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1 Zu weiteren deutschsprachigen Handschriften vgl. auch den Beitrag von DARIA BAROW-VAS-
SILEVITCH und TATJANA DOLGODROVA in diesem Band sowie die Einträge im Handschriftencensus
(http://www.handschriftencensus.de).
2 Russland: CATHERINE SQUIRES [interne Korrektur 27.6.2011]
Kulturbesitz durchgeführt wurde.2 In Kürze wird dazu ein gedruckter Katalog aller
Handschriften der RGB in lateinischer Schrift vorliegen, der auch Beschreibungen
der deutschsprachigen Handschriften enthalten wird. Im Internet sind diese Be-
schreibungen bereits jetzt zugänglich über das Portal ‘Manuscripta mediaevalia’
(http://www.manuscripta-mediaevalia.de/). Aus diesem Grund wird hier nur eine
kurze Übersicht über die deutschsprachigen Handschriften dieser Institution ge-
boten – quasi eine kurze Vorschau auf den in Vorbereitung befindlichen Katalog
von BAROW-VASSILEVITCH/HECKMANN.3
Die Handschriftensammlung der RGB geht zurück auf die Sammlungen des
Grafen Rumjanzev (1754-1826) und der Moskauer Universität. Die Sammlung des
Grafen N. P. Rumjanzev, eines prominenten Petersburger Staatsmannes, Wissen-
schaftlers und Sammlers, bildete in der Mitte des 19. Jahrhunderts den Kern des
Rumjanzev-Museums im Paschkov-Haus in Moskau. Später kamen mehrere pri-
vate Sammlungen und Einzelstücke (z. B. aus dem Besitz des Bildungsministers
A. S. Norov, des Justizministers P. N. Panin, aus anderen Adelsbibliotheken und
von weiteren Sammlern) sowie sonstige institutionelle Bestände hinzu. So wurde
beispielsweise die unten erwähnte Bibliothek des Generalstabs nach 1917 von
der RGB übernommen. Die im Folgenden verzeichneten Handschriften zeigen
die Akkumulierung von Handschriften durch private Schenkungen des 19. Jahr-
hunderts, durch die Aufnahme von Materialien staatlicher Institutionen und – seit
1948 – durch die ‘Eilzugänge’ der Nachkriegszeit (s. zum Fonds 218: SCHIEWER/
SCHIEWER [2000]).
Der jetzt erfolgten Gesamterfassung des deutschsprachigen Handschriften-
bestands in der RGB waren kleinere deutsche Publikationen vorausgegangen (z. B.
SCHIEWER/SCHIEWER [2000]). Anhand der Materialien des DFG-Projekts und in
Anlehnung an die eben genannte Publikation werden nun die deutschsprachigen
Handschriften bis 1500 vorgestellt. Ergänzend herangezogen wurden eigene Be-
obachtungen und Information aus zwei kürzlich erschienenen kunsthistorischen
Publikationen, in denen auch deutschsprachige Stücke behandelt werden (MOKRE-
TSOVA/SCHEGOLEVA [2010] und ZOLOTOVA [2010b]).
Deutsche Handschriften aus der Zeit vor 1500 befinden sich in den Fonds 68,
183, 218, 722 und 755; es handelt sich vor allem um (A) religiöse Handschriften
und um (B) juristische Texte. Interessante Ergänzungen von Seiten der kunsthistori-
schen Forschung betreffen erwartungsgemäß die illustrierten (religiösen) Texte.
A. Religiöse Handschriften
(erbauliche, wissenschaftliche und kirchlich-administrative Texte)
2 Eine Projektbeschreibung ist einzusehen auf der Website der Staatsbibliothek zu Berlin Preu-
ßischer Kulturbesitz (http://staatsbibliothek-berlin.de/).
3 Die Verfasserin dankt Frau Dr. Barow-Vassilevitch herzlich für die freundliche Hilfe und die
wertvollen Auskünfte. In dieser Übersicht sind Materialien des DFG-Projekts verwendet wor-
den, die die Autorinnen, Daria Barow-Vassilevitch und Marie-Luise Heckmann, der Verfasserin
für diesen Zweck großzügig anvertraut haben.
