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Manfred Bruhn

Karsten Hadwich Hrsg.

Dienstleistungen 4.0
Geschäftsmodelle – Wertschöpfung –
Transformation
Band 2
Forum Dienstleistungsmanagement
Dienstleistungen 4.0
Manfred Bruhn · Karsten Hadwich
(Hrsg.)

Dienstleistungen 4.0
Geschäftsmodelle – Wertschöpfung –
­Transformation
Band 2
Forum Dienstleistungsmanagement
Herausgeber
Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Manfred Bruhn Prof. Dr. Karsten Hadwich
Universität Basel, Schweiz Lehrstuhl für Dienstleistungsmanagement
Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät Universität Hohenheim Stuttgart
Lehrstuhl für Marketing und Karsten.Hadwich@uni-hohenheim.de
Unternehmensführung www.dlm.uni-hohenheim.de
Honorarprofessor an der Technischen
Universität München
Manfred.Bruhn@unibas.ch
www.wwz.unibas.ch/marketing

ISBN 978-3-658-17551-1 ISBN 978-3-658-17552-8  (eBook)


DOI 10.1007/978-3-658-17552-8

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Vorwort
Die Möglichkeiten der Digitalisierung werden Märkte und Branchen grundlegend und
nachhaltig beeinflussen. Viele bestehende Wertschöpfungsketten und Geschäftsmodelle
werden sich als Folge der Digitalisierung stark verändern oder gar wegfallen, zugleich
können neue entstehen. Die Digitalisierung betrifft dabei nicht nur die Produkthersteller,
bei denen es um Maschineninteraktionen und Daten geht, die auf neuen digitalen Platt-
formen gesammelt und verarbeitet werden. Die Digitalisierung löst auch in der Dienst-
leistungsbranche einen gravierenden Strukturwandel aus. Der Umgang mit der Digitali-
sierung ist damit für die weitere Wettbewerbsfähigkeit von Produktherstellern als auch
Dienstleistungsunternehmen entscheidend.
In Verbindung mit der Digitalisierung und den entstandenen Technologien entwickelte
sich LQ GHU ,QGXVWULH GHU %HJULII Ä,QGXVWULH ³ 'LH GHXWVFKH %XQGHVUHJLHUXQJ I|UGHUW
im Zeitalter der Digitalisierung nicht nur die Industrie 4.0, sondern ebenfalls die Dienst-
leistungen 4.0. Dabei wird unter ÄDienstleistungen 4.0³ verstanden, dass Dienstleistun-
gen in Verbindung mit Informations- und Kommunikationstechnologien vertrieben wer-
den und digitale Technologien aufgrund der neuen industriellen Revolution Einfluss auf
die Geschäftsmodelle, Marketingstrategien und/oder Dienstleistungsprozesse ausüben.
Mit GHP 7KHPD ÄDienstleistungen 4.0³ widmet sich das diesjährige Forum Dienstleis-
tungsmanagement einer in Wissenschaft und Praxis aktuell sehr intensiv diskutierten
Fragestellung. Trotz der hohen praktischen Relevanz fallen in der Literatur die wissen-
schaftlichen und empirischen Arbeiten bislang spärlich aus.
Die Relevanz und Aktualität des Themas hat sich auch in der starken Resonanz auf unser
Call for Papers bemerkbar gemacht. Die Zahl der interessanten und hochwertigen Einrei-
chungen überstieg die der vergangenen Jahre. Auch die Vielfalt an betriebswirtschaftli-
chen Disziplinen hat in den Einreichungen zugenommen. Aus diesen Gründen haben wir
uns entschieden, dem Thema Dienstleistungen 4.0 zwei Bände zu widmen. In diesen zwei
Bänden zeigen mehr als 40 profilierte Wissenschaftler und Vertreter der Praxis, was ge-
nau unter Dienstleistungen 4.0 zu verstehen ist und welche Fragestellungen und Konzep-
te in diesem Zusammenhang zukünftig von Bedeutung sein werden.
Im vorliegenden Forum Dienstleistungsmanagement werden die Diskussionen zur Digita-
lisierung unter dem Begriff Dienstleistungen 4.0 subsumiert. Bisherige wissenschaftliche
Arbeiten zum Themengebiet Dienstleistungen 4.0 können, je nach spezifischem Inhalt,
grundsätzlich sechs Forschungslinien zugeordnet werden, die sich in der Gesamtgliede-
rung des Forums Dienstleistungsmanagement wiederfinden:
VI Vorwort

(1) Die Diskussion um die Grundlagen und Konzepte von Dienstleistungen 4.0 befasst
sich mit dem Begriff, den Strömungen sowie Prinzipien von Dienstleistungen 4.0.
(2) Die Methoden von Dienstleistungen 4.0 betrachten die Besonderheiten und Verände-
rungen der Methoden zur Analyse und Fundierung von Entscheidungen im Kontext
von Dienstleistungen 4.0.
(3) Die Instrumente von Dienstleistungen 4.0 behandeln den Marketingmix für Dienst-
leistungen 4.0.
(4) Im Rahmen der dienstleistungsbasierten Geschäftsmodelle 4.0 wird insbesondere
die Veränderung von Erlösmodellen betrachtet.
(5) Ein weiteres Themenfeld behandelt die Wertschöpfung durch Dienstleistungen 4.0.
(6) Mit der Transformation zu Dienstleister 4.0 werden die für den Anbieter relevanten
unternehmensinternen Veränderungsprozesse von Dienstleistungen 4.0 untersucht.
(7) Schließlich werden branchenspezifische Besonderheiten von Dienstleistungen 4.0
aufbereitet und Managementimplikationen abgeleitet.
Im Band 1 werden die konzeptionellen Grundlagen sowie die spezifischen Methoden und
Instrumente von Dienstleistungen 4.0 diskutiert. Im Band 2 werden die dienstleistungs-
basierten Geschäftsmodelle 4.0, die Wertschöpfung durch Dienstleistungen 4.0 sowie die
Transformation zum Dienstleister 4.0 behandelt. In beiden Bänden werden jeweils unter-
schiedliche branchenspezifische Perspektiven von Dienstleistungen 4.0 aufgezeigt. Ins-
gesamt liegt damit eine sehr umfassende und facettenreiche Erörterung des Themas
Dienstleistungen 4.0 vor. Die Beiträge werden in beiden Bänden durch einen Literatur-
Service ergänzt, der eine thematisch geordnete Zusammenstellung wichtiger Veröffentli-
chungen zum Themengebiet beinhaltet.
Seit dem Jahr 2016 wird der vorliegende Sammelband durch die 9HUDQVWDOWXQJÄ)RUXP
'LHQVWOHLVWXQJVPDQDJHPHQW³ ergänzt. Hier greifen Wissenschaftler und Praktiker das
aktuelle Thema in Vorträgen und Podiumsdiskussionen auf. Die Website zur Veranstal-
tung findet sich unter www.forum-dlm.ch.
Unser herzlicher Dank für die Projektorganisation und Koordination dieser Ausgabe des
Forums geht an Frau Marion Popp, M.Sc., vom Lehrstuhl für Dienstleistungsmanage-
ment der Universität Hohenheim und an die wissenschaftlichen Hilfskräfte des dortigen
Lehrstuhls für die Unterstützung bei der Formatierung der Beiträge.
Wir hoffen, dass das ÄForum Dienstleistungsmanagement³ auch im Jahre 2017 wiederum
sein Ziel erreicht, nicht nur eine aktuelle Forschungsdiskussion im Bereich Dienstleis-
tungsmanagement zu fördern, sondern auch der Praxis dienlich zu sein und zugleich
Wissenschaft und Dienstleistungsmanagern einen zusätzlichen Service-Nutzen zu liefern.

Basel und Hohenheim MANFRED BRUHN


KARSTEN HADWICH
Inhaltsverzeichnis

Vorwort ....................................................................................................................... V

Teil A: Wissenschaftliche Beiträge


Manfred Bruhn und Karsten Hadwich
Dienstleistungen 4.0 ± Erscheinungsformen, Transformationsprozesse und
Managementimplikationen.......................................................................................... 3

1. Dienstleistungsbasierte Geschäftsmodelle 4.0


Pascal Bühler und Peter Maas
Transformation von Geschäftsmodellen in einer digitalisierten Welt ......................... 43

Johannes Winter
Europa und die Plattformökonomie ± Wie datengetriebene Geschäftsmodelle
Wertschöpfungsketten verändern ................................................................................ 71

Jens Pöppelbuß und Carolin Durst


Smart Service Canvas ± Ein Werkzeug zur strukturierten Beschreibung und
Entwicklung von Smart-Service-Geschäftsmodellen .................................................. 91

Esther Bollhöfer, Cornelius Moll und Christian Lerch


Bewertung von digitalen Dienstleistungskonzepten im verarbeitenden Gewerbe ...... 113

Amelie Krebs, Michael Hepp und Karsten Hadwich


Erfolgsfaktoren der Integration wissensintensiver Dienstleistungen im Rahmen
der Servicetransformation ........................................................................................... 133
VIII Inhaltsverzeichnis

2. Wertschöpfung durch Dienstleistungen 4.0


Stefanie Paluch
Smart Services ± Analyse von strategischen und operativen Auswirkungen .............. 161

Andreas J. Reuschl und Ricarda B. Bouncken


Coworking-Spaces als neue Organisationsform in der Sharing Economy .................. 185

Ellen Weber
Förderung einer positiven Kunden-Mitarbeiter-Interaktion mittels intelligenter
Sprachanalysetechnologien ......................................................................................... 211

Tim Senn
Service Transition in the Context of Digitized Service Ecosystems ........................... 241

Norbert Bach, Maximilian Rimbach und Sebastian Wolf


Wertschöpfungspotenziale durch Digitalisierung ± Eine Analyse der Kosten- und
Differenzierungstreiber von Dienstleistungen ............................................................ 269

3. Transformation zum Dienstleister 4.0


Heiko Gebauer, Simon Joncourt und Caroline Saul
Transformation von Unternehmen ± Technologien und Geschäftsmodelle ................ 299

Christian van Husen, Dieter Häberle, Saed Imran und Carsten Droll
Parameterbasierte Entwicklung von Dienstleistungen in Produkt-Service-
Systemen ..................................................................................................................... 315

Uta Jüttner, Katharina Windler, Adrienne Schäfer und Anja Zimmermann


Design von Smart Services ± Eine explorative Studie im Business-to-Business-
Sektor .......................................................................................................................... 335

Christian Gorldt, Stefan Wiesner, Ingo Westphal und K.-D. Thoben


Product-Service Systems im Zeitalter von Industrie 4.0 in Produktion und
Logistik ± Auf dem Weg zu Cyber-Physischen Product-Service Systemen ............... 363
Inhaltsverzeichnis IX

4. Branchenspezifische Perspektiven von


Dienstleistungen 4.0
Sabine Fließ und Svenja Hagenhoff
Zeitungsverlage zwischen Digitalisierung und Servitization ± Eine explorative
Dokumentenanalyse .................................................................................................... 381

Volker Nissen und Henry Seifert


Die digitale Transformation der Unternehmensberatung ............................................ 411

Sven Tuzovic and Shane Mathews


Points for Fitness ± How Smart Wearable Technology Transforms Loyalty
Programs ..................................................................................................................... 445

Manuela Koch-Rogge and Georg Westermann


Digitalization in the Service Economy ± The Case of Banking Services ................... 465

Oliver Thomas, Friedemann Kammler, Deniz Özcan und Michael Fellmann


Digitale Plattformstrategien als Treiber der Dienstleistungsflexibilisierung im
Maschinen- und Anlagenbau ...................................................................................... 481

André Schneider
Hochschule 4.0 ± Herausforderungen und Perspektiven der Digitalisierung von
Bildungsdienstleistungen ............................................................................................ 497

Gerrit Heinemann
Offline 4.0 ± Die Neuerfindung des stationären Handels ........................................... 523

Teil B: Serviceteil
$XVJHZlKOWH/LWHUDWXU]XP7KHPHQJHELHWÄDienstleistungen 4.0³ ............................ 549

Stichwortverzeichnis ................................................................................................... 557




Teil A:
Wissenschaftliche Beiträge 



Manfred Bruhn und Karsten Hadwich

Dienstleistungen 4.0 ± Erscheinungsformen,


Transformationsprozesse und
Managementimplikationen

1. Relevanz von Dienstleistungen 4.0 in Wissenschaft und Praxis

2. Konzeptionelle Grundlagen von Dienstleistungen 4.0


2.1 Begriff von Dienstleistungen 4.0
2.2 Einordnung von Dienstleistungen 4.0 in die Entwicklungsphasen
von Dienstleistungen
2.3 Charakterisierung von Dienstleistungen 4.0
2.4 Erfolgskette von Dienstleistungen 4.0

3. Bezugsrahmen für Transformationsprozesse bei Dienstleistungen 4.0


3.1 Überblick
3.2 Rahmenbedingungen für Transformationsprozesse bei
Dienstleistungen 4.0
3.3 Plattformen als Enabler für Transformationsprozesse bei
Dienstleistungen 4.0
3.4 Ausgestaltung der Anbieter-Kunde-Transformation bei
Dienstleistungen 4.0
3.5 Marktreaktion und Outcome der Transformationsprozesse
bei Dienstleistungen 4.0

4. Management von Dienstleistungen 4.0


4.1 Planungsprozess des Managements von Dienstleistungen 4.0
4.2 Analysephase des Managements von Dienstleistungen 4.0
4.3 Ableitung von Zielen und Strategien von Dienstleistungen 4.0

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017


M. Bruhn und K. Hadwich (Hrsg.), Dienstleistungen 4.0,
DOI 10.1007/978-3-658-17552-8_1
4.4 Operative Instrumente von Dienstleistungen 4.0
4.5 Transformation zum Dienstleister 4.0
4.6 Controlling von Dienstleistungen 4.0

5. Fazit

Literaturverzeichnis

___________________________
Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Manfred Bruhn ist Ordinarius für Betriebswirtschaftslehre, insbe-
sondere Marketing und Unternehmensführung an der Wirtschaftswissenschaftlichen
Fakultät der Universität Basel und Honorarprofessor an der Technischen Universität
München. Prof. Dr. Karsten Hadwich ist Inhaber des Lehrstuhls für Dienstleistungs-
management an der Universität Hohenheim.
1. Relevanz von Dienstleistungen 4.0 in
Wissenschaft und Praxis
Als eine der frühen Arbeiten zum Einsatz von Technologien in der Dienstleistungsbranche
gilt Levitt´s Aufsatz (Levitt 1976) über die Industrialisierung von Dienstleistungen. Darin
wird die These aufgestellt, dass sich durch den Einsatz von Technologien bei Dienstleis-
tungen und einer damit bewirkten Serviceautomatisierung der Unternehmenserfolg stei-
gern lässt. Konkret lassen sich nach Levitt durch die Serviceindustrialisierung unter der
Bedingung von industriellen Organisationsprinzipien (z. B. Arbeitsteilung) und einem ho-
hen Kapitalbedarf eine höhere Effizienz, geringere Kosten und eine höhere Kundenzufrie-
denheit erreichen.
Vier Dekaden später ist aus den theoretischen Überlegungen längst Realität geworden.
Technologiebasierte Services finden bereits breite Anwendung in unserem Alltag. Diese
Entwicklung erfährt in den letzten Jahren jedoch eine zusätzliche Beschleunigung durch
das Thema der Digitalisierung. So nimmt z. B. die Vernetzung von Geräten im Internet
der Dinge stark zu. Die Marktforschungsgesellschaft Gartner rechnet für das Jahr 2017
mit 8,4 Mrd. vernetzten Geräten weltweit. Den Umsatz mit solchen Geräten und darüber
angebotene Softwaredienstleistungen werden für das Jahr 2017 auf fast zwei Billionen
USD geschätzt. Im Jahr 2020 soll es sogar 20,4 Mrd. vernetzte Geräte geben (Jensen
2017).
Die Möglichkeiten der Digitalisierung werden Märkte und Branchen grundlegend und
nachhaltig beeinflussen. Viele bestehende Wertschöpfungsketten und Geschäftsmodelle
werden sich als Folge der Digitalisierung stark verändern oder gar wegfallen, zugleich
können neue entstehen. Als Konsequenz aus dieser Entwicklung beginnen Unternehmen
nun auch verstärkt, digitale Systeme für ihre Dienstleistungsangebote einzusetzen (Müns-
ter/Meiren 2011). So wird z. B. im Rahmen eines Forschungsprojektes des Bundesminis-
teriums für Bildung und Forschung (BMBF) eine Servicerobotik entwickelt, die als As-
sistenzsystem für Pflegeeinrichtungen im Alltag eingesetzt wird und den Pflegeberuf
attraktiver machen soll (BMBF 2015, S. 374). Andere Projekte richten sich an die Urba-
nisierung, die durch neue und intelligente Dienstleistungsangebote, so genannte Smart Ur-
ban Services, die Räume vernetzen (BMBF 2015, S. 378).
Digitale Dienstleistungen bieten das Potenzial zur Realisierung wesentlicher Vorteile. Die
Markterweiterung fasst die Bestrebungen zusammen, mit digitalen Dienstleistungen neue
Märkte zu erschließen, neue Kunden zu gewinnen und neue Vertriebskanäle anzubieten.
Die Markteintrittsbarrieren sind bei digitalen Dienstleistungen relativ niedrig. Markttrans-
aktionen können aufgrund des digitalen Zugriffs beschleunigt, orts- und zeitlos abgewi-
ckelt werden. Dabei ist jedoch immer zu beachten, dass das Potenzial zu einer derartigen
6 Manfred Bruhn und Karsten Hadwich

Expansion auf technologischer Basis stark vom Leistungstyp (z. B. Individualität, Not-
wendigkeit der physischen Präsenz des Kunden beim Anbieter) abhängt. Auch stellen sich
kulturelle Unterschiede immer wieder als Hindernisse für einen einheitlichen Marktauftritt
heraus. Neben dem geografischen Wachstum wird hier unter Markterweiterung auch die
technologiebasierte Ausdehnung des Leistungsangebotes sowie der Informations- und Ab-
satzkanäle zur Ansprache neuer Kundensegmente zusammengezogen. Eine Realisierung
von Kostensenkungspotenzialen ergibt sich durch die Externalisierung der anbieterseitigen
Aktivitäten bei der Serviceerstellung. Hierbei wird durch den Einsatz von digitalen Tech-
nologien die direkte Interaktion des Kunden mit einem Servicemitarbeiter substituiert.
Eine besondere Bedeutung haben die Kostensenkungspotenziale z. B. im Bereich des Kun-
dendienstes durch automatisierte Telefon- oder Internetservices als Ersatz für persönliche
Betreuung. Ein weiteres Potenzial des Einsatzes von digitalen Dienstleistungen besteht in
der Steigerung der Kundenzufriedenheit und Kundenbindung. Zeit- und Kostenersparnisse
gelten für Kunden als zentrale Vorteile; z. B. sind geschäftliche Transaktionen nicht an
Öffnungszeiten und bei Technologien wie dem Internet oder der Mobiltelefonie auch nicht
an eine Geschäftsstätte gebunden. Vielfach sind digitale Dienstleistungen auch preisgüns-
tiger als die alternativen persönlichen Dienstleistungen. Darüber hinaus lässt sich auch
durch eine Individualisierung von digitalen Services ein Zusatznutzen schaffen und die
Kundenzufriedenheit steigern (Salomann et al. 2006).
Dem Einsatz von digitalen Dienstleistungen sind jedoch auch Grenzen gesetzt. Bei Nut-
zung einer Selbstbedienungseinrichtung statt eines persönlichen Services entfällt beim
.XQGHQGDVÄSV\FKRORJLVFKZLFKWLJH*HIKOGHV%HGLHQWZHUGHQV³ 6LPRQ/Butscher 1997,
S. 47), was die digitale Dienstleistung als minderwertig erscheinen lässt und die Kunden-
bindung schwächen kann. Gose-Krüger stellt z. %IHVW 6 Ä3UHPLXPNXQGHQ
die gerade auf den Kontakt und die persönliche Beziehung zu ihrem Betreuer Wert legen,
sollten [...] nicht zum Self-6HUYLFHJH]ZXQJHQZHUGHQ³
Zusammenfassend ist der Digitalisierung von Dienstleistungen ein hohes wirtschaftliches
Potenzial zuzuschreiben, wenn es gelingt, die Serviceerstellung unter Einsatz von digita-
len Technologien auf einem relativ großen Absatzmarkt zu etablieren und dabei gleich-
zeitig die unterschiedlichen Kundenbedürfnisse zu befriedigen. Dies bedeutet, eine mög-
lichst automatisierte (und dadurch kostengünstige) Leistungserstellung und eine durch
einen hohen Grad an Kundenbeteiligung möglichst individuelle Erstellung von Services
entsprechend der individuellen Bedürfnisse zu realisieren. Ausschlaggebend für den
Markterfolg bleiben schließlich die Einstellungen und das Verhalten der Kunden gegen-
über den digitalen Dienstleistungen.
In Verbindung mit der Digitalisierung und den entstandenen Technologien entwickelte in
GHU,QGXVWULHGHU%HJULIIÄ,QGXVWULH³'LHGHXWVFKH%XQGHVUHJLHUXQJI|UGHUWLP=HLWDO
ter der Digitalisierung nicht nur die Industrie 4.0 (BMWi 2016a), sondern ebenfalls die
Dienstleistungen 4.0 (BMWi 2016b). Dabei wird unter Dienstleistungen 4.0 verstanden,
dass Dienstleistungen in Verbindung mit Informations- und Kommunikationstechnolo-
Dienstleistungen 4.0 7

gien vertrieben werden und digitale Technologien aufgrund der neuen industriellen Revo-
lution Einfluss auf die Geschäftsmodelle, Vertriebsstrategien oder Dienstleistungspro-
zesse haben (BMWi 2016b).
Vor diesem Hintergrund hat sich die Digitalisierung zu einem prominenten Forschungs-
thema entwickelt, dies spiegelt sich unter anderen in der kontinuierlich steigenden Anzahl
an wissenschaftlichen Beiträgen wider. Mit dem Thema werden zahlreiche Fragestellun-
gen aufgeworfen. Diese gehen von den Methoden und Instrumenten der Digitalisierung,
den Geschäftsmodellen, der Wertschöpfung bis hin zur Frage der Transformation der Or-
ganisation und Führung des Anbieters von digitalen Dienstleistungen.
Im vorliegenden Sammelband werden die Diskussionen zur Digitalisierung unter dem Be-
griff Dienstleistungen 4.0 subsumiert (in Anlehnung an den Begriff Industrie 4.0). Bishe-
rige wissenschaftliche Arbeiten zum Themengebiet Dienstleistungen 4.0 können, je nach
spezifischem Inhalt, grundsätzlich sechs Forschungslinien zugeordnet werden, die sich in
der Gesamtgliederung des Forums Dienstleistungsmanagement wiederfinden:
(1) Die Diskussion um die Grundlagen und Konzepte von Dienstleistungen 4.0 befasst
sich mit dem Begriff und den zentralen Strömungen sowie Prinzipien von Dienstleis-
tungen 4.0.
(2) Die Methoden von Dienstleistungen 4.0 betrachtet die Besonderheiten und Verände-
rungen der Methoden zur Analyse und Fundierung von Entscheidungen im Kontext
von Dienstleistungen 4.0.
(3) Die Instrumente von Dienstleistungen 4.0 behandeln den Marketingmix für Dienst-
leistungen 4.0.
(4) Im Rahmen der dienstleistungsbasierten Geschäftsmodelle 4.0 wird insbesondere die
Veränderung von Erlösmodellen betrachtet.
(5) Ein weiteres Themenfeld befasst sich mit der Wertschöpfung durch Dienstleistungen
4.0.
(6) Mit der Transformation zu Dienstleister 4.0 werden die für den Anbieter relevanten
unternehmensinternen Veränderungsprozesse von Dienstleistungen 4.0 untersucht.
(7) Zuletzt werden branchenspezifische Besonderheiten von Dienstleistungen 4.0 aufbe-
reitet und Managementimplikationen abgeleitet.
Nicht nur in der Wissenschaft, auch in der Unternehmenspraxis ist die Relevanz der Digi-
talisierung unbestritten. Unternehmen investieren in die Entwicklung von digitalen Pro-
dukten sowie Dienstleistungen und den Ausbau des damit verbundenen Dienstleistungs-
geschäfts. Alle Branchen durchlaufen derzeit einen Prozess der digitalen Transformation
und in vielen Fällen sind die bisherigen Branchenteilnehmer überrascht, dass völlig neue
Serviceanbieter auf dem Markt erscheinen. Dabei zeigt sich, dass es im Rahmen der Digi-
talisierung nicht ausschließlich um das Angebot von digitalen Produkten und Dienstleis-
tungen geht, sondern vielmehr um die Entwicklung innovativer servicebasierter Ge-
schäftsmodelle. Beispiele der letzten Jahre sind Amazon im Buchhandel, Zalando im
8 Manfred Bruhn und Karsten Hadwich

Schuhhandel, Spotify in der Musikindustrie, Uber im Taxigewerbe und Airbnb in der Ho-
tellerie, Car2Go in der Automobilindustrie. Dabei ist anzunehmen, dass sich diese digitale
Transformation auf weitere klassische Bereiche ausdehnen wird.
Insgesamt ist für die Unternehmenspraxis festzustellen, dass der Entwicklungsstand hin-
sichtlich von Dienstleistungen 4.0 noch nicht weit vorangeschritten ist.

2. Konzeptionelle Grundlagen von Dienstleistungen 4.0

2.1 Begriff von Dienstleistungen 4.0


Eine Annäherung an den Begriff Dienstleistungen 4.0 lässt sich zunächst durch eine Be-
trachtung der Überlegungen zu Industrie 4.0 vornehmen. Industrie 4.0 wird als Begriff für
ein Zukunftsprojekt der deutschen Bundesregierung verwendet und steht für die vierte in-
dustrielle Revolution. Wesentliche Merkmale von Industrie 4.0 sind:
„ die Individualisierung bzw. Hybridisierung der Produkte und
„ die Integration von Kunden und Geschäftspartner in die Geschäfts- und Wertschöp-
fungsprozesse.
Diese beiden Merkmale zeigen bereits den engen Bezug zu Dienstleistungen. Es kann also
davon ausgegangen werdenGDVVÄ'LHQVWOHLVWXQJHQ³HLQKHUJHKWPLWÄ,QGXVWULH³.
Dieser Aspekt scheint vor dem Hintergrund der Diskussion relevant, dass eine Trennung
zwischen Produkten und Dienstleistungen zunehmend schwieriger wird (vgl. die Diskus-
sion zur Dichotomisierung von Engelhardt et al. 1992).
Aufgrund des engen Bezugs zwischen Industrie 4.0 und Dienstleistungen 4.0 scheint es
sinnvoll, sich bei der Definition von Dienstleistungen 4.0 an der Definition von Industrie
4.0 zu orientieren. Laut Arbeitskreis Industrie 4.0 ZLUG GDUXQWHU ÄHLQH 9HUQHW]XQJ YRQ
autonomen, sich situativ selbst steuernden, sich selbst konfigurierenden, wissensbasierten,
sensorgestützten und räumlich verteilten Produktionsressourcen (Produktmaschine, Ro-
boter, Förder- und Lagersysteme, Betriebsmittel) inklusive deren Planungs- und Steue-
UXQJVV\VWHPH³YHUVWDQGHQ(Umsetzungsempfehlungen für das Zukunftsprojekt Industrie
4.0). Industrie 4.0 repräsentiert ein intelligentes Fertigungskonzept, bei dem Maschinen
und Produkte ohne menschliche Kontrolle interagieren (Ivanov et al. 2015, S. 386) ± durch
die Verwendung der modernsten Informations- und Kommunikationstechniken (BMWi
2016a).
In diesem Zusammenhang wird oft auf das Cyber-Physical System verwiesen, das die In-
dustrie 4.0 eingeleitet hat (Wahlster 2015). Das Cyber-Physical System definiert die In-
teraktion zwischen rechnergestützten und physischen Welten (Zhou et al. 2015, S. 24).
Das primäre Ziel der Industrie 4.0 ist es, kundenorientierte Produkte durch die horizontale
Dienstleistungen 4.0 9

und vertikale Vernetzung (Mensch, Maschine und IT-Systeme) zu erstellen und die Wert-
schöpfungskette des gesamten Lebenszyklus zu digitalisieren.
In Anlehnung an dieses Industrie 4.0-Verständnis und aufbauend auf die Dienstleistungs-
definition (vgl. Meffert et al. 2015) lässt sich folgende Definition von Dienstleistungen 4.0
ableiten:

Dienstleistungen 4.0 bezeichnen die Verzahnung von Dienstleistungen mit den Mög-
lichkeiten der Informations- und Kommunikationstechnik, d. h. durch den Einsatz von
Technologien im Dienstleistungspotenzial werden die Erwartungen im Dienstleistungs-
prozess individuell und interaktiv mit aktiver technologischer Unterstützung erfüllt, um
als Dienstleistungsergebnis nutzenstiftende Wirkungen bei den Kunden zu erzielen. In
diesem Sinne handelt es sich um eine selbstständige Koordination von Dienstleistungs-
prozessen, also um wissensbasierte, intelligente Dienstleistungen.

Aus dieser Definition lässt sich aufzeigen, dass das Thema Dienstleistungen 4.0 in der
konkreten Diskussion und Ausarbeitung verschiedene Perspektiven einnehmen kann:
(1) Dienstleistungen 4.0 kann als Konzept zur Integration von Technologien in Dienst-
leistungen verstanden werden.
(2) Dienstleistungen 4.0 ist darüber hinaus auch als Denkmodell zur Schaffung von
Customer Value durch die Industrialisierung von Dienstleistungen zu begreifen.
(3) Dienstleistungen 4.0 kann auch eine Vision der Entwicklung intelligenter Dienstleis-
tungen in Wertschöpfungsnetzwerken darstellen.
Trotz des engen Bezugs von Industrie 4.0 und Dienstleistungen 4.0 lässt sich eine Abgren-
zung dahingehend vornehmen, dass sich Industrie 4.0 auf den industriellen, gewerblichen
B2B-Bereich bezieht und Dienstleistungen 4.0 sowohl den B2B- als auch den B2C-Be-
reich umfasst.
Vor diesem Hintergrund setzen sich im ersten Teil von Band 1 der Sammelbände zwei
Beiträge näher mit dem Begriff und den Formen von Dienstleistungen 4.0 auseinander:
Rolf Weiber, Lukas Mohr und Thomas Weiber befassen sich mit Butler-Services als
Dienstleistungen 4.0 zur Entlastung von Konsumenten in ihren Alltagsprozessen. Ausge-
hend von den aktuellen technologischen Entwicklungen im Bereich der Industrie 4.0 ana-
lysiert der Beitrag, ob sich zukünftig auch für den Dienstleistungsbereich tiefgreifende
Veränderungen ergeben werden, die die Bezeichnung Dienstleistung 4.0 rechtfertigen
können. Aufbauend auf diesen Überlegungen werden Merkmale von Dienstleistungen 4.0
abgeleitet und Erscheinungsformen aufgezeigt. Eine vertiefende Betrachtung erhalten so
genannte Ä%XWOHU-6HUYLFHV³DOVHLQHEHVWLPPWH$UWYRQ'LHQVWOHLVWXQJGLHGHQ%HODV
tungssituationen in den Alltagsprozessen vom Konsumenten entgegenwirken können. Für
diese Kategorie von Dienstleistungen 4.0 werden Marketinglogik, Leistungsspektrum und
Marketingansatz aufgezeigt.
10 Manfred Bruhn und Karsten Hadwich

Hans-Jörg Bullinger, Walter Ganz und Jens Neuhüttler setzen sich in ihrem Beitrag mit
Smart Services auseinander und diskutieren die Chancen und Herausforderungen digitali-
sierter Dienstleistungssysteme für Unternehmen. Smart Services sind datenbasierte, indi-
viduell konfigurierbare Angebote aus Dienstleistungen, digitalen Diensten und Produkten,
die über Plattformen organisiert werden. Der Beitrag setzt sich anhand der drei Themen-
EO|FNH Ä7HFKQRORJLH³ Ä:HUWVFK|SIXQJ³ XQG Ä$UEHLW³ PLW GHQ ]HQWUDOHQ &KDQFHQ XQG
Herausforderungen von Smart Services auseinander und zeigt erste methodische Gestal-
tungsansätze aus Projekten der angewandten Forschung auf.
Alexander Leischnig, Björn Ivens, Steffen Wölfl und Daniel Hein nehmen in ihrem Beitrag
eine Bestandsaufnahme der Literatur zur Digitalisierung von Dienstleistungen vor und
entwickeln darauf basierend eine Forschungsagenda. Ausgehend von der Feststellung,
dass die Digitalisierung von Dienstleistungen in der wissenschaftlichen Literatur bisher
zwar intensiv, aber auch sehr fragmentiert diskutiert wird, nehmen die Autoren einen um-
fassenden und gesamtheitlichen Meta-Review der bisherigen Forschung zur Digitalisie-
rung von Dienstleistungen vor.

2.2 Einordnung von Dienstleistungen 4.0 in die


Entwicklungsphasen von Dienstleistungen
Eine Einordnung des Begriffs Dienstleistungen 4.0 lässt sich auch analog zur Entwick-
lungsgeschichte der industriellen Revolutionen vornehmen, die die technische Entwick-
lung anhand von vier Phasen beschreibt: Auf die Phase der Mechanisierung (Industrie 1.0)
folgen die Phase der Elektrifizierung (Industrie 2.0), die Phase der Automatisierung (In-
dustrie 3.0) und zuletzt die Phase der Digitalisierung (Industrie 4.0) (vgl. auch BMWi
2016a).
Entsprechend lassen sich auch vier Entwicklungsphasen von Dienstleistungen ableiten
(vgl. Abbildung 1):
„ Dienstleistungen 1.0: Dienstleistungen werden mit geringer technischer Unterstüt-
zung erbracht. Beispiele sind Haushaltshilfe, Friseur, Schuster, Schneider usw.
„ Dienstleistungen 2.0: Dienstleistungen werden im Rahmen einer arbeitsteiligen Mas-
senproduktion erbracht. Beispiele sind Finanzdienstleistungen, Logistikdienstleistun-
gen, Telekommunikation usw.
„ Dienstleistungen 3.0: Dienstleistungen werden mit IT-Unterstützung erbracht. Bei-
spiele sind E-Services, E-Commerce, Mobile Services usw.
„ Dienstleistungen 4.0: Dienstleistungen werden mithilfe von Cyber-Physical Syste-
men erbracht. Beispiele sind Assistenzsysteme, Internet of Things, Apps usw.
Dienstleistungen 4.0 11

2.3 Charakterisierung von Dienstleistungen 4.0


Zur Charakterisierung von Dienstleistungen 4.0 lassen sich zunächst die konstitutiven
Merkmale von (klassischen) Dienstleistungen anwenden:
„ Notwendigkeit der digitalen Leistungsfähigkeit: Bei Dienstleistungen 4.0 handelt es
sich um eine ex ante erzeugte maschinelle Leistungsfähigkeit, die mit Hilfe von digi-
talen Technologien angeboten wird und an externen Faktoren Nutzen stiftet.
„ Integrativität von Dienstleistungen 4.0: Bei Dienstleistungen 4.0 werden der Kunde
und/oder seine Verfügungsobjekte (z. B. intelligente Produkte) mittels digitaler Tech-
nologien in den Leistungserstellungsprozess integriert.
„ Immaterialität des Ergebnisses von Dienstleistungen 4.0: Das Leistungsversprechen
von Dienstleistungen 4.0 hat einen überwiegend intangiblen Charakter.

Dienstleistungen 4.0
 Assistenzsysteme,
 Internet of Things,
 Apps usw.

Dienstleistungen 3.0
 E-Services,
 E-Commerce,
 Mobile Services
usw.

Dienstleistungen 2.0
 Finanz-
dienstleistungen,
 Logistik,
 Telekommunikation
usw.
Dienstleistungen 1.0
 Haushaltshilfe,
 Friseur,
 Schuster usw.

Ende Beginn Beginn Beginn


18. Jhd. 20. Jhd. 1970er Jahre 2010

Abbildung 1: Entwicklungsphasen von Dienstleistungen

Darüber hinaus ergeben sich aus den Charakteristika der Digitalisierung eine Reihe von
weiteren Merkmalen von Dienstleistungen 4.0:
„ Digitalisierungsfähigkeit: Dienstleistungen 4.0 basieren auf digital vernetzten Syste-
men, die analoge Informationen erfassen, aufbereiten und speichern. Sämtliche Daten
(Text, Bild, Ton usw.) werden digitalisiert und stehen für den Dienstleistungsprozess
zur Verfügung.
12 Manfred Bruhn und Karsten Hadwich

„ Virtualisierungsfähigkeit: Dienstleistungen 4.0 machen (Teil-)Prozesse der Leis-


tungserstellung in digitaler Form verfügbar, z. B. über das Internet. Der Dienstleis-
tungsprozess bedarf dafür nicht zwingend realer Gegebenheiten (z. B. persönliche
Kontakte), sondern verlaufen virtuell zwischen den technologischen Subsystemen.
„ Zeitunabhängigkeit: Dienstleistungen 4.0 sind zeitunabhängig. Technisch ist eine 24-
stündige Verfügbarkeit gegeben. Die Nachfrage kann der Dienstleistung kann also zu
jeder Zeit abgerufen werden. Ob diese realisiert werden kann oder will, hängt von
Anbieter und Nutzer ab.
„ Ubiquitätsfähigkeit: Dienstleistungen 4.0 sind weltweit verfügbar, sofern nicht tech-
nische oder politische Zugangsprobleme bestehen. Die Überallerhältlichkeit erleich-
tert den Nachfragern den Zugang an allen Orten. Die Anbieter sind mit ihrem Dienst-
leistungsangebot jederzeit und überall präsent.
„ Big Data: Im Rahmen der Digitalisierung werden große Datenmengen unterschiedli-
cher Datentypen mit hoher Geschwindigkeit generiert, verarbeitet und transferiert.
Die gesammelten Daten können dabei aus verschiedenen Quellen stammen, wie
z. B. Aufzeichnungen von Überwachungssysteme, Kunden- oder Bezahlkarten,
Smartphones, Wearables, Social Media, vernetzte Autos, vernetzte Technik in Häu-
sern u. a. m.
„ Multimedialität: Digitale Technologien bieten die Kombinationsmöglichkeit von
Schrift, Ton, Bild (fest und bewegt) und zahlreichen Animationstechniken an.
Die klassischen konstitutiven und speziellen Merkmale von Dienstleistungen 4.0 verdeut-
lichen die besondere Komplexität von Dienstleistungen 4.0 gegenüber den klassischen
Dienstleistungen. Auch wenn bei den Dienstleistungen 1.0 bis 3.0 ebenfalls (mehr oder
weniger) Technologien eingesetzt wurden, so steht bei Dienstleistungen 4.0 die selbststän-
dige Koordination von Dienstleistungsprozessen durch digitale Technologien im Vorder-
grund. In diesem Sinne handelt es sich um wissensbasierte, intelligente Dienstleistungen.
In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob sich bei einem derartigen, teilweise
disruptiven Wandel der Dienstleistungsmärkte auch die Erfolgsfaktoren und Erfolgsme-
chanismen im Dienstleistungsmanagement ändern. Dabei werden als gedankliches Modell
so genannte Erfolgsketten herangezogen, die in der Lage sind, die verschiedenen Ablauf-
schritte in einen sachlogischen Zusammenhang zu bringen.

2.4 Erfolgskette von Dienstleistungen 4.0


Die Wirkungen, die durch den Einsatz von Dienstleistungen 4.0 auf Seiten des Kunden
erreicht werden, können in Anlehnung an die so genannte Erfolgskette für Dienstleister
(Service Profit Chain) strukturiert werden (Heskett et al. 1994; Bruhn 2016). Der Grund-
gedanke besteht darin, den Erfolg im Einsatz von Dienstleistungen 4.0 durch vorökono-
mische Wirkungskategorien zu erklären und die relevanten internen und externen mode-
rierenden Variablen zu identifizieren.
Dienstleistungen 4.0 13

Auf dieser Basis kann die in Abbildung 2 wiedergegebene Erfolgskette von Dienstleistun-
gen 4.0 aufgestellt werden. Auf der ersten Stufe der Erfolgskette geht es um die aus Kun-
densicht relevanten Gestaltungsdimensionen für das Angebot und die Gestaltung von
Dienstleistungen 4.0. Diese führt im Idealfall auf einer nächsten Ebene zu einer Akzeptanz
von Dienstleistungen 4.0 seitens des Kunden, d. h., dieser erkennt den Nutzen des digitalen
Angebots und stellt die Basis dafür dar, dass es auf einer nächsten Stufe überhaupt zu einer
ersten Nutzung des Angebots seitens des Kunden kommt. Durch die Nutzung von Dienst-
leistungen 4.0 bildet sich der Kunde auf einer nächsten Stufe ein Zufriedenheitsurteil über
die Leistung (Kundenzufriedenheit). Dies stellt eine Voraussetzung für die Wiedernutzung
und ± auf der letzten Stufe ± den Erfolg des Unternehmens mit Dienstleistungen 4.0 dar.

Dienst-
leistungen Akzeptanz Erstnutzung Zufriedenheit Wiedernutzung Erfolg
4.0

Abbildung 2: Erfolgskette von Dienstleistungen 4.0

Vor diesem Hintergrund behandeln im ersten Teil von Band 1 der Sammelbände zwei
Beiträge den die Frage der vorökonomischen Erfolgsgrößen von Dienstleistungen 4.0:
Anja Geigenmüller setzt sich in ihrem Beitrag mit der Interaktionsqualität in digitalen
B2B-Service Encountern auseinander. Digitale Dienstleistungen ermöglichen Industrie-
unternehmen neue Servicekonzepte. Allerdings verändert die Digitalisierung die Interak-
tion mit den Kunden und die kundenseitige Erfahrung des Dienstleistungsprozesses. Vor
diesem Hintergrund geht der Beitrag der Frage nach, wie sich die Qualität digitaler Service
Encounter bestimmen lässt und welche Faktoren im Sinne relevanter Fähigkeiten und Res-
sourcen Einfluss auf die Effektivität und Effizienz digitaler Service Encounter zwischen
industriellen Anbietern und Nachfragern haben.
Dominik Georgi und Dorothea Schaffner analysieren in ihrem Beitrag die Kaufentschei-
dungstreiber bei Dienstleistungen 4.0 und unterscheiden dabei zwischen digitalen B2C-
und C2C-Services. Eine Form von Dienstleistungen 4.0 sind (Peer-to-Peer) Sharing Ser-
vices, wie beispielsweise Airbnb. Für Anbieter solcher Services stellt sich die Frage, ob
Art und Relevanz der Kaufentscheidungstreiber im Vergleich zu herkömmlichen (Online)
Services unterschiedlich ausfallen. Eine Studie zeigt experimentell, dass bei Sharing-Ser-
vices hedonistische und soziale Motive überproportional relevant sind.
14 Manfred Bruhn und Karsten Hadwich

3. Bezugsrahmen für Transformationsprozesse bei


Dienstleistungen 4.0

3.1 Überblick
Bei einer umfassenden Analyse von Dienstleistungen 4.0 lassen sich verschiedene Be-
trachtungsebenen unterscheiden, die in Abbildung 3 in Form eines Bezugsrahmens für
Transformationsprozesse von Dienstleistungen 4.0 dargestellt sind. Dabei stellen die Rah-
menbedingungen die relevanten Einflussgrößen für die Entstehung von Cyper-physischen
Systemen als digitalen Plattformen von Dienstleistungen 4.0 dar. Die Plattformen bedin-
gen Transformationsprozesse bei Anbietern und Kunden, deren Ausgestaltung die markt-
seitige Reaktion und damit den Outcome für Anbieter und Kunden bestimmt.
Die einzelnen Betrachtungsebenen des Bezugsrahmens werden in den folgenden Ab-
schnitten näher vorgestellt.

3.2 Rahmenbedingungen für Transformationsprozesse bei


Dienstleistungen 4.0
Zunächst sind die Rahmenbedingungen als Einflussgrößen der Transformationsprozesse
von Dienstleistungen 4.0 zu erfassen:
„ Dazu gehören technologische Entwicklungen wie das Internet der Dinge (Internet of
Things) oder das Cloud Computing, die durch die Sammlung, Analyse, Bereitstellung
und Nutzung von kundenbezogenen Daten zahlreiche Möglichkeiten für innovative
dienstleistungsbasierte Geschäftsmodelle bieten.
„ Entsprechend der technologischen Entwicklungen verändern sich die Bedürfnisse von
Kunden. So nimmt z. B. das Bedürfnis nach personalisierten Dienstleistungen und
Produkten zu und es ist ein Trend zum gemeinschaftlichen Konsum zu beobachten,
der sich in Form von Sharing-Konzepten niederschlägt.
„ Gleichzeitig verändern sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen durch disrup-
tive Branchenentwicklungen und die Veränderung von Ökosystemen sowie Ge-
schäftsmodellen.
„ Dies hängt wiederum eng zusammen mit der zunehmenden Globalisierung, die eine
hohe Komplexität und Volatilität von Märkten nach sich zieht und damit die Mög-
lichkeit für die wirtschaftlichen Veränderungsprozesse eröffnet.
„ All dies wird von einem gesellschaftlichen Wandel begleitet, der sich unter anderem
in der Veränderung der Arbeitswelt, einer zunehmenden Mobilität der Menschen und
einer starken sozialen Vernetzung wiederspiegelt.
„ Letztlich sind die gesetzlichen Regulierungen in Form des Datenschutzes, von IT-
Sicherheit usw. von Bedeutung.
Abbildung 3:
Rahmenbedingungen Plattform Anbieter-Kunde-Transformationsprozess Marktreaktion Outcome

Informationstechnologie Externe Bedingungen beim Kunden


Dienstleistungen 4.0

‡ Internet of Things ‡ Digitalisierungs-Know-how


‡ Cloud Computing ‡ Innovations-Know-how
‡ Big Data ‡ Transformations-Know-how

Trends im Kaufverhalten

‡ Personalisierung
‡ Peer-to-Peer-Sharing
‡ Kunde als Co-Producer Hardware Kunde als Nachfrager Objekt des Kunden
Akzeptanz
Wirtschaftliche Trends beim Kunden
‡ Disruptive Entwicklungen
‡ Service-Eco-Systeme Customer
‡ Neue Geschäftsmodelle Netzwerke Anwendungslösung Value
Gemeinsame
(Cyber-Physical
Wertschöpfung Service
Systems) Neue Märkte Neue Produkte
Globalisierung Value
‡ Komplexität
‡ Volatilität Skalierung
‡ Commoditisierung für Anbieter
Software Anbieterressourcen Partnerressourcen
Gesellschaftlicher Wandel

‡ Veränderte Arbeitswelt
‡ Mobilität
‡ Soziale Vernetzung

Interne Voraussetzungen von


Gesetzliche Regulierungen Marktanbietern
‡ Datenschutz ‡ Digitalisierungs-Know-how
‡ IT-Sicherheit ‡ Innovations-Know-how
‡ Personenbezogene Daten ‡ Transformations-Know-how

Bezugsrahmen für Transformationsprozesse von Dienstleistungen 4.0


15
16 Manfred Bruhn und Karsten Hadwich

Die Rahmenbedingungen stellen die zentralen Treiber für die zukünftige Ausgestaltung
von Dienstleistungen 4.0 dar. Die technische Dimension der Ausgestaltung von Dienst-
leistungen 4.0 betrifft insbesondere den Einsatz von Plattformen, die die notwendige Leis-
tungsfähigkeit für das Angebot und die Erstellung von Dienstleistungen 4.0 schaffen.
Plattformen bilden die Basis für die Entwicklung von Innovationen, die für das Unterneh-
men und/oder den Markt neu sind.

3.3 Plattformen als Enabler für Transformationsprozesse bei


Dienstleistungen 4.0
In diesem Zusammenhang spielen Cyber-Physische Systeme (CPS) eine wesentliche
Rolle. Cyber-Physische Systeme werden als Technologie verstanden, um die Lücke zwi-
schen der virtuellen (IT) und realen (physischen) Welt zu schließen. Cyber-Physische Sys-
teme bestehen aus den Elementen Sensoren, Prozessoren, Kommunikatoren und Aktoren
und haben dynamische Systemgrenzen (Gorld 2017). Die Sensoren erfassen dabei physi-
kalische Daten (z. B. Temperatur, Geschwindigkeit, Dichte), die Prozessoren speichern
und werten diese Daten aus und wirken mittels Aktoren auf physikalische Vorgänge ein
(z. B. Änderung von Temperatur, Geschwindigkeit, Dichte). Mittels der Kommunikatoren
sind die Geräte drahtlos miteinander verbunden. Hierdurch ist z. B. die Lokalisierung von
Objekten weltweit einschließlich einer durchgängigen Positionserfassung und Zustands-
abfrage in Echtzeit möglich. Ein übergreifendes Produktions-, Energie-, Logistikmanage-
ment ermöglicht schnellere Reaktionen auf Veränderungen im Markt und in der Liefer-
kette. Fertigungsanlagen können selbst auf kundenindividuelle Vorgaben reagieren.
Je nach Anwendungszweck stehen eine Vielzahl von CPS-Systemen zeitlich begrenzt un-
tereinander im Austausch. Ein Cyber-Physisches System muss somit in der Lage sein,
aktiv Dienste mit anderen Systemen zu teilen. Entscheidungen werden dezentral, d. h. lo-
kal vom Cyber-Physischen System getroffen, basieren dabei auf der Einschätzung der je-
weiligen aktuell vorliegenden Situation und werden stetig durch einen kooperativen Lern-
prozess verbessert (Zhou et al. 2013). Um die Schnittstellenfunktion zwischen der realen
und virtuellen Welt zu erfüllen, müssen Cyber-Physische Systeme in der Lage sein, mit
Menschen und Dingen zu interagieren. Die Erkennung und Interpretation menschlichen
Verhaltens sowie die interaktive Abstimmung zwischen dem System und einzelnen Per-
sonen oder Gruppen erfordert das Vorhandensein solcher Schnittstellen (Schirner et al.
2013).
Dienstleistungen 4.0 17

3.4 Ausgestaltung der Anbieter-Kunde-Transformation


bei Dienstleistungen 4.0
Aufbauend auf den genannten technischen Veränderungen in Form von digitalen Plattfor-
men ist ein marktbezogener Wandel festzustellen, der sich in den Anwendungslösungen
von Dienstleistungen 4.0 widerspiegelt, also in neuen (digitalen und servicebasierten) Ge-
schäftsmodellen. Immer öfter wird nicht nur auf den Verkauf von (smarten) Produkten
abgezielt, sondern auch darauf, sie als Bestandteil integrierter Dienstleistungslösungen an-
zubieten. Die Verlagerung der Wertschöpfung von einer Produktwertschöpfung hin zu ei-
ner Servicewertschöpfung.
Mögliche Geschäftsmodelle von Dienstleistungen 4.0 können in Anlehnung an die Mo-
delle der Servicetransformation bzw. Servitization abgeleitet werden (vgl. hierzu auch
Bruhn et al. 2015) (vgl. Abbildung 4):
„ Bei produktorientierten Geschäftsmodellen ist das (intelligente) Produkt des Anbie-
ters die Kernleistung. Die Dienstleistung hängt inhaltlich mit der Kernleistung unmit-
telbar zusammen. Je nach Entwicklungsschritt bietet der Anbieter zusätzlich zu seiner
originären Leistung immaterielle Leistungen, mit dem Ziel, den Absatz der Kernleis-
tung zu fördern, die Produktivität des Produkts zu steigern und/oder über den gesam-
ten Produktlebenszyklus Umsatz zu erzielen. So werden z. B. neue Angebote zur in-
telligenten, vernetzten Echtzeit-Zustandsüberwachung von Güterwagen entwickelt.
Diese Echtzeit-Zustandsüberwachung ermöglicht Funktionen wie eine exakte Loka-
lisierung der Waggons, Informationen über die Transportbedingungen der Ladung,
das Erkennen von Erschütterungen beim Rangieren und das Aufzeichnen der gefah-
renen Kilometer eines Waggons für eine kilometerabhängige und zustandsbasierte
Wartung (Rüsing 2016).
„ Ein weiteres Geschäftsmodell stellen Systemlösungen dar. Das Ziel des Systemlö-
sungsanbieters ist das Angebot eines kompletten Leistungsbündels aus einer Hand, d.
h. der Systemlösungsanbieter erweitert sein Produktangebot um eine Leistungsgaran-
tie, die z. B. durch die Digitalisierung in Form von Predictive Maintenance sicherge-
stellt werden kann.
„ Die nächste Stufe im Phasenmodell ist das dienstleistungsorientierte Geschäftsmo-
dell. Die Dienstleistung selbst stellt jetzt die eigentliche Kernleistung dar. So können
z. B. aufbauend auf den durch die CPS zur Verfügung gestellten Daten, Datenanaly-
sen als Dienste angeboten werden, die eine Optimierung entlang der Wertschöpfungs-
kette erlauben. Hier werden neue Kernkompetenzen aufgebaut und teilweise eigen-
ständige organisatorische Bereiche im Unternehmen geschaffen.
18 Manfred Bruhn und Karsten Hadwich

„ Das wertschöpfungsorientierte Geschäftsmodell bietet den digitalen Betrieb (und die


Vermarktung) von Prozessen als Dienstleistung an. So ist es z. B. denkbar, dass zu-
künftig echtzeitkritische Anwendungen, wie etwa die Produkthersteller-übergreifen-
de Maschinensteuerung eines Bearbeitungszentrums als Dienst über eine Plattform
ablaufen. Hierbei verändert sich die klassische Kunden-Anbieter-Beziehung und der
Anbieter agiert als Partner für einen Teil der kundenseitigen organisationalen Wert-
schöpfung.

hoch

gering

hoch hoch

Integrationsgrad des Leistungsangebotes


Interaktion der Anbieter-Partnerschaft

IV.
II.
Wert-
Systemlösungs-
schöpfungs-
orientiertes
orientiertes
Modell 4.0
Modell 4.0

I. III.
Produkt- Dienstleistungs-
orientiertes orientiertes
Modell 4.0 Modell 4.0
gering gering

hoch

Individualität des Leistungsangebotes

Abbildung 4: Geschäftsmodelle von Dienstleistungen 4.0


(Quelle: in Anlehnung an Bruhn et al. 2015, S. 60)

Die Realisierung dieser Anwendungslösungen von Dienstleistungen 4.0 setzt sowohl beim
Kunden als auch beim Anbieter Transformationsprozesse auf der Ebene der digitalen
Technologien, der innovativen Geschäftsmodelle sowie der Organisation voraus.
Auf der Kundenseite sind die Fähigkeiten, die Ressourcen und eine Akzeptanz für den
Einsatz und die Nutzung von neuen digitalen Technologien zu schaffen. Innovative Ge-
schäftsmodelle werden zahlreiche Änderungen des Kommunikations- und Nutzungsver-
halten mit sich bringen, sodass eine Aufgabe für den Anbieter darin bestehen kann, den
Kunden bzw. die Mitarbeiter des Kundenunternehmens im Hinblick auf Technologiekom-
petenzen zu qualifizieren. Die Ressourcen betreffen insbesondere die technologischen Vo-
raussetzungen für den Einsatz von Dienstleistungen 4.0, d. h. es sind z. B. smarte Objekte
beim Kunden notwendig. Letztlich sind Akzeptanzbarrieren zu berücksichtigen, die sich
zum einen aus der grundsätzlichen Technologieaversion bzw. -affinität des Kunden ergibt
Dienstleistungen 4.0 19

und zum anderen auch durch die Datenschutzbedenken von Kunden bestimmt werden.
Insgesamt ist festzuhalten, dass erhebliche Veränderungsprozesse beim Kunden bzw. in
der Kundenorganisation notwendig sind, deren Ausmaß die Offenheit des Kunden für die
Digitalisierung bestimmen werden.
Auf der Anbieterseite sind ebenfalls technologische Fähigkeiten und Ressourcen aufzu-
bauen und Voraussetzungen für die Entwicklung von innovativen Geschäftsmodellen zu
schaffen. Dazu gehören neben entsprechend qualifizierten Mitarbeitern die Etablierung
von Innovationsstrukturen und -prozessen in der Organisation. Dies erfordert auch beim
Anbieter einen Transformationsprozess, der nicht nur die eigene Organisation betrifft,
sondern auch den Aufbau von Partnernetzwerken.

3.5 Marktreaktion und Outcome der Transformationsprozesse bei


Dienstleistungen 4.0
Im Rahmen der Ausgestaltung der Dienstleistungen 4.0 ist auch die kundenseitige Akzep-
tanz von Dienstleistungen 4.0 zu berücksichtigen. Die Bestimmungsfaktoren der kunden-
seitigen Akzeptanz von Dienstleistungen 4.0 lassen sich in Anlehnung an die traditionelle
Adoptionsforschung zum einen im Nutzen, der Bedienungsfreundlichkeit, dem Aufwand
und dem wahrgenommenen Risiko der Dienstleistungen 4.0 sehen. Zum anderen werden
Innovationseigenschaften der Dienstleistungen 4.0, wie der relative Vorteil, die Kompati-
bilität, die Komplexität, die Testbarkeit und die Kommunizierbarkeit der Dienstleistungen
4.0 von Bedeutung sein. Schließlich wird die Akzeptanz von der Digitalisierungsbereit-
schaft und -abneigung der Kunden beeinflusst.
Die Akzeptanz von Dienstleistungen 4.0 bei den Kunden stellt die Voraussetzung der an-
bieterseitigen Skalierung der Dienstleistungen 4.0 dar. Die Diffusion der Dienstleistungen
4.0 ist nicht nur unmittelbar ein Treiber des ökonomischen Erfolgs, bei vielen Dienstleis-
tungen 4.0 liegen Netzeffekte vor, d. h., dass der Nutzen einer Dienstleistung 4.0 mit der
zunehmenden Zahl der Nutzer steigen kann. Die Dienstleistung 4.0 gewinnt also an At-
traktivität für den Kunden, z. B. wenn mit zunehmender Zahl der Nutzer auch die zugrun-
deliegende Datenmenge steigt und daraus abgeleitete Prognosen (z. B. Verkehrsstaus) bes-
ser werden. Die Diffusion der Dienstleistungen 4.0 wird hierdurch zu einem mittelbaren
Treiber des ökonomischen Erfolgs.
Die Akzeptanz und zunehmende Verbreitung von Dienstleistungen 4.0 ermöglichen dann
eine gemeinsame Wertgenerierung für Kunden und Anbieter (Outcome):
„ Der Outcome zeigt sich zum einen als Customer Value aus Anbietersicht. Dieser
ergibt sich aus den kundenbezogenen Kosten und Erlösen von Dienstleistungen 4.0.
„ Zum anderen resultiert der Outcome aus Kundensicht in einem Service Value, der die
kundenseitigen Kosten und Nutzenwirkungen von Dienstleistungen 4.0 abbildet.
20 Manfred Bruhn und Karsten Hadwich

Von Unternehmensseite impliziert dies in erster Linie die Befriedigung von Kundenbe-
dürfnissen, aber auch das Lösen von Kundenproblemen sowie die generelle Unterstützung
des Kunden.
Eine Analyse der zentralen Aufgaben der Transformationsprozesse von Dienstleistungen
4.0 stellt die Grundlage und den Bezugsrahmen für eine umfassende Betrachtung der re-
levanten Entscheidungstatbestände dar. Bei einer entscheidungsorientierten Perspektive
ist es in diesem Zusammenhang zweckmäßig, auf der Basis eines Management- und Pla-
nungsprozesses sich systematisch und professionell mit der Analyse und Gestaltung von
Dienstleistungen 4.0 zu beschäftigen.

4. Management von Dienstleistungen 4.0

4.1 Planungsprozess des Managements von Dienstleistungen 4.0


Im der marktorientierte Unternehmensführung hat sich zur Lösung verschiedener Aufga-
benbereiche eine bestimmte marktorientierte Entscheidungssystematik bewährt. Deshalb
liegt es nahe, diese Systematik auch dem Management von Dienstleistungen 4.0 zugrunde
zu legen. Das Management von Dienstleistungen 4.0 erfordert somit ein systematisches
Entscheidungsverhalten, das sich durch einen Managementprozess mit den klassischen
Phasen der Analyse, Planung, Durchführung und Kontrolle realisieren lässt. Vor diesem
Hintergrund wird das Management von Dienstleistungen 4.0 wie folgt definiert:
Das Management von Dienstleistungen 4.0 umfasst die systematische Analyse, Planung,
Durchführung und Kontrolle von Maßnahmen, die sich auf die marktgerechte Entwick-
lung und Implementierung von Dienstleistungen 4.0 beziehen; mit der Absicht, Wettbe-
werbsvorteile im Markt zu generieren, um damit die Unternehmens- und Marketingziele
zu realisieren.
Im Einzelnen lassen sich folgende Phasen im Management von Dienstleistungen 4.0 dif-
ferenzieren: Analysephase, Strategische Steuerungsphase, Operative Steuerungsphase,
Umsetzungsphase, Kontrollphase (vgl. Abbildung 5).
Dienstleistungen 4.0 21

Analysephase
Situationsanalyse
Beurteilung und Auswahl
Technologieanalyse Kundenanalyse Serviceanalyse von Technologie, Services
und Kunden
Kundensegmentierung

Strategische Steuerungsphase
Ableitung von Zielen und Strategien
Strategische Ausrichtung
von Dienstleistungen 4.0
Geschäftsfeldstrategie Markteilnehmerstrategie Programmstrategie

Operative Steuerungsphase
Ableitung von Marketingmaßnahmen
Operative Gestaltung
von Dienstleistungen 4.0
Produkt- Preis- Kommunika- Vertriebs- Personal-
politik politik tionspolitik politik politik

Transformationsphase
Veränderung der Strukturen und Kultur
Transformation zum
Dienstleister 4.0
Schaffung der strukturellen Schaffung der kulturellen
Voraussetzungen Voraussetzungen

Kontrollphase
Monitoring des Erfolgs
Controlling von Dienstleistungen 4.0 von Dienstleistungen 4.0

Abbildung 5: Planungsprozess des Managements von Dienstleistungen 4.0

In der Analysephase erfolgt die Gewinnung, Analyse und Aufbereitung der für die weitere
Planung von Dienstleistungen 4.0 notwendigen Informationen und Daten. Hierzu gehören
Informationen über Kundenbedürfnisse, technologische Entwicklungen, Konkurrenzan-
gebote sowie bisherige (Miss-)Erfolge von bereits eingeführten Dienstleistungen 4.0. Ein
derartiges Vorgehen schafft das Risiko von Fehlentscheidungen zwar nicht ab, trägt aber
zu dessen Minimierung bzw. zur Maximierung der Planungssicherheit bei. Darüber hinaus
ist diese Phase aber nicht alleine ein analytischer, sondern auch vor allem ein kreativer
Prozess, der für den Markt neue Ideen für Innovationen generieren soll. Aus diesen Grün-
den steht die Analysephase am Anfang des Planungsprozesses des Managements von
Dienstleistungen 4.0 und dient im Weiteren als Basis für die strategische Planung Dienst-
leistungen 4.0.
Die strategische Steuerungsphase dient der Festlegung der strategischen Stoßrichtung des
Managements von Dienstleistungen 4.0. Die Bestandsaufnahme in der Analysephase dient
als Grundlage für die Ableitung von Zielen, die durch neue digitale Dienstleistungen zu
realisieren sind. Dabei ist auf eine geeignete Segmentierung von Nachfragern und eine
segmentspezifische Differenzierung der Ziele zu achten. Durch die Entwicklung von Stra-
tegien für Dienstleistungen 4.0 wird festgelegt, wie die Ziele zu erreichen sind. Aufgrund
der großen Risiken werden dabei oft mehrere Szenarien berücksichtigt und entsprechend
alternative Strategieoptionen gleichzeitig verfolgt.
22 Manfred Bruhn und Karsten Hadwich

Die instrumentelle Umsetzung erfolgt in der operativen Steuerungsphase. Die operativen


Maßnahmen lassen sich in Aktivitäten der Entwicklung und der marktseitigen Implemen-
tierung von Dienstleistungen 4.0 differenzieren. Dabei zeigt sich, dass das Experimentie-
ren mit Ideen die Kreativität und Innovationskultur fördert und Innovationen fördert, die
nicht nur neu für das Unternehmen, sondern auch für den Markt sind.
Die Durchführung der festgelegten Maßnahmen erfolgt in der Umsetzungsphase. Hierbei
steht eine Anpassung der Strukturen und Kultur des Unternehmens im Vordergrund mit
dem Ziel, die unternehmensinternen Voraussetzungen für die marktgerechte Entwicklung
und Implementierung von digitalen Dienstleistungen zu schaffen.
Schließlich dient die Kontrollphase einem umfassenden Controlling der Aktivitäten des
Managements von Dienstleistungen 4.0. Es wird geprüft, ob die geplanten Zielgrößen er-
reicht und Anpassungsmaßnahmen erforderlich sind.
Insgesamt ist hinsichtlich des entscheidungsorientierten Ansatzes festzuhalten, dass er das
Entscheidungsspektrum des Managements von Dienstleistungen 4.0 umfassend offenlegt.
Die Bereitstellung von Entscheidungshilfen ruft ein systematisches Entscheidungsverhal-
ten in der Planung von digitalen Dienstleistungen hervor und trägt somit in entscheiden-
dem Maße zur marktorientierten Unternehmensführung bei.
Im Folgenden werden Implikationen für das Management von Dienstleistungen 4.0 abge-
leitet. Dabei wird zur Strukturierung der damit verbundenen Aufgaben der dargestellte
entscheidungsorientierte Managementprozess zugrunde gelegt.

4.2 Analysephase des Managements von Dienstleistungen 4.0


Ausgangspunkt eines systematischen Entscheidungsprozesses stellt die Situationsanalyse
dar. Dabei sind die für die Entwicklung und Implementierung von Dienstleistungen 4.0
relevanten Einflussfaktoren aufzudecken und zu analysieren.
Zu den Chancen und Risiken von Dienstleistungen 4.0 zählen zum einen die technologi-
schen Entwicklungen. Vor diesem Hintergrund bestehen wesentliche Aufgaben in der Be-
obachtung technologischer Entwicklung sowie in der Bewertung von Technologiepoten-
zialen im Hinblick auf deren Einsatz für Dienstleistungen 4.0. Nicht alle Dienstleistungen
sind gleichermaßen für die Digitalisierung geeignet. Bei einigen Dienstleistungen, wie z.
B. im Private Banking, ist der Ersatz der Mitarbeiter durch Interaktionstechnologien
schwieriger umsetzbar. Insgesamt ist die Digitalisierung bei Dienstleistungen mit einem
hohen bzw. geringen Immaterialitäts-, Integrations-, Interaktions- und Individualisie-
rungsgrad schwieriger bzw. einfacher auszugestalten. Daher erfordert die Entwicklung
und Implementierung von digitalen Dienstleistungen die vorangehende Analyse und Prü-
fung der Eignung der jeweiligen Dienstleistung. Weiterhin stellt die Wettbewerbersitua-
tion eine Rahmenbedingung dar. Ein Orientierungspunkt für viele Anbieter ist der Tech-
nologieeinsatz der Wettbewerber. Durch eine Wettbewerbsanalyse lässt sich erkennen, ob
eine bestimmte Technologie einen Wettbewerbsvorteil schaffen kann, oder eingesetzt
Dienstleistungen 4.0 23

werden muss, um keinen Wettbewerbsnachteil zu erleiden, oder nicht eingesetzt sollte,


weil Wettbewerber mit der Technologie Misserfolg hatten. Die umweltbezogene Analyse
betrifft die Sichtweise anderer externer Stakeholder neben dem Kunden, die einer Tech-
nologieimplementierung im Wege stehen können. Hier ist in erster Linie an die Gesetzge-
bung zu denken, die in verschiedener Hinsicht (z. B. Datenschutz) den Einsatz bestimmter
Technologien behindern kann. Schließlich beeinflussen Kunden wesentlich den Erfolg der
Entwicklung und Implementierung von digitalen Dienstleistungen; vor allem durch ihren
Bedarf und ihre Anforderungen an digitalen Dienstleistungen sowie ihre Bereitschaft, das
Dienstleistungsangebot zu nutzen. Die Analyse von Bedarf und Bedürfnissen sowie der
kundenseitigen Barrieren ist demnach eine zentrale Aufgabe der Chancen-Risiken-Ana-
lyse.
Schließlich sind die Stärken und Schwächen des Unternehmens hinsichtlich der Entwick-
lung und Implementierung von digitalen Dienstleistungen zu evaluieren. Die Einführung
eines neuen digitalen Serviceangebotes macht den Einsatz personeller, finanzieller, orga-
nisatorischer und technologischer Ressourcen notwendig. Auch sind die die internen Bar-
rieren zu betrachten. Oft kommt es z. B. zu Problemen bei der Technologieintegration,
wenn die verschiedenen Systeme nicht kompatibel sind. Ferner stellen die Mitarbeiter ein
mögliches Problemfeld bei der Technologieimplementierung dar. Vergleichbar mit den
Kunden können Akzeptanzprobleme auf Mitarbeiterseite in Bezug auf die Digitalisierung
bestehen, die eine interne Implementierung der jeweiligen Technologie deutlich erschwe-
ren. Die Analyse von internen Ressourcen sowie interner Barrieren ist demnach eine zent-
rale Aufgabe der Stärken-Schwächen-Analyse.
Im Rahmen der Analysephase des Managements von Dienstleistungen 4.0 stellt sich auch
die Frage nach geeigneten Methoden zur Analyse des Marktes und Fundierung von stra-
tegischen und operativen Entscheidungen. Dabei sind neben den klassischen Methoden
der Marketingforschung (z. B. Expertenbefragungen, Testverfahren, Trendextrapolatio-
nen, Bedarfsanalysen u. a. m.) auch spezielle Methoden einzusetzen (z. B. Tipping Point-
Analysen, Stresstest, Szenarioanalysen, Simulationen), die auf Veränderungsprozesse
beim Anbieter und Nachfrager abzielen.
Durch die Digitalisierung ergeben sich zahlreiche neue Analysemethoden und Anwen-
dungsbereiche. Vor diesem Hintergrund behandeln im zweiten Teil von Band 1 der Sam-
melbände sechs Beiträge den Einsatz von spezifischen Methoden im Kontext von Dienst-
leistungen 4.0:
Herbert Michael Richter und Martin Tschandl diskutieren in ihrem Beitrag das Service
Engineering als Methode zur erfolgreichen Gestaltung und Umsetzung von neuen (hybri-
den) Services unter Einsatz von Industrie 4.0-Technologien. Neue, produktbezogene Ser-
vices (hybride Produkte) werden immer wichtiger, sollen doch damit zusätzliche Gewinne
erzielt und die Bindung der Kunden an Hersteller langfristig gesichert werden. Notwen-
dige Voraussetzungen im Service Engineering sind Kreativität und eine ingenieurmäßige
Umsetzung von Serviceideen sowie die Anwendung spezieller Methoden und Werkzeuge.
Ein Reifegradmodell mit Servicebeispielen und Business Cases gibt Hilfestellung bei der
24 Manfred Bruhn und Karsten Hadwich

Planung von Servicestrategien. Mit neuen Industrie 4.0-Technologien werden innovative


Services mit neuen Geschäftsmodellen lukrativ durchführbar.
Angela Roth, Benedikt Höckmayr und Kathrin Möslein befassen sich in ihrem Beitrag mit
der Digitalisierung als Treiber für Faktenbasiertes Service-Systems-Engineering. Digita-
lisierung eröffnet mannigfaltige Innovationspotenziale, insbesondere für kleine und mitt-
lere Unternehmen (KMU) aus dem produzierenden Bereich und unterstützenden Sektoren.
Demgegenüber stehen jedoch auch Herausforderungen, denen Mittelständler in ihrer Rolle
in unternehmensübergreifenden Netzwerken begegnen können. Der vorliegende Beitrag
beschäftigt sich daher mit der Möglichkeit, mit Hilfe von Industrial Data Clouds und Fak-
tenbasiertem Service-Systems-Engineering Potenziale von Digitalisierung zu realisieren
und Herausforderungen zu begegnen.
Christian Arnold und Martin Reckenfelderbäumer setzen sich mit dem Context-Aware
Computing auseinander. Die zunehmende Verbreitung smarter, lernfähiger, sich selbstän-
dig vernetzender und zur Interaktion befähigter Informationstechnologien kann disruptive
Veränderungsprozesse auslösen, da diese imstande sind, unauffällig Aufgaben zu über-
nehmen und ubiquitär Service durchzuführen. Context-Aware Computing gestattet weit-
reichende Einblicke in den Kontext des Serviceempfängers, geht aber auch mit einem um-
fassenden Eindringen in dessen Privatsphäre einher. Dies mag mit dem Risiko der
Offenlegung oder Aufdeckung verbunden sein, was negative Effekte auf Seiten der Ser-
viceempfänger auslösen könnte.
Mischa Seiter und Caroline Rosentritt diskutieren Service Analytics als Ansatz zur Wei-
terentwicklung des Dienstleistungsmanagements. Die zunehmende Datenverfügbarkeit
ermöglicht es, die Informationsgrundlage des Dienstleistungsmanagements wesentlich zu
verbessern. Voraussetzung ist der korrekte Einsatz der Instrumente des Business Analytics
zur Lösung der Fragestellungen im Dienstleistungsmanagement (Service Analytics). Vor
dem Hintergrund werden in dem Beitrag das Einsatzfeld der Service Analytics abgegrenzt,
das mögliche Instrumentarium vorgestellt und beispielhaft Aufgaben des Dienstleistungs-
managements zugeordnet.
Ellen Weber setzt sich in ihrem Beitrag mit dem Einsatz von intelligenten Sprachanalyse-
technologien zur Förderung einer positiven Kunden-Mitarbeiter-Interaktion auseinander.
Der Kunden-Mitarbeiter-Interaktion wird im Dienstleistungsprozess eine zentrale Bedeu-
tung zugeschrieben, da sie einen starken Einfluss auf den Erfolg einer Dienstleistung hat.
Die Technisierung und Digitalisierung eröffnen neue Möglichkeiten in Bezug auf die Ana-
lyse von Interaktionen zwischen Kundenkontaktmitarbeitern und Kunden. Das Einsatzpo-
tenzial der quantitativen, automatisierten Sprachanalyse im Servicekontext wird konzep-
tionell und theoretisch fundiert untersucht sowie kritisch überprüft. Dabei wird der Frage
nachgegangen, inwiefern die Sprachanalyse als ein wirkungsvolles Instrument zur Förde-
rung einer positiven Kunden-Mitarbeiter-Interaktion anzusehen ist.
Armin Töpfer, Niels Delater, Steffen Silbermann und Anne Maertins entwickeln in ihrem
Beitrag ein Instrument zur Steuerung der Servicequalität in Echtzeit. Zur Messung der
Dienstleistungen 4.0 25

Servicequalität steht bereits eine Reihe unterschiedlicher Erhebungsmethoden zur Verfü-


gung. Allerdings lassen diese bei Fehlentwicklungen der gemessenen Servicequalität
NHLQHNXU]IULVWLJH 8QWHUQHKPHQVUHDNWLRQ]X6LHHQWVSUHFKHQGDPLWHKHUGHP Ä%OLFNLQ
GHQ5FNVSLHJHO³0LWGHPHUJlQ]HQGHQ,QVWUXPHQWDULXPGHU6HUYLFHqualität in Echtzeit
(SQE)® wird die Zufriedenheit der Kunden, bezogen auf einzelne Serviceerlebnisse, kon-
tinuierlich direkt nach dem Kundenkontakt erhoben. Bei Servicedefiziten wird Hand-
lungsbedarf ohne Zeitverzug erkannt und ermöglicht eine kundenindividuelle Sofortreak-
tion des Unternehmens. Für eine erfolgreiche Einführung von derartigen Quick-Response-
Befragungen sind wesentliche Eckpfeiler zu realisieren.
Eine weitere Aufgabe in der Analysephase des Managements von Dienstleistungen 4.0
besteht in der Kundensegmentierung unter digitalen Aspekten. Unter Kundensegmentie-
rung ist die Aufteilung sämtlicher potenzieller und aktueller Kunden in bezüglich ihrer
Marktreaktion intern homogene und extern heterogene Untergruppen zu verstehen, deren
Bearbeitung nach einem oder mehreren Kundensegmenten erfolgen kann. Zweck der Kun-
densegmentierung ist es somit, Unterschiede zwischen den Nachfragern von Dienstleis-
tungen 4.0 offenzulegen und daraus Schlussfolgerungen im Hinblick auf ein differenzier-
tes Angebot von Dienstleistungen 4.0 zu ziehen. Als Segmentierungskriterien sind für die
Entwicklung und Implementierung von digitalen Dienstleistungen insbesondere die Tech-
nologieerfahrung und die Technologiebereitschaft der potenziellen Servicenachfrager ge-
eignet, da sie Nachfrager anhand ihres Verhaltens in Bezug auf neue Technologien be-
rücksichtigen.
Zahlreiche Studien haben sich vor diesem Hintergrund mit der Segmentierung von digita-
len Nutzertypen befasst. So unterscheidet beispielsweise die Studie von Initiative D21
(2016) sechs digitale Nutzertypen basierend auf den vier Dimensionen Zugang, Kompe-
tenz, Nutzung und Offenheit: Abseitsstehende Skeptiker, Konservative Gelegenheitsnut-
zer, Vorsichtige Pragmatiker, Reflektierte Profis, Progressive Anwender und Technik-En-
thusiasten. In der Studie wurde u. a. festgestellt, dass der Anteil der konservativen
Gelegenheitsnutzer seit 2013 zugenommen hat, während der Anteil der progressiven An-
wender und der vorsichtigen Pragmatiker abgenommen hat. Immer mehr Menschen schei-
nen gerade so mit der Digitalisierung und den ständig neuen Technologien und Anwen-
dungen mithalten zu können und beschränken sich daher bei der Nutzung auf für sie
bekannte Geräte und Internetdienste (Initiative D21 2016).
Im Hinblick auf solche digitalen Nutzertypen sind im Weiteren die Strategien und opera-
tiven Maßnahmen zu den Dienstleistungen 4.0 zu differenzieren.
26 Manfred Bruhn und Karsten Hadwich

4.3 Ableitung von Zielen und Strategien von Dienstleistungen 4.0


Im Rahmen der strategischen Planung von Dienstleistungen 4.0 sind zunächst die mit den
Dienstleistungen 4.0verfolgten Ziele festzulegen. Die Definition von Zielen stellt einen
wesentlichen Aufgabenbereich eines strategisch verankerten Managements von Dienst-
leistungen 4.0 dar. Dabei lassen sich unternehmens- und kundenbezogene Ziele unter-
scheiden. Unternehmensbezogene Ziele von technologiebasierten Serviceinnovationen
sind in ökonomischer Hinsicht insbesondere Kosten- und Ertragsziele. Weitere potenzielle
Ziele sind die Steigerung der Kundenzufriedenheit, die Erschließung neuer Märkte sowie
die Sicherung bzw. Verbesserung der Wettbewerbsposition. Kundenbezogenen Zielen las-
sen sich entlang der Erfolgskette von Dienstleistungen 4.0 definieren. Hierzu zählen z. B.
die Erst- und Wiedernutzung von digitalen Dienstleistungen sowie die damit verbundenen
Qualitätsziele.
Unter einer Strategie für Dienstleistungen 4.0 wird ein bedingter, langfristiger, globaler
Verhaltensplan zur Erreichung der Ziele von Dienstleistungen 4.0 verstanden. Strategien
dienen der Fokussierung von Maßnahmenpaketen für die Entwicklung und Implementie-
rung von Dienstleistungen 4.0. Aus strategischer Sicht lassen sich drei Entscheidungsbe-
reiche unterscheiden: die Festlegung einer Geschäftsfeldstrategie, einer Marktteilneh-
merstrategie und einer Serviceprogrammstrategie.
Im Rahmen der Geschäftsfeldstrategie sind Festlegungen insbesondere im Hinblick auf
die erreichbaren Wettbewerbsvorteile zu treffen. Jedes Unternehmen, das langfristig er-
folgreich sein will, muss Leistungsangebote entwickeln und anbieten, die die Bedürfnisse
ausreichend großer Marktsegmente besser befriedigt als die Konkurrenz. Zugleich muss
dies den Kunden auch glaubhaft übermittelt werden. In einem ersten Schritt ist daher fest-
zulegen, auf welche Weise der Einsatz von Dienstleistungen 4.0 zur Generierung von
Wettbewerbsvorteilen beitragen kann. Als Wettbewerbsvorteile bieten sich insbesondere
an: Qualitätsvorteile (z. B. hinsichtlich der Aktualität von Informationen), Innovations-
vorteile (z. %JHJHQEHUGHUÄ2IIOLQH³-Konkurrenz), Kostenvorteile (z. B. durch Anbieten
von FAQ´s) oder Zeitvorteile (z. B. hinsichtlich der Schnelligkeit der Leistungsbereitstel-
lung). Die Erreichung eines der genannten Wettbewerbsvorteile setzt voraus, dass die re-
levanten Qualitätsdimensionen der Kunden systematisch analysiert und bei der techni-
schen und inhaltlichen Umsetzung der Dienstleistungen 4.0 berücksichtigt werden. In
diesem Zusammenhang sind entsprechende dienstleistungsbasierte Geschäfts- und Wert-
schöpfungsmodelle von Dienstleistungen 4.0 zu entwickeln.
Mit dienstleistungsbasierten Geschäftsmodellen 4.0 befassen sich fünf Beiträge im ersten
Teil des zweiten Bands der Sammelbände:
Pascal Bühler und Peter Maas befassen sich mit der Transformation von Geschäftsmo-
dellen in einer digitalisierten Welt. Die digitale Transformation beschreibt den disruptiven
Wandel der Märkte und führt zu einem akuten Transformationsbedarf etablierter dienst-
leistungsbasierter Geschäftsmodelle. Der Beitrag ergründet, über welche Prozesse techno-
logische Entwicklungen zu einer Transformation der Märkte führen und beschreibt die
Implikationen auf etablierte dienstleistungsbasierter Geschäftsmodelle. Damit wird die
Dienstleistungen 4.0 27

Grundlage geschaffen, um Führungskräften eine Orientierung zu bieten, welche strategi-


schen Entscheidungen im Rahmen des Re-Designs des Geschäftsmodells getroffen wer-
den müssen.
Johannes Winter diskutiert die Plattformökonomie aus einer internationalen Perspektive
im Vergleich von Europa, USA und China. Der Beitrag zeigt, dass datengetriebene, dis-
ruptive Geschäftsmodelle auf dem Vormarsch sind und etablierte Akteure herausfordern.
Europäische Unternehmen sollten den Einstieg in die Plattformökonomie forcieren, um
nicht zu Zulieferern von Plattformanbietern degradiert zu werden.
Jens Pöppelbuß und Carolin Durst entwickeln in ihrem Beitrag die Smart Service Canvas
als Werkzeug zur strukturierten Beschreibung und Entwicklung von Smart Service-Ge-
schäftsmodellen. Aufbauend auf der Value Proposition Canvas umfasst sie insgesamt vier
Bereiche: die Kundensicht, die Wertschöpfungssicht, die Ökosystemsicht sowie den Fit
der zuvor genannten Sichten. Die Verwendung der Smart Service Canvas wird anhand
eines realen Smart Service-Beispiels aus dem Industriesektor illustriert.
Esther Bollhöfer, Cornelius Moll und Christian Lerch beschäftigen sich mit der Bewer-
tung von digitalen Dienstleistungskonzepten im Verarbeitenden Gewerbe, die einen Bei-
trag zu Dienstleistung 4.0 in der Industrie leisten. Es werden Erkenntnisse aus der Literatur
zur Entstehung digitaler Dienstleistungskonzepte dargelegt und der aktuelle Umsetzungs-
stand in der Praxis näher beleuchtet. Darüber hinaus wird ein methodischer Ansatz vorge-
stellt, wie Potenziale digitaler Dienstleistungskonzepte im Rahmen einer unternehmeri-
schen Entscheidung systematisch beurteilt und gemessen werden können.
Amelie Krebs, Michael Hepp und Karsten Hadwich analysieren die Erfolgsfaktoren für
die Integration wissensintensiver Dienstleistungen. Im Zentrum steht das so genannte
Dienstleistungsorientierte Geschäftsmodell der Servicetransformation. Dabei handelt es
sich um eine von vier möglichen strategischen Stoßrichtungen für produzierende Unter-
nehmen in Richtung Dienstleistungen. Mittels Tiefeninterviews werden 30 Erfolgsfakto-
ren für die Integration des Geschäftsmodells mit Fokus auf wissensintensive Dienstleis-
tungen identifiziert. Auf Basis einer anschließenden Charakterisierung werden
Implikationen für die Praxis abgeleitet.
Darüber hinaus wird die Frage der Wertschöpfung durch Dienstleistungen 4.0 von vier
Beiträgen im zweiten Teil der Sammelbände behandelt:
Stefanie Paluch setzt sich in ihrem Beitrag mit Smart Services auseinander und beschäftigt
sich mit strategischen und operativen Auswirkungen bei der Erstellung von Smart Service-
Angeboten. Dazu wird das Smart Service-Ökosystem als Bezugsrahmen vorgestellt und
die Komponenten dieses Systems sowie ihre Interdependenz erläutert. Unterschiedliche
Anwendungsbeispiele zeigen die vielseitigen Einsatzbereiche im individuellen und indust-
riellen Kontext auf.
Andreas J. Reuschl und Ricarda B. Bouncken diskutieren Coworking-Spaces als neue Or-
ganisationsform in der Sharing Economy. Ziel ihres Beitrages ist es, das noch sehr junge
28 Manfred Bruhn und Karsten Hadwich

Forschungsgebiet der Coworking-Spaces vorzustellen und in der Sharing Economy zu


verorten. Zunächst werden die Grundlagen der Sharing Economy, deren Treiber und Ri-
siken diskutiert. Anschließend werden Coworking-Spaces und deren mögliche Ausprä-
gungen vorgestellt. Im Weiteren wird dargestellt, in welchen Spannungsfeldern sich die
Teilnehmer der Sharing Economy bewegen, wie Coworking-Spaces zu deren Lösung bei-
tragen.
Tim Senn behandelt in seinem Beitrag die Entwicklung von komplexen, digitalen Service-
Ökosystemen, im Rahmen derer Unternehmen mit anderen Unternehmen zusammenarbei-
ten, um strategische Wettbewerbsvorteile aufzubauen.
Norbert Bach, Maximilian Rimbach und Sebastian Wolf befassen sich in ihrem Beitrag
mit den Wertschöpfungspotenzialen durch Digitalisierung und analysieren die Kosten-
und Differenzierungstreiber von Dienstleistungen. Aufbauend auf die Triade der Ser-
vicestrategie nach Roth und Menor (2003), die technologischen Strukturmuster der Wert-
schöpfung nach Stabell und Fjeldstad (1998) sowie die technologischen Treiber der Digi-
talisierung als Enabler neuer Geschäftsmodelle (Fleisch et al. 2015) analysiert der Beitrag
für jedes der drei Strukturmuster Value Chain, Value Shop und Value Network die durch
die Digitalisierung hervorgerufenen Veränderungen der Werttreiber. Auf dieser Basis
werden Implikationen für das Management digitaler Dienstleistungsinnovationen abgelei-
tet.
Nach der Festlegung der Geschäftsfeldstrategie ist in einem zweiten Schritt über die
Marktteilnehmerstrategie zu entscheiden und festzulegen, welche Marktbearbeitungsstra-
tegie für den Einsatz von Dienstleistungen 4.0 besonders geeignet sind. Die Marktbear-
beitung kann generell undifferenziert, differenziert oder aber als Segment-of-One erfol-
gen. Hier ist somit festzulegen, ob mit standardisierten Dienstleistungen 4.0 die breite
Masse Nachfragern oder aber mit individualisierten Dienstleistungen 4.0 eher einzelne
Kunden bedient werden sollen. Grundsätzlich bietet die Digitalisierung sehr viele Poten-
ziale für die Kommunikations- und Leistungsindividualisierung.
Eine dritte Strategiedimension bildet die Entscheidung über das Einsatzfeld von Dienst-
leistungen 4.0, insbesondere deren programmpolitische Einbindung. In Abhängigkeit da-
von, ob zu der neuen digitalen Dienstleistung HLQÄNODVVLVFKHV³6HUYLFHSHQGDQW(Dienst-
leistungen 1.0 bis 3.0) bereits vorliegt oder ein vollkommen neuer Service geschaffen
wird, ergeben sich vier programmpolitische Optionen (vgl. Abbildung 6):
(1) Servicesubstitution: Die erste Kombinationsmöglichkeit ist gekennzeichnet durch ein
vorhandenes Angebot an klassischen Services, das durch ein neues digitales Service-
angebot ersetzt wird. Ein Beispiel hierfür ist die digitale Steuerung von Maschinen,
die die manuelle Steuerung ersetzt.
(2) Serviceunterstützung: Die zweite Kombinationsmöglichkeit ist dadurch charakteri-
siert, dass ein vorhandenes Angebot von klassischen Services durch digitale Dienst-
leistungen unterstützt wird. Als Beispiel hierfür kann das Angebot von Predictive
Maintenance angeführt werden, das manuelle Wartungsarbeiten unterstützt.
Dienstleistungen 4.0 29

(3) Serviceerweiterung: Die dritte Kombinationsmöglichkeit ist gekennzeichnet durch


das Angebot einer bestehenden digitalen Dienstleistung mit einer neuen nicht-digita-
len Dienstleistung. Ein Beispiel sind Consultingangebote, die auf Basis der digital
gewonnenen Daten beim Kunden erbracht werden können.
(4) Serviceinnovation: Die vierte Kombinationsmöglichkeit ist gekennzeichnet durch das
Angebot einer vollkommen neuen nicht-digitalen Dienstleistung in Kombination mit
einer vollkommen neuen digitalen Dienstleistung. Ein Beispiel hierfür sind Betreiber-
modelle.

