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Heribert Prantl: „Ich hoffe, dass die Gesellschaft

aufwacht“

https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/heribert-prantl-ich-hoffe-dass-
die-gesellschaft-aufwacht-li.136339

Der frühere Politik-Chef der Süddeutschen Zeitung und Jurist sagt: Das
Grundgesetz steht nicht unter Pandemie-Vorbehalt.

Michael Maier, 30.1.2021 - 17:27 Uhr

Heribert Prantl

Berliner Zeitung: Herr Prantl, Sie haben neulich in einer Talk-Show gesagt, dass
Sie in den 33 Jahren Ihrer Tätigkeit als Journalist noch nie so viel Angst gehabt
hätten. Wovor haben Sie Angst?

Heribert Prantl: Ich habe nicht Angst um mich. Ich habe Angst um unsere
Grundrechte. Ich bin besorgt. Die Grundrechte sind das Schönste und Beste und
Wichtigste, was wir in unserem Staat haben. Ich habe das Gefühl, dass sie in der
Pandemie kleingemacht oder bisweilen beiseitegeschoben werden. Ich habe die
Sorge, dass wir die Grundrechte opfern, um so vermeintlich der Pandemie Herr zu
werden. Das Wesen der Grundrechte ist jedoch, dass sie gerade in einer Krise
gelten müssen. Deswegen heißen sie Grundrechte. Sie sind die Leuchttürme, die in
der Demokratie leuchten. Es ist fatal zu glauben, man könne sie ja eine Zeit lang
geringer leuchten lassen. Diese Haltung erscheint mir aber dominant, wenn ich die
aktuelle Politik betrachte. Ich hätte mir nie vorstellen können, dass wir so intensive
Beschränkungen unserer Freiheit erleben werden. Hans-Jürgen Papier, der frühere
Präsident des Bundesverfassungsgerichts sagte in diesen Tagen, er habe sich nie
vorstellen können, dass derart intensive Freiheitsbeschränkungen von der zweiten
Gewalt, der Exekutive, beschlossen werden. Er hat darauf hingewiesen, dass
Entscheidungen über Grundrechte eine breite gesellschaftliche und demokratische
Basis brauchen. Aktuell ist die Politik dominiert von Naturwissenschaftlern und
Virologen. Das geht nicht. Die Regierung muss Verfassungsrechtler, Pädagogen,
Soziologen, Ökonomen und Kinderärzte anhören. Die Grundrechte sind kein
Larifari. In einem demokratischen Rechtsstaat steckt die Kraft der Hoffnung in den
Grundrechten – auch und gerade in Krisenzeiten. Weil die Corona-Politik die
Grundrechte zu wenig achtet, ist die Hoffnung auf bessere Zeiten nicht so groß, wie
sie sein könnte.

Ganz neu ist die Einschränkung der Grundrechte nicht. Wir haben das etwa in der
Terror-Bekämpfung gesehen.

Die Einschränkung der Grundrechte ist nicht vom Himmel gefallen. Wir haben seit
der RAF- und Terror-Zeit Einschränkungen der Grundrechte. Auch damals wurde
gesagt, es handelt sich nur um vorübergehende Maßnahmen. Doch diese Gesetze
gelten fast komplett bis heute.

Welche Einschränkungen sind auf die Anti-Terror-Gesetze zurückzuführen?

Der Schutz des Post- und Fernmeldegeheimnis, also der Artikel 10 Grundgesetz
wurde durchlöchert, Lauschangriffe eingeführt, der Schutz der Unverletzlichkeit
der Wohnung durch Wanzen verletzt, das V-Mann-Unwesen wurde ausgebaut, der
Kronzeuge eingeführt. Nach 9/11 hat sich dieser Prozess fortgesetzt. Man hat mit
„Zeitgesetzen“ gearbeitet, hat also gesagt: Die Einschränkungen gelten nur für eine
bestimmte Zeit. Und dann wurden die Einschränkungen verlängert und verlängert
und verlängert. Das befürchte ich auch jetzt: Dass die Einschränkungen zur
Normalität werden. Die Einschränkungen können auch als Blaupause verwendet
werden, für das nächste Virus, für den nächsten Katastrophenfall. Doch das
Grundgesetz steht nicht unter Pandemievorbehalt.