Russland: CATHERINE SQUIRES [interne Korrektur 27.6.2011] 3
– Puschkin Museum für Bildende Kunst (GMII), Inv. 19297, 19308, 19298
[= ehem. Bl. 10, 12, 14]
– Sammlung I. G. Sanovitsch [= ehem. Bl. 1, 3-5, 7-9, 11, 13]
– Sammlung V. N. Larionovs [= ehem. Bl. 6]
Papier · 1. Hälfte 14. Jh. (MOKRETSOVA [2010]) bzw. 15. Jh. (ZOLOTOVA [2010b]) bzw.
2. Hälfte 15. Jh. (SCHIEWER/SCHIEWER [2000]) · Südwestdeutschland · deutsch
Zuordnung: MOKRETSOVA vermutet “(Rheinland ?)”; SCHIEWER/SCHIEWER verzeich-
nen das Fragment unter den norddeutschen Handschriften aus Moskau; sie kannten
damals nur das Einzelblatt aus der RGB und bezeichneten es als “‘Das Abendessen
Christi’ (Fragmente über das Sakrament des heiligen Abendmahls)”; vgl. Bl. 2r
mit einer Darstellung des Abendmahls und Bl. 2v: ‘Himmelsbrot’.
SCHIEWER/SCHIEWER [2000], S. 491 (Nr. 11); MOKRETSOVA [2010], S. 79f.
(Nr. 21); ZOLOTOVA [2010b], S. 266-269 (Nr. 134).
Der Fall des ‘Speculum’-Fragments zeigt, dass auf dem langen Wege zwischen der Auslagerung in
Deutschland und der Übergabe an staatliche Sammlungen aus privaten Händen in den 1960er Jah-
ren (oder später) die Stücke mit fremdem Gut vermischt oder auch geteilt werden konnten und die
einzelnen Teile dann später an verschiedenen Standorten auftauchen können.4
4 So wurden beispielsweise bei der Systematisierung und Beschreibung der aus dem Halberstädter
Domgymnasium stammenden Materialien der heutigen ‘Dokumentensammlung Gustav Schmidt’
(UB Moskau, s. u.) elf Urkunden als der Sammlung fremde, zufällig aus dem Bremer Archiv da-
zugekommene Schriftstücke identifiziert (SQUIRES [2010a], S. 245f. und Anm. 11; auf Russisch s.
auch SQUIRES/GANINA [2008], S. 20). Bei der Erfassung von kriegsbedingt verschlepptem Hand-
schriftengut ist die Feststellung der ursprünglichen Zugehörigkeit der zu beschreibenden Stücke
ein typisches Problem, mit dem wir auch bei der Erforschung der Halberstädter Materialien zu
kämpfen hatten, s. SQUIRES/GANINA [2008], S. 18-22.
6 Russland: CATHERINE SQUIRES [interne Korrektur 27.6.2011]
5 Mein herzlicher Dank gilt den Mitarbeitern des Archivs für ältere Akten (RGADA). Die Mög-
lichkeit, die hansischen Quellen zur Beziehungen der Hanse mit Gross Novgorod zu erfassen
und zu veröffentlichen (u. a. in: SQUIRES/FERDINAND [2002]; SQUIRES [2009a]), verdanke ich der
damals (d. h. im Jahr 2000) wohl mutigen Entscheidung des Archivdirektors Herrn Dr. M. P.
Lukitschev. Bei den Archivrecherchen stand mir Herr Jevgenij Rytschalovskij, Mitarbeiter des
Archivs, mit seinen vielseitigen Kenntnissen und seiner freundlichen Unterstützung und Hilfsbe-
reitschaft jederzeit zur Seite; auch bei den Arbeiten an diesem Beitrag konnte ich mich auf seine
wertvollen Auskünfte und Hinweise stützen. Ihm gilt daher mein ganz besonderer Dank.