Service- Service-
erweiterung innovation
Erweiterung des Vollkommen neue
Neu

Angebots durch neue klassische Services


Angebot von klassischen

klassische Service bei bei Unterstützung


Dienstleistungen

Unterstützung durch durch neue


bestehende Dienstleistungen 4.0
Dienstleistungen 4.0

Service- Service-
unterstützung substitution
Vorhanden

Unterstützung von Erweiterung bzw.


bestehenden Substitution von
klassischen Services bestehenden
durch bestehende klassischen Services
Dienstleistungen 4.0 durch neue
Dienstleistungen 4.0

Vorhanden Neu
Angebot von
Dienstleistungen 4.0

Abbildung 6: Matrix der Kombination von digitalen und nicht-digitalen


Dienstleistungen
(Quelle: in Anlehnung an Bruhn 2002a, S. 26)

In der Regel werden aufgrund der Unsicherheiten über die zukünftige Entwicklung der
Rahmenbedingungen nicht einzelnen Strategieoptionen ausschließlich verfolgt, sondern
alternative Strategieoptionen gleichzeitig bearbeitet, um Risiken zu vermeiden. Insofern
verläuft der Strategieprozess teilweise als Trial-and-Error-Prozess, in dem Unternehmen
mit den verschiedenen Optionen experimentieren, um zu lernen und erfolgreiche Muster
zu identifizieren.
30 Manfred Bruhn und Karsten Hadwich

4.4 Operative Instrumente von Dienstleistungen 4.0


Im Rahmen der operativen Steuerung von Dienstleistungen 4.0 ist es erforderlich, ein Mar-
ketingkonzept zu entwerfen, basierend auf einer systematischen Situations- und Zielgrup-
penanalyse ± bis hin zum Einsatz verschiedener Marketinginstrumente. Der Marketingmix
erhält entsprechend eine zentrale Bedeutung, um den Diffusionsprozess der neu angebo-
tenen digitalen Dienstleistung anzustoßen und voranzutreiben. Dabei ist es zweckmäßig,
bei dem Management von Dienstleistungen 4.0 zwischen einer Einführungs- und Durch-
setzungsphase zu unterscheiden. In der Einführungsphase befinden sich die Dienstleis-
tungsangebote in der Startphase, indem ausgewählte Kunden als Erstnutzer gewonnen und
zur Akzeptanz gebracht werden. In der Durchsetzungsphase wird durch eine Skalierung
eine breite Akzeptanz bei den Kunden angestrebt, um Wachstum zu erzielen. Beispiele für
verschiedene Marketinginstrumente in der Einführungs- und Durchsetzungsphase sind in
Abbildung 7 aufgezeigt.

Phasen Startphase Durchsetzungsphase


von Dienstleistung 4.0 von Dienstleistung 4.0
Instrumente Akzeptanz beim Kunden Skalierung für Anbieter

ƒ Kooperative Leistungs- ƒ Leistungsindividualisie-


Produktpolitik entwicklung rung
ƒ Leistungsgarantien ƒ Leistungsbündelung

ƒ Preisindividualisierung ƒ Preisbündelung
Preispolitik
ƒ Preisdifferenzierung ƒ Rabattsysteme

ƒ Persönliche
Kommunikations- ƒ Mediawerbung
Kommunikation
politik ƒ Online-Werbung
ƒ Dialogkommunikation

ƒ Breite Vertriebsorganisa-
ƒ Direkter Vertrieb
Vertriebspolitik tion
ƒ Vertriebsworkshops
ƒ Online-Vertrieb
ƒ Kundenansprache mit
ƒ Mitarbeiterflexibilisierung Nutzenargumentation
Personalpolitik
ƒ Empowerment ƒ Bildung von Mitarbeiter-
Kunden-Teams
Abbildung 7: Marketingmix für Dienstleistungen 4.0 im Überblick

Vor diesem Hintergrund behandeln im dritten Teil von Band 1 der Sammelbände sieben
Beiträge den Einsatz der operativen Instrumente von Dienstleistungen 4.0:
Hermann Simon befasst sich in seinem Beitrag mit dem Preismanagement in digitalen
Geschäftsmodellen. Digitale Geschäftsmodelle eröffnen zahlreiche neue Perspektiven für
Dienstleistungen 4.0 31

das Preismanagement. Pricing-Innovationen werden dabei aus verschiedenen Quellen ge-


speist. Bei vielen im Internet angebotenen Dienstleistungen sind die Grenzkosten gleich
Null oder nahe an Null, sodass größere Preisspielräume nach unten entstehen. Das Internet
beeinflusst die Preis- und Nutzentransparenz, woraus sich Auswirkungen auf den Wettbe-
werb ergeben. Eine große Rolle spielen neue Geschäftsmodelle wie Flatrates oder Free-
mium. Neue Sensor- und Messtechnologien erlauben andere Preismetriken, beispielsweise
Pay-per-Use-Modelle und ähnliche neuartige Formen der Monetarisierung.
Stefan Roth, Thomas Robbert und Lucas Pfisterer diskutieren in ihrem Beitrag die Mög-
lichkeiten servicezentrierter Preissysteme durch Digitalisierung. Die zunehmende Digita-
lisierung von Produkten und die neuen Möglichkeiten, Daten über deren Verwendung zu
generieren, erlauben es Anbietern vermehrt, ihr Preissystem an dem durch die Nutzung
entstehenden Wert für den Kunden auszurichten. Für ein solches Preissystem ist neben
einem detaillierten Verständnis von Nutzungsprozessen und dem Wert aus Kundensicht
vor allem die darauf aufbauende Auswahl einer geeigneten Bezugsgröße für das Preissys-
tem zentral. Der Beitrag strukturiert und diskutiert diese Themen und erörtert zudem da-
tenschutztechnische Fragestellungen.
Jan Drengner und Werner König entwickeln in ihrem Beitrag ein erlebniszentriertes De-
sign von E-Services am Beispiel einer Storytelling-App für touristische Attraktionen. Am
Beispiel einer Storytelling-App zur Vermittlung von Informationen im touristischen Kon-
text stellt der Beitrag einen Designprozess zur Entwicklung von erlebniszentrierten E-Ser-
vices vor. Dieser gewährleistet die Integration des Wissens des Anbieters über die Value
Co-Creation-Prozesse der potenziellen Anwender des geplanten E-Services in die Kon-
zeption und Programmierung der digitalen Dienstleistung. Der interdisziplinäre Beitrag
verknüpft Erkenntnisse der Marketingforschung, der Informatik und der Erzähltheorie
miteinander.
Marco Altpeter und Matthias H.J. Gouthier befassen sich mit der Kundenakzeptanz von
Beacons zur Umsetzung von Location-based Advertising. Neue Technologien, wie sie die
(Bluetooth-)Beacons darstellen, ermöglichen Werbetreibenden heute, ihre Kunden viel
zielgerichteter, d. h. zur richtigen Zeit und am richtigen Ort, mit relevanten Werbenach-
richten zu versorgen. In der wissenschaftlichen Literatur existieren bislang keine empiri-
schen Untersuchungen, die sich mit dieser Technologie befassen. In dem Beitrag werden
daher verschiedene Determinanten der Akzeptanz von Beacons für die Umsetzung von
Location-based Advertising aus Konsumentensicht identifiziert und mittels Strukturglei-
chungsmodellierung untersucht.
Josephine Dölz, Sascha Weiner und Florian U. Siems geben in ihrem Beitrag einen Über-
blick über die aktuelle Forschung zur digitalen Dialogkommunikation und diskutieren da-
bei die Eignung von digitalen, interaktiven Kommunikationsinstrumenten für den Einsatz
im Online-Kundenservice. Neu dabei ist, dass nicht nur die Anforderungen der Kunden
an die Servicequalität digitaler Kommunikationsangebote erörtert werden, sondern auch,
dass die Rolle des Servicemitarbeitenden eingehend Beachtung findet.
32 Manfred Bruhn und Karsten Hadwich

Michael Lachner, Armin R. Arnold und Florian von Wangenheim befassen sich in ihrem
Beitrag mit Mobile Push Notifications als einen neuen Interaktionskanal für Dienstleis-
tungsanbieter. Auf Basis der bestehenden Literatur zu Instrumenten des interaktiven Mar-
keting werden relevante Dimensionen zur Charakterisierung von Mobile Push Notifica-
tions abgeleitet. Des Weiteren werden Experten aus Wissenschaft und Praxis zu diesen
Dimensionen befragt. Aus den Ergebnissen werden Emfehlungen für den Einsatz von Mo-
bile Push Notifications abgeleitet.
Lisa-Charlotte Wolter, Sylvia Chan-Olmsted und Claudia Fantapié Altobelli analysieren
den Einsatz von Video in globalen Dienstleistungsnetzwerken am Beispiel von Twitter-
Nutzern auf mobilen Plattformen. Für globale Medienunternehmen ist das Verständnis des
Verhaltens und der Bedürfnisse der (lokalen) Nutzer unabdingbar für die Ausdehnung und
Weiterentwicklung von Medienprodukten. Die Autoren nehmen eine Bestandsaufnahme
des aktuellen Stands und der Entwicklungen im Hinblick auf die weltweite Nutzung von
mobilen und sozialen Medien vor und erarbeiten Lösungsvorschläge für die globale Posi-
tionierung von Marken sozialer Netzwerke (z. B. Twitter) mit einem Fokus auf das Ver-
halten deutscher Mediennutzer.

4.5 Transformation zum Dienstleister 4.0


Die Umsetzung des Managements von Dienstleistungen 4.0 erfordert die Anpassung des
Anbieters an eine veränderte Marktsituation. Neben der Veränderung von Vision und Mis-
sion sind die Überarbeitung der Marketingstrategien und -maßnahmen sowie die Anpas-
sung der Unternehmensorganisation notwendig. Wesentliche Aufgabe der Umsetzung von
Dienstleistungen 4.0 ist in der Überwindung der strukturellen, systembezogenen und kul-
turellen Barrieren zu sehen (Bruhn 2002b).
Die strukturbezogenen Barrieren betreffen Fragestellungen der organisatorischen Veran-
kerung der Entwicklung und Implementierung von digitalen Dienstleistungen im Unter-
nehmen sowie die Eignung der bestehenden Unternehmensstrukturen bzw. -hierarchien,
um Dienstleistung 4.0 zu entwickeln und im Markt durchzusetzen. Ansatzpunkte zur
Überwindung der Strukturbarrieren liegen in einer stärkeren Dezentralisierung, Koopera-
tions- und Prozessorientierung, Delegation und Selbstkontrolle seitens der Mitarbeiten-
den, Einführung temporärer Parallelstrukturen u. a. m.
Die systembezogenen Barrieren sind im Zusammenhang mit den bisherigen vorhandenen
Analyse-, Planungs- und Kontrollsystemen zu sehen. Sie entwickeln sich zu Barrieren,
wenn sie nicht in der Lage sind, die Herausforderungen bei der Entwicklung und Durch-
setzung von Dienstleistungen 4.0 zu bewältigen. In der Regel bedarf einer neuer Informa-
tions-, Kommunikations-, Steuerungs- und Personalmanagementsystem, um den Anfor-
derungen im Markt gerecht zu werden.
Die Probleme im kulturellen Bereich liegen z. B. bei Zusammenarbeit der einzelnen Part-
ner in der Wertschöpfungskette oder auch innerhalb des Unternehmens. Abstimmungs-
Dienstleistungen 4.0 33

probleme, Bereichsegoismen, subjektive Vorbehalte usw. können hier die Implementie-


rung von digitalen Dienstleistungen behindern. Zum Abbau der Kulturbarrieren sind Kul-
turanpassungsprozesse auf der Ebene des Unternehmens (Unternehmenskultur), von Ab-
teilungen (Subkultur) und auf der individuellen Ebene (Mitarbeiterkultur) in Ganz zu
setzen. In dem Zusammenhang ist die Generierung eines konsequenten Serviceklimas, die
Schaffung einer durchgängigen Interaktionskultur nach innen und außen, das Arbeiten in
Netzwerkstrukturen u. a. m. von Bedeutung.
Mit der Frage der Transformation eines Unternehmens zum Dienstleister 4.0 befassen sich
vier Beiträge im dritten Teil von Band 2 der Sammelbände:
Heiko Gebauer, Simon Joncourt und Caroline Saul setzen sich mit der Transformation
von Unternehmen zur Umsetzung von neuen dienstleistungsorientierten Geschäftsmodel-
len auseinander. Für die Umsetzung der Geschäftsmodelle gelten folgende Empfehlungen:
Denken in Kundenprozessen, Fokus auf Kostensenkung und einzelnen Lösungen, Denken
in komplexen Wertschöpfungssystemen und Kommerzialisierung der Lösungen auch mit-
tels der Gründung eines neuen Unternehmens. Der Beitrag illustriert diese Empfehlungen
anhand von Beispielen: Airbus, Axoom (Trumpf), Fraisa, General Electric, JohnDeer, Mi-
chelin Solutions, Sarvajal usw.
Christian van Husen, Dieter Häberle, Saed Imran und Carsten Droll befassen sich mit der
parameterbasierten Entwicklung von Dienstleistungen in Produkt-Service-Systemen. Der
Beitrag fokussiert die Konzeption von Dienstleistungen als Bestandteil von Produkt-Ser-
vice-Systemen (PSS). Grundlegend werden PSS-Servicekomponenten und das Spektrum
der betrachteten Leistungen gegliedert und spezifiziert. Der Entwicklungsprozess sowie
speziell die Konzeptionsphase werden dafür als Rahmen aufgezeigt und schließlich ein
Ansatz zur Konzeption anhand eines Gerüstes von Parametern dargestellt. Zusätzlich wird
beleuchtet, wie der Ansatz die Berücksichtigung von Service Experience innerhalb der
Entwicklung unterstützen kann.
Uta Jüttner, Katharina Windler, Adrienne Schäfer und Anja Zimmermann untersuchen in
ihrem Beitrag die zentralen Designaufgaben bei der Entwicklung von Smart Services. An-
hand von zwei Fallstudien wird aufgezeigt, wie Anbieter aus dem Business-to-Business-
Sektor dabei vorgehen und welche Auswirkungen Smart Services auf bestehende Ser-
vicestrategien, auf die Interaktion in der Kundenbeziehung und auf das Service-System
haben. Zudem werden Treibereffekte der Entwicklung von Smart Services und deren Fol-
gen für die Branche beleuchtet.
Christian Gorldt, Stefan Wiesner, Ingo Westphal und K.-D. Thoben befassen sich mit Pro-
duct-Service Systems im Zeitalter von Industrie 4.0 in Produktion und Logistik. Die Rea-
lisierung von Industrie 4.0-Systemen erfordert eine disziplinübergreifende Zusammenar-
beit von Maschinenbau, Elektro- und Informationstechnik. Das volle Potenzial von
Industrie 4.0 kann sich aber nur entfalten, wenn neben technischen Herausforderungen
auch betriebswirtschaftliche Perspektiven in die Entwicklung einbezogen werden. Ziel
34 Manfred Bruhn und Karsten Hadwich

dieses Beitrages ist es, Anforderungen aus der Dienstleistungsperspektive für die Entwick-
lung von Cyber-Physischen Systemen darzustellen sowie daraus Ansätze für die Konzep-
tion von Cyber-Physischen Produkt-Service-Systemen abzuleiten.
Insgesamt zeigt der Planungsprozess des Managements von Dienstleistungen 4.0 die Sys-
tematik und das professionelle Vorgehen aus Unternehmenssicht aus. Dabei ist für die
Entwicklung von Dienstleistungen 4.0 sicherlich die Fähigkeit von besonderer Bedeutung,
durch eine systematische Analyse einerseits sowie eine kreative Vorstellung von Markt-
entwicklungen andererseits attraktive Marktangebote zu gestalten. Allerdings ist in diesem
Zusammenhang auch darauf hinzuweisen, dass die internen Implementierungs- und Trans-
formationsprozess eine wesentliche Voraussetzung sowohl für die Entwicklung im Unter-
nehmen als auch für die Durchsetzung im Markt von Dienstleistungen 4.0 darstellen. Vor
dem Beginn von Planungsprozessen sind entsprechend die Voraussetzung der Implemen-
tierung und die Aufgaben der Transformation zu prüfen.

4.6 Controlling von Dienstleistungen 4.0


Um dem Prinzip der Wirtschaftlichkeit eines Dienstleistungsunternehmens Rechnung zu
tragen, sind die zuvor dargestellten Aktivitäten kontinuierlich einem Controlling unterzo-
gen. Die übergeordnete Aufgabe des Controlling ist die Koordination des Führungssys-
tems eines Unternehmens. Aufgaben des Dienstleistungscontrolling 4.0 ist die Analyse,
Planung, Durchführung und Kontrolle der Unterstützung und Koordination digitalisie-
rungsbezogener Aktivitäten im Hinblick auf eine wirtschaftliche Ausrichtung des Dienst-
leistungsmanagements. Zur Steigerung der Effektivität und Effizienz des Managements
von Dienstleistungen 4.0 übernimmt das Dienstleistungscontrolling 4.0 eine Koordina-
tions-, Informations-, Planungs- und Kontrollfunktion.
Ausgehend von dieser Definition stellt die Steigerung der Effektivität und Effizienz des
Managements von Dienstleistungen 4.0 das Oberziel dar. Während unter der Effektivität
von Dienstleistungen 4.0 die Entwicklung und Realisierung von digitalen Dienstleistun-
gen gemäß den Kundenanforderungen zu verstehen ist, betrifft die Effizienz von Dienst-
leistungen 4.0 die wirtschaftliche Umsetzung entsprechender Maßnahmen.
'HP &RQWUROOLQJ NRPPW KLHUEHL QLFKW QXU DP (QGH GHV 3ODQXQJVSUR]HVVHV GLH Ä.RQ
WUROODXIJDEH³VRndern prozessbegleitend sind die Funktionen der Koordination, Informa-
tionsversorgung und Planung zu begleiten. In diesem Sinne kommt dem Controlling eine
Monitoringfunktion im Planungsprozess zu. Dies bedeutet konkret die Begleitung der in
Abbildung 3 darstellten Elemente:
„ Eine Beobachtung der vielfältigen Rahmenbedingungen unter Beachtung der Stär-
ken/Schwächen des Unternehmens und Chancen/Risiken des Marktes.
„ Die Prüfung von realistischen Möglichkeiten, alleine und mit Partnern eine Plattform
auf der Grundlage von Cyber-Physischen Systemen zu entwerfen.
„ Die rechtzeitige Evaluierung der ersten Anbieter-Kunde-Transformationsprozesse,
um Erfolgschancen für eine Skalierung abschätzen zu können.
Dienstleistungen 4.0 35

„ Eine umfassende Messung der Marktreaktionen auf Kunden- und Anbieterseite, nicht
nur unter monetären Aspekten, sondern auch unter Beachtung nicht-monetärer As-
pekte (z. B. Akzeptanz, Einstellungen, Commitment).
„ Schließlich sind auch nach einer gewissen Zeit Abschätzungen über den Umfang und
die Aufteilung der gemeinsamen Wertschöpfung vorzunehmen.
Dem Controlling kommt also bei der Beschäftigung mit dem Thema Dienstleistungen 4.0
eine wichtige Schnittstellenfunktion zu anderen betriebswirtschaftlichen Bereichen zu,
insbesondere zu der IT, dem Marketing, dem Vertrieb, dem Personal u. a.
Mit der Frage Controlling als interner Dienstleister 4.0 befassen sich Gernot Mödritscher
und Friederike Wall in ihrem Beitrag im dritten Teil von Band 1 der Sammelbände. So-
wohl in der Unternehmenspraxis als auch als wissenschaftliches Gebiet der Betriebswirt-
schaftslehre hat das Controlling eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Es hat sich noch
kein einheitliches Controllingverständnis durchgesetzt, gleichzeitig ist das Controlling
durch die Digitalisierung einem massiven Wandel unterzogen. In diesem Beitrag wird auf
der Basis eines aktuellen Controllingverständnisses (Business Partner) aufgezeigt, welche
Aufgaben und Kompetenzanforderungen durch Digitalisierung entstehen und wie sich
dadurch das Controllingverständnis verändert bzw. erweitert.
Das Management von Dienstleistungen 4.0 ist unterscheidet sich nicht nur im Hinblick
auf die vielfältigen Aufgabenstellungen, sondern auch in der branchenspezifischen Um-
setzung des Managements von Dienstleistungen 4.0. Vor dem Hintergrund befassen sich
im vierten Teil von Band 1 der Sammelbände vier Beiträge mit branchenspezifischen As-
pekten von Dienstleistungen 4.0:
Silvia Van Riper, Sabrina Helm und Tony Stovall vergleichen in ihrem Beitrag den von
Kunden wahrgenommenen Wert von physischen und digitalen Produkten. Auf Basis von
Fokusgruppengesprächen können physische und digitale Bücher als unterschiedliche Pro-
duktkategorien identifiziert werden, die voneinander unterschiedliche Nutzen stiften, so-
dass die Notwendigkeit eines spezifischen Ansatzes für das Dienstleistungsmarketing im
digitalen Kontext abgeleitet werden kann.
Marcus Schögel und Maleen Knaak analysieren den Einfluss der Digitalisierung auf Kun-
denprozesse in der Finanzdienstleistungsbranche sowie die Chancen und Risiken hinsicht-
lich des Aufbaus von Vertrauen. Dabei wird davon ausgegangen, dass etablierte Finanz-
dienstleister und FinTec-Unternehmen unterschiedliche Strategien verfolgen sollten. Auf
Basis von Expertengesprächen werden drei Gruppen von Treibern des Vertrauens identi-
fiziert und entsprechende Prioritäten für die verschiedenen Dienstleistungsanbieter be-
stimmt.
Hendrik Schröder und Ann-Kathrin Lich betrachten digitale Dienstleistungen im stationä-
ren Einzelhandel als Antwort auf die Herausforderungen durch Online-Shops. Mittler-
weile stehen stationären Einzelhändlern zahlreiche digitale Techniken zur Verfügung, um
den Einkauf ihrer Kunden zu unterstützen. Die technische Lücke zu den Online-Shops
36 Manfred Bruhn und Karsten Hadwich

lässt sich weitgehend schließen. Die digitalen Techniken haben grundsätzlich das Poten-
zial, Kaufrisiken zu reduzieren, Convenience zu erhöhen sowie Einkaufserlebnisse zu ver-
mitteln. Ihr Erfolg hängt vom professionellen Einsatz der Händler und der Akzeptanz der
Endkunden ab.
Jens Hogreve und Andrea Beierlein befassen sich mit der Digitalisierung des Kundenser-
vices in der Healthcare-Industrie. Unternehmen im Business-to-Business (B2B)-Kontext
implementieren immer häufiger im Rahmen ihres Kundenservice so genannte Peer-to-
Peer Problem-Solving (P3) Online Communities, um Kunden eine Plattform zum Austau-
schen, Diskutieren und gemeinsames Erarbeiten von Problemlösungen zu bieten. Die Be-
teiligung der Kunden als auch Mitarbeiter gilt dabei als essentieller Erfolgsfaktor für eine
solche B2B-P3-Online-Community. Jedoch wurden in der Forschung bisher kaum B2B-
Kontext-spezifische Faktoren identifiziert, die die Kunden- und Mitarbeiterbeteiligung
motivieren als auch daraus resultieren. Der vorliegende Beitrag adressiert diese For-
schungslücke und zeigt anhand einer empirisch qualitativen Analyse Motivationsfaktoren
und Auswirkungen von Kunden- und Mitarbeiterbeteiligung in einer B2B-P3-Online-
Community in der Healthcare Industrie auf.
Das Management von Dienstleistungen 4.0 ist unterscheidet sich nicht nur im Hinblick
auf die vielfältigen Aufgabenstellungen, sondern auch in der branchenspezifischen Um-
setzung des Managements von Dienstleistungen 4.0. Vor dem Hintergrund befassen sich
im vierten Teil von Band 2 der Sammelbände befassen sich sieben Beiträge mit branchen-
spezifischen Aspekten von Dienstleistungen 4.0:
Sabine Fließ und Svenja Hagenhoff setzen sich mit Zeitungsverlagen zwischen Digitali-
sierung und Servitization auseinander. Sie untersuchen, wie sich Digitalisierung und Ser-
vitization in der bisher in diesem Zusammenhang wenig betrachteten Medienbranche dar-
stellen. Insbesondere wird folgenden Fragen nachgegangen: Welche Leistungen bieten
Verlage an und wie lassen sich diese systematisieren? Welche Marktstrategien verfolgen
Verlage? Welche Entwicklungspfade lassen sich ableiten? Welche Voraussetzungen sind
mit den jeweiligen Strategien und Entwicklungspfaden verbunden?
André Schneider betrachtet die Herausforderungen und Perspektiven der Digitalisierung
von Bildungsdienstleistungen. In seinem Beitrag werden die wesentlichen Push- und Pull-
faktoren vorgestellt, welche die Digitalisierung ermöglichen und beschleunigen. Weiter-
hin erfolgt die Diskussion der damit verbundenen Herausforderungen und Potenziale für
die Hochschulen als Anbieter digitaler Bildungsdienstleistungen. Zur Steigerung des Er-
folgs, der Aktivierung von Potenzialen sowie dem Aufbau von Wettbewerbsvorteilen in-
nerhalb der interaktiven Wertschöpfung werden strategische Handlungsfelder diskutiert,
wobei der Fokus auf die Vorstellung von Interaktions- und Co-Kreations-Kompetenzen
liegt.
Gerrit Heinemann EHIDVVWVLFKXQWHUGHP%HJULIIÄ2IIOLQH³PLWGHU'LJLWDOLVLHUXQJGHV
stationären Handels. Während bislang im Einzelhandel grundsätzlich zwischen den ana-
logen Offline- und den digitalen Online-Kanälen unterschieden wurde, ist seit kurzem
auch eine umfassende Digitalisierung stationärer Geschäfte zu beobachten. Diese erfolgt
Dienstleistungen 4.0 37

entweder Inside-out-orientiert in Form von Web-to-Store-Services und/oder Digital-in-


Store-Services oder aber Outside-in-orientiert anhand von Tracking-in-Store und/oder
Usability-in-Store-Ansätzen. Im Grunde wird der stationäre Handel aus der Perspektive
des Online-+DQGHOVQHXHUIXQGHQXQGOlVVWVLFKGDPLWDOVÄ2IIOLQH³WLWXOLHUHQ
Volker Nissen und Henry Seifert diskutieren in ihrem Beitrag die digitale Transformation
der Unternehmensberatung. Beratungsunternehmen stehen heute vor neuen Herausforde-
rungen. Die Virtualisierung von Beratungsdienstleistungen durch den Einsatz von Infor-
mations- und Kommunikationstechnologien kann hier eine innovative Strategie zur Siche-
rung des Unternehmenserfolgs sein und klassische Angebote des Consulting ergänzen.
Der Beitrag untersucht zum einen die Chancen und Risiken sowie Qualitätsanforderungen
an virtuelle Beratungsangebote. Zum andere wird eine Vorgehensweise zur Bestimmung
des Virtualisierungspotenzials von Beratungsleistungen konzipiert. Die Ergebnisse sollen
Beratungsanbieter im Prozess der digitalen Transformation unterstützen.
Sven Tuzovic und Shane Mathews diskutieren die Auswirkungen von smarten Produkten
auf Loyalitätsprogramme am Beispiel von Fitness Trackern und Smart Watches, die in
den letzten Jahren sehr populär geworden sind. Unternehmen versuchen zunehmend, die
intelligenten Produkte und die damit generierten biometrischen Daten für ihre Geschäfts-
und Wertschöpfungsmodelle zu nutzen. In dem Beitrag werden Beispiele für neue Allian-
zen und Service-Ökosystemen von Krankenkassen mit anderen Unternehmen aufgezeigt,
mit denen zum einen Synergien sowie Marktwachstum realisiert werden und zum anderen
den privaten Kunden mögliche Bedenken genommen werden.
Manuela Koch-Rogge und Georg Westermann befassen sich mit der Digitalisierung von
Bankdienstleistungen. Es wird in dem Beitrag aufgezeigt, wie digitale Technologien die
Erkenntnisse und Schlussfolgerungen der traditionellen Servicekonzepte verändern. Es
wird ein Pfadmodell entwickelt, das die Veränderungen von unterschiedlichen Servicety-
pen in der Servicematrix aufzeigt. Abschließend werden für die dargestellten Veränderun-
gen mögliche Schlussfolgerungen abgeleitet.
Oliver Thomas, Friedemann Kammler, Deniz Özcan und Michael Fellmann behandeln in
ihrem Beitrag digitale Plattformstrategien als Treiber der Dienstleistungsflexibilisierung
im Maschinen- und Anlagenbau. Plattformstrategien sind in der Produktentwicklung als
Flexibilisierungswerkzeuge anerkannt. Aber auch die Dienstleistungsforschung entwi-
ckelt zunehmend Interesse an derartigen Modularisierungskonzepten und identifiziert, ins-
besondere mit Aufkommen der kontextbezogenen Smart Services, vielversprechende An-
wendungsfelder für die Entwicklung von Dienstleistungsplattformen. Der Beitrag
konzipiert eine Smart Service-Plattform am Anwendungsbeispiel des technischen Kun-
dendiensts im Maschinen- und Anlagenbau und diskutiert IT-basierte Strategien zur sinn-
vollen Integration des Kunden in die Dienstleistungserbringung.
38 Manfred Bruhn und Karsten Hadwich

5. Fazit
Zusammenfassend kann konstatiert werden, dass es sich bei dem Thema ÄDienstleistun-
gen 4.0³ um ein zentrales Zukunftsthema sowohl für Sachgüter- als auch für Dienstleis-
tungsunternehmen handelt. Im Zentrum steht für Unternehmen, sich mit digitalen Tech-
nologien und innovativen Geschäftsmodellen im Unternehmen zu beschäftigen. Dies zieht
erhebliche Veränderungsprozesse bei den Anbietern und Nachfragern mit sich. Die An-
bieter stehen vor der Frage und Herausforderung, wie Dienstleistungen 4.0 zu gestalten
sind.
Die Nachfrager stehen als Kunden vor der Frage und Herausforderung, wie sich Kaufver-
haltensprozesse zukünftig unter Einsatz von neuen Technologien verändern werden. Des-
KDOEZLUGHVXQDEGLQJEDUVHLQGLHPLW'LHQVWOHLVWXQJHQYHUEXQGHQHQÄ&XVWRPHU,Q
VLJKWV³ LQ :LVVHQVFKDIW XQG 3UD[LV VRUJIlOWLJ ]X DQDO\VLHUHQ XQG GLH HQWVSUHFKHQGHQ
Schlussfolgerungen zu ziehen.
Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema Dienstleistungen 4.0 hat in
den letzten Jahren deutlich zugenommen. Dennoch steht das Forschungsgebiet am Beginn
seiner Entwicklung und hat zukünftig eine große Vielfalt an noch offenen Forschungsfra-
gen zu bearbeiten.
,QVJHVDPW KDQGHOW HV VLFK EHL GHP 7KHPD Ä'LHQVWOHLVWXQJHQ ³ XP HLQ UHODWLY QHXHV
Thema mit einem erheblichen Entwicklungspotenzial. Deshalb kommt den Beiträgen in
den beiden Sammelbänden eine besondere Bedeutung zu, behandeln sie doch in einer frü-
hen Phase die Entwicklung und ersten Schritte.
Dabei wird das Thema Dienstleistungen 4.0 in verschiedenen Branchen in der Praxis eine
unterschiedliche Bedeutung aufweisen. Es ist abzusehen, dass zahlreiche Branchen nicht
nur im B2C-Bereich (z. B. Buchhandel, Textilien, Musik, Reisen, Mobilität u. a. m.), son-
dern auch und insbesondere im B2B-Bereich sowie im Nonprofit-Bereich betroffen sind.
9RQEHVRQGHUHU%HGHXWXQJLVWDXFKHLQH%HWUDFKWXQJVZHLVHGLHGDV7KHPDÄ'LHQVWOHLV
tungHQ³QLFKWHLQVHLWLJHLQHU$EWHLOXQJLP8QWHUQHKPHQ]XRUGQHWVRQGHUQGDVVHVVLFK
um eine umfassende Aufgabe des Dienstleistungsmanagements handelt. Hier sind sämtli-
che Abteilungen wie IT; Marketing, Personal, Organisation, Vertrieb, F&E, Kommunika-
tion u. a. m. mit einzubeziehen. Es ist also zu erwarten, dass sich durch die Entwicklungs-
tendenzen und Zukunftsperspektiven von Dienstleistungen 4.0 die Veränderungsprozesse
nicht nur in den Märkten, sondern auch in den Unternehmen vollziehen werden.
Dienstleistungen 4.0 39

Literaturverzeichnis
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40 Manfred Bruhn und Karsten Hadwich

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1. Dienstleistungsbasierte
Geschäftsmodelle 4.0



Pascal Bühler und Peter Maas

Transformation von Geschäftsmodellen in einer


digitalisierten Welt

1. Digitalisierung ± Hype oder fundamentale Veränderung des


Dienstleistungssektors

2. Digitale Transformation von Märkten


2.1 0HJDWUHQGÄ'LJLWDOLVLHUXQJ³
2.2 Technologie ermöglicht neue Geschäftsmodelle
2.3 Dienstleistungsökosysteme entstehen entlang von Alltagswelten
2.4 Kunde wird zum Treiber der Märkte

3. Dimensionen der digitalen Transformation von Geschäftsmodellen


3.1 Wettbewerbsvorteil durch ein führendes Value-Design
3.1.1 Zugang zum und vom Kunden ± Offline vs. Online
3.1.2 Art der Kundeninteraktion ± Persönlich vs. Unpersönlich
3.1.3 Differenzierung der Leistung ± Standardisiert vs. Individualisiert
3.2 Wettbewerbsvorteil durch ein optimales Organisationsdesign
3.2.1 Organisationsstruktur ± Bürokratie vs. Adhokratie
3.2.2 Wertschöpfungsstruktur ± Integriert vs. Vernetzt
3.2.3 Strategieprozess ± Top-Down vs. Emergent
3.2.4 Innovationsprozess ± Inside-Out vs. Outside-In
3.2.5 Arbeits- und Führungskultur ± Autoritär vs. Demokratisch
3.2.6 Risikokultur ± Kontrollorientiert vs. Risikoorientiert
3.3 Dimensionen der digitalen Transformation von Geschäftsmodellen

Literaturverzeichnis

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017


M. Bruhn und K. Hadwich (Hrsg.), Dienstleistungen 4.0,
DOI 10.1007/978-3-658-17552-8_2
___________________________
Pascal Bühler, M. A., ist Projektleiter und Doktorand am Institut für Ver-
sicherungswirtschaft an der Universtität St. Gallen. Prof. Dr. Peter Maas ist Vizedirektor
des Instituts für Versicherungswirtschaft und Professor für Dienstleistungs- und
Versicherungsmanagement an der Universität St. Gallen.
1. Digitalisierung ± Hype oder fundamentale
Veränderung des Dienstleistungssektors
Die Entwicklung digitaler Technologien sowie deren Einsatz genießen heute eine hohe
öffentliche Aufmerksamkeit. Aufgrund des medialen Hypes rund um die Begriffe Digi-
talisierung, digitale Transformation oder Industrie 4.0, erheben sich kritische Stimmen
zum Ausmaß und der Gültigkeit der Disruption. Nicht zu bestreiten ist allerdings, dass
sich unser Alltag, in Bezug auf die Art wie wir kommunizieren und uns organisieren als
auch wie wir uns als Kunden verhalten, fundamental verändert hat. So informieren wir
uns auf TripAdvisor über den geplanten Besuch im Restaurant. Im Anschluss begleichen
wir die Rechnung via Apple Pay, bestellen mobil ein fahrerloses Uber-Taxi (noch in der
Testphase, aber bereits zugelassen) und fahren in die auf Airbnb gemietete Unterkunft,
welche noch kurz vor dem Schlafengehen auf Snapchat geteilt wird. Diese anhand des
Beispiels illustrierte Verhaltensveränderung des Kunden lässt neue Unternehmen mit ei-
ner Unternehmensbewertung jenseits der Milliardenmarke, so genannte Unicorns, ent-
stehen, welche immer stärker den Alltag zu dominieren versuchen. Instagram, ein 2010
gegründeter Online-Dienst zum Teilen von Fotos und Videos, wurde 2012 für eine Mil-
liarde Dollar von Facebook gekauft. Das Unternehmen hatte zu diesem Zeitpunkt zwölf
Mitarbeiter. Im gleichen Jahr stellte Kodak, der marktführende Hersteller für fotografi-
sche Ausrüstung, einen Insolvenzantrag. Die Unklarheit, welchen Einfluss die digitale
Transformation auf Märkte und Unternehmen ausüben wird, führt zu Verunsicherung
und einem erhöhten Bedarf an Orientierungswissen.
Der folgende Beitrag bietet Führungskräften und Forschern in traditionellen Dienstleis-
tungsunternehmen einen strategischen Orientierungsrahmen, der die Umwälzung der
Märkte im Zuge technologischer Entwicklung erklärt und aufzeigt, welche Fragen sich
im Rahmen der Transformation von Dienstleistungsgeschäftsmodellen in einer digitali-
sierten Welt stellen. Folgende Forschungsfragen stehen dabei im Zentrum:
„ Über welche Prozesse führen technologische Entwicklungen zu einer digitalen
Transformation der Märkte?
„ Welche Implikationen hat die digitale Transformation der Märkte auf traditionelle
Dienstleistungsunternehmen?
„ Welche strategischen Entscheidungen müssen im Rahmen des Re-Designs des Ge-
schäftsmodells getroffen werden?
Die Erkenntnisse des Artikels stützen sich auf Literatur sowie eigene aktuelle For-
schungsprojekte zur digitalen Transformation von Dienstleistungsunternehmen und wer-
den zur Veranschaulichung an Beispielen aus der Finanzdienstleistungsbranche illus-
triert.
46 Pascal Bühler und Peter Maas

2. Digitale Transformation von Märkten

2.1 0HJDWUHQGÄ'LJLWDOLVLHUXQJ³
2EZRKO GDV ,QWHUHVVH DP 7KHPD Ä'LJLWDOLVLHUXQJ³ LQVEHVRQGHUH LQ GHQ 7DJHV- und
Fachmedien hoch ist, wird auf die Bedeutung dieser Begrifflichkeiten nur geringfügig
eingegangen (Wade 2015). Mitunter ein Grund dafür ist, dass die Forschung zum Phä-
QRPHQ ÄGLJLWDOH 7UDQVIRUPDWLRQ³ QRFK DP $QIDQJ VWHKW )orschungsergebnisse sind
nach wie vor rar und auf einzelne Teilfragen spezialisiert, wie beispielsweise die Befähi-
gung des Kunden durch das Internet (Wathieu et al. 2002), die Veränderung der Interak-
tionswege (Lemon/Verhoef 2016) oder die Privacy im Rahmen des E-Commerce
(Belanger 2011). Im englischen Sprachgebrauch lässt sich Digitalisierung gemäß dem
2[IRUG'LFWLRQDU\LQÄGLJLWL]DWLRQ³EHUVHW]HQZHOFKHGHQWHFKQLVFKHQ8PZDQGOXQJV
prozess von analogen zu digitalen Daten im Rahmen der Datenverarbeitung beschreibt.
'HU HQJOLVFKH %HJULII ÄGLJLWDOL]DWLRQ³ KLQJHJHQ XPIDVVW GLH 9HUlQGHUXQJ XQVHUHU $OO
tagswelten durch digitale Interaktion, digitalisierte Servicedienstleistungen und physi-
schen Produkten, welche uns Zugang zu den virtuellen Welten ermöglichen. Im deut-
schen Sprachgebrauch gibt es diese Unterscheidung nicht. Digitalisierung wird
umgangssprachlich zuweilen für beide Bedeutungsinhalte gebraucht. Um eine Unter-
scheidung zwischen dem technischen Umwandlungsprozess und der Veränderung der
$OOWDJVZHOWHQ ]X ]LHKHQ YHUZHQGHW GHU %HLWUDJ GHQ %HJULII ÄGLJLWDOH 7UDQVIRUPDWLRQ³
Dabei bezieht sich der Beitrag zum einen auf Märkte, um auf die Veränderungskraft hin-
zuweisen, durch die technologische Entwicklungen das Verhalten von Konsumenten
verändern können und somit Märkte neu gestalten. Zum anderen bezieht sich dieser Bei-
trag auf Geschäftsmodelle, worunter der Prozess des Wandels der Organisationsstruktu-
ren, des Wertschöpfungsprozesses und der Value Proposition abgebildet wird.
Obwohl die technologische Entwicklung einen weitgehenden Einfluss auf unseren Alltag
ausübt, wäre es zu trivial, die gegenwärtigen Veränderungen lediglich auf einen Me-
gatrend zurückzuführen. Vielmehr existiert eine Reihe von Megatrends, welche unsere
derzeitige gesellschaftliche Entwicklung treiben (Maas et al. 2015). Megatrends be-
schreiben langfristige, substanzielle Veränderungen unserer realen und virtuellen Um-
welten, der Strukturen und Prozesse unserer Gesellschaft sowie unserer Werte und Ver-
haltensweisen. Dabei bedingen, verstärken oder verlangsamen sich die Megatrends
XQWHUHLQDQGHU,QVEHVRQGHUHGLH0HJDWUHQGVÄ9HUQHW]XQJ³XQGÄ,QGLYLGXDOLVLHUXQJ³VLQG
eng mit der digitalen Transformation verknüpft. Die Vernetzung beschreibt die wach-
senden technologischen Strukturen, aber auch die Neubildung von Gemeinschaften, aus-
gehend von sozialen Plattformen, auch bekannt unter dem Begriff Neo-Tribalism
(Maffesoli 1996). Communities haben Einfluss auf die Informationsbeschaffung von
Kunden, die schnellere Verbreitung von Kundenbedürfnissen und die Machtverhältnisse
zwischen Kunde und Unternehmen. Sie tragen somit zur Veränderung des Kundenver-
haltens im Zuge der digitalen Transformation bei.
Transformation von Geschäftsmodellen in einer digitalisierten Welt 47

'HU0HJDWUHQGÄIndividualisierung³ZLUGGXUFKGLH-DJGQDFK6HOEVWEHVWLPPXQJ,QGL
vidualität und Identität definiert. Täglich werden wir mit einer Vielzahl möglicher Opti-
onen und Entscheidungen konfrontiert. Diese Optionenvielfalt bildet die Grundlage der
Selbstverwirklichung eines jeden Individuums. Um in der Masse und Schnelllebigkeit
von Informationen wahrgenommen zu werden, zelebrieren wir unsere Identität mit Sel-
fies vom Urlaub, LinkedIn-Posts der neuen Stelle, die wir angetreten haben oder beim
Gespräch über die neuesten Superfoods. Technologie ermöglicht dabei eine immer wei-
tergehende Individualisierung auch über soziale Netzwerke hinaus. Der Trend zur Indi-
vidualisierung wird beispielsweise bei der Benutzung der Online-Kartendienste ersicht-
lich. Beim Navigieren innerhalb der Applikation Google Maps werden wir automatisch
ins Zentrum der Karte gerückt. Die geozentrische Weltansicht transformiert sich zu einer
egozentrischen Perspektive (Schneider 2015).
Dabei konkretisieren sich Megatrends in Spannungsfelder und führen jeweils auch eine
gegenteilige Entwicklung mit sich, einen Gegentrend (Maas et al. 2015). Trend und Ge-
gentrend bilden die Pole, in deren Spannungsfeld die Zukunft geformt wird. Um die
Entwicklung der Märkte zu verstehen, ist es deshalb notwendig, die digitale Transforma-
tion auch als Produkt dieses Spannungsfeldes zu betrachten. So ist die gegenwärtige di-
gitale Transformation Ursache verschiedener Gegentrends. Die Unverbindlichkeit und
Anonymität der Online-Beziehungen führt beispielsweise zu einem zunehmenden Be-
dürfnis nach persönlicher Offline-Interaktion. Auch führt die ständige Erreichbarkeit
durch die Vernetzung zur Suche nach Möglichkeiten für eine kurze Zeit der Always-On-
Kultur zu entfliehen, eine so genannte digitale Entgiftungskur (Digital Detox) durchzu-
führen.

2.2 Technologie ermöglicht neue Geschäftsmodelle


Wir befinden uns in einer Welt, in der unser Alltag maßgeblich von digitalen Technolo-
gien geprägt wird. Technologie wird dabei zunehmend als Teil unserer natürlichen Um-
gebung wahrgenommen und verändert unser Verhalten. Dabei entfalten sich die Potenzi-
ale digitaler Technologien eben erst noch. Während Informationstechnologie in den
1980er Jahren noch weitgehend von unserem Privatleben getrennt und nur im Büro ver-
fügbar war, haben wir heute beinah schon ein intimes Verhältnis zu unseren Smartpho-
nes. Das Smartphone ist für das Individuum der Hauptzugang für die private Kommuni-
kation, die Informationssuche, Transaktionen oder die geschäftliche Korrespondenz. Die
kürzlich getätigte Umstellung von Googles Suchalgorithmus hin zu einer Priorisierung
Mobile-optimierter Webseiten unterstreicht die Bedeutung des mobilen Zugangs.
Die Vervielfältigung der Interaktion zwischen Privatpersonen und Unternehmen ermög-
licht Unternehmen, neue differenziertere Interaktionsformen zu finden. Es kommt aller-
dings nicht zu einem vollständigen Ersatz von traditionellen durch neue Formen. Die di-
gitalen Interaktionsformen ergänzen lediglich das heutige Angebot. Bereits heute ist
sichtbar, dass Kunden zukünftig nicht mehr länger zwischen On- und Offline unterschei-
48 Pascal Bühler und Peter Maas

den. Die so genannte virtuelle Welt wird zunehmend Teil des normalen Lebens werden.
Dies bedeutet, der Kunde bedient sich desjenigen Zugangswegs, welcher ihm unter Be-
rücksichtigung seiner Vorlieben in der jeweiligen örtlichen und zeitlichen Alltagssituati-
on am effizientesten und effektivsten zur Deckung des aktuellen Bedürfnisses oder zur
Lösung des aktuellen Problems erscheint ± unabhängig davon, ob dieser On- oder Off-
line ist. Jeder Kundentypus hat dabei unterschiedliche charakteristische Bedürfnisse hin-
sichtlich Produkten, Dienstleistungen und Beziehungen. Diesen Zugangsweg kann er
durchaus innerhalb eines aktuellen Dialogs ändern, wobei er stets erwartet, dass zu jeder
Zeit jegliche Information, welche er dem Unternehmen schon mitgeteilt hatte, verfügbar
ist. Kunden werden nicht mehr akzeptieren, dass sie wiederholt gleiche Informationen
weitergeben müssen.
Die Veränderung der Zugangswege in allen Phasen der Customer Journey lässt sich
mittlerweile auch in eher langsam transformierenden Branchen, wie der Assekuranz gut
erkennen. In einer Befragung von Führungskräften in der Versicherungswirtschaft im
deutschsprachigen Raum prognostizieren die Befragten, dass die Interaktion mit ihren
Kunden in fünf Jahren zu einem überwiegenden Teil digital stattfindet und zwar in allen
Stationen der Customer Journey (vgl. Abbildung 1).

Informationssuche online 73% offline

Änderung persönlicher Daten / Vertrag online 68% offline

Schadensmeldung /-bearbeitung online 56% offline

Einholung Offerte / Vertragsabschluss online 54% offline

Beratung online 44% offline

0% 20% 40% 60% 80% 100%

Online: Website, Apps, E-Mail, Videokonferenz, Social Media, Chat-Applikationen, Communities


Gespräche in der Filiale oder beim Kunden, Telefon, Brief

Abbildung 1: Anteil der Versicherungskunden, die 2020 einen On- oder Offline-
Zugang bevorzugen aus der Perspektive von Führungskräften
(n = 384, DACH-Märkte)
(Quelle: Maas/Bühler 2015, S. 23)
Die Fähigkeit Informationen digital zu speichern, diese miteinander zu verbinden, zu in-
terpretieren und zu automatisieren, beschleunigt die Möglichkeiten zur Entwicklung in-
telligenter Dienstleistungen. An der EPFL in Lausanne beispielsweise werden in den
nächsten zehn Jahren 80 km Bücher und Dokumente aus dem venezianischen Staatsar-
chiv digitalisiert (EPFL 2016). Bislang mussten Historiker sich zu jeder Person Informa-
Transformation von Geschäftsmodellen in einer digitalisierten Welt 49

tionen von verschiedenen Registern und Quellen zusammensuchen, um ein Abbild sei-
nes Lebens zu bekommen. Zukünftig wird dies mit einem Klick möglich sein. Zudem
kann das System alle Verbindungen zu weiteren Personen herausfiltern, was zu einem
komplexen Bild der damaligen Marktwirtschaft zusammengefügt werden kann. Dadurch
erhoffen sich Historiker eine Vielzahl an neuen Erkenntnissen gewinnen zu können. Zu-
künftig werden im Hintergrund und ohne unsere aktive Einwirkung intelligente, mitei-
nander verbundene Geräte unseren Alltag autonom regeln. Die Möglichkeiten, die sich
durch die intelligente Vernetzung des Internet of Everything ergeben, wie beispielsweise
der selbst einkaufende Kühlschrank, werden zwar schon seit langem beschrieben, doch
erst seit kurzem befinden wir uns an einem Punkt, an dem die Sensor- und Prozesstech-
nologie sowie die Netzwerkgeschwindigkeit und -bandbreite es ermöglichen, Leistungen
mit wahrnehmbarem Mehrwert für den durchschnittlichen Kunden zu erbringen.
Die Vernetzung von Objekten und Subjekten, sowie die Verbreitung von Sensoren er-
möglichen neue Geschäftsmodelle wie am Beispiel der Assekuranz illustriert werden
kann. Telematiklösungen beschreiben Geschäftsmodelle mit individueller Risikoberech-
nung basierend auf Echtzeitdaten. So werden mittels Sensoren Kundenverhalten analy-
siert, um daraus ein Risikoprofil herzustellen, anhand dessen Kunden eine individuali-
sierte Lösung mit entsprechender Prämie angeboten werden kann. Telematiklösungen
sind vor allem im Bereich der Fahrzeugversicherung etabliert. Weitere mögliche An-
wendungsfelder sind beispielsweise die Hausrats- und Krankenversicherung. Letztlich
sollte die Sensortechnik jedoch nicht nur angewendet werden, um neue Preismodelle zu
entwerfen, sondern vor allem um die Risiken im Leben eines Individuums zu minimie-
ren, ihn etwa zu warnen, wenn Schneeglätte herrscht oder ihn bei der richtigen Ernäh-
rung zu unterstützen.

2.3 Dienstleistungsökosysteme entstehen entlang von


Alltagswelten
Nicht alle Dienstleistungsmärkte transformieren sich gleichermaßen und in derselben
Geschwindigkeit. Bislang war die disruptive Kraft, welche die digitale Transformation
auf die Märkte ausübt, vor allem in der Musik- und Filmbranche, der Medienbranche,
der Reisebranche, dem Handel und in der Telekommunikationsbranche zu beobachten.
In allen diesen Branchen mussten marktführende Wettbewerber signifikante Einbußen
des Marktanteils hinnehmen während neue Wettbewerber sich etablierten. Durch die di-
gitale Transformation entstanden zudem neue Branchen, wie die Informationstechnolo-
gie oder Robotik.
Wird von Wandel gesprochen, ist damit oft ein linearer Prozess mit kausalen Treibern
und einem zu erwartenden Outcome gemeint (Daft/Lewin 1990). Eine neue Regulation
kann beispielsweise zu einer Veränderung des Marktes führen, wie z. B. die verschärften
Liquidationsvorschriften bei Bankinstituten zu einer Konsolidierung im Markt beitragen.
50 Pascal Bühler und Peter Maas

Die Anpassung des Unternehmens an die veränderten Bedingungen hat jedoch eine klare
inhaltliche und zeitliche Zielsetzung, ist demzufolge planbar und ist zum Zeitpunkt des
Inkrafttretens der Regulation abgeschlossen. Die digitale Transformation verhält sich
anders. Die Zielsetzung der digitalen Transformation ist unklar, da die Wettbewerbs-
bedingungen in fünf oder zehn Jahren kaum vorhersehbar sind. Zudem ist es auch kein
vorübergehendes Phänomen. Im Gegenteil, die digitale Transformation beschleunigt sich
mit dem Grad der Digitalisierung der Geschäftsmodelle (Joseph et al. 2015). Das bedeu-
tet, je höher der Grad der Digitalisierung von Geschäftsmodellen, desto grösser ist das
Risiko einer Disruption der vorherrschenden Geschäftsmodelle (Berghaus et al. 2016).
Um in diesem Marktumfeld langfristig bestehen zu können, bedarf es einer stetigen Wei-
terentwicklung des Geschäftsmodells.
Welche Märkte einer Disruption unterliegen, hängt wesentlich davon ab, ob (latente)
Bedürfnisse des Kunden durch neue Lösungen besser gedeckt werden können. Der Trei-
ber der Märkte im Rahmen der digitalen Transformation ist somit nicht die Technologie
an sich, sondern die durch technologische Lösungen induzierten Veränderungen der
Verhaltensweisen und Bedürfnisse der Kunden. So wurde die erste Internetbotschaft be-
reits 1969 an das Stanford Research Institute übermittelt. Das technologische Wissen,
Musikdateien in digitalen Formaten, wie beispielsweise MP3, zu speichern, existiert seit
1992. Im gleichen Jahr wurde IBM Simon, das erste Smartphone präsentiert. Es konnte
bereits E-Mails und Faxe versenden, besaß eine Kalenderfunktion und wurde über einen
Touchscreen gesteuert. Dennoch begann der Siegeszug dieser Technologien viele Jahre
später. Erst die Entwicklung des World Wide Web, die Einführung des IPods oder das
Design des App-Ökosystems führten zur disruptiven Veränderung der Märkte. Digitale
Technologien bilden das Fundament der digitalen Transformation, indem sie die Herstel-
lung einer Reihe innovativer, wertschöpfender Produkte und Dienstleistungen ermögli-
chen. Die Existenz digitaler Technologien ist allerdings keine hinreichende Bedingung
für den Wandel der Märkte. Entscheidend für die Veränderungskraft einer Technologie
ist der Mehrwert für den Nutzer. Erst mit der optimalen Leistungserbringung für den
Kunden in Form der praktischen Nutzung einer Technologie wird deren Veränderungs-
kraft freigesetzt.
Die gegenwärtige digitale Transformation führt zu einem Paradigmenwechsel in den
Märkten. Die Kategorien des klassischen Industriewettbewerbs vermögen die Entwick-
lung der Märkte nicht mehr abzubilden (Heuskel 1999). Wo Agilität und Flexibilität als
strategische Unternehmensziele vorherrschen, kann die Branchenlogik, in der Stabilität
und Planbarkeit als grundlegende Maxime gelten, den Wettbewerb nicht mehr korrekt
abbilden. Wenn es jedoch nicht mehr Branchen und Produkte sind, die das Unternehmen
beschreiben, worauf sollen strategische Entscheidungen und Planungen dann gründen?
Die wissenschaftliche Literatur im Bereich des Dienstleistungsmarketings ist seit etwas
mehr als zehn Jahren geprägt durch einen Perspektivenwechsel zur Service-Dominant
Logic (Vargo/Lusch 2004; 2008; 2016). Demzufolge werden sowohl Unternehmen, als
auch Kunden als individuelle Subjekte auf dem Markt betrachtet, die in Co-Kreation
Wert sowohl für das Unternehmen, als auch für den Kunden schaffen. Unternehmen
Transformation von Geschäftsmodellen in einer digitalisierten Welt 51

schaffen dabei keine Werte, sondern nur ein Wertangebot für den Kunden. Somit wan-
delt sich die Perspektive von der klassischen produktionsfixierten Logik und der damit
einhergehenden Verkaufsorientierung zu einer Problemlösungsorientierung für den
Kunden. Der Customer Value, die subjektiv wahrgenommene Wertschöpfung aus der
Perspektive des Kunden, rückt in den Fokus strategischer Überlegungen der Anbieter.
Der Zweck eines Unternehmens besteht somit in der Gestaltung von Problemlösungen
(Maas 2001). Folglich spielt der Wettbewerb nicht mehr zwischen Wettbewerbern in-
nerhalb einer Branche, sondern zunehmend innerhalb eines Dienstleistungs-Ökosystems.
Ein Dienstleistungs-Ökosystem ist dabei als ± loses und temporäres Netzwerk verschie-
dener Akteure, welche gemeinsam Wertangebote kreieren und austauschen, sowie beid-
seitig Wert schaffen (Lusch 2011) ± zu verstehen. Dienstleistungs-Ökosysteme entstehen
entlang von Bedürfniskategorien oder Alltagswelten der Kunden.
Wie die Erschaffung von Leistungen entlang eines Dienstleistungs-Ökosystems sich in
der Praxis widerspiegelt, lässt sich durch einen einfachen Vergleich der Visionen von
Technologiekonzernen erkennen. So existieren bereits heute Unternehmen, welche jen-
seits ihrer traditionellen Branchengrenzen denken und handeln. Amazon, 1994 gegründet
als Online-Buchhandel (Amazon 2015) entwickelt sich entlang der Alltagswelt Wohnen
zu einer digitalen Plattform für das smarte Zuhause der Zukunft (Wolf 2015). In diesem
Zusammenhang wurde beispielsweise Echo entwickelt, eine erweiterbare mit Sprachbe-
fehlen und zusätzlichen Applikationen steuerbare Smart-Home-Plattform. Seit diesem
Jahr ist Echo zudem in Ford-Fahrzeugen integriert, welche sich über die Plattform steu-
ern lassen (Amazon 2016). Mit Echo sollen alltägliche Aufgaben wie beispielsweise die
Erstellung von Einkaufslisten oder die Wiedergabe von Musik direkt über die verbale
Befehlsfunktion ausgeführt werden können. Tesla sieht sich nicht als Automobilherstel-
ler, sondern als Anbieter emissionsloser Mobilität (Tesla 2013). Nicht das Auto als Pro-
dukt wird gekauft, sondern die Leistung sich smart, schnell und emissionsarm oder gar
emissionslos überall hin bewegen zu können. Durch den Kauf von Solar-City und dem
Aufbau einer eigenen Batterienfabrik nähert sich Tesla diesem Ziel. Ubers Vision ist ein
Lösungsanbieter rund um Mobilitäts- und Transportdienstleistungen zu sein und dies oh-
ne ein Fahrzeug zu besitzen (Siliconangle 2015). Google will die Informationen der Welt
organisieren und für alle zu jeder Zeit zugänglich und nutzbar zu machen (Google 2016).
Bei all diesen Beispielen steht die Gestaltung von besseren Wertangeboten im Vorder-
grund, die dem Kunden einen deutlichen Nutzen oder Mehrwert in seinen Alltagswelten
erbringen. Die Ähnlichkeit der Geschäftsmodelle besteht in der Erschaffung von digita-
len Plattformen, die dem Kunden als Zugangspunkt zur Lösung verschiedener Probleme
seiner Alltagswelten dienen. Besteht beim Kunden ein Informationsbedürfnis, fragt er
Google, möchte er von A nach B kommen, öffnet er Uber und will er zuhause Musik la-
den, ruft er Alexa (Codewort von Amazon Echo) auf. Während der Wettbewerb in einer
Branchenlogik gemäß Porter (1998) durch die Verhandlungsmacht von Käufer und Lie-
ferant sowie der Gefahr von Substituten und neuen Unternehmen definiert wurde, wird
der Wettbewerb in einer Logik der Dienstleistungs-Ökosysteme beim Zugang zum Kun-
den und seinen Daten entschieden.
52 Pascal Bühler und Peter Maas

2.4 Kunde wird zum Treiber der Märkte


Während sich der Wettbewerb bislang innerhalb von Branchengrenzen abgespielt hatte
und in einigen Branchen sich über Jahrzehnte kaum neue große Wettbewerber etablieren
konnten, sehen wir heute eine Vielzahl an neu gegründeten Unternehmen, wie bei-
spielsweise so genannte FinTechs oder InsurTechs in der Finanzdienstleistungsbranche.
Viele dieser neuen Unternehmen bieten Leistungen an der Nahtstelle zum Kunden an
und ermöglichen dem Kunden somit neue Zugänge zu den Märkten (Oliver Wyman &
Policen Direkt 2016). Sie decken mit ihren Angeboten Bedürfnisse nach schnellen Reak-
tionszeiten, Transparenz, intuitiv zu verwendenden Systemen und verständlichen Pro-
dukten.
Die Entwicklung vom Anbieter- zum Nachfragermarkt resultiert in einer zunehmend
fordernden Position der Nachfrager. Der Kunde konsumiert nicht mehr nur als Konsu-
ment, sondern wird zunehmend ein aktiver Akteur auf dem Markt (Kucuk 2009;
Harrison/Waite 2015). Im Wertschöpfungsprozess übernehmen Kunden neue Rollen
(Maas/Graf 2004). Wird Kunden die Möglichkeit gegeben, diskutieren sie aktiv mit und
zeigen Schwächen im Serviceprozess auf, teilen neue Ideen und Ansichten mit dem Un-
ternehmen oder testen neue Produkte und Servicedienstleistungen. Unternehmen und
Kunden erschaffen zunehmend Wert durch Co-Kreation. Um die vielfältigen Ressourcen
des Kunden zu aktivieren, muss aber zunächst der Zugang zu ihm geschaffen werden.
Dazu müssen sich Kunden mit Unternehmen identifizieren können. Dies erfordert neben
einer Differenzierung in Form der funktionalen Leistungserbringung oder der Preise zu-
sätzlich eine Differenzierung über die emotionale Ebene. Produkte und Services müssen
eine Geschichte erzählen und zum entsprechenden Lifestyle sowie zur Identitätsbildung
des Kunden beitragen. Die Identitätsleistung eines Produkts oder Services wird zu einer
dominanten Funktion in den Märkten (Bühler/Maas 2015). Kunden interessieren sich
wenig dafür, ob eine Bank Bankdienstleistungen oder eine Versicherung Versicherungs-
leistungen anbietet. Sie gehen mit demjenigen Anbieter eine Beziehung ein, mit dem sie
sich identifizieren können. Warum sollte beispielsweise ein Kunde seine Transaktionen
über eine traditionelle Bank abwickeln lassen, wenn er sich doch mit Apple und dessen
Bezahlsystem Apple Pay besser identifizieren kann? Infolge wird der Einfluss der digita-
len Transformation der Märkte auf das Wertschöpfungsmodell am Beispiel der Asseku-
ranz aufgezeigt.

Beispiel: Wertschöpfung der Assekuranz im Zeitverlauf


Die Versicherungsmärkte durchlebten in den letzten 20 Jahren turbulente Zeiten (vgl.
Abbildung 2). Nach der Deregulierung bestanden weitgehend identische Produkte und
Tarife. Der Markt wuchs kontinuierlich. Das Wertschöpfungsmodell war geprägt durch
eine hohe Leistungsintegration. Um die Jahrtausendwende begannen Differenzierungs-
bestrebungen und die Sensibilität für den Kundenservice wuchs. Die Versicherungsun-
ternehmen investierten in Beratungs- und Produktqualität. Die wirtschaftlichen Proble-
me, ausgelöst durch die Börsenverwerfungen nach der Jahrtausendwende, zwangen die
Transformation von Geschäftsmodellen in einer digitalisierten Welt 53

Versicherer den Fokus auf die Kostenseite der Bilanzen zu legen. Dieser Perspektiven-
wechsel kann als Initialisierung der Industrialisierung in der Assekuranz angesehen wer-
den. Die Heimmärkte waren zunehmend gesättigt, wodurch sich Wettbewerbs- und Ren-
ditedruck erhöhten. Infolgedessen wurden Standardisierung und Automatisierung
vorangetrieben, um die Prozesseffizienz zu erhöhen.
Mit der Etablierung der mobilen Kommunikation verändert sich heute allmählich das
Kundenverhalten. Kunden verlangen nach digitalen Zugangswegen und einer Anpassung
des Angebots an ihre veränderten Bedürfnisse. Versicherungsunternehmen reagieren mit
einer Fokussierung weg von den traditionellen Kernprozessen hin zu den Kundenprozes-
sen (Maas/Bühler 2015). InsurTechs etablieren sich zunehmend an der Nahtstelle zum
Kunden und erhöhen den Druck auf traditionelle Unternehmen, sich den veränderten
Wettbewerbsbedingungen anzupassen.

Digitale
Haupttreiber Deregulierung Börsencrash Marktsättigung Kundenbedürfnisse
Technologien

Entwicklungsphasen Wettbewerb um
Öffnung des Konzentration auf Fokussierung Ausbau der
der Märkte mit Wertdesign für / mit
Marktes Kerngeschäft auf Rendite Interaktionswege
Versicherung Kunden

bis ~2000 bis ~2005 bis ~2012 heute ab ~2020


í Produkte und Tarife í Platzen der í Hoher Renditedruck í Digitale/mobile í Kunde wird Change
aus einer regulierten Internetblase í Industrialisierung der Kommunikation Driver
Welt í Paradigmenwechsel produzierenden í Änderung des í Branchenfremder
Marktereignisse í Marktstabilität und der Marktaufsicht Branchen Kundenverhaltens Konkurrenzdruck
Marktwachstum í EK- Probleme í Fokus auf OPEX í Zunehmende í Shared Economy:
í Konsolidierungs- í Hohe Schaden- und Regulierung des Risikoteilung unter
welle, hohe M&A- Kostenquoten Finanzmarktes «Freunden»
Aktivität
í Hohe Leistungs- í Fokussierung auf í Prozessorientierung í Automatisierung í Know-how durch
integration und Kerngeschäft í Standardisierung/ í Digitale Nahtstellen Kooperation
breites Leistungs- í Verschlankung des Automatisierung zu Partnern und í Wertschöpfungs-
Wertschöpfungs- angebot Angebots Kunden netzwerke
í Tendenzen zur
modell í Funktionen- í Beibehalten der Auflösung Wert- í Fokussierung auf die í Predictive Analytics
orientierung hohen Leistungs- schöpfungskette Prozesseffizienz und í Hochautomatisierte
í Manuelle Prozesse integration Wirksamkeit Prozesse

í Allbranchenanbieter í Kostenmanagement í Operative Effizienz í Verständnis der í Zugang zum Kunden


mit dichtem í erfolgreiche í Vertriebskraft und Customer Journey und seinen Daten
Aussendienstnetz Turnaround- Kundenbindung í Multi-Access/ Multi- í Erweitertes
Erfolgsfaktoren
í Servicequalität maßnahmen Offering Dienstleistungs-
í Produkt- spektrum
differenzierung

Abbildung 2: Wertschöpfung der Assekuranz im Zeitverlauf


(Quelle: Maas/Bühler 2015, S. 12)

Um den Kunden zukünftig umfassender zu entlasten, werden auf der Basis von Verhal-
tensdaten individualisierte Versicherungsprodukte aufkommen. Komparative Wettbe-
werbsvorteile werden durch bessere Kenntnisse über den Kunden und seine Bedürfnisse
generiert. Dem Kunden wird ein erweitertes Dienstleistungsspektrum rund um die All-
tagswelten Mobilität, Wohnen, Arbeiten, Freizeit und Besitz angeboten. Es entstehen
verschiedene Ökosysteme, deren Zugang meist über digitale Plattformen erfolgt. Versi-
cherungskonzerne reagieren mit der Konstruktion von Wertschöpfungsnetzwerken
54 Pascal Bühler und Peter Maas

(Maas 2000). Solche Unternehmen, die den Zugang zum Kunden nicht etablieren ver-
mögen, konzentrieren sich auf niedrigmargige Kernprozesse.

3. Dimensionen der digitalen Transformation von


Geschäftsmodellen
Die digitale Transformation des Marktes erweist sich als höchst komplexer und dynami-
scher Prozess. Dessen Ursprung liegt in der Entwicklung neuer Technologien, die es er-
möglichen neue Lösungen für alltägliche Probleme der Kunden zu erdenken. Die disrup-
tive Veränderungskraft der digitalen Transformation wird dann entfacht, wenn bisherige
Lösungen (latente) Bedürfnisse des Kunden nicht zufriedenstellend decken konnten und
neue Lösungen einen signifikanten Mehrwert darstellen. Folgende fundamentale Verän-
derungen auf den Märkten sind zu erwarten:
„ Neue Technologien: Eine Vielzahl an neuen technologischen Entwicklungen werden
die Möglichkeiten für neue Geschäftsmodelle signifikant erhöhen. Entwicklungen in
der Spracherkennung, des Cognitive Computings, der Robotik und der Vernetzung
versprechen die nächsten großen Entwicklungsschritte.
„ Wandelnde Bedürfnisse: Kundenverhalten und -bedürfnisse sowie technologische
Innovationen bedingen sich gegenseitig. Die Entwicklungsgeschwindigkeit in der
Technologie überträgt sich auf die Veränderung des Verhaltens und der Bedürfnisse.
Dies ist beispielsweise beim Kommunikationsverhalten zu beobachten. Bereits we-
nige Jahre nach Etablierung des Messaging-Dienstes ist bei jungen Personen eine
Veränderung der Kommunikationsgewohnheiten weg von der Message hin zu
Voice-Nachrichten erkennbar (Hamburger 2014).
„ Veränderte Rollen: Kunden betrachten sich heute bereits gegenüber Unternehmen
als mindestens gleichberechtigte Akteure auf dem Markt und bringen ihre Ressour-
cen bei Möglichkeit auch ein. Vergrößert sich die Bedeutung der Sharing-Economy
weiter, reduziert sich die Rolle des Anbieters auf die Ermöglichung der I2I-
Beziehung und die Produktion komplexer Produkte.
„ Mehr Wettbewerber: Branchenstrukturen verlieren zu Gunsten von Dienstleistungs-
Ökosystemen rund um die Bedürfnisse der Kunden ihre Gültigkeit. Digitale Techno-
logien und das steigende Angebot an Risikokapital ermöglichen den Einstieg von
neuen Wettbewerbern in den Markt.
Um zukünftig Marktanteile zu halten zeigen etablierte Unternehmen verschiedene Reak-
tionen auf die digitale Transformation der Märkte. Transformationsansätze beinhalten
Transformation von Geschäftsmodellen in einer digitalisierten Welt 55

die Gründung von Inkubatoren, Direktinvestitionen in Start-ups, die Erstellung betriebs-


interner digitaler Tochterunternehmen oder die Einführung eigener digitaler Lösungen 1.
Aus den bisherigen Wettbewerbsreaktionen etablierter Unternehmen können folgende
zwei Erkenntnisse gewonnen werden: Zum einen konzentrieren sich etablierte Unter-
nehmen stark auf eine evolutionäre Anpassung oder Erweiterung der bestehenden Value
Proposition. Zum anderen sind die Initiativen meist organisational getrennt vom Tages-
geschäft. Diese organisationale Trennung und die Konzentration der Transformation auf
Produkte und Services für Kunden führen letztlich jedoch zur Entstehung eines Unter-
nehmens mit verschiedenen internen Entwicklungsgeschwindigkeiten und -richtungen.
Die digitale Transformation erfordert eine Anpassung des gesamten Geschäftsmodells
(Westerman et al. 2011). Dabei stehen Unternehmen vor der zentralen Herausforderung
sowohl das Value Design gegenüber dem Kunden, als auch das Organisationsdesign vor
dem Hintergrund der veränderten Marktbedingungen neu zu definieren. Unternehmen
haben verschiedene strategische Handlungsoptionen um sich zu differenzieren (vgl. Ab-
bildung 3). Im folgenden Abschnitt werden diese erläutert, vor dem Hintergrund der di-
gitalen Transformation diskutiert und zu einem Orientierungsmodell zusammengefasst.

Zugang zum und vom Kunden (Offline vs. Online)

Leistung Art der Kundeninteraktion (Persönlich vs. Unpersönlich)

Differenzierung der Leistung (Standardisiert vs. Individualisiert)

Organisationsstruktur (Bürokratie vs. Adhokratie)


Strukturen

Wertschöpfungsstruktur (Integriert vs. Vernetzt)

Strategieprozess (Top-Down vs. Emergent)


Prozesse
Innovationsprozess (Inside-Out vs. Outside-In)

Arbeits- und Führungskultur (Reguliert vs. Demokratisch)


Kultur
^ Risikokultur (Kontrollorientiert vs. Risikoorientiert)

Abbildung 3: Strategische Handlungsoptionen im Value- und Organisationsdesign

1
Eine Untersuchung zu Transformationsansätzen in der Assekuranz ist Teil eines aktuel-
len Forschungsprojektes am Institut für Versicherungswirtschaft (I.VW ± HSG).
56 Pascal Bühler und Peter Maas

3.1 Wettbewerbsvorteil durch ein führendes Value-Design

3.1.1 Zugang zum und vom Kunden ± Offline vs. Online

Die digitale Transformation führt zu einer Ausdifferenzierung der Interaktionsmöglich-


keiten mit dem Kunden. Es stehen dabei vor allem zwei Dimensionen des Value Designs
im Fokus, dessen Bandbreite an Möglichkeiten sich vervielfacht hat. Zum einen ist ne-
ben den traditionellen Offline-Zugangspunkten, wie der persönlichen Beratung in einem
Shop, eine Vielzahl an Online-Zugangspunkten entstanden. Zum anderen führt die digi-
tale Transformation zu zusätzlichen Möglichkeiten persönlicher oder unpersönlicher In-
teraktion. Im folgenden Abschnitt wird kurz auf Aspekte eingegangen, welche die stra-
tegische Positionierung zwischen Offline- und Online betreffen, bevor im nächsten
Abschnitt die Differenzierung zwischen persönlicher und unpersönlicher Kommunikati-
on diskutiert wird.
Die Digitalisierung erlaubt diverse Prozesse im Rahmen der Leistungserbringung digital
abzuwickeln. Die Art und Weise der Gestaltung der Zugangswege zum und vom Kunden
stellt dabei ein Kernthema des digitalen Zeitalters dar. Während sich Kunden in der Be-
ziehung zu Technologie- oder Konsumgüterunternehmen an digitale Zugangswege ge-
wöhnen, steigt der Druck auf Branchen, welche sich erst am Anfang des Aufbaus digita-
ler Zugangswege befinden. Für den Kunden ist die Online-Interaktion oftmals bequemer
und kommt dem Wunsch nach zeit- und ortsunabhängiger Erreichbarkeit nach. Dem
Kunden werden dadurch eine beinah unlimitierte Auswahl an Optionen bereitgestellt,
um eine ganz persönliche Customer Journey für Such-, Kauf- und Nachkaufphase zu
kreieren (Verhoef et al. 2015). Gewohnheiten, soziodemographische und psychographi-
sche Charakteristiken sowie zeitliche und örtliche Gegebenheiten beeinflussen die Wahl
des Interaktionswegs (Pieterson/Van Dijk 2007). Eine Kombination verschiedener Zu-
gangswege sowie das Wechseln eines Zugangswegs während eines Dialogs ist heute
Normalität. Eines der am häufigsten beobachtbaren Phänomene, ist das ROPO (Research
Online ± Purchase Offline)-Verhalten (Verhoef et al. 2007). Diese Multi-Optionalität der
Zugangswege stellt Unternehmen vor vielfältige neue Herausforderungen.
Gegenwärtig wird oft von Ansätzen gesprochen, welche Online- und Offline-
Zugangspunkte kombinieren, so genannte Multi-Channel, Omni-Channel oder Multi-
Offering Ansätze. Ein Multi-Channel-Ansatz stellt die Erweiterung der Offline-
Zugangspunkte um Online-Zugangspunkte dar. Die Zugangswege bleiben dabei eini-
germassen unabhängig. Dies führt in der Praxis zu vielfältigen Problemen, da Informati-
onen über Kundenverhalten und -bedürfnisse über verschiedene Zugänge ins Unterneh-
PHQ IOLHVVHQ NHLQ Ä+DQG-RYHU³ HLQHV .XQGHQ YRQ =XJDQJVSXQNW ]X =XJDQJVSXQNW
definiert ist und meist interne Zielkonflikte herrschen. Beim Omni-Channel-Ansatz hin-
gegen wird die Beziehung mit dem Kunden holistisch betrachtet. Online- und Offline-
Zugangswege werden integriert, um dem Kunden über die gesamte Customer Journey
eine einheitliche Customer Experience zu garantieren. Der Nachteil eines Omni-
Channel-Ansatzes kann in einer fehlenden Differenzierungswirkung bestehen. Ein Un-
Transformation von Geschäftsmodellen in einer digitalisierten Welt 57

ternehmen, welches einfach möglichst viele Interaktionswege anbietet, verliert die Mög-
lichkeit sich von anderen Unternehmen über die Zugangswege zu differenzieren. Ein
Multi-Offering-Ansatz im Gegensatz erlaubt es Unternehmen, spezifisch auf den Zu-
gangsweg zugeschnittene Dienstleistungen oder Produkte anzubieten. Der Kunde be-
kommt nicht nur einen optimalen Zugang zum Unternehmen, sondern Dienstleistungen
werden auf Zugangswege zugeschnitten.
Eine noch radikalere Differenzierungswirkung kann durch den bewussten Verzicht auf
verschiedene Zugangswege erreicht werden. Dies ermöglicht dem Unternehmen seine
Identität über die Wahl der Zugangswege zu schärfen. Das Label blingberlin, ein Desig-
ner für Taschen, setzt beispielsweise konsequent auf den Verkauf in physischen Stores
und verzichtet bewusst auf Online-Handel. Damit erreicht das Label nicht nur eine hohe
Exklusivität, sondern stärkt auch noch den lokalen Handel, womit dem Bedürfnis nach
lokaler Wertschöpfung nachgekommen wird. Auch für Dienstleistungsunternehmen gilt,
die Aufmerksamkeit nicht nur den Online-Interaktionspunkten zu widmen, sondern mit
den heutigen Möglichkeiten ein möglichst gutes Wertangebot für Offline-
Interaktionspunkte zu kreieren.

3.1.2 Art der Kundeninteraktion ± Persönlich vs. Unpersönlich

In Zusammenhang mit der Auswahl der Kundenzugangswege stellt sich für Unterneh-
men die Frage nach dem Ausmaß an persönlicher, respektive unpersönlicher Kundenin-
teraktion. In verschiedenen Branchen wird intensiv in den Aufbau digitaler Kundenplatt-
formen investiert. Dadurch wird es dem Kunden ermöglicht, Verträge selbst
abzuschliessen, sich grundlegend selbst zu informieren und laufende Beziehungen selbst
zu mutieren. Dies entspricht dem Bedürfnis vieler Kunden, nicht mehr für jede Vertrags-
änderung zu telefonieren oder in die Agentur bzw. in den Shop gehen zu müssen.
Gleichzeitig ist auch ein Gegentrend ersichtlich. Explizit junge Menschen schätzen oft-
mals die persönliche Beratung, um sich so schnell in einem Markt zurechtzufinden. Für
Unternehmen gilt es zu erkennen, dass persönliche Interaktionsweisen weiterhin eine
Vielzahl an Differenzierungsmöglichkeiten aufweisen. Mit den eigenen Kunden persön-
lich zu kommunizieren, ihnen zuzuhören und dabei ihre Bedürfnisse akkurat zu identifi-
zieren sowie zu befriedigen, offenbart das Bestreben, den Kunden als Individuum wahr-
zunehmen und dessen subjektiven Wünschen bestmöglich nachzukommen. So kann eine
persönliche Interaktion mit dem Kunden zum einen dessen Zufriedenheit erhöhen und
zum anderen eine nachhaltige Bindung des Kunden an das Unternehmen fördern. Ein
weiterer in diesem Rahmen zu thematisierender Aspekt ist die Möglichkeit des Kunden,
sich mit dem Unternehmen zu identifizieren. So fällt es tendenziell leichter, sich mit ei-
ner persönlichen Leistungserbringung eines Mitarbeiters als mit der einer Applikation zu
identifizieren.
Seit kurzer Zeit etabliert sich eine weitere Option, welche sich nicht leicht im Spektrum
zwischen persönlicher und unpersönlicher Interaktion einordnen lässt: Der ChatBot.
58 Pascal Bühler und Peter Maas

ChatBots sind bereits für verschiedene Zwecke und bei verschiedenen Unternehmen wie
beispielsweise KLM im Einsatz. Ein ChatBot bietet einen Mehrwert für den Kunden,
indem er den Aufwand minimiert bestimmte Probleme zu lösen oder den Kunden unter-
hält. Mica, The Hipster Cat Bot, bietet die Möglichkeit, sich über interessante Orte in-
nerhalb einer Stadt zu informieren und unterhält auf eine fesselnde Art und Weise den
Kunden mit lustigem Content. SPIXII, ein InsurTech, soll Versicherungen simpler, zu-
gänglicher und kundenorientierter gestalten. SPIXII funktioniert mittels eines ChatBots,
der auf diversen Plattformen wie beispielsweise Line, Facebook Messenger, WeChat
oder einer eigens programmierten mobilen Applikation verwendet werden kann. Beim
ChatBot von SPIXII handelt es sich um einen intelligenten Algorithmus, welcher laut
Unternehmen über die Fähigkeit verfügt, kundenspezifische Diskussionen und Prob-
lemlösungen anzubieten und sich dabei laufend zu belehren weiß. So ist der ChatBot mit
einer künstlichen Intelligenz ausgestattet, welche es dem Programm erlaubt, von den
Verhaltensmustern eines jeden Kunden zu lernen und dieses auch anzuwenden (Smith
2016). Wird beispielsweise ein ChatBot über den Facebook Messenger genutzt, erhält
dieser Zugriff auf die seit Eröffnung des Facebook-Kontos stattgefunden Konversatio-
nen. Ein derartiger Zugang zu Kundendaten resultiert in einem enormen Potenzial, die
Bedürfnisse und Verhaltensweisen der Kunden über die Zeit hinweg immer besser zu
verstehen und maßgeschneiderte, kundenorientierte Lösungen zu offerieren (Smola
2016). Möchte der Kunde sich beispielsweise über eine Reiseversicherung im Rahmen
eines mehrmonatigen Aufenthaltes in Südostasien informieren, kann dies dem ChatBot
kommuniziert werden. Dieser reagiert augenblicklich und fragt nach zusätzlichen Infor-
mationen, wie z. B. der exakten Reisezeit oder -destinationen. Gleichzeitig gratuliert der
ChatBot zum Entscheid, reisen zu gehen und wünscht dem Kunden einen angenehmen
Aufenthalt, wobei dem Kunden die für die Reise notwendigen Versicherungen angebo-
ten werden.

3.1.3 Differenzierung der Leistung ± Standardisiert vs. Individualisiert

Die von Gross (1994) beschriebene Multioptionsgesellschaft macht sich in vielen Berei-
chen unseres Alltags bemerkbar. So existiert heutzutage eine Vielzahl an Konsummög-
lichkeiten zwischen welchen sich Konsumenten entscheiden müssen. Dabei ist es um-
stritten, ob die Anzahl an Optionen tatsächlich einen Mehrwert generiert. Der Mehrwert
zusätzlicher Möglichkeiten kann durch die höhere Komplexität des Entscheidungspro-
zesses wieder relativiert werden oder gar zu einem Aufschub des Kaufs führen. Eine
kleinere Auswahl an Produkten und Dienstleistungen kann weitere Vorteile für den
Kunden schaffen. Entscheidet sich der Kunde für ein Produkt unter wenigen Auswahlal-
ternativen, wird er nach dem Kauf vermindert das Gefühl wahrnehmen, eine falsche Ent-
scheidung getroffen zu haben (Schwartz 2005).
In einer digitalisierten Welt können sowohl standardisierte als auch individualisierte
Leistungen einen Mehrwert bringen. Das Geschäftsmodell von Holzconnection besteht
darin, die Value Proposition eines Schreiners zu digitalisieren, indem sich Regale, Ti-
Transformation von Geschäftsmodellen in einer digitalisierten Welt 59

sche oder Schränke völlig individuell auf einer digitalen Plattform gestalten und fertigen
lassen. Der Online Shop Zappos ermöglicht individualisierte Dienstleistungen, wie bei-
spielsweise eine Styling-Beratung. Dazu wird ein selbsterstelltes Selfie auf Instagram
mit dem Hashtag #NextOOTD hochgeladen, wobei anschließend ein professioneller
Kundenberater auf Basis des Selfies dem Style des Kunden entsprechende Produktvor-
schläge offeriert. Auf der anderen Seite des Spektrums befindet sich Apple. So werden
im Rahmen der neuen iPhone-Reihe lediglich zwei Produkte, nämlich das iPhone 7 und
das iPhone 7 Plus, produziert. Zum einen äußert sich diese Entscheidung in einer Kom-
plexitätsreduktion auf der Produktions- und Logistikseite, zum anderen reduziert Apple
die Komplexität der Kaufentscheidung auf ein Minimum. Der Kunde wird zusätzlich an
das eigens geschaffene Apple-Ökosystem gebunden, was zukünftige Kaufentscheidun-
gen vereinfacht.

3.2 Wettbewerbsvorteil durch ein optimales Organisationsdesign

3.2.1 Organisationsstruktur ± Bürokratie vs. Adhokratie

Eine auf Hierarchie basierende, klassische Organisationsform wird in einer heutigen von
Dynamik und Komplexität geprägten Umwelt hinterfragt. Um möglichst agil auf die
Veränderungen des Marktes reagieren zu können, ist gegenwärtig ein Trend hin zu fla-
chen, basisdemokratischen und flexiblen Strukturen zu erkennen, welche selbstorganisie-
rend und nicht überaus formal agieren (Klaffke 2014). Dieses Phänomen geht einher mit
den sich verändernden Bedürfnissen einer zukünftigen Generation von Spezialisten und
Führungskräften. So fordern diese innerhalb eines partizipativen Organisationskonzept
nach mehr persönlicher Verantwortung sowie Raum, um die eigenen persönlichen Stär-
ken in das Unternehmen einzubringen (Klaffke 2014). Eine Unternehmenskultur, die je-
dem einzelnen Mitarbeiter das entsprechende Vertrauen entgegenbringt, ist dabei von
essentieller Bedeutung. Diese soll die intrinsische Motivation des Mitarbeitenden im
Rahmen der zu erfüllenden Arbeit erhöhen und die Identifizierung mit dem Unterneh-
men ermöglichen.
Holacracy (Brinsa 2016) stellt eine Organisationsform dar, die strukturelle Organisati-
onshierarchien durch sich selbst organisierende Teamstrukturen ersetzt. Sie steht folglich
am anderen Ende der Bandbreite strategischer Optionen. Zuständigkeiten und Entschei-
dungskompetenzen werden breit auf alle Mitarbeitenden verteilt, welche nach einem in-
ternen Leitbild der Organisation ihren Verantwortlichkeiten im Unternehmen nachgehen.
Die entscheidende Veränderung ist die Trennung von Rollen und Verantwortlichkeiten
oder Tätigkeiten. Dies lässt sich am Beispiel des HR-Managers zeigen, welcher ver-
schiedene Aufgaben, wie Akquise, Training und Ressourcenplanung zu erfüllen hat.
Werden nun diese einzelnen Tätigkeiten von der Rolle des HR-Managers getrennt, spielt
es keine Rolle mehr, wer diese Tätigkeiten durchführt, was letztlich dazu führt, dass kei-
60 Pascal Bühler und Peter Maas

ne HR-Manager mehr akquiriert werden, sondern Personen, die die Fähigkeiten besitzen
zu akquirieren, ein Training durchzuführen oder Ressourcen zu planen. Der Vorteil des
Systems liegt in der Agilität. Über ein System von sich selbstorganisierenden Teams
werden die benötigten Tätigkeiten kollektiv in regelmäßigen Abständen neu festgelegt,
um sich dem gegenwärtig stattfindenden Wandel des Marktes anzupassen. Dabei ist je-
des Team einem klaren Zweck zugeordnet, hat aber die Befugnis, sich intern selbst zu
organisieren, sodass es seinen Zweck bestmöglich erfüllen kann.
Eines der größten Unternehmen, das den Organisationsansatz Holacracy implementierte,
ist Zappos, ein Onlineshop mit 1.500 Mitarbeitenden, der sich mehrheitlich auf den Ver-
trieb von Schuhen fokussiert. Die Transformation zur neuen Organisationsform wurde
2014 durchgeführt. Dabei wurde denjenigen Personen, die sich nicht mit der Idee identi-
fizieren konnten, eine Abgangsentschädigung offeriert (Zappos 2016). 18 Prozent oder
260 Mitarbeitende verließen das Unternehmen (Feloni 2016). Wie bei jedem Wandel
zeigten sich auch bei Zappos Schwierigkeiten und Widerstände. Insbesondere der Ver-
lust an Annehmlichkeiten und Macht höher gestellter Mitarbeiter hat sich als zentrale
Herausforderung herausgestellt.
Dies zeigt, dass die Bürokratie, zuweilen sehr negativ besetzt, durchaus Vorteile mit sich
bringt. Eine klare Rollen- und Aufgabenaufteilung, klare Verantwortlichkeiten und
Richtlinien haben sich über Jahrhunderte bewährt. Die Organisationsform der katholi-
schen Kirche beruht auf seit Jahrhunderten eingehaltenen Prozeduren und Zeitplänen.
Dabei sind die Hierarchien in der katholischen Kirche klar verteilt und Abläufe strikt bü-
rokratisch definiert. Eine rein hierarchisch konzipierte, über Jahre hinweg persistente
Struktur ist insbesondere bei Extremereignissen, wie Katastrophen oder Kriegen vorteil-
haft. Sie kann aber auch bei schnellen Umweltveränderungen, in Zusammenhang mit
Orientierungslosigkeit helfen, schnell und strukturiert zu arbeiten.

