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Das Gedankenexperiment ist in diesem Fall – anders als bei vielen späteren
Adaptionen des Begriffs – weder als fingiertes Experiment noch als Metapher zu
verstehen. Mach schreibt vor dem Hintergrund der deutschsprachigen Psycho-
logie und Physiologie der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die das geistige
Geschehen als Gegenstand einer Experimentalwissenschaft etabliert haben.' Durch
die experimentalpsychologischen und -physiologischen Untersuchungen bildete
sich ein empirisches Konzept der Psyche aus, zu dem Mach mit seiner Forschung
zu den Gesetzen der Empfindung und Assoziation nachhaltig beitrug.( Mit dem
Gedankenexperiment erweitert Mach den Geltungsbereich der Methode des
Experiments nun über die Wissenschaften hinaus, indem er sie als beispielhafte
& Vgl. Ernst Mach: »Über Gedankenexperimente«, in: Zeitschrift für den Physikalischen und Che-
mischen Unterricht 10 (1897), Nr. 1, S. 1–5, hier S. 1.
' Vgl. dazu Edwin G. Boring: A History of Experimental Psychology, New York, London 1935
und Théodule Ribot: La psychologie allemande contemporaine (École expérimentale), Paris 1879.
( Vgl. zu Assoziation Eckhard Lobsien: Kunst der Assoziation. Phänomenologie eines ästhetischen
Grundbegriffs vor und nach der Romantik, München 1999. Vgl. zu Machs Konzept des Gedanken-
experiments Karin Krauthausen: »Wirkliche Fiktionen. Das Gedankenexperiment in Wissen-
schaften und Literatur«, in: Michael Gamper (Hg.): Experiment und Literatur. Themen, Methoden,
Theorien – ein Kompendium, Göttingen 2010, S. 278–320 (im Druck).
) Ernst Mach: »Über den Einfluß zufälliger Umstände auf die Entwicklung von Erfindungen
und Entdeckungen« (1895), in: ders.: Populär-Wissenschaftliche Vorlesungen, Leipzig 1896, S. 275–
296, hier S. 294.
* Ebd.
+ Vgl. zum Begriff der Ökonomie der Gedanken (in späteren Schriften auch: Denkökonomie) Ernst
Mach: Die Mechanik in ihrer Entwickelung. Historisch-Kritisch dargestellt, Leipzig 1883, S. 452–466.
, Mach: »Über den Einfluß zufälliger Umstände auf die Entwicklung von Erfindungen und
Entdeckungen« (Anm. 4), S. 289.
- Vgl. ebd., S. 294: »Forscher und Künstler empfehlen die ausdauernde Arbeit.«
. Vgl. zu den technischen und materiellen Instrumenten des Denkens als Experimentieren bei
Mach Christoph Hoffmann: »Schreiben, um zu lesen. Listen, Klammern und Striche in Ernst
Machs Notizbüchern«, in: Davide Giuriato, Martin Stingelin und Sandro Zanetti (Hg.): »Schrei-
ben heißt: sich selber lesen«. Schreibszenen als Selbstlektüren, München 2008, S. 199–211. Vgl. zur
Methode der Variation Mach: »Über Gedankenexperimente« (Anm. 1), S. 3.
das methodisch provoziert werden kann (»Variation«); und zum Dritten bestimmt
er die Differenzen und Gemeinsamkeiten zwischen künstlerischen, wissenschaft-
lichen und anderen Entwurfsprozessen allein pragmatisch und nicht über meta-
physische oder anthropologische Kategorien. So sehr dieses Entwurfsmodell die
Disziplinengrenzen transzendiert, so sehr wird es zugleich an Materialitäten und
Praktiken zurückgebunden. Darin inspiriert Mach auch die Herangehensweise
der vorliegenden Publikation, die Entwurfsgeschehen aus Wissenschaften, Küns-
ten und Philosophie gleichberechtigt nebeneinanderstellt und nach den Verfahren
fragt, die in den einzelnen Beispielen zum Einsatz kommen.
Machs dezidierte Konzeptualisierung weist darauf hin, dass Begriff und
Bedeutung des Entwurfs nicht allein in den Künsten und der Kunstphilosophie,
sondern auch in den Wissenschaften und der Wissenschaftstheorie geprägt wor-
den sind, und dies insbesondere im späten 19. und im 20. Jahrhundert. In diesen
Wissensfeldern entfaltet sich dabei ein Verständnis des Entwurfs, für das im Fol-
genden drei Profilierungen vorgestellt werden: eine strukturbezogene (I.), eine
individualitätsbezogene (II.) und eine materialbezogene (III.).
In struktureller Hinsicht erscheint der Entwurf als paradigmatische Vermitt-
lungsform zwischen wissenschaftlichem Subjekt und wissenschaftlichem Objekt,
wie es der französische Epistemologe Gaston Bachelard 1934 in Le nouvel esprit
scientifique formuliert: Ȇber dem Subjekt und jenseits des unmittelbaren Objekts
gründet die Wissenschaft im Projekt. Im wissenschaftlichen Denken nimmt das
Denken des Objekts durch das Subjekt stets die Form des Projekts an.«&%
Bachelards Diktum ergeht vor dem Hintergrund der nicht-euklidischen
Geometrie des 19. und der modernen Physik des beginnenden 20. Jahrhunderts
sowie unter Bezug auf Experimentalpraktiken. Der Entwurf (»Projekt«) charakte-
risiert hier den eigentlichen Modus jener Wissenschaften, deren Gegenstand eben
nicht eine unmittelbare Wirklichkeit ist, sondern »wissenschaftliche Wirklichkeit«
(»le réel scientifique«).&& Das Neue an der nicht-euklidischen Mathematik wie der
modernen Physik eröffnet sich nach Bachelard daher nur in einer »nichtcartesi-
sche[n] Epistemologie«,&' die an die Stelle einer Dialektik von Rationalismus und
Realismus deren Verschränkung setzt. In diesem Verständnis arbeiten die Wissen-
schaftler an der buchstäblichen Realisierung von »rationale[n] Gebilde[n]«.&( Die
Realisierung geschieht als Korrekturarbeit an den Entwürfen und insbesondere
im Experiment. Man muss »die Phänomene sortieren, filtrieren, reinigen, in die
Gußform der Instrumente gießen; ja, sie werden auf der Ebene der Instrumente
&% Gaston Bachelard: Der neue wissenschaftliche Geist, Frankfurt a.M. 1988, S. 7–23, hier S. 17.
Bachelard spricht nicht von »Denken«, sondern umfassender von »médiation«. Vgl. Gaston
Bachelard: Le nouvel esprit scientifique, Paris 1934, S. 11.
&& Bachelard: Der neue wissenschaftliche Geist (Anm. 10), S. 11. Frz. Ausgabe (Anm. 10), S. 5.
&' Bachelard: Der neue wissenschaftliche Geist (Anm. 10), S. 13.
&( Ebd., S. 19.
&%
'% Ludwik Fleck: Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache. Einführung in die
Lehre vom Denkstil und vom Denkkollektiv (1935), Frankfurt a.M. 1980, S. 126.
'& Rheinberger: Experimentalsysteme und epistemische Dinge (Anm. 16), S. 24.
'' Vgl. ebd., S. 93, und (zu »tacit knowing«) Michael Polanyi: The Tacit Dimension, Gloucester
Mass. 1983.
'( Rheinberger: Experimentalsysteme und epistemische Dinge (Anm. 16), S. 93.
') Ebd.
'* Ebd., S. 22.
'+ Ebd., S. 20.
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