . .. lchtO· und ,.,-",.110""" Unt. "ich"'. und 0.".",.11> von UR_mehlS·
rlumen .,,,,,,1>(101 wird, .. rlumon vo<wo _, wird, .. ,lumen . _. !\dM wird, ..
ha"",, " Stud.... nd. und ... 'lell,n Studl .... nd. etwas h.. . .. ,.1I._,I .... n Slud ..... nde
wlhlon 'ulol\Otll "., ode' pI ...... n . tw ... _ •• rational ,,""In Sprach. ,
H ondl" ng.optionon. • .... ohne "' ..... _ung zum
. Rlchtlg" und . 1.loeh" _ ulon ZeHpunkt <I ... RonOkllt ... n •.
. Rlchtlg" und ,I,"ch" _ u 'on o""h . nlltr:lich lii,"'n Erfolg "
.lIth - othiKh 11"'" .nd "",h ioch """ .WOftlgo, nOlZll<;h 101. d o n . RH:hlill" und "',lKh" _ .ulon
Khltoch!". Erfolg". . uch . w Ohr" un<! . unweh..- odor
"vlrillzll"" u.<lII .. ,IWe"".
Oie DeIin~Oon _ lfIf!I Z\I U<>d • Die DeIin~lon_lrillt .... U<>d ... Oie Definition - . !rdfI "" U<>d
SU.<l18fen<Ie handeln Im Hier
U'IdJelZt. ob nNII 00et n _ Me_an.
. Sluclierenoe _ _ mindestens
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... Slucll8fen<le sind P e<speI<Ü\IiIn
U'Id T~ .. l usgeselZt. " ..
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SimulMion... !\Ir "
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.. DES JOURNALISMUS .. DES JOURNALISMUS .. DES JOURNALISMUS
_sc:I\ao_ '"
,>( .. EXTERNER DISZIPLINEN .•. EXTERNER DISZIPLINEN C11) .. EXTERNER DIUIPlfNEN
... aISFor~ in FOtSCh.ong. ... wissensc:lIaIIIO:he ForscI'tI.oIg. ... wis_ochaftIiCI>e F<:nenung •
der"" Gegen.tand aullerhal> -.on Gegenstand..,~
- . . . Gege ....tan<t.uß<lmatl
soIcI>III von Joumalismuotor-o<:rung
6eg1 DeI GegetIsIan<I klOM. muss
soIcI>III von JoumalismuslotscN.ong
liegt. O/Ir Gegoenotand ~ ann . muss
ober nicht Thema von
liegt . O/Ir Gegen._
soIcI>III von Jo\.<naIismuslorscl'Jung
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JoumeIismus ode< ode< ",.;o_0CM1IIicI>er OiIz,pI ..... ode< _oehaItIi<:h/Ir Oi. .ipI .......
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TABELLE 2
Wenn &ine Aussag& (5), (61, (1) oder (8) In TABEllE 1 zutrifft; Wel(:he Formulierungen
' '"
in TABELLE 21refft n für die betr. ffende Au'ta e aus TBflE
A L 7
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II I Men_ Hat>cIeIn bitl'tm~ fd) Ist. als '-.lotwNr. (ul ~1 univerMl . Das heißt; v ....
opra<:hli<:h ,,",""a •• tern W issen _ i t e n können m~
rusammf)f\. gIe_ K<>mpetenz b&t>ar>dell
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(bI 101 nO\zIid'I; Hat"" klar
definlenes Ziel. einen Zweck ode<
_ AUlll"be .... ßerhalb sieh
Versuch."... ~ .......
(hl Seine I!eherßct>Jng OOorder1
EW>iiben.
TABELLE 3
Wenn eine Aussage (5), (6), (7) oder (8) in TABELLE 1 zutrifft; Welche Formulierungen
In TAB ELLE J lretle n tür die betrettende Ausng", aus TASELLE 1 itu?
(Al ISI extrem l\JverliiWg. <I nlw"'." 8) 0"" beabsi<:htigte (C) rol l ... mic/1 """,,_idba<.
Das t>ea1»ict1!ig\e Ergebnis
wild last immfIr fKZieIt.
"'," Erget>Ois darl . erleN!
we«len. soIem die
""'QIIschtier>ene Melhode
befolg1 WII<I.
(0) 111 präzise , genügt """ <.ntwl<l • • , (E) 101 präzise , I1II"ÜQI aber (f) Ist Iiir mich U/IIIIlISdIejdbar.
Standards der !.la_i!<. "'," "'_.';,.v_,
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TECHN E, 1'11/.... ,_lho "",iro TAIllE 2 _ ooor"", thaI _ _ _ iIo W<;<d ..... :
r ,,·eoftfiMlod ('~' o ",, _ , 01", ... 0".",,) No: "WtIoI 60 _ _ 10 " ' - ... Ot,,", 10""--1"
·Now",.,... _ .. TABlE 3 ......... _ .. '" fABlE 3.,., confimI "'"' J'O<' und<ntanO iIs _ ......'
"'.., o",' ltmod l'~"""_' 01", ... 0 " _ ) No: WIIa1 60 _ _ 10 k' - in onlOt '" "'-'_1"
Wo d """" _ " eOOI\ lIem in lho """""""" PIoa ... _ ) ' 0 _ "'" '*'PflClMI _ , so _ 0lI0 .... "'"
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I prod<>r.ed $X'" pm" '" "'" _
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Somo a.oriaJIar ilemo may bo simili< 10 "'" _ "'" "'" WIKY ....... . . - f o t fABlES 1 10 3""""'. W
_ _ ..... lObe"'" "" .... fMuo"'"", _ I .... _ 0C<:0fdingIy. Bulin onlOtlO _olimilarity._
. - 10 bo pooiINo abouI "'" limilarily'" ......... _ .
Somo <XI<Jf8M. _ moy not " ' - "'" """,..., _ 0<I0UgI'I1O"-"- _ I "'" """'-"'. ,.... olu<ly
<IM9> --... .... 001 aoo/yzIng _ . y"" ~ " " " ' _ 10 " ' - "'" OXOoOl.,.".,..,' "' .. <XI<Jf8M,
TM SIody" abouI j<:un _ _ • TM ""'I' WIKY _ _ """""","to-iO-be abouI olt'"
~
,
TAIllE ''''''''''10 ....., ... _ " ' ""' ..... or,..o;.a. inoIuding """" 0<.Uid0
TABLE 1
PRAXIS IN . TECHNE OF . TH EORY OF.
o. !ln~"'" o' "P,..Ia", o.fin~1on of "TKhnl"' o."nltiofo of " ThlM>ry":
At ' ''' Ilme • .,.nt On In. A~ !hell"" l pent on th. At the 11 ...... penl on Ih.
<:~""'eul.r 111m, _ Inold. ond .u..... Cul.' Itlm, boIIo Inoldo .nd cu .... eul. ' 111m. boIb Inl ld. ond
O"WIdI.ol... room , O<lwkl<o. cl... room, outald •• el ... room,
. ,odln", ICI.I>II ehoo. . IIVIIlnll produoce . _hlng 0< ",ool nl. " " "::1 On . """'Ih lnll,
, ulonO<nO<ll ly 1>0_ "
opUonl c . .. lor l omltthlnll. "Rlght" Ind ,otlo,.. lIy I nd In Ionll"'III, bu'
01 action. " Rlght" and "wtong" "w.ong " ml ...,usefu' fCl< wlttlOutapplie"lon whl"
m l ,n "riI>icllly 1100<1" I nd . ""c....• u d .........'ul '0' .. fi.., ting. " Rlghl" I nd .... 'ong"
-.'hiclily ""d ", IveC . .'" , ..... n ",,,,.- . 1>11 " 1. ...-, o.
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~"dand """'inoIog)'
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.. . JOtJRNALISM RESEARCH .. JOURl'I,o,llSM RESEARCH (10) ... JOURNAllSM RESEARCH
'" '"
H . EXTERNAt DISCIPLIHES .. EXTERNAl DISCIPLIHES (li) .•. EXTERNAl DISCIPLINES
81 _ I one academ.:: dlSdplino 01 "0.1 """ aca<I"",,, dio<;ipline 01 klut""" academoc dlSCiplon.
OUIO"" 01 joumalism ,_an;h. """'ode of joomalism , ..... a«:h. """'ode of journalism rosean:h.
pubIic ..... I<>OS
_ r e _ c l >.
""''''rrn 0.- IlUbIic letal"",. ' ...... r(11 or
......."":,,.
llUbIic ,,,,,,ions ........,"" '"
,.,
~ _is6menl ....... arcI'I.
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... EVERY1lAY lIFE .. . EVERYDAY LlFE (12) .•. EVERYDAY LlFE
,....1""'.
..... profess"", 01 pOOIic IM profe.SIon 01 pUCIic IM profesolon 01 pubhc:
-~ -~.
(2.J'R) ... PR RESEARCH t1.J'R) ... PR RESEARCH ( ,n-PR ) ... PR RESE-'RCH
.. public ..... \ion. "'$(I,UCh public ..... t""' . ",..."reh .. pub..<: ,.... tIonS ,eseardl
(' .... 0) ... ADV~RTISING ($·-'0) .. -'OVERTtSING (SI.AO ) ... AOVERTISING
lid_no 'OSfIa.t<:II
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lIdVOOisillg resea,m. adYerti$ing 'esearch.
276
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In der Ablichtlmg, dem Elektronischen Anhang F, ist dies korrigiert vermerkt.
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101 _ _ _ _ 10
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7 Experimentelle Überprüfung des Begriffsplans 277
sene Zeit nicht auf Erklärungen zu verwenden und außerdem mögliche Verwir-
rung und Überlastung der Konzentrationsfähigkeit zu vermeiden. Wie sich zeig-
te, forderten die Fallstudien den Befragten ohnehin schon ein hohes Maß an
Konzentration ab, teilweise bis hin zu einem gewissen Grad an Erschöpfung.
Die Experimente dauerten jeweils zwischen zwei und vier Stunden und fan-
den in der Regel in einer einzigen Sitzung statt. Nur in Bremen verteilte sich das
Experiment auf zwei zeitlich voneinander getrennte Befragungen. Ich bin allen
Befragten dankbar dafür, dass sie die geforderte Konzentrationsleistung aufge-
bracht haben.
Von den Befragten habe ich mir bestätigen lassen, dass sie die von mir vor-
gelesene Einleitung und die Aussagen in den drei Tabellen verstanden haben.
Dem Verständnis diente, dass sie bei meinem Vorlesen der Instruktionen und der
mündlichen Erläuterung der Tabellen die Texte mitlasen und somit die Informa-
tionen auf zwei Wegen aufnahmen: sowohl hörend in gesprochener als auch
lesend in verschrifteter Sprache.