Russland: CATHERINE SQUIRES [interne Korrektur 27.6.2011] 7
Lateinisches Lemma jeweils rot: Aue, Maria, gratia, plena, benedicta, tu, in mu-
lieribus usw. Textprobe zu fructus: Ein frucht von dynem libe quam / Das ist des
waren gotis lamp / Das vns von allen svnden nam. / Das lamp heysset Jhesus ...
Bl. 223v-226r ‘Der Bauern Lob’ (‘Der Ackermann’):
Der ackerman. / Swyget vnd nemet in uwer synne/ Der warheit wil ich beginnen. /
Got hat geschaffen mancherley geschlecht / herrn graffen ritter vnd knecht ... – ...
Got gebe dem gebure vnd siner frawen / Ein seligen guten tag / Vnd vns allen mit
erynander. / Gebent mir drincken ich muß furbaz wanden. / Ach wie fro ich was /
Do ich Schreyb deo gratias
Die Handschrift ist 1450-1456 vom Mönch Siegfrid Schlundlin im Benedikti-
nerkloster Amorbach geschrieben worden und befand sich dort bis zum 19. Jahr-
hundert; anschließend gelangte sie in deutschen Privatbesitz (Exlibris mit dem
Namen Fröhlich); 1865 kam der Kodex in den Besitz des MGAMID (Moskauer
Hauptarchiv des Außenministeriums) und später in das 1914 gegründete Archiv
RGADA (damals und bis 1991 ZGADA).6
SCHIEWER/SCHIEWER [1999], S. 245-249; MOKRETSOVA [2010], S. 68f. (Nr. 9; mit
Abb.); ZOLOTOVA [2010b], S. 242-245 (Nr. 122; mit Abb.).
Nr. 14: Theologische Sammelhandschrift, lat.-dt.
RGADA, Fonds 181, Verz. 15, Nr. 1357
15. Jh. (1468: Faszikel 4, Bl. 203v) · Bayern (Amorbach im Odenwald) · deutsch
und lat.
Bl. 139r-162r Freidank (BEZZENBERGER Nr. 34; GRIMM h), dt. Verse mit jeweils
vorangestelltem lat. Text
Inepto nomen opi discretio donat / Virtutes alias quam su(m)ma laude coronat /
Ich binß genant die bescheydenheyt / Die aller tugent krone treyt / (Bl. 139r) Wer
zweyen herren dynen will / Der darff guttes gluckes vil ...
Bl. 162v-165r ‘Rat der Vögel’ (‘Vogelparlament’)
Textproben: (Bl. 162v): Der falcke. / mit krafft deynen feynden widerstant / So
machs du fryd vber alle landt / Vnd schone herre deynes armen dyett / Das sy
grossen schaden leyden nitt (Bl. 163v): Dye nachtigal / Ernst und Schemde saltu
han Zu rechter zeyt vnmuße lan Demutigkeyt dye habe lyp Hoffart solt du volgen
mit / Wan sy machen manchen man / Das er sich nicht selbß erkennen kan
Bl.166r-203v Frowin von Krakau: ‘Antigameratus’, lat.-dt.
SCHIEWER/SCHIEWER [1999], S. 249-252.
Die beiden letztgenannten Handschriften, Nr. 1354 und Nr. 1357 aus dem Fonds 181 (Verz. 15), ge-
hören zu den in Deutschland als Amorbacher Handschriften bekannten Stücken, die schon seit dem
19. Jahrhundert das Interesse der Forscher erweckt haben. Die Benediktinerabtei Amorbach wurde
1802 aufgehoben. Die Buchbestände gingen in den Besitz der Fürsten zu Leiningen über, die schon
1816 mit der Versteigerung der Bücher begannen. Als die Bibliothek 1851 veräußert wurde, müssen
6 Zur Geschichte des Fonds 181 und der ihm vorangehenden Sammlungen vgl. bereits SCHIEWER/
SCHIEWER [1999] S. 240f.