Vielfach wissen die Leute gar nicht mehr, was ein Grundrecht ist. Welche
Grundrechte wurden denn in der Pandemie eingeschränkt?

Es gibt eher harmlose Grundrechtsbeschränkungen wie den Mund-Nasen-Schutz.


Der ist zwar unbequem, aber kann und muss toleriert werden. Problematisch sind
Kontaktverbote, bei denen uns der Staat plötzlich sagt, welche und wie viele
Menschen wir wo treffen dürfen. Wir haben Ausgangssperren. Wir haben
Einschränkungen der Gewerbefreiheit, die existenzgefährdend sind, für Gaststätten,
Künstler, Friseure. Mir wird manchmal gesagt: Prantl, haben Sie sich nicht so, dann
können Sie halt am Wochenende einmal nicht in die Alpen fahren. Doch darum
geht es nicht. Es gibt das Grundrecht, mit anderen Menschen Kontakt zu pflegen.
Das ist die Basis für Demokratie. Es gibt das Grundrecht, sich frei zu bewegen. Es
gibt das Grundrecht, sich seinen Lebensunterhalt frei verdienen können. Das ist
nicht ein Recht, möglichst viel Geld zu verdienen. Es ist das Recht, sich selbst um
seine Existenz sorgen zu können. Die Maßnahmen jetzt werden die Existenzen von
hunderttausenden Menschen zerstören. Wenn man, wie Beamte, ein gesichertes
Einkommen hat, tut man sich leicht zu sagen: Das muss man jetzt eben einmal
durchhalten. Ich wünsche mir, dass die, die über Maßnahmen entscheiden, an
diejenigen denken, die ihre Jobs verlieren können.

Welches Grundrecht ist durch das Kontaktverbot eingeschränkt?

Die Freiheit der Person, die Bewegungsfreiheit, das Recht auf Kommunikation. Die
Demokratie lebt von der Überwindung der sozialen Distanz. Jetzt verordnen wir die
soziale Distanz. Dies geschieht mit einer Rigorosität, die ich für gefährlich halte.
Was wir brauchen, ist nicht noch mehr Härte beim Lockdown, sondern mehr
Differenzierung. Das Recht auf Leben ist ein Hauptgrundrecht – natürlich. Aber die
Mittel, um dieses Recht zu sichern, müssen geeignet, angemessen und erforderlich
sein. Es geht um Maß und Verhältnismäßigkeit. Jetzt erleben wir, wie Politiker mit
harten Maßnahmen punkten wollen, wie ein Politiker den anderen überbieten will,
mit einem noch härteren Lockdown, noch härteren Maßnahmen. Die Grundrechte
verpflichten: Sie verpflichten, nicht generalisierend und pauschalisierend
vorzugehen, sondern differenziert. Demokratie heißt nicht, alles über einen Kamm
zu scheren.

Heribert Prantl: „Ich hoffe, dass die Gesellschaft


aufwacht“
https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/heribert-prantl-ich-hoffe-dass-
die-gesellschaft-aufwacht-li.136339

Der frühere Politik-Chef der Süddeutschen Zeitung und Jurist sagt: Das
Grundgesetz steht nicht unter Pandemie-Vorbehalt.

Michael Maier, 30.1.2021 - 17:27 Uhr

Heribert Prantl

Berliner Zeitung: Herr Prantl, Sie haben neulich in einer Talk-Show gesagt, dass
Sie in den 33 Jahren Ihrer Tätigkeit als Journalist noch nie so viel Angst gehabt
hätten. Wovor haben Sie Angst?