3.2.2 Wertschöpfungsstruktur ± Integriert vs. Vernetzt

Die Wertschöpfungsstruktur wurde in den letzten 20 Jahren als ein entscheidender Fak-
tor der Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens betrachtet (Melnyk 2009). Dabei be-
darf es einer ständigen Anpassung an die wechselnden Rahmenbedingungen des Wett-
bewerbs. Die Wertschöpfungsstruktur steht dabei unter dem Einfluss verschiedener
Spannungsfelder, wie beispielsweise Effizienz vs. Flexibilität, Kontrolle vs. Fokussie-
rung oder Individualisierung vs. Standardisierung. Die Veränderung der Wettbewerbslo-
gik durch die Etablierung von Dienstleistungs-Ökosystemen begünstigt die Entstehung
von Wertschöpfungsnetzwerken. Eine Vernetzung von Unternehmen entlang des Wert-
schöpfungsprozesses ist nicht neu. Bereits bei der Jahrtausendwende sind durch den
Trend zur Fokussierung auf einzelne Wertschöpfungsstufen eine Vielzahl von Koopera-
tions- und Netzwerkmodellen entstanden, denen ausgehend von den Erwartungen und
Bedürfnissen bestimmter Kundensegmente neue Wertschöpfungsstrukturen zugrunde
liegen (Maas 2001). Integrierte Wertschöpfungsmodelle zeichnen sich durch einen ho-
hen Strukturierungsgrad und starre Verbindungen zwischen den einzelnen Prozessen aus.
Transformation von Geschäftsmodellen in einer digitalisierten Welt 61

Ein Dienstleistungs-Ökosystem hingegen besteht aus eher schwachen Verbindungen, die


es erlauben das Wertschöpfungsnetzwerk rasch und mit niedrigem Aufwand den verän-
dernden Bedürfnissen der Kunden anzupassen (Lusch et al. 2010).
Ein Markt, der dieser Vernetzung entgegensteuert und noch immer von einer relativ ho-
hen Leistungsintegration geprägt ist, stellt die Assekuranz dar (Maas/Bühler 2015). Ob-
wohl Versicherer unter dem Renditedruck des Kapitalmarkts die Fokussierung auf ein-
zelne Wertschöpfungsprozesse prüften, existiert in den letzten Jahren eine Tendenz
zurück zum traditionell vollintegrierten Wertschöpfungsmodell mit hoher Leistungstiefe
und einem breiten Dienstleistungsangebot sowie einer starken Produktdifferenzierung.
Die vertikale Integration bietet zwar Vorteile, wie beispielsweise die Kontrolle über die
Wertschöpfungskette, die Verminderung von Komplexität oder die Möglichkeit zur Effi-
zienzverbesserung. Sie könnte sich im Zuge der digitalen Transformation jedoch als
Hindernis erweisen, da sich die Umweltbedingungen derzeit in einer hohen Geschwin-
digkeit ändern und die Flexibilität integrierter Wertschöpfungsketten eher niedrig ist.
Unter anderem wegen der fehlenden Agilität werden aktuell die etablierten Versicherer
durch InsurTechs herausgefordert. Geschäftsmodelle, wie FinanceFox bieten dem Kun-
den einen erleichterten Zugang zum Ökosystem Sicherheit, indem sie es dem Kunden
ermöglichen seine Versicherungspolicen fremder Anbieter zentral abzulegen. Mit dem
Eingehen einer Geschäftsbeziehung entsteht gleichzeitig ein Mandatsverhältnis, das es
den Anbietern wiederum ermöglicht Vertragsdaten ihrer Kunden einzusehen und dem
Kunden eine maßgeschneiderte Lösung anzubieten. Der Vorteil dieses Modells ist, dass
keine Versicherungslizenz beschafft werden muss, also sozusagen die Markteintrittsbar-
rieren umgangen werden können. Dies eröffnet die Chance einer raschen geografisch
übergreifenden Skalierung. Ist erstmals der Zugang zum Kunden gesichert, kann das
Dienstleistungs-Ökosystem ausgebaut werden. In der Konsequenz bliebe für etablierte
Versicherer dann nur noch die Rolle eines Zulieferers.

3.2.3 Strategieprozess ± Top-Down vs. Emergent

In vielen traditionellen Unternehmen ist ein jährlicher strategischer Planungs- und


Budgetprozess vorzufinden. Oftmals wird eine Strategie und ein Budget über eine mehr-
jährige Periode geplant, wobei die Prognosen bis in jede Abteilung hinuntergebrochen
werden. Die Schwachstellen eines solchen Strategieprozesses sind die oftmals kurzfristi-
gen Anreizsysteme für Führungskräfte und die fehlende Überzeugung bei den Mitarbei-
tern. Im Zuge der digitalen Transformation wird noch eine weitere Schwachstelle sicht-
bar: Die zunehmende Unplanbarkeit der Marktentwicklungen. Ein Fünf-Jahresplan mit
detaillierter Budgetplanung macht kaum Sinn, wenn sich Geschäftsmodelle grundlegend
ändern.
Es gibt eine Reihe verschiedener Idealtypen von Strategieprozessmodellen, die die Ent-
stehung emergenter strategischer ,QLWLDWLYHQWKHPDWLVLHUHQ ZLHEHLVSLHOVZHLVHGHUÄ$Q
62 Pascal Bühler und Peter Maas

VDW] GHU JHOHQNWHQ (YROXWLRQ³ (Lechner/Bär 2008). Dabei lenkt das Management einer
Unternehmung lediglich eine Vielzahl von Initiativen, anstatt diese selbst zu initiieren
und umzusetzen. Der Prozessablauf des Ansatzes der gelenkten Evolution gliedert sich
trichterförmig in einer Art Filter in die folgenden drei Abschnitte: Variation, Selektion
und Retention von strategischen Initiativen. Dabei findet im Rahmen der Variation eine
Exploration der vorhandenen Ideen zur Strategie statt. Diese entstehen sowohl bottom-
up als auch top-down und können ihren Ursprung innerhalb oder außerhalb der Unter-
nehmung haben. Die vielversprechendsten Ideen werden dann im Rahmen der Selektion
ausgewählt. In der Retention werden abschließend die restlichen Ideen in das Unterneh-
men überführt. Wichtig dabei ist eine stetige Bereitstellung förderlicher Rahmenbedin-
gungen (Katalysatoren) seitens des Unternehmens.
Zwischen den Polen eines top-down getriebenen oder emergenten Strategieprozesses ist
eine Mischung beider Ansätze möglich. Die Entstehung einer Strategie weist meist ver-
schiedene Ursprünge auf. Top-down und bottom-up sind folglich nicht unbedingt Alter-
nativen. Strategieprozesse können in beide Richtungen laufen und sich gegenseitig be-
fruchten. Eine Beteiligung möglichst vieler Personen im Unternehmen an der
Strategiearbeit erhöht in der Regel deren Akzeptanz. Insbesondere Ängsten und Unsi-
cherheiten von Mitarbeitenden, die durch den von der digitalen Transformation angetrie-
benen umfassenden und einschneidenden Organisationswandel entstehen können, kann
durch eine Integration der Mitarbeitenden in der Skizzierung einer neuen Vision entge-
gengewirkt werden.

3.2.4 Innovationsprozess ± Inside-Out vs. Outside-In

Durch die digitale Transformation eröffnet sich gegenwärtig eine Vielzahl neuer Mög-
lichkeiten hinsichtlich der Gestaltung des eigenen Innovationsprozesses. So kann bei-
spielsweise mittels eines outside-in-Ansatzes Wissen von außerhalb der Organisation für
die Entwicklung eigener Innovationen verwendet werden. Ein outside-in-Ansatz ermög-
licht frühzeitig Trends zu erkennen und umzusetzen, wobei Ressourcen von Kunden
verwendet werden können. Gegenwärtige Beispiele eines derartigen Ansatzes werden
unter Open-Innovation (Chesbrough 2003) zusammengefasst. So wird vielerorts der
Lead-User-Ansatz (von Hippel 1986) sowie der Ä&URZGVRXUFLQJ³-Ansatz eingesetzt
(Howe 2006). Der Trend hin zum Einsatz von Crowdsourcing-Lösungen verdeutlicht
sich durch die Entstehung diverser Plattformen wie beispielsweise Innocentive. Das
Outdoor-Bekleidungsunternehmen Mammut fand durch Crowdsourcing eine Substituti-
onslösung für den Reißverschluss. Ein Verschlusssystem ähnlich dem eines Gefrierbeu-
tels konnte die Ausschreibung für sich entscheiden (Gassmann 2010).
Im Gegensatz dazu werden bei einem inside-out-Ansatz Ideen für mögliche Innovation
von eigenen Mitarbeitern eingebracht. Bei Stage-Gate-Prozessen wird der Innovations-
prozess in Stages (ex ante definierte Phasen im Innovationsprozess) und Gates (ereignis-
basierte, an Leistungsziele gebundene Zäsuren mit Go/No-go-Kriterien) aufgeteilt. In
einer von Digitalisierung geprägten Marktlandschaft sind solche Modelle allerdings oft-
Transformation von Geschäftsmodellen in einer digitalisierten Welt 63

mals zu zeitintensiv. So werden heutzutage oftmals Ansätze wie beispielsweise Design


Thinking oder Lean-Start-up verwendet. Der Lean-Start-up-Ansatz versucht mittels dem
Leitgedanken Ä%XLOG ± Measure ± /HDUQ³ HLQH *HVFKlIWVLGHH HLQ 3URGXNW oder einen
Service zu Beginn möglichst schnell zu gestalten und anhand eines Prototypen (Mini-
mum Viable Product) am Markt zu testen. Mittels Feedback können dann im Anschluss
rasch notwendige Veränderungen durchgeführt werden und Rückschlüsse für weitere
Maßnahmen getroffen werden. Das Unternehmen beabsichtigt folglich nicht, mit einem
einwandfreien und optimal funktionierenden Produkt in den Markt zu starten. Vielmehr
soll das Produkt direkt am Markt getestet werden, womit die Leistung den Bedürfnissen
und Wünschen der Kunden dann evolutionär angepasst werden kann.

3.2.5 Arbeits- und Führungskultur ± Autoritär vs. Demokratisch

Ein in letzter Zeit oft zu hörendes strategisches Ziel von etablierten Dienstleistern ist die
Unternehmensagilität. Es soll sichergestellt werden, dass das Unternehmen bei Markt-
veränderungen rasch reagieren kann. Die Unternehmensagilität widerspricht allerdings
teilweise der Logik der auf Effizienz getrimmten Konzerne. Zudem geht Agilität letzt-
lich von jedem Mitarbeiter aus und kann nicht erzwungen werden. Vielmehr sind die or-
ganisationalen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Mitarbeiter in ihren Denk- und
Handlungsprozessen agil bleiben. Unsere heutigen traditionellen Führungsansätze wur-
den für bürokratisch organisierte und mechanistisch funktionierende Organisationen des
Industriezeitalters designt. Organisationen stehen allerdings zukünftig vor völlig anderen
Herausforderungen, wie beispielsweise dem Erzielen eines komparativen Marktwissens,
der Erhöhung der Innovationsgeschwindigkeit und der bereits angesprochenen Unter-
nehmensagilität. Hatte bislang Führung vor allem den Zweck den Wertschöpfungspro-
zess noch effizienter zu gestalten, wobei Mitarbeiter eine vordefinierte Aufgabe zu erfül-
len hatten, muss sich Führung zukünftig mit der Bereitstellung eines möglichst
effektiven Unternehmensumfeldes für kreative Wissensarbeiter auseinandersetzen. Die
Rolle der Führungsperson definiert sich demzufolge neu über Unterstützung und Befähi-
gung, als durch Anweisung und Kontrolle.
Die digitale Transformation verändert nicht nur Kundenbedürfnisse auf der Angebotssei-
te, sondern erweitert auch die Möglichkeiten der Zusammenarbeit und verändert die Be-
dürfnisse von Arbeitnehmern. So schwächt sich bei jüngeren Generationen der Bedarf
nach monetären Werten, Status und Macht ab. Die Attraktivität zukünftiger Organisati-
onsdesigns von Unternehmen in einer digitalen Welt hängt davon ab, ob sie den Mitar-
beitenden die Möglichkeit der Selbstverwirklichung bieten und zwar nicht nur im Sinne
des Status, sondern vor allem in Bezug auf die Sinnhaftigkeit ihrer Arbeit. Jedoch nicht
nur Bedürfnisse auch die Arbeitsweisen und Kompetenzen unterscheiden sich zwischen
den Generationen. Während sich die Generation X beispielsweise mit der Informations-
suche beschäftigt hat, haben Millenials gelernt mit Informationsüberfluss umzugehen.
Im Unterschied zur Generation X treffen jüngere Generationen seit ihrer Kindheit stän-
64 Pascal Bühler und Peter Maas

dig Entscheidungen, was sie sich näher ansehen und was sie ignorieren. Werden soziale
Netzwerke primär von älteren Generationen als unterhaltend und folglich als ablenkend
von der täglichen Arbeit wahrgenommen, gelten diese teils als wichtige und zielführende
Informationsquellen neuerer Generationen. Es darf also durchaus kritisch über eine Rest-
riktion von Webseiten am Arbeitsplatz nachgedacht werden.

3.2.6 Risikokultur ± Kontrollorientiert vs. Risikoorientiert

Organisationale Werte und Normen haben einen entscheidenden Einfluss auf die Innova-
tionsfähigkeit eines Unternehmens. Es lassen sich verschiedene Werte finden, welche die
Innovationsfähigkeit positiv beeinflussen. Darunter befindet sich die Offenheit für und
das Eingehen auf neue Ideen, die Offenheit der internen Kommunikation, die interne
Kooperation zwischen verschiedenen Abteilungen, das Verantwortungsgefühl der Mitar-
beitenden oder die Bereitschaft Risiken einzugehen (Hogan/Coote 2014). Insbesondere
bei etablierten Unternehmen, die über Jahrzehnte hinweg unternehmerische Strukturen
aufgebaut und Arbeitsprozesse gefestigt haben, fällt es oft schwer in anderen Geschäfts-
modellen zu denken. Neben einer ungenügend ausgeprägten Außenperspektive hat sich
meist auch eine kontrollorientierte Kultur etabliert. Diese determiniert das soziale Ver-
halten der Mitarbeitenden, sorgt für die Einhaltung verschiedener Richtlinien und opti-
miert folglich die Zusammenarbeit. Eine kontrollorientierte Kultur behindert allerdings
auch die Entfaltung von Kreativität, die als Basis für Innovation gilt und ein wichtiger
Faktor in sich rasch wandelnden Märkten ist.
In einer operationell-orientierten Unternehmenskultur werden potenzielle Risiken mög-
lichst eliminiert. Innovationen hingegen können nur durch Eingehen von Risiken er-
schaffen werden. Dazu muss eine Kultur etabliert werden, welche das Eingehen von Ri-
siken nicht nur toleriert, sondern auch fördert. Dies verdeutlich Jeff Bezos, Gründer von
$PD]RQ Ä(WZDV zu erfinden, benötigt die Bereitschaft, zu scheitern und lange Zeit
PLVVYHUVWDQGHQ]XZHUGHQ³ Bilanz 2011).

3.3 Dimensionen der digitalen Transformation von


Geschäftsmodellen
Die Veränderung der Märkte beeinflusst die Gestaltung des Value- und Organisations-
designs von Dienstleistungsunternehmen. Dennoch ist in einigen Dimensionen ein er-
heblicher strategischer Spielraum auszumachen, der von Führungskräften genutzt wer-
den kann, um ihr Geschäftsmodell zu differenzieren. Zur Schaffung eines strategischen
Orientierungsrahmens werden die diskutierten Auswirkungen der digitalen Transforma-
tion der Märkte auf das Dienstleistungs-Geschäftsmodell als Thesen zusammengefasst
(vgl. Abbildung 4).
Transformation von Geschäftsmodellen in einer digitalisierten Welt 65

Digitale Transformation der Märkte

Zugang zum und vom Kunden (Offline vs. Online)


 Vervielfältigung der Zugangswege erlaubt neue Wege in der Gestaltung der Customer Journey.
 Eine Kombination von Offline- und Online-Zugangspunkten erlaubt auf den Zugangsweg
zugeschnittene Dienstleistungen (Multi-Offering Ansatz).

Art der Kundeninteraktion (Persönlich vs. Unpersönlich)


 Persönliche Beziehungen werden umso mehr geschätzt. Digitale Zugangswege erlauben neue
Arten persönlicher Interaktion.
 Der ChatBot stelt eine Zwischenform der Interaktion dar. Zurzeit ein Instrument, das die
Informationssuche des Kunden beschleunigen kann.

Differenzierung der Leistung (Standardisiert vs. Individualisiert)


 Durch die Integration des Kunden in den Wertschöpfungsprozess lässt sich Service noch stärker
individualisieren.
 Eine Vielzahl an Konsummöglichkeiten erhöht die Komplexität der Entscheidung.

Organisationsstruktur (Bürokratie vs. Adhokratie)


 Zur Steigerung der Agilität in einer dynamischen Umwelt ist ein Trend hin zu flachen,
basisdemokratischen und flexiblen Strukturen zu erkennen.
 In einem mutlioptionalen Alltag verschaffen fixe Strukturen Orientierung. Flexible Strukturen
erfordern starkere Verantwortungsübernahme.
Wertschöpfungsstruktur (Integriert vs. Vernetzt)
 Veränderung der Wettbewerbslogik durch die Etablierung von Dienstleistungs-Ökosystemen
begünstigt die Entstehung von Wertschöpfungsnetzwerken.
 Neue technologiegetriebene Unternehmen etablieren sich als digitale Plattform für den Zugang
von Kunden zu Dienstleistungs-Ökosystemen.

Strategieprozess (Top-Down vs. Emergent)


 Der Nutzen einer detaillierten strategischen Planung sinkt, wenn sich Geschäftsmodelle
innerhalb kurzer Frist grundlegend ändern können.
 Ein emergenter Strategieprozess erhöht die Akzeptanz für die digitale Transformation.

Innovationsprozess (Inside-Out vs. Outside-In)


 Durch die besseren Mittel zur Integration von Kunden entsteht eine Vielzahl neuer Möglichkeiten
bei der Gestaltung des eigenen Innovationsprozesses.
 Inside-out-Ansätze verändern sich in Richtung Lean-Start-up. Eine Innovation wird in einer
frühen Phase am Markt getestet und evolutionär angepasst.

Arbeits- und Führungskultur (Reguliert vs. Demokratisch)


 Führung muss sich zukünftig mit der Bereitstellung eines möglichst effektiven
Unternehmensumfeldes für kreative Wissensarbeiter auseinandersetzen.
 Anreizsysteme für die kommende Generation an Arbeitnehmern und Führungskräften müssen
sich wandeln, um attraktiv zu bleiben.
Risikokultur (Kontrollorientiert vs. Risikoorientiert)
 Eine kontrollorientierte Kultur behindert die Entfaltung von Kreativität, einer der
^ Grundvoraussetzungen zur Geschäftsmodellentwicklung.
 Innovationen können nur durch Eingehen von Risiken erschaffen werden. Dazu muss eine Kultur
etabliert werden, die das Experimentieren und Scheitern zulässt.

Abbildung 4: Auswirkungen der digitalen Transformation auf die Dimensionen der


Geschäftsmodellgestaltung
66 Pascal Bühler und Peter Maas

In einer ersten empirischen Befragung im Rahmen eines Workshops schätzten Füh-


rungskräfte aus der Assekuranz ihr aktuelles sowie gewünschtes Wert- und Organisati-
onsdesign ein. Gemäß der Selbsteinschätzung ist das Value Design eines Versicherungs-
unternehmens im Schnitt unpersönlich, offline und eher standardisiert. Das
Organisationsdesign kann als kontrollorientiert, bürokratisch und strikt top-down orien-
tiert beschrieben werden. Damit entspricht das Geschäftsmodell der Versicherer dem ei-
nes traditionellen, auf Effizienz getrimmten Unternehmens. Die gewünschten Verände-
rungen bestehen in einer stärkeren Ausrichtung auf unpersönliche, digitale Zugänge,
einer Öffnung der Wertschöpfungsstruktur und einer Reduzierung der Bürokratie (vgl.
Abbildung 5), hauptsächlich um dem Anspruch nach mehr Agilität und einer Vervielfäl-
tigung des Zugangs nachzukommen.

Leistung
Zugang zum Kunden
von -5 (Offline)
bis 5 (Online)
Risikokultur Art der
von -5 Kundeninteraktion
(Kontrollorientiert) von -5 (Persönlich)
Kultur bis 5 (Risikoorientiert) bis 5 (Unpersönlich)
1,1

-0,3 0,6
-1,6
Arbeits- und Differenzierung der
Führungskultur -1,2
-2,6 Leistung
von -5 (Autoritär) 1,9 0,9 von -5 (Standardisiert)
bis 5 (Demokratisch) -0,6 bis 5 (Individualisiert)
-0,6

-1,3
-0,4 -2,3
2,0 -1,5 2,0
Innovationsprozess -0,5
Organisationsstruktur
von -5 (Inside-Out) von -5 (Bürokratie)
bis 5 (Outside-In) 1,9 bis 5 (Adhokratie)

Ziel-Werte Ist-Werte
Strategieprozess Wertschöpfungsstruktur
Prozesse von -5 (Integriert) Strukturen
von -5 (Top-Down)
bis 5 (Emergent) bis 5 (Vernetzt)

Abbildung 5: Geschäftsmodellgestaltung aus der Perspektive von Führungskräften der


Assekuranz (n = 40, aus 32 unterschiedlichen Organisationen)

Die ständigen Informationen über neue technologische Entwicklungen und die potenziel-
len Auswirkungen auf die Märkte und Unternehmen führen oft zu Verunsicherung von
Führungskräften. Insbesondere in diesen hektischen Zeiten erwarten Mitarbeitende und
Aktionäre eine starke Führung. Dazu benötigen Führungskräfte Orientierungswissen und
ein tiefgehendes Verständnis über die derzeitigen Prozesse, die zu Verwerfungen auf den
Märkten führten und führen können sowie die strategischen Optionen, die im Rahmen
der Geschäftsmodellgestaltung gewählt werden können. Dieser Beitrag liefert eine erste
Transformation von Geschäftsmodellen in einer digitalisierten Welt 67

holistische Betrachtungsweise des Phänomens digitale Transformation. Dadurch wird


Führungskräften ein strategischer Orientierungsrahmen geboten, der es erstmals nicht
nur ermöglicht, das Phänomen in seiner Gesamtheit zu verstehen, sondern auch aufzeigt,
welche Handlungsoptionen sich im Rahmen der Transformation von Dienstleistungsge-
schäftsmodellen in einer digitalisierten Welt ergeben und welche strategischen Entschei-
dungen im Rahmen des Re-Designs des Geschäftsmodells getroffen werden müssen. Für
die Forschung wird so ein konzeptioneller Rahmen geschaffen, um zukünftig For-
schungsfelder zu definieren, die es erlauben gleichzeitig das Phänomen in seiner Tiefe
besser zu verstehen, aber auch verschiedene Arbeiten in spezialisierten Forschungsgebie-
ten zusammenzufassen.

Danksagung
Wir bedanken uns bei Philippe Klöti, Student der Universität St. Gallen für seine wert-
volle Mitwirkung an unserem Beitrag.

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Johannes Winter

Europa und die Plattformökonomie


± Wie datengetriebene Geschäftsmodelle
Wertschöpfungsketten verändern

1. Zeitalter der Plattformen


1.1 Disruptive Kraft digitaler Plattformen
1.2 Europa muss den Eintritt in die Plattformökonomie forcieren

2. Über Plattformen, Smart Data und datengetriebene Geschäftsmodelle


2.1 Was sind digitale Plattformen?
2.2 Plattformen und digitale Innovationsökosysteme
2.3 Plattformtypen und ihre Einsatzgebiete

3. Europa und die Plattformökonomie


3.1 USA und China liegen bei B2C-Plattformen vorn
3.2 Europas Chancen im B2B-Bereich
3.3 Von Industrie 4.0 zu Smart Services: gute Ausgangsposition Europas
3.4 Anwendungsbeispiele für Smart Services

4. Schritt in die Zukunft

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Dr. rer. pol. Johannes Winter ist Leiter des Themenschwerpunktes Technologien, acatech
an der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften.

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1. Zeitalter der Plattformen

1.1 Disruptive Kraft digitaler Plattformen


Als vor nicht einmal 20 Jahren die ersten Internetunternehmen aus dem Silicon Valley mit
digitalen Plattformen auf den Markt kamen, war noch nicht annähernd absehbar, welch
immensen Siegeszug Softwareplattformen weltweit nehmen würden. Amerikanische und
zunehmend auch chinesische Technologieunternehmen haben seitdem internetbasierte
Plattformen für E-Commerce, Social Media, Online-Suche oder die Vermittlung von Fahr-
dienstleistungen und Unterkünften etabliert und damit Millionen von Nutzende gewonnen.
Heute spielen digitale Plattformen eine zentrale Rolle bei der Digitalisierung ganzer Wert-
schöpfungsketten. Während die Entwicklung in Business-to-Consumer-Märkten (B2C)
durch niedrige Eintrittsbarrieren für den Konsumenten (kostenfreie Registrierung und
Nutzung) schneller durchlaufen wurde, etablieren sich seit einigen Jahren auch erste Platt-
formen im Business-to-Business-Bereich (B2B). Nach der Transformation in der Medien-
und Unterhaltungsbranche (Apple iTunes, Youtube, Spotify) und des Einzelhandels
(Amazon, eBay, Alibaba, Zalando), verändern sich nun auch die Geschäftsprozesse in
weiteren Branchen wie der Industrie (Industrie 4.0), der Mobilität (Mobility-as-a-Service),
im Gesundheitswesen (Smart Health) oder im Baugewerbe (Gebäudeautomation/Smart
Home). Dies hat erhebliche Auswirkungen auf bestehende Geschäftsmodelle etablierter
Marktteilnehmer, auf Wertschöpfungsanteile und auf die Schnittstelle zum Kunden, um
nur einige Aspekte zu nennen. Schließlich zeigen Beispiele wie Amazon, Booking oder
Uber, dass sich digitale, cloud-basierte Plattformen zwischen traditionelle Anbieter von
Produkten und Dienstleistungen (z. B. Buchhändler, Hotels, Taxiunternehmen) und deren
Kunden schieben. Angebot und Nachfrage werden gebündelt, Provisionen generiert und
Zugriff auf immense Kundendaten einschließlich individueller Präferenzen und Mobili-
tätsverhalten (Big Data) erhalten, die wiederum zur Individualisierung von Produkten und
Dienstleistungen genutzt werden. Plattformen haben dabei einen hochgradig disruptiven
Charakter, verändern sie doch die Machtverhältnisse in Branchen und Märkten und ver-
schieben Wertschöpfungsanteile teils dramatisch (Christensen et al. 2015).
Wer den Zugang zum Kunden besitzt, hat gute Chance auf eine dominante Stellung im
Wettbewerb. Googles Suchmaschine mit 95 Prozent Marktanteil in Europa ist ein Beispiel
dafür. Kein europäisches Unternehmen kann nur annähernd mithalten. Zu gut ist die Such-
und Indexierungsalgorithmik des amerikanischen Technologieführers und entsprechend
besser und passgenauer die Suchergebnisse für den Nutzer; denn nur Google verfügt über
die großen Datenmengen, mit denen die Suche verknüpft wird und damit über das um-
fangreichste Kontextwissen über die Suche und den Suchenden. Andererseits ermöglichen
digitale Plattformen aufgrund der darauf aggregierten wertvollen Datenbasen, intelligenter
74 Johannes Winter

Algorithmik und ihrer globalen Reichweite über das Internet, dass Akteure zusammen-
kommen, die sich sonst vielleicht nie begegnet wären. Wer kann schon Tausende von
B2C- oder B2B-Anbietern analog finden und deren Angebote anhand objektiver Kriterien
vergleichen? Auch tragen etwa Sharing-Plattformen zur Effizienz und Nachhaltigkeit bei,
indem Autos, Wohnungen oder Maschinen besser ausgelastet werden.

1.2 Europa muss den Eintritt in die Plattformökonomie forcieren


Während die USA und China den Eintritt in die Plattformökonomie rasch angegangen
sind, ist das Bild für Deutschland und Europa noch fragmentiert (vgl. Abbildung 1). Ge-
rade kleine und mittlere Unternehmen warten zunächst ab, da sie in (offenen) Software-
plattformen um den Schutz von Geschäftsgeheimnissen und die Gefahr von Cyber-Atta-
cken fürchten oder kein nachhaltiges Geschäftsmodell in den Plattformmärkten für sich
identifizieren können. Zurückhaltung beim Eintritt in die Plattformökonomie kann sich
allerdings dramatisch auf den Geschäftserfolg auswirken. Denn branchenübergreifend
zählen eine absolute Nutzerzentriertheit, eine unternehmensweite Digitalisierungsstrate-
gie, flexible und technologiegetriebene Unternehmensprozesse (z. B. Mobile, Big-Data-
Analytics, Cloudcomputing, agile Entwicklungsprozesse, Social Collaboration) sowie das
Verständnis über das digitale Innovationsökosystem zu GHQ(UIROJVIDNWRUHQIUGDVÄ0D
QDJHQ³GHUGLJLWDOHQ7UDQVIRUPDWLRQXQGIUGLH=XNXQIWVIlKLJNHLWYRQUnternehmen. Der
Begriff Ökosystem wurde aus der Biologie entliehen: die gesamte Population eines digi-
talen Ökosystems entwickelt sich durch Koevolution weiter, da die evolutionären Impulse
durch das gesamte Ökosystem laufen (Moore 1993; 1996).
Das Rennen um die erfolgreichsten Plattformen im Business-to-Consumer-Segment
scheint vorerst verloren. Hingegen ist der Wettbewerb im Business-to-Business-Bereich
voll entbrannt. Europa tut daher gut daran, den Eintritt in die Plattformmärkte zu forcieren,
um global wettbewerbsfähig zu bleiben und die Leitanbieterschaft in etablierten und ent-
stehenden Märkten zu sichern; das Verharren in Nischen produktzentrierter Marktführer-
schaften ist jedoch keine Option. Erste Plattformen und auf ihnen aufbauende Innovati-
onsökosysteme sind entstanden, jetzt gilt es, zu verstetigen und mit eigenen Platt-
formlösungen stärker in den globalen Wettbewerb einzusteigen.
Europa und die Plattformökonomie 75

Transaction Innovation Integrated

LinkedIn Salesforce
Apple
PayPal
USA

Intel
Snapchat Oracle Google
Amazon
Uber

Microsoft Facebook
Netflix Airbnb
CHINA

Baidu
Tencent
Alibaba

Xiami
EUROPA

SAP

Kreise entsprechen Unternehmensgröße nach Marktkapitalisierung

Abbildung 1: Plattformunternehmen nach Typisierung und regionaler Verteilung


(Quelle: Evans/Gawer 2016, S. 14)

2. Über Plattformen, Smart Data und datengetriebene


Geschäftsmodelle

2.1 Was sind digitale Plattformen?


Der Begriff der (technischen) Plattform ist nicht neu. Volumenhersteller in der Automo-
bilindustrie wie Volkswagen verfolgen bereits seit mehreren Jahrzehnten Plattformstrate-
gien, um Fahrzeugmodelle unterschiedlicher Konzernmarken auf derselben technischen
Plattform (Fahrwerk, Antrieb u. a.) zu produzieren. Das spart Entwicklungskosten und
reduziert Stückkosten für Einzelteilfertigungen in großen Serien (Winter 2010, S. 145f.).
76 Johannes Winter

Neu ist hingegen, dass dank Informations- und Kommunikationstechnologie mit dem In-
ternet verbundene Softwareplattformen entstehen, die bei sinkenden Kosten für Rechen-
leistung und Datenspeicherung riesige Datenmengen (Big Data) erfassen, auswerten, auf-
bereiten und teilen und dadurch für Anbieter von Produkten und Dienstleistungen wie
auch für Nutzer gleichermaßen wertvoll sind (Smart Data). Daraus resultieren Netzwerke-
ffekte: Je mehr User eine Plattform hat (sowohl Anbieter als auch Kunden), desto dynami-
scher und schneller wächst die Plattform, da für alle ein höherer Nutzen gegeben ist. Im
Gegenzug verlieren Wettbewerber häufig Marktanteile, was eine Marktdominanz einzel-
ner Anbieter hervorrufen kann. Aus klassischen angebotsgetriebenen Geschäftsmodellen
werden plattformbasierte Geschäftsmodelle (vgl. Abbildung 2). Amazon und eBay verfü-
gen heute zusammen über mehr als 50 Prozent Marktanteil in Deutschland. Kein europä-
isches Unternehmen ist annähernd so wettbewerbsfähig und verfügt über eine solch hohe
Marktkapitalisierung.

Klassisches angebotsgetriebenes Geschäftsmodell


A
Æ Lineare Wertschöpfung ± einseitiger Markt

Produktion Distribution Marketing Konsument

Plattformgetriebenes Geschäftsmodell
B
Æ Dynamische Wertschöpfung ± zweiseitiger Markt

Innovations-
Plattform
ökosystem

Abbildung 2: Von traditionellen angebots- zu plattformgetriebenen Geschäftsmodellen


(Quelle: in Anlehnung an Tiwana 2013, S. 225; Accenture 2016)

2.2 Plattformen und digitale Innovationsökosysteme


Plattformen weisen nach Tiwana (2013, S. 225) und Choudary et al. (2016) zwei integrale
Bestandteile auf: den eigentlichen Plattformkern im Sinne einer technologischen Infra-
struktur mit einem betriebswirtschaftlichen Regelwerk, dominiert vom Plattformanbieter,
Europa und die Plattformökonomie 77

sowie der Peripherie aus externen Dienstleistern (vgl. Abbildung 3, oberer Teil). Ein Bei-
spiel für einen Plattformkern ist ein App-Store eines Smartphone-Anbieters, mit definier-
ten Funktionalitäten, Prozessen, Regeln und APIs (Application Programming Interface).
Externe App-Entwickler nutzen die Technologie des Smartphone-Anbieters, die ihnen
durch APIs oder SDKs (Software Developer Kit) zugänglich gemacht wird. Sie docken
über Programmierschnittstellen also aus der Peripherie am Plattformkern an. Dabei unter-
halten die beteiligten Akteure und Unternehmen nicht zwingend Geschäftsbeziehungen
zueinander (Baums 2015), sondern entwickeln nicht selten im Wettbewerb zueinander
(Co-Evolution). Gemeinsam bilden sie ein so genanntes digitales Innovationsökosystem
(vgl. Abbildung 3, unterer Teil), das jedem Teilnehmer einen Vorteil bringt: je mehr Apps
im App-Store angeboten werden, desto mehr Nutzer werden dieses Angebot zu schätzen
wissen und diese Plattform nutzen, desto mehr profitiert der einzelne Entwickler von der
Nachfrage. Der App-Store hätte diesen Markterfolg nicht gehabt, wenn Apple nicht ein
digitales Innovationsökosystem aus fast 400.000 externen App-Entwicklern aufgebaut
hätte, die dem Kunden ein Angebot von rund 1,5 Mio. Apps und Diensten ermöglichen.
Dies hat bis heute 100 Mrd. Downloads erzeugt und Apple allein im Jahre 2015 einen
Umsatz von 20 Mrd. USD eingebracht (Accenture 2016; Heise 2016). App-Entwickler
erhalten bislang 70 Prozent der Erlöse, Apple 30 Prozent. Jüngst hat das Internetunterneh-
men angekündigt, die Verteilung auf 85:15 zu verändern und damit den Anreiz für die
Ä3HULSKHULH³7HLOGHVgNRV\VWHPV]X ZHUGHQDnzuheben (vgl. Business Insider 2016).
Dadurch wird der Kreislauf von Wertschöpfung und Innovation stetig angekurbelt und
entwickelt ein sich selbstverstärkendes Wachstum.
Moore (1993; 1996) hatte bereits Anfang der 1990er Jahre den Begriff des Business bzw.
Innovation Ecosystems eingeführt. Die Europäische Kommission (2015) hat diesen über-
nommen und definiert diese offenen, kollaborativen Netzwerke über folgende Merkmale:
(1) Open Access; (2) Awareness Networks; (3) Collaborative Economy; (4) New Ways of
Making; (5) Open Democracy; and (6) Acceleration and Incubation + Co-Evolution.
Kommen neue APIs hinzu, kann im Übrigen der Plattformkern zugunsten der Peripherie
schrumpfen, da immer weitere externe Akteure in das digitale Innovationsökosystem ein-
treten und intelligente Dienste für den Plattformkern entwickeln. Die Grenzen zwischen
Plattformkern und Peripherie sind daher dynamisch (Gulati/Kletter 2005, S. 77ff; Silves-
tri/Gulati 2015, S. 81). Für IT- und Softwareunternehmen wie Google, Salesforce, SAP
oder Amazon sind Anwenderprogrammierschnittstellen ein zentraler Wettbewerbsfaktor,
da die Unternehmen digitale Ökosysteme aufgebaut haben, die wiederum Kunden, Partner
und Communities für eigene Innovations- und Geschäftstätigkeiten nutzen. Über APIs er-
halten diese Gruppen den einfachen Zugriff auf eigene Anwendungen, Daten und Systeme
und werden selbst Teil der Plattformökonomie.
78 Johannes Winter

Fokus Plattform

Plattformkern Peripherie/Ökosystem
(z. B. App-Store) (z. B. App-Entwickler)

Fokus Ökosystem
Händler

Content-
Anbieter Dienstleister
Innovations-
Ökosystem

Entwickler Kunden

Abbildung 3: Digitale Plattformen und Innovationsökosysteme


(Quelle: in Anlehnung an Tiwana 2013, S. 225)

2.3 Plattformtypen und ihre Einsatzgebiete


Plattformen lassen sich einerseits in Transaktionsplattformen (Evans/Gawer 2016) wie
Online-Bezahldienste, -Tauschbörsen oder -Fahrdienstvermittlungen unterscheiden.
Diese Beispiele sind im Business-to-Consumer-Bereich (B2C) durch große amerikanische
und zunehmend chinesische Internetunternehmen wie Apple, Google, Facebook, Amazon,
Uber, Alibaba und Baidu bereits seit längerem eingeführt und haben die digitale Transfor-
mation vieler Branchen forciert. Ihr unmittelbar erkennbarer Wert liegt daran, dass Platt-
formen Menschen und Organisationen zusammenbringen, die sich womöglich sonst nicht
getroffen hätten, und dies auf eine einfache, schnelle und für den Konsumenten bisweilen
kostenfreie Art. Diese Plattformart wird daher DXFKÄMulti-sided Market³RGHU]ZHL- bzw.
mehrseitiger Markt genannt (vgl. auch Abbildung 2).
Im Business-to-Business-Bereich (B2B) sind Innovationsplattformen (Evans/Gawer
2016) von besonderer Bedeutung. Vereinfacht gesagt handelt es sich bei diesen Plattfor-
men um offene Technologiebaukästen, auf denen große und kleine Unternehmen, junge
und etablierte Akteure, branchenähnliche und branchenfremde Institutionen wie auch For-
schungseinrichtungen und Einzelpersonen innovieren können. Plattformen sind damit
technologische Enabler für Innovation und Wertschöpfung. Sie werden von Anbietern von
Europa und die Plattformökonomie 79

Innovationsplattformen (z. B. SAP, Oracle, Microsoft, Intel, Salesforce) einem unbe-


grenzten Pool an externen Entwicklern geöffnet damit sich darüber innovative, digitale
Ökosysteme verfestigen. Auf Plattformen entstehen neue, datengetriebene Geschäftsmo-
delle: Werkzeugmaschinen werden besser ausgelastet, wenn in globalen Wertschöpfungs-
netzwerken über Plattformen Maschinenstunden an Dritte verkauft, Auftragsarbeiten mit-
tels Crowdworking-Plattformen schneller realisiert oder Patienten im ländlichen Raum
über E-Health-Plattformen engmaschiger überwacht werden können.
Integrationsplattformen schließlich kombinieren Transaktion und Innovation. Im Gegen-
satz zu anderen Plattformunternehmen haben diese z. T. auch eigene Fertigungsketten, wie
z. B. Apple oder Huawei mit Smartphones und Tablets oder Amazon mit E-Book-Readern.
Softwareplattformen stellen heute einen wichtigen Treiber für Innovationen dar. Unter den
absolut betrachtet wichtigsten Patentinhabern 2015 waren fast ausnahmslos Plattforman-
bieter oder Unternehmen, die eigene digitale Ökosysteme aufgebaut haben oder Teil dieser
dynamischen Innovationsnetzwerke sind. Auffällig ist die große Dominanz amerikani-
scher, koreanischer und trotz Rückgängen japanischer Unternehmen. China hat es mit
Huawei unter die Top 100 geschafft (Platz 50), ebenso deutsche, niederländische, franzö-
sische und schwedische Unternehmen. Doch die größten amerikanischen Plattformanbie-
ter Google, Microsoft und Apple waren allein in 2015 für mehr als 7.500 Patente verant-
wortlich, so viel wie die sieben europäischen Unternehmen zusammen patentiert
bekommen haben (vgl. Abbildung 4).

3. Europa und die Plattformökonomie

3.1 USA und China liegen bei B2C-Plattformen vorn


Europäische Unternehmen sind in der Plattformökonomie bislang nicht annähernd so er-
folgreich wie ihre Wettbewerber aus Nordamerika und Ostasien. Wenngleich dies bisher
vor allem für den B2C-Bereich gilt ± wie aus der eingangs gezeigten Abbildung 1 ersicht-
lich wird ±, sind die europäischen Technologie- und Dienstleistungsunternehmen heraus-
gefordert, ihre Geschäftsmodelle zu innovieren und ihre Produkte und Dienstleistungen
mit digitalen Diensten zu veredeln. Plattformen sind dafür die technologische Grundlage,
ermöglichen sie doch, dass eine Abfüllanlage oder eine Druckmaschine über eine Inter-
netplattform in einem globalen Wertschöpfungsnetzwerk von unterschiedlichen Akteuren
JHQXW]WVWDWWJHNDXIWRGHUJHOHDVWZHUGHQPXVV Äas a service³ .DJHUmann und Österle
(2007) haben am Beispiel des Maschinenbauers Hilti aus Liechtenstein bereits vor rund
zehn Jahren neue Geschäftsmodelle skizziert: Anstelle von Bohrmaschinen werden Lö-
cher verkauft, anstelle von Klimaanlagen eine spezifische Temperatur für Gebäude ange-
boten.
80 Johannes Winter

Veränderung 2014
Rang Firma Land Patente 2015
(in Prozent)
1 IBM USA 7440 -0,5
2 Samsung KOR 5059 +2,5
3 Canon JP 4239 +1,6
4 Qualcomm USA 3209 +18,6
5 Google USA 3195 +10,9
6 Toshiba JP 2793 -2,0
7 General Electric USA 2629 +14,7
8 Intel USA 2625 +33,6
9 Microsoft USA 2471 -17,2
10 Sony JP 2448 -23,8
11 LG KOR 2241 +5,8
12 Apple USA 1937 -3,3
«
20 Siemens D 1488 -8,7
24 Ericsson SE 1406 -8,5
35 Bosch D 1016 +3,1
38 Philips NL 992 +7,2
41 NXP Semiconduct. NL 967 +147,9
59 Alcatel Lucent F 716 +2,3
63 SAP D 678 +2,4
Abbildung 4: Patente nach Organisation, Herkunft und Anzahl
(Quelle: in Anlehnung an Intellectual Property Owners Association
2016)

Was absurd klingen mag, beinhaltet vor allem ein geändertes Abrechnungsmodell. Anbie-
ter von Maschinen oder Anlagen verkaufen den Kunden nicht mehr eben diese Maschinen
oder Anlagen, sondern bieten Geräte einschließlich Wartung an bei gebrauchsabhängiger
Verrechnung. Aus dem Produktverkauf wird somit ein Betreibermodell.
Der stärkere Eintritt europäischer Unternehmen in die Plattformökonomie ist deshalb
wichtig, da Softwareplattformen Skalen- und Netzwerkeffekte erzeugen und aufgrund ih-
rer enormen Reichweite häufig disruptiv sind. Je mehr Nutzer auf einer Plattform aufset-
zen, desto größer wird sie, desto schwieriger wird es für Wettbewerber, eigene Nutzer auf
ihre Plattform zu ziehen. Indem sich Plattformen zwischen traditionelle Anbieter von Pro-
dukten und Dienstleistungen und deren Kunden schieben, droht der Verlust der Kunden-
schnittstelle und damit der Zugriff auf nutzerbezogene Daten, die in einer Welt der Los-
größe 1 zum Preis eines Massenprodukts (ÄMass Customization³) immer stärker an
ökonomischem Wert gewinnen. Im Ergebnis droht sich die Wertschöpfung zugunsten von
Plattformanbietern zu verschieben, traditionelle Anbieter von Produkten und Dienstleis-
tungen werden zu Zulieferern des Plattformanbieters degradiert.
Das Beispiel Nokia zeigt, wie ein lange Zeit sehr erfolgreiches europäisches Technologie-
unternehmen innerhalb weniger Jahre seine Position an junge amerikanische und asiati-
sche Unternehmen verloren hat und schließlich das Geschäftsfeld Smartphone komplett
aufgegeben hat. Nokia hatte alles, was für eine Leitanbieterschaft hätte reichen müssen:
ÄHLQHNODUH3URduktdifferenzierung, bewährte Marken, führende Betriebssysteme, exzel-
Europa und die Plattformökonomie 81

lente Logistik, schützende Regulierungsvorschriften, riesige Forschungs- und Entwick-


lungsbudgets und enorme GrößenvorteiOH³ Choudary et al. 2016, S. 49f.). Apple gelang
es, mit einem ansprechenden Design und einer Plattformstrategie den Markt komplett um-
zukrempeln. Die Plattform iPhone brachte App-Entwickler und -Nutzer nicht nur zusam-
men, sondern brachte beiden einen Mehrwert. Netzwerkeffekte führten dazu, dass die Nut-
zerzahlen exponentiell stiegen. Je mehr Apps hinzukamen, desto mehr stieg der Anreiz,
das iPhone zu nutzen, je mehr Nutzer das Smartphone aufwies, desto attraktiver wurde es
für App-Entwickler, Lösungen für das Smartphone anzubieten. Ohne diesen Plattforman-
satz und die selbstverstärkende Wirkung eines zweiseitigen Marktes aus Entwicklern und
Konsumenten wäre Apples Erfolg und Nokias Niedergang nicht in dieser Radikalität mög-
lich gewesen.
Bereits heute haben Google, Apple, Facebook und Amazon eine Marktkapitalisierung, die
fast der Hälfte des Bruttoinlandsproduktes Deutschlands entspricht (BMWi 2016). Für
Europa sieht es nicht besser aus. Von insgesamt 4,3 Brd. USD global entfallen derzeit nur
rund 200 Mrd. USD Marktkapitalisierung auf Europa. Das heißt, weniger als 5 Prozent
(Bearing Point Institute 2016). Während die USA nach Evans und Gawer (2016) auf 100
Plattformanbieter kommen, China immerhin schon auf 80, bringt es Europa nur auf eine
niedrige zweistellige Anzahl (vgl. Abbildung 5).

Firma Land Plattformbasierte Geschäftsfelder (Auswahl)


Digitale Karten/Lokalisierungsdienste für vollautomatisierte
Airbus F/D
und autonome Mobilität
Blockchain UK Transparentes Vertragsmanagement usw. auf Bitcoin-Basis (Finanzen, Recht)
Dassault 3D-Anwendungen (Virtual/Augmented Reality) für Aus- und Weiterbildung und
F
Systèmes Therapiezwecke (Konfrontationstherapie)
Digitale Plattform für Betrugsprävention
Feedzai ES
(Big Data-basierte Vorausschau; Recht)
Intelligente Drohnen für Such- und Rettungseinsätzen und
Flyability CH
die industrielle Wartung
Klarna SE Digitale Bezahl- und Finanzdienstleistungen für B2C/B2B

Octo I Telematik-Anwendungen für den Mobilitätsbereich


Gesundheit (z. B. Telemedizin, Hospital of the Future) für Ärzte, Patienten,
Philips NL
Krankenkassen u.a.
Geschäftsprozessmanagement (Enterprise Resource Planning/ ERP/S4 HANA),
SAP D
Verkehrsmanagement (Smart Traffic Control) für Städte und Kommunen u.a.
Schneider
F Stadtentwicklung/Smart City (effizient, nachhaltig, lebenswert)
Electric
Shazam UK Musikerkennung für mobile Geräte und Computer

Siemens D Maschinenvernetzung, datenbasierte Services (Industrie)

Trumpf D Herstellerübergreifendes Gerätemanagement (Industrie)

Abbildung 5: Anwendungsbeispiele für plattformbasierte Geschäftsmodelle aus


Europa (Auswahl)
82 Johannes Winter

Das rasante Wachstum gerade junger, Venture Capital-getriebener Unternehmen ist dabei
außerhalb Europas besonders eindrucksvoll: rund 150 so genannte Einhörner (ÄUnicorns³)
± das heißt mit Wagniskapital finanzierte Technologie-Start-ups mit einer Bewertung von
einer Mrd. USD oder mehr ± kommen heute bereits auf eine Marktkapitalisierung von
über 500 Mrd. USD (CB Insights 2015).
Abbildung 6 zeigt, dass darunter jenseits der bekannten daten-getriebenen Geschäftsmo-
delle für Konsumenten wie Dropbox, Pinterest oder Snapchat auch B2B-Anbieter zu fin-
den sind. Gerade das Thema Zugang zu Wagnis- und Risikokapital bleibt für Europa eine
Wachstumshürde im globalen Wettbewerb.

Bewertung Markt-
Firma Land Geschäftsfeld Investoren
(in Mrd.) eintritt
Lowercase Capital, Benchmark Capital,
Uber $68 2013 USA On-Demand
Google Ventures
Digital Sky Technologies, QiMing Venture Partners,
Xiaomi $46 2011 China Hardware
Qualcomm Ventures
Matrix Partners, Tiger Global Management,
Didi Chuxing $34 2014 China On-Demand
Softbank
eCommerce/ General Catalyst Partners, Andreessen Horowitz,
Airbnb $30 2011 USA
Marketplace ENIAC Ventures
Palantir
$20 2011 USA Big Data RRE Ventures, Founders Fund, In-Q-Tel
Technologies
Lu.com $18,5 2014 China Fintech Ping An Insurance CDH Investments, Bank of China
China Internet eCommerce/
$18 2015 China DST Global, Trustbridge Partners, Capital Today
Plus Holding Marketplace
Benchmark Capital, General Catalyst Partners,
Snapchat $18 2013 USA Social
Lightspeed Venture Partners
T. Rowe Price, Benchmark Capital, Wellington
WeWork $16 2014 USA Facilities
Management
eCommerce/ Accel Partners, Digital Sky Technologies, Iconiq
Flipkart $16 2012 Indien
Marketplace Capital
Founders Fund, Draper Fisher Jurvetson,
SpaceX $12 2012 USA Transportation
Rothenberg Ventures
Andreessen Horowitz, Bessemer Venture Partners,
Pinterest $11 2012 USA Social
Firstmark Capital
Internet Software
Dropbox $10 2011 USA Accel Partners, Greylock Partners, Index Ventures
& Services
DJI Innovations $10 2015 China Hardware Accel Partners, Sequoia Capital

Abbildung 6: Digitale Einhörner ± stark wachsende Unternehmen mit


plattformbasierten Geschäftsmodellen
(Quelle: in Anlehnung an Daten CB Insights 2016)

3.2 Europas Chancen im B2B-Bereich


Das Rennen im B2C-Bereich scheint angesichts dieser Beispiele für breite Teile Europas
vorerst verloren. Im B2B-Bereich hingegen scheint der Ausgang noch offen zu sein. Hier
befinden wir uns noch in einem frühen Stadium der Reife. Auch hier dringen amerikani-
sche Internet- und Technologieunternehmen wie General Electric, IBM, Microsoft und
Europa und die Plattformökonomie 83

Oracle mit eigenen Lösungen in Anwendungsgebieten wie Gesundheit oder Stadtentwick-


lung ein, doch erste Beispiele aus Europa machen Mut: Zur weltgrößten Industriemesse,
der Hannover Messe, veröffentlichten die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften
und das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie einen Best Practice-Bericht mit
20 Anwendungsbeispielen für plattformbasierte Geschäftsmodelle (acatech 2016). Darun-
ter sind Best Practice-Beispiele für Smart Manufacturing, Smart Mobility bis hin zu E-
Health und Farming. Gerade im industriellen Umfeld ist Domänenwissen ein wichtiges
Asset. Während Sharing-Plattformen wie Uber und Airbnb auch ohne Branchenkenntnis
und eigene Fuhrparks bzw. Wohnungen disruptiv verändert und revolutioniert haben, er-
scheinen innovative Technologien, leistungsfähige Prozesse, hohe Produktqualität mit
entsprechendem Kundenerlebnis, stabile Sicherheitsinfrastrukturen (ÄSafety und
Security³), hervorragend ausgebildete Belegschaften und breites Domänenwissen der Un-
ternehmen wichtige Zutaten für einen erfolgreichen Eintritt in Plattformmärkte zu sein.
Dennoch bleibt dieser Schritt ein radikaler, dessen Ausgang ex-ante nicht absehbar ist.
Wenn sich die Wertschöpfung vom Produkt (Verkauf von Werkzeugmaschinen, Fahrzeu-
gen usw.) in Richtung Services verschiebt (Teilen von Maschinen/Verkauf von Maschi-
nenstunden, Car Sharing), erzeugt dies Unsicherheiten. Denn die Erlöse aus dem Verkauf
von Maschinen und Fahrzeugen dürften zurückgehen, jene für Nutzungsgebühren und zu-
sätzliche Services hingegen steigen. Entsteht daraus am Ende sogar ein stärkerer Wettbe-
werb innerhalb des Unternehmens, zwischen den Vertriebseinheiten für die erfolgreichen,
klassischen Hardware-dominierten Produkte und jenen für die Services?

3.3 Von Industrie 4.0 zu Smart Services: gute Ausgangsposition


Europas
Mit Industrie 4.0 hat Deutschland ab 2011 ein innovationspolitisches Paradigma gesetzt,
das für den Einzug des Internet der Dinge, Daten und Dienste in die Fabrik und die Ver-
schmelzung der realen mit der virtuellen Welt steht (Forschungsunion/acatech 2013). Der
%HJULII Ä,QGXVWULH ³ ZXUGH  GXUFK +HQQLQJ .DJHUPDQQ DFDWHFK  :ROIJDQJ
Wahlster (Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz) und Wolf-Dieter Lu-
kas (Bundesministerium für Bildung und Forschung) eingeführt und von Wirtschaft, Wis-
senschaft und Politik breit aufgenommen. Die fortschreitende Automatisierung und die
Vernetzung von Maschinen, Werkstücken und Menschen ermöglichen nicht nur Flexibi-
lität, Produktivitätsgewinne und schnellere Innovationszyklen durch bessere Rückkoppe-
lung (Winter/Werbik 2015, S. 40f.), sondern bieten einen direkten Zugang in die Plattfor-
mökonomie. Denn jenseits von technologischen Innovationssprüngen rücken die im
Produktionsprozess anfallenden Daten der vielen vernetzten Objekte in den Fokus. In der
Cloud gespeichert, werden diese Betriebsdaten gesammelt, ausgewertet und zusammen-
gefasst. Das digitale Abbild der realen Maschine (digitaler Zwilling) ermöglicht virtuelles
Testen, Planen und Validieren. Daten schaffen einen Mehrwert, indem sie zu Produkt- und
Prozessoptimierungen beitragen und neue, datenbasierte Geschäftsmodelle ermöglichen.
84 Johannes Winter

Zugleich bedürfen diese sensiblen Daten eines verlässlichen Schutzes, handelt es sich
doch um Informationen aus dem Innersten der Organisation, um wettbewerbsrelevantes
Wissen, Geschäftsgeheimnisse und Persönlichkeitsdaten. Die Fraunhofer-Gesellschaft
und in Deutschland ansässige Unternehmen haben zu diesem Zwecke einen Industrial
Data Space aufgebaut, einen sicheren Datenraum und eine intelligente Dateninfrastruktur
für die Wirtschaft.
Dessen ungeachtet, sind die Potenziale durch Big Data, sowohl innerhalb der Organisation
als auch über Grenzen und Wertschöpfungsketten hinweg, immens: Durch intelligente
Datenanalyse (von Big Data zu Smart Data) wird zum Beispiel vorausschauende Instand-
haltung (ÄPredictive Maintenance³) möglich. Mittels Sensorik werden Zustandsdaten von
Maschinen und Anlagen erfasst und mit Informationen von Softwareprogrammen zur Res-
sourcenplanung im Unternehmen (ÄEnterprise-Resource-Planning/ERP³) verknüpft.
Durch die Identifizierung des optimalen Wartungszeitpunkts einer Maschine können Stö-
rungen und Havarien verhindert oder zumindest abgemildert werden. Die Beispiele zei-
gen, wie Daten zum ökonomischen Gut werden, wenn an der Schnittstelle von Hardware
und Software neue datenbasierte Dienstleistungen, so genannte Smart Services entstehen.
Diese über Plattformen konfigurierten Pakete aus Produkten und Dienstleistungen lassen
0DVFKLQHQÄLQWHOOLJHQWHU³ZHUGHQXQGRULHQWLHUHQVLFKPHKUGHQQMHDP.XQGHQQXW]HQ
Aus einer produktorientierten Unternehmensstrategie wird in der Plattformökonomie eine
stärkere Nutzerfokussierung (acatech 2015).
In den industriestarken Volkswirtschaften Europas gibt es bereits Initiativen zur Automa-
tisierung und Vernetzung der Produktion und einen Fokus auf Geschäftsmodellinnovatio-
nen: Programme existieren etwa in Deutschland (Forschungs- und Technologiepro-
gramme Industrie 4.0 und Smart Service Welt), Frankreich (Industrie du Futur), Italien
(Fabbrica Intelligente), Großbritannien (Catapult), der Schweiz (Industrie 2025), Tsche-
chien (3UĤP\VO ) und weiteren Ländern. Ein besonderes Anliegen der Europäischen
Kommission ist die Koordinierung und Vernetzung dieser nationalen Initiativen, um Eu-
ropas Stellung mit den wichtigsten Wettbewerbsregionen Nordamerikas und Asiens zu
stärken. Europäische Regionen, die sich der De-Industrialisierung der letzten Jahrzehnte
nicht angeschlossen haben, sondern weiterhin Wettbewerbsvorteile bei Produktionstech-
nologien und -systemen, bei der Datenanalyse, in der Geschäftsprozesssoftware und der
Fachkräftequalität aufweisen, haben gute Voraussetzungen in der Plattformökonomie.
Diesen Vorsprung gilt es allerdings rasch zu nutzen, soll die Wettbewerbsfähigkeit Euro-
pas angesichts der disruptiven Kraft der Digitalisierung auch künftig erhalten bleiben.
Allerdings steht die digitale Transformation bei kleinen und mittleren Unternehmen noch
am Anfang ± insbesondere über die Geschäftsprozessoptimierung hinausgehend. Mittel-
ständische Unternehmen verfügen oft nicht über ausreichendes Wissen im Bereich der
Geschäftsmodellinnovation (so genanntes Geschäftsmodell-Engineering). Um Smart Ser-
vices basierend auf digitalen Plattformen zu kreieren und Netzwerkeffekte zu nutzen, müs-
sen Geschäftsmodelle an den Bedürfnissen des Nutzers orientiert und auf Grundlage von
datenbasierten Technologien aufgebaut werden. Anwendungsbeispiele können Unterneh-
men und Forschungseinrichtungen helfen, eigene Plattformstrategien zu identifizieren.
Europa und die Plattformökonomie 85

3.4 Anwendungsbeispiele für Smart Services


Europäische Unternehmen befinden sich mit Blick auf den Reifegrad von Smart Services
noch weitgehend in einer Phase der Optimierung und Effizienzsteigerung bestehender Ab-
läufe und Prozesse. Innovative Unternehmen insbesondere aus den USA und China haben
einen großen Startvorteil, weil sie in großen, homogenen Binnenmärkten skalieren und
dann international expandieren können. Daher ist Innovation und Schnelligkeit gleicher-
maßen gefragt: Denn über Internetplattformen konfigurierte Pakete aus Produkten und
Services lösen eine Welle disruptiver Geschäftsmodellinnovationen aus, die bereits viele
Branchen erreicht hat und auf die übrigen zurollt. Neben produktionsbezogenen Smart
6HUYLFHV ZLH Ä3UHGLFWLYH 0DLQWHQDQFH³ ILQGHQ VLFK ZHLWHUH LQWHOOLJHQWH .RPELQDWLRQHQ
aus Produkten und/oder Dienstleistungen, darunter diese beiden:
„ Additiv-generative Fertigung (ÄAdditive Manufacturing³ NXU]'-Druck: Diese seit
den 1980er Jahren bekannten, aber nun wirtschaftlich einsetzbaren Verfahren ermög-
licht es, beliebige Objekte wie Teile, Komponenten oder komplette Produkte durch
Laser-Sinter schichtweise auf Basis von computerbasierten 3D-Modellen herzustel-
len. Werkstoffe sind z. B. thermoplastische Kunststoffe, Metalle (Alu, Stahl, Titan o.
Ä.) und sonstige Materialien wie Gips, Keramik oder Silikone. Für Kleinserien oder
Ersatzteile ist dieses Verfahren bereits in vielen Branchen, wie der Automobilindust-
rie oder im Flugzeugbau, wirtschaftlich im Einsatz. Denn 3D-Druck spart Zeit, er-
möglicht individuelle Produkte zum Preis eines Massenprodukts und spart Ressour-
cen. Auch wenn Produktivität, Produktqualität, -standardisierung und
Prozessstabilität bisweilen noch Optimierungspotenziale aufweisen, so wirkt sich
diese Technologie bereits disruptiv aus. Wenn Hersteller von Fahrzeugen, Flugzeu-
gen oder Werkzeugmaschinen bisher zugelieferte Systeme, Komponenten und Teile
dezentral ÄDXVGUXFNHQ³ YHUlQGHUW GDV JDQ]H 6XSSO\ &KDLQV XQG UHJLRQDOH =XOLH
ferstrukturen. Der volkswirtschaftliche Impact ist noch nicht absehbar. Daher gilt
auch hier, frühzeitig in die Technologien und Märkte einzusteigen, um sinnbildlich
im Fahrersitz zu bleiben. Andernfalls könnten sich (branchenfremde) Anbieter inno-
vativer Verfahren wie der additiv-generativen Fertigung zwischen Lieferant und Her-
steller schieben und etablierte Zulieferer verdrängen.
„ E-Health-Plattformen: Dezentral anfallende Gesundheitsdaten auf digitalen Plattfor-
men anonymisiert zusammenzuführen, zu strukturieren und auszuwerten sowie unter
größtmöglichem Schutz der Daten zu nutzen, bedeutet eine Aussicht auf eine deutlich
bessere Diagnostik und höhere Therapieerfolge. Patienten können über telemedizini-
sche Anwendungen engmaschig über Distanzen hinweg überwacht und betreut wer-
den, intelligente Algorithmen verbessern die Diagnostik und erhöhen die Effektivität
und Effizienz in der gesundheitlichen Versorgung. Gerade im ländlichen Raum er-
scheinen telemedizinische Verfahren als attraktiv. Zudem können mit Big-Data-An-
wendungen große Mengen anonymisierter Patientendaten dazu verwendet werden,
Patienten mit derselben Erkrankung eine bestmögliche, individualisierte Therapie an-
86 Johannes Winter

zubieten. Denn nicht jeder Mensch reagiert identisch auf eine spezifische Behand-
lungsmethode. Daher sind patientenbezogene Unterschiede und Daten zum bisheri-
gen Diagnostik- und Therapieverlauf essentiell, um nach der bestmöglichen Behand-
lungsstrategie bei möglichst geringen Neben- und Wechselwirkungen zu suchen.
E-Health-Verfahren nutzen Softwareplattformen und Datenanalyseverfahren, um Ant-
worten auf Herausforderungen in der Medizin zu finden. Auch wenn der Nutzen vieler
Anwendungen auf den ersten Blick klar erkennbar ist, existieren beträchtliche Herausfor-
derungen auf dem Weg zur Einführung dieser neuen Technologien und Verfahren. Droht
der gläserne Patient? Wem gehören die Daten? Wer verdient daran? Diese und viele wei-
tere Fragen werden derzeit intensiv in vielen Ländern Europas diskutiert. Während Schwe-
den bereits 2008 eine nationale Patientenakte eingeführt hat, die über eine digitale Patien-
tenmanagementplattform einen effizienten Datenzugriff für Ärzte, Krankenkassen,
Patienten, Zulassungsinstitutionen u. a. ermöglicht, hat Deutschland erst 2015 die elektro-
nische Gesundheitskarte eingeführt, mit geringerer Informationsbasis. Schwung bringen
soll ein neues E-Health-Gesetz, das zweifach verschlüsselte Daten, klare Zugriffsrechte,
Dokumentation bei der Datennutzung, Transparenz durch die Krankenkassen und straf-
rechtliche Folgen bei Missbrauch vorsieht. Das Ziel lautet: Digitalisierung des Gesund-
heitswesens und damit hoffentlich höhere Behandlungserfolge durch schnellere Kommu-
nikation der Beteiligten im Gesundheitswesen und höhere wirtschaftliche Effizienz. Bis
dahin wird in Deutschland und andernorts noch Zeit vergehen, zu komplex ist das Ge-
sundheitssystem, zu vielfältig die Interessen der beteiligten Stakeholder.
Viele weitere Smart Services wie Smart Farming (datenbasierte Optimierung des Saat-
guteinsatzes, der Düngemittelnutzung oder der Erntelogistik) oder Smart Logistics (z. B.
Risikomanagement globaler Lieferketten auf Basis echtzeitgestützter Frühwarnsysteme
für Staus, Streiks oder Naturkatastrophen) zeigen die großen Potenziale der Daten- und
Plattformökonomie. Unternehmen wählen verschiedene Ansätze wie Business Model
Canvas, Design Thinking-Workshops oder Blue-Ocean-Strategy-Workshops, um ihr be-
stehendes Geschäftsmodell zu analysieren und Inspirationen oder konkrete Ideen für neue
Geschäftsmodelle zu erhalten. Um Produkte und Services realitätsnah und vernetzt zu tes-
ten, werden Testbeds oder Testinfrastrukturen genutzt. Andere gehen mit unvollendeten
Lösungen in den Markt, um diese von der Peripherie (z. B. App-Entwicklern und Usern)
zu perfektionieren. Einen Königsweg gibt es nicht, aber das unmittelbare Erfordernis an-
zufangen. Gefragt sind dabei Ressourceneinsatz, Mut und Durchhaltevermögen, denn
nicht jede intelligente Kombination aus Produkten und Dienstleistungen bringt sofort ei-
nen Return on Investment oder schafft einen Markt, den es bislang nicht gab.
Europa und die Plattformökonomie 87

4. Schritt in die Zukunft


Die ersten digitalen Plattformen entstanden Mitte der 1990er Jahre im B2C-Bereich. Die
Beispiele aus dem Consumer-Bereich sind uns allen mehr als geläufig. Intelligente Helfer
navigieren uns sinnbildlich durch unsere Arbeits- und Lebenswelt. Ohne das Internet der
Dinge, Dienste und Daten kommt heute kaum noch ein Anwendungsbereich aus. Sei es
Kommunikation, Einzelhandel oder Sharing-Modelle für Autos, Häuser und die Überlas-
sung von Arbeitskraft. Überall bilden digitale Plattformen die Basis, um Akteure zusam-
menzubringen, die sich ansonsten womöglich nie begegnet wären. Zugleich hat die Digi-
talisierung zu grundlegenden Veränderungen nicht nur im Consumer-Bereich geführt.
Disruptive, meist datengetriebene Geschäftsmodelle haben sämtliche Wirtschaftsbran-
chen durchdrungen ± von der Industrie über den Mobilitätsbereich und die Logistik bis
zum Gesundheitssektor. Sie haben Wertschöpfungsketten verändert, indem sich Software-
plattformen zwischen traditionelle Anbieter und Kunden geschoben haben und Kontroll-
punkte einschließlich Wertschöpfungsanteile beansprucht haben.
Während Europa bei nutzerfokussierten, intelligenten Services für den B2C-Bereich deut-
lich hinter Nordamerika und Ostasien liegt, bestehen im B2B-Bereich weiterhin gute Aus-
gangsbedingungen, um die Leitanbieterschaft in den wichtigen Branchen von Automobil
über Maschinen und Anlagen, Chemie und Pharma, bis hin zu Versicherungen und Ban-
ken zu behaupten. Mit Industrie 4.0 (ÄSmart Manufacturing³) kommt ein industriepoliti-
sches Leitkonzept aus Deutschland. Großbritannien ist europäischer Nucleus für wachs-
tumsstarke serviceorientierte Start-ups auch für den Geschäftsbereich. Und erste Smart
Services aus Frankreich, Italien, Spanien, Schweden oder der Schweiz geben Hoffnung,
dass europäische Unternehmen auch künftig im globalen Wettbewerb mit USA, China,
Südkorea, Indien oder Japan erfolgreich sein werden. Dazu braucht es allerdings einen
deutlich schnelleren Eintritt in die entstehenden Plattformmärkte. Europa besitzt ein brei-
tes industrielles und serviceorientiertes Rückrat mit großen und mittelständisch geprägten
Unternehmen, leistungsstarken Universitäten und Forschungseinrichtungen, hohen Quali-
täts- und Sicherheitsstandards, gut qualifizierten Belegschaften und eine sich mittlerweile
dynamisch entwickelnde Start-up-Landschaft. Es ist also Zeit, diesen Schritt in die Zu-
kunft zu wagen.

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Jens Pöppelbuß und Carolin Durst

Smart Service Canvas ± Ein Werkzeug zur


strukturierten Beschreibung und Entwicklung
von Smart-Service-Geschäftsmodellen

1. Einleitung

2. Smart Services

3. Smart Service Canvas


3.1 Überblick
3.2 Kundensicht
3.3 Wertschöpfungssicht
3.4 Ökosystemsicht
3.5 Fit

4. Smart Service Canvas am Beispiel von STILL neXXt fleet

5. Ausblick

Literaturverzeichnis

___________________________
Prof. Dr. Jens Pöppelbuß ist Juniorprofessor für Industrienahe Dienstleistungen an
der Universität Bremen. Dr. Carolin Durst ist Akademische Rätin am Lehrstuhl für
Wirtschaftsinformatik, insbesondere im Dienstleistungsbereich, der Friedrich-
Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017


M. Bruhn und K. Hadwich (Hrsg.), Dienstleistungen 4.0,
DOI 10.1007/978-3-658-17552-8_4
1. Einleitung
Der Industriesektor entwickelter Volkswirtschaften wie Deutschland sieht sich mit zwei
bedeutenden Entwicklungen konfrontiert. Zum einen sorgt die Servicetransformation für
einen stetigen Bedeutungszuwachs von Dienstleistungen entlang der industriellen Wert-
schöpfung (Neely 2009). Zum anderen verändert die digitale Transformation traditionelle
Produktionsprozesse und schafft durch die zunehmende Digitalisierung und Vernetzung
von Produktionsanlagen (im Sinne des Schlagworts Ä,QGXVWULH³ neue Möglichkeiten
zur Erbringung und Vermarktung innovativer datenbasierter Dienstleistungen (Geissbauer
et al. 2014). Die Servicetransformation und die digitale Transformation verstärken sich
gegenseitig und führen zu einem Wandel industrieller Geschäftsmodelle.
Industrienahe Dienstleistungen stehen in Verbindung mit industriellen Produktionsprozes-
sen bzw. werden in Kombination mit Sachgütern in Form von Product-Service-Systemen
(PSS) erbracht (Lay et al. 2007; Eickelpasch 2012). Innovative industrienahe Dienstleis-
tungen zeichnen sich dadurch aus, dass sie in hohem Maße kunden- und bedarfsorientiert
sind und hierfür die zunehmende digitale Vernetzung zwischen Produkten und verschie-
denen Akteuren des Dienstleistungssystems nutzen. Es werden zunehmend digitale indus-
trienahe Dienstleistungen, so JHQDQQWH Ä6PDUW 6HUYLFHV³ (Allmendinger/Lombreglia
2005; Kagermann et al. 2014), entwickelt, die die vorhandene Datenbasis mit maschineller
Intelligenz auswerten und als wertvolle Information und Dienste vermarkten. Durch das
Angebot entsprechender Dienstleistungen können Unternehmen einen zusätzlichen oder
gänzlich neuen Nutzen für ihre Kunden erzielen, beispielsweise durch eine vorausschau-
ende Überwachung, Nachjustierung und Wartung von Produktionsanlagen zur Vermei-
dung von unerwünschten und teuren Stillstandzeiten. Gleichzeitig bietet sich die Chance,
umfangreiche Daten über die tatsächliche Nutzung der Maschinen und Anlagen zu sam-
meln, um so noch besser auf die Kunden zugeschnittene Lösungen anbieten zu können.
Der Aufgabenbereich Dienstleistungsinnovation ist in Unternehmen, die industrienahe
Dienstleistungen anbieten, bislang nur selten institutionalisiert. Eine dedizierte For-
schungs- und Entwicklungsabteilung, die für Sachgüter in den meisten Unternehmen
selbstverständlich ist, gibt es für die Weiterentwicklung des Dienstleistungsportfolios in
der Regel nicht (Lay et al. 2011). Dienstleistungsinnovationen werden häufig von ganz
unterschiedlichen Akteuren, die sich möglicherweise erst spontan als Interessensgruppe
zusammenfinden, vorangetrieben. Speziell für die Innovation von Dienstleistungen entwi-
ckelte Methoden und Vorgehensmodelle haben in diesen wenig strukturierten und dyna-
mischen Kontexten noch keine weite Verbreitung erfahren, sodass neue Dienstleistungs-
angebote weiterhin unsystematisch und häufig sogar nur als Nebenprodukte entstehen. Es
besteht daher ein Bedarf nach leichtgewichtigen und zugleich kreativitätsanregenden Me-
thoden und Werkzeugen für die Entwicklung von industrienahen Dienstleistungen und
insbesondere Smart Services.
94 Jens Pöppelbuß und Carolin Durst

Dieser Beitrag präsentiert die Smart Service Canvas als ein Werkzeug zur Beschreibung,
Analyse und Entwicklung von Smart-Service-Geschäftsmodellen. Aufbauend auf der Va-
lue Proposition Canvas von Osterwalder et al. (2015) umfasst sie insgesamt vier Bereiche:
die Kundensicht, die Wertschöpfungssicht, die Ökosystemsicht sowie den Fit der zuvor
genannten Sichten. Ähnlich zur Value Proposition Canvas und der populären Business
Model Canvas (Osterwalder/Pigneur 2010) lässt sich das vorgeschlagene Modell flexibel
einsetzen, z. B. in interaktiven Workshops und unter Verwendung von Klebenotizen. Erste
Einsätze in Workshops haben bereits gezeigt, dass sie den Teilnehmenden hilft, dienstleis-
tungsbasierte Geschäftsmodelle zu analysieren und eigene Innovationsideen zu explizie-
ren.
Der folgende Abschnitt 2 geht zunächst auf begriffliche Grundlagen ein, bevor die Berei-
che und Felder der Smart Service Canvas im Detail vorgestellt werden (Abschnitt 3). In
Abschnitt 4 wird die Verwendung der Smart Service Canvas anhand eines realen Beispiels
illustriert. Der Beitrag schließt mit einem Ausblick auf die weitere Entwicklung und Eva-
luation dieses Werkzeugs (Abschnitt 5).

2. Smart Services
Die Schlagwörter Industrie 4.0 und Smart Services sind eng miteinander verbunden und
lassen sich als zwei Seiten derselben Medaille verstehen (Quack 2015). Während vernetzte
Smart Products und cyberphysische Systeme (CPS) die Komponenten und Infrastruktur
der Industrie 4.0 darstellen, stehen Smart Services für die Dienstleistungen, die aufgrund
der Weiterverarbeitung der durch die Smart Products gesammelten Daten erbrachten wer-
den können. Quack (2015) EH]HLFKQHW 6PDUW 6HUYLFHV VRJDU DOV ÄGLH QXW]HURULHQWLHrte
6FKZHVWHUGHU,QGXVWULH³
6PDUW6HUYLFHVVLQGGLJLWDOH'LHQVWOHLVWXQJHQGLHÄDXIGHU%DVLVYHUQHW]WHULQWHOOLJHQWHU
technischer Systeme und Plattformen Daten aggregieren und analysieren sowie die dabei
entstehenden Mehrwert-Informationen über Service-Plattformen, App-Stores oder andere
Online-0DUNWSOlW]H>«@YHUZHUWEDUPDFKHQ³(BMWi 2014, S. 4). Innerhalb des Indust-
riesektors handelt es sich bei den zugrundeliegenden technischen Systemen in der Regel
um CPS, die eine Kopplung und Koordination von Rechenleistung und mechanischen Ele-
menten über das Internet oder eine andere Kommunikationsinfrastruktur erlauben. CPS
binden Sensoren und Aktuatoren in ein Gesamtsystem ein und ermöglichen hierdurch neu-
artige Funktionen in Echtzeit für die Datenintegration und Systemsteuerung (Janiesch
2016). Anke und Krenge (2016, S. 1277) GHILQLHUHQ6PDUW6HUYLFHVIROJOLFKDXFKDOVÄGL
gitale Dienstleistungen für technische Produkte, die als Product-Service-System auf Basis
von cyberphysischen 6\VWHPHQHUEUDFKWZHUGHQ³
Smart Service Canvas 95

Service 1 Service 2

Service 1 Service 2

Produkt Produkt
(Smart Product)

Service 4 Service 3

Service 4 Service 3

Produktbegleitende Dienstleistungen Smart Services

Abbildung 1: Abgrenzung von produktbegleitenden Dienstleistungen und


Smart Services
(Quelle: in Anlehnung an Aschbacher et al. 2009, S. 28f.)

Allmendinger und Lombreglia (2005) heben hervor, dass Smart Services hinsichtlich
Kundenwert und interner Effizienz über produktbegleitende Dienstleistungen wie Instand-
haltung hinausgehen. Sie sehen drei wesentliche Anforderungen für die Erbringung von
Smart Services. Erstens ist es notwendig, dass eine Verbindung zum Produkt bzw. der
installierten Basis von Maschinen oder anderen technischen Produkten, die an die Kunden
ausgeliefert wurden, zur Übermittlung von Daten gewährleistet ist. Aschbacher et al.
(2009) sprechen in diesem Kontext nicht nur von einer Verbindung zum, sondern sogar
von einer Einbettung der Smart Services in das Produkt (vgl. Abbildung 1). Zweitens muss
der Dienstleistungsanbieter über die Fähigkeit zur Interpretation der gesammelten Daten
verfügen, d. h. er muss den Kunden und das Kundengeschäft verstehen. Nur so werden
aus gesammelten Daten wertvolle Informationen, die sich im Zuge der Erbringung des
Smart Service monetisieren lassen. Zuletzt ist es erforderlich, dass der Dienstleistungsan-
bieter auf die generierten Informationen in geeigneter Weise reagiert und bspw. proaktiv
die Wartung einer Maschine einleitet. Operative Prozesse müssen entsprechend gestaltet
und notwendige Ressourcen (z. B. qualifizierte Mitarbeitende) verfügbar sein.
96 Jens Pöppelbuß und Carolin Durst

3. Smart Service Canvas

3.1 Überblick
Das Ausgangsmodell für die Smart Service Canvas bildet die Value Proposition Canvas
von Osterwalder et al. (2015). Die Value Proposition Canvas vertieft zwei der neun Felder
der populären Business Model Canvas (Osterwalder/Pigneur 2011 2010), die inzwischen
als ein Werkzeug zur Beschreibung, Analyse und Entwicklung von Geschäftsmodellen in
der Praxis weit verbreitet und anerkannt ist (Wallin et al. 2013; Zolnowski et al. 2014).
Bei diesen beiden Feldern (vgl. Abbildung 2) handelt es sich um die Wertangebote (Value
Propositions) und die Kundensegmente (Customer Segments).

Schlüssel- Schlüssel- Wertangebote Kunden- Kunden-


partner aktivitäten beziehungen segmente

Fit
Schlüssel-
ressourcen Kanäle

Value Map Customer


Profile

Kostenstruktur Einnahmequellen

Abbildung 2: Business Model Canvas und Value Proposition Canvas


(Quelle: Osterwalder et al. 2015, S. XVII)

Die Smart Service Canvas umfasst insgesamt vier Bereiche. Die jeweils in drei Segmente
geteilten Felder der Value Map (Osterwalder et al. 2015) und des Kundenprofils (Custo-
mer Profile; Osterwalder et al. 2015) dienen als Ankerpunkt für die Wertschöpfungssicht
und die Kundensicht. Hinzukommen die Ökosystemsicht sowie der Fit zwischen den zu-
vor genannten Sichten. Diese vier Bereiche der Smart Service Canvas (vgl. Abbildung 3)
werden im Folgenden detailliert beschrieben.
Smart Service Canvas 97

Wertschöpfungssicht Fit Kundensicht

Erlösmodell Kontext der


Analytische Vorteils- Kunden- Kunden-
Fähigkeiten verschaffer vorteile aufgaben
Smart Interaktions- Kunden-
Service niveau aufgaben
Kunden- Kontext-
Daten Problem- dinge und
Smartes probleme
löser -daten
Produkt

Technische Infrastruktur und digitale Plattform

Ökosystemsicht

Abbildung 3: Bereiche und Felder der Smart Service Canvas

Die Nutzung der Smart Service Canvas erfolgt analog zur Business Model Canvas und der
Value Proposition Canvas. Die Felder lassen sich beispielsweise mit Hilfe von Klebeno-
tizen füllen. Diese sorgen für eine hohe Flexibilität bei der Anwendung der Canvas, da sie
auch umsortiert oder wieder entfernt werden können. Die Canvas kann von einzelnen Per-
sonen genutzt werden genauso wie von Gruppen in interaktiven Workshops.

3.2 Kundensicht
Die Kundensicht (Customer Perspective) umfasst die drei Bereiche des Kundenprofils der
Value Proposition Canvas: Kundenaufgaben (Customer Jobs), Kundenprobleme (Custo-
mer Pains) und Kundenvorteile (Customer Gains). Für die Anwendung auf Smart-Service-
Geschäftsmodelle wird dieser Bereich ergänzt durch den Kontext der Kundenaufgaben
(Context of Customer Jobs) und Kontextdinge und -daten (Contextual Things und Data).
Diese beiden zusätzlichen Felder verdeutlichen, dass das besondere Wertangebot von
Smart Services in der Regel auf der Synthese von Daten aus verschiedenen Quellen sowie
auf einem umfassenden Verständnis des Kundenkontextes beruht (Osterwalder et al.
2015). Die Kundensicht beschreibt ein spezifisches Kundensegment (Osterwalder et al.
2015). Soll ein Smart-Service-Geschäftsmodell für verschiedene Kundensegmente entwi-
ckelt werden, empfiehlt es sich, jeweils eine eigene Smart Service Canvas zu erstellen.
Dies gilt insbesondere auch dann, wenn im Rahmen von Business-to-Business-Beziehun-
gen unterschiedliche Stakeholder auf Kundenseite zu beachten sind (Osterwalder et al.
2015). Die fünf Felder der Kundensicht lassen sich wie folgt beschreiben.
Die Kundenaufgaben (Customer Jobs) beschreiben Dinge, die die potenziellen Kunden
eines Segments in ihrem Berufs- oder Privatleben erfolgreich erledigen möchten. Sie
98 Jens Pöppelbuß und Carolin Durst

repräsentieren zu erledigende Aktivitäten, zu erreichende Ergebnisse, zu lösende Prob-


leme oder zu befriedigende Bedürfnisse. Diese sind aus der kundeneigenen Sicht, die sich
maßgeblich von der eines externen Betrachters unterscheiden kann, zu formulieren. Oster-
walder et al. (2015) unterscheiden zwischen vier Arten von Kundenaufgaben:
„ Funktionale Aufgaben (Functional Jobs),
„ Soziale Aufgaben (Social Jobs),
„ Persönliche Aufgaben (Personal/Emotional Jobs),
„ Unterstützende Aufgaben (Supporting Jobs).
Funktionale Aufgaben beziehen sich auf die Aktivitäten zur Erreichung eines Ergebnisses
oder zur Lösung eines Problems, wie die Reparatur von defektem Equipment. Soziale
Aufgaben beziehen sich auf die gewünschte Fremdwahrnehmung des Kunden durch an-
dere, wie gutes Aussehen oder sozialer Status. Persönliche Aufgaben haben zum Ziel, er-
wünschte emotionale Zustände zu erreichen, beispielsweise das Gefühl von Sicherheit.
Unterstützende Aufgaben umfassen ergänzende und administrative Tätigkeiten in Verbin-
dung mit der eigentlichen Dienstleistungsnutzung, wie beispielsweise der Vergleich von
Angeboten, das Schreiben von Rezensionen oder die Beendigung von Geschäftstranskati-
onen bzw. -beziehungen (Osterwalder et al. 2015).
Für die Entwicklung überzeugender Smart-Service-Geschäftsmodelle ist die Analyse des
Kontexts der Kundenaufgaben (Context of Customer Jobs) notwendig. Ausgehend von
den Kundenaufgaben, die im entsprechenden Feld der Canvas beschrieben werden, stellt
sich hier die Frage, welche Voraussetzungen der Kunde vor ihrer Erledigung schaffen
muss und welche anderen Aufgaben möglicherweise folgen. Für die Kundenaufgaben so-
wie die vor- und nachgelagerten Aufgaben ist zu untersuchen, wie jeweils die örtliche
Umgebung gestaltet ist, welche zusätzlichen Interaktionen mit anderen Personen und Sys-
temen wahrscheinlich sind und wie diese kontextuellen Faktoren die Aufgabenausübung
beeinflussen. Zu beachten ist hierbei, dass der Kundenkontext keineswegs statisch sein
muss (Osterwalder et al. 2015), sondern unterschiedlich ausgeprägt sein und sich dyna-
misch verändern kann (beispielsweise in Abhängigkeit von der Auftragslage und der Ar-
beitsbelastung des Kunden).
Im Kontext der Kundenaufgaben können für die Erbringung des Smart Services nützliche
oder sogar notwendige Kontextdinge und -daten (Contextual Things and Data) vorhanden
sein. Dies sind beispielsweise Temperatur- und Luftfeuchtigkeitssensoren in einer Fabrik-
halle, die entsprechende Daten bereitstellen und mit den Daten einer Maschine in dieser
Fabrikhalle sinnvoll kombiniert werden können. Weitere relevante Kontextdaten können
auch Wetter-, Verkehrs- oder Börsendienste bereitstellen.
Kundenprobleme (Customer Pains) stehen für all die Dinge, die die potenziellen Kunden
des Smart-Service-Geschäftsmodells stören, wenn sie ihre Aufgaben erledigen wollen,
oder sogar davon abhalten, diese erfolgreich abzuschließen. Sie beschreiben außerdem
Risiken im Sinne von möglichen negativen Ergebnissen, die aus den Kundenaufgaben re-
sultieren. Osterwalder et al. (2015) unterscheiden zwischen drei Arten von Kundenprob-
lemen:
Smart Service Canvas 99

„ Unerwünschte Ergebnisse Probleme und Eigenschaften (Undesired Outcomes,


Problems, and Characteristics),
„ Hürden (Obstacles),
„ Risiken (Risks; Undesired Potential Outcomes).
Die erste Art bezieht sich auf das Dienstleistungsergebnis aus Sicht des Kunden (ge-
wünschtes Ergebnis der Dienstleistungsnutzung nicht oder nicht in der gewünschten Qua-
lität erreicht) bzw. die sogenannte Customer Experience während der Dienstleistungser-
bringung (wie beispielsweise Langeweile, Verunsicherung oder emotionale Belastung).
Hürden beziehen sich auf bestehende Einschränkungen auf Kundenseite, um sich als ex-
terner Faktor in die Dienstleistungserbringung einbringen zu können (wie Zeit- oder Res-
sourcenmangel). Risiken beziehen sich auf unerwünschte Nebeneffekte, wie beispiels-
weise finanzielle Risiken, potenzielle Datenschutzverletzungen oder Reputationsverlust
(Osterwalder et al. 2015).
Als Kundenvorteile (Customer Gains) sind die positiven Effekte und Ergebnisse der
Dienstleistungserbringung zu verstehen, die die Kunden benötigen oder sich wünschen.
Sie helfen dem Kunden dabei, die eigenen Aufgaben erfolgreich zu erledigen (Osterwalder
et al. 2015). Entsprechende Vorteile können Ersparnisse von Zeit, Kosten und anderen
Aufwänden sein. Aber auch eine besondere Qualität oder Sorgfalt in der Leistungserbrin-
gung sowie besonders positive Effekte für den Kunden, wie ein Zuwachs an Wissen oder
Reputation, lassen sich hierunter fassen. Möglicherweise sind diese Vorteile sogar eine
unerwartete, positive Überraschung und in diesem Sinne als ein Zusatznutzen bzw. Be-
geisterungsmerkmal des Smart Service zu betrachten. Osterwalder et al. (2015) unter-
scheiden entsprechend zwischen insgesamt vier Stufen von Vorteilen:
„ Notwendige Vorteile (Required Gains),
„ Erwartete Vorteile (Expected Gains),
„ Erwünschte Vorteile (Desired Gains),
„ Unerwartete Vorteile (Unexpected Gains).