Bei Verständnisschwierigkeiten habe ich nicht nur während der Instruktio-
nen, sondern auch während der Abfragen im Experiment individuell ergänzend
mündliche Erläuterungen gegeben. Damit haben alle Versuchspersonen sowohl
standardisierte Informationen über den zu überprüfenden Begriffsplan als auch
individuelle Erläuterungen erhalten.
In den Experimenten habe ich den Versuchspersonen zwar Fragen gestellt.
Um die sozialwissenschaftliche Methode der Befragung handelt es sich bei die-
ser formellen Abfrage der Curricula jedoch explizit nicht, sondern eben um Ex-
perimente.
Im ursprünglichen Experimentdesign hätten die Versuchspersonen in TA-
BELLE 1/TABLE 1 nicht nur das Vorkommen der den Feldern des Begriffsplans
zugeordneten Begriffsmerkmale anzeigen, sondern auch die Prozentsätze der Zeit
von Lehrveranstaltungen und Projekten schätzen sollen, die auf die jeweiligen
Felder entfallen. Mein Ziel war es dabei gewesen, in Mehrfachidentifizierungen
innerhalb einer Lehrveranstaltung die Anteile der zwölf Unterbegriffe von Lernge-
schehen quantitativ zu erfassen. Dieses Vorhaben erwies sich aber als überambiti-
oniert: Drei von vier Versuchspersonen sahen sich außerstande, die gewünschten
Quantifizierungen zu leisten. Nur der vierte Proband, Frank Lobigs, wäre zu einem
Versuch der Quantifizierung in der Dortmunder Fallstudie bereit gewesen. Darauf
habe ich aber verzichtet, nachdem keine Vergleichbarkeit mit den anderen Fallstu-
dien in diesem Punkt mehr möglich war. Die Hypothesenprüfung ist durch dieses
ursprüngliche Überdesign der Untersuchung aber nicht in Frage gestellt.
Quantitative Zuordnungen nach der für unterschiedliche Formen des Lernge-
schehens genutzten Zeitdauer sind jedoch nicht prinzipiell unmöglich. Nur haben
sie sich in der spezifischen Form von Schätzungen im Design der Experimente als
nicht realisierbar erwiesen. Mit anderen sozialwissenschaftlichen Methoden, bei-
280 7 Experimentelle Überprüfung des Begriffsplans
Diese Potentialanalyse der Integration darf aus noch weiteren als den bereits ge-
nannten Gründen nicht als absolut und hochpräzise missverstanden werden. In den
Listen erfasst und in den Begriffsplänen stark vereinfacht dargestellt wird nur, in
wie vielen der Lehrveranstaltungen von den Probanden welche Unterbegriffe von
Lerngeschehen identifiziert werden, nicht aber in welchem Umfang und welcher
Intensität das Lerngeschehen in den einzelnen Lehrveranstaltungen stattfindet. Ob
in einzelnen Veranstaltungen das Potential ausgeschöpft wird, ist aus der Darstel-
lung nicht ersichtlich. Nur das „Ob“ ließ sich durch die Betrachtung der Markie-
rungen für einzelne Lehrveranstaltungen ermitteln und durch Auszählen der Mar-
kierungen auch quantifizieren. In welchem Maße spezifisches Lerngeschehen
vorkommt, konnte ich aber mit den nur binären Abfragen nicht ermitteln.
Die Befragungs-Handbücher enthalten sämtliche Lehrveranstaltungen der
untersuchten Curricula. Die Versuchspersonen haben das Lerngeschehen aller im
jeweiligen Handbuch verzeichneten Lehrveranstaltungen den Feldern des Be-
griffsplans zugeordnet, sofern sie nicht für spezifische Lehrveranstaltungen aus
Unkenntnis des Lerngeschehens davon absehen mussten. Ausnahmefälle bezüg-
lich der Vollständigkeit waren die Columbia University, wo Zeitmangel des
Befragten und Zeitverlust durch Diskussionen um die Methode die Beschrän-
kung auf nur ein Semester eines zweisemestrigen Curriculums erzwangen und,
wie bereits ausgeführt, die Technische Universität Dortmund, für die der Pro-
band über die durchaus ins Curriculum integrierten Komplementärfächer keine
Auskunft geben konnte.
Die Versuchspersonen hatten die Möglichkeit, die Gleichheit von Markie-
rungen mit denen bereits codierter Lehrveranstaltungen zu erklären. Für solche
Fälle hielt ich vorab von mir produzierte Aufkleber bereit, die dies festhielten
282 7 Experimentelle Überprüfung des Begriffsplans
und die ich während des Experiments im Handbuch anbrachte, wenn die genann-
ten Voraussetzungen erfüllt waren und die Versuchspersonen es ausdrücklich
bestätigten. Dieses Verfahren diente der Beschleunigung durch Vermeidung
unnötiger Eintragsarbeiten und damit zugleich der Fehlerreduktion sowie der
Vermeidung von Frustration und Ermüdung der Versuchspersonen durch zu viel
Wartezeit beim Eintragen der Zuordnungen durch mich.
Jeweils im Anschluss an die vier Experimente habe ich den Versuchsperso-
nen offene Fragen über aktuelle Herausforderungen an Journalistenausbildungen
gestellt; einige der Antworten haben in andere Teile der vorliegenden Studie und
in die Interpretationen der Experimente Eingang gefunden. Damit enthält der
Methodenmix dieser Arbeit auch Elemente der Offenen Befragung.
Die zeitliche Reihenfolge der Experimente entspricht ihrer Abfolge in der
vorliegenden Arbeit: Columbia University, Hochschule Bremen, University of
Missouri und Technische Universität Dortmund. Diese Reihung ergab sich aus
der Notwendigkeit, auch Lehrveranstaltungen zu besuchen und damit vorle-
sungsfreie Zeiten zu meiden, aus der terminlichen Verfügbarkeit der Befragten
sowie aus der Logistik der erforderlichen Reisen zu den Hochschulen. Drei Be-
fragungen fanden an den betreffenden Hochschulen statt. Nur Frank Lobigs habe
ich, zur Technischen Universität Dortmund, außerhalb der Hochschulräume in
seiner Hamburger Privatwohnung befragt, nachdem ich in Dortmund Lehrveran-
staltungen besucht hatte.
Eine Vorstudie zur Prüfung des Untersuchungsdesigns, wie sie für die sozial-
wissenschaftliche Methode einer Befragung angezeigt wäre, war weder möglich
noch notwendig, denn es handelte sich eben nicht um eine Befragung, sondern um
Experimente. Eine Vorstudie hätte die Befragung mindestens eines Verantwortli-
chen für einen weiteren Studiengang erfordert, ohne dass das Ergebnis in die Un-
tersuchung eingegangen wäre. Dafür wertvolle Zeit zu erbitten erschien mir unan-
gemessen. Das Design erwies sich dann auch in der vorliegenden Form als der
Forschungsfrage adäquat. Modifikationen zwischen den Untersuchungen waren
nur in sehr geringem Umfang angezeigt und betrafen den Kern der Fragestellungen
in keiner Weise.
Eine Vorstudie hätte allerdings die Modifikation ergeben, dass ich die
Schätzung prozentualer Anteile der Felder 1 bis 12 frühzeitig als überambitio-
niert erkannt und aus dem Design entfernt hätte. In den Experimenten aber konn-
te ich auf diese Schätzungen einfach verzichten, ohne damit die Integrität der
Untersuchung in Frage zu stellen.
Als weitere Fehlanlage, die durch eine Vorstudie hätte erkannt werden kön-
nen, erwies sich die Entweder-oder-Konstruktion der Abfrage des Typus von
Techne mittels TABELLE 3. Mehrfach-Markierungen zuzulassen wäre dort, wie
ich in der Auswertung unten und im Kapitel 4 des Elektronischen Anhangs A auf-
zeigen werde, angemessener gewesen, insbesondere für die Techne des Alltags.
7 Experimentelle Überprüfung des Begriffsplans 283
136 Das untersuchte Curriculum der Columbia University habe ich vollständig abgebildet, obwohl
ich statt der geplanten zwei Semester nur ein Semester abgefragt habe. Auf diese Weise bleibt
das gesamte Kursangebot des Studiengangs dokumentiert.
284 7 Experimentelle Überprüfung des Begriffsplans
einigen Studien habe ich mehrere Tonträger hintereinander bespielt, sodass die
Zählung mehrmals beim Zeitpunkt null beginnt. In diesen Fällen sind deshalb die
nummerierten Tonträger zur exakten Zuordnung mit angegeben.
Die Transkriptionen dienen nicht nur der präzisen Dokumentation der Expe-
rimente und ihrem verschriftlichten Nachweis. Ich habe sie auch genutzt, um die
Einträge in den Handbüchern zu kontrollieren. In wenigen Fällen habe ich nach
dem Transkribieren der Audio-Aufnahmen notwendige Korrekturen von Fehl-
markierungen vorgenommen. Dabei habe ich mich auf solche Zuordnungen
durch die Versuchspersonen beschränkt, die ich selbst während des Experiments
offenkundig falsch eingetragen hatte, sowie an wenigen Stellen schwer lesbare
Einträge durch Reinschrift ersetzt, ohne den Sinn zu verändern. Nicht korrigiert
habe ich durch die Versuchspersonen veranlasste Markierungen. Im Dienste der
Übersichtlichkeit habe ich einige Lehrveranstaltungen, die sich in den Experi-
menten als irrelevant erwiesen und deshalb nicht mit untersucht wurden, nach-
träglich durch Durchstreichen als solche kenntlich gemacht.
137 http://www.journalism.columbia.edu/cs/ContentServer?pagename=JRN/Render/PrintThisPa
ge&childpagename=Journalism/JRN_Page_C/JRNSimplePage2&cid=1165270052497&c=JR
N_Page_C, Zugriff am 22. September 2009. Das Dokument kann mit dieser Adresse nicht
mehr aufgerufen werden, liegt aber dem Verfasser vor und ist in allen seinen Teilen mit dem
im Anhang B dokumentierten Interview Manual abgebildet, dort ergänzt durch die Aufkleber
und Anmerkungen des Verfassers.
7.1 Columbia University New York City (M A, private Universität) 285
Auf zwei Besonderheiten im Verlauf dieses Experiments weise ich hier hin, statt
sie wie für alle anderen Untersuchungen im Elektronischen Anhang A auszuwei-
sen:
Erstens erfasst das Experiment an der Columbia University als einziges
nicht das gesamte, in diesem Fall zweisemestrige Curriculum mit 93 Lehrveran-
staltungen, sondern nur das Teilcurriculum “M.S. Fall 2009” mit allen seinen 37
Lehrveranstaltungen und damit die Hälfte des Studiengangs. Die Untersuchung
des gesamten Curriculums war durchaus geplant und vorbereitet. Der Grund für
den Wegfall von “M.S. Spring 2009” war Zeitmangel. Schon die von Nicholas
Lemann für das Experiment aufgebrachten rund zwei Stunden waren nach sei-
nem Bekunden mehr, als er je einem der Stifter seiner Schule zu einem spezifi-
schen Thema gewährt hat.