Heribert Prantl: Ich habe nicht Angst um mich. Ich habe Angst um unsere
Grundrechte. Ich bin besorgt. Die Grundrechte sind das Schönste und Beste und
Wichtigste, was wir in unserem Staat haben. Ich habe das Gefühl, dass sie in der
Pandemie kleingemacht oder bisweilen beiseitegeschoben werden. Ich habe die
Sorge, dass wir die Grundrechte opfern, um so vermeintlich der Pandemie Herr zu
werden. Das Wesen der Grundrechte ist jedoch, dass sie gerade in einer Krise
gelten müssen. Deswegen heißen sie Grundrechte. Sie sind die Leuchttürme, die in
der Demokratie leuchten. Es ist fatal zu glauben, man könne sie ja eine Zeit lang
geringer leuchten lassen. Diese Haltung erscheint mir aber dominant, wenn ich die
aktuelle Politik betrachte. Ich hätte mir nie vorstellen können, dass wir so intensive
Beschränkungen unserer Freiheit erleben werden. Hans-Jürgen Papier, der frühere
Präsident des Bundesverfassungsgerichts sagte in diesen Tagen, er habe sich nie
vorstellen können, dass derart intensive Freiheitsbeschränkungen von der zweiten
Gewalt, der Exekutive, beschlossen werden. Er hat darauf hingewiesen, dass
Entscheidungen über Grundrechte eine breite gesellschaftliche und demokratische
Basis brauchen. Aktuell ist die Politik dominiert von Naturwissenschaftlern und
Virologen. Das geht nicht. Die Regierung muss Verfassungsrechtler, Pädagogen,
Soziologen, Ökonomen und Kinderärzte anhören. Die Grundrechte sind kein
Larifari. In einem demokratischen Rechtsstaat steckt die Kraft der Hoffnung in den
Grundrechten – auch und gerade in Krisenzeiten. Weil die Corona-Politik die
Grundrechte zu wenig achtet, ist die Hoffnung auf bessere Zeiten nicht so groß, wie
sie sein könnte.

Ganz neu ist die Einschränkung der Grundrechte nicht. Wir haben das etwa in der
Terror-Bekämpfung gesehen.

Die Einschränkung der Grundrechte ist nicht vom Himmel gefallen. Wir haben seit
der RAF- und Terror-Zeit Einschränkungen der Grundrechte. Auch damals wurde
gesagt, es handelt sich nur um vorübergehende Maßnahmen. Doch diese Gesetze
gelten fast komplett bis heute.

Welche Einschränkungen sind auf die Anti-Terror-Gesetze zurückzuführen?

Der Schutz des Post- und Fernmeldegeheimnis, also der Artikel 10 Grundgesetz
wurde durchlöchert, Lauschangriffe eingeführt, der Schutz der Unverletzlichkeit
der Wohnung durch Wanzen verletzt, das V-Mann-Unwesen wurde ausgebaut, der
Kronzeuge eingeführt. Nach 9/11 hat sich dieser Prozess fortgesetzt. Man hat mit
„Zeitgesetzen“ gearbeitet, hat also gesagt: Die Einschränkungen gelten nur für eine
bestimmte Zeit. Und dann wurden die Einschränkungen verlängert und verlängert
und verlängert. Das befürchte ich auch jetzt: Dass die Einschränkungen zur
Normalität werden. Die Einschränkungen können auch als Blaupause verwendet
werden, für das nächste Virus, für den nächsten Katastrophenfall. Doch das
Grundgesetz steht nicht unter Pandemievorbehalt.

Vielfach wissen die Leute gar nicht mehr, was ein Grundrecht ist. Welche
Grundrechte wurden denn in der Pandemie eingeschränkt?

Es gibt eher harmlose Grundrechtsbeschränkungen wie den Mund-Nasen-Schutz.


Der ist zwar unbequem, aber kann und muss toleriert werden. Problematisch sind
Kontaktverbote, bei denen uns der Staat plötzlich sagt, welche und wie viele
Menschen wir wo treffen dürfen. Wir haben Ausgangssperren. Wir haben
Einschränkungen der Gewerbefreiheit, die existenzgefährdend sind, für Gaststätten,
Künstler, Friseure. Mir wird manchmal gesagt: Prantl, haben Sie sich nicht so, dann
können Sie halt am Wochenende einmal nicht in die Alpen fahren. Doch darum
geht es nicht. Es gibt das Grundrecht, mit anderen Menschen Kontakt zu pflegen.
Das ist die Basis für Demokratie. Es gibt das Grundrecht, sich frei zu bewegen. Es
gibt das Grundrecht, sich seinen Lebensunterhalt frei verdienen können. Das ist
nicht ein Recht, möglichst viel Geld zu verdienen. Es ist das Recht, sich selbst um
seine Existenz sorgen zu können. Die Maßnahmen jetzt werden die Existenzen von
hunderttausenden Menschen zerstören. Wenn man, wie Beamte, ein gesichertes
Einkommen hat, tut man sich leicht zu sagen: Das muss man jetzt eben einmal
durchhalten. Ich wünsche mir, dass die, die über Maßnahmen entscheiden, an
diejenigen denken, die ihre Jobs verlieren können.

