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HORMONE DER NEBENNIERENRINDE (NNR)

Autor: C. Nanoff
Institut für Pharmakologie, Universität Wien
(siehe Freissmuth, Offermanns, Böhm, Pharmakologie und Toxikologie, Kapitel 49, S 535 - 547)
1) BIOSYNTHESE
Die NNR stellt die Steroide Cortisol, Aldosteron und Dehydroepiandrosteron her.
Das Substrat der Biosynthese ist Cholesterin; die an der Synthese beteiligten Enzyme zählen Großteils zur Klasse
der Cytochrom P450-abhängigen Monooxygenasen (P450): Die Fußnote in der Bezeichnung des P450 gibt die
Position des zu modifizierenden Kohlenstoffatoms im Steroidgerüst an...

P45021 : Hydroxylierung von Kohlenstoffatom 21 (letztes Glied der Seitenkette)


P45011: Hydroxylierung von Kohlenstoffatom 11 – wichtig für Aktivierung des Aldosteronrezeptors
P45017: Hydroxylierung von Kohlenstoffatom 17 (Schritt 1) und Abspalten der Seitenkette (Schritt 2)  Vorstufen
des Testosterons mit 19 Kohlenstoffatomen (Dehydroepiandrosteron und Androstendion)
[Cortisol = 21-Hydroxy-,17-Hydroxy-,11-Hydroxyprogesteron, siehe Abbildung, Seite 2]

Klassifikation NNR Hormon Regulation Aufkommen


Glucocorticoid Innere Zone Cortisol (=Hydrocortison) ACTH 10 mg/Tag
(fasciculata,
reticularis)
Mineralocorticoid Äußere Zone Aldosteron Angiotensin II, 0.1 mg/Tag
(glomerulosa) Kaliumspiegel

Desoxycorticosteron ACTH

Testosteron-Vorstufe Innere Zone Dehydroepiandrosteron (DHEA) ACTH Alters-abhängig


(=androgen) (> 10 mg/ Tag)
21

11 17

Cortisol

In der NNR erfolgt die Synthese und Freisetzung von Cortisol gemäß
einem täglichen Rhythmus, der durch das adrenocorticotrope Hormon,
ACTH, gesteuert wird (Maximum frühmorgens, Minimum nach
Mitternacht).
Cortisol und die synthetischen Glucocorticoide (GC) sind lipophile
Steroide. Sie können durch die Zellmembranen permeieren, werden
vollständig aus dem Darm resorbiert und im Plasma an Transportprotein
gebunden. Das Cortisol-bindende Globulin bindet Cortisol mit höherer
Affinität als viele der synthetischen GC, hat aber eine beschränkte
Transportkapazität. Wenn diese erschöpft ist, werden Cortisol und die
synthetischen GC lose an Albumin gebunden.
Die Ausscheidung erfolgt überwiegend durch Inaktivierung und
Konjugation in der Leber. Ein kleiner Teil der NNR-Steroide wird auch
unverändert im Harn ausgeschieden (wichtig für die diagnostische
Bestimmung).
2) KONTROLLE DER CORTISOLBIOSYNTHESE DURCH ACTH
(ADRENOCORTICOTROPES HORMON)
Peptidhormon (39 Aminosäuren), entsteht aus dem Vorläuferprotein,
Pro-Opiomelanocortin (POMC), das im Hypothalamus synthetisiert wird.

ACTH - Effekte:
An der Inneren Zone der NNR
 Synthese und Freisetzung von Cortisol
 Wachstumstimulus
 Synthese und Freisetzung von Testosteronvorstufen

An der Äußeren Zone der NNR


 Freisetzung von Aldosteron, freisetzende Wirkung = vorübergehend
(„ACTH-escape“)

Andere
Die Sekretion von ACTH geht mit einer Appetithemmung (durch
gleichzeitige Freisetzung von -MSH) einher. Übermäßige Sekretion
stimuliert Hautpigmentierung.