3.3 Wertschöpfungssicht
Die Wertschöpfungssicht (Value Perspective) umfasst die drei Bereiche der Value Map
auf der linken Seite der Value Proposition Canvas (Osterwalder et al. 2015) in leicht an-
gepasster Form: Smart Service (ursprünglich Products and Services), Problemlöser (Pain
Relievers) und Vorteilverschaffer (Gain Creators). Für die Anwendung auf Smart-Service-
Geschäftsmodelle wird auch dieser Bereich durch zwei spezifische Felder ergänzt. Hierbei
handelt es sich um die analytischen Fähigkeiten (Analytical Capability) und Daten (Data).
Diese zusätzlichen Felder verdeutlichen, dass die Verfügbarkeit relevanter Daten sowie
die für ihre sinnstiftende Auswertung notwendigen Fähigkeiten eine zentrale Grundlage
für das Angebot von Smart-Service-Geschäftsmodellen darstellen. Die fünf Felder der
Wertschöpfungssicht lassen sich wie folgt beschreiben.
100 Jens Pöppelbuß und Carolin Durst

Das Feld Smart Service beschreibt die eigentliche Dienstleistung anhand ihrer Bezeich-
nung und Grundidee, verschiedener Teilleistungen (Module) und deren Eigenschaften in
einer möglichst kompakten und griffigen Form. Dieses Feld nennt demnach den Kern des
Dienstleistungskonzepts (Service Concept; Hertog et al. 2010; Janssen et al. 2015) bzw.
des Dienstleistungsangebots (Service Offering; Frei 2008). Bei der Grundidee eines Smart
Service wird es sich häufig um ein Product-Service-System (PSS) handeln, bei dem ein
smartes Produkt mit Dienstleistungen kombiniert wird. Aus der Beschreibung in diesem
Feld sollte entsprechend hervorgehen, um welchen PSS-Typ es sich handelt, da diese un-
terschiedliche Wertangebote gegenüber dem Kunden versprechen. Baines et al. (2007)
unterscheiden hier zwischen produktorientiertem PSS, nutzenorientiertem PSS oder er-
gebnisorientiertem PSS. Ergänzend oder alternativ bietet sich auch eine Beschreibung des
Smart-Service-Konzepts anhand der Unterscheidung digitalisierter PSS von Lerch und
Gotsch (2015) an. Diese differenzieren zwischen der smarten Dienstleistungserbringung,
GHU3URGXNWRSWLPLHUXQJXQGGHPÄDigital BUDLQ³Der erste PSS-Typ adressiert die ver-
besserte digitale Unterstützung der Dienstleistungsprozesse, während der zweite Typ ins-
EHVRQGHUHGLH/HLVWXQJVYHUEHVVHUXQJGHV6DFKJXWV]XP=LHOKDW'HU7\SÄDigital BUDLQ³
steht für die gezielte Sammlung und Analyse von Nutzungsdaten durch den Anbieter, von
der der Kunde durch stetige PSS-Verbesserungen und innovative PSS-Angebote profitiert.
Das Feld Daten (Data) beschreibt, welche Arten von Daten als Grundlage für die Erbrin-
gung des Smart Service benötigt und aus welchen Quellen sie bezogen werden. Hierbei
kann es sich beispielsweise um aktuelle Statusinformationen oder historische Daten von
Objekten oder Personen handeln. Statusinformationen dienen vor allem zur Echtzeitdiag-
nose von Produkten oder Anlagen (Herterich et al. 2016). Beratende und optimierende
Dienstleistungen greifen häufig auf historische Daten zurück, um Entwicklungen und
Trends der Leistung oder des Nutzungsverhaltens sowie gegebenenfalls Sondersituationen
und Ausreißer identifizieren zu können. Als Quellen kommen in der Regel einzelne smarte
Produkte, die gesamte installierte Basis der Produkte, Maschinen oder Anlagen sowie ex-
terne Sensoren und Dienste in Frage (Herterich et al. 2016). Nicht zu vernachlässigende
Datenquellen sind außerdem interne Datenbanken und Anwendungssysteme.
Die analytischen Fähigkeiten (Analytical Capabilities) beschreiben, welche Kompetenzen
zur Datenanalyse auf Seiten des Dienstleistungsanbieters vorhanden sein müssen. Dies
reicht von einfachen Datenvisualisierungen und der Erstellung von Berichten bis hin zu
komplizierten analytischen Verfahren zur Mustererkennung. In diesem Kontext ist es au-
ßerdem relevant, wo die Datenverarbeitung und die notwendige Rechnerleistung vorge-
halten werden. Zum einen können diese im smarten Produkt selbst verortet sein. Zum an-
deren kann es eine zentrale Stelle für die Verarbeitung der Daten von allen
angeschlossenen Produkten und Sensoren geben (Herterich et al. 2016). Verschiedene As-
pekte beeinflussen, ob Funktionen zur Datenverarbeitung in das Produkt integriert oder an
eine zentrale Instanz, beispielsweise in die Cloud, ausgelagert werden (Porter/Heppel-
mann 2014). Hierzu zählen beispielsweise die erforderliche Reaktionszeit, der Grad der
Automatisierung des Produktes, die Verfügbarkeit, Zuverlässigkeit und Sicherheit des
Netzwerks, der Einsatzort des Produktes, die Art der Benutzerschnittstelle sowie die Häu-
Smart Service Canvas 101

figkeit von Wartungen oder Upgrades (Porter/Heppelmann 2014). Während hohe Anfor-
derungen an die Reaktionszeit und eine geringe Zuverlässigkeit des Netzwerks für die
Integration der analytischen Fähigkeiten in das smarte Produkt sprechen, können häufige
Veränderungen der Software und der Benutzerschnittstelle eine Auslagerung in die Cloud
nahelegen.
Die Problemlöser (Pain Relievers) beschreiben, wie genau der Smart Service bestimmte
Kundenprobleme löst. Da sich in der Regel nicht alle Kundenprobleme zugleich lösen
lassen, bietet sich eine Priorisierung von wenigen aber besonders bedeutenden Problemen
an. In diesem Feld gilt es festzustellen, wie der Smart Service Herausforderungen und
Hürden der Kunden abbaut oder eliminiert, die der Erledigung ihrer Aufgaben oder Nut-
zung des Smart Service entgegenstehen (Osterwalder et al. 2015).
Die Vorteilverschaffer (Gain Creators) beschreiben, wie genau der Smart Service zu den
positiven Effekten und Ergebnissen führt, die die Kunden benötigen oder sich wünschen.
An dieser Stelle sind nicht das Dienstleistungskonzept sowie seine Eigenschaften und Be-
standteile aus dem Feld Smart Service erneut zu nennen, sondern stattdessen seine Wir-
kungsmechanismen zu explizieren, wie eine Reduktion von Unsicherheit oder Stress auf
Kundenseite. Auch hier ist eine Priorisierung auf die Aspekte sinnvoll, die einen tatsäch-
lichen Wettbewerbsvorteil darstellen können (Osterwalder et al. 2015).

3.4 Ökosystemsicht
Die Ökosystemsicht besteht aus einem Feld zur Beschreibung der technischen Infrastruk-
tur und der digitalen Plattform (Technical Infrastructure and Digital Platform). Die tech-
nische Infrastruktur bezieht sich unter anderem auf die notwendige Stromversorgung,
Netzanbindung und Mobilfunknetzabdeckung zur Erbringung des Smart Service und zur
gegebenenfalls notwendigen Anbindung eines smarten Produktes. Digitale Plattformen
erlauben die Verbreitung und Vermarktung des Smart Services in den jeweiligen Ökosys-
temen (beispielsweise als Apps im Apple App-Store oder über Google Play). Relevant
sind hier auch die Markt- und Governance-Mechanismen bzw. die Offenheit der gewähl-
ten digitalen Plattform(en). Eine weitere Differenzierung dieses Feldes ist anhand des
Smart-Service-Schichtenmodells möglich, das zwischen der technischen Infrastruktur,
vernetzten physischen Plattformen, Software-definierten Plattformen und Serviceplattfor-
men unterscheidet (Kagermann et al. 2014).

3.5 Fit
Eine Passung bzw. ein Fit zwischen den vorhergegangenen Sichten wird erreicht, wenn
die Kunden sich für den angebotenen Smart Service begeistern lassen und er sich in deren
Kontext gut einfügt. Dies geschieht, wenn der Smart Service wichtige Kundenaufgaben
102 Jens Pöppelbuß und Carolin Durst

adressiert und dabei Probleme vermindert und Vorteile schafft, die für die Kunden von
besonderer Relevanz sind (Osterwalder et al. 2015). Darüber hinaus ist es wichtig, dass
innerhalb des Ökosystems die notwendige Kompatibilität von technischem Equipment,
des notwendigen Datenaustauschs und ökonomischen Anreizen gewährleistet ist.
Osterwalder et al. (2015) empfehlen für ihre Value Proposition Canvas, ein Mapping zwi-
schen der linken und rechten Seite vorzunehmen. Hierbei sind alle Punkte, für die sich
eine Entsprechung auf der Gegenseite finden lassen, mit einem Häkchen und Punkte ohne
Gegenpunkt auf der anderen Seite mit einem Kreuz zu versehen. Die Smart Service Can-
vas ergänzt an dieser Stelle drei Felder, die die Passung bzw. den sogenannten Fit auf
verschiedenen Ebenen konkretisiert.
Auf der untersten Ebene ist das Smarte Produkt (Smart Device) dargestellt, das die
Schnittstelle zum Kunden bietet. Hierbei kann es sich um so genannte Maschine-zu-Ma-
schine- oder Maschine-zu-Mensch-Schnittstellen handeln, je nachdem, ob und inwieweit
das smarte Produkt im Rahmen der Dienstleistungserbringung eine Interaktion mit Men-
schen zulässt oder vorsieht. Handelt es sich bei dem Smart-Service-Geschäftsmodell um
ein Product-Service-System (Baines et al. 2007), dann ist in dieses Feld das zentrale phy-
sische Objekt der Dienstleistungserbringung einzutragen, beispielsweise die vernetzte
Maschine, für die eine proaktive Wartung angeboten wird bzw. die Gegenstand eines Be-
treibermodells oder ähnliches ist (Spath/Demuß 2006). Alternativ steht hier das smarte
Produkt, dass die Schnittstelle zwischen Anbieter und Kunden gewährleistet wie beispiels-
weise ein stationärer Rechner oder mobile Endgeräte wie Smartphone und Tablet. All-
mendinger und Lombreglia (2005) fassen die üblichen Funktionen, die ein smartes und
vernetztes Produkt bereitstellt, wie folgt zusammen:
„ Statusübermittlung,
„ Diagnose,
„ Upgrades,
„ Steuerung und Automation,
„ Überwachung und Profilbildung des Nutzungsverhaltens,
„ Abwicklung von Transaktionen (wie Nachbestellungen von Verbrauchsmaterial
oder Ersatzteilen),
„ Lokalisierung und weitere ortsabhängige Funktionen.
Für die Einbindung des smarten Produkts in das Ökosystem muss die notwendige Kom-
patibilität gewährleistet sein.
Das Interaktionsniveau (Interaction Level) hängt eng mit dem Automatisierungsgrad des
angebotenen Smart Service zusammen und ist auf der mittleren Ebene dargestellt. Smarte
Produkte, die über ein Condition-Monitoring-System verfügen, unterstützen eine proak-
tive Wartung in der Regel ohne eine unmittelbare Interaktion mit Personen. Da Statusda-
ten automatisiert an eine zentrale Stelle übermittelt werden, bieten diese Produkte selbst
möglicherweise keine Benutzerschnittstelle (wenn beispielsweise keine Eingabegeräte
und Anzeigen verbaut sind). Ein Tablet hingegen erfordert in der Regel die Interaktion mit
Smart Service Canvas 103

Personen im Rahmen der Dienstleistungserbringung, indem beispielsweise Apps aufgeru-


fen, Einstellungen verändert und Daten abgefragt oder eingegeben werden. Das Interakti-
onsniveau und dementsprechend der Automatisierungsgrad sollte sich an den Anforderun-
gen und Erwartungen des Kunden orientieren. Herterich et al. (2016) unterscheiden vor
diesem Hintergrund zwischen personenzentrierten, teilautomatisierten und automatisier-
ten Dienstleistungsabläufen, wobei insbesondere hochgradig standardisierte und automa-
tisierte Abläufe eine gute Skalierbarkeit des Smart-Service-Geschäftsmodells gewährleis-
ten. Wünderlich et al. (2013) differenzieren hier zusätzlich hinsichtlich des Interaktions-
niveaus zwischen $QELHWHUXQG.XQGHXQGXQWHUVFKHLGHQLQLKUHUÄSmart-Service-Interac-
tivity-MDWUL[³ ]ZLVFKHQ Interactive Service, Self-Service, Machine-to-Machine-Service
und Provider Active Service (vgl. Abbildung 4).

hoch
Self-Service Interactive
Service
z. B. Online- z. B. Interaktive
Beschaffung Fernwartung und
Fehlerbehebung

Aktivitätsniveau
des Kunden
Machine-to- Provider Active
Machine-Service Service
z. B. Automatische z. B. Ferndiagnose
Updates, Condition
Monitoring, Status-
überwachung

gering

Aktivitätsniveau
gering hoch
des Anbieters

Abbildung 4: Smart-Service-Interactivity-Matrix
(Quelle: Wünderlich et al. 2013, S. 5)

Das Erlösmodell (Revenue Model) gibt an, welche Einnahmequellen durch den angebote-
nen Smart Service generiert werden. Kollmann (2016) unterscheidet hier drei verschie-
dene Möglichkeiten:
104 Jens Pöppelbuß und Carolin Durst

„ Singular-Prinzip: Es existiert eine bezahlte Kernleistung mit unmittelbar zurechenba-


ren Erlösen.
„ Plural-Prinzip: Neben der bezahlten Kernleistung existiert auch eine vermarktbare
Nebenleistung, wie beispielsweise der Verkauf von aufbereiteten Daten an Dritte.
„ Symbiose-Prinzip: Der Erlös wird durch eine Kern- und eine Nebenleistung generiert.
Hierbei verbleibt die Kernleistung jedoch kostenlos, um die notwendigen Informati-
onen zur Erbringung der Nebenleistung zu erhalten (z. B. für personalisierte Wer-
bung).
Die Erlöse können unabhängig vom Erlösmodell verschiedenen, typischen Erlössystema-
tiken folgen. Kollmann (2016) nennt hierfür zu Differenzierung Margen, Provisionen und
Grundgebühren als jeweils zentrale Erlösquellen.

4. Smart Service Canvas am Beispiel von


STILL neXXt fleet
Zur Illustration, wie eine mögliche Beschreibung eines Smart-Service-Geschäftsmodells
PLWGHU6PDUW6HUYLFH&DQYDVDXVVHKHQNDQQZLUGGDV3RUWDOÄQH;;WIOHHW³GHU67,//
GmbH herangezogen (vgl. http://www.still-nexxt-fleet.de/). Dieses Portal steht seit 2016
für Kunden zur Verwaltung und Optimierung ihrer Flurförderzeugflotten zur Verfügung.
Als Grundlage für die Beschreibung des Geschäftsmodells mithilfe der Smart Service
Canvas werden über die Webseite öffentlich zugängliche Informationen genutzt. Als
Kunde wird die Rolle eines Flottenmanagers eines Logistikunternehmens angenommen.
Die Darstellung (vgl. Abbildung 5) erhebt dabei keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Abbildung 5:
Analytische KPI-Vergleich über mehrere Standorte
Kontext der
Fähigkeiten und frei wählbare Zeiträume
Kundenaufgaben
Datensicherheit
Smart Service Canvas

Transparenz der Lager- bzw.


Fahrzeugflotte Direkter Abruf Erlösmodell Einsparpotenziale
Fabrikhalle
Fahrzeugdokumente Abonnement-
Daten-Visualisierung Modell
und -historie Geringe Ausfallzeiten Lagerplatzsystem
Fleet Overview
KPI-Berechnung 30 Tage Alle relevanten
Datenübergabe via Überblick über ERP-System und
Cost Reporting kostenfreier Test Informationen an
Excel für Reporting- Flotte Berichtswesen des
einer Stelle
Maintenance Control Tools Kunden
Interaktionsniveau
Automatische Erinnerungen Flottenmanagement
Fleet Usage KPI Monitor Vorteilsverschaffer
Datenübertragung Kundenvorteile
Smart Service Kundenaufgaben
Daten Problemlöser Manuelle Dateneingabe Logistikprozesse Kontextdinge und
Truck Life Analysis Kundenprobleme
Kommerzielle und planen -daten
technische Daten aus SAP Identifikation von Dashboard Plankosten
Operating Hours Einsparpotenzialen überschritten Flotte analysieren Weitere
Nutzungsdaten
Smartes Produkt Begrenztes Servicetermine Flurförderzeuge
Service Report Plus Auswertung der
Stammdaten der Budget verpasst der Flotte
Fahrzeugnutzung Flurförderzeug mit
Flurförderzeuge Data Plus Zu geringe
Sensorik und Zugang Ungeplante
Benachrichtigungen via zum Mobilfunknetz Auslastung der
Serviceberichte Ausfälle
Systemmeldung oder E-Mail Fahrzeuge
und -rechnungen Tablet Betriebsstunden
von STILL PC überschritten
Serviceberichte
Smartphone
und -rechnungen
von Dritten

Smart Service Canvas für STILL neXXt fleet


Technische Infrastruktur und digitale Plattform
Mobilfunknetz
(GSM)
STILL Server
neXXt fleet SAP Hana
Webportal Datenbank
105
106 Jens Pöppelbuß und Carolin Durst

Das Webportal neXXt fleet soll die Kunden von STILL dazu befähigen, ihre Flotte mit
einem zentralen Webportal zu managen und so Logistikprozesse einfacher, schneller und
kostensparender umzusetzen (vgl. Kundenaufgaben in Abbildung 6). Typische Kunden-
probleme in diesem Kontext sind:
„ Fahrzeuge fallen ungeplant oder zu häufig aus und stehen dann für die Ausführung
logistischer Aufgaben nicht mehr zur Verfügung.
„ Insgesamt sind zu viele Fahrzeuge vorhanden. Dadurch ergibt sich eine nicht wirt-
schaftliche Auslastung.
„ Plankosten oder mit STILL im Rahmen von Leasingverträgen vereinbarte Obergren-
zen von Betriebsstunden werden überschritten.
Das Flurförderzeug stellt das smarte Produkt dar, dass mit Sensorik ausgestattet ist und
seine Nutzungsdaten über das Mobilfunknetz an die Server von STILL übermittelt. Eine
Steuerung der Flurförderzeuge erfolgt über neXXt fleet jedoch nicht.
Das Webportal lässt sich über einen PC oder mobile Endgeräte wie Tablets und Smart-
phones erreichen. Die Datenübermittlung zwischen Fahrzeugen und den STILL-Servern
erfolgt automatisch. Für die Nutzung der Apps interagiert der Nutzer mit den zuvor ge-
nannten Objekten. Das Erlösmodell sieht ein Abonnement-Modell (im Sinne einer monat-
lichen Grundgebühr) vor. Der Kontext umfasst die Lager- bzw. Fabrikhalle sowie weitere
Informationssysteme des Kunden. Die Nutzung von Daten aus dem Kontext beschränkt
sich bislang auf weitere Fahrzeuge der gleichen Flotte.

Erlösmodell Einsparpotenziale Kontext der


Kundenaufgaben
Abonnement-Modell
Geringe Ausfallzeiten Lager- bzw.
Fabrikhalle
30 Tage kostenfreier Alle relevanten Überblick über
Test Informationen an Flotte Lagerplatzsystem
einer Stelle
Interaktionsniveau ERP-System und
Erinnerungen Flottenmanagement Berichtswesen des
Automatische
Datenübertragung Kundenvorteile Kunden
Kundenaufgaben
Manuelle Dateneingabe Kundenprobleme Logistikprozesse Kontextdinge und -daten
planen
Dashboard Plankosten Weitere
überschritten Flotte analysieren Flurförderzeuge der
Smartes Produkt Flotte
Begrenztes Servicetermine
Flurförderzeug mit Budget
Sensorik und Zugang zum verpasst
Mobilfunknetz Zu geringe Ungeplante
Auslastung der Ausfälle
Tablet PC Smartphone Fahrzeuge
Betriebsstunden
überschritten

Abbildung 6: Kundensicht und Fit der Smart Service Canvas

Insgesamt bietet das Webportal neun Web-Applikationen (Apps) zur Zusammenführung


und Analyse von Daten aus der Flurförderzeugflotte (vgl. das Feld Smart Service in Ab-
bildung 7). Diese bilden dementsprechend die Module des Smart Service. Die Plattform
Smart Service Canvas 107

bündelt kommerzielle und technische Daten aus betrieblichen Informationssystemen mit


Daten aus dem Fahrzeug. Die bisherigen Apps konzentrieren sich bislang auf die Zusam-
menführung, Verdichtung und grafische Aufbereitung von Daten. So wird ein Überblick
über alle Fahrzeuge der Flotte gegeben und es lassen sich jeweils alle relevanten Doku-
mente und Stammdaten anzeigen. Die historischen Ereignisse zu einem Fahrzeug werden
an einer zentralen Stelle gespeichert und lassen sich durch den Flottenmanager einfach
auswerten. Geplante Wartungs- und Prüfungstermine werden dargestellt und überwacht,
genauso wie die Leistungskennzahlen und die Nutzung der einzelnen Fahrzeuge.
Durch die Datenanalysen lassen sich durch den Flottenmanager unter anderem Einsparpo-
tenziale ermitteln, z. B. wenn er feststellt, dass die bessere Auslastung einzelner Fahrzeuge
eine Reduktion der Flotte ermöglicht, ohne dass dies zu Einschränkungen in den logisti-
schen Prozessen führt. Bei Überschreiten der Grenzen für Kosten, Betriebsstunden oder
Auslastungsgrenzen wird der Flottenmanager über automatische Benachrichtigungen in-
formiert. Zusätzliche Informationen zu bestehenden Fahrzeugen anderer Hersteller sowie
Servicerechnungen und -berichte anderer Dienstleister können durch den Flottenmanager
eingegeben werden. Hierdurch können diese bei der Datenanalyse in neXXt fleet ebenfalls
berücksichtigt werden. Ein Datenexport aus neXXt fleet nach Microsoft Excel erlaubt die
Weiternutzung der Daten in anderen Reporting-Werkzeugen des Kunden.

Die Darstellung dieses realen Geschäftsmodells mit der Smart Service Canvas kann als
Ausgangslage zu seiner Weiterentwicklung genutzt werden. Es ist beispielsweise zu er-
kennen, dass bislang wenig Kontextdinge und -daten genutzt werden. Zusätzlich vorstell-
bar wären hier auch Temperatur- und Luftfeuchtigkeitssensoren in der Lager- bzw. Fab-
rikhalle, die über die Umweltbedingungen des Fahrzeugs Auskunft geben und gemeinsam
mit den Nutzungs- und möglicherweise Ausfalldaten zu einer verbesserten Interpretation
der Daten führen können.
108 Jens Pöppelbuß und Carolin Durst

KPI-Vergleich über mehrere Standorte


und frei wählbare Zeiträume
Datensicherheit
Analytische Fähigkeiten Transparenz der
Fahrzeugflotte Direkter Abruf
Fahrzeugdokumente
Daten-Visualisierung
und -historie
Fleet Overview
KPI-Berechnung
Datenübergabe via
Cost Reporting
Excel für Reporting-
Maintenance Control Tools

Fleet Usage KPI Monitor Vorteilsverschaffer


Smart Service
Daten Problemlöser
Kommerzielle und technische Truck Life Analysis
Daten aus SAP Identifikation von
Operating Hours Einsparpotenzialen
Nutzungsdaten
Service Report Plus Auswertung der
Stammdaten der Fahrzeugnutzung
Flurförderzeuge Data Plus
Benachrichtigungen via
Serviceberichte und Serviceberichte und Systemmeldung oder E-Mail
-rechnungen von -rechnungen von
STILL Dritten
Technische Infrastruktur und digitale Plattform
SAP Hana
neXXt fleet Datenbank
Webportal Mobilfunknetz
STILL Server (GSM)

Abbildung 7: Wertschöpfungs- und Ökosystemsicht der Smart Service Canvas

5. Ausblick
Dieser Beitrag präsentiert mit der Smart Service Canvas ein leicht verständliches Werk-
zeug zur Beschreibung, Analyse und Entwicklung intelligenter datenbasierter Dienstleis-
tungen. Mithilfe der Smart Service Canvas wird Unternehmen ein Instrument an die Hand
gegeben, um die Chancen der Servicetransformation sowie der digitalen Transformation
für sich zu nutzen. Als Grundlage der Smart Service Canvas dient die Value Proposition
Canvas von Osterwalder et al. (2015) und wird auf den speziellen Anwendungsfall von
Smart Services erweitert.
Bei Smart Services stehen insbesondere kontextbezogene Daten und deren Analyse sowie
die Vernetzung zu bestehenden Produkten im Vordergrund. Daher wurde zunächst die
Kundensicht um die zwei wichtigen Felder Kontext der Kundenaufgaben und Kontext-
dinge und -daten erweitert. Gespiegelt ergänzen die Felder analytische Fähigkeiten und
Daten die Wertschöpfungssicht. Der Fit aus Kunden- und Wertschöpfungssicht wird auf
drei Ebenen expliziert: Erlösmodell, Interaktionsniveau und Smartes Produkt. Gänzlich
Smart Service Canvas 109

neu wurde die Ökosystemsicht hinzugefügt, welche die technische Infrastruktur zur Be-
reitstellung sowie die notwendigen digitalen Plattformen zur Verbreitung und Vermark-
tung des Smart Service beschreiben. Die genannten Erweiterungen ermöglichen eine be-
wusste Datensammlung und -analyse und in Verbindung mit maschineller Intelligenz eine
gezielte Entwicklung innovativer kundenorientierter Dienstleistungen. Durch den speziel-
len Kundenfokus verlassen insbesondere industrielle Unternehmen gewohnte Pfade, in-
dem sie die produktorientierte Denkweise mit einer bedarfsorientierten Sichtweise erwei-
tern.
In ersten Workshops kam die entwickelte Smart Service Canvas erfolgreich zur Anwen-
dung. Das Werkzeug eignete sich insbesondere zur Beschreibung und Analyse bestehen-
der Smart-Service-Geschäftsmodelle, auch für auf private Endkunden ausgerichtete
Dienstleistungsangebote abseits des Industriesektors. Darüber hinaus wurden auch erste
Erfolge bei der Entwicklung neuer Smart-Service-Geschäftsmodelle erzielt. Die Evalua-
tionsergebnisse werden für die gezielte Weiterentwicklung der Canvas herangezogen.
Schwierigkeiten traten vor allem bei der Unterscheidung der Felder Kontext der Kunden-
aufgaben, Kontextdinge und -daten und Smartes Produkt auf. Ausführliche Anwendungs-
beispiele und Hilfestellungen sollen in Zukunft diese Unterscheidung noch trennschärfer
darstellen. Es lässt sich aber bereits feststellen, dass die Smart Service Canvas mit den
verschiedenen Sichten bewusste Perspektivwechsel anregt und zu kundenorientierten Lö-
sungen führt. Dieser Beitrag soll Interessierte ermutigen, die Smart Service Canvas einzu-
setzen und ihre Erfahrungen zu teilen und somit auch zur Weiterentwicklung beizutragen.

Danksagung
Dieser Beitrag entstand im Rahmen des Forschungsvorhabens DETHIS (Design Thinking
for Industrial Services), das durch das BMBF unter dem Kennzeichen 02K14A141 geför-
dert wird.

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Esther Bollhöfer, Cornelius Moll und Christian Lerch

Bewertung von digitalen


Dienstleistungskonzepten im verarbeitenden
Gewerbe

1. Einleitung

2. Digitale Dienstleistungskonzepte als nächste Entwicklungsstufe bei der


Transformation

3. Digitale Dienstleistungskonzepte im verarbeitenden Gewerbe ±


Blick in die Praxis

4. Kompetenzgewinn, Markterschließung und Wirtschaftlichkeit als


zentrale Oberziele für digitale Dienstleistungskonzepte

5. Methodischer Ansatz zur Bewertung von digitalen Dienstleistungskonzepten

6. Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

___________________________
Esther Bollhöfer und Cornelius Moll sind wissenschaftliche Mitarbeiter am Fraunhofer-
Institut für System- und Innovationsforschung ISI in Karlsruhe im Competence Center
Neue Technologien, bzw. Energietechnologien und Energiesysteme. Dr. Christian Lerch
LVW/HLWHUGHV*HVFKlIWVIHOGHVÄ,QGXVWULHOOH,QQRYDWLRQVVWUDWHJLHQ³DPVHOELJHQ,QVWLWXW

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017


M. Bruhn und K. Hadwich (Hrsg.), Dienstleistungen 4.0,
DOI 10.1007/978-3-658-17552-8_5
1. Einleitung
Seit einigen Jahren und Jahrzehnten ist in der Industrie ein Trend festzustellen, der sich
weg vom klassischen Produkt und hin zu einem Lösungsangebot entwickelt. Neue Ge-
schäftsmodelle, insbesondere auch auf Basis digitaler Systeme, spielen in diesem Zu-
sammenhang eine besondere Rolle und gewinnen insbesondere bei Konsumgütern, aber
auch bei Industriegütern, immer stärker an Bedeutung. Weltweit erfolgreiche Dienstleis-
tungsunternehmen, wie Airbnb oder Uber, zeigen, dass neue digitale Geschäftsmodelle
und Dienstleistungskonzepte über disruptives Potenzial verfügen und ganze Branchen
oder Wirtschaftszweige revolutionieren können (Osterwalder/Pigneur 2013). In diesem
=XVDPPHQKDQJZLUGDXFKYRPÄ=HLWalter der GeschäftsmodellinnovaWLRQHQ³JHVSURFKHQ
und die These aufgestellt, dass der Wettbewerb der Zukunft nicht zwischen Produkten
oder Prozessen, sondern zwischen Geschäftsmodellen stattfinden wird (vgl. Gassmann et
al. 2013). Die Digitalisierung spielt in diesem Zusammenhang eine entscheidende Rolle,
da Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) als Träger oder sogar als Aus-
löser solcher neuer Geschäftsmodelle dienen können (vgl. Lerch et al. 2016).
Während im B2C-Bereich solche digitalen Dienstleistungskonzepte scheinbar stark vo-
rangetrieben werden, spielen diese im verarbeitenden Gewerbe noch eine sekundäre Rol-
le. Die dort stattfindende Digitalisierung von Produktion und Logistik entlang von Wert-
VFK|SIXQJVNHWWHQ ZLUG DNWXHOO XQWHU GHP 6FKODJZRUW Ä,QGXVWULH ³ (I4.0) diskutiert
(Kagermann 2012; Spath 2013; Börkircher et al. 2016). Industrie 4.0 umfasst die digitale
Vernetzung von Maschinen und Anlagen mit Hilfe moderner IKT sowie die Verlagerung
GHU6WHXHUXQJ ÄYRQREHQ QDFKXQWHQ³DOVR ZHJ YRQ XQWHUQHKPHQVZHLWHQ Produktions-
planungs- und Steuerungssystemen (PPS) hin zur dezentralen, autonomen Selbststeue-
rung auf Maschinenebene (Spath 2013; Wischmann et al. 2015). Die entstehenden Cy-
ber-Physischen-Systeme bestehen aus intelligenten Objekten, die in einem Internet der
Dinge und Daten als digitales Abbild der realen Welt, miteinander vernetzt sind und sich
selbständig steuern (Spath 2013). Für Industriebetriebe ergibt sich durch diesen beidsei-
tigen Trend also die Chance, Industrie 4.0 nicht nur im eigenen Betrieb umzusetzen,
sondern auch im Lösungsgeschäft zu implementieren und digitale Dienstleistungskon-
zepte zu entwickeln und zu vermarkten.
Aus dem bisherigen Forschungsstand geht hervor, dass für die Entwicklung digitaler
Dienstleistungskonzepte basierend auf neuen Geschäftsmodellen die dominante Bran-
chenlogik aufzubrechen ist und Ideen außerhalb der gängigen Denkschemata zu erarbei-
ten sind (vgl. Gassmann et al. 2013). Dies scheint insbesondere für Herausforderungen
in traditionellen Branchen zu sorgen, die auf altbewährte Strukturen und etablierte Pro-
zesse setzen. Allerdings konnte auch gezeigt werden, dass bereits über ein Drittel der
deutschen Industriebetriebe neue Geschäftsmodelle anbietet und dabei insbesondere ein
starker Zusammenhang zum Einsatz digitaler Systeme existiert. Die beiden Trends, Digi-
116 Esther Bollhöfer, Cornelius Moll und Christian Lerch

talisierung und Dienstleistungsorientierung, scheinen sich demnach positiv zu beeinflus-


sen (vgl. Lerch/Gotsch 2014).
Die Herausforderungen, die sich für Industriebetriebe dabei ergeben, liegen insbesondere
darin, dass nun zwei Transformationspfade zu meistern sind: zum einen der Wandel zum
Anbieter von neuen Geschäftsmodellen, zum anderen der Aufbau digitaler Kompeten-
zen. Diese Transformation scheint insofern als notwendig, da der digitale Wandel insge-
samt zu einer Entgrenzung der herkömmlichen Innovations- und Wertschöpfungssyste-
me führt und sich produzierende Betriebe in Zukunft in einem neuen Wett-
bewerbsumfeld wiederfinden könnten. Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich daher
mit digitalen Dienstleistungskonzepten im verarbeitenden Gewerbe, die einen Beitrag zu
Dienstleistung 4.0 in der Industrie leisten. Dabei sollen folgende Leitfragen fokussiert
werden:
„ Inwieweit setzen Industriebetriebe bereits digitale Technologien ein, um ihre Dienst-
leistungen zu erbringen?
„ Welche Zielkonflikte sind beim Angebot von digitalen Dienstleistungskonzepten zu
bewältigen?
„ Wie können die Potenziale von digitalen Dienstleistungskonzepten in der Praxis be-
urteilt und gemessen werden?
Hierfür werden zunächst Erkenntnisse aus der Literatur zur Entstehung von digitalen
Dienstleistungskonzepten dargestellt, um dann mit einem Blick in die Unternehmenspra-
xis den aktuellen Umsetzungsstand im verarbeitenden Gewerbe zu beleuchten. Im darauf
folgenden Abschnitt folgt dann der Schritt, die Ideen für digitale Dienstleistungskonzep-
te in die Praxis zu übersetzen und sie mit den unternehmerischen Zielen in Einklang zu
bringen, bevor diese dann auch Entscheidungs- und Abwägungsprozessen zugänglich
gemacht werden sollen. Zuletzt werden ein Fazit und ein Ausblick auf das Thema gege-
ben.

2. Digitale Dienstleistungskonzepte als nächste


Entwicklungsstufe bei der Transformation
Betriebe des verarbeitenden Gewerbes, die jenseits des klassischen Produktverkaufs
neue Geschäftsmodelle anbieten möchten, müssen ihre gesamten Geschäftsstrukturen
anpassen und erneuern. In der Literatur wird dieser Prozess auch als Transformations-
pfad bezeichnet. Industriebetriebe wandeln sich empirischen Untersuchungen zufolge
vom reinen Produzenten zum Lösungsanbieter bzw. zum Anbieter von Geschäftsmodel-
len (vgl. Gebauer et al. 2005). Während zu Beginn des Transformationspfads noch der
Produktverkauf dominiert, bietet ein Betrieb am Ende des Pfads eine Problemlösung für
den Kunden an. Dabei steht die Dienstleistung bzw. das Geschäftsmodell im Fokus des
Angebots, das Produkt dient als Träger.
Bewertung von digitalen Dienstleistungskonzepten im verarbeitenden Gewerbe 117

Dieser Wandel wird durch verschiedene Ursachen getrieben. So ist in den letzten Jahr-
zehnten eine zunehmende Homogenisierung des Produktgeschäfts zu erkennen, die
Margen werden dabei immer geringer und es bestehen kaum noch Differenzierungs-
merkmale. Das Angebot innovativer digitaler Dienstleistungskonzepte kann diese Her-
ausforderung lösen und den anbietenden Betrieb in eine verbesserte Wettbewerbspositi-
on im Markt bringen. So weisen Betriebe mit innovativen Dienstleistungen eine höhere
Umsatz- und Beschäftigungsentwicklung auf als Betriebe, die keine Dienstleistungsin-
novationen hervorbringen (vgl. Lay et al. 2007).
Durch den digitalen Wandel wird der Transformationsprozess vom Produzenten zum
Lösungsanbieter jedoch zusätzlich beeinflusst. Auf Basis bisheriger Erkenntnisse wird
vermutet, dass die beiden Trends, Digitalisierung und Dienstleistungsorientierung, sich
gegenseitig positiv beeinflussen (vgl. Lerch/Gotsch 2014).
Zum einen sind Betriebe, die neue Geschäftsmodelle anbieten möchten, häufig darauf
angewiesen, IT-Systeme oder das Internet in die Prozessabwicklung mit einzubinden.
Um neue Geschäftsmodelle anbieten zu können, sind digitale Komponenten somit oft-
mals eine Notwendigkeit, was folglich zu einer zusätzlichen Digitalisierung der anbie-
tenden Betriebe führt. Entsprechend würde der Ausbau des Dienstleistungsgeschäfts eine
zusätzliche Digitalisierung im Betrieb nach sich ziehen (vgl. Lerch/Gotsch 2015a).
Zum anderen ist auch davon auszugehen, dass der digitale Wandel zu einer höheren
Dienstleistungsorientierung führen kann. Hier werden in der Literatur zweierlei Effekte
angeführt, die auf dem Verständnis beruhen, dass die Digitalisierung zum einen als Zu-
gangstechnologie, zum anderen aber auch als Kerntechnologie von neuen Geschäftsmo-
dellen und Dienstleistungen dienen kann (vgl. Lerch et al. 2016). Digitalisierung als Zu-
gangstechnologie (1) beschreibt die Vermittlungen von Services und Geschäftsmodellen
mit Hilfe des Internets und umfasst insbesondere Plattformen, die dazu dienen, Transak-
tionskosten zu senken. Hierdurch können Services effizienter abgewickelt werden, was
deren Verbreitung unterstützt und somit langfristig zu einer höheren Serviceorientierung
führen kann. Die Digitalisierung dient hingegen dann als Kerntechnologie (2), wenn das
Geschäftsmodell mittels eigenständiger und automatisierter Prozesse selbst verbessert
wird (vgl. Lerch et al. 2016). Hierzu zählen beispielsweise Smart Services bzw. Data-
driven Services.
Setzen produzierende Unternehmen das Internet oder digitale Techniken zur Erbringung
ihrer Dienstleistungen ein, befinden sie sich auf einem Transformationspfad, der sowohl
durch die Digitalisierung als auch durch die Servicetransformation selbst beeinflusst
wird. Lerch und Gotsch (2014) unterscheiden hierbei vier verschiedene Entwicklungs-
stufen, die sich unter Berücksichtigung der beiden individuellen Entwicklungen ergeben.
Der ersten Stufe werden Unternehmen zugeordnet, die lediglich obligatorische Dienst-
leistungen anbieten und standardisierte IT-Lösungen einsetzen. Diese Betriebe bieten
Services wie Wartung und Reparatur oder Installation an, die beispielsweise auch durch
digitale Textdateien, Videokonferenzen oder E-Mail-Verkehr ergänzt und abgewickelt
118 Esther Bollhöfer, Cornelius Moll und Christian Lerch

werden. In dieser ersten Stufe hat der Einsatz von IT-Lösungen noch keine Auswirkun-
gen auf das Serviceangebot und es kann sich dadurch auch nicht im Wettbewerb abge-
grenzt werden.
Betriebe, die sich in der zweiten Stufe befinden, setzen IT-Systeme hingegen ein, um
ihre Dienstleistungen zu verbessern. Ein bereits weit verbreitetes Beispiel hierzu ist das
Angebot von Teleservices, womit ein Monitoring von Prozessen und Fernzugriffe mög-
lich werden. Hierdurch ist es dem anbietenden Unternehmen bereits möglich, Zeit- und
Ressourceneinsparungen zu realisieren, wodurch Effizienzsteigerungen bei der Dienst-
leistungserbringung möglich werden.
In der darauf folgenden dritten Stufe nutzen Betriebe den digitalen Wandel dazu, völlig
neue Serviceangebote zu entwickeln, um hierdurch ihr Angebotsportfolio zu erweitern.
Hierbei entstehen Serviceangebote oder Problemlösungen, die vor der Digitalisierung
nicht möglich waren. Hierzu zählen beispielsweise Cloud Services, Software basierte
Simulationen für den Kunden oder Virtual und Augmented Reality-Anwendungen im
Rahmen der Dienstleistungserbringung. Das Angebotsportfolio wird mittels dieser Stufe
signifikant erweitert und verbessert.
Am Ende der Entwicklung steht die vierte Stufe, die bereits eine nahe Anbindung an die
Industrie 4.0 aufweist. Hier werden IKT-Lösungen bereits so eingesetzt, dass ein eigen-
ständiges und autonomes, auf Datennutzung basierendes Verhalten des Produkt-Service-
Bündels möglich wird. Hierdurch lassen sich völlig neue Geschäftsfelder erschließen, da
diese digitalen Geschäftsmodelle deutliche Effizienz- und Performancesteigerungen be-
inhalten können. In diesen Fällen wird neben den materiellen und immateriellen Leis-
tungskomponenten des Produkt-Service-Bündels eine dritte, digitale Komponente er-
gänzt. Lerch und Gotsch (2014) gehen davon aus, dass verschiedene Typen dieser
digitalen Produkt-Service-Bündel existieren und deren smartes Verhalten genutzt wird,
um diverse Ziele zu erreichen. Hierzu gehören beispielsweise der Aufbau eines digitalen
Gedächtnisses, die automatisierte Optimierung von Produktionsprozessen und die intel-
ligente Erbringung von Dienstleistungen (vgl. Lerch/Gotsch 2015b).
Allerdings ist dieses Transformationsmodell nicht in der Lage zu erklären, welche I4.0-
Geschäftsmodelle für einen produzierenden Betrieb von Vorteil sind und welche Ge-
schäftsmodelle prioritär verfolgt werden sollten. Ebenso ist bislang unklar, welche digi-
talen Technologien und Anwendungen bereits in der industriellen Praxis umgesetzt wer-
den. Hierzu soll ein kurzer Blick auf die Verbreitung digitaler Lösungen im
verarbeitenden Gewerbe gegeben werden.
Bewertung von digitalen Dienstleistungskonzepten im verarbeitenden Gewerbe 119

3. Digitale Dienstleistungskonzepte im verarbeitenden


Gewerbe ± Blick in die Praxis
Um den stetig wachsenden Kundenanforderungen in Bezug auf Qualität und Individuali-
tät und der daraus erwachsenden Komplexität von Produkten und Dienstleistungen auch
in Zukunft Rechnung tragen zu können, sind flexible und ressourceneffiziente Wert-
schöpfungsprozesse erforderlich (Hutle 2013; Wischmann et al. 2015). Die Digitalisie-
rung der Wertschöpfungskette im Kontext von Industrie 4.0 und die damit verbundenen
hochautomatisierten und selbststeuernden Prozesse sind in der Lage, genau dies zu leis-
ten. Sie verfügen somit über das Potenzial, die Wettbewerbsfähigkeit des verarbeitenden
Gewerbes in Deutschland auch für die Zukunft sicherzustellen. Trotzdem ist ein eindeu-
tiger wirtschaftlicher Nutzen ein wesentliches Entscheidungskriterium für die Implemen-
tierung von Industrie 4.0-Konzepten (Lichtblau et al. 2015). Es ist daher für die Diffusi-
on von Industrie 4.0 essenziell, die wirtschaftliche Verwertung der technischen
Lösungen zu gewährleisten. Möglich wird dies durch digitale Dienstleistungskonzepte,
die auf moderner IKT und der Nutzung von Daten, im Sinne einer Industrie 4.0, aufbau-
en. Der Erfolg von Industrie 4.0 und digitalen Dienstleistungskonzepten ist folglich eng
miteinander verknüpft (Bauernhansl 2014). Die aktuell im Zusammenhang mit Industrie
4.0 diskutierten Dienstleistungskonzepte basieren jedoch in unterschiedlichem Umfang
auf innovativen IKT-Lösungen und auf damit generierte Daten und weisen eine variie-
rende Dienstleistungsorientierung auf (Bollhöfer et al. 2016).
Um ein genaueres Bild der Digitalisierung von Dienstleistungen und Geschäftsmodellen
im verarbeitenden Gewerbe in Deutschland zu erhalten, werden im Folgenden Ergebnis-
se, basierend auf Daten der Erhebung ÄModernisierung der Produktion 2015³, vorge-
stellt. Die Erhebung ÄModernisierung der Produktion³ wird seit 1993 regelmäßig durch-
geführt und bildet das verarbeitende Gewerbe in Deutschland in seiner Bandbreite
repräsentativ ab. Etwa 1.500 Betriebe mit mindestens 20 Beschäftigten werden hierbei
zu organisatorischen und technischen Modernisierungstrends befragt. In der Erhebungs-
welle 2015 wurden Indikatoren zu Dienstleistungen und digitalen Technologien zur Er-
bringung von Dienstleistungen integriert. Konkret wurden Betriebe danach gefragt, ob
sie bestimmte digitale Technologien und Anwendungen bei der Erbringung ihrer Dienst-
leistungen bereits einsetzen.
(V]HLJWVLFKGDVV]XU(UEULQJXQJYRQ'LHQVWOHLVWXQJHQDNWXHOOEHUZLHJHQGÄHLQIDFKH³
IKT eingesetzt werden (vgl. Abbildung 1). Mobile Endgeräte werden durch den Service-
techniker beim Kundeneinsatz in 40 Prozent der Betriebe eingesetzt. Digitalkameras
können beispielsweise zur Dokumentation des Zustands von Maschinen, Anlagen und
Komponenten verwendet werden, Smartphones, Tablets oder Laptops können beim Ab-
rufen von Fehlerprotokollen zum Einsatz kommen oder zur Visualisierung maschinen-
spezifischer Wartungspläne dienen. 39 Prozent der Betriebe im verarbeitenden Gewerbe
nutzen das Internet zur Unterstützung von Dienstleistungen, sei es für Online-
Schulungen, das zur Verfügung stellen von Dokumenten, Wartungsanleitungen oder
120 Esther Bollhöfer, Cornelius Moll und Christian Lerch

Fehlerbeschreibungen. Die weite Verbreitung der genannten Technologien im verarbei-


tenden Gewerbe ist darauf zurückzuführen, dass sowohl Internet als auch mobile Endge-
räte in Gesellschaft und Wirtschaft in der Breite genutzt werden und, dass die Technolo-
gien entsprechend kostengünstig verfügbar sind. Ein anderes Bild ergibt sich für
fortschrittlichere IKT. Nur knapp jeder fünfte Betrieb (18 Prozent) nutzt an Maschinen
und Komponenten angebrachte Sensoren oder Steuerungselemente, um Dienstleistungen
zu erbringen. Dabei würde hier großes Potenzial beispielsweise für Teleservices beste-
hen, da über die vorhandenen Sensoren eine Fehlerdiagnose gestellt oder ein bevorste-
hender Maschinenausfall prognostiziert werden könnte. Anwendungen für Virtual oder
Augmented Reality werden nur von jedem zehnten Betrieb im Zusammenhang mit
Dienstleistungen genutzt. Bei Serviceeinsätzen könnten durchzuführende Arbeitsschritte
auf die Anlage projiziert werden, aber auch bei Fernschulungen oder Produktpräsentati-
onen könnte diese Technologie Einsatz finden.

Nutzung aktuell Nutzung geplant bis 2018

MobileMobile
Endgeräte beimbeim
Endgeräte Kundeneinsatz
Kundeneinsatz
40% 4%
(z.B. Digitalkameras,
(z. B. Digitalkameras, Smartphones,
Smartphones, Tablets)
Tablets)

Internet zur Unterstützung


Internet vonvon
zur Unterstützung Dienstleistungen
Dienstleistungen
39% 6%
(z. B. für(z.B. für Online-Schulungen,
Online-Schulungen, Dokumentationen,
Dokumentationen, Fehlerbeschreibungen)
Fehlerbeschreibungen)

SensorenSensoren
oder Steuerungselemente an Maschinen
oder Steuerungselemente oder
an Maschinen Komponenten
oder Komponeten
18% 4%
(z. B. (z.B.
für Teleservices)
für Teleservices)

VirtualVirtual-Reality
Reality oderoder
Augmented Reality
Augmented-Reality
(z. B. für(z.B.
Serviceeinsätze, Produktauslegungen, Produktpräsentationen) 10% 5%
für Serviceeinsätze, Produktauslegungen, Produktpräsentationen)

0% Anteil der Betriebe 100%

Abbildung 1: Nutzung digitaler Technologien und Anwendungen zur Erbringung von


Dienstleistungen im verarbeitenden Gewerbe in Deutschland
(Quelle: Erhebung Modernisierung der Produktion 2015, Fraunhofer ISI)

$XIIlOOLJLVWGDVVWURW]GHUPRPHQWDQHQÄ'LJLWDOLVLHUXQJVZHOOH³nur vier bis sechs Pro-


zent der Betriebe planen, eine der genannten IKT bis 2018 einzusetzen. Die Gründe hier-
für liegen vermutlich hauptsächlich darin, dass viele Betriebe sich nicht über die Mög-
lichkeiten im Klaren sind, wie die Technologien für die Dienstleistungserbringung
eingesetzt werden können, bzw. wie neue darauf basierende Dienstleistungen entwickelt
werden können. Diese Erklärung scheint insbesondere für die Nutzung von Internet und
mobilen Endgeräten wahrscheinlich, da beide Technologien grundsätzlich sehr weit ver-
breitet sind und ein großes Potenzial für neue Dienstleistungen bieten. Demgegenüber ist
die Ausstattung von Maschinen und Komponenten mit Sensoren und Steuerungselemen-
ten sowie Virtual Reality und Augmented Reality noch nicht sehr weit verbreitet.
Die Motive für den Einsatz digitaler Technologien im Zusammenhang mit der Erbrin-
gung von Dienstleistungen können sehr unterschiedlich sein (Lichtblau et al. 2015). Vie-
le Betriebe verfolgen Effizienzziele und hoffen beispielsweise auf eine Kosten- oder Zei-
Bewertung von digitalen Dienstleistungskonzepten im verarbeitenden Gewerbe 121

tersparnis. Diese lässt sich durch die Nutzung von mobilen Endgeräten und Internet si-
cherlich einfach realisieren. Darüber hinaus ist aber auch eine Verbesserung der Qualität
des Dienstleistungsangebots oder eine Differenzierung gegenüber Wettbewerbern als
Ziel denkbar (Lerch/Gotsch 2014). So heben zahlreiche Beiträge in der Literatur
(Schallmo 2013; Schuh et al. 2016) die Differenzierungsmöglichkeiten durch Dienstleis-
tungen hervor. Weiterhin ist es möglich, dass Betriebe digitale Technologien verwenden,
um völlig neue Dienstleistungen anbieten zu können, um sich hierdurch weiter im Wett-
bewerb zu differenzieren.
Das umfassende Potenzial datengetriebener Dienstleistungskonzepte zeigt sich daran,
dass bereits 59 Prozent der Betriebe, die bei der Dienstleistungserbringung anfallenden
digitalen Informationen weiter verwerten (vgl. Abbildung 2). Hiervon verbessern 83
Prozent der Betriebe ihre bestehenden Produkte. Weitere 46 Prozent verbessern auf Ba-
sis dieser Informationen ihre Geschäftsprozesse. Immerhin 28 Prozent der Betriebe ent-
wickeln neue oder verbesserte Dienstleistungen basierend auf digitalen Informationen.
Durch Industrie 4.0-Lösungen wird es in Zukunft zusätzliche Potenziale geben. Be-
triebsdaten können in Echtzeit und auf detaillierter Ebene erfasst und ausgewertet wer-
den. In Summe zeigt sich jedoch, dass aktuell die Affinität gegenüber (innovativen) digi-
talen Dienstleistungskonzepten im verarbeitenden Gewerbe noch relativ gering ist, was
vermutlich auch damit zusammenhängt, dass deren Mehrwert gegenüber traditionellen
Dienstleistungen und Geschäftsmodellen nicht immer eindeutig bestimmt werden kann.

Nutzung anfallender digitaler Informationen 59%

Verbesserung eigener Produkte 83%

Verbesserung eigener Geschäftsprozesse 46%

Entwicklung neuer Dienstleistungen 28%

0% Anteil der Betriebe 100%

Abbildung 2: Nutzung der bei der Erbringung von Dienstleistungen anfallenden


digitalen Informationen
(Quelle: Erhebung Modernisierung der Produktion 2015, Fraunhofer ISI)

Damit digitale Dienstleistungskonzepte eine größere Verbreitung finden und die daraus
erwachsenden Potenziale genutzt werden können, muss den Betrieben im verarbeitenden
Gewerbe also zunächst der Nutzen demonstriert werden. Viele Betriebe nutzen keine in-
122 Esther Bollhöfer, Cornelius Moll und Christian Lerch

novativen IKT und bieten keine digitalen Dienstleistungskonzepte an, weil sie hohe In-
vestitionen befürchten, die ein schwer kalkulierbares Risiko darstellen könnten (Bollhö-
fer et al. 2016). Wenn man den Betrieben aber aufzeigt, welche Chancen bestehen und
ihnen ein Instrument an die Hand gibt, mit dem sie verschiedene Varianten digitaler
Dienstleistungskonzepte strukturiert miteinander vergleichen können und mit dem sie
die für ihre Unternehmensziele am besten geeignete Option auswählen können, ist man
in der Lage, die genannten Hürden zu überwinden.

4. Kompetenzgewinn, Markterschließung und


Wirtschaftlichkeit als zentrale Oberziele für digitale
Dienstleistungskonzepte
Unternehmen ± vor allem KMU ± stehen angesichts der oben genannten Änderungen
und Herausforderungen vor der Entscheidung, neue Technologien entweder einzukaufen
oder selbst zu entwickeln und einzuführen. Der Erfolg wird jedoch in beiden Fällen da-
ran hängen, wie die Integration in das Wertschöpfungsnetzwerk gelingt und welchen
Nutzen das Unternehmen realisieren kann (für sich selbst und für die Kunden). Die mit
der Digitalisierung einhergehende Verfügbarkeit von Daten soll mittels innovativer digi-
taler Dienstleistungskonzepte in marktfähige Angebote überführt werden, die sowohl
dem anbietenden Unternehmen, als auch dem Kunden einen Mehrwert bieten. Dazu sind
veränderte oder neue Dienstleistungskonzepte nötig: ÄDer Wettbewerb wird in Zukunft
nicht zwischen Produkten oder Prozessen stattfinden, sondern zwischen Geschäftsmo-
dellen³ (Gassmann et al. 2013). Diese können auf bestehende Produkte und Dienstleis-
tungen aufsetzen, diese ergänzen, neu entwickelt werden und gegebenenfalls sogar be-
stehende Leistungen ersetzen.
Emmrich et al. (2015) zeigen auf, dass sich alle I4.0-Geschäftsmodelle durch eine hohe
Serviceorientierung auszeichnHQ ZDVLQGHU6WXGLHDXFKDOV ÄEverything as a Service³
bezeichnet wird. Dabei spielen insbesondere Informationen und Daten aus den Produkti-
onsprozessen bei der Wertschöpfung eine zentrale Rolle. Hieraus sollen verwertbare In-
formationen entstehen und diese automatisiert verwaltet und zur Verfügung gestellt wer-
den. Die Unternehmen erhoffen sich hierdurch eine höhere Produktionseffizienz und
-effektivität sowie einen geringeren Investitionsbedarf. Den dazugehörigen Wertschöp-
fungsprozess beschreibt eine Publikation der VDI/VDE-Gesellschaft. In dem Wert-
schöpfungsnetzwerk erfolgt eine vertikale Integration von Industrie 4.0-Prozessen zwi-
schen den Bereichen innerhalb eines Unternehmens und horizontal zwischen den
verschiedenen, am Gesamtprozess beteiligten Unternehmen (Leitanbieter, Zulieferer,
Kunden) (VDI/VDE-Gesellschaft Mess- und Automatisierungstechnik (GMA) 2014). Es
wird schnell deutlich, dass in diesem komplexen Multi-Akteurs-System eine Antwort auf
die Frage nach den Erfolgsaussichten des einen oder anderen digitalen Dienstleistungs-
konzepts nicht trivial ist.
Bewertung von digitalen Dienstleistungskonzepten im verarbeitenden Gewerbe 123

Der zentrale Ansatzpunkt für jegliche Bewertungs- und Entscheidungsfragen ist jedoch
das digitale Dienstleistungskonzept selbst. Ein solches umfasst stets drei Dimensionen:
Die Wertschöpfungsarchitektur, das Nutzenversprechen und das Ertragsmodell (Stähler
2002). Lediglich die Erträge sind der rein quantitativen Prognose und Messung zugäng-
lich. Der realisierbare Nutzen dagegen ist vielschichtig und nur schwer zu quantifizieren.
Als Beispiele mögen hier die geringeren und planbaren Ausfallzeiten der Maschinen
beim Kunden im Falle des Condition Monitoring oder auch die besseren Möglichkeiten
der Personaleinsatzplanung für Servicemitarbeiter seitens des Anbieters dienen. Viel ge-
nannt ist auch der Datenrückfluss zum Anbieter zwecks Generierung von Betriebsdaten
für Zulassungszwecke z. B. im Bereich der Arbeitssicherheit (Fallzahlen als Indiz) oder
Kenntniserlangung über die Einsatzbedingungen von Komponenten zum Zweck der
Produkt(-weiter-)entwicklung und Individualisierung. Neben direkten Nutzen sind auch
indirekte Nutzen auf andere Unternehmensbereiche zu verzeichnen, die sich ebenfalls
nur schwer messen lassen.
Dies führt zu der Notwendigkeit, ein neues digitales Dienstleistungskonzept auch struk-
turiert und in verschiedenen Dimensionen zu bewerten, um dessen Vorteilhaftigkeit für
das Unternehmen feststellen zu können, bzw. um eine Entscheidung zwischen verschie-
denen Modellen fundiert treffen zu können. Bislang spielt der wirtschaftliche Nutzen ei-
ne ausschlaggebende Rolle bei der Realisierung von Innovationen (Geissbauer et al.
2014; Schütte 2014). Die Art der Messung und Bewertung des Nutzens muss daher für
digitale Dienstleistungskonzepte neu überdacht werden.
Entscheidungsalternativen werden durch Größen charakterisiert, die der Entscheider
selbst variieren kann ± so genannte Entscheidungsvariablen (Laux et al. 2014). Häufig ist
in einer Entscheidung eine Vielzahl an Entscheidungsvariablen relevant, sodass die Ent-
scheidung verkompliziert wird. Spielen zudem mehrere Ziele in dem Entscheidungs-
problem eine Rolle, handelt es sich um ein multikriterielles Entscheidungsproblem
(Yoon/Hwang 1995).
Doch worüber und auf welcher Ebene soll überhaupt entschieden werden? Eine Ent-
scheidung Geschäftsmodell A vs. Geschäftsmodell B beinhaltet schließlich keinerlei ent-
scheidungsrelevante Informationen. Für die Arbeit mit Geschäftsmodellen, hat sich in
der Praxis die Business-Model-Canvas-Methode von Osterwalder und Pigneur bewährt.
ÄSie gilt mittlerweile weltweit als Mittel der Wahl, um innovative Geschäftsmodelle zu
finden und veraltete auf den Kopf zu stellen³ (Osterwalder/Pigneur 2013).
Diese Methode liefert neun für Geschäftsmodelle gleichermaßen relevante Felder und
damit auch zugleich einen ersten Anhaltspunkt für Zielkriterien zur Bewertung von digi-
talen Dienstleistungskonzepten. So können Aussagen zu den Kundenbeziehungen und
Kundenwerten, den Finanzen und den Ressourcen des Unternehmens getroffen werden
(Osterwalder/Pigneur 2013).
Im Folgenden soll überprüft werden, ob die in der Literatur und innerhalb von Praxisbei-
spielen diskutierten Ziele tatsächlich alle Felder des BMC ausfüllen und damit die Wahl
124 Esther Bollhöfer, Cornelius Moll und Christian Lerch

des Modells bestätigen. Im Gegenstromverfahren wurden zunächst die Ziele der Top-
down-orientierten Planung ermittelt und anschließend mit denen der Bottom-up-Planung
verglichen (Waniczek 2008). Das Vorgehen zeigt Abbildung 3.

Ober- ‡ Identifizieren der Oberziele


ziele

Top- ‡ Recherche von globalen Publikationen nach Zielbegriffen


Down

‡ Herausfiltern von Zielbegriffen aus praxisnahen


Bottom- Anwendungsbeispielen
Up

‡ Clustern der Zielbegriffe nach übergeordnetem Objekt oder


Clustern Verrichtung

‡ Gegenüberstellung der Ziele


BMC Passfähigkeit der Ziele in das BMC-Modell

Aggre- ‡ Clustern der Ziele zu 49 Feldern


gation

Abbildung 3: Ableiten der Ziele

Oberziele sind die strategischen Ziele des Unternehmens. Diese sind für alle Unterneh-
mensaktivitäten identisch, somit auch für neue Geschäftsmodelle. Im BMC-Modell
zeichnen sie sich wie folgt ab: Das Ertragsmodell umfasst die Felder Kostenstruktur und
Einnahmequellen und damit das strategische Ziel der Wirtschaftlichkeit. Das zweite
Oberziel ist die Markterschließung, die durch die BMC-Felder Kundensegmente, Kun-
denbeziehungen und Kanäle dargestellt wird. Als drittes Oberziel wird abweichend vom
gängigen Begriff der Produktivität der Kompetenzgewinn benutzt, der durch die verblei-
benden BMC-Felder der Schlüsselressourcen, -aktivitäten und -partner dargestellt wird
(Osterwalder/Pigneur 2013). Ein Kompetenzgewinn gerade im Bereich der neuen digita-
len Dienstleistungskonzepte zielt nämlich direkt auf die Steigerung der unternehmeri-
schen Produktivität und damit auf die Leistungsfähigkeit ab (Amler 2016).
Bewertung von digitalen Dienstleistungskonzepten im verarbeitenden Gewerbe 125

O B E R Z I E L E I M B U S I N E S S M O D E L C A N VA S
Schlüsselpartner Schlüsselaktivitäten Nutzenversprechen Kundenbeziehungen Kundensegmente

Kompetenzgewinn Markterschließung

Schlüsselressourcen Kanäle

Kostenstruktur Einnahmequellen

Wirtschaftlichkeit

Abbildung 4: Oberziele im Business Model Canvas


(Quelle: in Anlehnung an Osterwalder/Pigneur 2011, S. 55, 64)

Im nächsten Schritt erfolgt eine umfassende Literaturanalyse. Eine Suche nach Be-
schreibungen von Unternehmenszielen innerhalb der Themenfelder ÄIndustrie 4.0³,
ÄCPS³ und ÄGeschäftsmodell³ (Suchanfrage: Industrie 4.0 UND Geschäftsmodell bzw.
CPS UND Geschäftsmodell) ergab 946 verschiedene Beschreibungen von Zielen in Pub-
likationen zwischen 1997 und 2016 (Eberle 2016). Durch anschließendes Clustern der
gefundenen Beschreibungen konnten 49 Ziele herausgearbeitet und diese dem BMC zu-
geordnet werden. Hierbei zeigte sich, dass keines der BMC-Felder leer blieb, was wiede-
rum die ganzheitliche Sicht des Modells bestätigt. Für die folgende Darstellung wurden
die Zielcluster farblich unterschieden: Die mengenmäßig stark besetzten Zielcluster wei-
sen einen dunklen Hintergrund und weiße Schrift, die mittelstark besetzten einen weißen
Hintergrund und schwarze Schrift und die schwächer besetzten einen grauen Hinter-
grund mit schwarzer Schrift auf. Diese Unterscheidung stellt keine inhaltliche Wertung
dar, sondern ist ein Ergebnis der mengenmäßigen Clusterung der 946 gefundenen Be-
schreibungen zu dem Zielcluster. 'HU*UR‰WHLOGHU=LHOHNDQQGHP)HOGÄ1XW]HQYHUVSUH
FKHQ³XQGGDPLWdem Oberziel der Markterschließung zugeordnet werden, was auch dem
Ergebnis der Studie von Kiel und Voigt entspricht, wonach das Feld des Nutzenverspre-
chens in der Praxis am meisten Relevanz erfährt (Kiel/Voigt 2015). Auffällig ist jedoch,
dass die am dichtesten besetzten Zielcluster (weiße Schrift) nicht unter das Oberziel
Kompetenzgewinn fallen. Gerade vor dem Hintergrund der aktuell vielfach diskutierten
126 Esther Bollhöfer, Cornelius Moll und Christian Lerch

Potenziale von Industrie 4.0 im Hinblick auf eine Nutzung der Betriebsdaten und eine
Verknüpfung der Prozesse bis hin zu selbstlernenden Systemen scheinen die Chancen
des Kompetenzgewinns und damit der Steigerung der Produktivität noch nicht ausrei-
chend untersucht worden zu sein. Hier besteht noch Potenzial für weitere Untersuchun-
gen.

OBERZIELE IM B U S I N E S S M O D E L C A N VA S

Schlüsselpartner Schlüsselaktivitäten Nutzenversprechen Kundenbeziehungen Kundensegmente

Kompetenzgewinn Markterschließung

Rahmenfaktore Innovativität Innovativität


n
Schlüsselressourcen Kanäle

Wandlungsfähigkeit
Service

Kostenstruktur Einnahmequellen

Wirtschaftlichkeit

Abbildung 5: Ziele im BMC


(Quelle: in Anlehnung an Osterwalder/Pigneur 2011, S. 55, 64)

Durch die Zuordnung von Zielclustern im Umfeld von digitalen Dienstleistungskonzep-


ten in das BMC konnte gezeigt werden, dass a) alle aktuell diskutierten Ziele sich dem
BMC zuordnen lassen und somit auch dort berücksichtigt werden und damit b) die
BMC-Methode damit einen geeigneten Ausgangspunkt für die Bewertung von digitalen
Dienstleistungskonzepten bietet.

5. Methodischer Ansatz zur Bewertung von digitalen


Dienstleistungskonzepten
Über die Feststellung hinaus, dass die Ziele eines neuen digitalen Dienstleistungskon-
zepts alle Felder des BMC adressieren und ausfüllen sollen, stellt sich jedoch die Frage,
inwiefern das Modell ebenso dazu dienen kann, verschiedene digitale Dienstleistungs-
Bewertung von digitalen Dienstleistungskonzepten im verarbeitenden Gewerbe 127

konzepte PLWHLQDQGHU]XYHUJOHLFKHQ,QGHU3UD[LVOLHJHQRIWPDOVQXUVHKUZHQLJHÄEH
ODVWEDUH'DWHQ³Gazu vor: Umsatzerwartungen und/oder Zeiteinsparungen oder eine bes-
sere Planbarkeit der Reparaturarbeiten zu prognostizieren, gleicht einem Blick in die
Glaskugel. Hingegen sind Investitionen in die Technologie und/oder in Personal leichter
zu beziffern. Ein geeigneter Ansatz zur Bewertung von Werten unterschiedlicher Natur
ist die multikriterielle Bewertung. Die Messbarkeit ist z. B. über Skalen möglich. Im
simplen Fall genügt dabei die die Nominal-Skala, die eine Unterscheidung und Häufig-
keit der Ziele ermöglicht (Geschäftsmodell A oder B). Sollen die Ziele zusätzlich geord-
net werden, bieten sich Ordinal-Skalen an (A ist besser als B). Intervall-Skalen können
ergänzend auch Abstände zwischen den geordneten Zielen beschreiben (A ist zweifach
so gut wie B) (Zimmermann/Gutsche 1991).
Die identifizierten Ziele sind sowohl qualitativer als auch quantitativer Natur und müs-
sen somit mit verschiedenen Skalen gemessen werden. Beispielsweise können Kosten,
Zeiten und Veränderungen mit Zahlen (kardinalskaliert) bemessen werden, während Ri-
siken, Fähigkeiten, Potenziale und Beurteilungen mit Worten beschrieben werden kön-
nen. Eine Kombination solch verschiedener Ziele erlauben Outranking-Verfahren wie
PROMETHEE (Brans/Mareschal 2005) oder ELECTRE (Roy/Bouyssou 1980). Das
PROMETHEE-Verfahren ermittelt in seiner Anwendung aus den Kriterienausprä-
gungen, dem gewichteten Mittel der zugehörigen Präferenzfunktionen und dem Gewicht,
das die Wichtigkeit des Zielkriteriums gegenüber den anderen Zielkriterien ausdrückt,
eine Outranking-Relation. Damit wird eine Aussage über die betrachtete Alternative ge-
troffen, die zeigt, inwieweit diese von anderen Alternativen dominiert wird.
Eine Anwendungsmöglichkeit in der Praxis sieht so aus, dass aus den Zielen Fragen
entwickelt werden, deren Beantwortung mit Hilfe der verschiedenen Skalen möglich und
erforderlich ist. Zusätzlich wählt der Entscheider einen individuellen Schwerpunkt seiner
Optimierung aus den Oberzielen Wirtschaftlichkeit, Kompetenzgewinn und Markter-
schließung. Anhand dieser Schwerpunktsetzung ist eine Vorgewichtung der zugehörigen
Ziele systemgestützt möglich. Diese Vorgewichtung kann jedoch durch die individuelle
Beurteilung des Entscheiders im Rahmen jeder einzelnen Frage noch beeinflusst werden.
Die Ausgabe des Ergebnisses erfolgt als ein Präferenzwert, der in der Folge weiter zu
interpretieren ist. Je näher der Wert an Null und je weiter er von Eins entfernt ist, desto
schwerer ist es, eine eindeutige Handlungsempfehlung auszusprechen. Daher bietet sich
eine inhaltliche Verfeinerung der Ergebnisdarstellung ebenso an wie eine grafische Aus-
gabe zur Visualisierung der Ergebnisse, wie in Abbildung 6 dargestellt. Im ersten Fall
(links) ergibt sich keine Präferenz. Die digitalen Dienstleistungskonzepte sind gleichwer-
tig hinsichtlich der gewählten Fokussierung. Im zweiten Fall (Mitte) ergibt sich eine
schwache Präferenz des Ähellgrauen³Modells im Bereich der eigenen Einnahmequellen
und im GULWWHQ)DOOHLQHGHXWOLFKH3UlIHUHQ]GHVÄschwarzen³Modells in allen Bereichen,
besonders deutlich jedoch im Bereich der eigenen Schlüsselpartner. Es bietet sich an,
diese Art der Interpretation auf der Ebene der drei Oberziele weiter zu vertiefen, um die
spezifischen Stärken und Schwächen der Geschäftsmodelle besser identifizieren und an-
128 Esther Bollhöfer, Cornelius Moll und Christian Lerch

schließend die Modelle verfeinern und weiterentwickeln zu können. Eine noch tieferge-
hende Betrachtung auf der Detailebene aller 47 Zielkriterien erscheint hingegen nicht
sinnvoll.

Keine Präferenz Schwache Präferenz Starke Präferenz


Ergebnis: Ergebnis: Ergebnis:
Auf der Basis Ihrer Eingaben mit der Geschäftsmodellbeispiel A ist zu präferieren. Geschäftsmodellalternative B ist zu
Hauptzielrichtung Kompetenzgewinn ist Auf Basis Ihrer Eingaben mit der präferieren. Auf Basis Ihrer Eingaben mit der
keine der Geschäftsmodellalternativen zu Hauptzielrichtung Markterschließung Hauptzielrichtung Kompetenzgewinn
präferieren. Keines der Geschäftsmodelle dominiert dieses Geschäftsmodell dominiert dieses Geschäftsmodell
dominiert. vollständig. vollständig.
Präferenzwert: Präferenzwert: 0,0026 von 1 Präferenzwert: 0,919 von 1
(0=indifferent; 1=starke Präferenz) (0=indifferent; 1=starke Präferenz) (0=indifferent; 1=starke Präferenz)

Eigene
Eigene Eigene Einnahmequellen
Einnahmequellen Einnahmequellen Eigene
Eigene Eigene Eigene Kostenstruktur
Eigene Kostenstruktur Eigene Kostenstruktur Schlüsselressourcen
Schlüsselressourcen Schlüsselressourcen

Eigene Eigene Kanäle und Eigene Eigene Kanäle und Eigene Eigene Kanäle und
Schlüsselpartner Kundenbeziehungen Schlüsselpartner Kundenbeziehungen Schlüsselpartner Kundenbeziehungen

Eigene Eigene Eigene Eigene


Eigene Eigene
Schlüsselaktivitäten Kundensegmente Schlüsselaktivitäten Kundensegmente
Schlüsselaktivitäten Kundensegmente
Nutzenversprechen an Nutzenversprechen an
eigene Kunden Nutzenversprechen an
eigene Kunden eigene Kunden

Geschäftsmodellbeispiel
---- A Geschäftsmodellbeispiel
Geschäftsmodell B B Geschäftsmodellbeispiel A
Geschäftsmodell A Geschäftsmodellbeispiel
Geschäftsmodell B B Geschäftsmodell A
Geschäftsmodellalternative A Geschäftsmodellalternative B
Geschäftsmodellbeispiel
A

Abbildung 6: Visualisierung der Präferenz

Als Beispiel für die Aussagekraft mag ein Ergebnis dienen, das von einem digitalen
Dienstleistungskonzept in den Bereichen Wirtschaftlichkeit und Markterschließung
dominiert wird. Das Konzept ist sehr fokussiert auf den Kunden, was jedoch mit einer
hohen Beanspruchung der eigenen Ressourcen und finanziellen Mittel einhergeht und
wenig Synergiepotenziale durch externe Partner bietet. Jedoch sind die Chancen auf ho-
he Einnahmen und Ausweitung der Kundenstruktur mit hervorragend bewertet worden,
sodass dieses digitale Dienstleistungskonzept für die angestrebte Marktet-Pull-Strategie
geeignet ist.

6. Fazit und Ausblick


Es hat sich gezeigt, dass im Umfeld von digitalen Dienstleistungskonzepten noch viel
Potenzial nach oben besteht. Gerade im verarbeitenden Gewerbe wird aktuell überwie-
gend Standard-IKT eingesetzt, wie mobile Endgeräte oder das Internet. Fortschrittlichere
Technologien wie Sensoren und Steuerungselemente an Maschinen sowie Virtual- oder
Augmented Reality-Technologien werden nur in sehr geringem Umfang eingesetzt.
Ebenso plant nur ein kleiner Anteil der Betriebe künftig IKT vermehrt zur Erbringung
von Dienstleistungen einzusetzen. Digitale Dienstleistungskonzepte sind im verarbeiten-
den Gewerbe noch nicht sehr weit verbreitet, da vielen Betrieben Potenziale und Nutzen
durch innovative digitale Dienstleistungen offenbar nicht bewusst sind.
Bewertung von digitalen Dienstleistungskonzepten im verarbeitenden Gewerbe 129

Das in dem vorliegenden Beitrag aufgezeigte Vorgehen hat gezeigt, dass a) digitale
Dienstleistungskonzepte der nächste Schritt auf dem Transformationspfad sind, aber b)
diese bislang in der Praxis noch nicht ausreichend präsent sind. Darauf aufbauend konnte
c) dargelegt werden, wie eine Integration dieser Dienstleistungskonzepte in die Unter-
nehmensstrategie zu erreichen ist und schlussendlich d) eine Methode vorgestellt wer-
den, die es erlaubt, neue Dienstleistungskonzepte auch einer unternehmerischen Bewer-
tung zugänglich zu machen.
Diese zuletzt erwähnte Methode eignet sich grundsätzlich auch zur Anwendung bei
branchenübergreifenden Entscheidungsproblemen. Das modellierte Zielsystem muss al-
lerdings angepasst werden. Die abgeleiteten Ziele sind in der Literatur überwiegend im
branchenspezifischen Kontext des Maschinen- und Anlagenbaus oder der Produktions-
technik beschrieben. Für eine Anwendung im Kontext anderer Branchen ist daher das
Zielsystem zu überprüfen, die Methodik bleibt jedoch identisch.
Für die Transformation auf generische Probleme ist das System ebenfalls neu aufzustel-
len. Jedoch ist zu vermuten, dass bei identischer Vorgehensweise eine unübersichtliche
Anzahl an Zielgrößen entsteht, so dass die Anwendung der Methode mit einem sehr ho-
hen Zeitaufwand verbunden sein wird. Weiterhin ist davon auszugehen, dass aus einem
generischen Untersuchungsraum eine Vielzahl an Handlungsalternativen hervorgeht. Die
Anzahl der zu betrachtenden Alternativen geht dabei als Potenz in die Anzahl der zu be-
wertenden Zielgrößen ein und wird den Aufwand beliebig verkomplizieren.
Als Ergebnis lässt sich daher festhalten, dass eine sinnvolle Bewertung von digitalen
Dienstleistungskonzepten im Maschinen- und Anlagenbau über die identifizierten Ziele
und mit Hilfe der entwickelten Bewertungsmethode sinnvoll und möglich ist.

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Erfolgsfaktoren der Integration wissensintensiver


Dienstleistungen im Rahmen der
Servicetransformation

1. Einleitung

2. Grundlagen der Servicetransformation und Abgrenzung des betrachteten


Geschäftsmodells

3. Identifizierung und Beschreibung von Erfolgsfaktoren für die


Implementierung wissensintensiver Dienstleistungen im Kontext des
Dienstleistungsorientierten Geschäftsmodells
3.1 Konzeption der empirischen Untersuchung
3.2 Ergebnisse der empirischen Untersuchung
3.3 Reflexion der Ergebnisse

4. Fazit

Literaturverzeichnis

___________________________
Amelie Krebs, M. Sc., ist Absolventin der Universität Hohenheim. Michael Hepp,
M. Sc., ist externer Doktorand am Lehrstuhl für Dienstleistungsmanagement der
Universität Hohenheim und Manager im Business Innovation bei der Firma Festo
Didactic SE. Prof. Dr. Karsten Hadwich ist Inhaber des Lehrstuhls für
Dienstleistungsmanagement an der Universität Hohenheim.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017


M. Bruhn und K. Hadwich (Hrsg.), Dienstleistungen 4.0,
DOI 10.1007/978-3-658-17552-8_6
1. Einleitung
Angetrieben durch eine sich ändernde Kundennachfrage, zunehmende Wettbewerbsin-
tensität und die Commoditisierung von Produkten bieten produzierende Unternehmen
ihren Kunden zunehmend auch Dienstleistungen an (Grönroos 1990, S. 6f.; Parasuraman
1998, S. 309; Antioco et al. 2008, S. 337; Kastalli/van Looy 2013, S. 169). Die Digitali-
sierung eröffnet den Herstellern neue Möglichkeiten in der Angebotsgestaltung und be-
schleunigt damit diese Entwicklung. Im Business-to-Business-Bereich kann auf diese
Weise nicht nur der Wert der Produkte erhöht und der Produktumsatz gesteigert werden
(Cova et al. 2000, S. 10; Raddats/Kowalkowski 2014, S. 30). Durch die Entwicklung in-
novativer Angebote werden unabhängig von den Produkten neue Umsatzpotenziale ge-
neriert. Auch die Forschung ist sich weitgehend einig, dass eine Verschiebung des Kern-
geschäfts in Richtung Services und damit der Wandel vom Produkthersteller zum
(produzierenden) Dienstleister für die meisten Unternehmen unausweichlich ist, wenn
sie langfristig am Markt bestehen wollen (z. B. Goffin 1998, S. 43; Homburg et al. 2002,
S. 86; Vargo/Lusch 2008, S. 254; Bruhn et al. 2015, S. 135).
Diese Entwicklung wird auch als Servicetransformation bezeichnet. Mit dem Wandel
gehen für Produkthersteller allerdings auch verschiedene Schwierigkeiten einher, was
sich unter anderem darin zeigt, dass nicht alle Unternehmen die erwartete Rendite aus
ihren Serviceinvestitionen realisieren können (Brax 2005, S. 152; Gebauer et al. 2005, S.
15). Der Übergang zu Dienstleistungen erfolgt zudem häufig nur langsam und unsyste-
matisch (Mathieu 2001, S. 456; Oliva/Kallenberg 2003, S. 161). Folgen sind eine länge-
re Time-to-Market-Spanne, hohe Servicekosten und unzureichende Erträge (Gebauer et
al. 2008, S. 221). Diese Probleme resultieren hauptsächlich aus den divergierenden An-
forderungen von Produkten und Dienstleistungen an das Unternehmen. Die Produkther-
steller stehen sowohl auf strategischer Ebene als auch bei der operativen Implementie-
rung eines dienstleistungsbasierten Geschäftsmodells einer schwierigen Aufgabe
gegenüber (Bruhn et. al 2015, S.134).
In der Forschung existieren bereits Versuche, die Herausforderungen näher zu beleuch-
ten (Brax 2005; Martinez et al. 2010; Ulaga/Loveland 2014) und Schlüsselfaktoren für
eine erfolgreiche Dienstleistungsentwicklung und -implementierung zu identifizieren (de
Brentani 1991; Matthyssens/Vandenbempt 1998; Neu/Brown 2005, 2008; Gebauer et al.
2006; Tuli et al. 2007; Ulaga/Reinartz 2011). Dabei findet jedoch kaum eine stärkere
Eingrenzung auf bestimmte Arten von Dienstleistungen oder Produkt-Service-
Kombinationen statt. Allerdings kann davon ausgegangen werden, dass die Implementie-
rung produktnaher Dienstleistungen, wie Wartungsdienste, andere Anforderungen mit
sich bringt als ein Angebot individueller wissensintensiver Dienstleistungen (Mathieu
2001).
136 Amelie Krebs, Michael Hepp und Karsten Hadwich

Im Folgenden werden daher Erfolgsfaktoren für die Integration wissensintensiver Unter-


nehmensdienstleistungen im Rahmen des so genannten Dienstleistungsorientierten Ge-
schäftsmodells der Servicetransformation identifiziert und charakterisiert. Das Dienst-
leistungsorientierte Geschäftsmodell ist das Resultat einer Konzeptualisierung des
Transformationsprozesses nach Bruhn et al. (2015) und stellt eine von vier möglichen
strategischen Stoßrichtungen für produzierende Unternehmen dar. Es ist unter anderem
durch eine vom Produkt getrennte Vermarktung der Dienstleistung und einer hohen In-
dividualität gekennzeichnet. Der Anbieter unterstützt den Kunden beim Managen oder
Betreiben seiner Geschäftsprozesse. Eingrenzend liegt der Fokus zudem auf wissensin-
tensiven Dienstleistungen des Geschäftsmodells, d. h. neben Wissen als Hauptinputfak-
tor erfordert das betrachtete Geschäftsmodell ein besonders hohes Maß an Interaktion
mit dem Kunden. Beispiel für das Geschäftsmodell ist die Entwicklung kundenspezifi-
scher Softwarelösungen.
Vor diesem Hintergrund soll der Beitrag aufzeigen, welche Faktoren bei der Integration
wissensintensiver Dienstleistungen im Rahmen des Dienstleistungsorientierten Ge-
schäftsmodells erfolgskritisch sind und welche Aspekte Unternehmen folglich bei der
Implementierung des Geschäftsmodells besonders im Blick haben müssen, um den Un-
ternehmenserfolg nachhaltig zu sichern.
In Abschnitt 2 wird das betrachtete Geschäftsmodell als eine mögliche strategische Stoß-
richtung der Transformation mit seinen Charakteristika und Zielen näher beschrieben. In
Abschnitt 3 werden die Konzeption und die Ergebnisse der qualitativen Studie vorge-
stellt. Diese basiert auf leitfadengestützten Interviews mit Experten aus der Beratung und
Industrie. Auf Grundlage einer Charakterisierung der identifizierten Erfolgsfaktoren
werden Implikationen für Produkthersteller abgeleitet, die ihre Geschäftsstrategie in die
entsprechende Richtung entwickeln möchten. Die 30 Faktoren vermitteln ein besseres
Verständnis der notwendigen Änderungen im Führungsverhalten, der Unternehmenskul-
tur, der organisationalen Strukturen und Prozesse sowie Maßnahmen und Voraussetzun-
gen für die Entwicklung und Bereitstellung eines leistungsfähigen Angebots. Nach einer
abschließenden Reflexion der Ergebnisse folgt in Abschnitt 4 ein Fazit mit Implikatio-
nen für Forschung und Praxis.

2. Grundlagen der Servicetransformation und


Abgrenzung des betrachteten Geschäftsmodells
Ende der 1980er Jahre tauchte der Begriff der Servitization, zu Deutsch Service- bzw.
Dienstleistungstransformation, zum ersten Mal in der Literatur auf. Vandermerwe und
Rada (1989, S. 314f.) bezeichneten damit das Phänomen, dass Produkthersteller ihr Un-
ternehmen zunehmend dienstleistungsorientierter ausrichten, um ihre Wettbewerbsfä-
higkeit zu stärken. Indem Unternehmen ihren Kernleistungen immer mehr Wert durch
Dienstleistungen hinzufügen, erfahren sie eine Verlagerung ihres Kerngeschäfts. Als Re-
Integration wissensintensiver Dienstleistungen 137

sultat tragen Services einen Großteil zum Wachstum, Umsatz und Gewinn des Unter-
nehmens bei (Gebauer/Saul 2014, S. 230). Aufgrund der großen Diversität von Dienst-
leistungen in produktherstellenden Unternehmen ist es allerdings schwierig, Generali-
sierungen bezüglich des erfolgreichen Managements dieser Leistungen zu treffen. Den
Unterschieden soll in diesem Beitrag Rechnung getragen werden, indem eine Eingren-
zung auf das so genannte Dienstleistungsorientierte Geschäftsmodell der Servicetrans-
formation nach Bruhn et al. (2015) vorgenommen wird. Nachfolgend wird der Ge-
schäftsmodellansatz von Bruhn et al. (2015) beschrieben und mit Hilfe von Beispielen
im Rahmen der Digitalisierung werden die Geschäftsmodelle verdeutlicht. Fokus der
Ausführung stellt hierbei das Dienstleistungsorientierte Geschäftsmodell und dessen
wissensintensiven Dienstleistungen dar.
Der Geschäftsmodellansatz nach Bruhn et al. (2015) beschreibt vier strategischen Stoß-
richtungen, die Unternehmen im Zuge des Transformationsprozesses offen stehen. Die
Typologisierung der Geschäftsmodellansätze basiert auf vier Dimensionen: der Indivi-
dualität des Leistungsangebots, der Immaterialität der Leistung, der Interaktion der An-
bieter-Partnerschaft und dem Integrationsgrad des Leistungsangebots. Durch eine unter-
schiedlich starke Ausprägung der Charakteristika bilden sich vier Geschäftsmodelle
heraus: das Produktorientierte, das Systemlösungsorientierte, das Dienstleistungsorien-
tierte und das Wertschöpfungsorientierte Geschäftsmodell (vgl. Abbildung 1).