Welches Grundrecht ist durch das Kontaktverbot eingeschränkt?

Die Freiheit der Person, die Bewegungsfreiheit, das Recht auf Kommunikation. Die
Demokratie lebt von der Überwindung der sozialen Distanz. Jetzt verordnen wir die
soziale Distanz. Dies geschieht mit einer Rigorosität, die ich für gefährlich halte.
Was wir brauchen, ist nicht noch mehr Härte beim Lockdown, sondern mehr
Differenzierung. Das Recht auf Leben ist ein Hauptgrundrecht – natürlich. Aber die
Mittel, um dieses Recht zu sichern, müssen geeignet, angemessen und erforderlich
sein. Es geht um Maß und Verhältnismäßigkeit. Jetzt erleben wir, wie Politiker mit
harten Maßnahmen punkten wollen, wie ein Politiker den anderen überbieten will,
mit einem noch härteren Lockdown, noch härteren Maßnahmen. Die Grundrechte
verpflichten: Sie verpflichten, nicht generalisierend und pauschalisierend
vorzugehen, sondern differenziert. Demokratie heißt nicht, alles über einen Kamm
zu scheren.

Heribert Prantl: „Ich hoffe, dass die Gesellschaft


aufwacht“

https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/heribert-prantl-ich-hoffe-dass-
die-gesellschaft-aufwacht-li.136339
Der frühere Politik-Chef der Süddeutschen Zeitung und Jurist sagt: Das
Grundgesetz steht nicht unter Pandemie-Vorbehalt.

Michael Maier, 30.1.2021 - 17:27 Uhr

Heribert Prantl

Berliner Zeitung: Herr Prantl, Sie haben neulich in einer Talk-Show gesagt, dass
Sie in den 33 Jahren Ihrer Tätigkeit als Journalist noch nie so viel Angst gehabt
hätten. Wovor haben Sie Angst?

Heribert Prantl: Ich habe nicht Angst um mich. Ich habe Angst um unsere
Grundrechte. Ich bin besorgt. Die Grundrechte sind das Schönste und Beste und
Wichtigste, was wir in unserem Staat haben. Ich habe das Gefühl, dass sie in der
Pandemie kleingemacht oder bisweilen beiseitegeschoben werden. Ich habe die
Sorge, dass wir die Grundrechte opfern, um so vermeintlich der Pandemie Herr zu
werden. Das Wesen der Grundrechte ist jedoch, dass sie gerade in einer Krise
gelten müssen. Deswegen heißen sie Grundrechte. Sie sind die Leuchttürme, die in
der Demokratie leuchten. Es ist fatal zu glauben, man könne sie ja eine Zeit lang
geringer leuchten lassen. Diese Haltung erscheint mir aber dominant, wenn ich die
aktuelle Politik betrachte. Ich hätte mir nie vorstellen können, dass wir so intensive
Beschränkungen unserer Freiheit erleben werden. Hans-Jürgen Papier, der frühere
Präsident des Bundesverfassungsgerichts sagte in diesen Tagen, er habe sich nie
vorstellen können, dass derart intensive Freiheitsbeschränkungen von der zweiten
Gewalt, der Exekutive, beschlossen werden. Er hat darauf hingewiesen, dass
Entscheidungen über Grundrechte eine breite gesellschaftliche und demokratische
Basis brauchen. Aktuell ist die Politik dominiert von Naturwissenschaftlern und
Virologen. Das geht nicht. Die Regierung muss Verfassungsrechtler, Pädagogen,
Soziologen, Ökonomen und Kinderärzte anhören. Die Grundrechte sind kein
Larifari. In einem demokratischen Rechtsstaat steckt die Kraft der Hoffnung in den
Grundrechten – auch und gerade in Krisenzeiten. Weil die Corona-Politik die
Grundrechte zu wenig achtet, ist die Hoffnung auf bessere Zeiten nicht so groß, wie
sie sein könnte.
Ganz neu ist die Einschränkung der Grundrechte nicht. Wir haben das etwa in der
Terror-Bekämpfung gesehen.