Zweitens stellte Lemann viele Fragen zu den Benennungen im Begriffsplan.
Der Proband (vgl. z. B. Elektronischer Anhang C: Tonträger 1, 39:49) hat zudem
während des Experiments mehrmals gebeten, nicht er, sondern ich möge die
Codierung vornehmen. Er merkte wiederholt an, in den Sozialwissenschaften sei
es üblich, dass die Fragenden Antworten codieren, nicht die Befragten. Diesem
Druck habe ich teilweise aus Sorge um einen drohenden Abbruch des Experi-
ments nachgegeben, dabei aber (vgl. z. B. ebd.: 40:33) jede Zuordnung von Le-
mann bestätigen lassen. Die Diskussionen haben viel Zeit gekostet, die dann für
die Untersuchung des zweiten Semesters fehlte.
Der Proband hat das Experiment für das Herbstcurriculum trotz seiner an-
fänglichen Vorbehalte gegen die verwendeten Begriffe und seines Widerstands
gegen das Versuchsdesign zumindest für das Teilcurriculum nur eines von zwei
Semestern zu Ende geführt und anschließend offene Fragen beantwortet. Dort
nutzte er dann, wie bereits angemerkt, zur Erklärung der Zusammenhänge von
sich aus eine Benennungen aus meinem Begriffsplan.
Die Columbia University ist nach eigener Darstellung die einzige aus dem Kreis
der Forschungsuniversitäten in der Ivy League138 mit einer Journalistenausbil-
138 Die Princeton University, selbst eine Hochschule der Ivy League, bestimmt den Begriff (http://
etcweb.princeton.edu/CampusWWW/Companion/ivy_league.html, Zugriff am 28. April 2013) als
sportjournalistische Wortschöpfung: “Ivy League is the name generally applied to eight universi-
ties (Brown, Columbia, Cornell, Dartmouth, Harvard, Pennsylvania, Princeton, and Yale) that
over the years have had common interests in scholarship as well as in athletics. Stanley Wood-
ward, New York Herald Tribune sports writer, coined the phrase in the early thirties.”
286 7 Experimentelle Überprüfung des Begriffsplans
“It is not worthy of a great university to produce graduates who know a technique
and nothing else. But I don’t think that’s what the profession wants.”
“It is extremely important to have some sense of political theory, and politics, simi-
larly with economic theory or principles; one might very well have an understanding
of the arts, or scientific practices and new discoveries. Another possibility is to give
students the opportunity to develop expertise in a given area, or to understand the
history of our field. There is an obvious need for ethics.”
“We are on our way to finding the sweet spot for us that’s […] moving a little far-
ther from total orientation toward replication of the work place, and a little more to-
ward trying to enrich that with academic content.”
Von den beiden Master-Studiengängen wendet sich das im Jahr 2005 einge-
richtete, neunmonatige Programm Master of Arts144 an “experienced journalists
who would like to deepen their knowledge”. Dieses Angebot ist also eher als
Weiterbildung denn als grundständige Ausbildung zu verstehen, während das
Das Experiment an der Columbia University musste aus Zeitnot auf nur eines der
zwei Semester des untersuchten M.S.-Studiengangs reduziert werden, hat aber
darin beide Hypothesen bestätigt: Die techne-Felder des Begriffsplans waren für
den Probanden Nicholas Lemann in den untersuchten Lehrveranstaltungen, mit
durchschnittlich 5,6 Markierungen, lokalisierbar und die Abfragen anhand des
Begriffsplans ließen Grundstrukturen vertikaler und horizontaler Dimensionen
erkennbar werden. Vertikal sind praxis, techne und theory insgesamt recht aus-
gewogen vertreten. Horizontal aber konzentriert sich das Curriculum sehr auf die
journalistische Berufswelt, und zwar spezifisch die des Reporters sowie die All-
tagswelt, kaum aber auf Journalismusforschung oder externe Disziplinen. An
theory dominieren diejenige der Berufswelt als ihrer Selbstreflexion sowie die
des Alltags. Die Journalistenausbildung des untersuchten Curriculums kann
7.2 Hochschule Bremen (B A, Fachhochschule) 291
Die Hochschule Bremen (vgl. Dernbach 2003) bildet seit dem Wintersemester
1997/1998, damals noch als Fachhochschule Bremen, Journalisten aus. Sie betreibt
damit neben der Hochschule Hannover eine der beiden ältesten Journalistenausbil-
dungen an deutschen Fachhochschulen. In der Selbstdarstellung (ebd.) heißt es:
„Neben der Praxisorientierung sind die internationale Ausrichtung, die Fach-
schwerpunkte Technik und Wirtschaft sowie die Journalistik die wichtigen Säu-
len“. Der untersuchte Bachelor-Studiengang hat im Wintersemester 2004/2005 den
ursprünglichen Diplom-Studiengang abgelöst. In insgesamt sieben Studiensemes-
tern des untersuchten Studiengangs waren ein Praxissemester und ein Semester an
einer der Partner-Hochschulen im Ausland integriert.149
Das Curriculum des Studiengangs wurde seit dem Zeitpunkt des Experi-
ments weiterentwickelt. Zum Wintersemester 2011 versprach die Hochschule
„mehr Praxis, mehr Wahlmöglichkeiten“150.
Der Studiengang arbeitete zum Zeitpunkt der Untersuchung mit zwei Voll-
professorinnen und einem Honorarprofessor sowie mit festen und freien Dozen-
ten.151 Die Studiengangsleiterin von 1999 bis 2007, Beatrice Dernbach, war
maßgeblich an seinem Aufbau beteiligt und ist dort weiterhin als Vollprofessorin
tätig sowie als Leiterin des Master-Studiengangs Wissenschaftskommunikati-
on/Science Communication152. Dernbach kommt aus der universitären Kommu-
nikationswissenschaft und Journalistik mit Promotion an der Universität Bam-
berg und hat als Printjournalistin gearbeitet.153 Sie war, wie bereits erwähnt, die
Sprecherin der Fachgruppe Journalistik/Journalismusforschung in der Deutschen
Gesellschaft für Publizistik und Kommunikationswissenschaft DGPUK154. Die
zweite Professorin und jetzige Studiengangsleiterin Barbara Witte wurde an der
Freien Universität Berlin als Politologin promoviert und hat 15 Jahre als Hör-
funkjournalistin im öffentlich-rechtlichen Rundfunk gearbeitet.155
Die Abschlussarbeiten der Absolventen dieser Fachhochschulausbildung
stehen in ihrem wissenschaftlichen Anspruch denen an Universitäten nicht nach.
Nach den Ebenen aufgeschlüsselt ergibt sich mit Journalismus: 175, Jour-
nalismusforschung: 122, Externe Disziplinen: 149 und Alltag: 158 Markierungen
ein sehr ausgewogenes Bild bei einer leichten Überbetonung von „Journalismus“
zulasten von „Journalismusforschung“.
Die Hypothese 2, Grundstrukturen vertikaler und horizontaler Dimensionen
würden mit dem Begriffsplan erkennbar, ist damit verifiziert.
Für die Potentialanalyse auf der Grundlage des Begriffsplans drittele ich die
Zahl von 80 möglichen Markierungen in:
Gegenstand der Untersuchung ist das Dokument “Catalogue Draft for Carla Whit-
ney 02/10/2010 for Terms FS2010 – SS2012”. Das MU Student Information Sys-
tem hat das Curriculum in dieser Form mit der Auftragsnummer PCR #2007-520
auf Veranlassung des Associate Dean for Undergraduate Studies der School of
Journalism der University of Missouri, Prof. Brian S. Brooks, als Dokument mit
dem Dateinamen “Undergraduate Journalism Courses.pdf” eigens für das Experi-
ment angefertigt, um das Angebot für Undergraduate-Studierende mit dem Haupt-
fach Journalistik abzubilden. Dort sind die Journalistik-Lehrveranstaltungen für
den Zeitraum Wintersemester 2010 bis Sommersemester 2012 zusammengestellt.
Das Dokument listet 115 Veranstaltungen zum Zeitpunkt 11. Februar 2010 und ist
im Elektronischen Anhang F als Teil des Interview Manual, mit Aufklebern zur
Codierung und Notizen ergänzt, vollständig abgebildet.
Ich habe Brooks am 26. Februar 2010 befragt. Zum Zeitpunkt des Experi-
ments verantwortete er das Journalism Curriculum für Undergraduate-Studieren-
de; zwischenzeitlich wurde er emeritiert.
Brooks159 war seit 1974 Professor an diesem Institut. Er hat auch als Journa-
list und in Public Relations gearbeitet. Vor Antritt seiner Professur war er unter
anderem Reporter einer Zeitung in Memphis und Informationsoffizier der ameri-
kanischen Truppen in Vietnam. Während der europäischen Balkankriege arbeite-
te Brooks in einer Freistellung von der Lehrtätigkeit als Chefredakteur der Ta-
geszeitung des US-Militärs in Europa Stars and Stripes.
Mit diesem professionellen Hintergrund einschließlich 36 Jahren als Journa-
listik-Professor war Brian S. Brooks der erfahrenste der vier Befragten. Er hat
die Entwicklungen in Medien und Journalistenausbildung seit den frühen 1970er
Jahren intensiv begleitet und darf deshalb auch als herausragender Zeitzeuge
gelten. Am Vortag der Befragung sowie am Vormittag vor dem Experiment habe
ich drei Lehrveranstaltungen und die Lehrredaktionen für Print und Fernsehen
besucht sowie weitere Professoren und Lehrbeauftragte getroffen und auch mit
einigen Studierenden gesprochen.
The School of Journalism der University of Missouri160 entstand 1908 auf Initia-
tive von Verlegern und Chefredakteuren aus St. Louis und anderen Teilen des
historisch den Südstaaten, heute aber eher dem Mittelwesten zugehörigen Staates
Missouri. Der Verleger- und Chefredakteursverband Missouri Press Association161
und der Staat Missouri stellten die Geldmittel bereit. Die Journalistenausbildung
der School of Journalism ist die älteste ununterbrochen operierende der USA.162
Die University of Missouri ist eine der großen einzelstaatlichen Universitä-
ten der USA, die – wie im Kapitel 3.3.2 im Zitat von Nicholas Lemann erklärt –
als land-grant colleges aus der Gesetzgebung des Morrill Act erwachsen sind.
Die Hochschule gilt als ein führender Anbieter hochschulgebundener Journalis-
tenausbildung im landesweit dominierenden Sektor der Undergraduate-Ausbil-
dung. Darüber hinaus bietet sie seit 1921 ebenfalls hochangesehene Graduate-
Studiengänge und seit 1934 Promotionsstudien in Journalistik163 an.