Immaterialität der Leistung


hoch
gering
Integrationsgrad des Leistungsangebots
Interaktion der Anbieter-Partnerschaft

hoch hoch
SYSTEM- W ERT-
LÖSUNGS- SCHÖPFUNGS-
ORIENTIERTES ORIENTIERTES
MODELL MODELL

DIENST-
PRODUKT-
LEISTUNGS-
ORIENTIERTES
ORIENTIERTES
MODELL
MODELL
gering gering

hoch
gering
Individualität des Leistungsangebots

Abbildung 1: Geschäftsmodellansätze der Servicetransformation


(Quelle: in Anlehnung an Bruhn et al. 2015, S. 139)

Darstellen lässt sich die Typologisierung in einer Vier-Felder-Matrix (vgl. Abbildung 1).
Horizontal abgetragen sind die Individualität des Leistungsangebots und die Immateriali-
138 Amelie Krebs, Michael Hepp und Karsten Hadwich

tät des Leistungsergebnisses. Bei hoher Individualität wird die Leistung stark an die
Kundenwünsche angepasst, bei einer geringen Ausprägung findet eine Standardisierung
der Leistung statt. Der Immaterialitätsgrad gibt Auskunft über die Ausrichtung des Leis-
tungsergebnisses. Ein Leistungsergebnis mit hoher Immaterialität unterstützt den Kun-
den beim Managen oder Betreiben seiner Geschäftsprozesse. Bei einer geringen Immate-
rialität handelt es sich hingegen beispielweise um produktnahe Dienstleistungen, wie
Wartungen, die in standardisierte Prozesse unterteilt werden. Zwischen der Individualität
und Immaterialität des Leistungsangebots wird daher auch von einem positiven Zusam-
menhang ausgegangen: Bei einem Eingriff in die Geschäftsprozesse des Kunden, ist eine
enge Beziehung zwischen Anbieter und Kunde notwendig und der Kunde muss stärker
in die Leistungserstellung integriert werden, um das Leistungsversprechen zu erfüllen.
Daraus resultiert wiederum auch eine stärkere Individualisierung der Leistung (Bruhn et
al. 2015, S. 140).
Das Dienstleistungsorientierte Geschäftsmodell kennzeichnet sich auf Basis dieser Krite-
rien durch eine hohe Immaterialität und entsprechend auch eine stark ausgeprägte Indi-
vidualität des Leistungsangebots. Die sich durch die Anpassung an die Kundenprozesse
ergebende Individualität wird durch die vorausgesetzte Wissensintensität der Leistung
verstärkt. Letztere erfordert ein besonders hohes Maß an Interaktion und Kommunikati-
on zwischen Anbieter und Kunde, um gemeinsam eine Lösung zu erarbeiten. Für eine
erfolgreiche Leistungserbringung spielt somit nicht nur das Wissen des Anbieters, son-
dern auch das des Kunden eine entscheidende Rolle (Miles et al. 1995, S. 25; Betten-
court et al. 2002, S. 100). Beispielsweise bietet ein Produkthersteller seinen Kunden
maßgeschneiderte Expertise an, um gemeinsam Arbeitsprozesse in der Produktion des
Kunden zu digitalisieren. Im Gegensatz dazu sind die Immaterialität der Leistung und
die Individualität des Leistungsangebots beim Produktorientierten Geschäftsmodell ge-
ring. Ermöglicht durch neue Informations- und Kommunikationstechnologien können im
Rahmen des Geschäftsmodells z. B. Wartungsverträge für Produktionsmaschinen ange-
boten werden, die auf dem Einbau von Sensoren in den Anlagen beruhen. Durch Ferndi-
agnosen können Ausfallzeiten verringert und der Einsatz von Servicemitarbeitern opti-
miert werden.
Auf vertikaler Ebene werden die Interaktion der Anbieter-Partnerschaft und der Integra-
tionsgrad des Leistungsangebots angezeigt. Bei hohem Interaktionsgrad bietet der Pro-
GXNWKHUVWHOOHULQ.RRSHUDWLRQPLWDQGHUHQ8QWHUQHKPHQHLQÄkomplettes Leistungsbün-
del aus einer Hand³(Bruhn et al. 2015, S. 140) an. Der Integrationsgrad beschreibt die
Wahrnehmung der Unternehmensleistung durch den Kunden und bezieht sich damit auf
die Ergebnisebene der Leistung. Ist dieser stark ausgeprägt, wird die Leistung vom Kun-
den als Lösung empfunden. Dies ist dann der Fall, wenn auch die Interaktion der Anbie-
ter-Partnerschaft hoch ist. Bei einem geringen Integrationsgrad wird das Angebot hinge-
gen als Zusatzleistung empfunden, in dem Sinne, dass weitere Eigenleistungen des
Kunden nötig sind, um die Leistung in eine vollumfängliche Lösung zu transformieren.
Beide Kriterien sind sowohl beim Systemlösungsorientierten als auch beim Wertschöp-
fungsorientierten Geschäftsmodell stark ausgeprägt. Ein Beispiel für das Systemlö-
Integration wissensintensiver Dienstleistungen 139

sungsorientierte Geschäftsmodell sind die Car-Sharing-Angebote von Automobilherstel-


lern in Zusammenarbeit mit verschiedenen Partnern. Hierbei steht der Nutzen der Leis-
tung, d. h. die Mobilität, und nicht mehr das Produkt selbst im Vordergrund. Das Wert-
schöpfungsorientierte Geschäftsmodell ist der umfangreichste Entwicklungsschritt. Der
Anbieter agiert als Partner für einen Teil der kundenseitigen Wertschöpfung (Bruhn et
al. 2015, S. 144). Hierbei kann im Kontext der Digitalisierung das Betreiben der Server
und das Auswerten der Daten im Kontext von Big Data als Beispiel aufgeführt werden.
Das Erlösmodell des Dienstleistungsorientierten Geschäftsmodells sieht vor, dass über
die Dienstleistung selbst Umsatz generiert wird. Ergänzend erfolgt auch die Vermark-
tung der Dienstleistung unabhängig von der originären Leistung (Bruhn et al. 2015, S.
142). Beispielsweise ist es möglich, dass die Dienstleistung neben den eigenen Produk-
ten auch die Prozesse von Wettbewerbsprodukten unterstützt (Brax 2005, S. 145; Bruhn
et al. 2015, S. 142). Der direkte Empfänger der Leistung ist damit nicht das originäre
Produkt sondern der Kunde (Mathieu 2001a, S. 41). Ziel wissensintensiver Dienstleis-
tungen des Dienstleistungsorientierten Geschäftsmodells ist es, dem Kunden Wissen zu
vermitteln und neues Wissen mit ihm zu schaffen und damit eine effektive, effiziente
und individuelle Problemlösung zur Befriedigung der Kundenbedürfnisse zu generieren
(Bettencourt et al. 2002, S. 100f.). Der Kunde profitiert durch Inanspruchnahme der
Leistung in erster Linie von Prozessoptimierungen und der Ausschöpfung von Kosten-
senkungspotenzialen (Bruhn et al. 2015, S. 142). Unternehmen streben mit dem Modell
eine höhere Kundenzufriedenheit und Kundenloyalität sowie die Differenzierung vom
Wettbewerb an. Letztlich soll durch die Transformation die Gesamtprofitabilität des Un-
ternehmens erhöht und somit der Unternehmenserfolg nachhaltig gesichert werden. Um
dies realisieren zu können, ist in erster Linie eine effektive organisatorisch-personelle
Implementierung des Geschäftsmodells notwendig, gleichzeitig muss das Management
auf der konzeptionellen Strategieebene entsprechende Rahmenbedingungen für die
Transformation festlegen (Bruhn et al. 2015, S. 135). Durch eine empirische Untersu-
chung wird im Detail eruiert, welche Faktoren bei der Implementierung des Modells er-
folgsentscheidend sind und der besonderen Aufmerksamkeit des Managements bedürfen.
140 Amelie Krebs, Michael Hepp und Karsten Hadwich

3. Identifizierung und Beschreibung von Erfolgsfaktoren


für die Implementierung wissensintensiver
Dienstleistungen im Kontext des
Dienstleistungsorientierten Geschäftsmodells

3.1 Konzeption der empirischen Untersuchung


Da in der bestehenden Forschungsliteratur bislang noch keine Erhebung von Erfolgsfak-
toren für das betrachtete Geschäftsmodell existiert, wurde eine qualitative Studie durch-
geführt, die einen ersten Überblick über die, aus Sicht der Praxis relevanten, Aspekte bei
der Transformation gibt. Diese setzt sich aus zehn leitfadengestützten Interviews mit of-
fenen Fragen zusammen. Es wurden neun Manager befragt, die in produktherstellenden
Unternehmen oder deren Servicegesellschaften tätig sind oder waren. Gemein ist allen
Unternehmen, dass sie das betrachtete Geschäftsmodell erfolgreich implementiert haben.
Variationen liegen in den betrachteten Branchen und Unternehmensgrößen mit dem Ziel
die Generalisierbarkeit der Ergebnisse zu erhöhen (Eisenhardt 1989, S. 537). Einbezogen
wurden Unternehmen aus der Telekommunikations-, der Internet- und Informationstech-
nologie- und der Logistikbranche sowie dem Maschinen- und Anlagenbau und der Be-
triebstechnik. Ergänzt wird diese Auswahl durch einen Experten aus der Managementbe-
ratung, der Unternehmen im Bereich der Servicetransformation unterstützt. Aufgrund
der geringen Stichprobengröße können die Ergebnisse zwar nicht generalisiert werden,
sie können jedoch als erste Hinweisgeber von Produktherstellern herangezogen werden,
die das Geschäftsmodell implementieren möchten.
Der Bezugsrahmen für die Identifizierung von Erfolgsfaktoren basiert auf dem EFQM-
Modell, ein Qualitätsmanagementsystem der European Foundation for Quality Manage-
ment. Auf Basis des Modells wurden sieben Kategorien gebildet, in die sich die Faktoren
einordnen lassen: Führung, Mitarbeitende, Ressourcen und Partnerschaften, Prozesse,
Produkte, Dienstleistung und Kunde sowie Organisation und Struktur. Die Vorgabe von
Kategorien dient insbesondere der Strukturierung und stellt darüber hinaus eine Gedan-
kenstütze für die Experten im Rahmen der Interviews dar. Die Gestaltung der sieben Be-
reiche entscheidet darüber, ob die Ziele der Implementierung des betrachteten Ge-
schäftsmodells erreicht und damit der Unternehmenserfolg gesichert wird. Die
Interviews dauerten zwischen 60 und 140 Minuten. Fünf davon fanden persönlich statt,
fünf telefonisch. Acht der Interviews wurden aufgezeichnet und transkribiert, zwei Ge-
spräche protokolliert. Anschließend wurden die Transkripte und Mitschriften mit Hilfe
von MAXQDA ausgewertet. Aus der Analyse resultieren 30 Erfolgsfaktoren. Um die
interne Validität zu erhöhen, wurde die Interpretation der Ergebnisse durch bestehende
Forschungsliteratur ergänzt (Eisenhardt 1989).
Integration wissensintensiver Dienstleistungen 141

3.2 Ergebnisse der empirischen Untersuchung

Im Folgenden werden die Erfolgsfaktoren im Bereich Führung dargestellt:


(1) Führungsvorgabe und -vorleben: Der erste Erfolgsfaktor ist eine klare Führungs-
vorgabe und das Vorleben einer dienstleistungsorientierten Geschäftsausrichtung.
Zum einen wird auf diese Weise eine ausreichende Verfügbarkeit finanzieller Res-
sourcen sichergestellt, zum anderen wird ein Signal über die Ernsthaftigkeit und
Notwendigkeit der Veränderung an die gesamte Belegschaft gesendet. Dies ist inso-
fern wichtig, da durch eine Neuausrichtung des Geschäftes zwangsläufig eine Real-
lokation von Machtverhältnissen stattfindet. Möchten Personen den Wert ihrer exis-
tierenden Kompetenzen schützen, stehen sie wichtigen Veränderungen entgegen.
Durch die Vorgabe des obersten Managements wird Druck auf die Mitarbeitenden
ausgeübt, sich strategiekonform zu verhalten (Antioco et al. 2008, S. 350). Gleich-
zeitig werden Unsicherheiten unter einer klaren Führung abgebaut und die Motivati-
on der Mitarbeitenden gesteigert. Letzteres ist unter anderem aufgrund der oftmals
in der Praxis zu findenden Organisation des Dienstleistungsgeschäfts als Projektge-
schäft von Bedeutung. Werden Mitarbeitende aus der Linie genommen und dem
Projekt ohne disziplinarische Führung unterstellt, ist ihre Leistung zu einem großen
Teil abhängig von ihrer intrinsischen Motivation.
(2) Wille und Vertrauen der Führung: Erfolgskritisch ist in diesem Zusammenhang
auch, dass die Entwicklung des neuen Geschäftsmodells nur dann in Angriff ge-
nommen wird, wenn das Management auch von dessen Erfolg überzeugt ist. Da das
Commitment und die Vision des Top-Managements die Mitarbeitenden motiviert,
ist es wichtig, dass das Top-Management den absoluten Willen zur Umsetzung hat
(Antioco et al. 2008, S. 350). Dieser Aspekt ist auch mit einem gewissen Grad an
Geduld verbunden, da sich Erfolge unter Umständen erst nach längerer Zeit zeigen.
Mangelt es dem Management an Vertrauen in die Veränderung und ist es nicht be-
reit entsprechende Investitionen zu tätigen, besteht die Gefahr, dass die Transforma-
tion frühzeitig scheitert (Gebauer/Fleisch 2007, S. 346).
(3) Änderung des Führungsstils: Eng mit dem Vorleben der Führung hängt auch die
Notwendigkeit einer Änderung des Führungsstils im Tagesgeschäft zusammen. Die
Experten empfehlen in Unternehmensbereichen, die in Zusammenhang mit der
Dienstleistung stehen, mehr Freiräume und eine stärkere Befähigung der Mitarbei-
tenden. Zum einen benötigen Mitarbeitende bei der Erbringung individueller Dienst-
leistungen eine höhere Flexibilität und einen breiteren Handlungsspielraum gegen-
über dem Kunden, um schnell und effektiv reagieren zu können (Lytle et al. 1998, S.
461), zum anderen wird auf diese Weise die Motivation und proaktives Verhalten
der Mitarbeitenden gestärkt (Martin et al. 2013, S. 1383f.). Ergänzend ist eine Kul-
tur zu etablieren, die tolerant gegenüber Fehlern ist, um die Bereitschaft unter den
Mitarbeitenden zu fördern, Verantwortung zu übernehmen.
142 Amelie Krebs, Michael Hepp und Karsten Hadwich

(4) Innovative Atmosphäre und systematische Förderung von Innovationen: Essenziell


ist außerdem die Förderung von Innovationen durch das Initiieren eines strukturier-
ten Innovationszyklus. Dazu müssen, im Sinne eines kontinuierlichen Verbesse-
rungsprozesses, Mitarbeitende auf allen Unternehmensebenen und in allen Funktio-
nen einbezogen und befragt werden, wie Mehrwert durch die Dienstleistung
geschaffen werden kann. Darüber hinaus ist ein interdisziplinärer Austausch zwi-
schen den verschiedenen Bereichen des Unternehmens wichtig. In einer anschlie-
ßenden Plausibilisierung können Auswertungen vorgenommen und erfolgsverspre-
chende Ideen vorangetrieben werden. Die systematische Planung und Einführung
neuer Dienstleistungen ermöglicht dem Unternehmen einen nachhaltigen Wettbe-
werbsvorteil durch eine kürzere Time-to-Market-Spanne, geringere Servicekosten
und eine höhere Rendite (Gebauer et al. 2008, S. 221). Im Zuge des Innovationsma-
nagements ist es außerdem wichtig, den Mitarbeitenden Freiräume und Autonomie
einzuräumen.
(5) Klare Verantwortlichkeiten: Ein weiterer erfolgskritischer Aspekt ist die Festlegung
klarer Verantwortlichkeiten. Dies gilt zum einen für eine Führungsperson, die sich
vollumfänglich um das Management des Dienstleistungsbereichs kümmert und zum
anderen auch für eine klare Aufgabenverteilung und Definition von Schnittstellen.
Dies sichert der Dienstleistungsintegration die notwendige Aufmerksamkeit und Un-
terstützung. Gleichzeitig führt dies zu einem effektiven und effizienten Transforma-
tionsprozess.
(6) Aktive Kommunikation des Vorhabens: Der aktiven Kommunikation der zukünftigen
Entwicklung des Unternehmens kommt eine herausragende Bedeutung bei der Un-
terstützung des Transformationsprozesses zu. Nur wenn der Mehrwert, der in einem
Wandel steckt, aufgezeigt werden kann, ist es möglich, den Mitarbeitenden das
Vorhaben glaubhaft zu kommunizieren. Wichtig ist auch eine zielgruppenadäquate
Ansprache, abhängig von der Hierarchiestufe und der Funktion im Unternehmen.
Vertrauen in die Veränderung soll bei den Mitarbeitenden aufgebaut und Unsicher-
heiten, die zu einer sinkenden Produktivität führen, abgebaut werden. Nehmen Mit-
arbeitende die Veränderung als persönliche Chance wahr, steigert dies ihre Motiva-
tion und sie bringen sich aktiv in den Transformationsprozess ein, was sich
wiederum positiv auf dessen Erfolg auswirkt. Gleichzeitig hilft eine aktive Kommu-
nikation auch dabei, den Servicegedanken in der gesamten Organisation zu verin-
nerlichen.
(7) Leuchtturmprojekte: Ein weiterer Erfolgsfaktor ist der Einsatz von Leuchtturmpro-
jekten als Mittel zum Aufzeigen von Erfolgen und Schaffen von Vertrauen inner-
halb der Organisation. Leuchtturmprojekte wirken nicht nur als Indikator für das Po-
tenzial der Veränderung, sondern der Kunde kann darüber hinaus als Sprachrohr für
die Transformation eingesetzt werden.
(8) Erfahrene Führungskraft von extern: Ergänzend erhöht das Einstellen einer externen
Führungskraft, die bereits Erfahrung mit einem Change-Prozess hat, die Wahr-
scheinlichkeit, dass die Transformation ein Erfolg wird. Neben dem Erfahrungswis-
Integration wissensintensiver Dienstleistungen 143

sen über die Durchführung wird auch ein Signal über die Ernsthaftigkeit des Wan-
dels gesetzt. Außerdem profitiert das Unternehmen von einer neuen und unbe-
fangenen Sichtweise.

Zu den Erfolgsfaktoren im Bereich Mitarbeitende gehören:


(1) Die richtigen Mitarbeitenden: Da Menschen im Wissenstransfer eine wichtige Rolle
spielen, ist es von großer Bedeutung die richtigen Mitarbeitenden für wissensinten-
sive Dienstleistung zu finden. Bei der Erbringung kundenindividueller Lösungen
bedarf es einer intensiven Beziehung zum Empfänger und eines guten Verständnis-
ses, wie die Leistung zu der Logistik des Kunden passt (Antioco et al. 2008, S. 339).
Daher sind sowohl Fachkompetenz und Erfahrung als auch ein hohes Maß an Sozi-
alkompetenz, Selbständigkeit und Engagement wichtig. Darüber hinaus ist eine aus-
geprägte Kunden- bzw. Serviceorientierung von großer Bedeutung, da der Umgang
mit dem Kunden neben seiner Zufriedenheit auch die wahrgenommene Dienstleis-
tungsqualität beeinflusst (Day/Barksdale 1992, S. 87f.; Lytle et al. 1998, S. 461).
Die Experten müssen zudem schnell Potenzial erkennen können, ob eine Implemen-
tierung der Kundenanforderungen als Dienstleistung möglich ist.
(2) Effektive Mitarbeiterauswahl und -rekrutierung: Basierend auf den genannten Krite-
rien für die richtigen Mitarbeitenden ist auch eine entsprechende Mitarbeiterauswahl
und -rekrutierung notwendig. Der Personalbereich muss in der Lage sein gemeinsam
mit der Fachabteilung zu prüfen, ob ein Kandidat den Anforderungen entspricht.
Neben der Rekrutierung externer Experten beinhaltet dies auch eine detaillierte Ana-
lyse der bisherigen Mitarbeitenden. Diese sollte auch eine Abfrage des Willens des
Mitarbeitenden einschließen. Um Mitarbeitende aus dem originären Geschäft für die
Dienstleistung gewinnen zu können ist es darüber hinaus wichtig, den potenziellen
Mitarbeitenden eine Perspektive aufzuzeigen. Hauptgrund für eine geringe Bereit-
schaft für einen Wechsel ist die Schwierigkeit dessen Auswirkungen einzuschätzen.
Daher müssen klare Rollenprofile für die Mitarbeitenden definiert werden, die die
Rollenerwartung und die gewünschte Entwicklungsrichtung mit individuellen Karri-
erepfaden festlegen.
(3) Ausbildung und Weiterbildung von Mitarbeitenden: Ein weiterer erfolgskritischer
Aspekt ist die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeitenden zur Entwicklung der
notwendigen Kompetenzen. Neben einer informellen Unterstützung und Förderung
durch den Vorgesetzten, ist die Festlegung von Schulungen im Rahmen eines Aus-
bildungsplans wichtig. Trainings in den Bereichen Problemlösung, Kommunikation
und Teamarbeit erhöhen die Effektivität und Effizienz in der Leistungserbringung
(Neu/Brown 2005, S. 10; Antioco et al. 2008, S. 344). Schlecht ausgebildete Ser-
vicemitarbeiter können hingegen das Vertrauen in die Expertise des Anbieters schä-
digen (Brax 2005, S. 151). Wichtig ist dabei auch, dass die Weiterentwicklung
durch entsprechende Gehaltszahlungen, eine Aufwertung der Arbeit und neue Ar-
beitsplätze honoriert wird. Positive Folgen sind motivierte Mitarbeitende, die Si-
144 Amelie Krebs, Michael Hepp und Karsten Hadwich

cherstellung einer hohen Qualität und die Werterhaltung bzw. Wertsteigerung der
Ressource Mitarbeitende.
(4) Etablierung einer Servicekultur: Eine starke Serviceorientierung ist nicht nur im di-
rekten Umgang mit dem Kunden von Bedeutung. Um eine schlechte Kundenreso-
nanz zu vermeiden, müssen Mitarbeitende aller Unternehmensbereiche, die mit der
Dienstleistung in Verbindung stehen, kundenorientiert handeln. Die Experten spre-
chen sich für die Notwendigkeit einer tiefgreifenden kulturellen Veränderung im
Sinne einer organisationalen Serviceorientierung aus. Serviceorientiertes Verhalten
soll durch die Organisation unterstützt und belohnt werden. Ziele sind ein höherer
Kundennutzen, Kundenzufriedenheit, die Erzielung eines Wettbewerbsvorteils und
die Steigerung der Profitabilität (Lytle et al. 1998, S. 459).
(5) Einrichtung von Incentive-Systemen: Der letzte Erfolgsfaktor in der Dimension Mit-
arbeitende ist die Implementierung neuer Incentive-Systeme. Transaktionsbezogene
Anreizstrukturen stehen einer relationalen Dienstleistungsorientierung entgegen
(Brax 2005, S. 151). Es müssen neue Belohnungssysteme mit Fokus auf die wahr-
genommene Leistungsqualität durch den Kunden geschaffen werden (Grönroos
1990, S. 9). Ein sinnvolles Anreizsystem stellt ein kundenorientiertes Verhalten si-
cher, motiviert die Mitarbeitenden und führt zu einem effektiveren und effizienteren
Ressourcenmanagement (Antioco et al. 2008, S. 342). Die Festlegung und Kontrolle
von Kennzahlen dient darüber hinaus auch der Identifizierung von Problemen.

Erfolgsfaktoren im Bereich strategisches Konzept sind:


(1) Existenz eines strategischen Konzepts: Nur wenn eine klare Planung vorliegt, kann
zügig Erfolg generiert werden. Es ist ein strategisches Konzept notwendig, das einen
Businessplan beinhaltet mit einer Go-to-Market-Strategie, einem Finanzplan und ei-
ner Wettbewerbs- und Partneranalyse. Durch das Konzept kann nicht nur der Mehr-
wert der Transformation aufgezeigt werden, sondern es übernimmt auch eine Kon-
trollfunktion durch die Vorgabe klarer Messkriterien. Erfolgskritisch ist dabei
außerdem, dass es sich um eine an den Machbarkeiten des Unternehmens orientierte
Planung handelt. Vor allem aufgrund geringer Erfahrungen im Servicegeschäft tun
sich Produkthersteller oftmals schwer, angemessene Ziele zu setzen. Sie unterschät-
zen den Umfang und die Schwierigkeit eine Dienstleistungsstrategie zu formulieren
und umzusetzen. Zu ambitionierte Ziele führen zu überhöhten Erwartungen des Ma-
nagements. Werden Zwischenziele nicht erreicht oder treten später ein als erwartet,
zweifeln Manager daran, dass ihre Bemühungen zu steigenden Serviceerlösen füh-
ren. Damit ist die Gefahr einer Reduktion der Investitionen in das Dienstleistungs-
geschäft groß (Gebauer et al. 2005, S. 22f.; Gebauer/Fleisch 2007, S. 344). Gebauer
und Fleisch (2007, S. 344) schlagen für eine realistische Einschätzung die Anwen-
dung von Methoden wie Benchmarking, die Program Evaluation and Review Tech-
nique und die Critical Path-Methode vor. Außerdem empfehlen die Experten, das
Konzept bereichsübergreifend mit dem Produkt zu entwickeln. Auf diese Weise
Integration wissensintensiver Dienstleistungen 145

wird sichergestellt, dass die Synergien zwischen Dienstleistung und Produkt genutzt
werden.
(2) Kommunikation des Konzepts: Nicht nur das grundsätzliche Vorhaben eines Wan-
dels, sondern auch die Planung der Umsetzung muss transparent gemacht werden.
Zusätzlich ist die Kommunikation nicht nur an Mitarbeitende, sondern auch an
Kunden und potenzielle Kooperationspartner von großer Bedeutung. Kunden müs-
sen frühzeitig über das Dienstleistungsangebot informiert werden. In Bezug auf
Partnerschaften müssen geeignete Modelle zur Zusammenarbeit herausgearbeitet
und kommuniziert werden, durch die beide Parteien gleichermaßen profitieren.

Zu den Erfolgsfaktoren im Bereich Ressourcen und Partnerschaften zählen:


(1) Ressourcenverfügbarkeit: Als weiterer Erfolgsfaktor wurde die Bereitstellung der
richtigen Ressource zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort genannt. Gebauer et
al. (2008, S. 234) argumentieren, dass die Entscheidung des Managements in die
Dienstleistung zu investieren stark vom wahrgenommenen Risiko abhängt. Es han-
delt sich in diesem Fall um sehr komplexe Leistungen mit einem erhöhten Bedarf an
Mitarbeitenden, der oftmals nur schwer zu decken ist. Daher ist die Unsicherheit
und das potenzielle Risiko groß und damit die Investitionsbereitschaft gering. Zu-
dem werden durch die Integration wissensintensiver Dienstleistungen zwangsläufig
Ressourcen von der Produktherstellung und Neuproduktentwicklung abgezogen. Da
es sich hierbei um die ursprünglichen Quellen eines Wettbewerbsvorteils handelt,
wird das Risiko zusätzlich erhöht (Oliva/Kallenberg 2003, S. 161). Ein Ressourcen-
polster, das eine flexiblere Ressourcenallokation ermöglicht, ohne dass es im origi-
nären Geschäft zu Engpässen kommt, erhöht die Wahrscheinlichkeit einer erfolgrei-
chen Transformation (Fang et al. 2008, S. 5). Ressourcen, die als besonders
erfolgskritisch bezeichnet wurden, sind Humanressourcen, finanzielle Ressourcen
sowie Entwicklungs- und IT-Kapazitäten. Speziell Humanressourcen nehmen eine
Schlüsselfunktion in der Entwicklung und Erbringung individueller, wissensintensi-
ver Dienstleistungen ein. IT-Kapazitäten werden für das systematische Sammeln
von Marktinformationen und Änderungen in den Kundenbedürfnissen benötigt (Ge-
bauer et al. 2008, S. 224). Außerdem sind sie bei vielen wissensintensiven Dienst-
leistungen, wie beispielweise dem Verkauf von IT-Lösungen, auch Grundlage des
Geschäftsmodells. Gleiches gilt für die Entwicklungskapazität. Finanzielle Ressour-
cen können vor allem dann einen Engpassfaktor darstellen, wenn für das Dienstleis-
tungsgeschäft eine eigene Organisationseinheit unter hohen Kosten aufgebaut wird.
(2) Partnerschaften & Partnermanagement: Obgleich die Bedeutung von Anbieter-
Beziehungen in der Leistungserstellung im Dienstleistungsorientierten Geschäfts-
modell als eher gering eingestuft wird, sind gezielte strategische Partnerschaften für
sieben der zehn Experten erfolgskritisch. Dies ist vor allem auf die Voraussetzung
der Wissensintensität der angebotenen Dienstleistung zurückzuführen. Als Haupt-
grund für das Eingehen von Partnerschaften wurde die Gewinnung von Know-how
genannt. Da gerade zu Beginn der Dienstleistungsintegration oftmals noch größere
146 Amelie Krebs, Michael Hepp und Karsten Hadwich

Lücken im Wissen und in den Kompetenzen vorliegen, sind Partnerschaften zu die-


sem Zeitpunkt besonders relevant. Die Leistungsentwicklung kann schneller voran-
gebracht werden, wenn das Wissen dazu nicht erst im Unternehmen aufgebaut wer-
den muss. Zusätzlich hat es den Nebeneffekt, dass der Fixkostenanteil gering bleibt
und sich der Anbieter variabel an die Marktgegebenheiten herantasten kann. Ob
Partnerschaften sinnvoll sind, ist abhängig von der Kompetenzausstattung und damit
auch davon, wie weit sich der Produkthersteller von seinem originären Kerngeschäft
wegbewegt. Außerdem haben der Transformationsfortschritt und die finanzielle
Stärke und Marktposition einen Einfluss auf die Entscheidung. Entscheidet sich der
Anbieter für das Eingehen von Partnerschaften, ist unabhängig von der Motivation
ein gutes Partnermanagement erfolgsentscheidend.

Erfolgsfaktoren im Bereich Prozesse sind:


(1) Standardisierte Abläufe und Prozesse: Für eine effiziente Leistungserstellung müs-
sen Abläufe und Verantwortlichkeiten klar strukturiert und festgelegt werden. Als
Grundlage für das Dienstleistungsgeschäft sind daher die Einführung standardisier-
ter Prozesse und eine klare Definition von Schnittstellen notwendig. Prozesse stei-
gern die Produktivität. Wissen über Vorgehensweisen und Anforderungen kann zu-
dem die Mitarbeiterzufriedenheit erhöhen. Des Weiteren machen Prozesse Abläufe
messbar und damit kontrollierbar. Durch die Einführung von Quality Gates, als vor-
definierte Punkte zur standardisierten Qualitätsmessung, wird die erwünschte Quali-
tät sichergestellt. Prozesse sind zudem Grundlage für die Ermittlung des Ressour-
cenbedarfs und der Ressourcenallokation.
(2) Einheitlicher Werkzeugkasten und Struktur in der Leistungserbringung bei gleich-
zeitig individuellem Eingehen auf Kundenbedürfnisse: Unmittelbar in Verbindung
mit der Einführung standardisierter Prozesse steht auch eine einheitliche Logik in
der Leistungserbringung. Voraussetzung dafür ist eine einheitliche Struktur hinter
der angebotenen Leistung, eine standardisierte Vorgehensweise und der Einsatz ei-
nes festgelegten Methodenbaukastens. Auf diese Weise wird auch in der individuel-
len Leistungserbringung eine gleichbleibende Qualität gesichert. Zugleich sprechen
sich die Experten allerdings auch dafür aus, dass eine ausreichende Individualisie-
rung der Lösung und das Eingehen auf Kundenwünsche keinesfalls vernachlässigt
werden dürfen. D. h., es sind im Kundenkontakt zwar klar verständliche und trans-
parente Prozesse notwendig, jedoch muss die Serviceorientierung jederzeit im Vor-
dergrund stehen. Dies stellt die Effektivität durch Flexibilität im Kundenkontakt si-
cher.
(3) Überprüfung und Anpassung vorhandener Prozesse und Sicherstellung einer pro-
zessualen Verknüpfung des neuen Geschäftsbereiches mit den originären Bereichen:
Ein weiterer Faktor, der bei der Implementierung standardisierter Abläufe nach Ex-
pertenaussage besondere Berücksichtigung finden muss, ist die Abstimmung und
Verknüpfung der neuen Prozesse des Dienstleistungsbereichs mit den bereits beste-
henden Prozessen im Unternehmen. Dies gilt insbesondere in Bezug auf den Infor-
Integration wissensintensiver Dienstleistungen 147

mations- und Wissensaustausch. Der Servicebereich muss ein Mitspracherecht bei


der Produktentwicklung und Produktion haben. In diesem Zusammenhang kann
auch Wissen über den Kunden, das bei der Dienstleistungserbringung erfasst wird,
in die Entwicklung des Produktes eingebracht werden. Im Zusammenhang mit der
Verknüpfung von Prozessen ist auch eine generelle Überprüfung und Anpassung der
vorhandenen Prozesse notwendig. Außerdem müssen für das Eingehen strategischer
Partnerschaften IT-Systeme und Prozesse auf deren Einbindung eingestellt werden.
(4) Kundenorientierter Angebotsentwicklungs- und Dienstleistungserstellungsprozess:
In der vorangegangenen Diskussion wurde bereits mehrfach eine kundenorientierte-
re Ausrichtung aller Bereiche des Unternehmens gefordert. Dies gilt auch für den
Angebotsentwicklungs- und den Dienstleistungserstellungsprozess. Der Anbieter
benötigt Wissen über die Geschäftsprozesse und -abläufe seiner potenziellen Kun-
den und Informationen über deren Abnehmer. Außerdem ist ein Verständnis der
Wettbewerbs- und Umweltfaktoren, die die Bedürfnisse der Kunden zukünftig ver-
ändern werden, wichtig, um mit der Leistung die Bedürfnisse des Kunden exakt zu
treffen (Matthyssens/Vandenbempt 1998, S. 347; Bettencourt et al. 2002, S. 101;
Brax 2005, S. 152; Gebauer et al. 2006, S. 377). Darüber hinaus setzt das betrachtete
Geschäftsmodell voraus, dass der Anbieter auch bei der Leistungserbringung einen
tiefen Einblick in die Kundenorganisation erhält. Dies ist vor allem dann problema-
tisch, wenn der Kunde nicht bereit ist, sein Wissen preiszugeben. Aus diesem Grund
muss auch hier ein umfassendes Verständnis der Bedürfnisse des Kunden Grundlage
des gesamten Entwicklungsprozesses sein. Eine Möglichkeit, die Dienstleistung aus
den Kundenbedürfnissen heraus zu entwickeln, ist die Integration ausgewählter
Kunden in die Angebotsentwicklung (Gebauer/Fleisch 2007, S. 343f.) Zusätzlich
können mittels der Erstellung von Blueprints Möglichkeiten für neue Dienstleistun-
gen identifiziert werden. Darüber hinaus ist nach Expertenmeinung die systemati-
sche Erfassung von Kundenbedürfnissen über Customer Analytics-Lösungen für ei-
ne erfolgreiche Transformation unerlässlich.
(5) Wissensmanagement: Ein weiterer Erfolgsfaktor ist ein effektives und effizientes
Wissensmanagement, das auf einem abteilungs-, organisations- und länderübergrei-
fenden Ansatz beruht. Es muss festgelegt werden, wie Informationen systematisch
eingesammelt, ausgetauscht und in Wissen transformiert werden. Die Schwierigkeit
besteht dabei insbesondere darin, die richtigen Informationen in der richtigen Kom-
bination zu sammeln, sodass Wissen entsteht, das in Form einer Dienstleistung ver-
marktet werden kann. Dabei ist zwingend auch eine Rückkopplung mit dem Kunden
notwendig, damit überprüft werden kann, ob das Wissen einen Mehrwert liefert, für
welchen er auch zu zahlen bereit ist. Darüber hinaus muss auch implizites Wissen
eingesammelt werden, das nicht oder nur schwer systematisch erfasst werden kann.
Ein Experte nennt als Beispiel den ,QQRYDWLRQ-DPŒder IBM. Dabei handelt es sich
um eine elektronische Diskussionsplattform bei der sich alle Teilnehmer an der ge-
meinsamen Generierung und Weiterentwicklung von Ideen beteiligen können. Im
Zuge des Wissensmanagements ist auch GLH'XUFKIKUXQJHLQHVÄ/HVVRQV/HDUQHG³
im Projektabschluss ein erfolgskritischer Faktor. Unter Mitwirkung aller beteiligten
148 Amelie Krebs, Michael Hepp und Karsten Hadwich

Akteure wird Erfahrungswissen mit dem Ziel kontinuierlicher Verbesserung festge-


halten und anschließend sinnvoll zugänglich gemacht.

Zu den Erfolgsfaktoren im Bereich Produkte, Dienstleistung und Kunde zählen:


(1) Verwendung von Kundendaten aus dem Produktvertrieb und der Produktverwen-
dung: Ein weiterer Erfolgsfaktor ist die Verwendung von Daten aus dem Produkt-
vertrieb und der Produktverwendung beim Kunden. Beispielsweise mittels Online
Monitoring über im Produkt verbaute Sensoren, hat der Produkthersteller die Mög-
lichkeit, detaillierte Informationen über die Kundenprozesse zu gewinnen. Damit
verfügen Produkthersteller über eine einzigartige Ressource, mit der sie sich von
reinen Dienstleistungsanbietern abheben. Zum einen können diese Informationen für
die Gestaltung von Dienstleistungen genutzt werden, die dem Kunden Produktivi-
tätssteigerungen oder Kostenersparnisse ermöglichen (Ulaga/Reinartz 2011, S. 9),
zum anderen besteht so die Möglichkeit, potenzielle Interessenten für die Service-
leistungen zu identifizieren.
(2) Produktbezug der Dienstleistung: Im Rahmen des betrachteten Geschäftsmodells, ist
eine inhaltliche Verbindung zwischen Service und Produkt keine notwendige Vo-
raussetzung. Ungeachtet dessen wird der sachliche Bezug zwischen Dienstleistung
und dem Kernproduktgeschäft von den Experten als erfolgskritisch oder zumindest
als erfolgsfördernd angesehen. Da die Qualität bei individualisierten wissensintensi-
ven Dienstleistungen im Voraus nur schwer eingeschätzt werden kann, ist das Ver-
trauen des Kunden in den Anbieter bei der Kaufentscheidung ein wichtiger Faktor.
Ein hoher Produktbezug wirkt sich positiv auf die Einschätzung des Kunden bezüg-
lich der Expertise des Anbieters im Dienstleistungsbereich aus. Das Kundenvertrau-
en steigt und die Kaufwahrscheinlichkeit und Zahlungsbereitschaft nehmen zu (de
Brentani 1991, S. 52; Fang et al. 2008, S. 5). Gleichzeitig ermöglicht ein hoher Pro-
duktbezug die Realisierung von Verbundvorteilen und Synergieeffekten durch Res-
sourcen- und Wissen-Spillovers (Varadarajan 1986, S. 54f.; de Brentani 1991, S. 52
Fang et al. 2008, S. 5). Zuletzt senkt eine enge inhaltliche Verbindung die Gefahr
des Verlusts des strategischen Fokus (Fang et al. 2008, S. 5).
(3) Regelmäßige Kommunikation mit dem Kunden: Ein weiterer Erfolgsfaktor ist die
regelmäßige Kommunikation mit dem Kunden. Ein Problem, von dem Experten be-
richten, ist die geringe Bereitschaft von Bestandskunden für die Leistung zu zahlen.
Der Kunde muss daher vom Wert der Leistung überzeugt werden. Bei der Dienst-
leistungserstellung handelt es sich zudem um einen Prozess, bei dem der Kunde
mitwirken muss. Die regelmäßige Kommunikation mit dem Kunden ist notwendig,
um ihn zu motivieren und die Zusammenarbeit zu unterstützen (Brax 2005, S. 152).
Fühlt sich der Kunde gut aufgehoben, steigen seine Zufriedenheit und die wahrge-
nommene Qualität der Leistung (Lytle et al. 1998, S. 461). Auch über das Projekt
hinaus ist die kontinuierliche Kommunikation wichtig. Regelmäßige Treffen, Kun-
denbesuche und Arbeitskreise stärken die Beziehungsqualität, erhöhen die Wahr-
Integration wissensintensiver Dienstleistungen 149

scheinlichkeit für Folgeprojekte und ermöglichen es dem Anbieter, schnell auf sich
wandelnde Kundenbedürfnisse zu reagieren (Fang et al. 2008, S. 6).
(4) Nutzen der Reputation des Produktgeschäfts für das Dienstleistungsgeschäft und
Steigerung der Bekanntheit durch Marketingaktivitäten: Gerade bei Dienstleistun-
gen, die stark auf dem Vertrauen der Kunden beruhen, kommt den bisherigen Erfah-
rungen und der Reputation des Unternehmens eine besondere Bedeutung zu (Ge-
bauer et al. 2008, S. 234). Aus diesem Grund ist es aus Expertensicht wichtig, dass
die Bekanntheit der Marke und die bestehenden Kundenbeziehungen im Produktbe-
reich für die Dienstleistungsintegration genutzt werden. Ist der inhaltliche Bezug
zwischen Produkt und Service gering, erschwert dies den Aufbau einer gedankli-
chen Verknüpfung zwischen dem Unternehmen und der neuen Dienstleistung durch
den Kunden. Aus diesem Grund sind auch weitere Marketingaktivitäten notwendig,
um die Bekanntheit des neuen Geschäftsmodells zu erhöhen und das Image aktiv zu
prägen.

Erfolgsfaktoren im Bereich Organisation und Struktur sind:


(1) Implementierung eines eigenen Dienstleistungsbereichs/Teams: Als erster Erfolgs-
faktor im Bereich Organisation und Struktur wurde die Einrichtung eines eigenen
Bereichs oder Teams identifiziert. Nur wenn sich eine Gruppe von Personen vollum-
fänglich und hauptverantwortlich mit der Dienstleistung befasst, Investitionen tätigt
und Risiken auf sich nimmt, bekommt das Thema die nötige Aufmerksamkeit. Au-
ßerdem erleichtert ein abgegrenzter Bereich den Wissensaustausch unter den Ser-
viceexperten und steigert damit auch deren Leistung.
(2) Neue Vertriebsstruktur und Abstimmung der Kundenansprache: Aufgrund großer
Unterschiede zwischen dem Produktvertrieb und dem Verkauf wissensintensiver
Dienstleistungen ist der Aufbau eines eigenen Vertriebs sinnvoll. Diese Empfehlung
ist insbesondere dann relevant, wenn sich die Unternehmensführung für die Integra-
tion des neuen Geschäfts in das Produktgeschäft entscheidet. Gründe, die dafür
sprechen, sind die Möglichkeit einer stärkeren Spezialisierung und das Vermeiden
von Problemen durch stark unterschiedliche Herangehensweisen. Letztere gründen
in erster Linie auf gegensätzlichen Denkweisen. Geht es im Produktvertrieb um ei-
nen möglichst hohen Absatz der Produkte, steht im Servicevertrieb die Lösung eines
Kundenproblems im Vordergrund. Allerdings wird die Trennung zwischen Dienst-
leistung und Produkt problematisch, wenn zwischen den Vertriebsbereichen Ziel-
konflikte bestehen. Aus diesem Grund wurde auch die Abstimmung zwischen den
Bereichen und der gemeinsame Auftritt gegenüber dem Kunden als erfolgskritisch
bezeichnet. Dies kann beispielsweise über einen vorgeschalteten Key Account Ma-
nager realisiert werden, der die Koordination beider Bereiche regelt.
(3) Strukturen für den Austausch zwischen Produkt- und Dienstleistungsbereich: Neben
dem Vertrieb gilt die Notwendigkeit des Austauschs zwischen Produkt- und Dienst-
leistungsgeschäft auch für die übrigen Bereiche. Ein Erfolgsfaktor ist daher die Fest-
150 Amelie Krebs, Michael Hepp und Karsten Hadwich

legung von Strukturen für eine regelmäßige Kommunikation und Zusammenarbeit


zwischen den Bereichen. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich die Unternehmens-
leitung für den Aufbau einer eigenständigen Geschäftseinheit für die Dienstleistung
entscheidet. Die Zusammenarbeit und der Informationsaustausch müssen dabei so-
wohl auf Management- als auch auf operativer Ebene stattfinden. Durch entspre-
chende Strukturen wird der Wissenstransfer erleichtert und die Mitarbeitenden kön-
nen von der Expertise des anderen profitieren. Dies gilt insbesondere für Wissen
über Kundenbedürfnisse und Produkt-Know-how als Grundlage für neue wissensin-
tensive Dienstleistungen.
(4) Kanäle zwischen Unternehmen und Kunden: Zuletzt werden effektive Kanäle für die
Kommunikation zwischen Kunden und Unternehmen benötigt. In diesem Zusam-
menhang wurde ein SPOC (Single Point of Contact) empfohlen, der als alleiniger
Ansprechpartner für den Kunden fungiert. Dies kann beispielsweise in Form eines
Key Account Managers realisiert werden. In dieser Position baut er durch regelmä-
ßige Kommunikation die Beziehung zum Kunden auf und sorgt dafür, dass das
Kundenfeedback und die Kundenbedürfnisse an die entsprechenden Stellen im Un-
ternehmen weitergeleitet und umgesetzt werden.

3.3 Reflexion der Ergebnisse


Durch die empirische Untersuchung wurden 30 Erfolgsfaktoren für eine Integration wis-
sensintensiver Dienstleistungen im Sinne des Dienstleistungsorientierten Geschäftsmo-
dells identifiziert (vgl. Abbildung 2). Jedoch traten in den Experteninterviews auch
Kontroversen auf. Insbesondere die Frage nach der organisationalen Einbettung wurde
unterschiedlich bewertet. Die Experten waren sich zwar einig, dass die Schaffung von
Kanälen für den Austausch zwischen Dienstleistungs- und Produktbereich für die erfolg-
reiche Implementierung des Geschäftsmodelles elementar ist, die Frage, wie stark die
beiden Bereiche dabei ineinander integriert werden sollten, bleibt allerdings offen. So-
wohl die Eingliederung in die Produktorganisation als auch die Organisation des Dienst-
leistungsgeschäfts als eigenständiger Geschäftsbereich wurden als Erfolgsfaktoren ge-
nannt. Dies lässt erkennen, dass keine Variante ein klarer Garant für den Erfolg oder die
Entscheidung zumindest stark unternehmensabhängig ist. Für einen eigenen Geschäfts-
bereich spricht eine höhere Flexibilität mit größerem Handlungsspielraum im Dienstleis-
tungsgeschäft. Die Gefahr, sich dem Produktgeschäft unterordnen zu müssen, sinkt. Zu-
dem kann das Management von Grund auf eine Servicekultur implementieren. Es
entsteht eine transparentere Buchhaltung für das neue Geschäft (Oliva/Kallenberg 2003,
S. 166f.) und die Zahlungsbereitschaft beim Kunden wird gestärkt, da der Service als
eigenständige Leistung wahrgenommen wird. Als Nachteile führen die Experten hinge-
gen einen erhöhten Investitionsbedarf, ein mögliches Abschneiden vom Innovationspro-
zess und die starke Entfernung von potenziellen Kunden aus dem Produktgeschäft an.
Für eine Eingliederung der Dienstleistung in den ursprünglichen Geschäftsbereich
spricht zudem die Sicherstellung der Nähe zum Produkt und des Wissensaustauschs. Sy-
Integration wissensintensiver Dienstleistungen 151

nergien können damit besser genutzt werden und es kann eine tiefere Verwurzelung
beim Kunden erzielt werden.
Insgesamt betonen die Experten den Menschen als entscheidendsten Faktor für das be-
trachtete Geschäftsmodell, wofür es auch Anzeichen in der bestehenden Forschungslite-
ratur gibt (Matthyssens/Vandenbempt 1998, S. 344; Neu/Brown 2005, S. 15). Dies um-
fasst sowohl die Bereitschaft zur Transformation als auch die erfolgreiche Leistungs-
erstellung. Letzteres ist insbesondere aus dem Grund nicht verwunderlich, da wissensin-
tensive Dienstleistungen stark vom Wissen und den Erfahrungen der Mitarbeitenden,
aber auch von einer effektiven Zusammenarbeit mit dem Kunden abhängig sind. Aller-
dings spielt in diesem Zusammenhang auch die notwendige Bereitschaft des Kunden zur
Mitwirkung eine große Rolle, was im Zuge der Interviews nur peripher thematisiert
wurde. Als weiteren zentralen Aspekt zeigen die Ergebnisse die Notwendigkeit der Aus-
richtung aller Bereiche an den Kundenbedürfnissen. Dies betrifft das Vorleben einer
Serviceorientierung durch das Management, die Auswahl und Ausbildung kunden- und
lösungsorientierter Mitarbeitender, die Etablierung einer Servicekultur und auf die Kun-
denbedürfnisse fokussierte Anreizsysteme. Außerdem ist das individuelle Eingehen auf
Kundenwünsche in der Leistungserstellung von großer Bedeutung und die Kundenbe-
dürfnisse müssen Grundlage des Leistungsentwicklungsprozesses sein. Nicht zuletzt
muss die kontinuierliche Kommunikation mit dem Kunden sichergestellt werden.

Dimension Erfolgsfaktor Beschreibung

Vorgabe des Wandels und Vorleben einer serviceorientierten Geschäftsaus-


Führungsvorgabe und -vorleben
richtung durch das Top-Management.
Überzeugung der Führungskräfte, dass die Transformation ein sinnvoller und
Wille und Vertrauen der Führung
notwendiger Schritt ist.
Einräumen von Freiräumen im Tagesgeschäft und eine stärkere Befähigung
Änderung des Führungsstils
der Mitarbeitenden. Gleichzeitig Etablierung einer fehlertoleranten Kultur.
Innovative Atmosphäre und
Initiieren eines Innovationszyklus zur systematischen Planung und Einfüh-
systematische Förderung von
rung neuer Dienstleistungen unter Einbezug aller Mitarbeitenden.
Führung Innovationen
Klare Aufgabenverteilung und Definition von Schnittstellen. Festlegung einer
Klare Verantwortlichkeiten Führungsperson, die sich vollumfänglich um das Management des Dienst-
leistungsbereichs kümmert.
Kommunikation des Mehrwerts der Transformation durch eine zielgruppen-
Aktive Kommunikation
adäquate Ansprache.
Leuchtturmprojekte Aufzeigen von Erfolgen durch Leuchtturmprojekte.
Erfahrene Führungskraft von Einstellen einer externen Führungskraft, die bereits Erfahrung mit einem
extern Change-Prozess hat.
Einsatz von Mitarbeitenden mit Fachkompetenz, Erfahrung, einem hohen
Die richtigen Mitarbeitenden Maß an Sozialkompetenz, Selbständigkeit, Engagement und Kundenorien-
tierung.
Effektive Mitarbeiterauswahl und -rekrutierung durch den Personalbereich.
Effektive Mitarbeiterauswahl und Neben der Analyse der Arbeitsweise ist auch eine Abfrage des Willens des
Mitarbeitende
-rekrutierung Mitarbeitenden notwendig. Dazu gehört auch, klare Rollenprofile zu definie-
ren und individuelle Karrierepfade festzulegen.
Entwicklung der notwendigen Kompetenzen durch Festlegung von Schulun-
Ausbildung und Weiterbildung von
gen im Rahmen eines Aus- und Weiterbildungsplans sowie informelle Unter-
Mitarbeitenden
stützung und Förderung durch den Vorgesetzten.

Abbildung 2: Übersicht über die ermittelten Erfolgsfaktoren


152 Amelie Krebs, Michael Hepp und Karsten Hadwich

Dimension Erfolgsfaktor Beschreibung

Implementierung einer tiefgreifenden kulturellen Veränderung im Sinne einer


organisationalen Serviceorientierung und damit eines kundenorientierten
Etablierung einer Servicekultur
Verhaltens aller Mitarbeitenden, die mit der Dienstleistung in Verbindung
Mitarbeitende stehen.
Statt transaktionsbezogener Anreizstrukturen Schaffung neuer Belohnungs-
Einrichtung von Incentive-
systeme mit Fokus auf der wahrgenommenen Leistungsqualität durch den
Systemen
Kunden, um so eine relationale Dienstleistungsorientierung zu ermöglichen.
Festlegung eines strategischen Konzepts, durch das der Mehrwert der
Existenz eines strategischen
Transformation aufgezeigt wird. Wichtig sind eine realistische Planung und
Strategisches Konzepts
die bereichsübergreifende Entwicklung mit dem Produkt.
Konzept
Kommunikation des Konzepts an Mitarbeitende, Kunden und potenzielle
Kommunikation des Konzepts
Kooperationspartner.
Bereitstellung der richtigen Ressource zum richtigen Zeitpunkt am richtigen
Ressourcenverfügbarkeit Ort (insbesondere Humanressourcen, finanzielle Ressourcen sowie Entwick-
Ressourcen/ lungs- und IT-Kapazitäten).
Partnerschaften
Partnerschaften & Eingehen von Partnerschaften, vor allem zur Gewinnung von Know-how,
Partnermanagement und Etablierung eines guten Partnermanagements.
Standardisierte Abläufe und
Einführung standardisierter Prozesse und klare Definition von Schnittstellen.
Prozesse
Einheitlicher Werkzeugkasten und Einheitliche Struktur hinter der angebotenen Leistung, eine standardisierte
Struktur in der Leistungserbring- Vorgehensweise und der Einsatz eines festgelegten Methodenbaukastens.
ung bei gleichzeitig individuellem Gleichzeitig ausreichende Individualisierung der Lösung und Eingehen auf
Eingehen auf Kundenbedürfnisse Kundenwünsche.
Überprüfung und Anpassung
vorhandener Prozesse und Abstimmung und Verknüpfung der neuen Prozesse des Dienstleistungsbe-
Sicherstellung einer prozessualen reichs mit den bereits bestehenden Prozessen im Unternehmen
Prozesse
Verknüpfung des neuen (insbesondere bezogen auf Informations- und Wissensaustausch).
Geschäftsbereiches mit den Überprüfung und Anpassung der vorhandenen Prozesse.
originären Bereichen
Kundenorientierter Angebotsent- Einsatz von Wissen über die Kundenbedürfnisse, deren Geschäftsprozesse
wicklungs- und Dienstleistungs- und -abläufe, Informationen über deren Abnehmer sowie Wettbewerbs- und
erstellungsprozess Umweltfaktoren als Grundlage für die Leistungsentwicklung.
Systematisches Einsammeln und Austauschen von Informationen im gesam-
Wissensmanagement ten Unternehmen. Transformation der Informationen in Wissen, das in Form
einer Dienstleistung vermarktet werden kann.
Nutzung von Informationen über Kundenprozesse, die aus dem Produktver-
Verwendung von Kundendaten
trieb und der Produktverwendung gewonnen werden, für die Gestaltung von
aus dem Produktvertrieb und der
Dienstleistungen und Identifikation potenzieller Interessenten für die Service-
Produktverwendung
leistungen.
Herstellung eines sachlichen Bezugs zwischen Dienstleistung und dem
Produktbezug der Dienstleistung
Produkte/ Kernproduktgeschäft.
Dienstleistung/ Regelmäßige Kommunikation mit Kontinuierliche Kommunikation mit dem Kunden während der Zusammen-
Kunde dem Kunden arbeit und über das Projekt hinaus.
Nutzen der Reputation des Pro-
Nutzen der Bekanntheit der Marke, der Reputation des Unternehmens und
duktgeschäfts für das Dienstleis-
der bestehenden Kundenbeziehungen im Produktbereich für das Dienstleis-
tungsgeschäft und Steigerung der
tungsgeschäft. Darüber hinaus Durchführung weiterer Marketingaktivitäten
Bekanntheit durch Marketingaktivi-
zur Erhöhung der Bekanntheit und aktiven Gestaltung des Images.
täten
Implementierung eines eigenen Einrichtung einer Gruppe von Personen, die sich vollumfänglich und
Dienstleistungsbereichs/Teams hauptverantwortlich mit der Dienstleistung befasst.
Aufbau eines eigenen Vertriebs für die Serviceleistung. Gleichzeitig ist eine
Neue Vertriebsstruktur und Ab-
Abstimmung zwischen den Bereichen notwendig, um Zielkonflikte zu lösen
stimmung der Kundenansprache
Organisation/ und den gemeinsamen Auftritt gegenüber dem Kunden zu koordinieren.
Struktur Strukturen für den Austausch
Festlegung von Strukturen für die regelmäßige Kommunikation und
zwischen Produkt- und Dienstleis-
Zusammenarbeit zwischen Produkt- und Dienstleistungsgeschäft.
tungsbereich
Kanäle zwischen Unternehmen Einrichtung eines SPOC, der als alleiniger Ansprechpartner für den Kunden
und Kunden fungiert.

Abbildung 3: Übersicht über die ermittelten Erfolgsfaktoren (Fortsetzung)


Integration wissensintensiver Dienstleistungen 153

4. Fazit
Durch die empirische Untersuchung wird ein Beitrag zum Forschungsgebiet der Imple-
mentierung dienstleistungsbasierter Geschäftsstrategien durch produzierende Unterneh-
men geleistet. Bislang besteht im Hinblick auf die Erfolgsfaktorenforschung kaum eine
Differenzierung zwischen verschiedenen Arten von Dienstleistungen. Durch die Fokus-
sierung auf wissensintensive Dienstleistungen im Rahmen des Dienstleistungsorientier-
ten Geschäftsmodells wird diesem Defizit Rechnung getragen.
Schwierigkeiten bei der Integration der Dienstleistung resultieren in erster Linie aus der
starken Abhängigkeit von implizitem Wissen, dem hohen Maß an Individualität der
Leistung und der Mitwirkung des Kunden im Zuge der gemeinsamen Wertschöpfung.
Werden diese Hürden überwunden, können Unternehmen eine höhere Kundenzufrieden-
heit und Kundenloyalität erzielen und einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil aufbauen.
Auf Basis von zehn Experteninterviews wurden 30 erfolgskritische Faktoren für die Er-
reichung dieser Ziele bei der Implementierung des Geschäftsmodells in den sieben Be-
reichen Führung, Mitarbeitende, Ressourcen und Partnerschaften, Prozesse, Produkte,
Dienstleistung und Kunde sowie Organisation und Struktur ermittelt. In der Führung
geht es in erster Linie darum, dass der Transformation ausreichend Aufmerksamkeit ge-
widmet und die Integration des neuen Geschäftsbereichs effizient gesteuert wird. Außer-
dem müssen Widerstände der Mitarbeitenden abgebaut und der Rückhalt der Organisati-
on aufgebaut werden. Gleichzeitig ist ein neues Führungsverhalten wichtig. In Bezug auf
die Mitarbeitenden muss sichergestellt sein, dass diese die notwendigen fachlichen und
sozialen Kompetenzen aufweisen, um eine erfolgreiche Leistungserbringung zu ermögli-
chen und die Kundenzufriedenheit sicherzustellen. Dafür sind zudem die Etablierung ei-
ner Servicekultur und neue Anreizsysteme notwendig. Darüber hinaus ist es wichtig,
dass die Transformation durch eine detaillierte Planung unterstützt wird. Dies erfolgt in
Form der Festlegung und Kommunikation eines strategischen Konzeptes. Im Bereich
Ressourcen und Partnerschaften ist der gezielte Aufbau strategischer Partnerschaften
notwendig, um Lücken in den Kompetenzen zu schließen und den Transformationspro-
zess zügig voranzutreiben. Gleichermaßen muss eine ausreichende Ressourcenverfüg-
barkeit sichergestellt werden, um nicht nur im Dienstleistungs- sondern auch im Pro-
duktbereich die Leistungs- und Handlungsfähigkeit zu bewahren. Standardisierte, aber
gleichzeitig auch kundenorientierte Prozesse, stellen vor allem die Wirtschaftlichkeit und
Effektivität in der Leistungsentwicklung und -erbringung sicher. Darüber hinaus kommt
dem systematischen Wissensmanagement für die Schaffung eines Wettbewerbsvorteils
eine zentrale Bedeutung zu. Die Nutzung von Synergien zwischen Dienstleistung und
Produkt sowie der Beziehungssaufbau zum Kunden sind wichtig für die Steigerung der
Kundenakzeptanz und Kundenzufriedenheit sowie für den Ausbau eines einzigartigen
Wettbewerbsvorteils. Die organisationale Struktur muss den Austausch sowohl zwischen
Produkt- und Dienstleistungsbereich als auch zwischen Anbieter und Kunde unterstüt-
zen. Außerdem ist eine Anpassung des Vertriebs notwendig.
154 Amelie Krebs, Michael Hepp und Karsten Hadwich

Kontroversen in den Expertenansichten zeigten sich bei der Frage nach dem organisatio-
nalen Aufbau. Es konnte nicht eindeutig geklärt werden, ob eine Integration oder eine
Separierung der Dienstleistung durch die Einrichtung einer eigenständigen Geschäfts-
einheit zielführend ist. Auch in der bestehenden Forschungsliteratur besteht in dieser
Frage keine Einigkeit. Dies führt zu der Schlussfolgerung, dass die Entscheidung unter-
nehmensabhängig getroffen werden muss. Einig waren sich die Experten allerdings da-
rin, dass der Mensch Kern des Erfolges und gleichzeitig größter Risikofaktor ist. Nur
wenn alle beteiligten Akteure von der Veränderung überzeugt sind, aktiv mitwirken und
bereit sind, Wissen aufzubauen und zu teilen, kann das Unternehmen mit der Dienstleis-
tung erfolgreich sein. Darüber hinaus zeigte sich als zweiter zentraler Punkt die Notwen-
digkeit einer Kundenorientierung. Diese muss sich gleichermaßen in der Dienstleistung,
den Prozessen, der Führung und in den Mitarbeitenden widerspiegeln.
Für das Management ergeben sich aus den Ergebnissen drei Implikationen: Erstens soll-
ten die ermittelten Erfolgsfaktoren umgesetzt und kontinuierlich überwacht werden.
Zweitens sollte bei deren Umsetzung in erster Linie der Mensch im Fokus stehen und
drittens dürfen gleichzeitig die Kundenbedürfnisse bei keiner Handlung außer Acht ge-
lassen werden. Konkret erfordert dies in erster Linie eine intensive Kommunikation mit
den Mitarbeitenden jeder Hierarchieebene, in der die Veränderung begründet und die
weitere Planung aufgezeigt wird. Neben der persönlichen Kommunikation müssen Aus-
und Weiterbildungsmöglichkeiten eingerichtet werden und das Human Resource Ma-
nagement muss sich auf die neuen Anforderungen an die Mitarbeitenden einstellen. Dar-
über hinaus sind Prozesse und organisationale Strukturen von Nöten, die eine Vernet-
zung der Mitarbeitenden unterstützen. Zusätzlich muss bei diesen Aktivitäten die
Kundenorientierung berücksichtigt werden. Dies erfordert vor allem, dass das Manage-
ment eine Serviceorientierung vorlebt und von den Mitarbeitenden einfordert. Zudem
müssen Kunden- und Lösungsorientierung Hauptkriterien für die Mitarbeiterauswahl
und die Einrichtung von Prozessen sein. Werden diese Aspekte vor, während und nach
der Geschäftsmodellimplementierung nicht außer Acht gelassen, setzen produktherstel-
lende Unternehmen ein wichtiges Fundament, um ihren Erfolg nachhaltig über Dienst-
leistungen zu sichern.
Im Rahmen dieses Beitrags werden wertvolle Einblicke in die strategische Neuausrich-
tung von produktherstellenden Unternehmen gewährt. Allerdings müssen auch einige
Einschränkungen genannt werden. Wie sich an der Diskussion über die Errichtung eines
eigenständigen Geschäftsbereichs zeigt, bestehen Kontroversen in den Expertenmeinun-
gen. Durch das einstufige Verfahren der Interviews konnten Differenzen in den Ansich-
ten allerdings nur eingeschränkt aufgedeckt werden. Eine weitere Limitation ergibt sich
aus der geringen Anzahl geführter Interviews. Obgleich im Rahmen der Stichproben-
auswahl verschiedene Branchen und Unternehmensgrößen abgedeckt wurden, sind die
Ergebnisse nicht generalisierbar. Zudem wurden unternehmensexterne Erfolgsfaktoren
nicht in die Untersuchung miteinbezogen. Aspekte, wie Charakteristika der Kundenor-
ganisation oder der Industrie, können sich allerdings ebenfalls auf den Erfolg der Strate-
gieänderung auswirken. Aufbauend auf den Ergebnissen ist daher die Durchführung ei-
ner quantitativen Studie unter Einbezug weiterer Unternehmen und Branchen, aber auch
Integration wissensintensiver Dienstleistungen 155

von Kunden- und Lieferantenorganisationen sinnvoll. Darüber hinaus erfolgte eine allei-
nige Betrachtung erfolgreicher Unternehmen. Durch eine Gegenüberstellung von Pro-
duktherstellern, die bei dem Versuch der Integration des betrachteten Geschäftsmodells
gescheitert sind, könnten die Ergebnisse stärker differenziert werden. Nicht zuletzt be-
zieht sich die Untersuchung nur auf einen Teilbereich des Dienstleistungsorientierten
Geschäftsmodells der Servicetransformation. Für die drei weiteren strategischen Stoß-
richtungen nach Bruhn et al. (2015) besteht daher der identische Forschungsbedarf.

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2. Wertschöpfung durch
Dienstleistungen 4.0



Stefanie Paluch

Smart Services ± Analyse von strategischen und


operativen Auswirkungen

1. Smart-Service-Revolution
1.1 Service Disruption
1.2 Xaas ± Everything as a Service
1.3 Smart-Service-Strategie
1.4 Smart-Service-Anwendungsbeispiele

2. Smart-Service-Ökosystem
2.1 Digitale Plattform
2.2 Vier Leistungsebenen
2.2.1 Monitoring
2.2.2 Steuerung und Kontrolle
2.2.3 Leistungsoptimierung
2.2.4 Automatisierung
2.3 Smarte Objekte
2.4 Big und Smart Data

3. Key Learnings

Literaturverzeichnis

___________________________
Professor Dr. Stefanie Paluch ist Professorin für Dienstleistungs- und Technologie-
marketing an der RWTH Aachen.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017


M. Bruhn und K. Hadwich (Hrsg.), Dienstleistungen 4.0,
DOI 10.1007/978-3-658-17552-8_7
1. Smart-Service-Revolution

1.1 Service Disruption


8EHU WKH ZRUOG¶VODUJHVWWD[LFRPSDQ\RZQVQRYHKLFOHV)DFHERRNWKH ZRUOG¶VPRVW
popular media owner, creates no content. Alibaba, the most valuable retailer, has no in-
YHQWRU\$QG$LUEQEWKHZRUOG¶VODUJHVWDFFRPPRGDWLRQ provider, owns no real estate.
Something interesting is happening. (Tom Goodwin 2015)
Die digitale Disruption hervorgerufen durch kontinuierliche Entwicklung von Informa-
tions- und Kommunikationstechnologien (IuK) hat Märkte, Branchen, Unternehmen und
Konsumentenverhalten radikal beeinflusst und Phänomene wie Ä8ELTXLWRXV&RPpuWLQJ³
Ä,QGXVWULH³RGHUÄ,QWHUQHWRI7KLQJV³ entstehen lassen. Die dritte IT-getriebene Welle
basiert auf fortschrittlicher Internettechnologie und lässt durch intelligente Vernetzung
von Hardware, Software, Sensoren und Prozessoren neue Äsmarte³ Produkte und Dienst-
leistungen entstehen, die über eine völlig neue Leistungsfähigkeit verfügen und damit
ganze Branchen und Geschäftsmodelle revolutionieren (Porter/Heppelmann 2014; 2015).
Smarte Objekte haben die Fähigkeit ihren eigenen Status und ihre Umwelt zu überwachen,
dabei Nutzungsdaten zu sammeln und mit anderen Objekten durch intelligente Vernetzung
zu kommunizieren. Im Konsumgüterbereich existieren intelligente T-Shirts, die Herzfre-
quenz und Atmung des Nutzers überwachen, digitale Sensoren können den Blutzucker-
spiegel messen und alarmieren Patienten bei Abweichung von vordefinierten Werten und
smarte Beleuchtungssysteme im Wohnhaus können über Smartphones gesteuert werden
und passen die Lichtverhältnisse automatisch auf die Vorlieben der Nutzer an. Im indust-
riellen Bereich werden Maschinen und Anlagen digital vernetzt, um deren Status zu über-
wachen und Leistungsdaten zu sammeln. Derzeit existieren rund 6,4 Mrd. dieser vernetz-
ten Objekte, im Jahre 2020 sollen es über 21 Mrd. sein (Gartner 2015). Unternehmen
können das Potenzial des Internet of Things nutzen, wenn sie ihre digitale Strategie ent-
sprechend anpassen.
Die allgegenwärtige Verfügbarkeit des Internet und die Digitalisierung hat insbesondere
im Dienstleistungsbereich zu enormen Veränderungen geführt. Unternehmen wie Uber
oder Airbnb verfügen über keine Fahrzeugflotte oder Immobilien, sie vermitteln Mobili-
tätsdienstleistungen oder private Unterkünfte und präsentieren sich somit als Service An-
bieter. Auch eher traditionelle Unternehmen wie Siemens oder General Electric (GE) fol-
gen GHP7UHQGÄ(YHU\WKLQJDVD6HUYLFH³. GE hat über eine Mrd. USD in GDVÄIndustrial
,QWHUQHW³LQYHVWLHUWdas den Zusammenschluss der digitalen und analogen Welt verkör-
pert. Im Bereich der Windturbinen hat GE auf intelligente Vernetzung der einzelnen Tur-
binen und auf smarte Wartungsdienstleistungen (Ä5HPRWH0aintenance³) gesetzt, durch
die Fehler und Störungen direkt an die Windfarm gemeldet werden (Forbes 2014) und
164 Stefanie Paluch

dadurch die Effizienz der Wartungsleistung steigern. Zusätzlich wurde das Geschäftsmo-
dell ÄPower-by-the-HRXU³) angepasst, bei dem die Energiedienstleistungen im Fokus ste-
hen (Porter/Heppelmann 2015) und GE plötzlich vielmehr Dienstleister als Hersteller von
Windturbinen ist. Auch Siemens Healthcare nutzt die Potenziale der Internettechnologie
für sich und bietet verschiede (smarte) Services an, um seine Produkte wie Computer- oder
Magnetresonanztomographen über Remote Services fernzuwarten, um unvorhergesehene
Maschinenausfälle während der Arbeitszeiten vorzubeugen und kleinere Reparaturarbei-
ten auch aus der Ferne wahrzunehmen (Paluch 2014). Die letzten beiden Beispiele zeigen,
dass die Entwicklung von Smart Services zu neuen Geschäftsmodellen führt, die die Pro-
fitabilität des Unternehmen weitaus mehr steigern können als die alleinige Herstellung
von Produkten (Reinartz/Ulaga 2008; Porter/Heppelmann 2015).
Doch nicht nur in der Praxis rücken Dienstleistungen immer mehr in den Fokus von Un-
ternehmen. Auch in der wissenschaftlichen Literatur haben Dienstleistungen einen zent-
ralen Stellenwert eingenommen. Im folgenden Abschnitt wird die Rolle und der Wandel
von Dienstleistungen aus wissenschaftlicher Perspektive diskutiert.

1.2 Xaas ± Everything as a Service


Typischerweise zeigte sich in der wissenschaftlichen Diskussion eine klare Abgrenzung
und Unterteilung von Produkten und Dienstleistungen (Shostack 1977; Anderson et al.
1997). Dienstleistungen werden anhand ihrer Eigenschaften Intangibilität, Vergänglich-
keit, Heterogenität, Integration des externen Faktors und Simultanität von Produktion und
Absatz charakterisiert (Parasuraman et al. 1985) und von Produkten abgegrenzt. Doch be-
reits die Service-dominat Logic (Vargo/Lusch 2004) hat zu einem Umdenken in der wis-
senschaftlichen Community geführt und die Grenzen zwischen Produkten und Services
verwischen lassen. Zunächst gehen Vargo und Lusch (2004) davon aus, dass Services die
Basis aller Transaktionen sind (fundamentale Prämisse 1) und stellen damit den zentralen
Stellenwert von Dienstleistungen heraus. Interessanter ist jedoch die Annahme, dass Pro-
dukte nur einen Vertriebsmechanismus für Services darstellen, da sie ihren Wert erst bei
der Nutzung (ÄValue-in-Use³), also durch die Dienstleistung an sich entfalten (fundamen-
tale Prämisse 3). Diese Annahme belegt, dass eine klare Unterscheidung nur schwer mög-
lich ist und vielmehr eine Art Interdependenz zwischen Produkten und Services besteht.
Ein Rasenmäher (Produkt) würde demzufolge erst durch den Rasenschnitt (Dienstleis-
tung) einen Mehrwert für den Nutzer generieren.
In den vergangenen Jahren habe sich unterschiedliche technologie-mediierten Dienstleis-
tungen entwickelt, die häufig als produktbegleitende Services angeboten werden. Remote
Services sind Dienstleistungen, die technologiebasiert erstellt und über eine IT-Infrastruk-
tur an das Serviceobjekt übermittelt werden. Sie ermöglichen die Wartung von Anlagen
und Maschinen aus der Ferne, ohne das ein Servicetechniker vor Ort ist (Biehl et al. 2004;
Schumann et al 2012). Dazu gehören auch Smart Interactive Services, die ebenfalls durch
Technologieeinsatz erbracht werden, sich aber auch gleichzeitig durch eine hohe Interak-
tion zwischen Anbieter und Kunden auszeichnen (Wünderlich et al. 2013), anders als
Smart Services ± Analyse von strategischen und operativen Auswirkungen 165

Proactive Remote Services, die eine Interaktion ausschließen und präventiv Wartungsleis-
tungen erbringen (Paluch/Blut 2013). In Bezug auf die vorangegangene Diskussion stellt
der Dienstleistungstyp der Remote Services die Interdependenz zwischen Produkten und
Dienstleistungen deutlich heraus.
Im Hinblick auf Smart Services wird dieser Gedanke von Allmedinger und Lombreglia
(2005) aufgegriffen. Die Autoren definieren Smart Services als eine Dienstleistung, die
durch oder über ein intelligentes Objekt erbracht wird. Durch eingebaute Intelligenz kön-
nen Objekte ihren eigenen Status erfassen, Daten sammeln und mit anderen Objekten
kommunizieren (Allmendinger/Lombreglia 2005). Steigende Vernetzung und Konnekti-
vität lassen eine Vielzahl an Smart-Service-Angeboten im direkten Umfeld des Objektes
entstehen (z. B. System-Monitoring, automatisierte Upgrades oder Beratungsdienstleis-
tungen). Dienstleistungsanbieter haben die Möglichkeit durch Smart Services neue Ge-
schäftsmodelle zu entwickeln und die Kundenbeziehung auf eine völlig neue Ebene zu
überführen. Ein smarter Rasenmäher erkennt selber, wann er den Rasen schneiden soll
und zu welchem Zeitpunkt er wieder auf die Ladestation fahren muss. Durch die Samm-
lung von Nutzungsdaten, die an den Hersteller übertragen werden, kann dieser kundenin-
dividuelle Angebote erstellen und Verbesserungspotenziale an existierenden Produkten
aufdecken.
Die Entwicklung von neuen Dienstleistungstypen wie Smart Services und die damit ver-
EXQGHQH Ä,QIXVLRQ RI 7HFKQRORJ\³ KDW DXFK HLQHQ (LQIOXVV DXI die Konzeptualisierung
von Dienstleistungen. Die Veränderung zeigt sich beispielsweise in der Definition von
Rust und Huang (2014, S.7): ³Service is any direct provision or co-creation of value
between a provider and a customer´Die Erzeugung von Mehrwert für den Kunden steht
vielmehr im Mittelpunkt der Leistung an sich. Im Hinblick auf die Abgrenzung zwischen
Produkt und Dienstleistungen argumentieren die Autoren, dass ein Produkt erst durch die
Dienstleistung seinen Mehrwert generiert und Dienstleistungen nicht mehr nur im tertiären
Sektoren anzuordnen sind, denn durch Konnektivität und Vernetzung entstehen Smart
Services überall dort, wo intelligente Produkte zum Einsatz kommen. Dadurch wird die
Produkt- vs. Service-Diskussion obsolet (Rust/Huang 2014).
Die vorangehende Diskussion zeigt nun, dass Services mehr als nur die reine Dienstleis-
tungen darstellen (Rust/Huang 2014, S. 207), denn die rasant zunehmende Digitalisierung
lässt die Grenzen zwischen Produkten und Dienstleistungen verschwimmen und dadurch
den eigentlichen Mehrwert für Kunden und Anbieter entstehen. Das Label ÄVPDUW³ de-
monstriert eben diese Vernetzung von Service und Objekten. Aus diesem Grund werden
im weiteren Verlauf dieses Beitrages neben Smart Services auch die damit einhergehen-
den intelligenten Produkte und Objekte betrachtet und folgende Definition aufgestellt:
Smart Services sind digitale Dienstleistungen, die über eine intelligent vernetzte IT-Infra-
struktur erbracht werden und in Verbindung mit physischen Objekten/Produkten durch
kontinuierliche Datensammlung und Analyse einen Mehrwert generieren. Smart-Service-
Leistungen umfassen die Überwachung und die Kontrolle von Funktionen, die Steuerung
von Aktivitäten, die Leistungsoptimierung und die Automatisierung von Prozessen.
166 Stefanie Paluch

Nachdem nun ein grundlegendes Verständnis für Smart Services und die damit einherge-
henden intelligenten Objekte geschaffen wurde, sollen im folgenden Abschnitt strategi-
sche Optionen beleuchtet werden.

1.3 Smart-Service-Strategie
Der Einsatz von Smart Services führt zu vielfältigen Veränderungen in der Unternehmens-
struktur. Insbesondere vier Bereiche werden durch Smart Services beeinflusst, die eine
Neupositionierung oder Anpassung der Unternehmensstrategie zur Folge haben.

Aufbau neuer
Geschäftsmodelle

Kunden- Erschließung
fokussierung Smart neuer
Services Geschäfts-
felder

Leistungsoptimierung

Abbildung 1: Einflussbereiche von Smart Services

„ Aufbau neuer Geschäftsmodelle: Die Digitalisierung ist ein Treiber für die Entstehung
von Smart Services. Die verstärkte Serviceorientierung von Unternehmen führt dazu,
dass neue Geschäftsmodelle insbesondere im Dienstleistungsbereich entstehen. Wo
typischerweise die Beziehung zwischen Kunden und Anbieter mit dem Kauf des Pro-
duktes abgeschlossen war, fängt sie im Zeitalter der Vernetzung erst an. Kunden wol-
len nicht mehr in Produkte, Maschinen und Anlagen investieren, das Konzept des
Ä2ZQHUVKLSV³VFKHLQWLQGHP.RQWH[WEHUKROW1HXH*HVFKlftsmodelle, die Dienst-
leistungen in den Fokus setzten, werden vermehrt nachgefragt und so kommt es, dass
0DVFKLQHQLQ)RUPYRQÄ0DFKLQHDVD6HUYLFH³3URGXNWHDOVÄ3URGXFWDVD6HUYLFH³
RGHU /DXI]HLWHQ DOV Ä3RZHU-by-the-+RXU³ DQJHERWHQ ZHUGHQ Porter/Heppelmann
2014; Cisco 2015). GE Aviation analysiert beispielsweise Kerosinverbrauchsdaten
der Alitalia Airline. Durch das Angebot von Beratungs-dienstleistungen kann die Air-
line lernen den Kerosinverbrauch zu reduzieren (Porter/Heppelmann 2014).
Smart Services ± Analyse von strategischen und operativen Auswirkungen 167

„ Erschließung neuer Geschäftsfelder: Durch die Nutzung von Smart Services entste-
hen neue Handlungsmöglichkeiten und Unternehmen sind in der Lage gänzlich neue
Produkte und Dienstleistungen anzubieten, die vorher nicht im Angebotsportfolio
existierten. Die neuen Geschäftsmodelle werden rund um die Dienstleistung aufge-
baut. Ein Beispiel ist der Amazon Kindle, der Nutzern den einfachen Zugriff auf Ama-
zon Services wie Musikstreaming, Bücher, Videos und Apps erlaubt. Dazu stellt Am-
azon Gründer Jeff Bezos IHVW ÄThe Kindle is QRW D GHYLFH LW¶V D 6HUYLFH´. In der
Luftfahrt hat der Triebwerkhersteller Rolls-Royce durch sein Ä3RZHU-by-the-+RXU³
Geschäftsmodell TotalCare, die Industrie verändert. Die Triebwerke werden dem
Kunden zur Verfügung gestellt, wofür der Kunde zahlt ist die Dienstleistung (z. B.
Flugmeilen), die Rolls-Royce erbringt. Durch Echtzeitdatenanalyse der gesammelten
Betriebsdaten kann die Effizienz der Wartung und der Einsatz des Flugzeuges opti-
miert werden (Smith 2013).
„ Leistungsoptimierung: Digitale Dienstleistungen wie Remote oder Predictive Main-
tenance ermöglichen effizientere Einsätze, basierend auf präventive Wartung von Ma-
schinen und Anlagen zum Teil auch aus der Ferne. Durch die Vernetzung können
Probleme antizipiert werden, bevor sie auftreten und zu größeren Schäden im Ge-
samtsystem führen. Dadurch werden Einsatzkosten von Servicetechnikern reduziert
und Zeitersparnisse realisiert, aber auch ungeplante Ausfälle von Anlagen, Produkten
oder Maschinen können so vermieden werden. Daher entsteht eine win-win-Situation
für den Anbieter und für Smart-Service-Kunden. Der Kunde nutzt seine Produkte op-
timal, im Gegenzug kann der Anbieter Serviceeinsätze kontrollierter und erfolgrei-
cher realisieren. Geschäftsbeziehungen können dadurch verbessert werden und An-
bieter haben die Möglichkeit der Diversifikation (Porter/Heppelmann 2015).
„ Kundenfokussierung: Smart Services lassen den Kunden immer weiter in den Mittel-
punkt der Transaktionen rücken und ihm dadurch eine neue aktive Rolle bei der Mit-
gestaltung von Produkten und Dienstleistungen zukommen. Unternehmen lernen Prä-
ferenzen und Anforderungen durch Analyse der Nutzerprofile besser kennen und
haben die Möglichkeit, Angebote zielgruppen- und kundenspezifischer auszugestal-
ten. Stärker individualisierte und personalisierte Services führen zu einer tieferen
Kundenbeziehung und lassen höhere Kundenbindung sowie Wechselbarrieren entste-
hen (Rust/Huang 2014).
Die vier Bereiche machen deutlich, dass Unternehmen durch neue Produkte und Dienst-
leistungen und durch stärkere Kundenorientierung beim Einsatz von Smart Services pro-
fitieren können. Sie zeigen aber zugleich auch auf, wo strategischer Handlungsbedarf be-
steht. Das Anpassen des Geschäftsmodells ist ein zentraler Aspekt für den Erfolg von
Smart Services. Nachfolgend werden nun Anwendungsbereiche von Smart Services skiz-
ziert.
168 Stefanie Paluch

1.4 Smart-Service-Anwendungsbeispiele
Smart Services können in einer Vielzahl von Industrien und Branchen Anwendung finden.
Die Ausgestaltungsmöglichkeiten variieren je nach Unternehmen und Art sehr stark, so-
dass die nachfolgenden Beispiele nicht sämtliche Smart Services berücksichtigen können,
sondern die Anwendungsmöglichkeiten lediglich grob umreißen.

Energie Industrie

Medien Logistik

Smart
Services

Handel Mobilität

Gesundheit

Abbildung 2: Überblick Anwendungsbereiche von Smart Services

„ Industrie: In der Industrie und vor allem in der Produktion werden Smart Services zur
Überwachung von Maschinen und Anlagen eingesetzt. Präventive Services kontrol-
lieren den Status von vernetzten Objekten, um auf Grundlage von gesammelten Daten
Ausfälle und Stillstandzeiten zu minimieren und somit die Laufzeiten der Objekte zu
optimieren.
„ Logistik: Smart Services in der Logistik sollen Warenströme und Transportketten op-
timieren. Die Analyse von Echtzeitdaten hilft Routen zu planen, bei denen beispiels-
weise Staus vermieden oder umfahren werden. GPS-3RVLWLRQVGDWHQYRQ/.:µVZHU
den genutzt, um die Auslieferung zu prognostizieren oder den Verladeprozess der
Container zu optimieren.
„ Mobilität: Neue Mobilitätsdienstleistungen verändern ganze Branchen. Das ÄConnec-
ted Car³ also das intelligent vernetzte Automobil wird durch Echtzeitdaten über Staus
und Unfälle informiert und kann mit anderen Fahrzeugen kommunizieren. Uber nutzt
die GPS-Daten des Smartphones, überprüft Fahrerkapazitäten in der Nähe, um dann
einen Fahrgast über die App zu vermitteln.
Smart Services ± Analyse von strategischen und operativen Auswirkungen 169

„ Gesundheit: Im Gesundheitssektor bringen Smart Services starke Veränderungen mit


sich. Patienten können Werte wie ihren Blutzuckerspiegel oder den Puls messen, soll-
ten Werte von der Norm abweichen, wird der Arzt alarmiert. Räume können mit Sen-
soren ausgestattet werden, um bei einem Sturz ein Notrufsignal zu senden. Der Auf-
bau von medizinischen Plattformen unterstützt Diagnostik und Therapie und nutzt
weltweit gesammelte Informationen.
„ Handel: Der Handel profitiert von Smart Services und lässt Anbieter wie Amazon
oder Alibaba ihren Kunden anhand ihrer Nutzerprofile individualisierte Vorschläge
für passende Produkte machen, um ihnen ein personalisiertes Shopping-Erlebnis zu
kreieren. Die Nutzung von standortbezogenen Services, die den Nutzer über die GPS-
Funktion des Smartphones lokalisieren, ermöglicht die gezielte Übermittlung von In-
formationen, z. B. Wettervorhersage, Sehenswürdigkeiten, Restaurantempfehlungen
und Rabattaktionen des Einzelhandels.
„ Medien: Musik- oder Video-Streaminganbieter wie Spotify, Netflix, Amazon Prime
oder Google Play bieten Kunden den Zugriff auf unzählige Musiktitel oder Filme.
Über eine digitale Plattform können individuelle Bibliotheken aufgebaut und abgeru-
fen werden. Der Anbieter kann aufbauend auf den Präferenzen Vorschläge für weitere
personalisierte Titel machen.
„ Energie: Die Vernetzung von Stromanbietern, Endkunden, Netzbetreibern, Stromer-
zeuger und weiteren Akteuren ermöglicht eine effiziente Energieversorgung, die An-
gebot und Nachfrage synchronisieren kann. In einem intelligenten Stromnetz können
dadurch Verbräuche und Auslastungen prognostiziert und die Versorgung optimiert
werden.
Die Anwendungsbereiche zeigen die unterschiedlichen Einsatzmöglichkeiten von Smarter
Services. An dieser Stelle wird bereits deutlich, dass verschiedene Faktoren und Akteure
zusammenspielen müssen, um Smart Services entstehen zu lassen. Die einzelnen Ele-
mente interagieren in einem kollaborativen Netzwerk, das als Smart-Service-Ökosystem
bezeichnet wird, auf das im nächsten Abschnitt genauer eingegangen wird.