Die Einschränkung der Grundrechte ist nicht vom Himmel gefallen. Wir haben seit
der RAF- und Terror-Zeit Einschränkungen der Grundrechte. Auch damals wurde
gesagt, es handelt sich nur um vorübergehende Maßnahmen. Doch diese Gesetze
gelten fast komplett bis heute.

Welche Einschränkungen sind auf die Anti-Terror-Gesetze zurückzuführen?

Der Schutz des Post- und Fernmeldegeheimnis, also der Artikel 10 Grundgesetz
wurde durchlöchert, Lauschangriffe eingeführt, der Schutz der Unverletzlichkeit
der Wohnung durch Wanzen verletzt, das V-Mann-Unwesen wurde ausgebaut, der
Kronzeuge eingeführt. Nach 9/11 hat sich dieser Prozess fortgesetzt. Man hat mit
„Zeitgesetzen“ gearbeitet, hat also gesagt: Die Einschränkungen gelten nur für eine
bestimmte Zeit. Und dann wurden die Einschränkungen verlängert und verlängert
und verlängert. Das befürchte ich auch jetzt: Dass die Einschränkungen zur
Normalität werden. Die Einschränkungen können auch als Blaupause verwendet
werden, für das nächste Virus, für den nächsten Katastrophenfall. Doch das
Grundgesetz steht nicht unter Pandemievorbehalt.

Vielfach wissen die Leute gar nicht mehr, was ein Grundrecht ist. Welche
Grundrechte wurden denn in der Pandemie eingeschränkt?

Es gibt eher harmlose Grundrechtsbeschränkungen wie den Mund-Nasen-Schutz.


Der ist zwar unbequem, aber kann und muss toleriert werden. Problematisch sind
Kontaktverbote, bei denen uns der Staat plötzlich sagt, welche und wie viele
Menschen wir wo treffen dürfen. Wir haben Ausgangssperren. Wir haben
Einschränkungen der Gewerbefreiheit, die existenzgefährdend sind, für Gaststätten,
Künstler, Friseure. Mir wird manchmal gesagt: Prantl, haben Sie sich nicht so, dann
können Sie halt am Wochenende einmal nicht in die Alpen fahren. Doch darum
geht es nicht. Es gibt das Grundrecht, mit anderen Menschen Kontakt zu pflegen.
Das ist die Basis für Demokratie. Es gibt das Grundrecht, sich frei zu bewegen. Es
gibt das Grundrecht, sich seinen Lebensunterhalt frei verdienen können. Das ist
nicht ein Recht, möglichst viel Geld zu verdienen. Es ist das Recht, sich selbst um
seine Existenz sorgen zu können. Die Maßnahmen jetzt werden die Existenzen von
hunderttausenden Menschen zerstören. Wenn man, wie Beamte, ein gesichertes
Einkommen hat, tut man sich leicht zu sagen: Das muss man jetzt eben einmal
durchhalten. Ich wünsche mir, dass die, die über Maßnahmen entscheiden, an
diejenigen denken, die ihre Jobs verlieren können.

Welches Grundrecht ist durch das Kontaktverbot eingeschränkt?

Die Freiheit der Person, die Bewegungsfreiheit, das Recht auf Kommunikation. Die
Demokratie lebt von der Überwindung der sozialen Distanz. Jetzt verordnen wir die
soziale Distanz. Dies geschieht mit einer Rigorosität, die ich für gefährlich halte.
Was wir brauchen, ist nicht noch mehr Härte beim Lockdown, sondern mehr
Differenzierung. Das Recht auf Leben ist ein Hauptgrundrecht – natürlich. Aber die
Mittel, um dieses Recht zu sichern, müssen geeignet, angemessen und erforderlich
sein. Es geht um Maß und Verhältnismäßigkeit. Jetzt erleben wir, wie Politiker mit
harten Maßnahmen punkten wollen, wie ein Politiker den anderen überbieten will,
mit einem noch härteren Lockdown, noch härteren Maßnahmen. Die Grundrechte
verpflichten: Sie verpflichten, nicht generalisierend und pauschalisierend
vorzugehen, sondern differenziert. Demokratie heißt nicht, alles über einen Kamm
zu scheren.

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