Die ACTH-Sekretion wird durch CRH (Corticotropin-releasing


hormone) aus dem Hypothalamus stimuliert. Die Sekretion unterliegt...
1. einem Tag-Nacht-Rhythmus, der Zeitgeber befindet sich im
Hypothalamus.
2. einer Steuerung durch (zumindest zwei) Regelkreise

Die Regelgröße im ersten Regelkreis ist der Cortisolspiegel; nimmt


dieser zu, tritt eine inhibitorische Rückkopplung in Kraft: Das
zirkulierende Cortisol hemmt die Ausschüttung von ACTH und CRH (an
Hypothalamus & Hypophyse).
Die wichtigste Stellgröße in diesem Regelkreis ist Stress: Stress führt zu
einem verstärktem Ausstrom von CRH  ACTH  Cortisol. Wenn der
Stress groß ist, wird die Rückkopplung unwirksam (die Regelgröße =
Cortisolspiegel auf ein höheres Niveau verstellt). Cortisol ist das
Stresshormon.
Zweiter Regelkreis - bei Entzündungsprozessen: Pro-inflammatorische
Interleukine, IL-1,-2,-6, TNF stimulieren die Ausschüttung von CRH und
ACTH  Cortisol   Hemmung der Interleukin-Expression  Stimulus
für ACTH fällt weg und der erste Regelkreis übernimmt die Führung.
Weitere Regelmechanismen:
[Insulin  Hypoglykämie]  ACTH  Cortisol   BZ
Vasopressin hemmt die Wasserdiurese und wirkt synergistisch mit CRH  ACTH
C...No 21

C...No 11

17-Hydroxyprogesteron

P45021
P45011β

Androstendion

3) STÖRUNGEN IN DER REGULATION DER NNR


3a) Angeborene Hyperplasie der NNR
(Unvollständiger) Defekt in P45021 – Rückkopplung gestört  ACTH-
Spiegel  Stimulation der inneren NNR-Zone  Androgenvorstufen

Diagnose: Ausscheidung von 17-Hydroxycorticosteroiden (anstelle von


Cortisol) im Harn nach diagnostischer Verabreichung von ACTH

Symptome:
 
Frühzeitige Pubertät Mild: Fertilitätsstörung
(Pubertas präcox) Ausgeprägt: männliches äußeres
Genitale (adrenogenitales
Syndrom)
Sehr ausgeprägt: Aldosteronbiosynthese
Behandlung:
 Substitution von Cortisol (und von Fludrocortison, einem
Mineralocorticoid)
 nach pränataler Diagnose: Gabe von Dexamethason während der
Schwangerschaft
Beurteilung des Therapieerfolgs:
 Wachstum
 Plasmaspiegel von 17-Hydroxyprogesteron
 Blutdruck

3b) Sekundäre NNR-Insuffizienz


Eine wiederholte systemische GC-Anwendung führt durch Hemmung der
ACTH-Sekretion zur Suppression des Regelkreises (hypothalamisch-
hypophysär-NNR). Nach längerfristiger Suppression kommt es zur
Atrophie der inneren Zone der NNR und zur sekundären NNR-
Insuffizienz; der Defekt in der Cortisolsynthese wird deutlich, wenn
Glucorticoide plötzlich abgesetzt werden. Die Äußere Zone und die
Aldosteron-Synthese bleiben hingegen erhalten.
Der Begriff der Cushing-Schwellendosis ist für die pharmakodynamische
Therapie in der Praxis von untergeordneter Bedeutung: Entweder man
dosiert ausreichend, dann kann jede fortgesetzte systemische
Anwendung zu einem iatrogenen Cushing-Syndrom (Vollmondgesicht,
Stammfettsucht etc.; Infektanfälligkeit; Blutdruckanstieg; diabetische
Stoffwechsellage bis zum Blutzuckeranstieg...) führen, oder man dosiert
zu wenig, dann kann man sich die Therapie sparen.

Wichtiger als die Änderungen des Aussehens (die den Patienten stören
– aber reversibel sind) ist der Umstand, dass bei einer Dauertherapie die
endogene Cortisol-Synthese erniedrigt ist: Es wird iatrogen eine NNR-
Insuffizienz erzeugt. Wird durch plötzliches Absetzen der
Glucocorticoide oder in einer akuten Stress-Situation (Infektion, Trauma,
Blutung) die NNR-Insuffizienz demaskiert, besteht die Gefahr eines
Kreislaufschocks!

Nach einer fortgesetzten Therapie (> 1Woche) dürfen Glucocorticoide


nicht plötzlich abgesetzt werden. Wenn die Behandlung beendet wird,
muss die Dosis über einen Zeitraum, der der Behandlungsdauer
entspricht, reduziert werden (“Ausschleichen der Behandlung“), um
dem Regelkreis Zeit zur Restitution zu geben. Eine völlige Restitution
kann bis zu einem Jahr (und länger) benötigen.
Durch Wegfall des 2. Regelkreises kann es auch zu einer
überschießenden Produktion von Zytokinen kommen = dramatische
Verschlechterung der Grunderkrankung bei plötzlichem Absetzen (
Patienten explizit vor eigenmächtiger Dosisänderung warnen!!) =
„Entzugsyndrom“.