2. Smart-Service-Ökosystem
Smart Services existieren und entstehen nicht isoliert, sondern sind in ein komplexes Um-
feld eingebettet, das als Ökosystem bezeichnet wird. Das Smart-Service-Ökosystem ist in
Abbildung 3 vereinfacht dargestellt. Doch zunächst werden grundlegende Aspekte vorge-
stellt, die Voraussetzung für die intelligente Vernetzung von Produkten und Dienstleistun-
gen darstellen.
Porter und Heppelmann (2014) sprechen in diesem Zusammenhang von drei Kernelemen-
ten, die das smarte Produkt-Service-Bündel charakterisieren. Dazu zählen die:
170 Stefanie Paluch

„ Physische Komponenten: Physische Komponenten bei einem Fahrzeug sind bei-


spielsweise der Motorblock, die Reifen oder die Batterie.
„ Ä6PDUWH³ Komponenten: Smarte Komponenten steigern den Wert der physischen
Komponenten. In einem Auto zählen dazu Sensoren wie Abstandsmessung oder Re-
gensensor, Mikroprozessoren oder Datenspeicher.
„ Konnektivitätskomponenten: Dazu gehören Schnittstellen wie Antennen, Anschlüsse
oder Kommunikationsprotokolle und ermöglichen die Vernetzung untereinander:
 Eine one-to-one-Vernetzung bildet die Verbindung zwischen einem Produkt und
einem Hersteller ab. So kann z. B. ein Automobilhersteller über einen Adapter
Fahrzeugdaten auslesen und diese analysieren.
 Bei one-to-many-Verbindungen werden mehrere vernetzte Objekte über eine
Plattform verbunden, die Dienstleistungen zur Wartung oder Überwachung be-
reitstellt.
 Many-to-many-Verbindungen vernetzen verschiedene Objekte mit externen An-
bietern zu einem übergeordneten Ökosystem. Landwirte können durch unter-
schiedliche Smart-Services-Maschinen koordinieren sowie Saat- und Düngepro-
zesse optimieren.
Das smarte Ökosystem basiert nicht auf einer Komponente alleine, sondern zeichnet sich
durch die Vernetzung unterschiedlicher Objekte, Services und Leistungseigenschaften
aus. Im nachfolgenden Schaubild sind die dazugehörigen Aspekte eines Smart-Service-
Ökosystems abgebildet und werden nun detailliert erläutert.

Digitale Serviceplattform

Automatisierung
Leistungsoptimierung
Steuerung und Kontrolle

Monitoring

Datensammlung

Smarte
Objekte

Abbildung 3: Smart-Service-Ökosystem
(Quelle: in Anlehnung an Porter/Heppelmann 2014, S. 70)
Smart Services ± Analyse von strategischen und operativen Auswirkungen 171

2.1 Digitale Plattform


Die digitale Plattform ist das zentrale Element des smarten Ökosystems. Die Plattform
dient als virtuelle Schnittstelle zwischen Unternehmen und Kunden und bildet den online
Marktplatz, auf dem Transaktionen getätigt und Informationen ausgetauscht werden. Neh-
men wir das Eingangsbeispiel von Airbnb. Airbnb nutzt eine digitale Plattform, um Zim-
mer, Wohnungen und Häuser zwischen Anbietern und Kunden zu vermitteln. Hier werden
Informationen zu den Angeboten bereitgestellt, die Kommunikation zwischen Anbieter
und Kunden ermöglicht und die Bezahlung abgewickelt. Plattformen haben sich als domi-
nantes Design digitaler Geschäftsmodelle durchgesetzt und Betreiber orchestrieren die
Wertschöpfung zwischen den Teilnehmern (VDI 2016). Auch im Industriegüterbereich
vor allem in der Produktion und in der Landwirtschaft bekommen digitale Plattformen
einen immer wichtigeren Stellenwert. Dort werden Maschinenverfügbarkeiten und Eins-
ätze koordiniert, aber auch Verbräuche dokumentiert, Leistungsdaten erfasst und gespei-
chert. Digitale Plattformen profitieren vom Netzwerkeffekt, d. h. mit jedem weiteren Ak-
teur auf der Plattform, steigt der Nutzen für die Teilnehmer. Eine Smart-Farming-
Plattform (vgl. Abbildung 4) vernetzt somit nicht nur Landmaschinen, sondern auch Ge-
treidehändler, Düngemittelhersteller und weitere Dienstleistungsanbieter für einen opti-
malen Ressourceneinsatz (acatech 2015).

Abbildung 4: Smart-Farming-Plattform
(Quelle: acatech 2015, S. 67)

Abbildung 4 spiegelt die Komplexität und Interdependenz der digitalen Smart-Farming-


Plattform wider. Verschiedene Akteure, Objekte, Technologien, Unternehmen und Perso-
nen werden miteinander vernetzt, um den Ressourceneinsatz zu optimieren und Effizienz
zu steigern. Die Anbindung an die digitale Plattform ermöglicht nun die Erbringung von
Smart Services. Die Ausgestaltung der Smart Services wird im nächsten Abschnitt disku-
tiert.
172 Stefanie Paluch

2.2 Vier Leistungsebenen


Durch die Kombination intelligenter Produkte mit Smart-Service-Angeboten, können
Mehrwertleistungen für Anbieter und Kunden in unterschiedlichen Ausbaustufen gene-
riert werden. Diese vier Stufen in Anlehnung an Porter und Heppelmann (2014) werden
im Folgenden erläutert.

2.2.1 Monitoring

Der einfachste Smart-Service-Level umfasst das Monitoring und die Überwachung von
Produktfunktionen und Nutzungsdaten sowie einiger Umweltfaktoren. Dazu tracken diese
Services kontinuierlich Daten und werten diese teilweise aus. Produkte dieser Ausbaustufe
agieren passiv. Durch Sensoren und die Anbindung an externe Datenquellen sind diese
Produkte in der Lage, den Nutzer mit optimierten Informationen zu versorgen. Bei Ab-
weichung von bestimmten definierten Werten können Produkte dieser Ausbaustufe eben-
falls Alarmsignale auslösen. Ein Beispiel für einen sPDUWHQ6HUYLFHGHU$XVEDXVWXIHÄ0R
QLWRULQJ³ LVW HLQ 3XOVPHVVJHUlW 'LHVHV NDQQ EHU HLQHQ EHVWLPPWHQ =HLWUDXP GHQ 3XOV
messen und aufzeichnen sowie bei Überschreitung von definierten Werten einen Alarm
auslösen. Pulsmessgeräte ermöglichen dem Anwender Auswertungen über den eigenen
Pulsverlauf zu erstellen und darauf zu reagieren. Im industriellen Kontext ist das Monito-
ring keine Neuheit mehr, sondern wird bereits seit vielen Jahren zur Überwachung von
Anlagen und Maschinen in Form von Remote Monitoring eingesetzt (Biehl et al. 2004;
Wünderlich et al. 2016).

2.2.2 Steuerung und Kontrolle

Das Monitoring ist Voraussetzung für die zweite Ausbaustufe Smarter Services. Diese
wird als Steuerungs- oder Kontrollstufe bezeichnet. Integrierte Software und Mechanis-
men ermöglichen es auf bestimmte interne oder externe Zustände mit einfachen Handlun-
gen zu reagieren. Häufig können diese Zustände durch den Anwender selbst definiert oder
verändert werden z. B. über das Smartphone oder das Tablet. Als Beispiel für das Kon-
trolllevel können automatisierte Heizungsanlagen genannt werden. Diese messen die
Temperatur im Raum, gegebenenfalls Verbräuche und weitere Leistungsdaten und werden
automatisch aktiv, wenn eine bestimmte vom Nutzer definierte Raumtemperatur über- o-
der unterschritten wird. Ein ähnliches Prinzip wird auch bei intelligenten Licht- oder Über-
wachungssystemen verfolgt. Services, die rund um das private Wohnhaus eingesetzt wer-
GHQVLQGXQWHUGHP%HJULIIÄ6PDUW+RPH³zusammengefasst. Im medizinischen Kontext
wird dieser smarte Kontrollmechanismus bei High-Tech-Geräten wie CTs oder MRTs ein-
gesetzt. Sollten diese Geräte eine gewisse Betriebstemperatur übersteigen, wird automa-
tisch die Kühlung verstärkt oder das Gerät abgeschaltet. Die smarte Steuerung von Objek-
ten führt häufig dazu, dass Servicetechniker für den Einsatz nicht vor Ort sein müssen,
sondern auf die vernetzten Systeme aus der Ferne zugreifen (Paluch 2014).
Smart Services ± Analyse von strategischen und operativen Auswirkungen 173

2.2.3 Leistungsoptimierung

Aufbauend auf dem Monitoring- und Kontroll-Level ist die dritte Ausbaustufe Smarter
Services die Optimierungsfähigkeit. Basierend auf Algorithmen ermöglichen Smart Ser-
vices eine Anpassung und Optimierung der eigenen Handlungsweise an die Umwelt. Er-
möglicht wird dies durch die Sammlung großer Datenmengen (Big Data in Echtzeit oder
historische Daten) und deren Analyse. Neuronale Netze sind mittlerweile in der Lage aus
Datenmengen Informationen zu generieren, bevor überhaupt bekannt ist, welche Informa-
tionen generiert werden sollen. Auf Basis solcher Informationen können Produkte das
Verhalten deutlich optimieren und so Output, Effizienz und Nutzerfreundlichkeit steigern.
Als Produktbeispiel können Fahrstühle angeführt werden, die ihr Fahrverhalten optimie-
ren können. Ein Bürofahrstuhl würde so morgens automatisch in das Erdgeschoss zurück-
kehren, wo morgens die meisten Personen einen Fahrstuhl benötigen würden. Abends
könnte dieser Fahrstuhl dann in den höchstfrequentierten Stockwerken die Personen zum
Ausgangspunkt befördern. Ein anderes Beispiel sind Windturbinen, die ihre Rotorblätter
an die Umgebung anpassen, um die Windenergie zu maximieren. Durch die Analyse von
Echtzeitdaten können Maschinen- oder Systemausfälle minimiert und vor Ort Einsätze
optimiert werden, da sich Servicetechniker besser auf die Einsätze vorbereiten und pas-
sende Ersatzteile vorab bestellen können. Der Einsatz von Smart Services führt dadurch
zu Kosten- und Zeitreduktion für den Anbieter.

2.2.4 Automatisierung

Die letzte Ausbaustufe ist die Automatisierung. Diese kombiniert alle Fähigkeiten der drei
anderen Level und erweitern diese um Autonomie. Bei vollständiger Automatisierung
können smarte Produkt-Service-Bündel völlig losgelöst von menschlichen Interventionen
agieren. Beispiele für diese Ausbaustufe sind autonome Fahrzeuge, die in der Lage sind
völlig eigenständig im Straßenverkehr zu fahren. Die Fahrzeuge berücksichtigen unter-
schiedlichste Informationsquellen, um sicher im Straßenverkehr zu navigieren. Dazu zäh-
len historische Informationen wie Unfallstellen, Verkehrsaufkommen zu bestimmten Zei-
ten oder Straßenverhältnisse. Weiterhin werden über Sensoren die freie Fahrbahn sowie
bestehende Hindernisse erfasst. Durch die Kommunikation mit anderen Fahrzeugen sowie
der Infrastruktur (beispielsweise Ampel- oder Schrankenanlagen) entsteht ein Ökosystem
aus vernetzten Objekten, wodurch die Leistungsfähigkeit der einzelnen Objekte extrem
gesteigert werden kann. Auf diese Weise verfließen die Grenzen zwischen einzelnen Bran-
chen, und Akteure, die zuvor beispielsweise der klassischen Automobilindustrie zuzuord-
nen waren, finden sich plötzlich im Wettbewerb mit Technologiekonzernen. Im industri-
ellen Kontext sind Maschinen in der Lage, basierend auf ihren Leistungsdaten vollständig
autonom zu arbeiten. Die Automatisierung unterstützt insbesondere bei schwer zugängli-
chen Bereichen, bei denen Menschen vor Gefahren (Chemikalien oder Radioaktivität) ge-
schützt werden.
174 Stefanie Paluch

2.3 Smarte Objekte


Letztendlich bilden die smarten Objekte einen wichtigen und integrativen Bestandteil des
Ökosystems. Smart Services in Kombination mit intelligenten Produkten begegnen uns
mittlerweile in fast allen Bereichen unseres Alltags. Beim Smartphone oder der Smart-
watch ist die intelligente Vernetzung bereits am Namen erkennbar. Autos erkennen heute
eigenständig Parklücken und können ohne Unterstützung des Fahrers einparken. Staub-
sauger stellen fest, wann der Boden zu reinigen ist und führen diese Tätigkeiten ohne jeg-
liche Unterstützung des Menschen durch, wobei sie gleichzeitig Hindernisse erkennen und
bei niedrigem Akkustand zur Ladestation zurückfahren. Rund um das Smart Home exis-
tieren Lösungen, die auf intelligente Weise Raumtemperaturen regeln, Kühlschrankbe-
stände auffüllen oder Fenster und Türen verdunkeln und verschließen können. Ermöglicht
werden diese Fähigkeiten durch die intelligente Vernetzung zwischen Objekten und Smart
Services (Rijsdijk/Hultink 2009).
Die Liste smarter Objekte könnte beliebig weitergeführt werden, doch welche Eigenschaf-
ten machen smart oder intelligent? Ist eine Uhr mit Pulsmessung bereits eine Smartwatch
oder ist ein Auto mit Navigationssystem bereits ein intelligentes Fahrzeug? Sechs Dimen-
sionen werden in der Literatur identifiziert und definieren die Ä6PDUWQHVV³ eines Objektes
(vgl. Abbildung 5): Autonomie, Anpassungsfähigkeit, Kooperationsfähigkeit, menschen-
ähnliche Interaktion und Multifunktionalität (Rijsdijk/Hultink 2003; 2009; Rijsdijk et al.
2007).

Autonomie Kooperationsfähigkeit

Anpassungsfähigkeit Menschliche Interaktion


Smarte Objekte

Reaktivität Multifunktionalität

Abbildung 5: Sechs Eigenschaften smarter Objekte


(Quelle: in Anlehnung an Rijsdijk et al. 2007, S. 325)

Autonomie
Autonomie zeichnet sich dadurch aus, dass es Objekte in die Lage versetzt eigenständig
und dabei zielgerichtet zu arbeiten, ohne dass menschliches Eingreifen notwendig ist
(Rijsdijk/Hultink 2009). Dabei beginnen autonome Produkte auf eigene Initiative hin aktiv
Smart Services ± Analyse von strategischen und operativen Auswirkungen 175

zu werden, dabei unterscheidet man vier Stufen der Produktautonomie (Baber/Stanton


1996). Am Beispiel des Automobils lassen sich diese Stufen leichter nachvollziehen:
(1) Manuelles Level: Diese Stufe der Autonomie beschreibt im Grunde herkömmliche
Produkte, die bisher über keine Fähigkeiten der Produktautonomie verfügen besitzen.
Anwender müssen diese Produkte durch eigenen Aufwand bedienen. Dabei haben
Nutzer permanente Kontrolle über das Produkt und erhalten kontinuierlich Feedback.
Am gewählten Beispiel des Automobils beschreibt dies ein Fahrzeug, welches das
ausschließlich durch den Fahrer selber gesteuert und gefahren werden muss. Der Fah-
rer wird lediglich durch einfache Assistenzsysteme wie das Anti-Blockier-System
(ABS) oder das Elektronisches Stabilitätsprogramm (ESP) unterstützt.
(2) Begrenzte Autonomie: Die begrenzte Autonomie zeichnet sich dadurch aus, dass Pro-
dukte Anweisungen und Instruktionen vom Anwender aufnehmen und folgen können.
Dabei folgt das Produkt den Anweisungen nicht blind, sondern ist in der Lage diese
zu filtern bzw. zu optimieren. Bei einem Fahrzeug würde dies einer Ausbaustufe ent-
sprechen, wo ein Tempomat sowie ein Bremskraftverstärker in Notfallsituationen
vorhanden wären.
(3) Kontrollierte Autonomie: Das dritte Level der Autonomie umfasst Objekte, die über
eine aufwändige Sensortechnologie und Informationsverarbeitung verfügen. Diese
basieren auf Smart Services und sind in der Lage eigenständige Entscheidungen zu
treffen. Autos mit dieser Ausbaustufe der Autonomie öffnen beispielsweise die Türen
automatisch, wenn der Fahrer sich dem Fahrzeug nähert, halten automatisch eine ein-
gestellte Geschwindigkeit und bremsen sowie vermeiden Hindernisse ohne, dass ein
Eingreifen von Fahrerseite notwendig ist.
(4) Symbiose: Die höchste Ausbaustufe der Autonomie ist die Symbiose. Nutzer setzen
ein beabsichtigtes Ziel und das Objekt erfüllt dieses autonom. Am Beispiel des Autos
verdeutlicht, gibt der Fahrer lediglich das Fahrziel an das Fahrzeug weiter und dieses
ist in der Lage völlig eigenständig und ohne Eingreifen des Fahrers an das definierte
Ziel zu fahren. Der Fahrer kann sich während der Fahrt mit völlig anderen Dingen
beschäftigen.

Anpassungsfähigkeit
Lernfähige Objekte sind in der Lage das eigene Verhalten an die Situation und die Umwelt
anzupassen. Intelligente Smart-Service-Objekte erlangen diese Fähigkeit durch das Spei-
chern von Informationen über einen Zeitraum und die anschließende Verarbeitung dieser
Daten durch Algorithmen. Aus diesen Informationen wird ein internes Modell der Umwelt
erstellt, welches in komplexen Situationen zur Entscheidungsfindung herangezogen wird
(Rijsdijk et al. 2007). Smarte Produkte erlernen neue Verhaltensweisen und Ansätze, in-
dem sie den Nutzer beobachten und seine Handlungsweisen imitieren, dabei ein bewer-
tendes Feedback erhalten, explizite Anweisungen vom Nutzer erhalten sowie das aktive
Erfragen von Handlungsweisen beim Nutzer bzw. anderen smarten Produkten
176 Stefanie Paluch

(Nwana/Ndumu 1997). Ein beeindruckendes Beispiel für lernfähige Produkte ist der
Google Computer AlphaGo. Dieser Computer hat im März dieses Jahres Lee Sedol, einen
GHUZHOWEHVWHQ6SLHOHULP6SLHOÄ*R³JHVFKODJHQÄ*R³ZLUGDOs eines der komplexesten
6SLHOH GHU :HOW JHVHKHQ ,P 9HUJOHLFK ]XP 6FKDFKVSLHO VLQG EHL Ä*R³ GHXWOLFK PHKU
Spielpositionen möglich (Schach: ~2x1040 (Steinerberger 2015); Go:
2,08168199382×10170 (Tromp 2016))VRGDVVÄ*R³DOVHLQHGHUOHW]WHQ,QVWDQ]HQJHVHKHQ
wurde, worin der Mensch dem Computer noch überlegen ist. Der Sieg für AlphaGo ba-
sierte letztendlich auf einem innovativen Ansatz, der Systemen eine gesteigerte Lernfä-
higkeit ermöglicht. Dazu zählte die Nutzung von neuronalen Netzen sowie der Suchbaum-
methodik. Das System wurde mit vorhanden Erfahrungen sowie Algorithmen ausgestattet.
Der Erfolgsfaktor bestand allerdings in der Fähigkeit des eigenständigen Lernens (Silver
et al. 2016). Durch das permanente Ausspielen von Go-Partien gegen sich selbst, war Al-
phaGo in der Lage von sich selbst zu lernen sowie die Gründe für gewonnene und verlo-
rene Partien zu reflektieren. Ein weiteres Beispiel sind vernetzte Thermostate, sie spei-
chern kontinuierlich Daten, um, wenn eine Temperatur eingestellt wird, auf Basis dieser
Daten die Konfiguration vorzunehmen.

Reaktivität
Genau wie die Lernfähigkeit bezieht sich die Reaktivität auf die Anpassung des Produkt-
verhaltens an die Umwelt (Bradshaw 1997). Der Unterschied zur Lernfähigkeit besteht in
der Spontanität der Verhaltensanpassung. Zur Reaktivität wird kein internes Modell er-
stellt, das auf gesammelten Informationen beruht. Vielmehr reagiert das Produkt auf Sti-
mulus bzw. definierte Umweltzustände spontan (Rijsdijk et al. 2007). Als Beispiel für eine
solche Verhaltensanpassung kann ein Fahrzeug angeführt werden, das bei einem erkann-
ten Hindernis automatisch bremst, die Geschwindigkeit anpasst und gegebenenfalls ein
Ausweichmanöver einleitet. Weitere Beispiele sind smarte Heizungskörper, die sich bei
einer definierten Temperatur automatisch ein- oder ausschalten, oder Telefone, die bei
einer bestimmten Lichtgebung, automatisch die Displaybeleuchtung anpassen. Anhand
der Beispiele wird ersichtlich, dass sich das Produktverhalten nicht durch sich wiederho-
lende Muster ändert, sondern bereits im Voraus definiert bzw. programmiert ist. Dennoch
können Nutzer Einfluss auf die Reaktivität nehmen, beispielsweise indem die Temperatur
geändert wird, bei der Heizkörper automatisch ein- und ausgeschaltet werden. Die Reak-
tivität steht somit auch in einem engen Zusammenhang zur Lernfähigkeit. Grundsätzlich
gilt eine enge Verknüpfung zwischen allen sechs Eigenschaften, die nur im Verbund ein
smartes bzw. intelligentes Produkt-Service-Bündel ergeben.

Kooperationsfähigkeit
Die Kooperationsfähigkeit wird ermöglicht durch Kommunikationskomponenten zu de-
nen Antennen, Sensoren, Bluetooth- oder Infrarot-Schnittstellen oder auch Kommunika-
tionsprotokolle gehören. Produkte kooperieren miteinander, um ein gemeinsames Ziel zu
erreichen (Rijsdijk et al. 2007). Die Kooperationsfähigkeit ist jene Eigenschaft, wodurch
die Produktintelligenz in einem Ökosystem exponentiell gesteigert werden kann. Durch
Smart Services ± Analyse von strategischen und operativen Auswirkungen 177

die Kooperationsfähigkeit gelingt der Austausch von Daten und Informationen, sodass
Produkte im Zusammenhang mit der Anpassungsfähigkeit auf deutlich größere Informa-
tionsmengen zurückgreifen können und auf diese Weise ein deutlich genaueres Abbild der
Umwelt erstellen können. Großen Mehrwert bietet die Kooperationsfähigkeit beispiels-
weise im Straßenverkehr. Durch die Inter-Car-Communication tauschen Fahrzeuge ge-
genseitig Informationen über Geschwindigkeiten und Fahrmanöver sowie Gefahrenstellen
und Straßenverhältnisse aus. Hinzu kommt die Kommunikation mit der gegebenen Infra-
struktur (z. B. Ampelsystem). So können beispielsweise Rot- und Grün-Phasen dem Fahr-
zeug und Fahrer mitgeteilt werden. Auf diese Weise können Verkehrssicherheit und -ef-
fizienz deutlich gesteigert werden und Technologien wie das autonome Fahren werden
dadurch erst möglich. Die Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit in einem Öko-
system stellt einen entscheidenden Aspekt für den Mehrwert smarter Produkte und Ser-
vices dar.

Menschenähnliche Interaktion
Durch die zunehmende Adaption und Verbreitung von vernetzten Objekten spielt auch die
Mensch-Maschine-Interaktion eine immer größere Rolle (Breazeal/Aryananda 2002). Ein
entscheidender Faktor dabei ist die Zuteilung menschlicher Attribute zu technischen Pro-
dukten, der so genannten Anthropomorphismus. Dabei ist nicht nur die Zuteilung von
menschlichen Erscheinungsformen wie Gesicht oder Köper gemeint, sondern insbeson-
dere menschenähnliches Gedächtnis oder Denke und Fühlen. So wurde gezeigt, dass Ma-
schinen vertrauenswürdiger und positiver von Nutzern wahrgenommen werden, je höher
der Grad an Anthropomorphismus ist (Waytz et al. 2014; Lankton et al. 2015; Lee et al.
2015). Smarte Objekte sind in der Lage gesprochene Sprache zu verstehen und zu verar-
beiten sowie eigene Sprache zu produzieren, was diese Produkte in die Lage versetzt in
menschenähnlicher Weise mit den Nutzern zu kommunizieren (Bradshaw 1997). De Graaf
und Allouch (2013) zeigen, dass soziale Roboter insbesondere dann akzeptiert werden,
wenn die Variablen der Nützlichkeit, Anpassbarkeit, Freude, Geselligkeit, Gemeinschaft
und wahrgenommene Verhaltenskontrolle gegeben waren. Erstaunlich ist, dass insbeson-
dere hedonistische Faktoren wie beispielsweise Gemeinschaft, die Akzeptanz von sozialen
Robotern steigern (De Graaf/Allouch 2013).

Multifunktionalität
Multifunktionalität beschreibt das Phänomen, dass Produkte durch die Ausstattung mit
Informationstechnologie heute häufig verschiedene Aufgaben erfüllen können (Rijs-
dijk/Hultink 2009). Smarte Produkte bieten neben ihren primären Funktionen auch weitere
Smart Services an. Ein Smartphone wird heute zu großen Teilen nicht mehr nur zum Te-
lefonieren und versenden von Textnachrichten genutzt. Die Multifunktionalität des Smart-
phones ermöglicht Tätigkeiten wie das Schreiben von E-Mails, die Teilnahme an sozialen
Medien, die Navigation in unterschiedlichen Verkehrsmitteln oder das Aufnehmen von
Fotos oder Videos. Ähnliches gilt für das Automobil, wo neben der Fahrfunktion E-Mails
178 Stefanie Paluch

und Textnachrichten verfasst werden können. Auch smarte Haushaltsgeräte sind teilweise
mit Multifunktionalität ausgestattet. So übernehmen beispielsweise Kühlschränke neben
der reinen Kühlfunktion auch die Aufgabe automatisch Lebensmittel zu bestellen, ohne
dass der Nutzer aktiv werden muss. Die Küchenmaschine Thermomix® kann neben mixen
rühren und kochen auch digitale Rezepte, die auf einem Rezepte-Chip gespeichert sind,
auslesen und die Kochanweisungen ausführen. Smarte Objekte in Kombination mit Smart
Services eröffnen Anwendern neue Möglichkeiten Produkte zu nutzen oder mit Ihnen zu
interagieren. So können beispielsweise auch Nicht-Köche durch die Nutzung einer intel-
ligenten Küchenmaschine ganze Menüs kochen.

2.4 Big und Smart Data


Ein kontinuierlicher Prozess im Smart-Service-Ökosystem ist die Sammlung von Infor-
mationen und Daten. Durch die intelligente Vernetzung zwischen den Akteuren sowie von
Maschinen und Produkten entsteht eine Vielzahl an Nutzungs-, Leistungs- oder Ver-
brauchsdaten, die virtuell in großen Mengen gesammelt, gespeichert und in der Praxis
unter dem Begriff ÄBig Data³ zusammengefasst werden. Charakterisiert wird Big Data
durch die GUHL9¶V: Volume, also die Menge der Daten, Velocity, die Schnelligkeit mit der
die Daten analysiert werden und Variety, die Varietät der Daten (Russom 2011). Doch die
Datensammlung alleine reicht nicht aus, um einen Mehrwert zu generieren. Erst die sys-
tematische Analyse auf Basis von Algorithmen und das Verstehen der Informationen lässt
Smart Data entstehen (vgl. Abbildung 6). Aus Marketingperspektive haben smarte Daten
weitreichende Implikationen. Smarte Daten zeigen dem Anbieter welche Funktionen sei-
nes Produktes, für welchen Anlass und in welchem Ausmaß genutzt werden, sodass er
anhand von Verhaltensmustern spezifische Kundensegmente ableiten kann. Diese neuen
Segmente werden dann mit individualisierten und bedarfsgerechten Produkten und
Dienstleistungen versorgt. Die starke Ausrichtung am Kunden lässt die Kundenbeziehung
intensiver werden. Ausgelöst durch Big und Smart-Data-Analyse können nun auch Inno-
vationen entstehen, die wiederum bedarfsspezifisch auf Kundenbedürfnisse ausgerichtet
sind und etwa zur Planung, Prognose und Leistungsoptimierung eingesetzt werden. Auch
neue kundenspezifische Produktinnovationen können auf Basis von Smart Data entstehen.
Gekennzeichnet durch kurze Entwicklungszeiten wird ein Basisprodukt (ÄMinimal Viable
Product³) geschaffen, das die Mindestanforderungen erfüllt und gemeinsam mit dem Kun-
den und weiteren Nutzungsdaten iterativ weiterentwickelt wird (VDI 2016).
Smart Services ± Analyse von strategischen und operativen Auswirkungen 179

Smarte
Objekte Big/Smart Data Smart Services

Abbildung 6: Von Smarten Objekten zu Smart Services

Das Smart-Service-Ökosystem bildet die komplexen Zusammenhänge zwischen Techno-


logie, Smart Services und intelligenten Objekten ab. Darüber hinaus wird deutlich, dass
durch die digitale Vernetzung Kunden und Unternehmen stärker kollaborieren lässt und
der Kunde immer stärker in den Fokus rückt. Das Zusammenspiel von Vernetzung und
smarten Daten ermöglicht es Unternehmen Kundenbedürfnisse besser zu verstehen und
Produkte und Dienstleistungen stärken auf den Kunden und seine individuellen Anforde-
rungen abzustimmen. Das Smart-Service-Ökosystem kann zu einem offenen System wer-
den, das erlaubt weitere Akteure digital einzubinden, um somit den Mehrwert für alle Teil-
nehmer weiter zu steigern.

3. Key Learnings
Die disruptive Veränderung durch die zunehmende intelligente Vernetzung von Objekten
und Dienstleistungen, sowie die Nutzung von digitalen Plattformen fördert die Entstehung
von Smart Services. Der vorliegende Beitrag diskutiert strategische und operative Aus-
wirkungen von Smart Services, nachfolgend sind die Key Learnings zusammengefasst:
Die Digitalisierung lässt Grenzen zwischen smarten Objekten und Dienstleistungen ver-
wischen. Bei Smart Services, die häufig an ein intelligentes Objekt gekoppelt sind, steht
die Schaffung eines Mehrwertes für Kunden und Anbieter im Fokus.
180 Stefanie Paluch

Der Kunde rückt weiter in den Mittelpunkt und bekommt eine aktive Rolle bei der Erstel-
lung von Mehrwertdienstleistungen. Smart Services basieren auf tatsächlichen Nutzungs-
daten und werden dadurch an die Bedürfnisse und Anforderungen entsprechend angepasst.
Das Angebot von Smart Services hat weitreichende Implikationen für das Unternehmen
und erfordert eine Anpassung der strategischen Ausrichtung. Service- und datengetriebene
Geschäftsmodelle, z. %Ä0DscKLQHDVD6HUYLFH³RGHUÄ3RZHU-by-the-+RXU³lösen zuneh-
mend produktgetriebene Geschäftsmodelle ab.
Smart Services sind in ein digitales Ökosystem eingebettet, in dem Objekte über eine IT-
Infrastruktur miteinander vernetzt sind. Durch kontinuierliche Datensammlung und Ana-
lyse, können Smart Services generiert werden, die helfen Entscheidungen und Prozesse zu
optimieren.
Das Smart-Service-Ökosystem kann Akteure branchenübergreifen vernetzten, sodass die
klassische Branchenstruktur aufgelöst wird und Wettbewerber neu definiert werden.
Basierend auf smarten Daten, können personalisierte Services entstehen, die auf die Be-
dürfnisse des Kunden passgenau zugeschnitten sind und Innovationen hervorbringen.
Echtzeitdatenanalyse ermöglicht eine Optimierung von Prozessen und prädiktive Smart
Services.
Smart Services können Unternehmen auch vor neue Herausforderungen stellen. Insbeson-
dere durch die digitale Vernetzung steigt die Risikowahrnehmung bei den Kunden und das
Thema Datensicherheit gewinnt an Bedeutung (Paluch/Wünderlich 2016).
Die Schaffung einer sicheren digitalen Plattform ist eine Grundvoraussetzung für das An-
gebot an Smart Services. Die Automatisierung von Prozessen, bringt jedoch einen Kon-
trollverlust auf Seiten des Kunden mit sich und kann die Akzeptanz beeinflussen (Wünder-
lich et al. 2016).

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Andreas J. Reuschl und Ricarda B. Bouncken

Coworking-Spaces als neue Organisationsform


in der Sharing Economy

1. Problemstellung

2. Sharing Economy
2.1 Grundlagen der Sharing Economy
2.2 Treiber der Sharing Economy
2.3 Prekarisierung von Arbeitsverhältnissen

3. Coworking-Spaces
3.1 Coworking-Spaces als neue Organisationsform
3.2 Konfigurationen von Coworking-Spaces
3.3 Coworking und Coworker

4. Coworking-Spaces in der Sharing Economy


4.1 Spannungsfelder in Coworking-Spaces
4.2 Entwicklungspotenzial von Coworking-Spaces

5. Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

___________________________
Andreas J. Reuschl, M. Sc., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für
Strategisches Management und Organisation an der Universität Bayreuth. Prof. Dr.
Ricarda B. Bouncken ist Inhaberin des Lehrstuhls für Strategisches Management und
Organisation an der Universität Bayreuth.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017


M. Bruhn und K. Hadwich (Hrsg.), Dienstleistungen 4.0,
DOI 10.1007/978-3-658-17552-8_8
1. Problemstellung
Bei der Sharing Economy organisieren Privatpersonen untereinander sowie Unternehmen
untereinander und mit Privatpersonen eine gemeinsame und nachhaltige Nutzung von Gü-
tern und Dienstleistungen über das Internet (Belk 2014; Voeth et al. 2015). Seitdem Un-
ternehmen wie Airbnb und Uber ganze Branchen in Aufruhr versetzten, gewinnt das Kon-
zept der Sharing Economy in Wissenschaft und Wirtschaft zunehmend an Bedeutung
(Cheng 2016). Airbnb zählt mittlerweile zu den weltweit größten Anbietern von Über-
nachtungen und steht im Wettbewerb mit Hotels (Oskam/Boswijk 2016), Uber ist das
größte internationale Kfz-Personenbeförderungsunternehmen und konkurriert mit den
klassischen Taxiunternehmen (Wallsten 2015). Beide Unternehmen bieten ihren Mitglie-
dern ein digitales Netzwerk, um ihre privaten Wohnungen quasi als Hotels und ihre pri-
vaten Fahrzeuge quasi als Taxis zu teilen. Neue Plattformen wie Taskrabbit, Myhammer
oder Zaarly greifen diesen Trend auf und bieten digitale Marktplätze an, auf denen die
Mitglieder alle Arten von Produkten und Dienstleistungen anbieten können.
Die rasante Entwicklung des Internets und die damit verbundene Digitalisierung ermögli-
chen ein gesellschaftliches und ökonomisches Umdenken, das in neue Geschäftsmodelle
und Transaktionsformen münden kann. So wird es ohne wesentliche Transaktionskosten
möglich Güter und Dienstleistungen gemeinschaftlich und nachhaltig zu nutzen (Albors
et al. 2008; Belk 2014). So kann die Sharing Economy auch zunehmend Bereiche integ-
rieren, die zuvor nicht dafür vorgesehen waren (Moehlmann 2015). Die Sharing Economy
und die damit verbundene Digitalisierung bieten jedoch nicht nur große Chancen, sondern
auch große Risiken. So treten Privatpersonen in der Sharing Economy zunehmend als
Selbstständige ohne die unterstützenden Strukturen und die Gemeinschaft eines Unterneh-
mens, ohne festes Einkommen, ohne regulierte Arbeitszeiten und ohne soziale Absiche-
rung auf (Cheng 2014; 2016).
Die Digitalisierung mit ihren vielen Möglichkeiten, aber auch ihrer Isolation hat noch zu
einem neuen Phänomen geführt: Coworking-Spaces. Unternehmen wie Google bauen ge-
zielt Coworking-Spaces auf, um die Zusammenarbeit und Kreativität zu steigern. Gleich-
zeig stellen sich selbstständige Coworking-Space-Anbieter auf, die als Dienstleister Ar-
beitsraum und Gemeinschaft anbieten. Coworking-Spaces bieten im weitesten Sinne eine
Organisationsstruktur für (un-)abhängige Mitglieder, die gemeinschaftlich ihren individu-
ellen Projekten und Aufgaben nachgehen. Coworking-Spaces bieten dabei einen professi-
onellen Interaktionsraum (Internet, Fax, Drucker, Schreibtische, Büros, Konferenzräume)
für effektive Arbeit und einen sozialen Interaktionsraum (Café, Lounge, Kantine, Bar) für
den privaten Austausch und die Gemeinschaftsbildung (Bouncken/Reuschl 2016a).
Coworking-Spaces bieten die Chance, Rigiditäten bei etablierten Unternehmen aufzubre-
chen oder umgekehrt den Mangel an Struktur und Gemeinschaft in der zunehmend digi-
talisierten Wirtschaft bei Freelancern, Start-ups und Inkubatoren auszugleichen.
188 Andreas J. Reuschl und Ricarda B. Bouncken

Ziel dieses Beitrages ist es, das noch sehr junge Feld der Coworking-Spaces als Dienst-
leistungsunternehmen mit verschiedenen Typen vorzustellen und vor dem Hintergrund der
Sharing Economy zu verorten. Dies führt zum Erarbeiten und Aufzeigen von Spannungs-
feldern und Entwicklungspotenzialen. Nachfolgend werden zunächst die Grundlagen der
Sharing Economy, deren Treiber und Risiken diskutiert. Anschließend werden Cowor-
king-Spaces, deren mögliche Ausprägungen und deren Bedeutung in der Sharing Eco-
nomy vorgestellt. Im dritten Teil dieses Beitrages wird schließlich dargestellt, in welchen
Spannungsfeldern sich die Teilnehmer der Sharing Economy bewegen und welches Ent-
wicklungspotenzial Coworking-Spaces haben.

2. Sharing Economy

2.1 Grundlagen der Sharing Economy


Die rasant voranschreitende technologische Entwicklung führt zu auffälligen Veränderun-
gen in traditionellen Wirtschaftsbereichen. Etablierte und renommierte Automobilherstel-
ler beginnen Car-Sharing-Formate zu gründen, wie z. B. DriveNow von BMW oder
Car2Go von Daimler (Voeth et al. 2015). Car-Sharing ermöglicht es, auf den Kauf eines
Fahrzeuges zu verzichten und nur für dessen Nutzung zu bezahlen. Automobilhersteller
wandeln sich dadurch von reinen Industrieunternehmen zu Dienstleistern für Mobilität
(Cohen/Kietzmann 2014). Auch klassische Mobilitätsdienstleister wie Taxi-Unternehmen
sind vom Einfluss der technologischen Entwicklung betroffen, alleine Uber hat den ge-
samten Markt aufgerollt (Wallsten 2015). Uber besitzt dabei kein einziges eigenes Fahr-
zeug, sondern bietet lediglich eine Applikation, die es den Besitzern von Smartphones
erlaubt, das eigene Fahrzeug als Taxi zu nutzen und andere Teilnehmer im Netzwerk von
Uber bei Bedarf zu befördern. Ein weiteres prominentes Beispiel in diesem Kontext ist
Airbnb, ein internetbasiertes Netzwerk, das den Mitgliedern erlaubt Wohnraum zu teilen.
Das bedeutet, dass eine Wohnung, ein Zimmer oder auch nur eine Schlafgelegenheit von
Mitgliedern im Netzwerk von Airbnb angeboten bzw. gebucht werden kann. Die Erfolgs-
bilanz von Airbnb ist dramatisch: Eine internetbasierte Applikation tritt in Konkurrenz zur
gesamten Hotelindustrie (Oskam/Boswijk 2016).
Zahlreiche wissenschaftliche Beiträge betrachten diesen Wandel in der Gesellschaft und
GHU:LUWVFKDIWXQGHUIDVVHQLKQXQWHUGHP%HJULIIÄSharing Economy³(Voeth et al. 2015).
Die Sharing Economy umfasst alle direkten Aktivitäten zwischen gleichgestellten Mit-
gliedern eines internetbasierten Netzwerkes (Peer to Peer), die dazu dienen, den Zugang
zu Gütern und Dienstleistungen zu gewähren, zu erhalten oder zu teilen (Hamari et al.
2015). Die Sharing Economy geht weit über das Teilen von Fahrzeugen und Wohnraum
hinaus. Grundsätzlich können alle Produkte und Güter zu einem Teil der Sharing Economy
werden, deren Nutzung über das Internet koordinierbar ist (Belk 2014). Selbst die Produk-
Coworking-Spaces als neue Organisationsform in der Sharing Economy 189

tionsanlagen von etablierten Unternehmen und damit vorhandene und gegebenenfalls un-
genutzte Produktionskapazitäten könnten zu einem Teil der (professionellen) Sharing
Economy werden, da sie im Rahmen der Entwicklung hin zur Industrie 4.0 sukzessive in
das Internet eingebunden werden (Lee et al. 2015). Große Computerhersteller wie Apple
und Dell versuchen bereits, anstelle eigener Produktionskapazitäten die Produktionskapa-
zitäten von Foxconn zu nutzen (Chan et al. 2013).
Eng damit verbunden sind Crowdsourcing Vorhaben, bei der sich eine Gruppe von Men-
schen über das Internet vernetzt und ein gemeinsames Vorhaben durch die Verbindung
der individuellen Ressourcen realisiert (Estellés-Arolas/González-Ladrón-de-Guevara
2012). Hierzu zählen Crowdfunding Vorhaben, bei denen Privatpersonen ihre finanziellen
Ressourcen verbinden, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen oder ein Projekt zu verwirk-
lichen (Belleflamme et al. 2014). Crowdsourcing kann sich jedoch auch auf die Verbin-
dung von individuellen geistigen Kapazitäten erstrecken, beispielsweise durch Ideenwett-
bewerbe (Poetz/Schreier 2012).
Die Sharing Economy besetzt dabei längst keine Nische mehr. Es gibt bereits etablierte
Modelle zum Teilen von Unterhaltungsmedien, Mobilität, Wohnraum und Versuche, wei-
tere Produkte und Dienstleistung wie Computer, Internetverbindungen, Kinderbetreuung
und sogar Nahrung zu teilen (Bardhi/Eckhardt 2012; Cohen/Kietzmann 2014; Zervas et
al. 2015; Hartl et al. 2016). Lamberton und Rose (2012) gehen davon aus, dass die Sharing
Economy bereits 2010 einen Gesamtwert von über 100 Mrd. USD überschritten hat und
weiter wachsen wird. Für eine mögliche weitere Differenzierung von Aktivitäten hinsicht-
lich eines teilenden (ÄSharing³), über soziale Medien vermittelnden (ÄSocial Commerce³)
oder gemeinschaftlich verwertenden (ÄCollaborative Consumption³) Charakters
(Wang/Zhang 2012; Belk 2014; Hartl et al. 2016) wird an dieser Stelle auf die entspre-
chende Literatur verwiesen (Cheng 2016).

2.2 Treiber der Sharing Economy


Moehlmann (2015) schlägt eine Differenzierung nach technologischen, ökonomischen
und gesellschaftlichen Treibern der Sharing Economy vor (vgl. Abbildung 1).

Technologie
Um Produkte oder Dienstleistungen in die Sharing Economy zu integrieren muss deren
Nutzung über das Internet steuerbar sein (Belk 2014). Die Entwicklung des Internet 2.0
und die zunehmende Digitalisierung hat wesentlich dazu beigetragen, dass Individuen auf
Internetplattformen eigene Inhalte zur Verfügung stellen und tauschen können und letzt-
lich Technologien zur Steuerung der Nutzung von Produkten und Dienstleistungen mög-
lich wurden (Hamari et al. 2015). Die zunehmend rasante Ausbreitung des Internets
190 Andreas J. Reuschl und Ricarda B. Bouncken

Gesellschaftlich Ökonomisch

Die Treiber der


Sharing
Economy

Technologisch

Abbildung 1: Treiber der Sharing Economy

wird dadurch zum primären Treiber des Internets. Albors et al. (2008) stellen beispiels-
weise dar, wie sich die Entwicklung des Internets auf die mögliche Nutzungsvielfalt aus-
gewirkt hat, von den Anfängen bis hin zu den ersten Ansätzen der Entwicklung künstlicher
Intelligenz. Das Internet ist mittlerweile fast überall, zu fast jeder Zeit, auf fast allen Ge-
räten verfügbar. Unternehmen der Sharing Economy arbeiten daran die Verfügbarkeit des
Internet noch weiter zu steigern. So bietet das Unternehmen Fon (www.fon.com) bei-
spielsweise ein Netzwerk in dem die Mitglieder sich gegenseitig Zugang zu den eigenen
WLAN-Netzwerken gewähren. Die jüngste Entwicklung hin zur Industrie 4.0 wird die
Ausdehnung noch zusätzlich beschleunigen, da sogar Produktionsstätten und deren Kapa-
zitäten in die Sharing Economy eingegliedert werden können (Lee et al. 2015). Darüber
hinaus ist anzunehmen, dass das Internet auch etablierte Unternehmen nachhaltig verän-
dern wird. So können der vereinfachte Informationsaustausch, die verbesserte Ressour-
censteuerung, die Koordination von Prozessen oder reduzierte Transaktionskosten im All-
gemeinen zu einer Auflösung organisationaler Grenzen führen (Afuah 2003). Sharing-
Initiativen sind allerdings kein Ergebnis der Digitalisierung. Bereits im Jahre 1963 wurde
das Unternehmen Hapimag (www.hapimag.com) gegründet. Hier schließen sich Privat-
leute zusammen, um gemeinsam Ferienwohnungen oder Nutzungsrechte an diesen zu er-
stehen und diese bei Bedarf zu nutzen. Die gemeinsame Nutzung von Immobilien ist je-
doch relativ einfach, da sie langfristig planbar ist. Die gemeinsame Nutzung von
Fahrzeugen, deren Standort sich verändert und die auch kurzfristig ungeplant benötigt
werden, ist ungleich schwieriger und wird erst durch deren internetbasierte Steuerung
möglich. Erst die Verfügbarkeit von Applikationen auf Smartphones, die eine Echtzeit-
Kommunikation und den permanenten Datenaustausch ermöglichen, lassen selbst die In-
tegration von Mobilität, Kleidung, Dienstleistungen und sogar Nahrungsmitteln in die
Sharing Economy zu (Belk 2014).
Coworking-Spaces als neue Organisationsform in der Sharing Economy 191

Ökonomie
Die bloße Verfügbarkeit einer Technologie reicht jedoch nicht aus, um deren Durchset-
zung auf einem Markt zu erklären. Belk (2014) geht davon aus, dass Konsumenten durch
die Finanzkrise eine erhöhte Preissensibilität entwickelt haben und verstärkt darauf ach-
ten, wo der Erwerb von Eigentum notwendig ist. Insbesondere die aufkommenden Car-
Sharing-Konzepte verdeutlichen dies. Die Haltung von Fahrzeugen ist mit kontinuierli-
chen Kosten für unter anderem Versicherung, Wartung, Parkplätze und Reparaturen ver-
bunden. Fahrzeuge werden jedoch nicht durchgehend genutzt und könnten in den Stand-
zeiten gegen ein Entgelt an andere Personen verliehen werden. Diese Optimierung der
Kapazitätsauslastung und die damit verbundenen ökonomischen Vorteile ermöglichen
sich Car-Sharing-Anbieter (Cohen/Kietzmann 2014). Gleiches gilt für ungenutzten Wohn-
raum, der mit anderen geteilt werden kann (Oskam/Boswijk 2016) und sogar Nahrung
kann in Netzwerken zum Tausch angeboten werden, wenn sie selbst nicht mehr verzehrt
wird.

Gesellschaft
Die ökonomischen und technologischen Treiber tragen jedoch auch zu einer gesellschaft-
lichen Veränderung bei. So zeigen Studien, dass sich das Konsumverhalten insgesamt ver-
ändert hat und sich eine Form von bewusstem, nachhaltigem und umweltverträglichem
Konsum entwickelt (Albinsson/Yasanthi Perera 2012). Darüber hinaus ist das Teilen von
Produkten, Dienstleistungen oder Ressourcen im Allgemeinen nicht nur der Versuch, die
eigene ökonomische Situation (Hamari et al. 2015) oder die Umweltbedingungen
(Cohen/Kietzmann 2014) zu verbessern. Teilen wird viel mehr zu einem Ausdruck eines
neuen Lebensstils, bei dem sich Individuen nicht über ihr Eigentum, sondern über Mög-
lichkeiten zur Nutzung von Produkten oder Dienstleistungen definieren (Bardhi/Eckhardt
2012; Belk 2014). Bray et al. (2011) beschäftigten sich in einer qualitativen Studie mit der
Frage, warum nachhaltiger und bewusster ± und damit ethischer Konsum zunehmend ge-
wünscht aber nicht umgesetzt wird. Die Ergebnisse der Autoren zeigen, dass eine Reihe
von Einflussfaktoren entscheiden, ob das Vorhaben zu ethischem Konsum auch tatsäch-
lich bei der Kaufentscheidung umgesetzt wird. Die Autoren gehen davon aus, dass unter
anderem der Preis, der notwendige Aufwand, die Verfügbarkeit von Informationen und
die mögliche positive Erfahrung darüber entscheiden, ob eine ethische Kaufentscheidung
getroffen wird oder nicht. Die Möglichkeiten der Sharing Economy haben einen positiven
Impuls auf die Fähigkeit zu ethischem Handeln, da die Informationsverfügbarkeit steigt,
die Preise durch das Teilen fallen, die Transaktion durch Applikationen stark vereinfacht
werden und das Teilen durch die Gemeinschaft eine positive Erfahrung wird. Insgesamt
könnte durch die Sharing Economy ein Umdenken eingeleitet werden, das ein Bedürfnis
nach Eigentum durch das Bedürfnis nach Nutzungsmöglichkeiten und -rechten ersetzt
(Belk 2014).
192 Andreas J. Reuschl und Ricarda B. Bouncken

2.3 Prekarisierung von Arbeitsverhältnissen


Die wissenschaftliche sowie die praxisnahe Literatur betrachten in erster Linie die positi-
ven Effekte der Sharing Economy. So wird betont, dass die Sharing Economy Zugang zu
teuren Gütern und Leistungen erlaubt, die den meisten privaten Verbrauchern ansonsten
unzugänglich wären, oder dass finanzielle Mittel durch den Verzicht auf ein eigenes Fahr-
zeug gespart und auf andere Ressourcen verwendet werden können. Es entsteht ein idea-
lisiertes Bild der Sharing Economy als aktives System von Individuen, die ethisch und
nachhaltig konsumieren (Albinsson/Yasanthi Perera 2012), sich in kreativen und innova-
tiven Gemeinschaften organisieren (Franke/Shah 2003) und durch das Teilen eigener Res-
sourcen wie Wohnraum auch finanziell profitieren (Oskam/Boswijk 2016). Um ein voll-
ständiges Bild der Sharing Economy zu zeigen, ist es notwendig auch die Risiken
darzustellen.
Airbnb bietet sehr klare und nachvollziehbare Vorteile für die Nachfrager und die Anbieter
von Wohnraum im Netzwerk. Für die Nachfrager wird es möglich, eine günstige oder
alternative Unterkunft in beliebten Reisezielen zu mieten. Für die Anbieter wird es mög-
lich, ungenutzten Wohnraum kurzfristig anzubieten, flexibel zu vermieten und damit Er-
löse bzw. ein Zusatzeinkommen zu generieren. Im Gegensatz zur Hotelindustrie erzeugt
Airbnb jedoch typischerweise keinen zusätzlichen Wohnraum, sondern führt privaten
Wohnraum der touristischen Nutzung zu (Oskam/Boswijk 2016). Dies führt dazu, dass
private Personen und Familien bei der Wohnungssuche plötzlich mit Touristen in Kon-
NXUUHQ]VWHKHQXQGGHU0LHWSUHLVLQGLH+|KHJHWULHEHQZLUG'LH,QWHUQHWVHLWHÄ$LUEQE
gegen Berlin³ http://airbnbvsberlin.de) verdeutlicht dies mittels einer Übersicht über
Power-8VHUYRQ$LUEQE6RELHWHWHLQÄ0DUWLQ³LQ%HUOLQLQVJHVDPW:RKQXQJHQDQ
HLQÄ%HQ³ELHWHWPHKUDOV:RKQXQJHQDQXQGHLQHÄ&ODLUH³PHKUDOV:RKQXQJHQ
Die Idee von Airbnb, privaten Wohnraum zu teilen, wurde hier offensichtlich in ein kom-
merzielles Geschäftsmodell überführt.
Während Airbnb die Risiken der Sharing Economy anhand der integrierten Objekte zeigt,
kann Uber einen Einblick in die Risiken für die Anbieter dieser Objekte oder Leistungen
geben. Uber bietet eine Applikation für mobile Endgeräte an, die es den Nutzern erlaubt,
sich als Fahrgast oder als Fahrer anzumelden. Ein angemeldeter Fahrgast kann den Auf-
trag für eine Beförderung in die Applikation eingeben. Ein beliebiger Fahrer kann diesen
Auftrag annehmen, den Fahrgast mit dem privaten Fahrzeug abholen und zum gewünsch-
ten Ziel befördern. Der Fahrgast bezahlt den Fahrer für diese Fahrt und Uber erhält eine
Provision für die Vermittlung zwischen Fahrer und Fahrgast. Uber ist mit diesem Ge-
schäftsmodell überaus erfolgreich und stellt einen bedeutenden Konkurrenten für die Ta-
xibranche dar, ohne ein einziges Auto zu besitzen (Wallsten 2015). Die rechtlichen Her-
ausforderungen von Uber werden bereits diskutiert, insbesondere die Notwendigkeit neue
Regulierungen für diese Form der Mobilitätsdienstleistungen zu finden
(Cohen/Kietzmann 2014). Die privaten Risiken der Fahrer finden jedoch weniger Beach-
tung. Wallsten (2015) stellt beispielsweise auf Basis einer Studie von Uber fest, dass die
meisten Fahrer zu Zeiten für Uber arbeiten, zu denen sie sonst nicht arbeiten würden.
Coworking-Spaces als neue Organisationsform in der Sharing Economy 193

Die Sharing Economy befindet sich noch im Wachstum und integriert sukzessive weitere
Dienstleistungsbereiche (Moehlmann 2015). Der Anbieter Taskrabbit (http://task-
rabbit.com) bietet beispielsweise bereits jetzt eine Plattform an, auf der jegliche Art von
Dienstleistung angeboten werden kann. Dabei entsteht eine gefährliche Situation. Anbie-
ter wie Uber, Airbnb oder Taskrabbit treten auf dem Markt als bloße Vermittler zwischen
Angebot und Nachfrage auf, sie entziehen sich damit einer direkten Verantwortung für die
rechtlich selbstständigen Anbieter, profitieren jedoch von deren Leistung, indem teilweise
strenge Regularien zu Ausführung und Bezahlung der Leistung bestehen (Prassl/Risak
2016). Es gibt im Gegenzug jedoch keine Schutzmechanismen wie feste Arbeitszeiten,
Urlaubsanspruch oder Qualitätssicherungsmechanismen ± abgesehen von den Bewertun-
gen anderer Mitglieder im jeweiligen Netzwerk. Bislang fehlen auch staatliche Mechanis-
men für den Fall, dass ein gesamtes System wie Uber oder Airbnb ausfällt
(Cohen/Kietzmann 2014) und damit unzählige (Zusatz-)Einkommen verschwinden.
Die Sharing Economy bedarf daher letztlich nicht nur der Entwicklung neuer oder besserer
Informations- und Kommunikationstechnologien (Cohen/Sundararajan 2015), der Unter-
suchung von Geschäftsmodellen (Cohen/Kietzmann 2014) oder der Regulierung von Ei-
gentum (Hartl et al. 2016). Eine nachhaltige Entwicklung darf die Individuen bzw. die
auch ökonomisch-sozial agierenden Selbstständigen oder Privatpersonen nicht vernach-
lässigen, deren Leistungen das Fundament der Sharing Economy bilden. Diese Individuen
profitieren nicht nur von neuen Einkommensquellen, sondern leiden auch unter ungere-
gelten Einnahmequellen bzw. Arbeitszeiten und einem Mangel an sozialer Sicherheit
(Schor/Fitzmaurice 2015). Darüber hinaus ist anzunehmen, dass die Sharing Economy in
erster Linie für die gehobene Mittelschicht vorteilhaft ist, die in einem attraktiven urbanen
Kontext lebt, über ausreichend Bildung zum Umgang mit Informations- und Kommuni-
kationstechnologien oder über das entsprechende Eigentum zur Integration in die Sharing
Economy verfügt (Cheng 2014; 2016).
Martin (2016) zeigt, dass die Sharing Economy das Potenzial hat, zu einer innovativen
und nachhaltigen Gesellschaft beizutragen, die Sharing Economy gegenwärtig jedoch in
erster Linie als neues Geschäftsmodell für mehr kommerziellen Erfolg von Unternehmen
genutzt wird. Bereits heute werden zahlreiche Aufgaben und Aufträge aus Unternehmen
ausgegliedert und an Freelancer, Solo-Selbstständige oder Mikrounternehmen vergeben.
Dieser Trend wird mit der wachsenden Sharing Economy zunehmen und dazu führen, dass
nicht nur neue Unternehmen wie Airbnb, Uber oder Taskrabbit nur noch als Vermittler
von Angebot und Nachfrage auftreten. Auch klassische etablierte Unternehmen können
die Vorteile dieser Entwicklung aufgreifen und eigene Organisationsstrukturen neugestal-
ten.
Das idealisierte Bild der Sharing Economy umfasst nachhaltigen Konsum, die Bildung
von kreativen Communities und ein System von dem alle Teilnehmer profitieren. Es be-
darf der Erforschung neuer Möglichkeiten, um dies in der Realität zu implementieren.
Zudem gilt es zu klären, welche Vorteile der Sharing Economy und der zunehmenden
Digitalisierung auch klassischen Unternehmen zugänglich gemacht werden können und
194 Andreas J. Reuschl und Ricarda B. Bouncken

wie dies umgesetzt werden kann. Evolutionär aus der Praxis heraus und bislang kaum von
der Wissenschaft betrachtet haben sich Coworking-Spaces als neue Organisationsform für
Teilnehmer der Sharing Economy gebildet, die als Selbstständige neben digitaler Vernet-
zung nach realer Gemeinschaft und Strukturen suchen. Nachfolgend werden die theoreti-
schen Grundlagen zu Coworking-Spaces sowie deren Bedeutung in der Sharing Economy
und für digitale Dienstleistungen dargestellt.

3. Coworking-Spaces

3.1 Coworking-Spaces als neue Organisationsform


Der erste Coworking-Space wurde im Jahre 2005 in den USA gegründet als Antwort auf
die Probleme der aufkommenden digitalen Arbeit ohne feste Strukturen für zunehmend
selbstständige Arbeiter, Freelancer und Dienstleister (Foertsch/Cognol 2013). Die Ent-
wicklung seit 2005 ist rasant. Mehr als 500.000 Nutzer arbeiten aktuell in mehr als 2.000
Coworking-Spaces (Johns/Gratton 2013). Während Coworking-Spaces in der Praxis eine
wichtige Rolle spielen, wurden sie in der Forschung bisher nur vereinzelt und vorrangig
aus praktischer Perspektive betrachtet (Pohler 2012; Spinuzzi 2012; Bilandzic/Foth 2013;
Johns/Gratton 2013; Moriset 2014; Gandini 2015). Coworking-Spaces entstehen dabei in
verschiedenen Ausprägungsformen wie z. B. in Bibliotheken (Bilandzic/Foth 2013;
Schopfel et al. 2015), als kreative Gründerzentren im ländlichen Raum (Fuzi 2015) oder
auch als universitärer Interaktionsraum zur Vernetzung aus Wissenschaft und Praxis sowie
zur Stärkung des Unternehmertums bei Studenten (Bouncken 2016). Darüber hinaus bie-
ten auch etablierte Unternehmen Coworking-Spaces für ihre Mitarbeitenden an oder nut-
zen die Angebote der Coworking-Space-Dienstleister.
Selbstständige Coworking-Space-Dienstleister definieren sich durch das Angebot eines
professionellen und eines sozialen Interaktionsraums, in dem die Mitglieder gegen die
Zahlung einer Mitgliedschaftsgebühr Zugang zu Ressourcen und Infrastruktur wie
Schreibtischen, Besprechungsräumen, Internet oder Druckern und gegebenenfalls Dienst-
leistungen wie Schulungen und Trainings erhalten (Bouncken/Reuschl 2016a). So hat ein
Coworking-Space einen ausgewiesenen professionellen Interaktionsraum, in dem an offe-
nen Schreibtischen, in Besprechungsräumen, aber gegebenenfalls auch in geschlossenen
Büroräumen den eigenen Aufgaben alleine oder auch kooperativ nachgegangen werden
kann.
Der Coworking-Space stellt hierzu die notwendige Infrastruktur wie Internetanschluss,
Drucker, Telefon oder Fax, sodass Nutzer nur noch den eigenen Laptop mitbringen müs-
sen (Spinuzzi 2012). Ein Coworking-Space zeichnet sich darüber hinaus dadurch aus, dass
ein sozialer Interaktionsraum verfügbar ist, um neben der Arbeit auch den privaten Aus-
tausch zwischen den Nutzern zu stärken und schließlich eine Gemeinschaft zu bilden
Coworking-Spaces als neue Organisationsform in der Sharing Economy 195

(Garrett et al. 2014). Dieser soziale Interaktionsraum wird oft durch Cafés, Bars oder
durch Lounges erzeugt. Coworking-Spaces bieten ihren Nutzern eine Reihe von Vorteilen
(Spinuzzi 2012; Gandini 2015; Bouncken 2016; Bouncken/Reuschl 2016a; 2016b):
„ Verwaltung: Die Nutzer von Coworking-Spaces müssen keine Verwaltungsaufgaben
übernehmen. Die Organisation der Reinigung, Wartung und auch des Caterings wird
durch den Betreiber des Coworking-Spaces übernommen.
„ Infrastruktur: Die gesamte notwendige Infrastruktur wie Räume, Internet, Drucker,
Telefon, Fax wird durch den Betreiber gestellt. In Abhängigkeit der Spezialisierung
des Coworking-Spaces ist auch vorstellbar, dass spezialisierte Infrastruktur wie 3D-
Drucker zur Erstellung von Produkt-Prototypen oder Unterstützung bei der Erstellung
von Webseiten angeboten wird.
„ Vernetzung: Der soziale Interaktionsraum in Coworking-Spaces dient der Vernetzung
zwischen den Mitgliedern eines Coworking-Spaces. Spezielle Veranstaltungen des
Betreibers (Events für soziale Vernetzung, Vorstellungsrunden, Partys, Freizeitver-
anstaltungen) können dabei helfen, schnell Zugang zu sozialen Kontakten zu erhalten.
Die Vernetzung kann soweit führen, dass eine Gemeinschaft mit gemeinsamen Nor-
men und Werten entsteht.
„ Wissen: Die Mitglieder von Coworking-Spaces können schnellen Zugriff auf das Ex-
pertenwissen von anderen Mitgliedern erhalten. Hierzu könnten klassische Geschäfts-
beziehungen aufgebaut, der Austausch von Fachwissen vereinbart oder einfach ge-
genseitige Unterstützung geleistet werden.
„ Struktur: Coworking-Spaces bieten den Nutzern Struktur durch feste Öffnungszeiten,
die daraus abgeleiteten Kernarbeitszeiten und gegebenenfalls durch den Austausch
mit anderen Nutzern.
Insbesondere im Kontext der Sharing Economy hat die strukturgebende Komponente von
Coworking-Spaces eine große Bedeutung. Coworking-Spaces stellen damit mehr dar als
nur Cafés mit offenem WLAN-Netzwerk oder Gemeinschaftsbüros. Sie bilden eine Meta-
Organisation, welche die Vorteile von autonomer, selbstständiger Arbeit mit den Vorteilen
einer traditionellen Organisation verbindet. In Coworking-Spaces können die Nutzer al-
leine oder gemeinschaftlich ihren Projekten nachgehen, von der organisationalen Infra-
struktur und von den Kontakten zu anderen Nutzern profitieren.

3.2 Konfigurationen von Coworking-Spaces


Coworking-Spaces existieren in sehr unterschiedlichen Ausprägungen. Zunächst kann
beispielsweise das betahaus (http://betahaus.com) in Berlin angeführt werden, das als un-
abhängiger Coworking-Space Arbeitsplätze für internationale Nutzer aus allen Branchen
bietet. Das betahaus bietet den Nutzern Büroräume, verschiedene Veranstaltungen, Schu-
lungen und Trainings, die für Mitglieder frei, für externe Interessenten zugänglich aber
196 Andreas J. Reuschl und Ricarda B. Bouncken

kostenpflichtig sind. Als Gegensatz zu diesem offenen kommerziellen Konzept können


unternehmensinterne Coworking-Spaces angeführt werden, die nur einem geschlossenen
Mitarbeitenden- und gegebenenfalls Kundenkreis geöffnet sind, mit dem Ziel, die Inter-
aktion zu fördern und daraus Vorteile wie eine gesteigerte Kreativität zu erreichen.
Bouncken und Reuschl (2016a) unterscheiden zwischen privaten, öffentlichen und unter-
nehmensinternen Coworking-Spaces:
„ Privat: Unter privaten Betreibern von Coworking-Spaces werden alle Organisationen
zusammengefasst, die den Betrieb eines Coworking-Spaces als primäres Unterneh-
mensziel verfolgen. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist das bereits erwähnte betahaus
in Berlin.
„ Öffentlich: Öffentliche Betreiber von Coworking-Spaces können Universitäten, In-
dustrie- und Handelskammern, aber auch andere Unternehmen sein, die einen Cowor-
king-Space betreiben. Öffentliche Anbieter betreiben den Coworking-Space nicht als
primäres Unternehmensziel, sondern als Zusatzleistung. Zudem ist eine Mitglied-
schaft im Coworking-Space für alle Interessenten ggf. gegen Zahlung einer Mitglied-
schaftsgebühr möglich. Insbesondere universitäre Coworking-Spaces gewinnen an
Bedeutung, um das unternehmerische Denken von Studenten zu fördern und diese
früh mit Unternehmen in Kontakt zu bringen (Bouncken 2016).
„ Unternehmen: Auch Unternehmen können Coworking-Spaces in die eigene Organi-
sation integrieren, um Mitarbeitenden die Interaktion zu erleichtern. Diese Cowor-
king-Spaces sind grundsätzlich nicht für die Öffentlichkeit zugänglich, aber können
auf Einladung des Unternehmens hin auch für Kunden und/oder Partner geöffnet wer-
den.
Neben einer Unterscheidung von Coworking-Spaces anhand der Betreiber ist auch eine
Unterscheidung anhand der jeweiligen Geschäftsmodelle möglich. Ein Geschäftsmodell
beschreibt grundsätzlich, wie ein Unternehmen als Gesamtsystem aufgestellt ist, welchen
Kundennutzen es bietet und wie dieser Nutzen in einem Wertschöpfungssystem erstellt
werden kann (Zott et al. 2011). Bouncken et al. (2016a) schlagen zur Erfassung der Ge-
schäftsmodelle von Coworking-Spaces verschiedene Ebenen vor. Dabei sieht das grund-
sätzliche Geschäftsmodell das Angebot eines professionellen (Schreibtisch, Internet, Dru-
cker, usw.) und eines sozialen Interaktionsraums (Café und Lounge) vor. Auf der zweiten
Ebene kann der angebotene Interaktionsraum auf einen gemeinsamen Wohnraum ausge-
dehnt werden. Erste Angebote dieser Art sind bereits in Asien verfügbar, wo ein Arbeits-
platz in einer Urlaubsregion angeboten wird (https://angkorhub.com) oder beispielsweise
in den USA, wo der Coworking-Space WeWork das Geschäftsmodell zu WeLive
(http://welive.com) erweitert hat. Auf einer dritten Ebene kann das Geschäftsmodell auf
zusätzliche Dienstleistungen wie Trainings, Schulungen oder beispielsweise direkte Bera-
tung für die Findung oder Entwicklung des Geschäftsmodells von Coworking-Nutzern
ausgedehnt werden. Auf der vierten Ebene sehen Bouncken et al. (2016a) letztlich die
Möglichkeit, einen Coworking-Space bis zu einem Plattformanbieter weiterzuentwickeln.
Der Coworking-Space würde neben den Räumen, der Infrastruktur und den zusätzlichen
professionellen und sozialen Dienstleistungen auch die Funktionen eines Kapitalgebers
Coworking-Spaces als neue Organisationsform in der Sharing Economy 197

und eines Inkubators übernehmen oder die stabile Verbindung zu diesen Institutionen her-
stellen. Damit könnte der Coworking-Space ein vollständiges System zur Gründung und
zur Wachstumsbeschleunigung von Start-ups bieten.
Insbesondere in der vierten Ebene der Geschäftsmodell-Förderung können sich die
Grundsätze der Sharing Economy vollständig entfalten. Erreicht der Coworking-Space
und die zugehörige Community beispielsweise die entsprechende kritische Größe, kann
ein Innovation-Ecosystem aufgebaut werden, in dem eine (teilweise) geschlossene Sha-
ring Economy aufgebaut wird. Die Mitglieder dieses Ökosystems erwerben durch ihre
Mitgliedschaft kein Eigentum, sondern Nutzungsrechte. Für eine weiterführende Diskus-
sion von Geschäftsmodellen sei an dieser Stelle auf die einschlägige Literatur verwiesen
(Amit/Zott 2001; 2015; Zott et al. 2011).

3.3 Coworking und Coworker


'HUHQJOLVFKH%HJULIIÄ&RZRUNHU³EH]HLFKQHWJUXQGVlW]OLFKÄMitarbeitende³GLH auf der
gleichen Ebene in einem klassischen hierarchisch organisierten Unternehmen zusammen-
arbeiten. Während dieser Begriff die grundsätzliche Bedeutung von Coworking in Cowor-
king-Spaces erfasst, muss eine Abgrenzung zum klassischen Coworker im Sinne des Mit-
arbeitenden vorgenommen werden. Es ist davon auszugehen, dass Coworking-Spaces in
erster Linie von Freelancern, Entrepreneuren, Solo-Selbstständigen oder Mikrounterneh-
men genutzt werden (Foertsch 2011). Auch für kleine und junge Unternehmen oder bei-
spielsweise Start-ups eignet sich die Nutzung von Coworking-Spaces, unter anderem um
die Kosten für die Einrichtung eines eigenen Büros in der ungewissen Gründungsphase zu
vermeiden.
Wenn sich diese Personen dazu entscheiden einen Coworking-Space zu nutzen, dann
ergibt sich oberflächlich betrachtet ein ähnliches Bild wie in einem Unternehmen: Perso-
nen, die an Schreibtischen in einem Großraumbüro arbeiten, die nach Bedarf Bespre-
chungszimmer oder Konferenzräume nutzen, zusammen zur Mittagspause gehen, in den
Pausen gemeinsam Kaffee trinken, sich austauschen und auch Kunden empfangen. Dabei
besteht jedoch ein fundamentaler Unterschied. All diese Personen präsentieren ein eigenes
(Mikro-)Unternehmen mit eigenen Zielen, Angeboten, Kunden und Geschäftsmodellen.
Dementsprechend ist zu betonen, dass die Nutzer von Coworking-Spaces untereinander
kooperieren, aber auch im Wettbewerb stehen können (Bouncken/Reuschl 2016a; 2016b).
Im Gegensatz zu Mitarbeitenden in hierarchischen Organisationen zeichnen sich die Nut-
zer von Coworking-Spaces durch ein hohes Maß an Autonomie, Selbstständigkeit und
Unabhängigkeit aus. Sie sind weder an die anderen Coworker noch an den Coworking-
Space gebunden und es steht ihnen grundsätzlich frei, den Arbeitsplatz zu wechseln. Wäh-
rend in klassischen Organisationen ein Mindestmaß an beruflicher Interaktion durch den
Arbeitsvertrag und die Einbettung in eine Arbeitsorganisation erforderlich ist, steht dies
den Nutzern von Coworking-Spaces entsprechend der individuellen Ziele frei. Diese Ziele
198 Andreas J. Reuschl und Ricarda B. Bouncken

können mit Rollen korrespondieren. Auf Basis der Rollentypologie von Bilandzic und
Foth (2013) teilen Bouncken und Reuschl (2016b) die Nutzer von Coworking-Spaces in
GLH.DWHJRULHQÄ8WLOL]HU³Ä/HDUQHU³XQGÄ6RFLDOL]HU³HLQ
„ Utilizer: Die erste Kategorie nutzt Coworking-Spacs in erster Linie wegen der vor-
handenen Infrastruktur. Gerade für Freelancer oder Solo-Selbstständige ist der Zu-
gang zu professioneller Infrastruktur mit großen Kosten verbunden. Coworking-
Spaces bieten die Möglichkeit, einen Arbeitsplatz anzumieten, bei Bedarf auch reprä-
sentative Büroräume befristet zu nutzen und Zugang zu spezialisierter Hardware wie
z. B. 3D-Druckern zu erhalten.
„ Learner: Die zweite Kategorie nutzt Coworking-Spaces wegen der vorhandenen Wis-
sensbasis und der Möglichkeit, neues Wissen von anderen Nutzern oder in Work-
shops, Schulungen oder Trainings aufzunehmen. So können die Anbieter oder Nutzer
von Coworking-Spaces verschiedene Formate für Wissenstransfer zwischen einzel-
nen Nutzern oder im Plenum organisieren.
„ Socializer: Die dritte Kategorie setzt auf Coworking-Spaces, um die Möglichkeiten
zur Sozialisierung zu verbessern. So bietet insbesondere der soziale Interaktionsraum
in Coworking-Spaces die Möglichkeit, mit anderen zu interagieren, die in einer ähn-
lichen Situation sind, ein ähnliches Lebensmodell oder andere Gemeinsamkeiten ha-
ben. So können Ratschläge und Feedback ausgetauscht und eigene Vorstellungen be-
stätigt werden.
Aus den Interaktionen der Nutzer eines Coworking-Spaces, deren Zielen und deren Ver-
haltensweisen kann letztlich eine Gemeinschaft entstehen, die über bloße berufliche Ko-
operation hinausgeht und sogar eine eigene lokal-spezifische Coworking-Kultur entwi-
ckeln kann (Garrett et al. 2014). Inwieweit sich eine Kultur ausbildet, hängt jedoch auch
vom Betreiber des Coworking-Spaces und dessen Geschäftsmodell ab.

4. Coworking-Spaces in der Sharing Economy

4.1 Spannungsfelder in Coworking-Spaces


Für Coworking-Spaces als junges Phänomen der Praxis wurde gerade erst der Grundstein
in der betriebswirtschaftlichen Forschung gelegt (Bouncken/Reuschl 2016a; 2016b). Die
grundlegenden Arbeiten zu Coworking-Spaces zeigen jedoch bereits einen deutlichen
Forschungsbedarf auf (Spinuzzi 2012; Bilandzic/Foth 2013; Garrett et al. 2014; Gandini
2015; Schopfel et al. 2015; Bouncken/Reuschl 2016a; 2016b). Zunächst muss untersucht
werden, wie die Arbeit in Coworking-Spaces gestaltet werden kann, um beispielsweise
Kooperationen zu stärken und dabei den Schutz vor unwillentlichem Wissensabfluss zu
Coworking-Spaces als neue Organisationsform in der Sharing Economy 199

gewährleisten (Spinuzzi 2012). Weiterhin muss untersucht werden, wie die unterschiedli-
chen Nutzer von Coworking-Spaces zu einer Coworking-Community verbunden werden
können und welchen Einfluss dies auf die Arbeit hat (Garrett et al. 2014). Neben der Er-
forschung der alltäglichen Arbeits- und Gemeinschaftsroutinen müssen auch die Strate-
gien der Betreiber und Nutzer von Coworking-Spaces untersucht werden, um einen lang-
fristigen Erfolg zu ermöglichen (Bouncken/Reuschl 2016a).
Um Coworking-Spaces im Rahmen der Sharing Economy und der zunehmend digitali-
sierten Arbeitswelt effektiv nutzen zu können, gilt es diesen Forschungsbedarf aufzugrei-
fen und ein tiefergehendes Verständnis für Arbeit in Coworking-Spaces zu erzeugen. Hier-
für eignet sich die Systematisierung in Arbeit, Gemeinschaft und Strategie. Eine feinere
Untergliederung erfolgt anhand von ausgewählten Spannungsfeldern, in denen die Nutzer
von Coworking-Spaces eine eigene Position finden müssen. Für diese Systematisierung
stellen wir in diesem Beitrag jeweils drei Spannungsfelder zu den in Abbildung 2 darge-
stellten Untersuchungsbereichen auf.
Arbeit bezieht sich auf alle Bereiche der routinierten täglichen und professionellen Inter-
aktion. Coworking-Spaces eröffnen Selbstständigen aber auch abhängig Beschäftigten,
die im Home-Office oder in ähnlichen Verhältnissen arbeiten, das Aufbrechen von sozia-
ler Isolation. Die neuen Möglichkeiten der Arbeit in einem Coworking-Space gehen je-
doch auch mit einer Reihe von Herausforderungen einher.
„ Autonomie & Flexibilität vs. Struktur & Absicherung: Coworking-Spaces bieten eine
hohe Flexibilität und Autonomie in der Nutzung der Infrastruktur. Nutzer können be-
liebig arbeiten, interagieren und kommunizieren. Diese Autonomie und Freiheit kann
besonders dem eigenen Hedonismus und der Kreativität dienen und damit im Idealfall
ermöglichen, dass die Nutzer unter hoher Zufriedenheit ihr Geschäftsmodell koope-
rativ vorantreiben. Allerdings kann die Strukturlosigkeit auch dazu führen, dass die
Trennung zwischen Arbeit und Freizeit aufweicht, die Nutzer überlastet sind und hohe
Burn-out Risiken entstehen. Die Freiheit kann dazu führen, dass Arbeitsinhalte und -
prozesse unklar, unsicher und unstrukturiert sind.
„ Kommunikation vs. Operative Arbeit: Coworking-Spaces kombinieren einen Arbeits-
und Kommunikationsraum. Kommunikationsprozesse sind elementar für den Infor-
mationstransfer, das Vermitteln von Kontakten, aber auch zum Lernen und zur posi-
tiven sozialen Interaktion (Bouncken 2016). Sie können damit auf verschiedensten
Ebenen die allgemeine Zufriedenheit, Arbeitszufriedenheit sowie operative und inno-
vative Arbeitsleistung positiv beeinflussen. Allerdings können Kommunikationspro-
zesse von der Arbeit ablenken. Die Eingebundenheit und das Wohlfühlen können von
den ökonomischen Zwängen ablenken und erhöhen die Gefahr, dass die Nutzer in
eine ökonomische Abwärtsspirale geraten.
„ Kooperation & Vertrauen vs. Konkurrenz & Absicherung: Coworking-Spaces ermög-
lichen eine schnelle Kontaktanbahnung und Kooperation. Die Nutzer können sehr
lose kooperieren (Wissenstransfer und Vernetzung), temporäre Teams und Projekte
200 Andreas J. Reuschl und Ricarda B. Bouncken

bilden, Mitstreiter für ihre Geschäftsmodelle finden sowie gemeinsame Unterneh-


mensgründungen betreiben (Bouncken 2016). Trotz der gewissen Konkurrenz auf der
ständigen Suche nach Jobs und Aufträgen können die Nutzer Komplementaritäten
zwischen den branchengleichen und branchenfremden Nutzern nutzen (Gandini
2015). Damit ergibt sich aber gleichzeitig ein hohes Risiko des unabsichtlichen Wis-
sensabflusses und des opportunistischen Verhaltens der anderen Nutzer oder der ex-
ternen Unternehmen, die Wissen absaugen (Bouncken/Reuschl 2016a). Coworking-
Spaces bieten damit einen Hort von sehr hohen Spannungen zwischen Kooperation
und Vertrauen vs. Konkurrenz und Absicherung.