8 Russland: CATHERINE SQUIRES [interne Korrektur 27.6.2011]
die beiden Amorbacher Handschriften jedoch bereits verkauft gewesen sein, vgl. dazu die Notiz des
Sammlers Fröhlich: “Diesen Codex erkaufte ich noch vor der allgemeinen Veräußerung der Biblio-
thek, gleichfalls im Jahr 1851, durch Vermittlung des Archivdirectors Mone in Carlsruhe, welcher
dieselbe von Amorbach entlehnt hatte.”7 Die Geschichte der beiden Handschriften in den russischen
Archiven reicht also bereits bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurück.
7 Zitiert nach: SCHIEWER/SCHIEWER [1999], S. 244; dort auch eine ausführliche Schilderung des
Verkaufs.
Russland: CATHERINE SQUIRES [interne Korrektur 27.6.2011] 9
8 Ihre schöne Perlschrift und die kostbare Illuminierung sind mehrmals in Veröffentlichungen von
I. P. MOKRETZOVA beschrieben und abgebildet worden, s. z. B. MOKRETSOVA/SCHEGOLEVA [2010].
9 Zur Geschichte des griechischen Bestands s. FONKITSCH [2006].
10 Dazu FONKITSCH [2006], S. 10f.; P. P. Dubrowskij hatte um 1800 mehrere kostbare Schriften in
Frankreich erworben, die 1805 in die Sammlung des Zaren Alexanders I. und der Ermitage auf-
genommen wurden. Zu den durch Dubrowskij erworbenen Beständen der heutigen Russischen
Nationalbibliothek in Sankt Petersburg s. KISELEVA [2004], S. 65-68.
11 Zum Beitrag der deutschen Wissenschaftler und Professoren am Aufbau und Leben der Kaiser-
lichen Moskauer Universität seit ihrer Gründung s. PETROV [1997].
12 Eine Handschrift des Hamburger Stadtrechts aus dem frühen 17. Jahrhundert ist beispielsweise
(laut einem Vermerk auf der inneren Seite des Vorderdeckels) im 19. Jahrhundert aus Königsberg
10 Russland: CATHERINE SQUIRES [interne Korrektur 27.6.2011]
gekommen.
13 In Publikationen zur Geschichte der Universität Moskau werden meistens Druckfragmente (Do-
nat-Inkunabeln und die Gutenberg-Bibel) erwähnt (s. LETOPIS’ [1979], S. 74; SOROKIN [1980],
S. 74f.); unter den Schenkungen befand sich aber auch eine Donat-Handschrift und anderes
Schriftgut. Fischer von Waldheim, der 1853 gestorben ist, wurde in Moskau beigesetzt; ausführ-
licher zu seinem Leben und Werk s. PETROV [1997], S. 103-112.
14 Von den mittelalterlichen Materialen der Sammlung erwiesen sich 62 Stücke als der Wissen-
schaft noch unbekannt, s. SQUIRES [2008b].
15 Vgl. eine erste Übersicht bei SKVAIRS [2004] sowie GANINA/SQUIRES [2010] zum Mechthild-
Fund.
16 Die in Moskau befindliche Sammlung ist nicht mit dem privaten (und auch als Kriegsverlust
geltenden) Nachlass des Halberstädter Gymnasialdirektors Gustav Schmidt identisch. – Den
Namen ‘Gustav Schmidt’ erhielt die Sammlung bei ihrer Systematisierung und Beschreibung
in der Moskauer Universitätsbibliothek in Anerkennung seiner Rolle und seines Beitrags zur
Erforschung der Handschriften des Halberstädter Domgymnasiums.
17 SQUIRES/GANINA [2004].
18 Der Katalog ist in Moskau in kyrillischer Schrift erschienen: SQUIRES/GANINA [2008b], S. 27-128.
Eine deutsche Fassung ist in Vorbereitung.