Die Dimension des Ausbildungsbetriebs wird an den Zulassungszahlen
deutlich. Brian Brooks gab im November 2011164 folgende schriftliche Auskunft
über die School of Journalism:
“We admitted 939 undergraduates this year and almost exactly the same number last
year. We admitted 85 master’s students last year and 87 the year before. We admit-
ted nine doctoral students this year and eight last year. Currently enrolled: 2,013 di-
rectly admitted students in the four-year undergraduate program. We also have 1,245
pre-journalism students (undergraduates hoping to enter journalism) in the fresh-
man-sophomore years, 197 current master’s students, 35 current Ph.D. Students on
campus. In addition, there are another four or five doctoral students who are no
longer on campus but completing dissertations elsewhere.”
Die Zahl von insgesamt knapp 3500 Studierenden zum Zeitpunkt der Auskunft
übersteigt die aller Journalistenausbildungen an deutschen Hochschulen zusam-
mengenommen um ein Vielfaches.
Die School of Journalism165 listete mit Stand August 2012 mehr als 100
Personen als „Faculty“ auf. Neben 43 aktiven Professoren gehörten dazu auch
acht 8 emeritierte, aber teilweise noch in der Lehre und Forschung aktive Profes-
soren sowie “Adjunct Faculty”, die im Hauptberuf in Medien, Public Relations
oder Werbewirtschaft arbeiten. Insgesamt beschäftigte die School of Journalism
zu diesem Zeitpunkt rund 200 Mitarbeiter.
161 Zu den Aufgaben dieses Verbands der Tagespresse vgl. http://www.mopress.com/, Zugriff am
5. August 2012. Zur Gründung im Jahr 1867 vgl. http://www.mopress.com/about.php, Zugriff
am 5. August 2012.
162 Vgl. http://journalism.missouri.edu/jschool/, Zugriff am 28. April 2013.
163 Vgl. http://journalism.missouri.edu/graduate/, Zugriff am 28. April 2013.
164 E-Mail vom 9. November 2011.
165 Vgl. http://journalism.missouri.edu/jschool/directory/, Zugriff am 5. August 2012.
7.3 University of Missouri Columbia (B A, staatliche Universität) 299
Diese Zahlen kontrastieren mit der Größe der Stadt. In Columbia lebten im
Jahr des Experiments 2010 nach Angaben der amerikanischen Zensusbehörde
U.S. Census Bureau166 nur 108.500 der insgesamt fast sechs Millionen Einwoh-
ner des Staates Missouri. Columbia liegt geographisch in dessen Mitte 50 Kilo-
meter nördlich von der Hauptstadt Jefferson City entfernt auf halbem Wege
zwischen Kansas City und St. Louis. Diese beiden Metropolen des Staates liegen
jeweils rund 200 Kilometer entfernt von Columbia. Der Flugplatz ist so klein,
dass er für manche Linienflüge, so auch meinen eigenen zum Experiment, eigens
geöffnet und wieder geschlossen wird. Die School of Journalism (vgl. Elektroni-
scher Anhang F: 6) kompensiert die ausgeprägte Provinzialität ihres Standortes
unter anderem mit der Lehrveranstaltung “JOURN 4058 New York Program:
Journalism Theory and Practice”, die Studierende in Praktika zu großen Medien
nach New York City bringt, wo sie großstädtische Arbeitserfahrungen sammeln.
Unter den Absolventen finden sich (vgl. Elektronischer Anhang G: Tonträ-
ger 1, 1:36:32) Journalismus-Ikonen wie der ehemalige Nachrichtenmoderator
des Public Broadcasting System und langjährige Moderator von Kandidatende-
batten vor Präsidentschaftswahlen Jim Lehrer, bei dem ich als Journalistik-
Studierender der Universität München im Jahr 1984 mein Fernsehpraktikum
absolvierte. Zu den führenden Journalismusforschern der USA, die in Missouri
Journalistik studiert haben, zählt auch (vgl. Eberwein/Müller 2010: 540) der in
Deutschland rezipierte Kenneth Starck.
So wie es in Undergraduate-Studiengängen der USA generell üblich ist,
entfällt auch in Missouri nur ein kleinerer Teil der Lehrveranstaltungen auf das
Hauptfach – in diesem Fall Journalism – während den Liberal Arts deutlich mehr
Zeit eingeräumt wird. Zum Zeitpunkt des Experiments167 entfielen von den 123
geforderten Leistungspunkten für einen Bachelor-Abschluss in Journalism nur 40
auf Journalistik-Veranstaltungen; die anderen 83 Leistungspunkte mussten au-
ßerhalb der Journalistik erworben werden, davon 65 in der vom Journalistik-
Institut genehmigten Teilnahme an Lehrveranstaltungen des College of Arts. Auf
die externen Disziplinen entfielen damit (83 x 100 : 123 = 67,480) gerundete
67,5 Prozent der Leistungsnachweise.
Die Fallstudie untersucht nur Lehrveranstaltungen der Journalistik. Das Ge-
samtangebot gliederte sich zum Zeitpunkt der Untersuchung in sechs “Interest
Areas”, aus denen Studierende je eine zu ihrem Schwerpunkt wählen mussten:
Convergence Journalism, Magazine Journalism, Photojournalism, Print and Digi-
maßen dar: Columbia Missourian erschien als eine von zwei Tageszeitungen in
Columbia und betrieb auch die multimediale Nachrichten-Plattform Missourian
(http://www.columbiamissourian.com) sowie das Portal für Leserjournalismus
My Missourian (http://mymissourian.com), dessen Beiträge wiederum zum Teil
auch in der Printausgabe erschienen, und den zwölfmal jährlich herausgegebenen
journalistischen E-Mail-Newsletter Columbia Neighborhood News. KBIA-FM
war eine der Stationen des National Public Radio der USA und u. a. dem Ver-
bund National Public Radio angeschlossen. Mit KUMO besaß die School of
Journalism die einzige kommerzielle Fernsehstation in den USA im Eigentum
einer Universität, die als journalistische Ausbildungsredaktion für Studierende
diente. Der Sender war dem Network NBC angeschlossen. Missouri Digital
News (www.mdn.org) arbeitete als konvergierte Redaktion mit einem ständigen
Korrespondentenbüro im Parlamentsgebäude des Staates in der Hauptstadt Jef-
ferson City. Die Studierenden belieferten mehrere Zeitungen und Radiostationen
in Missouri. Mit dem Global Journalist publizierte die Hochschule eine interna-
tionale Fachzeitschrift zum Thema Nachrichtenjournalismus. Vox Magazine war
ein Stadtmagazin für Columbia im Tabloid-Format. Mit Mo-Jo Ad betrieb die
Hochschule eine Werbeagentur, in der Studierende arbeiteten. AdZu war eine
hochschuleigene PR-Agentur, in der Studierende der Strategic Communication
am Ende des Studiums ihre Kenntnisse und Fähigkeiten zusammen mit Experten
aus der Werbung und dem Marketing erprobten.170
Bei meinem Besuch erfuhr ich des Weiteren, dass bei KUMO Studierende
nicht moderierten, sondern erfahrene Fernsehmoderatoren diesen Part übernah-
men, die dem Sender das Gesicht gaben und zusätzlich in der Lehre der School
of Journalism tätig waren. Studierende produzierten aber Beiträge, planten und
fuhren teilweise das Programm und saßen auch sonst an vielen Schalthebeln.
Auch sah ich die Convergence Faculty unter Leitung der Professorin Lynda
Kraxberger, welche die Konvergenz von Medien im Lehrbetrieb vorantrieb.
Diese Position hat sie weiterhin als Chair der Convergence Faculty inne, zusätz-
lich folgte sie auf Brian S. Brooks als Associate Dean for Undergraduate Studies
and Administration.171
In einem Futures Lab unter Leitung des Professors Mike McKean, das ich
ebenfalls sehen durfte, experimentiert die Hochschule mit Zukunftsmedien. Un-
ter anderem programmieren dort Studierende journalistische Apps für das iPhone
als Auftragsproduktionen.
Zu den Sponsoren der School of Journalism zählte zum Zeitpunkt der Un-
tersuchung das Unternehmen Apple. Die Hochschule war mit modernster Tech-
nik der Firma ausgestattet, die ständig aktualisiert wurde. Nach Auskunft von
----------------------------------------------------------------------------
Extra Category Public Relations für Journalistik-Studierende:
Feld 1-PR Praxis in Public Relations 7
Feld 2-PR Praxis in Public Relations Research 4
Feld 5-PR Techne of Public Relations 9
Feld 6-PR Techne of Public Relations Research 2
Feld 9-PR Theory of Public Relations 14
Feld 10-PR Theory of Public Relations Research 8
__
Zwischensumme Public Relations: 44
---------------------------------------------------------------------------
Extra Category Anzeigenwirtschaft für Journalistik-Studierende:
Feld 1-AD Praxis in Advertisement 9
Feld 2-AD Praxis in Advertisement Research 5
Feld 5-AD Techne of Advertisement 11
Feld 6-AD Techne of Advertisement Research 3
Feld 9-AD Theory of Advertisement 17
Feld 10-AD Theory of Advertisement Research 12
__
Zwischensumme Advertisement: 57
___
Summe: 609
search: 14; Advertisement (als Berufswelt): 37; Advertising Research: 20. Hier
wird für Missouri eine starke Betonung von Journalism als Berufswelt und
Everyday Life deutlich. Forschung zum Journalismus wird fast nur in theory
vermittelt mit 53 Markierungen für (10) “Theory of Journalism Research” und
59 für (11) “Theory of External Disciplines”. Forschung über Public Relations
und Advertising dagegen wird vergleichsweise weniger in theory vermittelt, mit
14 Markierungen für (6-PR) “Theory of Public Relations Research” und 12 für
(6-AD) “Theory of Advertising Research”. Hier gibt es auch große praxis- und
techne-Anteile; Studierende forschen in diesen Feldern auch selbst.
Diese Diskrepanz zeigt: Die University of Missouri pflegt in ihrer Under-
graduate-Journalistenausbildung keine Einheit von Lehre und Forschung im
Sinne der deutschen Hochschultradition, sehr wohl aber für Public Relations und
Advertisement. Damit ist ausdrücklich nichts über die Einheit von Forschung und
Lehre in den hier nicht untersuchten Master- und Promotionsstudiengängen der
Missouri School of Journalism und damit über dieses Institut insgesamt gesagt.
Auf den ersten Blick könnte es sinnvoll erscheinen, nur die Felder (1) bis
(12) des TABLE 1, den dieses Experiment mit den anderen teilt, zu berücksichti-
gen. Die Forschungs-Ebenen aus den EXTERNAL CATEGORIES FOR STRA-
TEGIC COMMUNICATIONS – für Public Relations Research mit den Feldern
(2-PR) “Praxis of PR Research”, (6-PR) “Techne of PR Research” und (10-PR)
“Theory of PR Research” sowie analog dazu die Ebenen der Werbungsforschung
(2-AD), (6-AD) und (10-AD) – könnten dann den Feldern “External Disciplines“
(2), (6) und (10) zugeschlagen werden.