Symptome nach Dosisreduktion bzw. Absetzen einer systemischen


Behandlung
Fieber, Myalgie und Arthralgie, Unwohlsein Entzugssyndrom
Kopfschmerz, Sehstörungen Pseudotumor cerebri,
Papillenödem
Flüssigkeitsverlust, Kollaps, Schock NNR-Insuffizienz

4) PRÜFUNG DER HYPOTHALAMUS-HYPOPHYSEN-NNR-ACHSE


1. Bei Cushing-Symptomatik (GC-Überschuss): Dexamethason-Test –
Suppression der Cortisol-Sekretion durch die NNR. Wenn die
Cortisolsekretion nicht abnimmt, kommt das Cortisol aus einer
ektopen Quelle (z.B. Cortisol produzierender Tumor).
2. Bei Cortisolmangel: ACTH-Stimulationstest
Gabe von ACTH in hohen Dosen: Nach 30 bis 60 min Cortisol-Spiegel
. Wenn die NNR defekt, keine Zunahme des Cortisols
3. Bei Cortisolmangel: immunologische Bestimmung der ACTH-Serum-
konzentration (CRH-Stimulationstest)
 Primäre NNR-Insuffizienz: ACTH-erhöht
 Sekundäre NNR-Insuffizienz: ACTH-niedrig (nicht nachweisbar)

5) PHYSIOLOGISCHE WIRKUNGEN DES CORTISOLS


Das Glucocorticoid Cortisol und das Mineralocorticoid Aldosteron
binden an spezifische zytosolische Rezeptoren (Glucocorticoid- und
Mineralocorticoidrezeptoren), die zur Familie der Liganden-
gesteuerten Transkriptionsfaktoren gehören. Cortisol erkennt auch den
Mineralocorticoidrezeptor im distalen Tubulusepithel der Niere; bevor
Cortisol bindet, wird es jedoch in der Tubuluszelle durch die 11-
Hydroxysteroiddehydrogenase inaktiviert: mineralocorticoide Effekte (=
Retention von Natrium und Wasser) werden in physiologischen
Konzentrationen nicht durch Cortisol sondern durch Aldosteron
vermittelt.

Der mit Cortisol besetzte Glucocorticoid-Rezeptor aktiviert die


Transkription von Genen, deren Promotor-Region eine spezifische
Erkennungssequenz besitzen (das „Glucocorticoid-responsive element“).
Er kann aber auch aktiv Gentranskription supprimieren, z.B. durch
Inaktivierung von NFB (Nuclear factor-kappa-B, einem Aktivator der
Zytokinexpression) oder von AP1 (activating protein-1, ein Dimer der
Transkriptionsfaktoren Fos und Jun). Darüber hinaus kann der Rezeptor
auch durch Besetzung der Promotorregion die Transkription von Genen
(z.B. für Propopiomelanocortin, COX-II, NOS2 etc.) hemmen.
Die Rezeptor-vermittelten Effekte treten daher mit Verzögerung ein (~15
Minuten bis Stunden).

5a) Hormonempfindliche Gewebe


Zu den Geweben, die für Glucocorticoide (GC) exquisit empfindlich sind,
zählen:

Gewebe Rolle des Cortisols


Entzündungszellen Vermehrung der Neutrophilen Granulozyten,
Koordination der Entzündungsreaktion (s.u.)
Knochenmark Blutbildung
Herz und Kreislauf Herzkraft und Blutdruckregulation
Niere Wasserausscheidung
ZNS Stimmung, Aufmerksamkeit
Leber/ Blutzucker 
Glucosestoffwechsel

Bei fehlender Cortisolproduktion sind diese Gewebe in erster Linie


betroffen; die Stress-Reaktion (auf ein physikalisches Trauma, auf eine
Infektion, Blutung) des Organismus ist beeinträchtigt, es besteht
Schockgefahr.