19 Die Fotokopien aus dem Lübecker Archiv bildeten ursprünglich keine einheitliche Sammlung;
es handelt sich vielmehr um Akten unterschiedlicher Provenienz (neben Lübecker Dokumenten
finden sich auch mehrere aus anderen Archiven und zu verschiedenen Gelegenheiten in den frü-
Russland: CATHERINE SQUIRES [interne Korrektur 27.6.2011] 11
hen Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts für Lübeck kopierte Materialien). Eine Systematisierung
des Fotoarchivs ist abgeschlossen und eine Beschreibung ist in Vorbereitung.
12 Russland: CATHERINE SQUIRES [interne Korrektur 27.6.2011]
21 Im Katalog von 2008 ist das erst 2009 identifizierte Mechthild-Bruchstück noch als “Geistliches
Fragment” bezeichnet.
14 Russland: CATHERINE SQUIRES [interne Korrektur 27.6.2011]
“o. Rückgabe”). Letzter bekannter Standort: Lübeck, Archiv der Hansestadt, Hs.
734.
Beschreibung (der Handschrift): KORLÉN [1945], S. 136.
Textabdruck: LUB, Bd.1, Nr. IV A, (S. 5); HACH [1839], S. 229ff.
Abbildung (der Fotokopie): SQUIRES [2009b], S. 229 (Abb. 7).
22 Für die freundlichen Auskünfte sei dem Leiter der Abteilung OPI GIM, Andrej Janovskij herz-
lich gedankt.
Russland: CATHERINE SQUIRES [interne Korrektur 27.6.2011] 15
sierung der illustrierten westeuropäischen Handschriften in der OPI des GIM auf
Fragmente einer in deutscher Sprache verfassten allegorischen Beschreibung des
Schachspiels gestoßen. Der Fund ist 2010 veröffentlicht und in den Katalog der
westeuropäischen illustrierten Handschriften aufgenommen worden (ZOLOTOVA
[2010b]).23
Nr. 35: Jacobus de Cessolis: ‘Schachzabelbuch’
GIM OPI, Fond 70, Nr. 1
15. Jh. (ZOLOLOTOVA, SQUIRES) · Süddeutschland · deutsch
8 Papierfragmente mit Illustrationen zu den Schachfiguren, aus einer Schachzabel-
Handschrift ausgeschnitten (mit kleinen auf der Vorder- bzw. Rückseite stehenge-
bliebenen Textteilen) und in ein sogenanntes Album Amicorum eingeklebt. Die Zeit
der Entstehung des Albums ist den Inschriften auf dem Einband zu entnehmen.
Auf dem Vorderdeckel steht: BARBARA DE STOPPELLAER, auf dem hinteren
Deckel POUR PARVENIR J’EN DURE und GEORGE JACOB 1625. Das Albums
dürfte also um 1625 entstanden sein (ZOLOTOVA [2010a], S. 9). Die Fragmente aus
dem ‘Schachzabelbuch’ sind allerdings älter.
Von dem Werk ‘De ludo scacchorum’ des Jacobus des Cessolis existieren mehrere deutsche
Übersetzungen. Die älteste Reimfassung stammt von dem schwäbischen Dominikaner Konrad von
Ammenhausen (1337), drei weitere Prosafassungen sind anonym überliefert. ZOLOTOVA [2010b]
konnte nachweisen, dass die Fragmente aus dem GIM den gleichen Text enthalten wie eine Hand-
schrift in der Heidelberger Universitätsbibliothek (Cod. Pal. Germ. 463), die der zweiten Prosafas-
sung zugerechnet wird (ZOLOTOVA [2010a], S. 11f.).