Strukturelle Vergleichbarkeit mit den anderen drei Fallstudien wäre damit
aber immer noch nicht gegeben. Ihr stehen in den EXTERNAL CATEGORIES
FOR STRATEGIC COMMUNICATIONS die Berufswelt-Ebenen Public Rela-
tions mit den Feldern (1-PR) “Praxis of Public Relations”, (5-PR) “Techne of
Public Relations” und (9-PR) “Theory of Public Relations” und Advertisement
mit den Feldern (1-AD), (5-AD) und (9-AD) im Wege. Auf diesen Ebenen findet
Lerngeschehen in den Berufswelten von Public Relations und Anzeigenwirt-
schaft real oder in Simulation statt. Entsprechend der im Kapitel 3.2.3 getroffe-
nen Festlegung hat Journalismus aber eine von diesen Berufsfeldern fundamental
grundverschiedene Aufgabe, nämlich (Pöttker 2008: 64) „das Herstellen von
Öffentlichkeit durch das Verbreiten von richtigen und wichtigen Informationen“
und (ebd.: 67) „für Öffentlichkeit im Sinne größtmöglicher Transparenz gegen-
wärtiger Verhältnisse zu sorgen“. Mit dieser Festlegung kann die Berufswelt von
Public Relations und Anzeigenwirtschaft unmöglich als Journalismus aufgefasst
werden: Beide mögen zwar durchaus Öffentlichkeit im Sinne der zahlenden
Auftraggeber herstellen, dies aber stets interessengeleitet im Dienste von deren
Zielen und gerade nicht nach der Vorgabe, Informationen danach auszuwählen,
306 7 Experimentelle Überprüfung des Begriffsplans
dass sie richtig und wichtig sind und für größtmögliche Transparenz der beste-
henden Verhältnisse sorgen.
Die Präsenz der Berufswelten von Public Relations und Anzeigenwirtschaft
in der Journalistenausbildung an der University of Missouri begründet deshalb
strukturell eine prinzipielle Unvergleichbarkeit mit den anderen drei Fallstudien.
Diese Feststellung fällt kein abwertendes Urteil. Im Gegenteil, ich halte es für
angemessen und angebracht, dass angehende Journalisten Erfahrungen auch aus
diesen fremden, aber auf den Journalismus einwirkenden Berufswelten sammeln
und insbesondere diese kritisch reflektieren. Dennoch haben die Berufswelten
von Public Relations und Anzeigenwirtschaft prinzipiell andere, mit Journalis-
mus und Journalistik im Sinne der vorliegenden Arbeit unvereinbare Aufgaben.
So entsteht ein Dilemma: Das Lerngeschehen in den Berufswelten von Public
Relations und Advertising kann weder in anderen Feldern aufgehen noch kann es
entfallen, denn es steht ja Journalistik-Studierenden zur Erfüllung von Prüfungs-
anforderungen offen.
Mit der unbenommen möglichen Zuordnung der Forschungs-Felder “Public
Relations Research” und “Advertisement Research” zu External Disciplines und
der Berücksichtigung der vom Journalismus getrennten Berufswelten von Public
Relations und Advertising mit ihren jeweils drei Feldern ergibt sich in der Re-
duktion nunmehr ein neuer Begriffsplan von 15 Feldern. Praxis, techne und
theory der Ebenen Public Relations Research und Advertising Research können
jedoch nicht einfach mit den entsprechenden Feldern der Ebene External Disci-
plines aufaddiert werden. Wo diese Felder bereits markiert sind, entfällt nämlich
die Aufrechnung, denn diese Studie codiert nur ob, nicht aber in welcher Quanti-
tät Lerngeschehen einer spezifischen Lehrveranstaltung in den jeweiligen Fel-
dern stattfindet. In der Übertragung von (10-PR) auf (11) kann deshalb dreimal
nicht aufaddiert werden: für “JOURN 3000 History of American History”,
“JOURN 4000 Communications Law” und “JOURN 4720 Internet Law”. Für (2-
AD) ist das Aufaddieren nicht statthaft einmal in Bezug auf (3) für “JOURN
4812”, ebenfalls einmal bei (6-AD) in Bezug auf (7) für “JOURN 4812” sowie
dreimal bei (10-AD) in Bezug auf (11) für “JOURN 3000 History of American
History”, “JOURN 4000 Communications Law”, “JOURN 4812 Online Auddien-
ce [sic] Reporting”. Für (3) und (7) ergibt sich so insgesamt gegenüber einem Auf-
addieren ein Abzug von je einem Zähler für das Feld (11) von sechs Zählern. So
entsteht folgender Begriffsplan in Tabellenform mit 15 Feldern:
7.3 University of Missouri Columbia (B A, staatliche Universität) 307
eine solche Reduktion spricht aber, dass die prinzipiell mit dem Journalismus
nicht synonymen Berufswelten Public Relations und Advertising in Missouri
integrativer Bestandteil der Journalistenausbildung sind; sie zu ignorieren ver-
zerrt deshalb die Aussagen. Die unter diesen Vorbehalten reduzierte Betrachtung
nur der Felder (1) bis (12) ergibt folgendes Bild:
Im Durchschnitt sind (534 : 88 =) 6,07 von 12 Feldern markiert. Dem nicht
höchst präzisen Gegenstand angemessen runde ich diesen Wert auf 6,0. Praxis,
techne und theory sind 155-, 84- und 295-mal vertreten. Selbst in dieser zweiten
Reduktion wiederholt sich die starke Betonung von praxis und theory im Sinne
der vorliegenden Arbeit bei einer zurückgenommenen Präsenz von techne. Die
Erklärung dafür und Anmerkungen dazu entsprechen denen für die Interpretation
vor den Reduktionen noch unter Einschluss der Berufswelten von Public Rela-
tions und Advertisement.
Nach den Ebenen aufgeschlüsselt ergibt sich durch das Ausblenden der
EXTRA CATEGORIES FOR STRATEGIC COMMUNICATIONS: Journalism:
201; Journalism Research: 55; External Disciplines: 91; Everyday Life: 187.
Auch in den Reduktionen unterscheiden sich die hier vorgetragenen Ergeb-
nisse kaum von den zuvor aufgeführten. Lediglich in der Indexzahl der Markie-
rungen pro Lehrveranstaltung tritt ein nennenswerter Unterschied auf: Vor der
Reduktion sind durchschnittlich 4,5 von 18 möglichen Feldern und damit rund
ein Drittel der möglichen Felder identifiziert. Nach den Konsolidierungen sind es
6,9 von 15 und 6,0 von 12 und damit knapp bzw. genau die Hälfte.
Die Hypothese 2, Grundstrukturen vertikaler und horizontaler Dimensionen
würden mit dem Begriffsplan erkennbar, ist damit sowohl mit als auch ohne
Einbeziehung der Lehrveranstaltungen aus Public Relations und Advertisement
verifiziert.
Die Potentialanalyse unternehme ich in dieser Fallstudie auf der Grundlage
des Begriffsplans mit 15 anstelle von 12 Feldern mit den drei zusätzlichen Fel-
dern auf der Ebene „External Fields of Work“ für Advertising und Public Rela-
tions. Ich drittele die Zahl von 88 möglichen Markierungen in:
7.3 University of Missouri Columbia (B A, staatliche Universität) 309
Auch das Experiment an der University of Missouri hat beide Hypothesen verifi-
ziert: Die techne-Felder des Begriffsplans waren für den Probanden Brian S.
Brooks in den untersuchten Lehrveranstaltungen, auch in der Erweiterung auf
Public Relations und Advertisement, sehr deutlich lokalisierbar. Die Abfragen
anhand des Begriffsplans ließen Grundstrukturen vertikaler und horizontaler Di-
mension erkennen. So zeigte sich vertikal eine sehr starke Betonung von theory
und eine zurückgenommene Präsenz von praxis, vor allem aber von techne. Wäh-
rend praxis und techne auf den Ebenen der Berufsfelder keineswegs schwach ver-
treten sind, erklärt sich die insgesamt geringe Ausprägung aus den nur wenigen
Markierungen für die Ebenen von Forschung. Die Studierenden forschen offen-
kundig wenig selbst; eine Einheit von Forschung und Lehre im deutschen Sinne
findet in der Journalismusforschung überhaupt nicht statt, in geringer Ausprägung
aber in Public Relations und Advertisement. Eine weitere Ursache für die geringe
Präsenz von techne liegt in einem vom Probanden enger als bei anderen Probanden
ausgelegten Verständnis von techne auf der Ebene “Everyday Life” (8).
Die tabellarische und die im Begriffsplan abgebildete Grundstruktur lässt er-
kennen, dass der untersuchte Studiengang das Potential der Integration hochschul-
gebundener Journalistenausbildung mittelstark ausschöpft. In Missouri wird die
starke Ausrichtung der Ausbildung an der Berufswelt, der profession des Journa-
lismus, deutlich. Dabei ist zwar auch in erheblichem Maßet theory aus der For-
schung präsent, kaum aber deren praxis und techne. Forschung und Lehre bilden
somit keine Einheit. Dieser Befund gilt mit der für Missouri spezifischen Auswei-
tung auch auf die Berufsfelder Public Relations und Advertising. Darüber, in wel-
chem Maße einzelne Lehrveranstaltungen das Potential hochschulgebundener
Journalistenausbildung nutzen, geben auch die in Missouri erhobenen Daten kei-
nen Aufschluss. Deutlich wurde aber für Missouri ebenso wie für die Columbia
University und die Hochschule Bremen, dass der vorgeschlagene Begriffsplan
auch in der Potentialanalyse der Integration Grundstrukturen erkennbar macht.
Die Hypothese 2 ist damit auch mit dieser Potentialanalyse zusätzlich bestätigt.
Bei den identifizierten techne-Feldern handelt es sich um techne im altgrie-
chischen Sinne. Die Wahl zwischen techne1 und techne2 fiel auf den Ebenen der
Berufswelten Journalismus, Public Relations und Advertising ausgeprägt vor-
wiegend auf techne2, für alle Ebenen der Forschung aber ähnlich ausgeprägt
vorwiegend auf techne1.
Die Erweiterung des Experiments auf Public Relations und Advertising
brachte einige Erkenntnisse hervor, erwies sich aber mit der so deutlich erhöhten
Komplexität auch als Fehlerquelle. Die meisten Fehler aber wurden noch wäh-
rend des Experiments korrigiert. Im Kapitel 4.3.1 des Elektronischen Anhangs
7.4 Technische Universität Dortmund (B A, Universität) 311
Befragt habe ich Prof. Dr. Frank Lobigs.172 Die Befragung erfolgte am 22.