Gemeinschaft Strategie

Kopräsenz Virtualität ÄhEHUOHEHQ³ Entrepreneurship

Kreativität & Wachstum &


Abgrenzung Offenheit
Innovation Nachhaltigkeit

Diversität Homogenität Ä([SORUDWLRQ³ Exploitation

Spannungsfelder
in Coworking-
Spaces

Arbeit

Autonomie & Struktur &


Flexibilität Absicherung

Kommunikation Operative Arbeit

Kooperation & Konkurrenz &


Vertrauen Absicherung

Abbildung 2: Spannungsfelder in Coworking-Spaces

Es ist davon auszugehen, dass sich in Coworking-Spaces eine Gemeinschaft bildet. Die
Form, Stärke und die Zusammensetzung dieser Gemeinschaft kann ebenfalls die Arbeit in
Coworking-Spaces beeinflussen. Wenn ein Coworking-Space beispielsweise homogene
Nutzer aus einer Branche beinhaltet, bietet dies Vorteile für eine einfache fachliche Ver-
ständigung, gleichzeitig beinhaltet es jedoch Nachteile für die Erschließung von neuem
Wissen und die Bildung branchenübergreifender Netzwerke.
„ Kopräsenz vs. Virtualität: Ein charakteristisches Element von Coworking-Spaces ist
die Möglichkeit der direkten Interaktion im Coworking-Space. Die direkte Interaktion
erlaubt einen reichhaltigen Fluss von Wissen inklusive implizitem Wissen sowie die
direkte Aktion und Reaktion auf Ideen. Die direkte persönliche Kommunikation
zeichnet sich durch Schnelligkeit aus. Die direkte Interaktion und Nähe kann aber
Coworking-Spaces als neue Organisationsform in der Sharing Economy 201

auch zu fachlichen und beziehungsorientierten Konflikten führen. Allerdings könnten


und wollen Coworker nicht so viel Zeit im Coworking-Space verbringen, brauchen
vielleicht die Ruhe zuhause oder die weitere Inspiration an einem Urlaubsort
(Bouncken et al. 2016a). Gerade, wenn sie digital arbeiten, sodass Arbeitsschritte und
-ergebnisse digital sind, müssen sie auch medial agieren. Dies erfordert die Balance
zwischen Kopräsenz und Virtualität zu finden.
„ Abgrenzung vs. Offenheit: Standort, Infrastruktur, Service und die Gruppe der Nutzer,
deren soziales Netzwerk sowie Gemeinschaftsgefühl beeinflussen die Art und Quali-
tät eines Coworking-Spaces (Pohler 2012). Insbesondere wenn Mitglieder der Com-
munity sehr ähnliche Werte und Einstellungen haben, wird eine vertrauensvolle und
vereinende organisationale Bindung geschaffen, die sich positiv auf die Zusammen-
arbeit und auf das Lernen von- und miteinander auswirken kann. Allerdings bilden
nicht alle Coworking-Spaces diese Vorteile aus. Sehr temporäre Nutzungen des
Coworking-Spaces mit einer Vielzahl von Nutzern können die Entwicklung von ver-
innerlichten Regeln, Gemeinschaftsgefühl und Zugehörigkeit und damit die Entfal-
tung positiver Wirkungen verhindern (Bouncken 2016). Es ist aber auch denkbar, dass
Coworking insgesamt eine Kultur hervorbringt, die jenseits von Offenheit und tem-
porärer Nutzung eine Orientierung gibt und eine Identifikation der Coworker erlaubt,
die sich vorteilhaft auf Arbeitszufriedenheit und Leistung auswirkt.
„ Diversität vs. Homogenität: In einem sehr homogenen Coworking-Space agieren ty-
pischerweise Nutzer mit ähnlichen Werten und kulturellen Hintergründen
(Bouncken/Reuschl 2016a). Viele stehen in ihrer Arbeit etwa vor der Entwicklung
eines Start-ups und/oder der Etablierung eines neuen Geschäftsmodells und somit vor
einer großen Anzahl sehr ähnlicher Herausforderungen. Allerdings sind homogene
Teams weniger innovativ und höheren kognitiven Verzerrungen ausgesetzt. Die Frage
der Diversität in Coworking-Spaces wird zukünftig noch gravierender, wenn es um
die Integration internationaler Nutzer geht, die neue Verhaltensformen und Sprach-
kompetenzen einbringen. Die Nähe erleichtert generell die Arbeit im Coworking-
Space, weil implizites und explizites Wissen auf Basis wechselseitiger Informations-
übermittlung auf verschiedenen Kanälen und mit höherer gemeinsamer Emotionalität
und Intentionalität besser die jeweiligen Verstehens- und Lernprozesse der Coworker
unterstützt. Wenn aber Personen mit anderer kultureller Sozialisation direkt miteinan-
der kommunizieren, werden unterschiedliche Verhaltensformen und -erwartungen of-
fenbar. Diese können zu In-Group/Out-Group Problemen sowie Fehlinterpretationen
führen, eine Informationsflut erzeugen (Pesch et al. 2015) und so Arbeitszufrieden-
heit, Arbeitsproduktivität sowie Entrepreneurship, Innovation und Geschäftsmodell-
entwicklung beeinflussen.
Letztlich verfolgen nicht nur die Betreiber von Coworking-Spaces eine spezifische Stra-
tegie oder ein eigenes Geschäftsmodell. Auch die Nutzer von Coworking-Spaces können
eine individuelle Strategie verfolgen. Wie bereits dargestellt, können die Nutzer von
Coworking-Spaces insbesondere nach Infrastruktur (Ä8tilizer³), sozialen Kontakten
202 Andreas J. Reuschl und Ricarda B. Bouncken

(Ä6ocializer³) oder auch nach Wissen (Ä/earner³) suchen. In Abhängigkeit der Ausprä-
gungen der individuellen Ziele ergeben sich drei weitere Spannungsfelder:
„ Operatives Überleben vs. Entrepreneurship: Eine grundsätzliche Unterscheidung der
Nutzer von Coworking-Spaces kann auf deren Entscheidung zum Schritt in die
Selbstständigkeit und der damit primären Nutzungsintention von Coworking-Spaces
beruhen (Gandini 2015). So ist denkbar, dass für einige mit dem Schritt in die Selbst-
ständigkeit ein Wunsch in Erfüllung geht, während andere diesen Schritt wegen des
ökonomischen Überlebens wagen. In der Forschung wird zwischen Necessity (aus der
Notwendigkeit heraus) und Opportunity (um Chancen wahrzunehmen) Entrepreneu-
rship unterschieden (Block/Sandner 2009; Bouncken et al. 2016c).
„ Kreativität & Innovation vs. Wachstum & Nachhaltigkeit: Coworking-Spaces werden
zurzeit meist von Kreativen und IT-Fachkräften genutzt. Sie haben ein hohes Kreati-
onspotenzial, das durch eine enge Vernetzung untereinander sowie durch Coaching,
Gründungsförderung, Training, Netzwerke und Kontakte zu externen Unternehmen
gestärkt wird (Bouncken 2016). Gerade durch letzteres können Coworking-Spaces
Gründungsabsichten befördern und erleichtern und die so genannte Ä(ntrepreneurial
Efficacy³ stärken ± die Selbstwirksamkeit des Gründungserfolges (McGee et al.
2009). Allerdings ist nicht klar, ob Kreativität und Innovation auch längerfristig über-
lebensfähig sind (Bouncken 2016). Coworking-Spaces können so zu einer Keimzelle
für Unternehmensgründungen werden oder sogar ein Filter für die Nutzer von Cowor-
king-Spaces, die nachhaltige Geschäftsmodelle mit Wachstum nicht schaffen oder
nicht wollen. Denkbar ist, dass Coaching, Gründungsförderung, Trainingsangebote
und Kontakte zu Externen einen wesentlichen Einfluss auf die Viabilität der Ge-
schäftsmodelle der Nutzer ausüben. Einen sehr wesentlichen Beitrag kann es auch
haben, ob ein Coworking-Space an eine Universität, ein Technologiezentrum, einen
Inkubator oder ein Kulturzentrum angeschlossen ist (Bouncken 2016).
„ Exploration vs. Exploitation: Neben dem Raum für die alltägliche Arbeit bieten
Coworking-Spaces einen Nährboden für Inspiration, Kommunikation und Wissens-
transfer, den Coworker zur Entwicklung von neuen Einsichten, kreativen Ideen und
auch Inventionen allein und im Team nutzen können (Bouncken 2016; Bouncken/
Reuschl 2016a). In der betriebswirtschaftlichen Forschung wird intensiv das Span-
nungsfeld von Exploration (Erkundung von Neuem) und Exploitation (Ausnutzung
von Bestehendem) untersucht (Stettner/Lavie 2014; Volery et al. 2015; Bouncken et
al. 2016b). Coworking-Spaces können die Strukturen bieten, um das Gleichgewicht
zwischen Exploration und Exploitation zu erreichen. Denkbar ist, dass Coworking-
Spaces sich auf die Exploration konzentrieren und dann zu Ideen- oder Technologie-
lieferanten werden und z. B. in bezahlten Open Innovation-Projekten etablierter Un-
ternehmen mitarbeiten.
Coworking-Spaces als neue Organisationsform in der Sharing Economy 203

4.2 Entwicklungspotenzial von Coworking-Spaces


Als Nutzer von Coworking-Spaces werden gegenwärtig vorrangig Kreativ- oder Wissens-
arbeiter wie z. B. Architekten und Designer oder digitale Arbeiter wie Programmierer,
Community-Manager, Journalisten oder Blogger genannt (Foertsch 2011; Gandini 2015).
Diese Berufsgruppen konnten bei der Ausübung ihres Berufes schon immer sehr frei ent-
scheiden, wann und wo sie arbeiten wollten. Gerade Journalisten oder Blogger benötigen
kaum mehr als einen Laptop und einen Internetanschluss. Für diese Berufsgruppen liegt
es sehr nahe einen Coworking-Space zu nutzen. Die Nutzergruppen weiten sich jedoch
immer weiter aus und neben Freelancern und Entrepreneuren ist die Nutzung von Cowor-
king-Spaces auch für normale, abhängig Beschäftigte als Alternative zum Home-Office
möglich. Auch traditionelle Unternehmen beginnen bereits, Büros in Coworking-Spaces
anzumieten oder eigene Coworking-Spaces aufzubauen. So ist es denkbar, dass die bisher
diskutierten Gestaltungsmöglichkeiten von Geschäftsmodellen für Coworking-Spaces
(Bouncken et al. 2016a) noch weitere Ausprägungen annehmen.
Das Zeitalter der Digitalisierung und der Sharing Economy führt zu zwei wichtigen Ent-
wicklungen. Zunächst wird es mehr Privatpersonen möglich, das Internet für die eigene
Selbstständigkeit zu nutzen und eigene Güter oder Dienstleitungen über die verschiedenen
verfügbaren Netzwerke zu vermarkten. Weiterhin wird es mehr abhängig beschäftigten
Mitarbeitenden von etablierten Unternehmen möglich, durch die Nutzung digitaler Tech-
nologien ungebunden vom Hauptsitz eines Unternehmens zu arbeiten. Diese Entwicklun-
gen führen zu einer Veränderung der Nutzerstruktur von Coworking-Spaces, woraus sich
neue Möglichkeiten und sogar Notwendigkeiten zur Gestaltung neuer Betreibermodelle
ergeben. Während Coworking-Spaces in der Vergangenheit als attraktive Arbeitsorte für
Selbstständige, Freelancer oder Kleinstunternehmen galten (Foertsch 2011), kann aus der
vorhandenen Infra- und Sozialstruktur in Coworking-Spaces ein eigenes Ökosystem ent-
stehen. So bieten Coworking-Spaces einen Raum, in dem die relevanten Akteure wie
Gründer (Entrepreneure, Selbstständige), Experten (Freelancer und Solo-Selbstständige
aus verschiedenen Bereichen), Acceleratoren und Inkubatoren (Experten für Start-up Be-
ratung) und Investoren (Risikokapitalgeber) in Kopräsenz neue Geschäftsideen entwi-
ckeln, Geschäftsmodelle gestalten und Unternehmen gründen können.
Coworking-Spaces können sich in diesem Zusammenhang als soziale, infrastrukturelle
und technische Plattform für temporäre und langfristige Netzwerke und Kooperationen
entwickeln. Ein solches Ökosystem wie in Abbildung 3 dargestellt, erlaubt eine dynami-
sche Arbeit in einem innovativen Umfeld. Es kann die statischen Bedingungen von Groß-
unternehmen aufbrechen und Innovationsschübe leisten. Grundsätzlich muss eine solche
Zusammenarbeit nicht auf große Unternehmen und größere Coworking-Spaces beschränkt
sein. Vielfach ist gerade in ländlichen Regionen die Zusammenarbeit zwischen regionaler
Wirtschaft (in der Regel KMU´s), Universitäten, Forschungslaboren und der Start-up-
Community wenig ausgeprägt und kann so durch Coworking-Spaces
204 Andreas J. Reuschl und Ricarda B. Bouncken

Entrepreneure Coworking-Spaces Experten

Coworking-Space-
Ökosystem
Kunden Wettbewerber

Venture Capital Inkubatoren Acceleratoren

Abbildung 3: Coworking-Space-Ökosystem

weiterentwickelt werden (Fuzi 2015). Dies korrespondiert eng mit der Nutzung von
Coworking-Spaces zur Entwicklung von Entrepreneurial Universities (Bouncken 2016).
Jüngst wurden immer mehr Coworking-Spaces in Forschungslandschaften an- und einge-
gliedert (Universitäten, F&E-Standorte von Unternehmen, Forschungsinstitute, Gründer-
zentren) und wollen deren Infrastruktur, Technologieentwicklungen, Vermarktungsmög-
lichkeiten, Qualifizierung und vielfältige Kontakte integrieren (Bouncken 2016).
Auch die Wettbewerber und Kunden von bestehenden Unternehmen sowie von Freelan-
cern, Solo-Selbstständigen, Mikrounternehmen und von den Coworking-Spaces können
Zugang zu diesen Coworking-Space-Ökosystemen erhalten. In diesem Zusammenhang
gewinnt insbesondere die Unterscheidung entlang des Betreibers (Privat, Öffentlich, Un-
ternehmen) und der Geschäftsmodellkonfigurationen an Bedeutung. So eignet sich eine
Universität beispielsweise besser als Betreiber eines Coworking-Space-Ökosystems als
ein Unternehmen, da keine konkurrierenden wirtschaftlichen Ziele potenzielle Nutzer ab-
schrecken oder die ablaufenden Kooperationsprozesse der Nutzer stören. Bereits heute
gibt es erste Praxisbeispiele für die Entstehung universitätsgeleiteter Coworking-Spaces
an der Technischen Universität München. Hier wird Coworking-Space mit zusätzlicher
Beratung für Unternehmensgründung, Kontakten zu Kapitalgebern und sogar der Mög-
lichkeit zur Herstellung von Produkt-Prototypen angeboten (Bouncken 2016). Dies ent-
spricht dem aktuellen Zeitgeist der Sharing Economy und eröffnet weitere Potenziale für
Beschäftigung, Innovation, Entrepreneurship und neue Geschäftsmodelle von Individuen,
Gründern, Mikrounternehmen und etablierten Unternehmen. Coworking-Spaces begrün-
den damit eine neue Plattform, ein Coworking-Space-(Innovation)-Ökosystem, das die
Verbindung von zwei Welten zulässt: Zum einen die Digitalisierung und Sharing Eco-
nomy und zum anderen die direkten sozialen Kontakte, die so wichtig für Innovationspro-
zesse sind.
Coworking-Spaces als neue Organisationsform in der Sharing Economy 205

5. Schlussbetrachtung
Coworking-Spaces stellen ein junges Phänomen der Wirtschaft dar, das bislang kaum Be-
achtung in der Forschung erhält. Getrieben durch die Digitalisierung, die aufkommende
Sharing Economy und den damit einhergehenden Wertewandel gewinnt das Konzept der
Coworking-Spaces jedoch rasant an wirtschaftlicher und wissenschaftlicher Relevanz. In
diesem Beitrag wurde gezeigt, wie die Entwicklung von Coworking-Spaces als Dienst-
leistungsunternehmen nicht nur durch die Chancen, sondern vor allem auch durch die Ri-
siken der Sharing Economy gestärkt wird. So verlieren die Teilnehmer der Sharing Eco-
nomy nicht nur die offensichtlichen Sicherheiten, die eine abhängige Beschäftigung bietet,
sondern darüber hinaus verlieren sie Zugang zu den professionellen und sozialen Struktu-
ren einer Organisation. Coworking-Spaces leisten hier eine Hilfestellung. Mit verschiede-
nen Betreiber- und Geschäftsmodellkonfigurationen können sie als strukturgebendes Ele-
ment oder sogar als allgemein zugängliche Organisation in der Sharing Economy
Dienstleistungen bieten.
Es besteht jedoch dringender Forschungsbedarf zu den Nutzern und Betreibern von
Coworking-Spaces als Dienstleistungsunternehmen. In diesem Beitrag wurden neun
Spannungsfelder aus den Bereichen Arbeit, Strategie und Gemeinschaft dargestellt, um
den Forschungsbedarf weiter zu strukturieren. Ebenso wurden bereits erste Möglichkeiten
zur Analyse und Gestaltung der Betreibermodelle gegeben. Es gilt diese Forschungsfelder
empirisch und auch konzeptionell weiterzuentwickeln, um mit der Entwicklung der Sha-
ring Economy Schritt zu halten und den Weg in die Digitalisierung aktiv mit gestalten zu
können. Hierzu ist es vor allem notwendig, Gestaltungsmöglichkeiten für die Vernetzung
von Coworking-Spaces und deren Nutzern mit anderen Akteuren wie etablierten Unter-
nehmen, Inkubatoren und Investoren hin zu Coworking-Space-Ökosystemen zu untersu-
chen.
Coworking-Spaces haben nicht nur das Potenzial als Metaorganisationen professionelle
und soziale Infrastruktur für eine wachsende Zahl an Selbstständigen anzubieten oder die
Akteure der Sharing Economy zu vernetzen. Coworking-Spaces können darüber hinaus
die zunehmende Digitalisierung als komplementäre und reale Struktur begleiten, um letzt-
lich bei der Verwirklichung der Vorteile der Digitalisierung auch die menschlichen Be-
dürfnisse nach Gemeinschaft und Struktur nicht zu verlieren.
206 Andreas J. Reuschl und Ricarda B. Bouncken

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Ellen Weber

Förderung einer positiven Kunden-Mitarbeiter-


Interaktion mittels intelligenter
Sprachanalysetechnologien

1. Einleitung

2. Definitorische und theoretische Grundlagen


2.1 Definition zentraler Begrifflichkeiten
2.2 Similarity-Attraction-Effekt und Emotional-Contagion-Konzept als
theoretische Erklärungsansätze
2.3 Ausdruck von Persönlichkeit und Emotionen in der Sprache
2.3.1 Sprache als Ausdruck der Persönlichkeit
2.3.2 Sprache als Ausdruck von Emotionen

3. Intelligente Sprachanalysetechnologien zur Erfassung von Persönlichkeit und


Emotionen
3.1 Instrumente zur Erfassung von Persönlichkeit
3.2 Instrumente zur Erfassung von Emotionen

4. Methodisch-konzeptionelle Fundierung
4.1 Entwicklung eines methodisch-konzeptionellen Bezugsrahmens zur
Persönlichkeitsanalyse auf Basis des Similarity-Attraction-Effekts
4.2 Entwicklung eines methodisch-konzeptionellen Bezugsrahmens zur
Emotionsanalyse auf Basis des Emotional-Contagion-Konzepts
4.3 Zusammenfassende Beurteilung

5. Implikationen für Praxis und Forschung

Literaturverzeichnis

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017


M. Bruhn und K. Hadwich (Hrsg.), Dienstleistungen 4.0,
DOI 10.1007/978-3-658-17552-8_9
_________________________
Ellen Weber, M. Sc., ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an dem von Prof. Dr. Marion
Büttgen geleiteten Lehrstuhl für Unternehmensführung der Universität Hohenheim.
1. Einleitung
Der Kunden-Mitarbeiter-Interaktion wird im Dienstleistungsprozess eine zentrale Bedeu-
tung zugeschrieben, da sie einen starken Einfluss auf den Erfolg einer Dienstleistung hat
(Stock-Homburg et al. 2010). Zurückzuführen ist dies darauf, dass Kunden die dyadische
Interaktion oft mit der eigentlichen Dienstleistung gleichsetzen (Bitner et al. 1990) und
daher die wahrgenommene Servicequalität von der Qualität der Interaktionsbeziehung de-
terminiert wird (von Wangenheim et al. 2007). Bedeutende Einflussgrößen einer als an-
genehm wahrgenommenen Dienstleistungsinteraktion sind dabei unter anderem die Ähn-
lichkeit der Persönlichkeit zwischen Kunde und Mitarbeitendem (Dion et al. 1995) sowie
die Emotionen der Interaktionspartner (Lee/Dubinsky 2003). So ist es beispielsweise mög-
lich, dass ein Kunde negative Emotionen wie Wut, Frustration, Verlegenheit oder Besorg-
nis aufgrund negativer Erfahrungen während des Dienstleistungsprozesses entwickelt
(Tronvoll 2011) und die Interaktion daher als unangenehm empfindet. Somit wird eine
negativ wahrgenommene Kunden-Mitarbeiter-Interaktion während des Dienstleistungs-
prozesses als Service Failure aufgefasst, die häufig in einer Kundenunzufriedenheit resul-
tiert, die darüber hinaus zu einem negativen Word-of-Mouth (WoM) und/oder zu einer
Abkehr des Kunden vom Dienstleistungsunternehmen führen kann (Zeelenberg/Pieters
2004). Auch die Ähnlichkeit von Persönlichkeitseigenschaften spielt in Kunden-Mitarbei-
ter-Interaktionen eine zentrale Rolle. So belegen zahlreiche Studien, dass die Ähnlichkeit
zwischen Kunden und Mitarbeitenden einen entscheidenden Einfluss auf individuelle und
organisationsbezogene Prozesse und Outcomevariablen wie Kommunikation, Koopera-
tion, Zufriedenheit und Performance haben (Smith 1998).
Die Technisierung und Digitalisierung eröffnen nun neue Möglichkeiten in Bezug auf die
Analyse von Interaktionen zwischen Kundenkontaktmitarbeitenden und Kunden. Einen
innovativen Analyseansatz stellen quantitative, automatisierte Sprachanalysetechnologien
dar. Dabei werden Persönlichkeitseigenschaften und Emotionen anhand psycholinguisti-
scher Analyseprogramme erfasst, die aus der Stimme und der Wortverwendung bestimmte
psychologische sowie emotionale Merkmale des Sprechenden herausfiltern und identifi-
zieren. Sowohl die jeweilige Wortwahl (lexikalische Indikatoren) als auch die Stimme
sowie die Sprechweise (prosodische Indikatoren) GLHQHQGDEHLDOVÄSV\FKLVFKHUXQGOLQ
JXLVWLVFKHU)LQJHUDEGUXFN³ 3HQQHEDNHU.LQJ6 XP5FNVFKOVVHDXILQGL
viduelle Persönlichkeitsmerkmale und Gefühlszustände zu ziehen. In den digitalen Tech-
nologien sind unter anderem maschinelle Lernverfahren und Data-Mining-Algorithmen
implementiert, sodass diese in der Lage sind, selbstständig Schlüsse zu ziehen und aus
jeder Analyse zu lernen. Sie sind dem Gebiet der künstlichen Intelligenz zuzuordnen und
stellen eine innovative Möglichkeit für den Einsatz von Big Data im Rahmen von Dienst-
leistungen 4.0 dar.
214 Ellen Weber

Kerngedanke des vorliegenden Beitrags ist, dass der Kunde durch Einsatz solcher Tech-
nologien einem Mitarbeitenden zugeordnet werden kann, dessen Persönlichkeit mit der
des Kunden weitestgehend übereinstimmt, um dadurch eine positive Kunden-Mitarbeiter-
Interaktion zu erreichen. Darüber hinaus wird der konzeptionelle Ansatz erarbeitet, den
aktuellen Gefühlszustand des Kunden mittels intelligenter Sprachanalysetechnologien zu
identifizieren und darauf aufbauend durch einen Mitarbeitenden positiv zu beeinflussen,
damit ein Kunde die Interaktionsbeziehung als positiv bewertet.
Eine Untersuchung gelungener sozialer Interaktionen auf Basis ähnlicher Persönlichkeits-
eigenschaften sowie Emotionen zwischen dem Kunden und dem Mitarbeitenden mittels
quantitativer, automatisierter Sprachanalysetechnologien wurde im Rahmen der Dienst-
leistungsforschung, insbesondere zur Analyse von Kunden-Mitarbeiter-Inter-aktionen in
Echtzeit, bislang nur in sehr begrenztem Umfang vorgenommen (Hasegawa et al. 2013).
Daher kann der Einsatz der Sprachanalyse zu neuartigen Erkenntnissen beitragen. Aus
diesen Erkenntnissen lassen sich für Dienstleistungsunternehmen wertvolle Handlungs-
empfehlungen ableiten. Die Thematik ist daher sowohl praktisch als auch wissenschaftlich
als bedeutsam anzusehen.
Das Ziel des Beitrags besteht darin, das Einsatzpotenzial der quantitativen, automatisierten
Sprachanalyse im Servicekontext als eine Dienstleistung 4.0 konzeptionell sowie theore-
tisch fundiert zu untersuchen und kritisch zu überprüfen. Dabei wird der Frage nachge-
gangen, inwiefern die Sprachanalyse als ein wirkungsvolles Instrument zur Förderung ei-
ner positiven Kunden-Mitarbeiter-Interaktion anzusehen ist.
Zu Beginn des Beitrags erfolgt eine Darstellung und Eingrenzung der zentralen Begriff-
lichkeiten des Untersuchungsgegenstandes. Darauf aufbauend werden theoretisch-kon-
zeptionelle Grundlagen zu den im vorliegenden Beitrag akzentuierten Faktoren der Simi-
larität von Persönlichkeitseigenschaften und Emotionen in Kunden-Mitarbeiter-
Interaktionen vor dem Hintergrund des Einsatzes intelligenter Sprachanalysetechnologien
diskutiert. Es folgt die Darstellung intelligenter Sprachanalyseinstrumente, mit denen Per-
sönlichkeitseigenschaften und Emotionen identifiziert und analysiert werden können. Un-
ter Rückgriff auf den Similarity-Attraction-Effekt und das Emotional-Contagion-Konzept
sowie den aktuellen Forschungsstand, wird anschließend jeweils ein methodisch-konzep-
tioneller Bezugsrahmen entwickelt. Des Weiteren werden Implikationen für die Praxis aus
den gewonnenen Erkenntnissen abgeleitet und weiterer Forschungsbedarf aufgezeigt.

2. Definitorische und theoretische Grundlagen

2.1 Definition zentraler Begrifflichkeiten


Der Persönlichkeitsbegriff wurde in der Psychologie und ihren Teildisziplinen bereits auf
verschiedenste Art und Weise beschrieben, sodass eine Vielzahl an Definitionen existiert
Förderung einer positiven Kunden-Mitarbeiter-Interaktion 215

(Allport 1937; Gerrig/Zimbardo 2008). Eine allgemeingültige Definition, die universell


für alle Bereiche einsetzbar ist, besteht nicht. Jedoch besteht Konsens darüber, dass die
Persönlichkeit eines Menschen relativ stabil über die Zeit ist und sich nur geringfügig
ändert (McAdams/Pals 2006). Demnach besitzt jeder Mensch eine individuelle und stabile
Persönlichkeit, die ihn in seinem Handeln, Fühlen, Denken und Wahrnehmen sowie in
seiner Interaktion mit anderen beeinflusst. Daher wird in dieser Arbeit der Definition von
Gerrig und Zimbardo (2008, S. 504) gefolgt, diH3HUV|QOLFKNHLWDOVÄ>«@HLQHNRPSOH[H
0HQJHYRQHLQ]LJDUWLJHQSV\FKLVFKHQ(LJHQVFKDIWHQ³EHVFKUHLEWÄZHOFKHGLHIUHLQ,Q
dividuum charakteristischen Verhaltensmuster in vielen Situationen und über einen län-
geren Zeitraum hinwHJEHHLQIOXVVHQ³. Diese Definition enthält somit alle für diesen Bei-
trag relevanten Akzentuierungen, da sie die zeitliche und situative Stabilität der
Persönlichkeitsmerkmale sowie die Individualität fokussiert.
Aus der Literatur lässt sich ableiten, dass unter einer Emotion ein zeitlich begrenzter, in-
nerer Erregungszustand aufgrund eines extrinsischen oder intrinsischen Reizes zu verste-
hen ist (Barsade 2002; Luong 2005; Nerdinger 2011). Emotionen weisen dabei unter-
schiedliche Intensitäten auf und müssen hinsichtlich ihrer Valenz (Wertigkeit) diffe-
renziert werden. Valenz bedeutet dabei, dass negative Emotionen als unangenehm emp-
funden, während positive Emotionen als angenehm erlebt werden (Nerdinger 2011; Preu-
ninger/Büttgen 2016).

2.2 Similarity-Attraction-Effekt und Emotional-Contagion-


Konzept als theoretische Erklärungsansätze
Der Nutzen aus dem Zusammenführen eines Mitarbeitenden und eines Kunden, deren Per-
sönlichkeiten weitestgehend übereinstimmen, ergibt sich aus dem Similarity-Attraction-
Effekt (Byrne 1971). Similarität beschreibt dabei, wie homogen Personen innerhalb einer
dyadischen Beziehung sind (Yi et al. 2011; Gaur et al. 2012). Oftmals werden in der Lite-
ratur die Begrifflichkeiten der Similarität und der sozialen Homophilie gleichgesetzt. Al-
lerdings besteht ein Unterschied zwischen diesen. Während Similarität die faktische Ähn-
lichkeit zwischen Personen beschreibt, meint soziale Homophilie die Neigung von
Menschen, sich mit Personen zu umgeben und zu interagieren, die ihnen ähnlich sind
(McPherson et al. 2001; Brass 2012). Somit löst die Ähnlichkeit in einer dyadischen Be-
ziehung eine interpersonale Anziehungskraft aus. Interpersonale Anziehungskraft meint
dabei, dass Menschen dazu neigen, andere zu mögen, in denen sie sich wiedererkennen
bzw. die ihnen ähnlich sind (Dwyer et al. 1998). Dieser Effekt wird Similarity-Attraction-
Effekt genannt (Byrne 1971).
Neben Persönlichkeitseigenschaften stehen Emotionen in Kunden-Mitarbeiter-Interaktio-
nen im Zentrum dieses Beitrages. Dabei wird der konzeptionelle Ansatz verfolgt, den ak-
tuellen Gefühlszustand des Kunden mit der Sprachanalyse zu identifizieren und darauf
aufbauend durch einen Mitarbeitenden positiv zu beeinflussen. Dies lässt sich durch die
216 Ellen Weber

Theorie der Emotionsübertragung bzw. das Emotional-Contagion-Konzept begründen.


Die Emotionsübertragung bezeichnet dabei einen ProzessÄ>«@ which refers to someone
(hereafter the receiver) catching the emotion being experienced by another (hereafter the
sender), wherein the emotion of the receiver converges with that of the sender³ (How-
ard/Gengler 2001, S. 189). Nach Hareli und Rafaeli (2008) übertragen sich Emotionen
zwischen Personen virusartig, weshalb dieser Ansatz auch als emotionale Ansteckung be-
zeichnet wird (Stock-Homburg et al. 2010). Beim Konzept der Emotional Contagion wird
zwischen der primitiven (unbewussten) und der bewussten Ansteckung von Emotionen
differenziert. Ursächlich für die unbewusste Emotionsübertragung ist nach Hatfield et al.
(1993, S. 96) Ä>«@the tendency to automatically mimic and synchronize expressions, vo-
FDOL]DWLRQVSRVWXUHVDQGPRYHPHQWVZLWKWKRVHRIDQRWKHUSHUVRQ¶VDQGFRQVHTXHQWO\WR
converge emotionally³. Dabei wird die unbewusste Emotionsübertragung zwischen Per-
sonen als zweistufiger Prozess aufgefasst (Dallimore et al. 2007). Zunächst imitiert der
Empfänger einer Emotion spontan bestimmte Verhaltensweisen des Senders. Dies äußert
sich unter anderem in der Nachahmung von Gesichtsausdrücken wie beispielsweise eines
Lächelns (Hennig-Thurau et al. 2006), bestimmten Stimm- und Sprachmustern
(Neumann/Strack 2000) sowie der Körpersprache (Chartrand/Bargh 1999). Diese Syn-
chronisation wird als Mimikry bezeichnet. Neuronale Rückmeldungen bzw. Signale, die
an das Gehirn gesendet werden, führen in einem zweiten Schritt dazu, dass der Empfänger
die Emotion tatsächlich empfindet (Barsade 2002; Dallimore et al. 2007). Bei der bewuss-
ten Übertragung von Emotionen vergleicht eine Person ihren Gefühlszustand mit den
Emotionen ihres Interaktionspartners und übernimmt diese, falls sie die Emotionen für
angemessen hält (Bartel/Saavedra 2000; Hennig-Thurau et al. 2006). Somit versucht die
Person, ihre Emotionen aktiv an die jeweilige Situation anzupassen. Nach Gump und Ku-
lik (1997) tritt diese bewusste emotionale Ansteckung vor allem dann auf, wenn eine Per-
son eine Situation als mehrdeutig empfindet und dieses Informationsdefizit durch die
wahrgenommenen Emotionen ihres Interaktionspartners zu schließen versucht. Der Effekt
der Emotionsübertragung kann zweiseitig gerichtet sein (Pugh 2001). Aufgrund dessen
findet eine vollständige Interaktion auf der nonverbal-emotionalen Ebene statt (Nerdinger
2011).
Zahlreiche Untersuchungen analysieren das Konzept der Emotional Contagion im Ser-
vicekontext, in denen sowohl der Einfluss der gezeigten Emotionen des Mitarbeitenden
auf den Kunden als auch die Übertragung des Gefühlszustands des Kunden auf den Mit-
arbeitenden thematisiert werden. Jedoch fokussieren sich die Studien entweder auf Inter-
aktionen, in denen Probanden persönlich involviert sind (Pugh 2001; Homburg/Stock
2004), oder auf Interaktionen, die den Studienteilnehmern über Videosequenzen demons-
triert werden (Luong 2005; Dallimore et al. 2007). Anschließend bewerten die Probanden
die Interaktion, ihren Gefühlszustand sowie die sich daraus ergebenen Konsequenzen, bei-
spielsweise in Bezug auf Kundenzufriedenheit (Grandey et al. 2011) oder Wahrnehmung
der Servicequalität (Pugh 2001). Somit weisen die Studien mehrheitlich einen experimen-
tellen Charakter auf. Da sich der vorliegende Beitrag sowohl auf direkte Interaktionen
zwischen Kunden und Mitarbeitenden, die aber beispielsweise über Telefonate erfolgen,
in denen Mimik und Gestik nicht beobachtet und wahrgenommen werden können, als auch
Förderung einer positiven Kunden-Mitarbeiter-Interaktion 217

auf indirekte Interaktionen, unter anderem in Chats oder schriftlichen Kundenrückmel-


dungen über E-Mail, bezieht, stellt sich die Frage, ob eine Emotionsübertragung ebenfalls
über diese Kanäle erfolgen kann. Kramer et al. (2014) sowie Ferrara und Yang (2015)
zeigen in empirischen Studien, dass eine emotionale Ansteckung auch ohne direkte Inter-
aktion und ohne das Vorhandensein nonverbaler Kommunikation gelingen kann, sodass
sich Emotionen ebenfalls online übertragen lassen. Auch Hancock et al. (2008) stellen in
ihrer Studie fest, dass eine emotionale Ansteckung in Online-Kommunikationen gelingen
kann. Demnach verschlechtert sich der Gefühlszustand einer Person, wenn ihr Partner
mehr negative Emotionswörter in seiner Kommunikation nutzt (Hancock et al. 2008).
Festzuhalten ist daher, dass der Emotional-Contagion-Effekt auch online auftreten kann.
Diese Erkenntnis ist für den vorliegenden Beitrag essenziell, da die Kunden-Mitarbeiter-
Interaktion auch online stattfinden kann, beispielsweise über Chats.
Zu betonen ist, dass sich der Similarity-Attraction-Effekt und die Theorie der Emotions-
übertragung ergänzen und aufeinander aufbauen. So zeigen Tsai und Huang (2002) sowie
Howard und Gengler (2001), dass die Emotionsübertragung bei Personen wahrscheinli-
cher ist, wenn sich Sender und Empfänger einer Emotion mögen, sich mit ihrem Gegen-
über identifizieren können oder gemeinsame Ziele verfolgen. Dies wird dadurch begrün-
GHW GDVV Ä>«@ interpersonal liking results in stURQJHU LQWHUSHUVRQDO LQIOXHQFH³
(Howard/Gengler 2001, S. 190).

2.3 Ausdruck von Persönlichkeit und Emotionen in der Sprache

2.3.1 Sprache als Ausdruck der Persönlichkeit

Die Idee, eine Person sowohl anhand ihrer Wortwahl als auch an ihren Stimmeigenschaf-
ten zu analysieren und zu identifizieren, stellt kein Novum dar (Hirsh/Peterson 2009). Ei-
nigkeit besteht, dass die Sprache eines Menschen ein Medium darstellt, das Einblicke in
GDVÄ,QQHQOHEHQ³HLQHU3HUVRQJHZlKUWXQGYLHOEHUGHQ6SUHFKHUXQGVHLQH3HUV|QOLFK
keit offenbart (Pennebaker et al. 2003). Grundlage ist dabei die Beobachtung, dass sich
Personen in dem, wie sie sich ausdrücken und was sie sprechen oder schreiben, unterschei-
den, selbst wenn die Botschaft dieselbe ist (Pennebaker/King 1999). Die gesprochene und
geschriebene Sprache unterscheidet sich demnach von Mensch zu Mensch. Fast und Fun-
der (2008) betonen darüber hinaus, dass die Wortwahl über die Zeit hinweg wenig verän-
derbar und situationsunabhängig ist. Dabei lassen sowohl die Wortwahl (lexikalische In-
dikatoren) als auch die Stimme und die Sprechweise (prosodische Indikatoren)
Rückschlüsse auf Persönlichkeitseigenschaften zu, da der individuelle Sprachstil einer
Person nur schwer verstell- bzw. beeinflussbar ist (Sendlmeier 2012). Die lexikalischen
und prosodischen Indikatoren werden im Folgenden herausgearbeitet.
218 Ellen Weber

Lexikalische Indikatoren in der Wortverwendung


Jeder Satz lässt sich grundsätzlich in zwei Wortgruppen unterteilen: Zum einen in Inhalts-
wörter (ÄContent Words³) und zum anderen in Funktionswörter (ÄFunction Words³)
(Chung/Pennebaker 2007). Inhaltswörter umfassen Nomen, Verben, Adjektive sowie Ad-
verbien und transportieren eine Bedeutung. Zu den Funktionswörtern zählen hingegen
(Personal-)Pronomen, Artikel, Präpositionen, Hilfsverben, Negationen, Konjunktionen
bzw. Satzverknüpfungen und Zahlenwörter. Nach Pennebaker (2011b) stellen diese Funk-
tionswörter den Schlüssel zur Seele eines Menschen dar, da sie weniger bewusst verwen-
det werden als Inhaltswörter. Chung und Pennebaker (2007) weisen in ihrer Studie nach,
dass Funktionswörter geeignet sind, Gefühlszustände, Persönlichkeitseigenschaften und
soziale Beziehungen einer Person zu identifizieren. Dies zeigt sich beispielsweise in der
Nutzung von 1. Person Singular Pronomen. Verwendet der Sprecher häufig 1. Person Sin-
gular Pronomen, so deutet dies nach Pennebaker (2011a) auf eine überzogene Selbstbezo-
genheit hin. So kennzeichnen sich beispielsweise narzisstische Persönlichkeiten durch
eine erhöhte Nutzung von 1. Person Singular Pronomen und eine geringere Verwendung
von 1. Person Plural Pronomen (Raskin/Shaw 1988). Personen, die sich selbst als extra-
vertiert einschätzen und von anderen entsprechend fremdbeurteilt werden, nutzen weniger
unverbindliche (z. % ÄYLHOOHLFKW³  JHKHPPWH ] % ÄYHUPHLGHQ³  XQG selbstbezogene
Wörter und sind gesprächiger (Ireland/Mehl 2014). Darüber hinaus ist ihre Wortverwen-
dung durch Wörter, die mit Menschen, sozialen Prozessen und der Familie eng verbunden
sind, geprägt (Pennebaker/King 1999; Hirsh/Peterson 2009). Ebenfalls nutzen extraver-
tierte Personen mehr abstrakte Wörter, während introvertierte eine konkretere Ausdrucks-
weise aufweisen (Beukeboom et al. 2012). Extra- und introvertierte Menschen unterschei-
den sich ebenfalls in der Verwendung von Personalpronomen. So nutzen extravertierte
Personen vermehrt 1. Person Plural und 2. Person Singular sowie Plural Pronomen (Ire-
land/Mehl 2014). In der Verwendung von 1. Person Singular Pronomen gibt es keine Ab-
weichungen zwischen extra- und introvertierten Individuen (Ireland/Mehl 2014). Die
Sprachverwendung von emotional labilen Personen ist gekennzeichnet durch eine höhere
Verwendung von 1. Person Singular Pronomen, Negationen, negativen Emotionswörtern
und einer geringeren Nutzung von positiven Emotionswörtern (Pennebaker/King 1999;
Hirsh/Peterson 2009). Gewissenhaftigkeit drückt sich durch eine sehr höfliche Sprach-
weise aus. Gewissenhafte Personen fluchen weniger und nutzen negative Emotionswörter
in einem geringeren Ausmaß (Ireland/Mehl 2014). Darüber hinaus wählen gewissenhafte
Personen vermehrt Wörter, die mit Erfolg und Beruf verbunden sind (Hirsh/Peterson
2009). Negationen und negative Emotionswörter weisen des Weiteren zum Faktor Gewis-
senhaftigkeit eine negative Korrelation auf (Pennebaker/King 1999). Verträgliche Perso-
QHQGUFNHQVLFKGXUFKHLQH ÄSRVLWLY³JHVWLPPWH6SUDFKHDXVGLHEHLVSLHOVZHLVHGXUFK
9HUEHQZLHÄODFKHQ³RGHUÄIUHXHQ³JHNHQQ]HLFKQHWLVW ,UHODQG0HKO4). Zum einen
äußern sie häufiger positive und vermeiden negative Emotionswörter (Mairesse et al.
2007). Zum anderen sprechen verträgliche Personen vermehrt über Themen, die im Zu-
sammenhang mit Familie, ihrem Zuhause und Kommunikation stehen (Hirsh/Peterson
2009). Mehl et al. (2006) weisen nach, dass Verträglichkeit negativ mit der Verwendung
von Schimpfwörtern und positiv mit 1. Person Singular Pronomen korreliert. Nach Ireland
Förderung einer positiven Kunden-Mitarbeiter-Interaktion 219

und Mehl (2014) reflektiert die höhere Verwendung von 1. Person Singular Pronomen
eine höfliche Zurückhaltung anstatt einer narzisstischen Selbstbezogenheit, die sich in
Formulierungen wie beispiHOVZHLVHÄLFKGHQNHGDVV³DXVGUFNW6RWHLOWGHUSprecher zwar
seine Meinung seinem Gegenüber mit, lässt aber gleichzeitig Raum für andere Meinun-
gen. Personen, die eine hohe Ausprägung in Offenheit für Erfahrungen aufweisen, präfe-
rieren nach Mairesse et al. (2007) lange bzw. komplexe Wörter und vermeiden darüber
hinaus 1. Person Singular Pronomen. Charakteristisch ist ebenfalls die Verwendung von
Wörtern, die Bezüge zu Gefühlszuständen sowie zu Freizeitaktivitäten herstellen (Ire-
land/Mehl 2014).

Prosodische Indikatoren in der Stimme und Sprechweise


So wie der Fingerabdruck eines jeden Menschen einzigartig ist, sind auch seine Stimme,
sein spezifischer Stimmklang und seine Satzmelodie individuell. Es gibt keine zwei Per-
sonen, die exakt dieselbe Stimme haben (Sendlmeier 2012). Prosodische respektive akus-
tische Indikatoren, die zur Spracherkennung eingesetzt werden, umfassen insbesondere
die Intonation, die Intensität und die Sprechgeschwindigkeit (Mohammadi /Vinciarelli
2012). Die Intonation beschreibt die Tonhöhe, die durch die Stimmlage und den Stimm-
umfang beeinflusst ZLUG ÄPLWFK³ 'HPJHJHQEHUXPIDVVWGie Intensität die Lautstärke
GHU 6WLPPH ÄLoudness³ E]Z Ä(QHUJ\³  ZlKUHQG ]XU 6SUHFKJHVFKZLQGLJNHLW GDV
Sprech- und Artikulationstempo sowie die Dauer XQG+lXILJNHLWYRQ3DXVHQ ÄSpeaking
RDWH³ ]lKOHQSo sind geringere Pausen und ein höheres Sprechtempo charakteristische
Merkmale der Sprechweise von extravertierten Personen (Mairesse/Walker 2006). Nach
Sendlmeier (2012) sprechen extravertierte Personen lauter und ihre Satzmelodie klingt
weniger monoton als die von introvertierten Personen. Ein Sprecher, der eine hohe Into-
nation sowie eine höhere Sprechgeschwindigkeit aufweist, die unter anderem durch eine
überdurchschnittliche Wort- und Silbennutzung gekennzeichnet ist, wird in westlichen
Kulturkreisen als kompetent wahrgenommen (Ray 1986). Dieses Ergebnis bestätigen
Brown et al. (1985) und nehmen dabei einen monoton steigenden Zusammenhang an: Je
höher die Sprechgeschwindigkeit, desto kompetenter, im Sinne von Intelligenz, Ehrgeiz
und Aktivität, wirkt der Sprecher. Ebenfalls beurteilen Hörer eine lautere Stimme und ein
hohes Sprechtempo als charismatisch (Rosenberg/Hirschberg 2005).
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich Persönlichkeitseigenschaften in der Wortver-
wendung sowie in der Stimme und Sprechweise manifestieren. Somit eignet sich die ein-
]LJDUWLJHÄOLQJXLVWLVFKH6LJQDWXU³HLQHV0HQVFKHQDOV,QVWUXPHQW]XU3HUV|QOLFKNeitsana-
lyse (Wiethaeuper et al. 2004). Bei der Analyse der Wortverwendung wirGGDVÄWas³ GDV
gesprochene oder geschriebene Wort) akzentuiert, während bei der Untersuchung von
6WLPPHXQG6SUHFKZHLVHGDVÄWie³ ZLHZLUGHWZDVJHVSURFKHQ LP)RNXVVWHKW
220 Ellen Weber

2.3.2 Sprache als Ausdruck von Emotionen

Neben Persönlichkeitseigenschaften enthalten Stimme und Wortverwendung einer Person


Hinweise auf ihren aktuellen Gefühlszustand. Für den vorliegenden Kontext ist dies äu-
ßerst relevant, da anhand von Sprachanalysetechnologien Emotionen der Kunden identi-
fiziert und beeinflusst werden sollen, sodass ein Dienstleistungsunternehmen entspre-
chend darauf reagieren kann. Im Folgenden wird nach den Basisemotionen Ärger (Wut),
Freude, Langeweile und Angst (Sendlmeier 2012) strukturiert, da diese mögliche Emoti-
onen sind, die in Dienstleistungsinteraktionen auftreten können (Bigné et al. 2008). Ärger,
Angst und Langeweile werden dabei als negative Gefühlszustände, Freude als eine posi-
tive Emotion aufgefasst. Darüber hinaus zählt Trauer ebenfalls zu den Basisemotionen.
Auf diese Emotion wird nicht näher eingegangen, da sie durch eine Dienstleistung weniger
erzeugt werden kann. Trauer wird durch die Emotion Ekel ersetzt, da Ekel zwar uner-
wünscht, aber bei Kunden durchaus im Hotel-, Restaurant- oder Sharing-Kontext auftreten
kann (Argo et al. 2006). Bei den folgenden Ausführungen ist zu berücksichtigen, dass die
neutrale Sprechweise als Referenz zu der jeweiligen Emotion gesetzt wird. Darüber hinaus
werden sowohl prosodische als auch lexikalische Indikatoren berücksichtigt.
„ Freude: Freude als positiver Gefühlszustand hat einen positiven Einfluss auf kunden-
seitige Verhaltensvariablen wie beispielsweise die Wiederkaufabsicht (Tsai/Huang
2002). Bei der Emotion Freude weisen Personen aufgrund der hohen Erregung eine
hohe Stimmlage auf (Scherer 2003). Die hohe Stimmlage führt wiederum zu einer
höheren Lautstärke. Der Tonhöhenverlauf ist durch gleichmäßige Auf- und Abwärts-
bewegungen gekennzeichnet (Klasmeyer 1999). Ebenfalls lässt sich ein freudiger Ge-
fühlszustand anhand eines hellen und harmonischen Stimmklangs identifizieren
(Sendlmeier 2012). Die Sprechgeschwindigkeit ist nicht einheitlich, da bei einer star-
ken Betonung langsamer gesprochen wird, während schwächer betonte Wörter
schneller ausgesprochen werden (Paeschke 2003).
„ Ärger (Wut): Ärger stellt eine der häufigsten Kundenemotionen im Dienstleistungs-
kontext dar (Preuninger/Büttgen 2016). Diese Emotion kann beim Kunden einerseits
aufgrund eines Service Failure auftreten (Tronvoll 2011). Preuninger und Büttgen
(2016) zeigen andererseits, dass Kunden verärgert reagieren, wenn sie der Kunden-
kontaktmitarbeitende während einer Interaktion ständig unterbricht und nicht ausre-
den lässt. Stimmlich äußert sich dieser Gefühlszustand in einer sehr lauten Sprech-
weise. Dabei ist die Stimmlage umso höher, je wütender die Person ist (Paeschke
2003). Die hohe Lautstärke führt somit zu einer ansteigenden Tonhöhe. Aufgrund der
hohen Muskelanspannung ist der Stimmklang gekennzeichnet durch einen harschen
oder rauen Klang. Des Weiteren weist die Grundfrequenz eine große Variationsbreite
auf (Paeschke et al. 1999). So zeigt sich ein langsamer Anstieg der Tonhöhe, der sei-
nen Höhepunkt zum Ende einer Äußerung besitzt (Paeschke 2003). Darüber hinaus
ist diese Emotion durch eine hohe Sprechgeschwindigkeit charakterisiert
(Banse/Scherer 1996). Trotz der hohen Sprechgeschwindigkeit weisen Personen, die
wütend sind, eine präzise Artikulation auf (Sendlmeier 2012). Dabei kommt es zu
Förderung einer positiven Kunden-Mitarbeiter-Interaktion 221

einer starken Zunahme betonter und zu einer Abnahme unbetonter Silben (Klasmeyer
1999).
„ Langeweile: Nach Bigné et al. (2008) kann Langeweile ebenfalls ein möglicher Ge-
fühlszustand eines Kunden sein. Die Sprechgeschwindigkeit ist bei gelangweilten
Personen geringer (Scherer 2003). Trotzdem zeigt sich bei diesem Gefühlszustand
eine Artikulationsungenauigkeit. Dies ist auf die geringe Muskelanspannung auf-
grund des geringen Erregungszustandes zurückzuführen (Sendlmeier 2012). Die ge-
ringe Muskelanspannung führt dazu, dass die Stimme oftmals warm und weich klingt
(Paeschke 2003). Die Lautstärke ist ähnlich der neutralen Sprechweise. Darüber hin-
aus sind keine auffallenden Tonhöhenvariationen feststellbar, sodass nur geringe Än-
derungen in der Grundfrequenz bestehen (Paeschke et al. 1999).
„ Angst: Angst kann vor allem bei negativen Dienstleistungen auftreten (Treger 2015).
So ist es beispielsweise vorstellbar, dass ein Patient vor einer Operation das Gefühl
der Angst aufgrund der Risiken und des unsicheren Ausgangs einer Operation entwi-
ckelt. Prosodisch äußert sich dieser Gefühlszustand durch eine konstant erhöhte
Stimmlage, sodass nur geringe Tonhöhenvariationen auftreten (Sendlmeier 2012).
Darüber hinaus sind häufige Versprecher und ein stockender Redefluss aufgrund der
hohen Sprechgeschwindigkeit charakteristisch (Paeschke 2003). Die Stimme klingt
bei ängstlichen Personen häufig resonanzarm und schwach sowie zittrig (Klasmeyer
1999). Des Weiteren zeigt Sendlmeier (2012), dass Auslassungen ganzer Silben bei
ängstlichen Personen möglich sind.
„ Ekel: Wie bereits angemerkt, ist Ekel eine Emotion, die beim Kunden während eines
Dienstleistungsprozesses auftreten kann. So zeigen Argo et al. (2006), dass Kunden
unter anderem Ekel empfinden, wenn das Produkt bereits von anderen genutzt wurde
und bezeichnen dies daher als Ä&RQVXPHU&RQWDPLQDWLRQ³. Eine sich ekelnde Person
spricht in normaler Lautstärke, die Sprechgeschwindigkeit ist allerdings sehr langsam
(Klasmeyer 1999). Darüber hinaus nutzt die Person deutlich mehr Silben, die stark
gedehnt werden. Daher wirkt die Betonung übertrieben und unnatürlich (Paeschke
2003). Dieser unnatürliche Eindruck wird durch langgezogene Tonhöhenbewegungen
unterstützt (Paeschke et al. 1999). Der Stimmklang wirkt aufgrund einer erhöhten
Muskelanspannung im hinteren Rachenbereich angestrengt (Paeschke 2003).
Positive und negative Emotionen lassen sich darüber hinaus ebenfalls durch die Wortver-
wendung einer Person identifizieren. Da Emotionen in Dienstleistungsinteraktionen nicht
immer über prosodische Indikatoren erfassbar sind, beispielsweise bei einer ausschließlich
schriftlichen Interaktion zwischen Kunde und Mitarbeitendem, ist der Rückgriff auf lexi-
kalische Indikatoren sehr bedeutsam. So erhalten beispielsweise Unternehmen täglich un-
zählige Mengen unstrukturierter Daten von Kunden über E-Mails oder Social Media-Netz-
werke, die potenzielle Quellen zur Erfassung von Kundenemotionen über lexikalische
Indikatoren darstellen. Bei der Textanalyse zur Identifikation positiver und negativer
Emotionen wird den verwendeten Wörtern eine positive oder negative Bedeutung zuge-
schrieben. Positive Konnotationen sind dabei beispielsweise Wörter wie Ä/LHEH³ RGHU
222 Ellen Weber

ÄGlück³ &KXQJ3HQQHEDNHU). Ein Beispiel für ein negativ assoziiertes Wort ist hin-
gegen ÄILHV³ (Tausczik/Pennebaker 2010).

3. Intelligente Sprachanalysetechnologien zur Erfassung


von Persönlichkeit und Emotionen

3.1 Instrumente zur Erfassung von Persönlichkeit


Um Persönlichkeitseigenschaften erfassen zu können, werden sowohl textbasierte Unter-
suchungsmethoden als auch Verfahren der automatischen bzw. maschinellen Spracher-
kennung eingesetzt. Textbasierte Untersuchungsmethoden analysieren dabei die Wort-
wahl bzw. die Wortverwendung einer Person. Durch technische Neuerungen und
Fortschritte in der Computertechnologie konnte vermehrt auf computergestützte, quanti-
tative Textanalyseprogramme zurückgegriffen werden. Etabliert haben sich auf diesem
Gebiet der General Inquirer (Stone et al. 1962) sowie das Linguistic Inquiry and Word
Count (LIWC) nach Pennebaker et al. (2007). An computerbasierten Textanalysemetho-
den wird oftmals kritisiert, dass sie textabhängige Nuancen und inhaltliche Zusammen-
hänge nicht berücksichtigen sowie Homografen vernachlässigen würden, sodass dies
Fehlklassifikationen zur Folge haben könnte (Wolf et al. 2008). Berry et al. (1997) revi-
dieren diese Sichtweise allerdings, indem sie feststellen, dass computerbasierte Wort-
zählalgorithmen nicht zu bedeutenden Fehlklassifikationen führen.
Um die psychologischen Wirkungen von Stimme und Sprechweise zu analysieren, knüp-
fen Methoden der automatischen bzw. maschinellen Spracherkennung an den prosodi-
schen Stimmeigenschaften an. Dabei wird zwischen der Automatic Personality Recogni-
tion (APR) und der Automatic Personality Perception (APP) unterschieden. Bei der APR
werden die Stimmeigenschaften des Sprechers mit seiner Selbsteinschätzung bezüglich
seiner Persönlichkeitseigenschaften korreliert, wohingegen bei der APP Hörern Stimm-
aufnahmen vorgespielt werden, die den Sprecher anschließend mittels Persönlichkeitsin-
ventar fremdbeurteilen und ihm so bestimmte Persönlichkeitsmerkmale zuordnen (Schul-
ler et al. 2015).
Eine intelligente Sprachanalysetechnologie, die aus der Stimme sowie der Wortverwen-
dung bestimmte psychologische Merkmale des Sprechenden herausfiltert und identifiziert,
ist die psycholinguistische Software PRECIRE (https://precire.com/de/start/). Das Sprach-
programm nutzt Methoden der so genannten formal-quantitativen Textanalyse und kom-
biniert diese mit prosodischen Parametern, die sprechertypische Stimmeigenschaften mar-
kieren (PRECIRE Manual 2015). Um die Sprache des Teilnehmers analysieren zu können,
wird mit ihm üblicherweise ein standardisiertes 15-minütiges Telefoninterview geführt.
Anschließend wird das Sprachmaterial umgewandelt, in seine Einzelteile zerlegt und auf
Auffälligkeiten überprüft. Die Software PRECIRE erkennt dabei gezielt Muster in der
Förderung einer positiven Kunden-Mitarbeiter-Interaktion 223

Sprachprobe (PRECIRE 2016). Die Sprachmuster werden linguistischen und psychologi-


schen Kategorien zugeordnet, die für die Vorhersage bestimmter Persönlichkeitsmerk-
male bedeutsam sind (PRECIRE 2016). Dabei wird die Sprache anhand von 500.000
Sprachdimensionen (beispielsweise die Häufigkeit von Wörtern oder Satzkonstruktionen)
analysiert und dekodiert, mit dem Ziel, stabile, reproduzierbare Sprachprofile zu identifi-
zieren. Um auf Basis der Profile Persönlichkeitsvorhersagen treffen zu können, gleichen
Algorithmen die Sprachäußerungen mit einer Referenzdatenbank ab. Die Normstichprobe
besteht aus 5.201 Personen (PRECIRE Manual 2015). Um nicht-triviale Zusammenhänge
in den ausgewählten Daten extrahieren zu können, werden im Entwicklungskern der Soft-
ware Machine-Learning und Data-Mining-Algorithmen verwendet (PRECIRE 2016).

3.2 Instrumente zur Erfassung von Emotionen


Um Emotionen von Personen zu identifizieren, kann auf eine Vielzahl unterschiedlicher
Technologien zurückgegriffen werden. Neben PRECIRE existieren beispielsweise Soft-
wareanwendungen wie SentiStrength (http://sentistrength.wlv.ac.uk/), Linguistic Inquiry
and Word Count (http://liwc.wpengine.com/) oder SAS Sentiment Analysis (http://www.
sas.com/en_ph/software/analytics/sentiment-analysis.html). Jede dieser Anwendungen
basiert auf einer Sentimentanalyse, die mit Hilfe statistischer Verfahren erkennt, ob ein
Textsegment emotionalen Inhalt enthält. Darüber hinaus hat sie zum Ziel, eine Äußerung
als positiv, negativ oder neutral (Polarität) sowie deren emotionale Intensität einzuschät-
]HQ 3DQJ/HH/LX 'DKHUZLUGVLHDXFKÄ2SWLRQ0LQLQJ³JHQDQQW 7KHOZDOO
et al. 2010). Die Sentimentanalyse ist in einen zweistufigen Prozess gegliedert. In einem
ersten Schritt wird der zu untersuchende Text in Abschnitte unterteilt, beispielsweise in
einzelne Sätze. Die Sätze werden anschließend einer der beiden Kategorien Objektivität
und Subjektivität zugeordnet (Pang/Lee 2008). Dabei umfassen objektive Sätze aus-
schließlich Fakten, während subjektive Sätze Informationen über Emotionen, Meinungen
und Überzeugungen beinhalten (Feldman 2013). Da für die Identifikation emotionaler Va-
lenzen und Intensitäten subjektive Sätze von Interesse sind, werden diese in einem zweiten
Schritt extrahiert und auf ihren positiven, negativen oder neutralen Inhalt hin untersucht
(Thelwall et al. 2010). Bei der Sentimentanalyse können zwei Techniken eingesetzt wer-
den. Dies sind zum einen lexikonbasierte Verfahren und zum anderen Algorithmen ma-
schinellen Lernens (Taboada et al. 2011). Die lexikonbasierten Verfahren beinhalten eine
wörterbuchbasierte Liste mit positiven und negativen Wörtern. Der zu untersuchende Text
wird auf die Häufigkeit positiver und negativer Wörter hin analysiert (Taboada et al.
2011). Anschließend werden die Häufigkeiten positiver und negativer Wörter des zu ana-
lysierenden Textes einander gegenübergestellt. Daraus ergibt sich das vermutete Stim-
mungsbild (Thelwall et al. 2010). So würde beispielsweise das durch einen Kunden geäu-
‰HUWH)HHGEDFNÄ'DV3URGXNWLVWJXWXQGKLOIUHLFKDEHUGDV'HVLJQOLHEORV³VRZRKO]ZHL
positive Wörter ÄJXW³XQGÄKLOIUHLFK³ DOVDXFKHLQHQHJDWLYH:RUWEHGHXWXQJ ÄOLHEORV³ 
aufweisen. Der Satz könnte aufgrund der positiven Tendenz zusammenfassend als positiv
224 Ellen Weber

gewertet werden. Bei maschinellen Lernverfahren hingegen wird ein Algorithmus ver-
wendet, der anhand aufbereiteter Textbeispiele lernt, einzelnen Wörtern (Unigramme:
^Ä'DV³ Ä3URGXNW³ ÄLVW³ ÄJXW³`  RGHU PHhreren aufeinanderfolgenden Wörtern (Bi-
gramme^Ä'DV3URGXNW³Ä3URGXNWLVW³ ÄLVWJXW³`RGHU7ULJUDPPH ^Ä'DV3URGXNWLVW³,
Ä3URGXNW LVW JXW³` positive oder negative Konnotationen zuzuordnen (Thelwall et al.
2012). Sobald der Lernprozess abgeschlossen ist, kann der Algorithmus das erworbene
Wissen auf Texte, die bisher noch nicht untersucht wurden, anwenden und die darin bein-
halteten Wörter automatisch anhand der Stimmungskategorien klassifizieren (Thel-
wall/Kappas 2014). Die Methoden der Sentimentanalyse, insbesondere maschinelle Lern-
verfahren, erzielen dabei Genauigkeitswerte von ungefähr 80 Prozent (Pang/Lee 2008).
Die Einschränkung bezüglich der Aussagegenauigkeit ist der Komplexität der menschli-
chen Sprache geschuldet (Villarroel et al. 2014). Problematisch bei der Identifikation des
Stimmungsbildes in Textsegmenten sind unter anderem die Verletzung von Grammatik-
regeln sowie der korrekten Rechtschreibung oder die Verwendung von Abkürzungen, die
häufig LQGHU&KDWVSUDFKHJHQXW]WZHUGHQZLHEHLVSLHOZHLVHÄORO³ 7KHOZDOOHWDO 
Darüber hinaus sind Ironie sowie Sarkasmus für lexikonbasierte Verfahren und Algorith-
men maschinellen Lernens schwierig zu erkennen (Villarroel et al. 2014). Trotzdem stellt
die Sentimentanalyse nach Paltoglou et al. (2010) eine geeignete Möglichkeit dar, Emoti-
onen in kurzen, informalen, online verfügbaren Texten reliabel und valide zu erfassen.
Dies ermöglicht es Unternehmen, sowohl Kundenfeedback als auch Kundenemotionen,
die in Social-Media-Netzwerken, E-Mails oder Chats ausgedrückt werden, in Echtzeit zu
analysieren (Feldman 2013). Im Folgenden werden drei ausgewählte Technologien zur
Identifikation von Emotionen in elektronischen Texten vorgestellt.
Ein Beispiel für ein lexikonbasiertes Verfahren stellt LIWC dar. Das LIWC ist ein auto-
matisiertes, computergestütztes Textanalyseprogramm, das einzelne Wörter unter Rück-
griff auf ein hinterlegtes Wörterbuch in eine oder mehrere vordefinierte Kategorien ein-
ordnet (Pennebaker et al. 2007). Darüber hinaus zählt das LIWC deren Häufigkeit des
Auftretens und stellt diese prozentual in Relation zur Textlänge dar (Tausczik/Pennebaker
2010). Um Emotionen zu erfassen, misst diese Technologie den Anteil positiver und Wör-
ter Worte anhand einer vordefinierten Liste. Dabei werden den positiven Emotionen 406
Wörter zugeordnet, während 499 Wörter als negative Emotionen klassifiziert werden
(Pennebaker et al. 2007). Allerdings wird die Intensität der Emotionen nicht erfasst. Auch
bleiben spraFKOLFKH9HUVWlUNXQJHQZLHÄVHKU³XQG1HJDWLRQHQ ÄQLFKWJXW³ unberücksich-
tigt. Diese haben allerdings einen Einfluss auf die Polarität und Intensität der Emotion,
sodass die Nichtbeachtung die Qualität der Erfassung einschränkt (Thelwall et al. 2010).
SentiStrength hingegen ist eine Open-Source-Software, die neben der Polarität der geäu-
ßerten Emotionen in Textsegmenten zusätzlich Aufschluss über deren Intensitäten gibt.
Basierend auf einer 2.310 positiven und negativen Wörter umfassenden Liste wird jedem
dieser Wörter ein numerischer Intensitätswert (1 = niedrige Intensität; 5 = hohe Intensität)
zugeordnet (Thelwall/Kappas 2014). Die verwendeten Wörter eines Satzes werden zu-
nächst auf ihren positiven, negativen oder neutralen Inhalt untersucht. Anschließend er-
halten die verwendeten positiven und negativen Wörter Intensitätswerte auf Basis der de-
finierten Liste. Als Ergebnis wird für jeden Satz sowohl die höchste positive als auch die
Förderung einer positiven Kunden-Mitarbeiter-Interaktion 225

höchste negative Intensität ausgewiesen. Die bei LIWC kritisierten Punkte greift SentiSt-
rength auf, indem die Anwendung sowohl Negationen als auch sprachliche Verstärkungen
berücksichtigt. Ein weiterer Vorteil von SentiStrength ist die Einbeziehung von Emoticons
Ä-³ 6DW]]HLFKHQGLHPHKUIDFK aufeinanderfoOJHQ Ä'HU6HUYLFH ZDUVRVFKOHFKW³ 
XQG:LHGHUKROXQJHQGHVVHOEHQ%XFKVWDEHQVLQQHUKDOEHLQHV:RUWHV Ä'HU6HUYLFH ZDU
VRRRRVFKOHFKW³ LQGLH$QDO\VHGDGLHVHVWLOLVWLVFKHQ0LWWHOGLH,QWHQVLWlWRGHU%HGHXWXQJ
eines Wortes verändern können. Darüber hinaus ist ein Algorithmus implementiert, der
Rechtschreibfehler automatisch erkennt und verbessert (Thelwall et al. 2012).
Eine kommerzielle Anwendung stellt SAS Sentiment Analysis dar. Mit dieser Software ist
es ebenfalls möglich, Meinungen und Emotionen in elektronischen Texten zu erfassen.
Dies ist sowohl in Echtzeit als auch über eine bestimmte Zeitperiode möglich. Das Pro-
gramm verwendet dabei einen hybriden Ansatz, indem bestimmte statistische Verfahren
und so gHQDQQWHOLQJXLVWLVFKH5HJHOQ Ä/LQJXLVWLFRXOHV³ PLWHLQDQGHUNRPELQLHUWZHUGHQ
(SAS Institute Inc. 2013).

4. Methodisch-konzeptionelle Fundierung

4.1 Entwicklung eines methodisch-konzeptionellen


Bezugsrahmens zur Persönlichkeitsanalyse auf Basis des
Similarity-Attraction-Effekts
Im Folgenden wird ein methodisch-konzeptioneller Bezugsrahmen entwickelt, der auf-
zeigt, wie durch den Einsatz intelligenter Sprachanalysetechnologien das Zusammenfüh-
ren von Kunden und Mitarbeitenden gelingen und welche Auswirkungen dies auf ausge-
wählte kunden- und mitarbeiterseitige Variablen haben kann. Dabei werden theoretische
Erkenntnisse des bereits dargestellten Similarity-Attraction-Effekts sowie der aktuelle For-
schungsstand berücksichtigt.
Der methodisch-konzeptionelle Bezugsrahmen weist einen Prozesscharakter auf, der die
idealtypische Vorgehensweise der Dienstleistungsunternehmen beim Einsatz intelligenter
Sprachanalysetechnologien verdeutlicht. Zunächst würde dabei ein Dienstleistungsunter-
nehmen die Persönlichkeitseigenschaften anhand einer automatisierten, quantitativen
Sprachsoftware erfassen. Wie sich Persönlichkeit in der Sprache äußert, wurde bereits in
Abschnitt 2.3.1 dargestellt und diskutiert. Nachdem die Persönlichkeits-
eigenschaften der Mitarbeitenden und bestehender sowie neuer Kunden mittels einer
quantitativen, automatisierten Sprachsoftware erfasst wurden, könnte ein Unternehmen
daran anknüpfend das Zusammenführen auf Basis ähnlicher Persönlichkeitsdispositionen
vornehmen. Der Nutzen aus diesem Matching ergibt sich aus dem in Abschnitt 2.2 her-
ausgearbeiteten Similarity-Attraction-Effekt (Byrne 1971). Nach diesem Ansatz löst die
226 Ellen Weber

Ähnlichkeit zwischen Personen eine interpersonale Anziehungskraft aus (McPherson et


al. 2001). Wie bereits aufgezeigt, beschreibt die interpersonale Anziehungskraft dabei die
Neigung von Menschen, andere zu mögen und sympathisch zu finden, die ihnen ähnlich
sind (Dwyer et al. 1998; McPherson et al. 2001). Im vorliegenden Ansatz äußert sich die
Homogenität zwischen dem Kunden und dem Mitarbeitenden demnach in ihren ähnlichen
Persönlichkeitseigenschaften. Nach Zusammenführen von Kunde und Mitarbeitendem auf
Basis ähnlicher Persönlichkeit, würden diese in Dienstleistungsinteraktionen miteinander
interagieren. In zahlreichen Studien wurde aufgezeigt, dass die Ähnlichkeit zwischen Per-
sonen als Prädiktor einen Einfluss auf verschiedene, im wirtschafts-wissenschaftlichen
Kontext höchst relevante, mitarbeiter- und kundenseitige Variablen haben kann (Lichtent-
hal/Tellefsen 2001). So ist empirisch bestätigt, dass die Ähnlichkeit zwischen Kunde und
Mitarbeitendem zu Kundenzufriedenheit (Gaur et al. 2012), positiven Kundenemotionen
(Lee/Dubinsky 2003), einer höheren Kundenloyalität (Yu/Tseng 2016) und einer verbes-
serten Kommunikationsqualität aufgrund einer gemeinsamen Sprachebene (Mohr/Bitner
1991; Smith 1998; Brass 2012) führt. Darüber hinaus wird durch die Ähnlichkeit die Kauf-
absicht (Evans 1963; Woodside/Davenport 1974), der Kaufumfang (Churchill et al. 1975)
sowie das Vertrauen des Kunden (Fine/Gardial 1990; Dion et al. 1995; Gremler et al.
2001; Brass 2012) erhöht. Auch die Wahrnehmung des Kunden bezüglich der Effektivität
des Mitarbeitenden (Crosby et al. 1990; Boles et al. 2000) wird dadurch positiv beein-
flusst. Ebenfalls zeigt sich, dass die Zufriedenheit des Mitarbeitenden (Yi et al. 2011)
steigt. Demgegenüber hat die Ähnlichkeit zwischen Kunde und Mitarbeitendem keinen
signifikanten Einfluss auf die Beziehungsqualität (Crosby et al. 1990; Smith 1998; Boles
et al. 2000). Eine mögliche Begründung für dieses Ergebnis ist nach Boles et al. (2000),
dass zunächst substanziellere Faktoren als die Ähnlichkeit zwischen dem Kunden und dem
Mitarbeitenden vorliegen müssen, um eine hochwertige Beziehung aufzubauen. Aufgrund
dieser empirischen Erkenntnisse wird angenommen, dass die genannten Variablen eben-
falls durch das Zusammenführen von Kunden und Mitarbeitenden auf Basis ähnlicher Per-
sönlichkeitseigenschaften unter Einsatz intelligenter Sprachanalysetechnologien beein-
flusst werden können. Dies kann zur Förderung einer positiven Kunden-Mitarbeiter-
Interaktion beitragen. Abbildung 1 stellt den methodisch-konzeptionellen Ansatz, der auf
Basis theoretischer und empirischer Erkenntnisse zum Similarity-Attraction-Effekt unter
Integration der Sprachanalyse entwickelt wurde, grafisch dar.
Förderung einer positiven Kunden-Mitarbeiter-Interaktion 227

Automatisierte Sprachanalyse

Kundenseitige Outcomevariablen

Kundenzufriedenheit

Kundenloyalität

Positive Kundenemotionen
Prosodische
Stimme und Indikatoren Vertrauen
Wortwahl Persönlichkeits-
des Kunden eigenschaften Kommunikationsqualität
Lexikalische
Indikatoren Kunden- Kaufabsicht
= Similarität Matching Mitarbeiter-
Interaktion Kaufumfang
Prosodische
Stimme und Indikatoren
Wortwahl Persönlichkeits-
des eigenschaften Mitarbeiterseitige Outcomevariablen
Mitarbeit- Lexikalische
enden Indikatoren Mitarbeiterzufriedenheit

Wahrgenommene Effektivität
des Mitarbeitenden

Abbildung 1: Methodisch-konzeptioneller Bezugsrahmen zur Persönlichkeitsanalyse

Einschränkend muss gesagt werden, dass die Zusammenführung von Mitarbeitenden und
Kunden auf Basis ähnlicher Persönlichkeitseigenschaften unter ökonomischen Gesichts-
punkten nur dann sinnvoll ist, wenn es sich um Dienstleistungen handelt, die beratungsin-
tensiv sind und/oder eine langfristige Beziehung zum Kunden aufgebaut werden soll
(Yu/Tseng 2016). Hierzu zählen z. B. wissensintensive Dienstleistungen wie Finanz- und
Versicherungsleistungen. Darüber hinaus ist das Persönlichkeitsmatching bei komplexen,
spezifisch an den Kunden angepassten (Crosby et al. 1990) und kostenintensiven
(Fine/Gardial 1990) Dienstleistungen sinnvoll. Die Ähnlichkeit der Persönlichkeit hat da-
her nicht für alle Dienstleistungen mit Kundenkontakten die gleiche Bedeutung (Hurley
1998).

4.2 Entwicklung eines methodisch-konzeptionellen


Bezugsrahmens zur Emotionsanalyse auf Basis des
Emotional-Contagion-Konzepts
Die Berücksichtigung des Gefühlszustandes des Kunden stellt eine weitere Möglichkeit
dar, eine positive Kunden-Mitarbeiter-Interaktion zu fördern. Im Folgenden wird ein me-
thodisch-konzeptioneller Bezugsrahmen entwickelt und diskutiert, der zum Ziel hat, Emo-
tionen unter Rückgriff auf bestimmte Sprachanalysetechnologien zu identifizieren. Dar-
über hinaus wird herausgearbeitet, welche Auswirkungen dies auf ausgewählte kunden-
228 Ellen Weber

und mitarbeiterseitige Variablen haben kann. Erkenntnisse der bereits dargestellten Theo-
rie der Emotionsübertragung sowie der aktuelle Forschungsstand werden dabei miteinbe-
zogen.
Zu betonen ist, dass auch dieser methodisch-konzeptionelle Bezugsrahmen durch einen
Prozesscharakter gekennzeichnet ist. Unter Einsatz intelligenter Sprachanalysetechnolo-
gien können Dienstleistungsunternehmen dabei zunächst den aktuellen Gefühlszustand
des Kunden erfassen. Der konzeptionelle Ansatz, den aktuellen Gefühlszustand des Kun-
den mit der Sprachanalyse zu identifizieren und darauf aufbauend durch einen Mitarbei-
tenden positiv zu beeinflussen, lässt sich durch das Emotional-Contagion-Konzept begrün-
den. Demnach können Emotionen in Interaktionen übertragen werden, sodass die
Gefühlszustände zwischen den Interaktionspartnern konvergieren (Hatfield et al. 1993).
Zahlreiche Studien untersuchen den Prozess der primitiven Emotionsübertragung im Ser-
vicekontext sowie die sich daraus ergebenden Auswirkungen. So zeigen empirische Stu-
dien, dass die Veränderung des Gefühlszustandes aufgrund emotionaler Ansteckung einen
positiven Einfluss auf die Kundenzufriedenheit (Homburg/Stock 2004; Barger/Grandey
2006; Hennig-Thurau et al. 2006; Grandey et al. 2011), die Wahrscheinlichkeit, dass der
Kunde den Laden erneut aufsucht und eine positive Empfehlung ausspricht (Tsai 2001;
Tsai/Huang 2002) sowie das Verkaufsvolumen des Mitarbeitenden (Verbeke 1997) hat.
Weiterhin findet eine positivere Beurteilung der Servicequalität (Pugh 2001; Bar-
ger/Grandey 2006) sowie des Service Providers (Luong 2005; Barger/Grandey 2006) statt.
Empirische Studien bestätigen darüber hinaus, dass die Emotionsübertragung einen zwei-
stufigen Prozess darstellt. Daher hat die Emotion des Mitarbeitenden keinen direkten Ef-
fekt auf kundenseitige Verhaltensvariablen, sondern beeinflusst zunächst den Gefühlszu-
stand des Kunden. Die Veränderung des Gefühlszustandes hat wiederum einen Einfluss
auf bestimmte abhängige Variablen wie die Qualitätsbewertung (Pugh 2001) oder die
Kundenzufriedenheit (Hennig-Thurau er al. 2006). Daher ist erklärbar, warum Tsai (2001)
keinen direkten, signifikanten Effekt einer positiven Mitarbeiteremotion auf die Kaufent-
scheidung des Kunden feststellen konnte.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die emotionale Ansteckung im Dienstleistungs-
kontext empirisch sehr gut belegt ist (Nerdinger 2011). Ziel der Emotionsübertragung ist,
bei Kunden aufgrund des Demonstrierens positiver Emotionen durch den Mitarbeitenden
einen positiven Gefühlszustand zu erzeugen, da Kunden durch das Erleben positiver Ge-
fühle, wie aufgezeigt, unter anderem die Servicequalität besser beurteilen und zufriedener
mit der Dienstleistung sind (Pugh 2001; Luong 2005; Nerdinger 2011). Darüber hinaus
beeinflusst der Mitarbeitende durch eine positive Gefühlsdarstellung und der damit ver-
bundenen positiven Rückmeldung des Kunden ebenfalls das eigene Erleben positiv, da er
dadurch das Empfinden seiner positiven Emotionen verstärkt (Nerdinger 2011). Wird da-
gegen eine unerwünschte Emotion wie beispielsweise Wut, Frustration, Verlegenheit oder
Besorgnis (Tronvoll 2011) beim Kunden erfasst, sollte aufgrund der negativen Effekte
(Dallimore et al. 2007) eine Änderung der Kundenemotion durch den Mitarbeitenden ver-
folgt werden. Der methodisch-konzeptionelle Ansatz wird in Abbildung 2 grafisch auf
Basis der obigen Ausführungen dargestellt.
Förderung einer positiven Kunden-Mitarbeiter-Interaktion 229

Automatisierte Sprachanalyse

Prosodische
Stimme und Indikatoren Identifizieren des
Wortwahl aktuellen
des Kunden Gefühlszustandes
Lexikalische des Kunden
Indikatoren

Kundenseitige Outcomevariablen

Kundenzufriedenheit
Emotionsübertragung während der
Kunden-Mitarbeiter-Interaktion Positive Qualitätsbewertung

Mitarbeitender als Sender von Wiederkaufsabsicht


Emotionen: Kunde als Empfänger von
‡ Individuelles, personalisiertes Emotionen: Positives WOM
Feedback an den Kunden ‡ Veränderung seines
aufgrund des identifizierten Gefühlszustandes
Gefühlzustandes
‡ Konvergenz der Emotionen Mitarbeiterseitige Outcomevariablen
‡ Zusätzlich Handlungs-
empfehlungen im Umgang mit zwischen Mitarbeiter und
Kunde Verkaufsvolumen
den Emotionen durch Sprach-
analysetechnologien
Positive Emotionen

Abbildung 2: Methodisch-konzeptioneller Bezugsrahmen zur Emotionsanalyse

Neben dem Erfassen von Emotionen geben intelligente Sprachanalysetechnologien ideal-


erweise Handlungsempfehlungen, wie der Mitarbeitende auf die gezeigte Kundenemotion
reagieren sollte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass im Umgang mit den jeweiligen Aus-
prägungen und Intensitäten der Emotionen Unterschiede bestehen. So zeigen beispiels-
weise Preuninger und Büttgen (2016), dass auf verängstigte Kunden kein Kaufdruck aus-
geübt werden darf und durch das Aussprechen von Zusagen zur Produktqualität und
Garantie Sicherheit vermittelt wird, um den Gefühlszustand der Angst zu mindern. Die
konkreten Handlungsempfehlungen sollten sowohl bei persönlichen Interaktionen als
auch bei schriftlichen Rückmeldungen im Umgang mit Kundenemotionen in der Kommu-
nikation beachtet werden, um eine unerwünschte Emotion nicht zu verstärken. Dabei ist
denkbar, dass maschinelle Lernverfahren an einem Trainingskorpus Verhaltensreaktionen
im Umgang mit Kundenemotionen auf Basis bestimmter Muster und Gesetzmäßigkeiten
erlernen. Nach der Lernphase wäre die Technologie im Stande, ihr erworbenes Wissen auf
neue, unbearbeitete Kundenanfragen anzuwenden und aus jeder Analyse zu lernen.
Wichtig ist, zu beachten, dass Emotionen nur dann vom Mitarbeitenden auf den Kunden
zielführend übertragen werden können, wenn diese authentisch und ehrlich von diesem
empfunden werden (Hennig-Thurau et al. 2006). Daher ist es erforderlich, Mitarbeitende
diesbezüglich zu schulen. Ein Erfolg versprechender Ansatz ist dabei das Konzept der
Emotionsarbeit (Hennig-Thurau et al. 2006). Dieses umfasst die bewusste Herstellung und
Präsentation eines Gefühlsausdrucks, der in Einklang mit expliziten und impliziten Regeln
des Unternehmens steht (Hochschild 1983; Rafaeli/Sutton 1987; Nerdinger 2011). Diese
230 Ellen Weber

normativen Darstellungsregeln legen fest, welche Emotionen von Mitarbeitenden in Kun-


den-Mitarbeiter-Interaktionen gezeigt werden sollen (Rafaeli/Sutton 1987; Hennig-
Thurau/Paul 2007). Nach Hochschild (1983) lassen sich zwei Strategien der Emotionsar-
beit unterscheiden, die Mitarbeitenden zur Verfügung stehen: Oberflächenhandeln
Ä6XUIDFH$FWLQJ³ XQG7LHIHQKDQGHOQ Ä'HHS$FWLQJ³ %HLP7LHIHQKDQGHOQYHUVXFKWder
Mitarbeitende, die von ihm aufgrund normativer Darstellungsregeln erwartete Emotion
dem Kunden gegenüber zu zeigen. Die Emotion täuscht er dabei nicht vor, sondern emp-
findet diese tatsächlich. Demgegenüber zeigt der Mitarbeitende beim Oberflächenhandeln
nach außen die gewünschte Emotion, empfindet diese jedoch nicht (Hennig-Thurau/Paul
2007).

4.3 Zusammenfassende Beurteilung


Nach den Ausführungen zu den verschiedenen Sprachanalysetechnologien sowie den bei-
den methodisch-konzeptionellen Bezugsrahmen wird im Folgenden die Frage diskutiert,
inwiefern die Sprachanalyse ein wirkungsvolles Instrument zur Förderung einer positiven
Kunden-Mitarbeiter-Interaktion darstellt. Für den Einsatz intelligenter Sprachanalysetech-
nologien zur Erfassung von Persönlichkeitseigenschaften und Emotionen spricht, dass so-
wohl bei standardisierten Persönlichkeitstests und Emotionsskalen als auch bei der Beur-
teilung durch geschultes Fachpersonal die Objektivität eingeschränkt sein kann. Dies tritt
durch schematische Antworttendenzen oder durch gewisse subjektive Einflüsse des Beur-
teilenden auf, sodass die Ergebnisse verfälscht werden können. Diese Problematik entfällt
bei der quantitativen, automatisierten Sprachanalyse, da das Sprachverhalten nur in gerin-
gem Maße beeinflussbar ist. Daher ist der Zugang zu den wesentlichen Aspekten der Per-
sönlichkeit und Emotionen unmittelbar und weitgehend unverfälscht gegeben (Sendlmeier
2012).
Vor dem Hintergrund akzeptabler Genauigkeitswerte der Sprachanalysetechnologien bei
der Erfassung von Persönlichkeitseigenschaften (PRECIRE Manual 2015) und Emotionen
(Pang/Lee 2008; Paltoglou et al. 2010) sowie der Möglichkeit, vollständige Kunden-Mit-
arbeiter-Interaktionen in Echtzeit zu analysieren, stellen quantitative, automatisierte
Sprachanalyseprogramme geeignete Instrumente zur Erfassung von Persönlichkeitseigen-
schaften und Emotionen der Kunden und Mitarbeitenden dar. Diese können mit dem Ziel
eingesetzt werden, eine positive Kunden-Mitarbeiter-Interaktion zu fördern.
Förderung einer positiven Kunden-Mitarbeiter-Interaktion 231

5. Implikationen für Praxis und Forschung


Der vorliegende Beitrag liefert sowohl für die Praxis als auch für zukünftige Forschung
interessante Ansatzpunkte. Mit den vorgestellten Technologien stehen Unternehmen wert-
volle Instrumente zur Verfügung, um positive Kunden-Mitarbeiter-Interaktionen zu för-
dern, sodass sich daraus positive psychologische und verhaltensbezogene Reaktionen (un-
ter anderem Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit) ergeben können. Dabei kann die
Vielzahl unstrukturierter Daten, die Unternehmen beispielsweise über E-Mails erhalten,
genutzt werden, um Kundeninformationen zu analysieren. So ermöglicht der Einsatz einer
automatisierten, quantitativen Sprachsoftware, auf Kundenfeedback schnellstmöglich re-
agieren zu können, indem dieses erfasst, zielführend analysiert und strukturiert wird
(Villarroel et al. 2014). Dabei ist es möglich, beispielsweise durch Chatfunktionen mit den
Kunden in Kontakt zu treten und in Echtzeit ihren Gefühlszustand mittels intelligenter
Sprachanalysetechnologien festzustellen. Somit kann der von McColl-Kennedy et al.
(2009) formulierten Aufforderung einer frühzeitigen Identifizierung negativer Emotionen
nachgekommen werden, um diesen besser entgegenzuwirken.
Wichtig beim Einsatz der Technologieanwendungen für das Persönlichkeitsmatching ist,
dass Unternehmen Mitarbeitende mit heterogenen Persönlichkeitsprofilen beschäftigen,
um den unterschiedlichen Kundentypen den für sie Ägeeigneten³ Mitarbeitenden gegen-
überstellen zu können (Lee/Dubinsky 2003). Relevant bei der Personalauswahl ist darüber
hinaus, diejenigen auszuwählen, die Gemeinsamkeiten mit Kunden authentisch betonen
können (Lichtenthal/Tellefsen 2001). Dies gilt auch für Emotionen im Kontext von
Dienstleistungsinteraktionen. Da die Ehrlichkeit der gezeigten Mitarbeiteremotion einen
starken Einfluss auf die Kundenemotion hat (Luong 2005; Hennig-Thurau et al. 2006),
empfiehlt es sich, Mitarbeitende auszuwählen, die ihre Gefühle, beispielsweise durch An-
wendung der Strategie des Tiefenhandelns, regulieren und daher aufrichtig zeigen können.
Darüber hinaus ist wichtig, das Bewusstsein der Mitarbeitenden für die zentrale Bedeu-
tung der Ähnlichkeit zwischen Kunden und Mitarbeitenden sowie Emotionen in dyadi-
schen Beziehungen zu stärken XQGVLHIULKUH5ROOHDOVÄ%H]LHKXQJVPDQDJHU³ &URVE\HW
al. 1990; Boles et al. 2000) zu sensibilisieren. Dabei ist darauf zu achten, dass diese primär
zum Ziel haben, positive Emotionen beim Kunden auszulösen (Hennig-Thurau et al.
2006).
Der vorliegende Beitrag liefert zudem Ansatzpunkte für künftige Untersuchungen. So
sollten zunächst die entwickelten methodisch-konzeptionellen Bezugsrahmen empirisch
untersucht werden. Denkbar wäre ein dyadisches Untersuchungsdesign, in dem Kunde
und Mitarbeitender auf Basis der durch eine Sprachanalyse identifizierten, ähnlichen Per-
sönlichkeitseigenschaften zusammengebracht und nach der Interaktion bezüglich mitar-
beiter- und kundenseitigen Verhaltensvariablen befragt werden.
Ein interessanter Aspekt ist die Erweiterung der entwickelten methodisch-konzeptionellen
Bezugsrahmen um Moderationsvariablen. So könnte beispielsweise die Motivation der
232 Ellen Weber

Kunden und Mitarbeitenden (Dellande et al. 2004) die Beziehung zwischen der Ähnlich-
keit der Persönlichkeit und verhaltensbezogenen Variablen wie die Kunden- und Mitar-
beiterzufriedenheit moderieren. Darüber hinaus könnte untersucht werden, ob Moderati-
onsvariablen wie die Häufigkeit des Kontakts (Homburg/Stock 2004), ausgewählte
personenbezogene Merkmale ± denkbar wären Variablen wie emotionale Intelligenz,
Kommunikationsstile oder gesundheitsbezogene Faktoren wie ein hohes Stresslevel ± so-
wie Sympathie zwischen Interaktionspartnern den Prozess der Emotionsübertragung von
Sender (Mitarbeitender) auf Empfänger (Kunde) beeinflussen.
Den Sympathiegedanken aufgreifend, sollte darüber hinaus der Similarity-Attraction-Ef-
fekt mit der Theorie der Emotionsübertragung verknüpft werden, um der Frage nachzuge-
hen, ob die Ähnlichkeit der Interaktionspartner Einfluss auf die Emotionsübertragung hat.
Dies würde wertvolle Hinweise darauf geben, ob zunächst immer Kunden und Mitarbei-
tende auf Basis ähnlicher Persönlichkeitsdispositionen zusammengebracht werden sollten,
sodass durch die resultierende interpersonale Anziehungskraft die Wahrscheinlichkeit ei-
ner bewusst durch den Mitarbeitenden gesteuerten Emotionsübertragung auf den Kunden
erhöht werden kann.
An den Ausführungen des vorliegenden Beitrags zeigt sich zusammenfassend, dass die
Similarität zwischen Kunde und Mitarbeitendem auf Basis ähnlicher Persönlichkeitsei-
genschaften sowie Emotionen in Dienstleistungsinteraktionen von zentraler Bedeutung
sind. Intelligente Sprachanalysetechnologien eröffnen nun neue Möglichkeiten in Bezug
auf die Analyse von Interaktionen zwischen Kundenkontaktmitarbeitenden und Kunden
und stellen ein wirkungsvolles Instrument zur Förderung einer positiven Kunden-Mitar-
beiter-Interaktion dar.

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Tim Senn

Service Transition in the Context of Digitized


Service Ecosystems

1. Introduction

2. Service ecosystems in the context of digitization


2.1 Concept of digitized service ecosystems
2.2 Characteristics of digitized service ecosystems and implications

3. A Framework for envisioning digitized service ecosystems


3.1 Objective: Envisioning digitized service ecosystems as a basis for
business model development and service transition
3.2 Dimension 1: Why? Ecosystem types for networked value creation
3.3 Dimension 2: Who? Roles and players within the ecosystem
3.4 Dimension 3: How? Ecosystem value layers
3.5 Dimension 4: Why? Leveraging assets in co-opetition

4. Conclusion and outlook

References

______________________________________
Tim Senn, M. Sc., is Consultant at the Strategy and Marketing Consultancy Prof. Bruhn
& Partner AG and Research Assistant at the Department of Service Management and
Service Markets at the University of Hohenheim.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017


M. Bruhn und K. Hadwich (Hrsg.), Dienstleistungen 4.0,
DOI 10.1007/978-3-658-17552-8_10
1. Introduction
,QWRGD\¶V KLJKO\FRPSHWLWLYHPDUNHWVSURGXFWVEHFRPHFRPPRGLWL]HG PRUHDQG PRUH
rapidly. It stands to reason that manufacturers and product providers must be on the
lookout for new ways to escape this competitive pressure. Companies in many industries
are therefore rethinking their business models and competitive strategies, trying to find
new ways to generate and capture value that go beyond traditional product innovation.
Digitization and the shift from a product-oriented business logic to a service-dominant
logic have given rise to a plethora of new business models. Products connected through
digital technology become platforms for service provision. The raise of smart products,
which has been described as the Internet of Things (IoT) or Industry 4.0, leads to a more
networked perspective on value creation while blurring traditional industry borders. By
changing established value creation logics, these developments allow new market
entrants to successfully challenge traditional business models and to eventually make
them redundant. On the other hand, connected products potentially enable a product
PDQXIDFWXUHU¶V transition towards service. $SSOH¶V LQYDVLRQ RI WKH PXVLF LQGXVWU\
(through a product) is an example for both: Turning the value creation logics of an entire
industry upside down and doing so (initially) by means of a product.
Service-orientation, digitization and network-orientation have received great attention
from researchers and managers in recent years (see Figure 1). However, they are often
looked at in silos. It is important to consider the interdependency of these developments
ZKHQGLVFXVVLQJDFRPSDQ\¶VWUDQVLWLRQIURPSURGXFWVWRVHUYLFHV. They lead to a shift
from product-centric business models to complex digitized service ecosystems where
firms achieve competitive advantage through collaborative relationships with other
actors resulting in value co-creation.

Service-orientation and the transformation of product providers


In the past decades, many firms have attempted to escape commoditization and improve
their competitiveness by adding services to their product offerings, creating product-
service-bundles or even translating their product offerings into services (Fang et al.
2008; Bruhn et al. 2015). Large companies like IBM have successfully transformed from
a product-centric manufacturing business model to a service-centric business model.
This development is described as Servitization (Vandermerwe/Rada 1988), Service
Infusion (Kowalkowski et al. 2012) or Service Transition (Oliva/Kallenberg 2003).
In research and academics, the trend towards service has been supported by the ongoing
discussion on service-dominant logic. S-D logic proposes that all firms are service
providers and not product providers becDXVHÄ,QDVHUYLFH-centered view, tangible goods
VHUYHDVDSSOLDQFHVIRUVHUYLFHSURYLVLRQUDWKHUWKDQHQGVLQWKHPVHOYHV´ 9DUJR/XVFK
2004, p. 13).
244 Tim Senn

low Network-orientation high

high
Digitized
Digital
Service
Services
Ecosystems

Digitization
Products Services

low
low Service-orientation high

Figure 1: Transition from products to digitalized service ecosystems

Digitization of products
The miniaturization of hardware, increasing processing and storage capacities, and
decreasing prices made digital technology increasingly pervasive in products. Connected
products creating data are called smart products. Digital technology in products drives a
wealth of new service-oriented business models for both service providers and product
manufacturers and act as a catalyst for service orientation (Kowalkowski et al. 2013a).
Smart products enable digital service provision or can even be the centre of a complete
service ecosystem (Vargo/Lusch 2004). Furthermore, smart products enable new
revenue models and make it possible to sell the service rendered by the product (e.g. the
flight hour LQ5ROOV5R\FH¶VSRZHU-by-the-hour solution) instead of the physical product
itself (HJ5ROOV5R\FH¶VDHURHQJLQH).

Network-orientation
Both the trend towards service-oriented business models and digitization models lead to
an increasingly networked economy, where value is created by connected products,
services and interacting organizations within complex ecosystems. These ecosystems
FRQVLVW RI IRFDO ILUPV FXVWRPHUV FXVWRPHUV¶ FXVWRPHUV VXSSOLHUV FRPSOHPHQWRUV
competitors, and other actors. It is necessary to analyse the complex and multidirectional
value creation processes and service streams within these systems.
Service Transition in the Context of Digitized Service Ecosystems 245

As per the relational view of the firm ³Fompetitive advantage can be only gained through
the joint idiosyncratic contributions of specific alliance partners and the service
HFRV\VWHP´ (Dyer/Singh 1998). An effectively managed and organized network can
therefore be the primary source of competitive advantage (Wilkinson et al. 2006;
Eloranta/Turunen 2015).
However, research on service transition is biased towards a single firm dominant view
(Eloranta/Turunen 2015). Only recently, researchers have started to analyse networks of
actors in the context of service transition (e.g. Gebauer et al. 2013; Kowalkowski et al.
2013b; Spring/Araujo 2013). Also, recent theoretical contributions on service-dominant
logic have shifted towards an ecosystem perspective. Nevertheless, extensive literature is
still missing a framework that merges the two aspects of service-dominant logic and
digitization into an actionable network-oriented ecosystem approach.