GC-Effekte resultieren auch aus der gesteigerten Wirkung anderer


Hormone. GC wirken „permissiv“ für...
 Catecholamine: Lipolyse, Steigerung der Herzkraft
 Catecholamine und Angiotensin II: Blutdrucksteigerung, renale
Perfusion
 Insulin: Stammfettsucht und Büffelhöcker
 Catecholamine und Insulin: Gluconeogenese und
Glykogenbildung in der Leber, Blutzucker (es besteht eine mäßige
Insulin-Resistenz): Subjektiv kann die gesteigerte Insulinfreisetzung
als vermehrter Hunger erlebt werden – Glucocorticoide erhöhen den
Blutzuckerspiegel; Insulin treibt die Glukose wieder in Muskel- und
Fettgewebe.
5b) Nebenwirkungen einer GC-Dauertherapie („Iatrogenes Cushing-
Syndrom“)
Bei Cortisolexzess treten zusätzlich katabole Stoffwechselwirkungen (an
Fett- und Eiweißstoffwechsel) auf, die hauptsächlich folgende Gewebe
betreffen: Muskel, Fettgewebe, Knochen, Magenschleimhaut,
Bindegewebe, Auge (Thymus).
Aus der Funktionseinbuße ergeben sich die metabolischen
Nebenwirkungen einer systemischen GC-Dauertherapie:

 Osteoporose (Frakturrisiko): Hemmung der Osteoblasten, Hemmung


der Calciumaufnahme zur Prophylaxe der Osteoporose: Calcium-
und Vitamin D-Gaben, Bisphosphonate (z.B. Alendronat, Etidronat)
 Linsentrübung, Glaukom  regelmäßige Kontrollen
 Myopathie (Schwäche der Extremitätenmuskulatur)

 Cushing-Habitus: Stammfettsucht mit Striae cutis distensae,


Vollmondgesicht und Büffelhöcker, schmalen Extremitäten.
 Hyperglykämie
 Hypertonie
 Ulcus pepticum

 Osteonekrosen (Warnsymptom =Gelenksschmerzen)


 Wachstumsverzögerung bei Kindern  Dauertherapie mit
Wachstumskurve verfolgen

 Risiko für Infektionserkrankungen und Manifestation einer


Tuberkulose
 Stimmungsveränderung: Euphorie oder Ängstlichkeit; psychotische
Reaktionen

CAVE: Anamnese – Risikofaktoren in der Behandlung mit


Glucocorticoiden
1. Diabetes mellitus
2. Ulcus pepticum
3. Herzinsuffizienz, Hypertonie
4. Psychosen
5. Kindesalter
6. Infektion mit Herpes zoster (Gürtelrose)
7. Tuberkulose
8. Erhöhter Augeninnendruck
Legende
Rezeptor-vermittelte Wirkungen: Noxen (Viren, UV-Strahlung) und pro-inflammato-rische Zytokine aktivieren die Transkriptionsfaktoren
NFB und AP-1 (c-Jun und Fos), die ihrerseits proinflammatorische Gene (z.B: COX-II und Phospholipase A2-Isoformen)
„transaktivieren“ (Geninduktion); der Entzündungsprozess wird ausgelöst und verstärkt. Glucocorticoidrezeptoren (GCR) hemmen
durch 1.) direkte Bindung an AP-1 und NFkB, durch 2.) Induktion von entzündungshemmenden Proteinen (Annexin I, IB, MAPK-
Phosphatase) und 3.) durch Hemmung der Transkription (z.B. von Il-1). JNK...Jun-N-terminale Kinase, IB ...Inhibitor von NFB
6) PHARMAKOTHERAPIE MIT GLUCOCORTICOIDEN
Folgende Wirkungen der Glucocorticoide werden klinisch ausgenützt

 Entzündungshemmung
 Immunsuppression
 Antiproliferative Effekte an Lymphozyten
 Reifung des foetalen Lungengewebes
 Suppression der ACTH-Sekretion (kongenitale adrenale Hyperplasie)
 Vermehrung der Thrombozyten im Blut
 Unterdrückung von Brechreiz
 Hemmung der 5‘-Dejodase

Zur Behandlung stehen synthetische Cortisolderivate zur Verfügung, die


durch Modifikation des Steroidgerüsts (z.B. Fluor-Substitution,
Methylierung und/oder Hydroxylierung von C-Atomen), erzeugt werden:
Beispiele.: Prednisolon, Methylprednisolon, Fluocortolon

Im Vergleich zu Cortisol habe diese...


 eine höherere Affinität für den Glucocorticoidrezeptor
[Cortisol<Prednisolon<Methylprednisolon<Dexamethason<
Fluticason]

 eine geringe/fehlende Wirkung am Mineralocorticoidrezeptor


[ABER: Fludrocortison ist selektiv für den Mineralocorticoidrezeptor,
Verwendung als Mineralcorticoid]

 eine längere Halbwertszeit:


Cortisol 1,5 h
Prednisolon, Methylprednisolon 2,5 h
Triamcinolon Betamethason, 5h
Dexamethason

 eine geringere Plasmaproteinbindung:


Triamcinolon, Betamethason, Dexamethason

 einen ausgeprägten First-pass-Effekt:


Budesonid, Flunisolid, Fluticason-Propionat
(daher Verwendung in Lokaltherapie)
 geringe orale Bioverfügbarkeit und Aktivierung durch Esterasen zur
Wirkform: Ciclesonid (inhalatorisch, Nasentropfen), Beclometason-
Dipropionat
7) THERAPEUTISCHE ANWENDUNG DER GLUCOCORTICOIDE
Einmalige Verabreichung: Die therapeutische Breite (die Sicherheit der
Anwendung) ist sehr groß! d.h. es gibt keine limitierende Nebenwirkung
– hohe Dosen sind anwendbar
Wiederholte Verabreichung: Wenn die Therapiedauer auf einige Tage
beschränkt, können bei akuten Krankheitszuständen hohe Dosen
wiederholt systemisch verabreicht werden.
Dauertherapie: Die kleinste mögliche Dosis zur systemischen
Anwendung muss gesucht werden. Lokale Anwendung ist zu
bevorzugen.

Beachte: Tritt während einer systemischen Dauertherapie eine


Verschlechterung des Krankheitzustands auf (auch z.B. durch einen
interkurrenten Infekt), muss die Dosis des Glucocorticoids erhöht
werden! Cortisol ist ein Stresshormon, die Stressreaktion muss
therapeutisch nachgeahmt werden. Dies gilt auch für die Phase des
Ausschleichens und die nachfolgende Zeit.

In der Synthese von Cortisol und in der Gewebsempfindlichkeit für


Cortisol gibt es einen zirkadianen Rhythmus: Gipfel der ACTH-Cortisol-
Ausschüttung in den frühen Morgenstunden, Empfindlichkeitsmaximum
am Abend. Bei der systemischen Anwendung potenter und
langwirksamer Präparate (akute Krankheitsphase) soll die Tagesdosis
morgens gegeben werden. In der Dauertherapie wird die Dosis meist
über den Tag verteilt, um die Krankheitssymptome ohne Unterbrechung
zu unterdrücken.

Zur Dauerverabreichung hoher systemischer Dosen (z.B. Prednison 50


mg/d) kann ein Wechselschema angewendet werden. Vorteil: NNR-
Suppression weniger ausgeprägt, Nachteil: Behandlungseffekt nicht
immer sicher.
Beispiel für ein Wechselschema:
1. Tag 50 mg 7. Tag 75 mg
2. 40 mg 8. 5 mg
3. 60 mg 9. 70 mg
4. 30 mg 10. 5 mg
5. 70 mg 11. 65 mg
6. 10 mg 12. 5 mg etc.
Die lokale Applikation kann inhalativ (z.B. Asthma bronchiale), enteral
(z.B. Colitis ulcerosa), durch Instillation (z.B. Arthritis) und mit Salben
und Cremes (z.B. in der Ophtalmologie und Dermatologie) durchgeführt
werden. Im Zug der lokalen Anwendung können systemische Effekte
auftreten, die Cortisol-Produktion nimmt ab (=NNR-Suppression). Für die
inhalative und enterale Anwendung sollen daher Präparate verwendet
werden, die rasch in der Leber (und lokal) abgebaut werden und deshalb
eine geringe Bioverfügbarkeit aufweisen (Budesonid, Flunisolid,
Fluticason-Propionat).

Indikationen für Therapie mit systemischer Anwendung: Beispiele

Rheumatoide Arthritis
Systemischer Lupus erythematodes
Glomerulonephritis
Lymphome, lymphatische Leukämie
Thyreoiditis
Pemphigus
Abstoßungsreaktion von Transplantaten

Indikationen für Therapie mit lokaler Anwendung: Beispiele

Asthma bronchiale
Colitis ulcerosa
Psoriasis
Arthritis an einzelnen Gelenken

Glucocorticoide sind selten Mittel der ersten Wahl! Zumeist sind sie
zweite Wahl; wenn ein therapeutisches Stufenschema zur Verfügung
steht, sieht es die Anwendung von GC in Kombination mit anderen
Therapieformen vor. In der Behandlung der rheumatoiden Arthritis z.B.
werden non-steroidale Antiphlogistika (Hemmung der Prostaglandin-
Synthese), Immunsuppressiva (Hemmung der Aktivität von T-
Lymphozyten), biologische Agentien (zur Inaktivierung von Zytokinen)
eingesetzt, um die GC-Dosis so niedrig wie möglich zu halten. Wegen
ihrer verlässlichen Wirkung dürfen GC aber nicht vorenthalten werden.

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