April 2010 in dessen Wohnung in Hamburg und dauerte rund zweieinhalb Stun-
den. Meine Wahl fiel auf Lobigs aufgrund seiner guten Kenntnis des Curricu-
lums. Nach Einschätzung Pöttkers war er in erheblichem Maße an der Curricu-
lumentwicklung beteiligt. Dies qualifiziert Lobigs für die vorliegende Arbeit als
Verantwortlichen. Er war nach dem Experiment dann auch Geschäftsführender
Direktor des Instituts.
Das untersuchte Curriculum war der Teil „I Bachelor of Arts in Journalis-
tik“ aus dem „Modulhandbuch Journalistik Jan. 09“ in der seinerzeit jüngsten
Fassung vom 28. Januar 2009, das Pöttker mir für das Experiment zur Verfügung
gestellt hat. Nicht untersucht habe ich die für Journalistik-Studierende belegba-
ren Lehrveranstaltungen der zehn zur Auswahl stehenden Komplementärfächer
Anglistik, Germanistik, Soziologie, Musikwissenschaft, Sportwissenschaft Poli-
tikwissenschaft, Geschichte, Philosophie, Recht oder Wirtschaft. Ihre Inklusion
hätte den Rahmen der Untersuchung gesprengt, weil es je nach Fach Befragun-
gen anderer Personen bedurft hätte. Zweitens kann ich den Ausschluss damit
begründen, dass ich nur geschlossene Curricula untersucht habe. Vorgesehen
hatte ich, zumindest die im Modulhandbuch beispielhaft enthaltenen Lehrveran-
staltungen einiger Komplementärfächer abzufragen. Die Codierung war Lobigs
aber wegen mangelnder Kenntnis des dortigen Lerngeschehens nicht möglich.
Damit folgt auch die Dortmunder Fallstudie dem Vorgehen der anderen Fallstu-
dien, nur Lehrveranstaltungen der Journalistik – allein für die University of Mis-
souri aus erklärtem Grund auch unter Einschluss von solchen aus Public Rela-
tions und Advertisement für angehende Journalisten – abzufragen.
Das Experiment dauerte insgesamt eine Stunde und 55 Minuten, wovon 24
Minuten auf die Einführung entfielen. Die offene Befragung im Anschluss bean-
spruchte rund 35 Minuten.
Am 19., 20. und 21. April 2010 habe ich in Dortmund vier Seminarveran-
staltungen sowie die Lehrredaktionen Fernsehen und Hörfunk beobachtend be-
sucht und mit Studierenden und Lehrenden gesprochen. Als Promovend habe ich
regelmäßig an einer der Lehrveranstaltungen selbst teilgenommen: dem Kollo-
quium über wissenschaftliche Abschlussarbeiten, das Pöttker für Bachelor-,
Master- und Promotionsstudierenden gemeinsam anbot.
Die Entstehung des Dortmunder Instituts für Journalistik als eine der beiden ersten
hochschulgebundenen Journalistenausbildungen in Deutschland begann, wie im
Kapitel 3.3.1 ausgeführt, im Jahr 1976 zunächst an der Pädagogischen Hochschule
Ruhr. In der weiteren Entwicklung wurde es zum heute größten Anbieter hoch-
schulgebundener Journalistenausbildung in Deutschland, und zwar ab 1980 an der
Universität Dortmund, die später in Technische Universität Dortmund umbenannt
wurde. Das Dortmunder Institut für Journalistik ist interdisziplinär in einer kultur-
wissenschaftlichen Fakultät aufgestellt, wie ich es ebenfalls bereits skizziert habe.
Auch bin ich schon darauf eingegangen, dass Studierende des jetzigen Bachelor-
Studiengangs ebenso wie diejenigen des ehemaligen Diplom-Studiengangs als Teil
ihres Studiums ein zwölfmonatiges Redaktionsvolontariat absolvieren. So werden
sie – zusätzlich zum akademischen Studienabschluss – Absolventen einer Berufs-
ausbildung und damit zum Redakteur qualifiziert.173
Die Hochschulausbildung findet in deutscher Sprache statt, ist aber zugleich
auch international ausgerichtet. Nach Auskunft Frank Lobigs (vgl. Elektronischer
Anhang I: Tonträger 2, 1:25:02) nutzen fast alle Studierenden das Angebot eines
Auslandssemesters. In der Veranstaltung „Fremdsprachiger Journalismus“ inner-
halb des Moduls „Spezialisierung internationale Berichterstattung“ Elektronischer
Anhang H: Nr. 85) ist Englisch, neben Französisch und anderen Fremdsprachen,
ausweislich der Modulbeschreibung Lehrveranstaltungssprache. Nach Auskunft
Frank Lobigs (vgl. Elektronischer Anhang I: Tonträger 2, 1:24:25) schreiben die
Studierenden dort auch in englischer Sprache. Ich habe in einer anderen englisch-
sprachigen Journalistik-Lehrveranstaltung hospitiert, die der amerikanische Journa-
listik-Professor Larry Stuelpnagel im Rahmen seiner Gastprofessur am Institut für
Anglistik und Amerikanistik in derselben Fakultät angeboten hat. Die Dortmunder
Journalistenausbildung ist damit bei aller Verankerung im deutschen Journalismus
auch international orientiert.
Der hier untersuchte, auf acht Semester angelegte Bachelorstudiengang Jour-
nalistik trat mit dem Wintersemester 2008/2009 an die Stelle des bis dahin angebo-
tenen Diplom-Studiengangs; die Studierenden absolvieren das Redaktionsvolonta-
riat im 4. und 6. Semester.174 Im Wintersemester 2011/12 startete in Dortmund ein
ergänzender, zweisemestriger Masterstudiengang Journalistik175. Dieser ist aus-
weislich der Zugangsvoraussetzungen176 als Fortsetzung des Dortmunder Bache-
In der Tabelle und im Begriffsplan der Potentialanalyse ist erkennbar, dass der
untersuchte Studiengang das Potential der Integration hochschulgebundener Jour-
nalistenausbildung in mittelhohem Maße nutzt. Wissenschaftliche Praxis und
Techne sind vorhanden, aber schwach ausgeprägt, dafür aber umso stärker Praxis
und Techne aus dem Berufsfeld Journalismus. Der Studiengang nutzt die Möglich-
7.4 Technische Universität Dortmund (B A, Universität) 317
Das Experiment zur Technischen Universität Dortmund hat trotz zweier Abfra-
gefehler (vgl. Elektronischer Anhang A: Kapitel 4.4) beide Hypothesen deutlich
verifiziert: Die zwölf Felder des Begriffsplans waren für den Probanden Frank
Lobigs in den untersuchten – ihm ausreichend bekannten – Lehrveranstaltungen
klar lokalisierbar. Es kam zwar wegen meiner Abfragefehler zu einer Untermar-
kierung von Feldern auf der Ebene Alltag. Die Abfragen anhand des Begriffs-
plans ließen dennoch Grundstrukturen, sowohl inklusive als auch exklusive der
rechnerischen Fehlerkorrektur, in vertikalen und horizontalen Dimensionen er-
kennbar werden. Wegen meines Fehlers identifizierte Lobigs nur durchschnitt-
lich 3,9 von 12 Feldern. Die rechnerische Korrektur auf Basis der Prävalenz von
Alltag-Markierungen in der New Yorker Fallstudie im selben Umfang wie Jour-
nalismus-Markierungen aber erbrachte einen Wert von 5,5, der am unteren Ende
der für die anderen drei Fallstudien gefundenen Werte lag. Horizontal zeigt sich
eine starke Betonung der Ebene Journalismus, dies aber mit deutlicher Präsenz
auch von Journalismusforschung, Externen Disziplinen und – auch ohne rechne-
rische Korrektur – von Alltag. Vertikal ist der Studiengang sehr ausgewogen mit
einer leichten Betonung der Theorie, die sich etwa gleich auf Journalismus,
318 7 Experimentelle Überprüfung des Begriffsplans
das in zwölf Feldern des Begriffsplans von drei Spalten auf vier Ebenen kodifizier-
te Lerngeschehen gut identifizieren und lokalisieren. Damit haben alle vier Fallstu-
dien die Hypothese 1 bestätigt. Die Darstellung der Ergebnisse in Listen und zu-
sätzliche Potentialanalysen verifizierten die Leistungsfähigkeit des Begriffsplans,
Strukturen erkennbar zu machen, und damit die Hypothese 2. Für die vier Studien-
gänge wurden deutlich voneinander abweichende Strukturen sichtbar. Wegen der
absichtlich stark variierenden Anlage der gewählten Studiengänge sollte jedoch
von wertenden Vergleichen abgesehen werden. Ziel der vier Fallstudien war es
nicht, die Studiengänge zu vergleichen, sondern die Leistungsfähigkeit des Be-
griffsplans experimentell zu prüfen.
In den untersuchten Curricula zeigte sich für die Hochschule Bremen eine
ausgewogene Einbeziehung von Journalismusforschung und – noch mehr – auch
Externen Disziplinen, während die Columbia University nahezu ausschließlich an
der Berufswelt des Journalismus ausgerichtet ist. Auch die untersuchten Curricula
der University of Missouri und der Technischen Universität Dortmund orientieren
sich stark an der Berufswelt des Journalismus. Sie berücksichtigen dabei zwar
ausgeprägt Ergebnisse der Forschung, weniger jedoch wissenschaftliche Praxis
und Techne.
Das untersuchte Curriculum an der Hochschule Bremen nutzt das Potential
der Integration in hochschulgebundener Journalistenausbildung besonders umfas-
send, dasjenige der Columbia University kaum. Die Studiengänge in Dortmund
und Missouri nutzen es mittelstark. Keiner der Studiengänge aber nutzt das Mögli-
che vollständig. Auch diese Aussagen zum Grad des Ausschöpfens von Potentia-
len sollten jedoch zurückhaltend interpretiert werden. Abgefragt habe ich nämlich
nur, ob in den einzelnen Lehrveranstaltungen das jeweilige Lerngeschehen statt-
findet, nicht aber in welchem Maße dies geschieht. Es ist denkbar, dass Schwächen
in der Zahl der markierten Felder durch Stärken in der Ausprägung des Lernge-
schehens ausgeglichen werden. Darüber, in welchem Maße einzelne Lehrveranstal-
tungen das Potential hochschulgebundener Journalistenausbildung ausschöpfen,
können die erhobenen Daten keinerlei Aufschlüsse geben.
Dagegen, die Ergebnisse für urteilende Vergleiche zwischen den vier unter-
suchten Studiengängen zu verwenden, spricht zudem, dass in einigen Fallstudien
geringfügige Abfragefehler auftraten, die nicht immer schon während der Experi-
mente korrigiert werden konnten. Für die Hypothesenprüfung blieben diese Fehler
unerheblich. Bei Vergleichen zwischen den Fallstudien wäre aber Vorsicht gebo-
ten.