In ihrer Publikation zu diesem Neufund (ZOLOTOVA [2010a]) konzentriert sich die Autorin auf
die kunsthistorische Beschreibung der Illustrationen und auf das Äußere der Handschrift, deren Ent-
stehung sie anhand der Bilder in das 15. Jahrhundert setzt. Zum Textbestand und zur Sprache lassen
sich noch kleine Ergänzungen anbringen:
Die Textentsprechungen sind:
Bl. 85 (Überschrift): Cpg 463, Bl. 1r
Bl. 87 (Ritter): Cpg 463, Bl. 19r
Bl. 91 (die Alten): Cpg 463, Bl. 15 r-v
Bl. 99 (siebter Bauer, mhd. vende): Cpg 463, Bl. 57r
Bl. 91 (vierter Bauer): Cpg 463, Bl. 45v
Bl. 95 (achter Bauer): Cpg 463, Bl. 60v
Bl. 93 (zweiter Bauer): Cpg 463, Bl. 37r
Bl. 97 (sechster Bauer): Cpg 463, Bl. 54r
Daneben finden sich aber auch Abweichungen im Text. So fehlt im Cpg 463 die Überschrift Schach-
zabel ist das puch genant vnd hebt sich hie an. Eine ähnliche Überschrift findet sich in einer Hand-
schrift der Österreichischen Nationalbibliothek: Hie hebt sich an das schachzabel spil....24 – Im
Textabschnitt über den vierten Bauer ist der Schluss des vorangehenden Textteils stehengeblieben;
23 Die Autorin hat die Informationen aus ihrem Katalog freundlicherweise für diesen Beitrag zur
Verfügung gestellt. Ihr gilt dafür mein herzlicher Dank.
24 Wien, ÖNB, Cod. 2801; zitiert nach HERMANN MENHARDT, Verzeichnis der altdeutschen litera-
rischen Handschriften der Österreichischen Nationalbibliothek, Bd. 1 (Veröffentlichungen des
Instituts für deutsche Sprache und Literatur 13), Berlin 1960, S. 313f.
16 Russland: CATHERINE SQUIRES [interne Korrektur 27.6.2011]
dieses Textende (…si ein weib was) findet sich nicht im Heidelberger Cpg 463 und deutet auf weitere
Textunterschiede.
Neben kleineren grammatisch-syntaktischen Varianten (wie sein rechte hant GIM OPI – die
rechte hand Cpg 463), lassen sich im erhaltenen Text ansonsten nur kleine Abweichungen beobach-
ten, die meistens die Wortstellung betreffen:
GIM OPI: vnd der sol also gestalt sein er sol in der/
Cpg 463: der sol sin also gestalt er sol haben in der...
Anfang (Bl. 85): // Schachzabel ist das puch genant vnd hebt sich hie an. Ich bruder / Iacob von /
Cassalis bin über / wunden von / der bruder / weltlicher studenten // (im Bild rechts Darstellung
eines Mönchs, der mit seinem Zeigerfinger zu einem Buch in seiner linken Hand zeigt).
Ende (Bl. 91): Der sibend fend sol / sten zu der lencken seiten des Ritters vnd er sol sein ein man
der//
Die durchgeführte Diphthongierung u>au (auff) und ī >ei-, ai-Schreibung (laid, sein, weib, seiten)
zusammen mit der Form des Zahlworts achtende (vgl. KLUGE [1967], S. 6, in Anlehnung an H.-FR.
ROSENFELD: XV.-XVI. Jh.) würde die Datierung ins 15. Jahrhundert stützen. Phonetische Züge wie
die durchgeführte Konsonantenverschiebung b>p (puch), d>t (betewtet) und Diphthongvarianten
ie/iu>ew (frewd) und ai (laid) könnten in den Süden deuten. Die ausgeschnittenen Handschriften-
fragmente sind also viel älter als das Album; und sie stammen auch sicher nicht aus der Sprachland-
schaft, die der holländisch-flämische Name der Album-Empfängerin nahelegt.
Dieser Einzelfund ragt thematisch und handschriftenhistorisch aus den deutschen Handschriften-
beständen dieser Institution heraus und zeigt, dass auch in solchen privaten Sammlungen des GIM
interessante Entdeckungen möglich sind.
weitere Informationen in Kürze der gedruckte Katalog zur Verfügung stehen wird.25 Als Grundlage
für die Datierung sind im Katalog Charakteristika des Papiers und der Wasserzeichen wie auch der
Inhalt der Handschriften und im Text vorkommende Jahresangaben benutzt worden. Besonderheiten
der Schrift und der Sprache wurden nicht für die Datierung herangezogen.
25 Für freundliche Unterstützung und Hilfe danke ich ganz herzlich der Leiterin der Rara-Abtei-
lung Dr. Tatjana Oparina und dem Direktor der Bibliothek Herrn Dr. Michail Afanasjev. Für
die großzügige Verfügungstellung der letzten Korrekturen seines Katalogs und für freundliche
Auskünfte und Hilfe bin ich Herrn Nikolaj Zelenjak-Kudrejko sehr zu Dank verpflichtet. Die
Beschreibungen wiederholen hier in gekürzter Form die Angaben des Katalogs bzw. sind ihm
entnommen. Als ‘Anmerkung’ hat die Verfasserin eigene Ergänzungen und Beobachtungen an-
gefügt.
26 EMIL STEFFENHAGEN, Catalogus codicum manuscriptorum bibliothecae Regiae et Universitatis Re-
gimontanae, Bd. I, Königsberg 1861 (Nachdruck Hildesheim/New York 1975), S. 70 (Nr. 158).
18 Russland: CATHERINE SQUIRES [interne Korrektur 27.6.2011]
alte Cölmische Recht von 1584) und einer lateinischen Handschrift (Jus Culmense;
Bl. 1-91).
Bl. 92-177 Das erste buch Culmischen rechtens und die übrigen 4 Bücher in der
redigierten Fassung und Übersetzung von Michael Teubner aus dem späten 16.
Jahrhundert;
Bl. 178-190 Constitutiones civitatis Torunensis. Reformation und Ordnung der
Heiligen Königlichen Mayestet Sigismundi des Eltern, zwischen dem Rathe, und
der gantzen gemeine zu Thorn gemacht ... 1523;
Bl. 191-200 Concordia, das ist Die Voreinigung ... zwischen erbarn Rathe, und
einer erbaren gemeine der Königlichen Stadt Thorn, 1553;
Bl. 201-236 Der Königlichen Stadt Thorn Willkhore, 1591 [!];
Bl. 237-271 Formular Buch auff den Process und andere notwendige Schrifften,
zu den rechtssachen dienstlich,...durch Michael Teubnern... zusammen gezogen
anno 1571.
Anmerkung: Die Datierung 1591 bei der ‘Willkür der Stadt Thorn’ steht im Widerspruch zur Jahres-
zahl 1584 auf dem Einband und zur 1584 datierten Schenkungsnotiz des Engländers John Herbert
an Symon Seidler in Thorn.
Textprobe (Bl. 92): Das erste buch Culmischen rechtens. De Senatoribus. Von Rathmanne und Bür-
germeister Khöre. Cap. 1. Do man die stadt Cůlmen zum ersten mit wissen vnd willen der herrschaft
besaßte, vnd ihnen gab Weichbilderecht, Do gab man ihnen selbst die recht nach ihrer eigenen
Willköre Als wurden sie zú rath, das sie Rathmanne vnd Schoppen Wehleten, die schwúren vnd
Schwe=ren noch alle iahr, wenn man sie kiset, oder Khörre helt ...
Literaturverzeichnis
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государственного университета имени М. В. Ломоносова. Каталог, Москва 2006.
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MOKRETSOVA/SCHEGOLEVA (2010) Catalogue of medieval West-European illuminated manuscripts
in Moscow collections / MOKRETSOVA INNA, LUDMILA SCHEGOLEVA. Editor: INNA MOKRETSOVA,
Moscow 2010.
Russland: CATHERINE SQUIRES [interne Korrektur 27.6.2011] 19
Prof. Dr. Caherine Squires, Lehrstuhl für germanische und keltische Philologie, Philologische
Fakultät, Staatliche Lomonossov-Universität Moskau, 119 991 Moskau, GSP-2, Leninskie gory
1 gum. korpus
Email: skvairs@yandex.ru