Je nach Studiengang sind zudem andere Fächer sehr unterschiedlich einge-
bunden. So setzt der einzige untersuchte Master-Studiengang – an der Columbia
University – einen Bachelor-Abschluss voraus. In Dortmund belegen Studieren-
de auch Komplementärfächer, in Missouri machen andere Fächer sogar rund
zwei Drittel der Studienleistung aus. Studierende bringen damit Praxis, Techne
320 7 Experimentelle Überprüfung des Begriffsplans
und Theorie aus anderen Fächern mit, die nicht in die Experimente eingehen. Die
untersuchten Curricula bilden dies nicht ab, und nur sie wurden hier betrachtet.
Der Durchschnittswert von markierten Feldern pro Lehrveranstaltung ist in Bre-
men nicht zuletzt deshalb besonders hoch, weil alle belegten Fächer Teil des
Curriculums sind und daher im Experiment mit abgefragt wurden.
Für die vorliegende Arbeit ist nicht maßgeblich, welche Strukturen der Be-
griffsplan erkennbar macht oder ob Vergleiche herangezogen werden. Hier geht es
darum, ob die Unterbegriffe von Lerngeschehen des vorgeschlagenen Begriffs-
plans namens Praxis, Theorie und Techne in ihrer weiteren Ausdifferenzierung in
zwölf Unterbegriffe in den Curricula anhand der vorgegebenen Begriffsmerkmale
lokalisierbar sind und ob die Anwendung des Begriffsplans Strukturen erkennbar
macht. Beides ist sehr deutlich bestätigt, und zwar für die University of Missouri
auch in einer Ausweitung auf die Fächer Public Relations und Anzeigenwirtschaft.
Zusatzabfragen zur Techne ergaben in allen Fallstudien sehr deutlich, oft-
mals sogar hundertprozentig, dass das Lerngeschehen der Techne-Markierungen
die Merkmale altgriechischer Techne aufweist: dass es sich also tatsächlich um
Techne im antiken Begriff der Griechen handelt. Die Zusatzabfragen zum Typ
von Techne ließen die Probanden aller vier Fallstudien für die Techne des Journa-
lismus zwischen 75 und 100 Prozent der dort abgefragten acht Merkmale der
techne2 markieren, die zu den in der Vorgabe bereits genannten – und von den
Probanden als zutreffend bereits markierten Merkmalen – noch hinzukommen.
Für Techne von Forschung trat daneben aber, vor allem in Dortmund, auch tech-
ne1 hervor. In Missouri identifizierte der Proband, anders als für Journalismus, für
die Berufsfelder Public Relations und Anzeigenwirtschaft auch ausgeprägt tech-
ne1. Dies ist damit erklärbar, dass diese Berufsfelder stärker als der Journalismus
auch mit sehr stringenten Methoden der Marktforschung und strategischer Pla-
nung arbeiten, auf welche die beiden abgefragten Merkmale der techne1 zutreffen,
nämlich hohe mathematische Präzision und hohe Ergebniszuverlässigkeit.
Die New Yorker und Dortmunder Experimente zeigten aber auch, dass die
Anlage aller vier Experimente, von den Probanden eine Entscheidung zwischen
techne1 und techne2 einzufordern, unglücklich gewählt war. Besser wäre es gewe-
sen zuzulassen, dass die Probanden auch beide Typen markieren, denn nichts
spricht dagegen, in ein und derselben Lehrveranstaltung für eine Ebene Technai
beider Typen zu finden. Die Ergebnisse der Zusatzabfrage zur Unterscheidung
zwischen techne1 und techne2 sollten deshalb nicht als eine präzise Messung gele-
sen werden, sondern als Befund darüber, welcher Typ in den Curricula vorwiegend
vorkommt. Es ist eindeutig die techne2, und zwar hier ganz besonders ausgeprägt
für die Techne des Journalismus.
Barbara Witte (vgl. Elektronischer Anhang E: Tonträger 1, 4:44) hat wäh-
rend des Bremer Experiments auf die Problematik der Unterscheidbarkeit von
Praxis und Techne hingewiesen und gemutmaßt, es könnte sich bei Techne um
7.5 Zusammenfassung der Experimente 321
(ebd.) „einen Unterbereich von Praxis“ handeln. Träfe Wittes Einwand zu, wäre
Techne immer auch Praxis und die Unterscheidbarkeit als nebengeordnete Be-
griffe nicht mehr gegeben.
Die Fallstudien zeigten zwar, dass meistens, wenn auf einer Ebene Praxis
markiert wurde, dies durchaus auch auf Techne zutraf. Reziprok gilt dies aber
nicht; so ergaben sich in Dortmund sehr viel mehr Techne- als Praxismarkierun-
gen. Dass die analytische Trennung möglich ist, erwies sich in den Markierungen
auf der Ebene Alltag/Everyday Life. Dort ist sehr wohl häufig Praxis/praxis ohne
Techne/techne markiert. Hier wurde deutlich, dass Techne vorwiegend in berufli-
chen Kontexten vorkommt. Selbstverständlich findet Techne aber auch im Alltag
statt, ebenfalls dort „[…] stellen Studierende etwas her oder pflegen etwas“. Auch
kann ihr weiteres Merkmal erfüllt sein, „Studierende wenden mindestens eine
Methode an, die spezifisch ist für Teile des alltäglichen Lebens, die auch Teile des
Journalismus oder wissenschaftlicher Disziplinen sein können, diesen aber nicht
spezifisch sind.“ Die durchgängige Nichtmarkierung von (8) Techne des Alltags
kann nur im dritten Merkmal begründet liegen: „‚Richtig‘ und ‚falsch‘ bedeuten
auch ‚nützlich für den Erfolg‘ und ‚weniger nützlich für den Erfolg‘.“ Deutlich
wird hier, dass im Alltag der Begriffsinhalt aus der Praxis dominiert: „‚Richtig‘
und ‚falsch‘ bedeuten auch ‚ethisch gut‘ und ‚ethisch schlecht‘.“ Die Formulierung
„auch“ verwischt etwas die Trennung zwischen Praxis und Techne, ist aber not-
wendig, weil in keiner der drei Spalten nur ein Begriffsinhalt von „richtig“ und
„falsch“ vorkommt.
In vier Fallstudien habe ich die empirische Evidenz der Begriffsschöpfung Lern-
geschehen in Journalistenausbildung untersucht, definiert als „Handlungen Ler-
nender in einem sozialen, situativen, aktiv-konstruktiven, selbstgesteuerten Pro-
zess mit dem erklärten Ziel der Befähigung zum erfolgreichen Handeln im Beruf
des Journalisten“ und ausdifferenziert in zwölf Unterbegriffe.
In einigen der Experimente traten Unsicherheiten in der Abfrage auf. Die
daraus resultierenden Fehler aber haben die Probanden zumeist noch während
der Befragungen korrigiert. Für die anderen Ungenauigkeiten stellte sich bei
nachträglicher Prüfung heraus, dass sie auf die Ergebnisse keinen größeren Ein-
fluss hatten oder ich sie rechnerisch korrigieren konnte.
Jede der vier Fallstudien von Studiengängen in Deutschland und den USA
hat empirisch nachgewiesen: Der Begriffsplan erlaubt es, das im vorgeschlage-
nen Begriffsplan von zwölf Feldern strukturierte Lerngeschehen von altgriechi-
scher Praxis, altgriechischer Techne und altgriechischer Theorie auf den Ebenen
Journalismus, Journalismusforschung, Externe Disziplinen und Alltag in Curri-
cula hochschulgebundener Journalistenausbildung zu lokalisieren. Der vorge-
322 7 Experimentelle Überprüfung des Begriffsplans
schlagene Begriffsplan ist damit sowohl in deutscher als auch in englischer Spra-
che analytisch funktionsfähig.
Auch ist mit jeder der vier Fallstudien empirisch nachgewiesen: Der neue
Begriffsplan lässt Strukturen analytisch erkennbar werden. Im Umkehrschluss
kann er so lange grundstrukturierend und damit planerisch eingesetzt werden, bis
weitere Forschung zusätzliche Ebenen, Spalten und Felder für solches Lernge-
schehen hervorbringt, das der Begriffsplan in der vorliegenden Fassung möglich-
erweise nicht abbildet und für das er deshalb „blind“ wäre.
Zudem ist mit allen vier Fallstudien empirisch nachgewiesen: Bei der durch
Anwendung des Begriffsplans lokalisierbaren Techne handelt es sich um solche
des altgriechischen Begriffsinhalts. Vorwiegend kommt Techne des von David
Roochnik als techne2 bezeichneten Typs vor, die „stochastische“ Techne der hip-
pokratischen Ärzte und des Alexander von Aphrodisias für besonders komplexe,
widerspenstige Gegenstände. Doch findet sich auch techne1, die genauer und zu-
verlässiger wirkt, aber der Komplexität vieler Gegenstände nicht gerecht werden
kann.
Dass der Begriffsplan auf Lehrveranstaltungen der Public Relations und An-
zeigenwirtschaft übertragbar ist, belegen die Ergebnisse der Fallstudie zur Univer-
sity of Missouri. Dies ist ein Hinweis – aber auch nicht mehr –, dass der für Jour-
nalistenausbildung entwickelte neue Begriffsplan auf andere Fächer anwendbar
sein könnte. Die Übertragbarkeit mit größerer empirischer Evidenz zu überprüfen
muss ich Folgestudien überlassen.
Die Ebenen Journalismusforschung und Externe Disziplinen sind nicht immer
scharf voneinander trennbar. Die Ursache für diese analytische Schwäche des
Begriffsplans liegt in der interdisziplinären Anlage der Journalismusforschung
begründet, die zwangsläufig Abgrenzungsprobleme mit in ihr bereits angelegten
anderen Fächern mit sich bringt. Die Trennschärfe war aber überall dort vollstän-
dig gegeben, wo im Rahmen von Journalistenausbildung auch Fächer, die im Sinne
Wolfgang Donsbachs und Siegfried Weischenbergs Sachwissen vermitteln, gelehrt
werden. Dies galt in allen Fallstudien, womit sich die analytische Unterscheidung –
trotz der Abgrenzungsprobleme zu in die Journalistik integrierten Fächern – als
sinnvoll erwiesen hat.
Die Daten zeigen, dass Techne nicht mit Praxis identisch, sondern analy-
tisch von ihr unterscheidbar ist.
Der neue Begriffsplan ist damit im Sinne Manfred Rühls (1978: 98) „brauch-
bar“ für die Analyse und Planung von Lerngeschehen in der Journalistenausbil-
dung.
8 Fazit und Ausblick 323
Die Untersuchung hat dort angesetzt, wo Bernd Blöbaum (2000: 119) in seiner
Begriffsarbeit über hochschulgebundene Journalistenausbildung feststellen
musste: „Die Integration von Theorie und Praxis ist nach wie vor ein ungelöstes
Problem.“ Für dieses Theorie-Praxis-Problem der Journalistik, spezifisch bezo-
gen auf Lerngeschehen in Journalistenausbildung, schlage ich eine Lösung vor:
in Form eines neuen Begriffsplans der präzisen Kategorisierung in Analyse und
Planung von Lerngeschehen in Curricula. Ich betrachte meinen Vorschlag nicht
als „die Lösung“ des Problems, wohl aber als eine von vielleicht mehreren mög-
lichen Lösungen, die ich zudem empirisch überprüft habe.
Meine Wortschöpfung Lerngeschehen benennt das Handeln von Lernenden
in einem sozialen, situativen, aktiv-konstruktiven und selbstgesteuerten Prozess
mit dem Ziel der Befähigung zum erfolgreichen Handeln im Beruf Journalist.
Der Begriffsplan entstand auf der theoretischen Grundlegung der Termino-
logielehre als der Wissenschaft von den Fachwortschätzen, die als Teil der An-
gewandten Sprachwissenschaften Begriffe von Begriff sprachwissenschaftlich
erforscht und bis hin zur Industrienormierung entwickelt. Grundlegend für die
vorliegende Arbeit ist DIN 2342 (2011) Begriffe der Terminologielehre. Mit
dieser deutschen Industrienorm habe ich erstmals die Terminologielehre auf die
Journalistik angewandt. Die interdisziplinären Bezüge finden sich (Streitbörger
2013) in einer separaten Analyse noch erweitert um Terminologieextraktionen
aus Philologie, Philosophie, Linguistik und anderen Wissenschaften.
Als Ursache des Theorie-Praxis-Problems der Journalistik konnte ich
nachweisen, dass insbesondere das herkömmliche Begriffsverständnis von Pra-
xis zu ungenau und vieldeutig ist, um damit Lerngeschehen präzise analysieren
und strukturieren zu können. Auch die analytische Abgrenzung der Praxis von
Theorie und der Begriff einer Integration von Praxis und Theorie mussten damit
ungenau bleiben.
Mit dem Ziel einer analytisch anwendbaren Grundstrukturierung des Lernge-
schehens habe ich „Theorie und Praxis“ in „Theorie, Praxis und Techne“ über-
führt. Der herkömmliche Begriff von Praxis wurde dabei in Techne und Praxis
aufgelöst. Mit Techne ist jetzt ein altgriechischer Alltagsbegriff und philosophisch-
philologischer Fachbegriff in die Fachsprache der Journalistik neu eingeführt.
Techne benennt in einer begrifflichen Näherung die Techniken eines Berufs. Die
herkömmliche Praxis habe ich von Elementen der Techne befreit und so auf ihren
aristotelischen Begriff von Handeln in Eigenverantwortung zurückgeführt.
Die begriffliche Neukonstruktion von Praxis, Techne und Theorie habe ich
auf vier Ebenen des Lerngeschehens bezogen: Journalismus als journalistische
Berufswelt, Journalistik als Journalismusforschung, Externe Disziplinen und
Alltag. Für den so entstehenden Begriffsplan in Form einer Matrix aus zwölf
Feldern habe ich behauptet, dass er das begriffliche Instrumentarium bereitstellt,
Lerngeschehen in Curricula präzise zu kategorisieren. Es handelt sich somit um
eine Begriffsarbeit der Curriculumforschung.
Für Integration habe ich ebenfalls eine begriffliche Neufassung vorgeschla-
gen, auch diese bezogen auf das Lerngeschehen: Demnach ist Integration in
einem Curriculum gegeben, wenn alle zwölf Felder des Begriffsplans ausgewo-
gen präsent und empirisch nachweisbar sind.
Den Begriffsplan habe ich im einleitenden Kapitel 1 entwickelt und bis zur
vollen Anwendbarkeit in der Analyse und Planung von Curricula hochschulge-
bundener Journalistenausbildung begründet.
Im Anschluss an diese Vorstellung und Begründung des Begriffsplans in
der Einleitung habe ich Grundlegungen geleistet, Kontexte untersucht und Bele-
ge für bis dahin nur Behauptetes nachgereicht. Die analytische Funktionsfähig-
keit in deutscher und englischer Sprache habe ich in vier empirischen Fallstudien
an je zwei Studiengängen für Journalistenausbildung in Deutschland und in den
USA empirisch nachgewiesen.
Den Kontext von hochschulgebundener Journalistenausbildung habe ich um-
fassend abgedeckt, indem ich erstmals auch elementare Begriffe rund um Journa-
lismus, Hochschule und weitere Begriffe spezifisch aus hochschulgebundener
Journalistenausbildung mit dem Instrumentarium der DIN 2342 untersucht habe.
So entstand ein terminologischer und damit ungewohnter Blick auf die Journalis-
tik. Diese Terminologiearbeit konnte zwar auf dem begrenzten Raum der vorlie-
genden Arbeit kein geschlossenes Begriffssystem der Journalistik erbringen, leistet
aber punktuelle Begriffsarbeit. Unter anderem habe ich neue Begriffe entwickelt
und vorgeschlagen, beispielsweise Interessantheit und Aufmerksamkeitsattraktivi-
tät als Unterbegriffe von Qualität im Journalismus sowie journalistische Haltung.
Auf die herkömmlichen Begriffe von Theorie und Praxis sowie deren In-
tegration bin ich vertiefend eingegangen. Auch habe ich Parallelen und Unter-
schiede zwischen hochschulgebundener Journalistenausbildung in Deutschland
und den USA untersucht. Die historische Entwicklung von Journalistenausbil-
dung in beiden Ländern habe ich narrativ, aber dabei immer auch terminologisch
untersucht. Insgesamt ermöglicht diese Untersuchung von Begriffen einen ge-
nauen Blick auf Journalistenausbildung an Hochschulen in beiden Ländern.
8 Fazit und Ausblick 325
Die altgriechische Grundlegung des Begriffs von Techne habe ich in philo-
logischer und philosophischer Literatur umfassend nachgewiesen. Dabei stütze
ich mich auf eine zweite Studie zum Begriff der Techne. Diese Terminologieex-
traktion wurde wegen ihres erheblichen Umfangs und ihrer möglichen Relevanz
auch für andere Fächer als die Journalistik ausgelagert. Die Arbeit erscheint als
separates Buch (Streitbörger 2013).
In den vier Fallstudien habe ich die Anwendbarkeit des Begriffsplans für
Analysen von Curricula experimentell überprüft: Jeweils in meiner Gegenwart
ließ ich Verantwortliche der Studiengänge in einem experimentellen Setting in
Curricula verschriftete Lehrveranstaltungen codieren. In jeder der experimentel-
len Fallstudien fanden sich die in der Einleitung formulierten Thesen bestätigt:
Die zwölf Felder des vorgeschlagenen Begriffsplans konnten von den Probanden
präzise lokalisiert werden. Auch ließ die Anwendung des Begriffsplans Grund-
strukturen erkennbar werden. Ebenso wurden für den von mir entwickelten Be-
griff von Integration Strukturen deutlich, wie viel des grundsätzlich Möglichen
die Studiengänge ausschöpfen.
In weiteren Abfragen habe ich nachgewiesen, dass es sich bei den Lokali-
sierungen von Techne tatsächlich um solche mit ihren altgriechischen Begriffs-
merkmalen handelt. Eine dritte Abfrage, die ermitteln sollte, ob es sich um den
Typus techne1 der Hand-Werker oder um den komplexeren Typus techne2 der
antiken Ärzte und Rhetoren handelt, litt an einer Fehlkonzeption der Abfrage, die
eine binäre Entscheidung zwischen dem einen und dem anderen einforderte. In
der Untersuchung stellte sich aber heraus, dass in spezifischen Veranstaltungen
Techne beiderlei Typs vorkommen kann. Mit diesem Befund konnte ich – trotz
des Fehlers in der Anlage – auch für die zweite Zusatzabfrage ein empirisch
solide begründetes Ergebnis ermitteln.
Diese Ergebnisse stehen unter dem Vorbehalt, dass Erweiterungen des Be-
griffsplans mit neuen Feldern prinzipiell möglich sind und dass Trennschärfe
zwischen den dort kategorisierten Unterbegriffen von Lerngeschehen nur analy-
tisch, nicht jedoch ausschließlich einlösbar ist.
Mit diesen Einschränkungen aber haben die Fallstudien die volle Anwend-
barkeit des Begriffsplans für die Analyse von Curricula für Journalistenausbil-
dung vierfach empirisch belegt. Dies gilt sowohl für die Originalbegriffe in deut-
scher Sprache, die ich auf die beiden deutschen Begriffe angewendet habe, als
auch für ihre Übersetzungen in der Anwendung auf die Fallstudien in den USA.
Mein Ziel ist es, einer bislang noch nicht existenten Curriculumforschung für
hochschulgebundene Journalistenausbildung eine fundierte begriffliche Grundle-
gung zu geben. Dieses Unterfangen wird dann nicht sinnlos bleiben, wenn andere
Wissenschaftler den Begriffsplan für empirische Analysen und Planungen von
Curricula anwenden.
326 8 Fazit und Ausblick
Ich versuche zwar, ein Versäumnis der Journalistik zu beheben, indem ich
den grundlegenden Begriff von Praxis neu bestimme. Diesem einen Versäumnis
steht aber eine Aufbauleistung hochschulgebundener Journalistenausbildung und
ein persönliches Engagement der beteiligten Personen gegenüber, das mich bei
meinen Untersuchungen tief beeindruckt hat.
Ich halte den Begriffsplan zur Grundstrukturierung von Lerngeschehen für
übertragbar auf andere Berufsausbildungen an Hochschulen. Auch halte ich ihn
für transferierbar auf ein Berufsgeschehen im Journalismus – als das Handeln im
Beruf Journalist in einem sozialen, situativen, aktiv-konstruktiven und selbstge-
steuerten Prozess – und damit für anwendbar auf eine begriffliche Grundstruktu-
rierung der empirischen Erforschung des journalistischen Handelns selbst. Hin-
sichtlich dieser Übertragbarkeiten handelt es sich aber um theoretische Annah-
men. Empirisch überprüft habe ich den Begriffsplan nur in der Anwendung auf
Curricula hochschulgebundener Journalistenausbildung.
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342 Literaturverzeichnis
Untersuchte Curricula:
Sämtliche unten genannten Internetseiten der untersuchten Hochschulen liegen datentech-
nisch gesichert vor, sämtliche nicht publizierten Ausdrucke in Papierform.
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University of Missouri:
School of Journalism (2010): Catalogue Draft for Carla Whitney 02/10/2010 for Terms
FS2010 – SS2012: Das Dokument wurde eigens für das Experiment von der Universität
aus einer hochschuleigenen Datenbank angefertigt und zur Vorbereitung des Befragungs-
Handbuchs zur Verfügung gestellt.