Addressing the need for an integrated framework


There is a need for new theoretical frameworks for competitive strategy, especially in the
context of service transition, that address both the characteristics of digitized products
and the service ecosystem perspective (Yoo et al. 2010; Eloranta/Turunen 2015; Ostrom
et al. 2015).
This paper proposes a framework for envisioning future digitized service ecosystems in
the context of service infusion. It focuses on a network-centric perspective on service
transition, including digitization as a key enabler. We first discuss digitized service
ecosystems, characteristics of such ecosystems and their implications for strategy and
business model development. From this discussion, we derive requirements for our
framework. Second, we provide a holistic model for iterative service transition
consisting of three phases: Ecosystem envisioning, business model development, and
realization. Based on this model, we propose a framework that allows for the envisioning
of future digital service ecosystems as a basis for the two subsequent phases. The
framework consists of four dimensions: (1) a theoretical typology of digitized service
ecosystems (What?), (2) important roles within ecosystems (Who?), (3) a layered model
to describe the modular creation of value within the ecosystem (How?), and (4) the
notion of assets as a leverage in co-opetition between actors across the other three
dimensions (Why?). Finally, we give an outlook on the application of the framework and
draw conclusions.
246 Tim Senn

2. Service ecosystems in the context of digitization

2.1 Concept of digitized service ecosystems


Digitized service ecosystems are a specification of a broader metaphor applying the
ecosystem term from ecology to business contexts. The following discussion provides
the basic concept behind ecosystem thinking. However, it is important to comprehend
that it is not possible to draw precise boundaries of ecosystems of any kind
(Iansiti/Levinen 2004). Rather, ecosystem thinking is about understanding the
complexity of value creation in actor-to-actor networks and applying consequential
implications to strategy and business model development.

Ecosystem Metaphor
The ecosystem term originates in ecology and describes the interaction of all
environmental factors within a defined sphere. A conventional ecosystem can be defined
as ÄDOOWKHDQLPDOVDQGSODQWVLQDSDUWLFXODUDUHDDQGWKHZD\LQZKLFKWKH\DUHUHODWHG
WR HDFK RWKHU DQG WR WKHLU HQYLURQPHQW´ /RQJPDQ   All factors within such
systems are interdependent and influence the entire system through their individual
activities as well as their interaction. Therefore, there is a fundamental interdependence
of the actors within the ecosystem regarding the resilience and performance of the entire
system.

Business Ecosystems
TodD\¶V EXVLQHVVHV DQG PDUNHWV DUH more and more developing into complex
interconnected systems. These systems can be characterized as business ecosystems.
Within these ecosystems, value is not created by single actors, but by their interaction.
The term business ecosystems was coined by Moore in 1996. Moore defines a business
ecosystem as Äan economic community supported by a foundation of interacting
organizations and individuals ± the organism of the EXVLQHVV ZRUOG´ 0RRUH  S
26). Along the lines of ecological ecosystems, business ecosystems consist of a complex
web of relationships and interactions between organizations and actors. Individual actors
ultimately share the fate of the ecosystem as a whole (Iansiti/Levinen 2004).

Service Ecosystems
Considering the increasing competitive pressure in most industries, a healthy business
ecosystem LVQRORQJHUDJXDUDQWHHIRUDFRPSDQ\¶VVWUDWHJLFGLIIHUHQWLDWLRQRUORQJ-term
survival. In the context of service-dominant logic, researchers and practitioners are more
and more focusing on service ecosystems. To date, there is no common definition of the
service ecosystem concept. Lusch and Nambisan (2015) define them as a Ärelatively
Service Transition in the Context of Digitized Service Ecosystems 247

self-contained, self-adjusting system of mostly loosely coupled social and economic


(resource-integrating) actors connected by shared institutional logics and mutual value
creation through service exchange´ /XVFKNambisan 2015, p. 161). This means that
organizations increasingly engage in collaborative arrangements to create and deliver
new service offerings. They co-create value through resource integration and service
exchange.

Digitized Service Ecosystems


In many cases, these collaborative arrangements are driven by increasing connectivity
and the pervasiveness of digital technology. The emergence of connected products leads
to new opportunities for collaborative service creation and delivery. Digitized service
ecosystems consist of actors co-creating value through physical products, services,
platforms and digital services that are connected through technology. Information
technology enables value creation within the ecosystem by triggering innovation and
facilitating collaborative processes by making them more efficient (Lusch/Nambisan
2015).
Enhancing the definition of service ecosystems introduced by Lusch and Nambisan
(2015), we define digitized service ecosystems as ÄA relatively self-contained, self-
adjusting system of mostly loosely coupled resource-integrating actors connected by
mutual value creation through IT-enabled service exchange and shared institutional
ORJLFV´
IT is a key enabler for service orientation on several levels (Lusch et al. 2010; Yoo et al.
2012):
„ Connected products enable service provision
 Connected products become platforms for service provision.
 Connected products increase the ability to self-service.
 Connected products increase the ability to service others remotely.
 Connected products generate and transmit data that can be used for service
provision
„ IT facilitates collaboration in service ecosystems
 Through connectivity, resources can be integrated more easily.
 Knowledge sharing between actors becomes easier.
 Interaction between actors becomes easier.
 As knowledge sharing and interaction increase, coordination between actors
becomes more efficient and responsive.
„ IT enables new forms of value co-creation
 Through connectivity, system openness and knowledge sharing, value can be
generated modularly.
 Through modularity, connectivity, system openness and knowledge sharing,
innovation can be decentralized.
248 Tim Senn

 Through connectivity and knowledge (data) sharing, value can be captured


collaboratively (revenue sharing).
Product-centric firms aiming at transforming their business model and strategy must
therefore widen the unit of analysis from the focal firm to digitized service ecosystems.
It is necessary to understand and utilize the interdependencies between service provision,
networks and collaboration and digitization within these ecosystems.

2.2 Characteristics of digitized service ecosystems and


implications
When managing the transition from product to service provider within digitized service
ecosystems, firms must pay attention to the characteristics of such systems. Innovation
and value creation logics in digitized service ecosystems fundamentally differ from
linear, firm-centric product innovation processes. We outline three main characteristics
that are highly relevant: Complexity, collaborative value co-creation, and integration of
value in a layered-modular platform architecture. From these characteristics, we derive
eight requirements for our service ecosystem transition model.

Complexity
Digitized service ecosystems are not simply an aggregation of relationships, but complex
dynamic systems (Vargo/Lusch 2010; Wieland et al. 2012). The structure of such a
system is evolving continuously by the actions and decisions of its actors
(Lusch/Nambisan 2015). The evolving structures of the ecosystem in turn influence the
decisions and actions of its actors, as well as their relationships and interactions.
Moreover, all activities within the system are influenced by its social, technological,
economic and political context (Basole/Rouse 2008).
Digitized service ecosystems therefore generate conditions of complexity (Sterman,
2000; Sawyer 2005) and complexity theory can help understand the dynamics of such
systems (Wieland et al. 2012). The relevance of systems theory and complexity theory
for service ecosystems has been highlighted by researchers, noting that this stream of
research is still in its infancy (e.g. Ng et al. 2012; Wieland et al. 2012). We consider
digitized service ecosystems as complex adaptive systems (Wollin/Perry 2004;
Plummer/Armitage 2007). Complex adaptive systems are systems Äcomposed of inter-
related parts, interacting with its environment, subject to resulting feedback effect,
evolving over time adaptively to fit the pressures imposed on it, perhaps attaining a
VXVWDLQDEOH DGYDQWDJH DQG LQ WKH SURFHVV JHQHUDWLQJ FHUWDLQ HPHUJHQW SKHQRPHQD´
(Holbrook 2003).
The interactions within the system are nonlinear and create emergent patterns. Macro-
patterns, such as ecosystem designs, emerge from micro-behaviour and interactions
(Beinhocker 2006). Due to complexity and dynamic, life-like, emergence, service
Service Transition in the Context of Digitized Service Ecosystems 249

ecosystems cannot simply be envisioned by conventional, isolated top-down analysis of


its individual parts (Faulkner/Russel 2003). In contrast to closed systems, i.e. products.
Firms must analyse and anticipate the micro-actions of individual actors as well as
potentially emerging macro-designs simultaneously and continuously. Also, it is
important to note that digitized service ecosystems are chaotic, i.e. complexity is
potentially infinite (Peat 1991). To analyse and describe the system properly, an infinite
amount of information would be necessary (Faulkner/Russel 2003). Strategic analysis,
envisioning and anticipation of future developments requires an iterative, heuristic
approach.
From the notion of complexity, we derive the following requirements for our framework:
Requirement 1: Reflect uncertainty of strategic decisions in complex adaptive systems.
Requirement 2: Reflect adaptivity and convergence of digitized service ecosystems.

Collaborative value co-creation


Historically, firms have engaged in relationships with suppliers along traditional value
chains or within bounded customer solutions. Digitized service ecosystems, however,
consist of a complex indefinite set of relationships between actors. They co-create value
through resource integration and service exchange (Vargo/Lusch 2010). Relationships
between firms are an increasingly important unit of analysis regarding competitive
advantage and service transition (Dyer/Singh 1998; Eloranta/Turunen 2015).
Collaboration is essential for value creation and firms must actively build, facilitate and
maintain relationships. Partnerships improve innovation effectiveness (Chesbrough/
Schwartz 2007) and are a source of value creation (Osterwalder et al. 2010;
Romero/Molina 2011). Lack of ability to collaborate or failure to establish relationships
limit D ILUP¶V FRPSHWLWLYH UHVRXUFHV and therefore its potential for competitive
advantages drastically.
The complexity and dynamics of digitized service ecosystems require business models
that allow to dynamically build relationships. Business models in which collaboration
plays a central role in explaining value creation and capturing are called open business
models (Chesbrough 2006; Weiblen 2014). Opening up the business model and thus
allowing for essential collaboration is a key requirement for joint value creation within
the ecosystem. A firm can take a central role within the ecosystem by opening up its
business model and thus allowing other actors to use it as a platform.
Actors in the ecosystem can assume different roles, such as customer, supplier,
competitor or complementor. Especially the concept of complementarity is important in
service ecosystems (Brandenburger/Nalebuff 1996). )URP D IRFDO ILUP¶V perspective, a
FRPSOHPHQWRU RIIHUV D SURGXFW RU VHUYLFH WKDW HQKDQFHV WKH YDOXH RI WKH IRFDO ILUP¶V
offering(s) and vice versa. Product providers transitioning towards service may develop
digital services that complement their product. But more importantly, they can invite
others to do so by giving them access to the connected product.
250 Tim Senn

An actor can assume different roles simultaneously, whereas roles are dynamic and vary
over time (Ramirez 1999; Edvardsson et al. 2011). Thus, relationships and interactions
between actors within the ecosystem involve both cooperative and competitive elements.
7KLV VWDWH RI VLPXOWDQHRXV FRRSHUDWLRQ DQG FRPSHWLWLRQ LV FDOOHG ³co-opetition´
(Brandenburger/Nalebuff 1996). An example for co-opetition is when German car
manufacturers join forces to build a Europe-wide charging network for electric cars.
They are competing in terms of electric car sales but cooperating regarding the charging
network, which is an example for a complement to their cars.
Eventually, it is important to note that firms can also take a lead role in the ecosystem.
By leveraging assets such as an installed base, alliance-building skills, or an existing
customer base, they can secure customers¶ trust and confidence (Tax et al. 2013). Such
actors may actively manage or dominate resource integration and value co-creation in
the ecosystem (Iansiti/Levien 2004).
This leads us to three additional requirements:
Requirement 3: Reflect the role of collaboration, i.e. the openness of business models
and the notion of complementarity in the ecosystem.
Requirement 4: Reflect the role of co-opetition between actors, i.e. the relevance of
different roles and competitive assets.
Requirement 5: Reflect potential to take a lead role within an ecosystem, i.e. the notion
of centrality.

Integration of value in a layered-modular platform architecture


Value and innovation in digitized service ecosystems are generated through the
integration of resources by the actors within the ecosystem. To do so, actors need a
service platform which facilitates interaction and integration. Lusch and Nambisan
(2015) define a service platform as a layered-modular structure Äthat consists of tangible
and intangible components (resources) and facilitates the interaction of actors and
resources (or resource bundles)´ (Lusch/Nambisan 2015, p. 162). They bring and hold
resources together and allow for their constant (re)combination. The service platform is
therefore the central element of service exchange and innovation within the ecosystem
(Lusch/Nambisan 2015).
Digital markets, especially when involving platforms, are often characterized by network
effects (Gawer/Cusumano 2014). Network effects describe the effect when a product or
a service gets more valuable the more users adopt it (e.g. the telephone). Platforms often
involve multi-sided markets, where there are several groups of customers relying on the
platform to mediate their interaction. The value of the platform for its users, as well as
for the owner increases, the more users adopt it. In multi-sided markets, network effects
can emerge on two or more sides of the platform. They have great economic potential
but also need to be managed properly by the platform owner. Furthermore, network
Service Transition in the Context of Digitized Service Ecosystems 251

effects may result in winner-takes-it-all dynamics. When cross-side network effects are
strong, users tend to converge towards one platform (Eisenmann et al. 2006).
The layered-modular structure UHIHUVWRWKHV\VWHP¶VDUFKLWHFWXUHVLPLODUWRWKHFRQFHSW
of product architecture (Ulrich 1995). Studying the impact of digitalization of products
on innovations, Yoo et al. (2010) argue that pervasive digitalization has given rise to a
new type of product architecture: the layered-modular architecture. Historically, many
products are developed with an integral architecture. An example for an integral product
design is an iPhone. It is a closed system of components. On the other hand, modularity
of a system or a product ± as opposed to an integral design ± refers to the decomposition
of said system or product into modules. Most desktop PCs are examples for modular
SURGXFWV$3&¶V KDUGGLVN JUDSKLFFDUGRU&38 can easily be removed and replaced.
Layered-modular architectures share some properties of modular architectures,
especially the loose coupling of components. However, they are different regarding their
product boundaries. Modular structures are bounded by a single functional design
hierarchy. This means they are product specific (e.g. the different types of hard disks in a
PC). In contrast, layered architectures are unbounded.
In summary, value is created by integrating products and services and physical and
digital sources of value creation. They are integrated in a layered-modular platform
architecture. Based on this, we suggest the last three requirements:
Requirement 6: Reflect the layered-modular architecture of the system.
Requirement 7: Reflect an architecture that integrates products and services as well as
digital and physical sources of value creation.
Requirement 8: Reflect the central role of service platforms and network effects within
the system¶s architecture.

3. A Framework for envisioning digitized service


ecosystems

3.1 Objective: Envisioning digitized service ecosystems as a basis


for business model development and service transition
Developing new business models in the context of digitized service ecosystems is part of
a broader innovation process. Innovation processes for services consist of three phases:
Ideation (idea), idea specification and selection (concept), and idea realization (offering)
(Scheuing/Johnson 1989). This holistic process can be translated into the ecosystem
252 Tim Senn

context. Our iterative service ecosystem transition model therefore also consists of three
phases:
(1) The ecosystem-envisioning-phase, which corresponds to the ideation phase. For
business model design in the context of connected products, it is important to shift
the focus of innovation from a firm-centric perspective to an ecosystem perspective
(Westerlund et al. 2014). Since value creation processes and service streams in
digitized service ecosystems are complex and multidirectional, a holistic view on all
relevant actors, their contribution to value creation as well as the overall setting
within the ecosystem is necessary. Therefore, initial ideas are gathered by
envisioning future ecosystems. Envisioning and describing holistic future scenarios
is the basis for further strategic development and business model design on a firm
level.
(2) The business-model-development-phase, which corresponds with the idea
specification and selection. Scenarios envisioned in the first phase are evaluated
regarding their plausibility and relevance for future business decisions. For selected
scenarios, one or more business models are designed, whereas these business
models are again evaluated and tested.
(3) The realization-phase, which corresponds with the idea realization. In this phase,
business model concepts are translated into concrete measures and tasks (e.g.
looking for collaborators, adapting a technology, building new capabilities). It
initiates changes in the ecosystem and the transition towards service.
Due to the complex nature of service ecosystems, strategies and business models cannot
be planned and implemented in a linear process. It is important to take an iterative
approach and to pursue several ± even contradictory ± strategies simultaneously. Instead
of pursuing a single dominant logic, firms must envision ecosystems consisting of
multiple, sometimes even competing logics. Also, a company does not move along the
above mentioned three phases, but is rather active in all three phases at the same time
and draws knowledge and experience from phases two and three to the upstream phases.
Through some of the scenarios derived from phase one, several business model concepts
may result. Among those, some are implemented or tested on the market. The insights
generated from developing the business models as well as from their realization flow
back into the envisioning phase. For example, a firm may realize after or during
realization, that its customers will not adapt the ILUP¶V platform due to (missing) network
effects. Or that a complementary strategy does not work because of the behavior of other
actors in the ecosystem. Accordingly, new scenarios are derived and new business
models developed.
The present paper focuses on the first phase and provides a framework for envisioning
digital service ecosystems. We apply a design science research approach for specifying
this initial step in the iterative service transition process. Design science research is
applied research that uses knowledge to solve practical problems by providing an
Service Transition in the Context of Digitized Service Ecosystems 253

artifact. Drawing from different research streams, we develop an artifact in the form of a
framework for ecosystem envisioning (see Figure 2).

Ecosystem Envisioning
What might Who will
future eco- create value
systems look across physical
like? and digital
layers?

How will Why are these


value be created scenarios
across physical plausible?
and digital
layers?

iteration
Scenario 1 Scenario 2 Scenario 3 Scenario n

Business Model(s)

iteration
Realization

Figure 2: Integrated framework

The framework consists of four dimensions:


„ Dimension 1: What might future ecosystems look like?
Æ Ecosystem types for networked value creation
„ Dimension 2: How will value be created across physical and digital layers?
Æ Ecosystem value layers
„ Dimension 3: Who will provide value across physical and digital layers?
Æ Roles and players within the ecosystem
„ Dimension 4: Why are the scenarios derived across the three dimensions above
plausible or possible?
Æ Leveraging assets in co-opetition

3.2 Dimension 1: Why? Ecosystem types for networked value


creation
Due to the complexity of ecosystems, firms must analyse and anticipate the micro-
actions of individual actors as well as potentially emerging macro-designs
simultaneously and continuously. Macro-designs of digitized service ecosystems are
254 Tim Senn

heterogeneous. Thus, it makes sense to aggregate the variety of situation specific


network settings within these ecosystems to more relatively homogeneous types.
A type is a representative of a series of objects or phenomena that exhibit common
attributes. The selection of these attributes depends on the research objective (Knoblich
1972). Knoblich (1972) differentiates between ideal types that are theoretical models,
and real types that reproduce business reality. For this paper, the types of ecosystems are
envisioned theoretically rather than based on (empirical) observations from the past.
They are therefore ideal types. Consistent with our design science research approach, we
derive these types by asking what might be, rather than by describing what is.
The typology considers the specific differentiating characteristics of envisionable
ecosystem designs (heterogeneity between types) while allowing for a certain degree of
generalisation within the designs (homogeneity within types).
Based on the notion of centrality in networks, four types of ecosystem designs were
derived and differentiated (see Figure 3): Product-centric ecosystems, platform-centric
ecosystems, solution-centric ecosystems and performance-centric ecosystems. Two
transactional designs (product- and platform-centric), where the central actor facilitates
(service) interactions and transaction between other actors and the customer, and two
integrational designs (solution- and outcome-centric), where the central actor facilitates
integration of actors providing services and products. The typology¶V SODXVLELOLW\ was
validated through a workshop with eight service managers that are or have been engaged
in service infusion and business model matters in their respective company. Figure 4
describes and characterizes the four ecosystem types.

Digitized Service
Ecosystems

Transactional Integrational
Design Design

Product-centric Platform-centric Solution-centric Outcome-centric


Ecosystem Ecosystem Ecosystem Ecosystem

Figure 3: A typology of digitized service ecosystems


Service Transition in the Context of Digitized Service Ecosystems 255

Product-centric Platform-centric Solution-centric Outcome-centric


Ecosystem Ecosystem Ecosystem Ecosystem

Value
Proposition Access/availability-
Product-oriented Use-oriented Performance-oriented
towards end oriented
customer

Description Product-oriented
ecosystems focus on Solution ecosystems Performance
a connected physical Platform-oriented consist of a bundle of ecosystems focus on the
product or product ecosystems focus on connected products co-creation of value with
bundle and build the a platform that and services, a the customer trough
ecosystem around it connects different platform and data products, (digital)
by adding a platform, actors of a multi-sided capabilities targeted services, data and a
data storage and market and facilitating at a specific platform. The individual
analysis capabilities service exchange. application sold as value for the customer is
and value adding solution. measured and sold.
digital services.

Focus of
Potential Process Process Outcome
Innovation

Examples ICT-enabled outcome-


Car-sharing, where
based medicine, where
the customer pays a
A smart car, whose the performance-
fixed fee per minute
value is increased contractor (e.g. health
or km, which includes
through digital Gaming consoles, insurance company)
usage of the product,
services related to the where customers integrates the resources
access to the platform
product (e.g. remote choose a platform (e.g. medicine, devices,
to book the car,
diagnostics, (e.g. Playstation) treatment, consulting) of
product related
navigation) and providing access to different actors of the
services such as
services not directly server services, and a ecosystem (e.g.
insurance, and
related to the product platform-specific set pharmaceutical
product-related or
(e.g. music streaming) of games. companies, health
unrelated digital
by means of a practitioners, technology
services such as
platform and data. firms) to achieve and
navigation or music
maximize the outcome
streaming.
with respect to costs.

Central Player
Performance
(Value Integrator/ Product provider(s) Platform provider(s) Solution Provider(s)
contractor(s)
Keystone)

Integration of
resources and Low Low High High
revenues

Pricing e.g. per-for-


mechanisms availability, access e.g. usage-based e.g. pay-for-
e.g. price bundling,
fee, access (e.g. pay-by-the- performance, pay-per-
modular pricing
subscription, hour), fixed fee unit
transaction fee

Relevance of the Product can be


Products can contribute
product Customer adapts the essential for providing
Customer adapts the to the performance,
platform. Product and the solution, be part of
product. Other layers deliver the performance
platform may be the solution or be the
are value adding and/or measure the
bundled (e.g. iPhone) tool to proving the
outcome.
service solution

Figure 4: Characterization of ecosystem types


256 Tim Senn

3.3 Dimension 2: Who? Roles and players within the ecosystem


To understand the mechanisms of service ecosystems, it is important to get an idea about
the relevant actors and their roles within the system.
Service-dominant logic breaks with the traditional view of firms as producers (value
creators) and customers as consumers (value destructors). In fact, all actors within the
ecosystem contribute to value co-creation (Vargo/Lusch 2004; 2010). Brandenburger
and Nalebuff (1996) introduce an approach to value creation and capturing that focuses
on actors and their roles. They apply the notion of co-opetition to business strategy and
introduce the value net, consisting of four types of actors (roles) other than the focal
firm: Customers, suppliers, complementors and competitors. They especially emphasize
the crucial role of complementors in the digital economy (Brandenburger/Nalebuff
1996). Iansiti and Levien (2004) on the other hand introduce the notion of the keystone
(value integrator/dominator) within a network or ecosystem. They argue that there is a
so-called keystone business at the centre of an ecosystem. The keystone corresponds to
the central player in the different types of ecosystems as described in Figure 4. The
keystone businesses are companies that occupy important hubs in their business
networks and try to manage and improve the health of the ecosystem as a whole
(Iansiti/Levien 2004).
Moving from a firm-centric to an ecosystem-centric perspective, we combine the two
concepts (see Figure 5). Instead of the focal firm, we place the keystone business in the
centre of the ecosystem. The focal firm may conclude that it will be the centre of a future
ecosystem design. But if not, it is important to derive its future role in relation to the
keystone. Therefore, we define five generic roles within digitized service ecosystems:
Keystone, supplier, complementor, customer and competitor.

Customers

Competitors Keystone Complementors

Suppliers

Figure 5: Value net for digitized service ecosystems


(Source: adapted from Brandenburger/Nalebuff 1996, p. 50)
Service Transition in the Context of Digitized Service Ecosystems 257

Role Description
Central player in the ecosystem. Dominant value integrator. Actively
Keystone
PDQDJHVWKHHFRV\VWHP¶VKHDOWK
Vertical supplier of the keystone. Integral part in the value creation process of
Supplier
the keystone business.
2IIHUVDSURGXFWRUVHUYLFHWKDWHQKDQFHVWKHYDOXHRIWKHNH\VWRQHEXVLQHVV¶
Complementor offering(s) and vice versa. &DQVLPXOWDQHRXVO\FRPSOHPHQWNH\VWRQH¶V
competitor(s).
Customer Co-creates value through participation (value-in-use)

Offers a product or service that reduces or substitutes the value of the


Competitor
NH\VWRQHEXVLQHVV¶RIIHULQJ V DQGYLFHYHUVD

Figure 6: Roles and description in the value net for digitized service ecosystems

Figure 6 provides a short description of the roles within the value net. The keystone is
the central role in the ecosystem (Iansiti/Levien 2004). An actor is a keystone if it is a
dominant value integrator, managing and facilitating asset-sharing relationships. It
actively PDQDJHVWKHHFRV\VWHP¶VKHDOWKHJLQDWZR-sided market. Apple for example
has to actively manage both sides of its marketplace, iPhone users and app developers
(and many other parties in the ecosystem as well). If one side shrinks, the other will, too,
DQGVRZLOO$SSOH¶VUHYHQXHV
An actor is a vertical supplier of the keystone. He is an integral part in the value creation
process of the keystone business. 7KH VXSSOLHU¶VSURGXFWRUVHUYLFHLVLQWHJUDWHGLQWKH
NH\VWRQH¶VSURduct or service by the keystone.
An actor is a complementor, when customers value the keystone¶s offering more once
they additionally use WKHDFWRU¶VSURGXFWRUVHUYLFHComplements are always reciprocal.
Just as car insurance complements new cars, new cars complement car insurance. The
more new cars people buy, the more insurance they buy, especially collision and theft
insurance. Thus, car insurance companies might want to use their expertise and clout to
help their customers get a better price on new cars.
An actor is a customer who co-creates value through participation (value-in-use). The
customer cKRRVHV EHWZHHQ WKH NH\VWRQH¶V RIIHULQJV LQFOXGLQJ KLV VXSSOLHUV DQG
FRPSOHPHQWRUVDQGWKHNH\VWRQH¶VFRPSHWLWRUV¶RIIHULQJV
An actor is a competitor if a product or service he offers reduces or substitutes the value
RI WKH NH\VWRQH EXVLQHVV¶ RIIHULQJ V  DQG YLFH YHUVD Compared to traditional value-
chain-thinking, it is important to note that in value networks characterized by
coopetition, actors take several roles simultaneously and can therefore be a competitor
and a customer, supplier or complementor to the keystone at the same time
(Brandenburger/Nalebuff 1996).
258 Tim Senn

3.4 Dimension 3: How? Ecosystem value layers


Yoo et al. (2010) specify four separate layers of digitized products: devices, networks,
services, and content. The device layer defines the physical hardware as well as the
operating system. The network layer includes capabilities for physical transport and
logical transmission of content. Application capabilities on the service layer allow users
to create, consume or share content. Finally, the content layer contains the digital content
itself, for example text or videos.
Enhancing the model by Yoo et al. for digitized service ecosystems, we propose a
layered-modular architecture that integrates physical and digital service value across five
layers: (physical) services, products, platform, data, and digital service. Actors within an
ecosystem generate value across these five layers, combining physical and digital value
(see Figure 7). Figure 8 provides a short description of the different layers.

Digital Service Layer

Data Layer Digital


Service Value

Platform Layer
Service Value in Digitized
Line of Connectivity
Service Ecosystems

Product Layer
Physical
Service Value
Service Layer

Figure 7: Layered-modular system architecture in digitized service ecosystems


Service Transition in the Context of Digitized Service Ecosystems 259

Layer Description
This layer constitutes applications that create value through digital
Digital Service Layer services or digitally delivered services. This includes self-services, remote
services and smart services.
This Layer contains data generated by actors by using the physical
Data Layer
product or engaging in service interactions.
This Layer describes the digital service platform which allows for the
Platform Layer
integration of resources and asset-sharing.

Line of Connectivity Physical hardware and data transmission prerequisites.

This layer defines the offline service processes or offline components of


Service Layer
digitally delivered services.

This layer defines the properties of the physical product. Its components
Product Layer can be provided by suppliers. Its value can be complemented by
connecting external periphery products.

Figure 8: Description of value layers in digitized service ecosystems

Product Layer
Products connected through digitization become platforms for service provision. The
connected product is the carrier of services and facilitates service delivery,
communication, interaction and data generation through connectivity. Meanwhile, the
relevance of the (branded) product itself within the ecosystem may vary. Depending on
the ecosystem setting, the product can be part of a service solution (e.g. carsharing), it
can be the center of an ecosystem where the value of the product is enhanced by the
ecosystem (e.g. through data analysis or remote maintenance), or it can simply be a
means to access a platform or services (e.g. smart watch). Even though the relevance of
stand-alone products is decreasing in the context of the service economy, products can
be an important asset when competing with other actors on other layers such as the
platform or digital services. A product manufacturer can leverage its installed base to
liberate network effects when becoming a platform or digital service provider or when
gathering data. When a car manufacturer introduces its own platform, the existing
customer basis will make the platform attractive to complementary service providers,
while these new services will increase the value of the vehicle. Without an existing car
fleet or access to a broad basis of products, a competing platform provider will have
difficulties to prevail. Besides an existing fleet or installed base, existing customer
relationships and brands from the product-centric business can be utilized as assets when
competing within and between ecosystems.
260 Tim Senn

Service Layer
The first step towards service transition is to introduce services that are directly linked to
the product, such as for example warranties. Complementary services that enhance the
value of a product can be offered by the focal firm or by its complementors or even
competitors.
In digitized service ecosystems, it is important to analyse what services will be replaced
or transformed by digitization. Today, many services are IT-enabled to a certain degree.
But in many cases, connectivity is not yet a key requirement for service exchange. In the
long run, however, all offline elements of service that can be replaced or enhanced
through digitization, will be replaced or enhanced (Andreessen 2011). Car
manufacturers, for example, have been offering financial services for years now. In the
light of recent development within the financial industry, especially the rise of fintech
companies, they should analyse how and if their successful service offering will be
challenged by digitization. Otherwise they risk losing their service business model,
returning them to their initial role as a manufacturer.

Platform Layer
A connected product needs a platform, i.e. a framework of software and standards that
allow for the provision of digital services. It defines and implements Äthe rules of
exchange or protocols for exchange of services through the service platform (i.e.,
SUHVFULEH KRZ DFWRUVUHVRXUFHV FDQ LQWHUIDFH ZLWK WKH SODWIRUP ´ /XVFK1DPELVDQ
2015, S. 162). This can be an operating system, which runs software-based applications,
but also a business model connecting multi-sided markets. The platform connects the
physical and digital value creation and the different actors of the ecosystem.
Apple, for example, uses the platform on its iPhone (the product) to connect end-
customers with digital service providers, whereas both are customers of the platform.
Multi-sided markets are characterized by network effects on two or more sides. The
higher the number of app developers, the higher the value of the platform for end-
customers and vice versa. Network effects increase incentives for more firms ±
especially complementors ± and users to join the ecosystem. As mentioned before, they
also lead to winner-takes-it-all dynamics. The smartphone market for example
converged towards two competing platforms (iOS vs. Android) both with their
respective complementors. In the case of Apple it is the original product manufacturer
who has leveraged his product to become a platform leader. In the case of Android,
product manufacturers (e.g. Samsung) are complementors of the platform. Because of
these dynamics, firms must decide whether they engage in a platform competition or
become a complementor of another platform.
Service Transition in the Context of Digitized Service Ecosystems 261

Data Layer
Data is generated continuously through digital communication and interaction and
service exchange. Firms must evaluate what data to collect and store systematically.
Moreover, it is important to know how and through which actors to gain access to data
and who owns what data. Knowledge in the form of data is a key resource service
ecosystem. They allow to provide data-based services (e.g. remote analytics), to
optimize customer relationships and non-data-based service offerings (e.g. through
usage-based recommender systems for TV streaming services) or to provide
autonomous, data-based smart services (e.g. real-time route optimization in cars). In the
ecosystem, data can be traded and brokered by the firms that collect them. A platform
provider for example can sell usage data to digital service providers, thereby generating
revenues and increasing the value generated by its complementors at the same time.

Digital Service Layer


Advances in digital technology have generated new forms of services and service
delivery (Schumann et al. 2012; Wuenderlich et al. 2015). It has enabled the remote
provision of traditionally local services as well as new purely digital forms of services.
Every connected product can service as a platform for providing an infinite range of
services.
First, by adding sensors that generate data from product usage, product providers or
complementors are able to provide smart, pre-emptive services, such as remote
monitoring, predictive analytics and diagnosis (Allmendinger/Lombreglia 2005). By
doing so, product usage can be optimized and downtimes minimized, spare parts or
consumables can be supplied before or when they are needed. Data can provide insights,
for example, regarding when a car is about to fail or have a maintenance issue, thus
allowing to solve the problem pre-emptively or initiate arrangements for a quick repair.
Furthermore, sensors can generate data from their surroundings. This allows firms to
offer services where the product is not the subject of the service but merely a means to
generate the necessary data and for service provision. A smart fridge for example could
track consumption of products and alert its owner when something is missing or even re-
order food autonomously. A smart watch or healthcare wearables can generate data,
which is used for tele medical services or monitors medical compliance.
Another type of services enabled by connectivity are self-services, where customers
SURGXFH VHUYLFH IRU WKHPVHOYHV ³LQGHSHQdent of direct service employee involvement,
using a technological infrastructure that is provided by the service SURYLGHU´ 6FKXPDQQ
et al. 2012, pp. 134). Common examples for technology-enabled self-services are ATMs
or online Banking.
Digitally delivered services, on the other hand, involve either a technology-enabled
service interaction or a remote service provision (Schumann et al. 2012). For example
medical consulting services or remote surgery.
262 Tim Senn

Digital services may complement or substitute a product. Car-sharing such as Car2Go by


Daimler for example is a technology-enabled service that substitutes product sales, but
still generates value that heavily depends on the product layer. Other services, such as
remote diagnostics, enhance the value of the product. In general, enhancing the service
layer through complementary services enhances the value of the product, the platform
and the data generated.

3.5 Dimension 4: Why? Leveraging assets in co-opetition


Envisioning future ecosystems is not just about prototyping desired outcomes, but about
plausible outcomes resulting from interaction in the ecosystem. Firms within the
ecosystem are in a state of co-opetition, being competitors on one layer and
complementors on another at the same time. One or many actors can be active on the
same layer. Actors can complement one another on the same layer (e.g. remote
diagnostics and remote maintenance services) or across layers (e.g. a connected car on
the product layer and remote diagnostics on the digital service layer). They can also
compete on the same level (e.g. different providers of remote diagnostics) or across
layers (e.g. remote diagnostics vs. traditional diagnosis of a product).
By opening up their business model, product providers can enhance the value of their
product by offering complementary digital services and allowing others to do so too. But
by doing so, they also allow competitors to offer services on their products or find
themselves competing with new entrants on the digital service layer or the platform
layer. On the other hand, they can provide complementary services to their competitors
on the product layer.
Besides competition within and across layers, actors may compete about taking a lead
role (keystone) in the ecosystem. This is particularly relevant for the platform layer,
where network effects lead to winner-takes-it-all dynamics.
In co-opetition, firms can profit from a first-mover advantage. But more importantly,
they must analyse what assets are relevant for co-opetition within the ecosystem. They
must identify their own assets and analyse RWKHUDFWRUV¶DVVHWVZKHQHQYLVLRQLQJIXWXUH
ecosystems and deriving strategic decisions. Important assets include, but are not limited
to: Knowledge and information, service competencies and capabilities, technology, an
installed base, existing customer relationships, strong brands and relationships and
alliances with other actors (see Figure 9).
Service Transition in the Context of Digitized Service Ecosystems 263

Asset Description

,QIRUPDWLRQRQ SRWHQWLDO FXVWRPHUV¶QHHGVDQGRWKHUDFWRUV¶ behaviour is


Ecosystem
a highly relevant asset. Knowledge increases through iterative service
knowledge
transition and data generated by connected products.
The characteristics of services fundamentally differ from products. Existing
Service competencies
VHUYLFHFDSDELOLWLHVDQGFRPSHWHQFLHVWKHUHIRUHDFFHOHUDWHDILUP¶V
capabilities
transition towards providing digitally enabled service.
Technological advances and product innovation can differentiate service
Technology offerings and platforms. It is important to lever technological advantages
to build network effects before the technology becomes commoditized.
An existing installed base may lead to network effects regarding platforms
or digital services. Data is generated on a greater basis and
Installed base
complementary service providers benefit from access to the existing
product base.
Customers may choose a relevant product brand in other layers too.
Brand However, a brand that is associated with for example high product quality
is not necessarily attributed with digital or service competencies.
Existing customer relationships can be leveraged when introducing a
Customer
platform or new digital services for different reasons such as, for example,
relationships
lock-in effects, switching costs, convenience or risks reduction.
Similar to customer relationships, existing relationships with potential
complementors can facilitate further cooperation due to lock-in effects,
Relationships with
switching costs, convenience or risks reduction. Furthermore, access to
other firms
other firms¶ assets and resources is not only a source of value creation in
the ecosystem, but an important asset in competing with third parties.

Figure 9: Assets in digitized service ecosystems and description

4. Conclusion and outlook


This paper provides the theoretical concept behind digitized service ecosystems as a
basis for service infusion. We outline the relevance of ecosystem thinking for product
providers when moving from product-orientation to service-orientation. However, the
conceptualization of service ecosystems is yet sparse in research. A holistic
understanding of the relevance of (digitized) service ecosystems, especially in the
context of service infusion, as well as actionable framework, is still missing.
Based on this, we propose a framework for ecosystem envisioning, consisting of four
dimensions. The framework combines a typology of ecosystem designs, a layered-
modular architecture for envisioning value creation within these ecosystems, a set of
roles within the systems and the notion of assets that are relevant for achieving certain
positions across the other three dimensions. The framework will not allow actors to
264 Tim Senn

predict the future, but it supports managers in deriving decisions on how to affect it.
Figure 10 summarizes the four dimensions.
When applying the framework, it is important to keep in mind that ecosystems have no
fixed boundaries. It is therefore essential to determine a reasonable extent of details,
keeping complexity of the vision manageable. Also, the present paper does not provide a
method for the application of the framework. Due to the nonlinear, life-like development
of digitized service ecosystems, research into new methods for ecosystem envisioning
and strategy development under conditions of complexity could offer valuable insights.
Gamification approaches, where managers play out and thereby predict future ecosystem
design might be a promising direction.

What? Who?
Ecosystem types: Ecosystem roles and
‡ Product-centric players:
Ecosystem ‡ Keystone
‡ Platform-centric ‡ Supplier
Ecosystem ‡ Complementor
‡ Solution-centric ‡ Customer
Ecosystem ‡ Competitor
‡ Outcome-centric
Ecosystem

How? Why?
Ecosystem value layers: Ecosystem assets:
‡ Digital Service Layer ‡ Ecosystem knowledge
‡ Data Layer ‡ Service competencies and
‡ Platform Layer capabilities
‡ Service Layer ‡ Technology
‡ Product Layer ‡ Installed base
‡ Brand
‡ Customer relationships
‡ Relationships with other
firms

Figure 10: Dimensions for ecosystem envisioning

References
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Norbert Bach, Maximilian Rimbach und Sebastian Wolf

Wertschöpfungspotenziale durch Digitalisierung


± Eine Analyse der Kosten- und
Differenzierungstreiber von Dienstleistungen

1. Digitalisierung als Treiber von Dienstleistungsinnovationen

2. Konzeptionelle Grundlagen
2.1 Triade der Service-Strategie
2.2 Technologische Strukturmuster der Wertschöpfung
2.3 Digitalisierung und Digitale Dienstleistungen

3. Digitalisierung von Dienstleistungsprozessen


3.1 Vernetzung ermöglicht Kostenreduzierung und Individualisierung in der
Value Chain
3.2 Analyse von Big Data verbessert den Kundennutzen im Value Shop
3.3 Reichweite und Tiefe des Internets verstärken Netzeffekte im Value
Network

4. Implikationen für das Management Digitaler Dienstleistungen

Literaturverzeichnis

___________________________
Univ.-Prof. Dr. Norbert Bach ist Leiter des Fachgebietes Unternehmensführung und
Organisation an der TU Ilmenau. Dipl.-Wirtsch.-Ing. Maximilian Rimbach und
Sebastian Wolf, M. Sc., sind Mitarbeiter des Fachgebietes Unternehmensführung und
Organisation an der TU Ilmenau.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017


M. Bruhn und K. Hadwich (Hrsg.), Dienstleistungen 4.0,
DOI 10.1007/978-3-658-17552-8_11
1. Digitalisierung als Treiber von
Dienstleistungsinnovationen
Dienstleistungsunternehmen können sich dem Phänomen der Digitalisierung nicht ent-
ziehen. Auch Unternehmen, die selbst keine Digitalen Dienstleistungen anbieten oder
Digitalisierungseffekte nicht aktiv nutzen wollen, sehen sich in ihrer Marktstellung
durch neuartige Dienstleistungsangebote bedroht, die auf Actor-to-Actor-Netzwerken
(Lusch/Nambisan 2015), anderen Formen der Vernetzung oder auf der Nutzung von
durch Vernetzung entstehenden Daten und Informationen beruhen. Die Technologie und
die Standards des Internets ermöglichen den Zugriff auf und die Koordination von Res-
sourcen, die auch von bisher nicht im Markt tätigen Unternehmen zu neuartigen Leis-
tungsangeboten gebündelt und angeboten werden können.
In der Dienstleistungsliteratur hat das Denken in der Triade der Service-Strategie in Ver-
bindung mit dem Service Encounter eine lange Tradition (Roth/Menor 2003). Während
die eigentliche Herausforderung, den Kunden das richtige Angebot zur richtigen Zeit
und am richtigen Ort zur Verfügung stellen zu können, auch im Zeitalter der Digitalisie-
rung unverändert besteht, so führen die technologischen Treiber der Digitalisierung doch
zu wesentlichen Veränderungen der Werttreiber in der Dienstleistungserstellung. Um im
Wettbewerb bestehen zu können, müssen Dienstleistungsunternehmen daher ihre Strate-
gie kritisch hinterfragen und prüfen, ob die bisherigen Treiber der eigenen Wertschöp-
fung fortbestehen und welche Werttreiber neuartige Leistungsangebote ermöglichen oder
wirtschaftlich rentabel machen. Hierzu bedarf es eines tiefgreifenden Verständnisses der
eigenen Wertschöpfungsprozesse.
Der vorliegende Beitrag verfolgt zwei Ziele. Zum einen soll mit Hilfe der Systematik
unterschiedlicher Strukturmuster der Wertschöpfung nach Stabell und Fjeldstad (1998)
die Veränderung der Werttreiber in Dienstleistungsunternehmen systematisch hergeleitet
und analysiert werden. Zum anderen werden auf Basis dieser Erkenntnisse Implikationen
für das Management Digitaler Dienstleistungen abgeleitet.
Nachfolgend werden zunächst in einem Grundlagenabschnitt die Triade der Service-
Strategie nach Roth und Menor (2003), die technologischen Strukturmuster der Wert-
schöpfung nach Stabell und Fjeldstad (1998) und die technologischen Treiber der Digita-
lisierung als Enabler neuer Geschäftsmodelle eingeführt. Abschnitt 3 behandelt für jedes
der Strukturmuster die durch Digitalisierung hervorgerufenen Veränderungen der Wert-
treiber und gibt Hinweise, wie dies in neuartigen Geschäftsmodellen und Dienstleis-
tungsinnovationen im Wettbewerb genutzt werden kann. Abschließend werden in Ab-
schnitt 4 aus diesen Erkenntnissen Implikationen für das Management der Triade der
Service-Strategie und des Service Encounters abgeleitet und ein Ausblick gegeben.
272 Norbert Bach, Maximilian Rimbach und Sebastian Wolf

2. Konzeptionelle Grundlagen

2.1 Triade der Service-Strategie


Dienstleistungen zeichnen sich gegenüber klassischen materiellen Produkten durch einen
besonderen Charakter aus. Zum einem steht am Ende einer jeden Dienstleistung ge-
wöhnlich ein Ergebnis, das dem Kunden einen Nutzen stiftet (Edvardsson/Olsson 1996,
S. 144f.), zum anderen wird jedoch auch der Prozess der Dienstleistungserstellung mit
seinen verschiedenen Aktivitäten anders als bei der Herstellung klassischer Produkte
häufig schon als Teil der Nutzenstiftung betrachtet (Shostack 1987, S. 34). Dies liegt da-
ran, dass der Kunde (oder dessen Verfügungsobjekt) bei Dienstleistungen bereits in den
Erstellungsprozess integriert wird, während die Herstellung materieller Produkte in der
Regel ohne den Kunden stattfindet und dieser am Ende lediglich das fertige Produkt
kauft und konsumiert (Edgett/Parkinson 1993, S. 25; Mudie/Cottam 1999, S. 7f.; Zeit-
haml et al. 2006, S. 23). Für Roth und Menor (2003, S. 147f.) stellt sich daher bei
Dienstleistungen nicht nur die strategische Frage, welcher der Zielmarkt ist (Target Mar-
ket), sondern auch, welches Leistungsbündel als Dienstleistung angeboten (Service Con-
cept) und wie die Dienstleistung erbracht wird (Service Delivery System Design
Choices). Diese drei Elemente bilden für Roth und Menor (2003) die Triade der Service-
Strategie, die schließlich den Service Encounter beeinflusst (vgl. Abbildung 1).

Target Market

Wer sind die richtigen


Kunden?

Service
Encounter
Was passiert, wenn Dienst-
leister und Kunde sich
treffen und interagieren?

Service Delivery
Service Concept
System Design
Welches Leistungsbündel Choices
wird angeboten? Wie werden die
Dienstleistungen erbracht?

Abbildung 1: Triade der Service-Strategie und Service Encounter


(Quelle: Roth/Menor 2003, S. 147)

Der Begriff des Service Encounter (Solomon et al. 1985, S. 99) kennzeichnet in der
Dienstleistungsliteratur den Kontaktpunkt bzw. -moment zwischen Dienstleister und
Wertschöpfungspotenziale durch Digitalisierung 273

Kunde, der aufgrund der Integration des Kunden in den Leistungserstellungsprozess


zwangsläufig irgendwann erforderlich ist. Dieser Moment, in dem sich Kunde und
Dienstleister begegnen und miteinander interagieren, ist Teil der Dienstleistungserfah-
rung des Kunden und hat dementsprechend auch einen Einfluss auf die wahrgenommene
Qualität der Dienstleistung und die Zufriedenheit des Kunden (Fitzsimmons et al. 2014,
S. 91). Da der Service Encounter aus diesem Grund auch für den Dienstleister eine ent-
scheidende Bedeutung besitzt, bezeichnet ihn Carlzon (1987, S. 3), der ehemalige Präsi-
dent und CEO der skandinavischen Fluglinie SAS, VRJDUDOVÄ0oment of Truth³
Das erste Element der Triade der Service-Strategie, und damit auch den ersten Einfluss-
faktor für den Service Encounter, bildet die Identifikation des Zielmarktes (Target Mar-
ket). Hierzu bietet sich traditionell die Segmentierung des Marktes anhand demographi-
scher Faktoren wie Alter, Geschlecht, Bildung und Einkommen an. Darüber hinaus
können jedoch noch weitere Faktoren bedeutsam sein (Roth/Menor 2003, S. 148). So
nutzen beispielsweise Heskett et al. (1990, S. 34ff.) zur Definition potenzieller Markt-
segmente auch das Verhalten, Gedanken und Gefühle. Boyer et al. (2002, S. 177f.) stel-
len jedoch fest, dass sich die Marktattribute elektronischer Dienstleistungen typischer-
weise von denen klassischer Dienstleistungen unterscheiden. Dies macht sich bei der
Akquise und Loyalität von Online-Kunden bemerkbar (Reichheld/Schefter 2000,
S. 106ff.). Eine Segmentierung des Marktes kann daher auch anhand der Fähigkeit und
des Willens zur Nutzung elektronischer Dienstleistungen erfolgen (Meuter et al. 2005).
Da somit auch eine Trennung attraktiver von weniger attraktiven Segmenten vorgenom-
men werden kann bzw. verschiedene Zahlungsbereitschaften der Kunden identifiziert
und ausgenutzt werden können (z. B. kostenloses Online-Banking versus kostenpflichti-
ge Transaktion am Schalter), ist für den Dienstleistungsanbieter das Verständnis des
Zielmarktes und dessen Anforderungen relevant.
Für die erfolgreiche Positionierung auf dem identifizierten Zielmarkt sowie für die Si-
cherstellung der Wettbewerbsfähigkeit des Leistungsangebots kommt dem Service-
Konzept als zweitem Element der Service-Strategie-Triade eine besondere Bedeutung zu
(Roth/Menor 2003, S. 150). Der Begriff des Service-Konzepts wird in der Literatur da-
bei häufig für die Charakterisierung der Dienstleistungsart verwendet und von Sasser et
al. (1978, S. 1 DOVÄEXQGOHRIJRRGVDQGVHUYLFHVVROGWRWKHFRQVXPHUDQGWKHUHODWLYH
LPSRUWDQFHRIHDFKFRPSRQHQWWRWKHFRQVXPHU³ definiert. Dadurch wollen sie zum Aus-
druck bringen, dass beispielsweise für ein Restaurant häufig nur der Verkauf von Essen
im Vordergrund steht. Aus Sicht des Kunden trägt jedoch nicht nur das Essen an sich zur
Nutzenstiftung bei, vielmehr erschließt sich der Gesamtnutzen aus dem vollständigen
Prozess des Restaurantbesuchs und beinhaltet daher auch Elemente wie die Bedienung
oder die Atmosphäre im Restaurant. Dienstleistungen sollten daher grundsätzlich als
Leistungsbündel bzw. -pakete betrachtet werden, die sich aus tangiblen und intangiblen
Leistungsbestandteilen zusammensetzen.
Weiterhin betonen auch Edvardsson und Olsson (1996, S. 148ff.) die besondere Bedeu-
tung des Service-Konzepts. Dieses stellt für sie eine kritische Phase im Service Design
274 Norbert Bach, Maximilian Rimbach und Sebastian Wolf

dar und beschäftigt sich mit der Identifikation der Kundenbedürfnisse und der Erarbei-
tung eines dazu passenden Dienstleistungsangebots. Hierzu unterscheiden sie grundsätz-
lich primäre und sekundäre Kundenbedürfnisse, wobei die primären Bedürfnisse den ei-
gentlichen Auslöser für den Bedarf einer Dienstleistung darstellen und entsprechend mit
gewissen Kerndienstleistungen angesprochen werden. Die sekundären Kundenbedürfnis-
se ergeben sich wiederum aus der gewählten Dienstleistung und werden schließlich
selbst durch unterstützende Dienstleistungsangebote adressiert. Der Wunsch nach einer
Kontaktaufnahme mit einem Familienmitglied stellt beispielsweise ein primäres Bedürf-
nis dar und kann durch verschiedene Arten (z. B. Telefon oder E-Mail) erfüllt werden.
Ist die Wahl des Kunden auf das Telefon gefallen, so ergeben sich im Anschluss daran
häufig auch weitere Bedürfnisse, wie beispielsweise das Herausfinden der richtigen Te-
lefonnummer. Auch derartigen sekundären Bedürfnissen kann sich der Dienstleister im
Rahmen unterstützender Angebote annehmen.
Zu unterscheiden ist hierbei das intendierte Service-Konzept des Dienstleistungsanbie-
ters, also das auf den identifizierten Zielmärkten angebotene Leistungsbündel, von dem
wirklich realisierten Service-Konzept, also denjenigen Leistungsbestandteilen, die von
den Kunden auch wirklich wahrgenommen bzw. gekauft werden (Roth/Menor 2003, S.
150). Anders als bei materiellen Produkten, bei deren Erstellungsprozess der Kunde ty-
pischerweise isoliert ist, gilt es daher nach Sasser et al. (1978, S. 14), das Service De-
livery System, das dritte Element der Service-Strategie-Triade, so zu gestalten, dass der
Kunde entsprechend berücksichtigt und die Lücke zwischen der realisierten Leistung des
Anbieters und der wahrgenommen Leistung durch den Kunden minimiert wird. So be-
schäftigt sich dieses Element neben der Wahl des strategischen Service Designs, der
Ausführung, Erneuerung und Bewertung der Service Delivery auch mit dem durch den
Kunden wahrgenommenen Wert des gesamten Service-Konzepts.
Insgesamt adressiert die von Roth und Menor (2003) entwickelte Triade der Service-
Strategie die Frage, wie ein Dienstleistungsunternehmen für die richtigen Kunden das
richtige Angebot zur richtigen Zeit zur Verfügung stellen kann (Roth/Menor 2003,
S. 148). Zwar werden im Service Delivery Design explizit auch die zur Dienstleistungs-
erstellung benötigte Infrastruktur und Ressourcen angesprochen, es mangelt der Triade
der Service-Strategie jedoch an einer Prozesssicht. Es wird in erster Linie auf die vom
Kunden wahrgenommene Dienstleistung als Interaktion im Prozess und als Prozesser-
gebnis abgestellt, während technologische Fragen der Wertschöpfung zur Klärung der
Unternehmensgrenzen (vgl. z. B. das Efficient Boundaries Framework, Williamson
1985) oder die Ausgestaltung der Wertschöpfungsprozesse zur Erzielung von Wettbe-
werbsvorteilen (Porter 1985) eher im Hintergrund stehen oder ganz vernachlässigt wer-
den. Sowohl in der Literatur zum strategischen Management als auch in der Unterneh-
menspraxis hat zur Analyse und Gestaltung von Wertschöpfungsprozessen die von
Porter (1985) entwickelte Wertkette viel Beachtung gefunden. Während das Struktur-
muster der Kette die Wertschöpfung bei einer Transformation von Input zu Output zu-
treffend charakterisiert, sind bei der Wertschöpfung durch Dienstleistungen weitere
technologische Strukturmuster zu beachten (Stabell/Fjeldstad 1998).
Wertschöpfungspotenziale durch Digitalisierung 275

2.2 Technologische Strukturmuster der Wertschöpfung


Die Bereitstellung von Sach- oder Dienstleistungen durch Unternehmen ist gekenn-
zeichnet durch die Durchführung von einer Vielzahl einzelner Unternehmensaktivitäten.
Diese so genannten Wertschöpfungsaktivitäten (Value Activities  VLQG DOV ÄSK\VLFDOO\
and technologically distinct activities a firm performs [which] are the building blocks by
which a firm creates a product valuable to its bX\HUV³GHILQLHUW 3RUWHU6 Un-
ter Annahme eines Wettbewerbes auf der Ebene der Endprodukte bzw. Enddienstleis-
tungen ± in der Triade der Service-Strategie im Service-Konzept definiert ± müssen Un-
ternehmen Kostenvorteile oder Differenzierungsvorteile aufweisen, um einen
Wettbewerbsvorteil gegenüber ihren Konkurrenten zu erlangen. Das strategische Ma-
nagement hat die Aufgabe, die strategisch wichtigen Wertschöpfungsaktivitäten im Un-
ternehmen abzuleiten und deren Einfluss auf die Kosten bzw. die Differenzierung zu
analysieren (Porter 1985).
Die einzelnen Wertschöpfungsaktivitäten von Unternehmen können in vereinfachter
Darstellungsweise zunächst in eine logische und zeitliche Reihenfolge gebracht werden.
Die Analyse beginnt mit den Aktivitäten, die sachlogisch als erste ausgeführt werden
und endet mit den Aktivitäten, welche direkt am Kunden erbracht werden. Aufbauend
auf diesen Grundgedanken entwickelte Porter (1985) die so genannte Wertkette (Value
Chain) als heute bekanntesten und noch immer üblichen Ansatz zur Analyse der Wert-
schöpfung in Unternehmen sowie zur Analyse der Stärken und Schwächen von Unter-
nehmen.
Porter (1985) unterscheidet in seiner idealtypischen Fassung der Wertkette die Primärak-
tivitäten von den Sekundäraktivitäten. Primäraktivitäten umfassen die in der Transforma-
tion von Input in Output unmittelbar bedeutsamen Aktivitäten der Eingangslogistik, der
Operationen, der Ausgangslogistik, des Marketings und Vertriebs sowie des Kunden-
dienstes. Sekundäraktivitäten, welche die Primäraktivitäten unterstützen, umfassen die
Beschaffung, die Technologieentwicklung, die Personalwirtschaft und die Unternehmen-
sinfrastruktur, wobei letztere die gesamte Wertkette unterstützt und mit keiner Einzelak-
tivität unmittelbar verbunden werden kann. Unterschiede zwischen Unternehmen einer
Branche existieren in der Vorstellung von Porter hinsichtlich der Wertschöpfung nur in
den jeweiligen Vor- oder Nachteilen innerhalb der einzelnen Aktivitäten, nicht aber in
der Auswahl dieser neun generischen Aktivitäten an sich (Porter 1985). Werden anders
als in der Denkwelt Porters auch innerhalb einer Branche, z. B. der Stromerzeugung, un-
terschiedliche Technologien eingesetzt, so unterscheiden sich in Abhängigkeit von der
Technologie auch die Wertschöpfungsaktivitäten, z. B. bei der Stromleitung, dem Netz-
betrieb und der Speicherung.
Die in der Wertkette abgebildete lineare Input-Transformation-Output-Relation ist durch
die starke Produktionsorientierung Porters bedingt. Stabell und Fjeldstad (1998) kritisie-
ren, dass die Darstellungsweise der Wertkette mit der dahinter liegenden Wertschöp-
fungslogik der Input-Output-Transformation nicht dazu geeignet ist, die Wertschöpfung
276 Norbert Bach, Maximilian Rimbach und Sebastian Wolf

und Nutzenstiftung in Dienstleistungsunternehmen zu erfassen und zu beschreiben. Sie


entwickeln deshalb im Sinne einer Erweiterung von Porters Modell und unter Berück-
sichtigung der Technologietypologie nach Thompson (1967) insgesamt drei alternative
technologische Strukturmuster der Wertschöpfung und ordnen ihnen jeweils eine eigene
Wertschöpfungslogik zu. Sie unterscheiden die Value Chain, den Value Shop und das
Value Network (vgl. Abbildung 2).

Value Chain Value Shop Value Network

Wertschöpfungslogik Transformation von Input in Lösen von Kundenproblemen Vernetzung von Kunden
Produkte

Primäre Technologie langgliedrig intensiv vermittelnd

Primäraktivitäten ‡ Eingangslogistik ‡ Problemerfassung ‡ Netzwerkaufbau


‡ Operationen ‡ Problemlösungsfindung ‡ Netzwerkleistungs-
‡ Ausgangslogistik ‡ Problemlösungsauswahl erbringung
‡ Marketing und Vertrieb ‡ Problemlösungs- ‡ Netzwerkinfrastruktur-
‡ Kundendienst umsetzung betrieb
‡ Problemlösungsbewertung
Durchführung der aufeinanderfolgend iterativ, zyklisch parallel oder simultan
Primäraktivitäten

Abhängigkeit der ‡ kollektiv ‡ kollektiv ‡ kollektiv


Primäraktivitäten ‡ sequenziell ‡ sequenziell ‡ reziprok
‡ reziprok
Wesentliche ‡ Skaleneffekte ‡ Skaleneffekte
Kostentreiber ‡ Kapazitätsauslastung ‡ Kapazitätsauslastung
‡ Koordination
‡ Lerneffekte
Wesentliche ‡ Koordination ‡ Reputation ‡ Skaleneffekte
Differenzierungstreiber ‡ Koordination ‡ Kapazitätsauslastung
‡ Lerneffekte ‡ Koordination
‡ Lerneffekte

Abbildung 2: Überblick zu den drei alternativen technologischen Strukturmustern der


Wertschöpfung
(Quelle: in Anlehnung an Stabell/Fjeldstad 1998, S. 415)

Thompson (1967) unterscheidet in seiner Technologietypologie drei unterschiedliche


Technologien und versteht darunter den Zusammenhang von Aktivitäten in Unterneh-
men zur Erzielung eines gewünschten Ergebnisses unter fest angenommenen Ziel-
Mittel-Beziehungen. Die Value Chain beschreibt die Wertschöpfung durch eine Trans-
formation von Input-Faktoren in Output-Faktoren. Aktivitäten stehen in einem schritt-
weisen Zusammenhang, sodass die nachfolgende Aktivität erst nach Abschluss der vo-
rangegangenen Aktivität durchgeführt werden kann (langgliedrige Technologie). Im
Strukturmuster des Value Shop erfolgt die Wertschöpfung durch das Lösen individueller
Kundenprobleme. Dies erfordert kunden- bzw. situationsspezifische Aktivitäten, deren
Selektion, Kombination und Reihenfolge sich erst durch Kundenfeedback ergeben (in-
tensive Technologie). Im Value Network findet Wertschöpfung statt, indem unterschied-
liche Kundengruppen vernetzt werden. Dies erfordert umfangreiche und standardisierte
Aktivitäten in der Zusammenführung von mehreren unabhängigen und in Raum und Zeit
verteilten Parteien (vermittelnde Technologie). Mit diesen Unterscheidungen wird die
Wertschöpfungspotenziale durch Digitalisierung 277

Wertschöpfung in nichtproduzierenden, dienstleistungsnahen Unternehmen besser er-


fasst, da diese einer anderen Wertschöpfungslogik als der Logik der Input-
Transformation-Output-Relation folgen.
Bei allen Strukturmustern der Wertschöpfung bleibt die Unterscheidung in Primär- und
Sekundäraktivitäten nach Porter erhalten. Die Sekundäraktivitäten umfassen identisch zu
den Ausführungen von Porter die Beschaffung, die Technologieentwicklung, die Perso-
nalwirtschaft und die Unternehmensinfrastruktur. Sie sind für alle Strukturmuster gleich.
Der Unterschied zwischen den drei Strukturmustern zeigt sich dagegen in den Primärak-
tivitäten, deren Zusammenhang und Abhängigkeit untereinander sowie den Kosten- und
Differenzierungstreibern.
Die Primäraktivitäten der Value Chain nach Stabell und Fjeldstad (1998) decken sich
mit den Ausarbeitungen zur Wertkette nach Porter. Die Primäraktivitäten werden aufei-
nanderfolgend durchgeführt, sodass eine streng sequenzielle Abhängigkeit besteht. Dar-
über hinaus besteht eine kollektive Abhängigkeit zwischen den Aktivitäten, wie auch bei
den anderen beiden Strukturmustern, im Sinne eines Rückgriffs auf gleiche Unterneh-
mensressourcen. Während die Value Chain klar definierte Aktivitäten ausführt, orientie-
ren sich die Aktivitäten des Value Shop an kundenindividuellen Problemen, auch wenn
die Art der Probleme sowie Lösungswege über Kunden hinweg ähnlich sein können. Die
Primäraktivitäten setzen sich hier aus der Problemerfassung, der Problemlösungsfin-
dung, der Problemlösungsauswahl, der Problemlösungsumsetzung und der Problemlö-
sungsbewertung zusammen. Die Durchführung der Aktivitäten ist iterativ und über die
gesamten Aktivitäten hinweg zyklisch. Somit besteht ähnlich wie in der Value Chain ei-
ne kollektive und sequenzielle Abhängigkeit sowie darüber hinaus eine reziproke Ab-
hängigkeit der Primäraktivitäten. So ist z. B. bei einem Restaurantbesuch die Weinemp-
fehlung abhängig von der Essenswahl. Im Value Network geht es um die Vernetzung
von unterschiedlichen Parteien, damit diese von direkten oder indirekten Austauschbe-
ziehungen profitieren. Dabei kann der Zugang zum Netzwerk von der Nutzung des
Netzwerkes unterschieden werden. So bestehen Telekommunikationsdienstleistungen
aus einer generellen Erreichbarkeit sowie der spezifischen Gesprächsführung. Zur Ver-
netzung bedarf es der Primäraktivitäten des Netzwerkaufbaus (beispielsweise Anwerben
von Netzwerkmitgliedern und Vertragsmanagement), der Netzwerkleistungserbringung
(das tatsächliche Zustandekommen der Netzwerkbeziehungen und der damit verbundene
Leistungsaustausch inklusive der entsprechenden Vergütung) sowie des Netzwerkinfra-
strukturbetriebs. Die Primäraktivitäten im Value Network werden parallel oder gar si-
multan ausgeführt. Es besteht eine kollektive sowie reziproke Abhängigkeit.
Stabell und Fjeldstad (1998) ordnen den drei alternativen technologischen Strukturmus-
tern der Wertschöpfung unterschiedliche Kosten- sowie Differenzierungstreiber zu, die
zusammengefasst als Werttreiber bezeichnet und mit denen Wettbewerbsvorteile gegen-
über Konkurrenten erzielt werden. Für die Wertschöpfungslogik innerhalb der Value
Chain sind nach Meinung der Autoren in erster Linie die Kostentreiber der Skaleneffekte
und der damit einhergehenden Kapazitätsauslastung relevant. Skaleneffekte beschreiben
278 Norbert Bach, Maximilian Rimbach und Sebastian Wolf

Größenvorteile durch sinkende Stückkosten bei steigender Produktionsmenge und Un-


ternehmensgröße, da sich beispielsweise konstante Fixkosten auf die größere Produkti-
onsmenge verteilen oder Effizienzgewinne realisieren lassen. Differenzierungstreiber im
Strukturmuster der Value Chain werden in der Arbeit von Stabell und Fjeldstad (1998)
vernachlässigt, obwohl die Wettbewerbsstrategie der Differenzierung auch für dieses
Muster legitim ist.
Die Wertschöpfungslogik des Value Shop erfordert nach Auffassung von Stabell und
Fjeldstad dagegen in erster Linie Differenzierungstreiber, da Wettbewerbsvorteile bei
kundenindividuellen Problemen über Differenzierung im Sinne kundenindividueller
Problemlösungen statt über Kosten erzielt werden. Erster Differenzierungstreiber ist die
Reputation, da hierüber sowohl Kunden als auch Mitarbeitende als kritische Unterneh-
mensressource angesprochen werden. Die Koordination der Aktivitäten untereinander
sowie die Lerneffekte über das Lösen individueller Kundenprobleme sind weitere Diffe-
renzierungstreiber, welche die Effektivität der kundenindividuellen Problemlösung bzw.
des allgemeinen Problemlösungsprozess im Unternehmen erhöhen.
Für die Wertschöpfungslogik innerhalb des Value Network sind sowohl Kosten- als auch
Differenzierungstreiber relevant. Insbesondere sind dies Skaleneffekte und die damit
einhergehende Kapazitätsauslastung, welche in diesem Strukturmuster sowohl die Diffe-
renzierung als auch die Kosten beeinflussen. Der Kundennutzen steigt durch die Anzahl
an Akteuren aus den unterschiedlichen Kundengruppen. Hier werden Netzeffekte wie
schon bei Porter (1985) unter den Skaleneffekten subsumiert, da im Value Network die
Größe des Netzes als Differenzierungsvorteil für den Kunden zu sehen ist. Als Beispiel
nennt Porter (1985) eine Autovermietung, welche durch ein landesweites Netz an
Mietstationen Kundenvorteile im Sinne der Differenzierung generiert. Analog wäre nach
Stabell und Fjeldstad (1998) die hohe Anzahl an Akteuren in einem sozialen Netzwerk,
mit denen interagiert werden kann, ebenfalls als Skaleneffekt und Differenzierungstrei-
ber zu sehen. Gleichzeitig ist eine höhere Anzahl an Akteuren auch als Skaleneffekt im
Sinne eines Kostentreibers zu sehen, da beispielsweise die Fixkosten der Infrastruktur
auf mehr Akteure verteilt werden. Weitere Werttreiber sind die Koordination der unter-
schiedlichen Kundengruppen untereinander sowie die Lerneffekte hinsichtlich des
Netzwerkaufbaus, der Netzwerkleistungserbringung sowie des Netzwerkinfrastrukturbe-
triebs.

2.3 Digitalisierung und Digitale Dienstleistungen


Seit einigen Jahren propagieren Politik, Forschungsinstitute und Beratungsgesellschaften
das Schlagwort der Digitalisierung. Was genau ist jedoch darunter zu verstehen? Viele
Quellen (z. B. Digitale Strategie 2025 der Bundesregierung (BMWI 2016), McKinsey
2013) vermeiden eine Begriffsdefinition und versuchen durch eine Sammlung von
Schlagwörtern ± z. B. Social Media, Internet der Dinge, Big Data, Industrie 4.0, Cloud,
Cognitive Computing usw. ± den Begriff der Digitalisierung abzugrenzen. Ein Gesamt-
bild, aus dem die Tragweite des Phänomens deutlich wird, zeichnet die Definition von
Wertschöpfungspotenziale durch Digitalisierung 279

PetryÄDie Digitalisierung ist ein durch technologische Entwicklungen getriebener bzw.


ermöglichter Transformationsprozess von Unternehmen bzw. ganzen Branchen, der
weitreichende strategische, organisatorische sowie soziokulturelle Veränderungen mit
VLFKEULQJW³ 3HWU\6  Damit wird die in der Betriebswirtschaftslehre übliche
Sichtweise von Technologie als Treiber und Enabler von wirtschaftlichen und gesell-
schaftlichen Entwicklungen aufgegriffen. Ähnlich wie die Entwicklung der Eisenbahn
oder der Elektrizität die Geschichte geprägt haben, wird heute der Vernetzung von Ge-
genständen und Nutzern sowie der Auswertung großer Datenmengen in Echtzeit mit Hil-
fe von künstlicher Intelligenz zugeschrieben, den Alltag der Menschen und die gesell-
schaftliche Entwicklung maßgeblich zu verändern (Brynjolfsson/McAfee 2014).

Neue
intangible
Analytik entstehender Big Data
Elemente
der DL

Digitale
Vernetzung in Echtzeit
Dienstleistungen

Neue
tangible
Physische Dinge und Akteure
Elemente
der DL

Abbildung 3: Technologische Treiber der Digitalisierung


(Quelle: in Anlehnung an Fleisch et al. 2015, S. 447)

Nachfolgend werden als technologische Treiber der Digitalisierung aufbauend auf


Fleisch et al. (2015) zum einen die Vernetzung von physischen Dingen und Akteuren in
Echtzeit, zum anderen die Analytik der durch die Vernetzung entstehenden riesigen Da-
tenmengen (Big Data) erläutert (vgl. Abbildung 3). Mit seinem Service-Konzept bietet
ein Service-Anbieter dem Kunden ein Leistungsbündel aus tangiblen und intangiblen
Bestandteilen an. Die technologischen Treiber der Vernetzung und Analytik ermöglichen
bis dato nicht leistbare Service-Elemente, die dem Service-Anbieter die Neugestaltung
des Service-Konzepts ermöglichen. Vernetzte und mit Sensoren und Aktuatoren ausge-
stattete physische Dinge liefern nicht nur automatisiert verfügbare Daten, z. B. die Loka-
lisierung mobiler Geräte mittels GPS oder die Übermittlung lokaler Wetterdaten. Physi-
sche Dinge wie z. B. Heizung, Lüftung und Licht eines Hauses können auch über den
Anschluss ans Netz mit Hilfe von Aktuatoren gesteuert und geregelt werden (Smart-
Home-Services). Gleichzeitig entstehen durch die automatisierte Netzanbindung physi-
scher Dinge riesige Datenmengen, die es ermöglichen, individuelle Daten in einen Da-
tenkontext zu stellen und daraus Informationen und Wissen zu generieren (Rehäu-
ser/Krcmar 1996, S. 6). So ist z. B. nicht nur von Interesse, an welchem Ort sich ein
280 Norbert Bach, Maximilian Rimbach und Sebastian Wolf

Nutzer aufhält, sondern auch, wer sich noch an diesem Ort aufhält oder ± als Ergebnis
der Analytik der Nutzerdaten ± vermutlich in kurzer Zeit dort sein wird. Aus diesem
Wissen heraus können dem Kunden maßgeschneiderte Leistungen angeboten werden,
die traditionelle Leistungsbündel ersetzen bzw. uninteressant machen, z. B. eine ver-
kehrsabhängige Routenführung in Echtzeit.
Im Vorstellungsmodell Digitaler Dienstleistungen (Fleisch et al. 2015) verändert sich
auch die Natur der für Dienstleistungen spezifischen Co-Kreation of Value (Prahalad
2004). Im Kern wird aus einer vormals dyadischen Beziehung zwischen Service Provi-
der und Nachfrager nun ein netzbasiertes Produktionssystem, in dem einzelne Akteure
gleichzeitig zu Anbietern von Daten und Nachfragern individualisierter Services werden
(Lusch/Nambisan 2015, S. 161ff.; Barret et al. 2015). In der Literatur zu Service-
Innovationen wird daher auch von Actor-to-Actor-Netzwerken als Produktionssysteme
und Service-Plattformen gesprochen. Der Zugang zum Internet und die Nutzung der im
Netzwerk verfügbaren Ressourcen sind unmittelbar aneinander gekoppelt. Es können nur
solche Ressourcen im Actor-to-Actor-Netzwerk angesprochen und genutzt werden, die
auch Zugang zum Internet haben. Das Prinzip des Crowdsourcing (Howe 2006), Aufga-
ben offen für eine große Zahl möglicher Akteure in arbeitsteiliger Ausführung auszu-
schreiben anstelle einen geschlossenen Auftrag an einen Lieferanten oder Subunterneh-
mer zu vergeben, war bereits vor der Entwicklung des Internets bekannt (vgl. die
Beispiele und Erläuterungen bei Afuah/Tucci 2012). Durch die Reichweite und Tiefe des
Internets (Evans/Wurster 1997) resultieren nun jedoch Quantensprünge sowohl bezüg-
lich des Zugangs zu Ressourcen (Reach) als auch in der Qualität der Beiträge (Richness)
einzelner Akteure in Actor-to-Actor-Netzwerken (Lusch/Nambisan 2015).
Die Vernetzung und Analytik der entstehenden Daten führen auch dazu, dass die Gren-
zen zwischen physischen Produkten und zugehörigen Dienstleistungselementen zuneh-
mend verschwimmen (Fleisch et al. 2015, S. 458f.) Während z. B. ein GPS-basiertes
Navigationsgerät die eigene Position auf im Gerät hinterlegten Karten bestimmen und
Routen zu Zielpositionen errechnen kann, ermöglicht erst die Auswertung der Position
im Kontext der Positionen und Routen anderer Verkehrsteilnehmer eine kundenindivi-
duelle und nutzenoptimale Routenführung. In der Wertstiftung für die Kunden werden
tangible und intangible Leistungsbestandteile gezielt aufeinander abgestimmt. Für Ser-
vice-Anbieter resultiert daher als zentrale Herausforderung, die Wert- und Kostentreiber
einzelner Technologien und Bestandteile von Service-Konzepten zu kennen. Daher wer-
den im Folgenden Potenziale der Digitalisierung für die einzelnen technologischen
Strukturmuster der Wertschöpfung diskutiert.
Wertschöpfungspotenziale durch Digitalisierung 281

3. Digitalisierung von Dienstleistungsprozessen

3.1 Vernetzung ermöglicht Kostenreduzierung und


Individualisierung in der Value Chain
Die Value Chain als eines der drei alternativen technologischen Strukturmuster spiegelt
die Wertschöpfungslogik der Transformation von Input in Output bzw. Produkte wider.
Auch bei Dienstleistungen, welche durch die Integration des Kunden in den Leistungser-
stellungsprozess charakterisiert sind, kann die Wertschöpfung innerhalb der Logik der
Value Chain erfolgen. Dies ist dann der Fall, wenn das Leistungsbündel einer Dienstleis-
tung überwiegend oder in großen Teilen auf einer langgliedrigen Technologie zur Trans-
formation von Input in Output basiert. Ein Beispiel ist der Betrieb einer Skipiste, bei
dem tangible Leistungsbestandteile wie die Pistenpräparation, der Skiverleih und der
Liftbetrieb und ihre sequenzielle Bereitstellung für die intangiblen Leistungsbestandteile
wie das Skifahren an sich notwendig sind. Oder das Leistungsbündel weist in hohem
Maße tangible Leistungsbestandteile auf, zu deren Erstellung eine Kundenintegration
notwendig ist, die über eine reine Abwicklung der Transaktion von tangiblen Leistungs-
bestandteilen deutlich hinausgeht. Ein Beispiel dafür sind die Dienstleistungen einer
Druckerei, die Druckerzeugnisse im Auftrag des Kunden unter Bereitstellung von
Druckdaten durch diesen erstellt.
Die technologischen Treiber der Digitalisierung wirken sich auf die wesentlichen Kos-
ten- und Differenzierungstreiber bei der Wertschöpfung innerhalb der Value Chain aus.
Um im Wettbewerb bestehen zu können, sehen Stabell und Fjeldstad (1998) innerhalb
der Value Chain die Berücksichtigung von Kostentreibern als zentral an. Im Wesentli-
chen sind Skaleneffekte und Kapazitätsauslastungen zu realisieren, um Kostenvorteile zu
erreichen. Je häufiger eine Dienstleistung nachgefragt wird und je höher die Kapazitäts-
auslastung bei der Nachfrage der Dienstleistung ist, desto eher sind Kostenvorteile ge-
genüber der Konkurrenz möglich. Deutlich wird dies an Transportdienstleistungen, die
Stückkosten je Transport werden billiger, wenn auf einer Strecke größere Schiffe oder
LKW eingesetzt werden können. Die Kapazität größerer Maschinen ist aber in der Regel
deutlich weniger flexibel einsetzbar und weniger skalierbar.
Die allgemeine Vernetzung als ein technologischer Treiber der Digitalisierung und spe-
ziell die hierunter fallende Reichweite des Internets erhöhen die Möglichkeiten zur Rea-
lisierung von Skaleneffekten und hohen Kapazitätsauslastungen. Der leichtere Zugang zu
potenziellen Kunden (Reach) macht Kapazitätsauslastungen wahrscheinlicher. Gleich-
zeitig können bei einer höheren Kundenanzahl z. B. größere und automatisierte Produk-
tionsmittel genutzt werden. So bearbeiten Online-Druckereien eine große Anzahl an
kleinen Aufträgen im intelligenten Sammeldruckverfahren und realisieren gegenüber
kleinen lokalen Druckereien Skaleneffekte. Die gleiche Leistung kann zu einem geringe-
ren Preis angeboten werden. Dabei können sowohl Standardformate günstiger hergestellt
282 Norbert Bach, Maximilian Rimbach und Sebastian Wolf

werden als auch individuelle Druckformate möglichst kostengünstig und ressourcen-


schonend mit komplementären Aufträgen gebündelt werden. Unternehmen, die dem
Veränderungsdruck durch die Digitalisierung innerhalb der Value Chain hin zu noch
stärkerer Kosteneffizienz nicht standhalten können, sehen sich gleichzeitig einem Ver-
änderungsdruck zum Wechsel des Strukturmusters ausgesetzt. Durch den Wechsel bei-
spielsweise in den Value Shop kann eine Veränderung der Wertschöpfungslogik hin zur
Lösung von individuellen Kundenproblemen und damit unter Umständen ein Bestehen
in der Nische erreicht werden.
Die Vernetzung von physischen Dingen, insbesondere Maschinen, kann ebenfalls zu ei-
nem Kostentreiber werden, wenn unter Echtzeitaustausch von Informationen und mittels
künstlicher Intelligenz nicht nur die einzelnen Maschinen vollautomatisiert, sondern
durch Analytik und künstliche Intelligenz auch eine Gesamtoptimierung der Value Chain
erfolgt. Die aufeinanderfolgenden Aktivitäten innerhalb der Value Chain mit ihrer se-
quenziellen Abhängigkeit werden kostenoptimiert aufeinander abgestimmt, wie bei-
spielsweise durch optimale Kapazitätsauslastungen durch die intelligente Verteilung von
Produktionsmitteln oder intelligente Wartungsintervalle. Diese Verfahren sind bereits
heute Realität und erhöhen den Kostendruck für Unternehmen mit Wertschöpfung inner-
halb der Logik der Value Chain.
Die technologischen Treiber der Digitalisierung wirken sich jedoch nicht nur auf die
Kostentreiber der Wertschöpfung aus, sondern ermöglichen vielfältige Chancen zur Dif-
ferenzierung der Dienstleistungsangebote, insbesondere in Form der Individualisierung.
Die Vernetzung von Akteuren als technologischer Treiber der Digitalisierung erhöht die
Möglichkeiten der Koordination von einzelnen Unternehmensaktivitäten mit den Kun-
den bei gleichzeitiger Vernetzung der Produktionsmittel. Insbesondere die Reichweite
des Internets (Reach) zusammen mit einem erhöhten Informationsgehalt der Kundenda-
ten für die Produktion (Richness) machen es möglich, die Kunden in den sequenziellen
Transformationsprozess so frühzeitig und intensiv einzubinden, dass kundenindividuelle
Leistungserstellungsprozesse im Rahmen der Value Chain möglich sind. Die Leistungs-
erstellung erfolgt also nur auf eine konkrete Bestellung. Unter dem Konzept des Mass
Customization (Piller 2006), also der kundenindividuellen Massenproduktion, werden
Produktindividualisierungen bei gleichzeitiger Realisierung von Vorteilen der Massen-
produktion angeboten. Dafür ist eine Modularisierung der Produkte und der Produktion
notwendig (Starr 1965). Sportartikelhersteller wie Nike oder adidas bieten kundenindivi-
duelle Schuhe an. Das Unternehmen mymuesli bietet Müsli nach kundenindividueller
Mixtur an. Durch die Möglichkeiten der Vernetzung mit Kunden erweitern andere An-
bieter ihre technologischen Strukturmuster um Elemente des Value Network, bei dem
Kunden untereinander vernetzt werden. So kann das Produktangebot durch Crowdsour-
cing (Howe 2006) erweitert werden, wie beispielsweise bei der amerikanischen Online
Community Threadless, die die Bedruckung unterschiedlicher Kleidungsstücke und Ac-
cessoires anbietet. Dabei stellt die Community bzw. die Crowd die Designs selbst zur
Verfügung, sodass die Produktentwicklung komplett ausgelagert ist. Einen ähnlichen
Weg geht das Unternehmen Lego, welches über seine Plattform Lego Ideas die Kunden
an der Produktentwicklung teilhaben lässt und damit Aspekte der Open Innovation
Wertschöpfungspotenziale durch Digitalisierung 283

(Chesbrough 2003) für sich nutzt. Die Vernetzung mit Kunden bietet insbesondere für
bisher reine Produktanbieter Chancen zur so genannten Servicetransformation bzw. Ser-
vitization, d. h. dem Wandel von einem Produktanbieter zu einem Dienstleistungsanbie-
ter durch die Ergänzung des Produktangebots um produktnahe Dienstleistungen
(Oliva/Kallenberg 2003; Bruhn/Hadwich 2016). Dieses Phänomen lässt sich als eine
Kombination der Strukturmuster Value Chain, Value Shop und Value Network erfassen
und beschreiben.
Die Digitalisierung bringt nicht nur eine Vernetzung von Akteuren und physischen Din-
gen, die durch eine hohe Reichweite, einen Informationsreichtum und eine Informa-
tionsübermittlung in Echtzeit gekennzeichnet ist. Die Analytik der entstehenden Big Da-
ta ist ein weiterer technologischer Treiber der möglichst effizienten Koordination der
einzelnen Aktivitäten bzw. der einzelnen Akteure. Betreiber von Skipisten beispielswei-
se vermessen ihre Skipisten per Satellitennavigation, um mit intelligenten und vernetzten
Pistenraupen bei Analyse der Schneeverhältnisse auf der gesamten Piste den Schnee
exakt dorthin zu transportieren, wo die Schneeschicht zu dünn ist (Kamp 2016). Den
Kunden werden perfekte Skibedingungen zu ausgedehnten Saisonzeiten geboten. Analy-
WLN YRQ .XQGHQGDWHQ IKUW EHLP 6SLHO]HXJKlQGOHU 7R\V ³5³ 8V ]X LQGLYLGXHOOHQ .XQ
denangeboten (Struller 2016). Dabei fließen Kundendaten aus unterschiedlichen Quellen
in der Cloud zusammen, wo sie verknüpft und ausgewertet werden. Die Verknüpfung
von Online-Daten mit Offline-Daten wird hier immer wichtiger. So ist es beispielsweise
möglich über Cookie-Technologie und GPS- oder WLAN-Ortung individuelle Kunden-
angebote in der Filiale zu machen, beispielsweise über eine Mail an den Kunden, welche
über sein Smartphone abgerufen wird. Die Firma NewStore beispielsweise bietet eine
App-Lösung, mit der stationäre Händler Kunden beim Betreten ihres Ladens erkennen
und auf Grundlage von Daten über bisherige Käufe kundenindividuelle Angebote ma-
chen können (Karabasz 2016).

3.2 Analyse von Big Data verbessert den Kundennutzen im Value


Shop
Dienstleistungen, die dem Strukturmuster des Value Shop entsprechen, versuchen unter
Nutzung intensiver Technologien spezifische Kundenprobleme zu lösen und somit Wert
zu schaffen. Typische Dienstleistungen dieser Art sind sämtliche Beratungsleistungen,
aber auch die von Architekten und Ärzten angebotenen Leistungen entsprechen dem
Strukturmuster des Value Shop. Nach Stabell und Fjeldstad (1998) geht es bei Dienst-
leistungen dieser Art zuerst darum, das individuelle Kundenproblem aus Sicht des
Dienstleisters zu erfassen bzw. zu beschreiben. Im Anschluss hieran folgt die Findung
sowie die Auswahl einer geeigneten Lösung, die Umsetzung und schließlich die Kontrol-
le und Bewertung der ausgewählten Lösung. Ähnlich wie bei der Value Chain laufen
zwar auch diese Aktivitäten in einer festen Reihenfolge ab, doch dominiert bei dieser Art
des Strukturmusters insbesondere der iterative bzw. zyklische Charakter. So folgt auf die
284 Norbert Bach, Maximilian Rimbach und Sebastian Wolf

Kontrolle und Bewertung der umgesetzten Lösung meist ein erneuter Zyklus, bis das
Kundenproblem schließlich zufriedenstellend gelöst wurde.
Im Fokus des technologischen Strukturmusters Value Shop steht dabei ein möglichst
großer Fit zwischen dem eigentlichen Problem des Kunden und der angebotenen und
schließlich realisierten Lösung des Dienstleistungsanbieters. Da für die Kunden folglich
nicht besonders günstige Leistungen im Vordergrund stehen, sind für die Erzielung von
Wettbewerbsvorteilen in diesem Kontext nach Stabell und Fjeldstad (1998) insbesondere
Differenzierungstreiber relevant. Hierbei handelt es sich um Reputation, Lerneffekte und
Koordination, die alle auch durch Digitalisierung beeinflusst werden.
Während früher beispielsweise auf der Suche nach einem guten Arzt noch häufig im
Familien- und Bekanntenkreis nach Erfahrungen und Empfehlungen gefragt wurde, so
wird in der heutigen Zeit zunehmend auf spezialisierte Bewertungsportale im Internet
zurückgegriffen, um die Reputation eines Arztes in Erfahrung zu bringen. So ist es zum
einen auf der Internetseite jameda.de möglich, seine vergangenen Arztbesuche als Pati-
ent selbst zu bewerten, zum anderen kann der nach einer Lösung für seine Symptome
bzw. Krankheitsbilder suchende Patient dort Ausschau nach besonders guten oder spezi-
alisierten Ärzten halten, bei denen Patienten mit ähnlichen Problemen bereits in der Ver-
gangenheit gute Erfahrungen gesammelt haben. Durch das Bewertungsportal jameda.de
findet eine Vernetzung in Echtzeit statt, bei der sich Patienten mit Zugang zum Internet
(über die Webseite oder die App) zu jeder Zeit über einen Arzt informieren oder nach
einem Spezialisten für ihr spezifisches Problem suchen können. Je mehr Patienten ihre
Arztbesuche bewerten, desto umfangreicher wird die Datenbank und desto aussagekräf-
tiger werden die Bewertungen, da Einzelmeinungen nicht mehr so sehr ins Gewicht fal-
len. Durch verschiedene Filter- und Suchoptionen sowie die Möglichkeit, direkt einen
Termin beim gewünschten Arzt zu buchen, trägt jameda.de auch zur Analytik der entste-
henden Big Data bei. Der Kunde muss sich nicht durch die immer weiter steigende An-
zahl von Ärzten und deren Bewertungen klicken, sondern kann gezielt nach bestimmten
Ärzten in seiner Region suchen, die ihm eine möglichst passende Lösung zu seinem
Problem bieten können. Aus Sicht des Arztes bietet eine derartige Bewertungsplattform
wiederum die Möglichkeit, die Reichweite (Reach) in Bezug auf potenzielle neue Patien-
ten zu vergrößern. Ebenso wird durch die Tiefe der verfügbaren Informationen (Rich-
ness) ein Fit zwischen Arzt und Krankheitsbild des Patienten unterstützt.
Der zweite Differenzierungstreiber des Value Shop ergibt sich nach Stabell und Fjeld-
stad (1998) sowohl aus einer möglichst effizienten Koordination der einzelnen Aktivitä-
ten, als auch aus einer möglichst effizienten Koordination der einzelnen Akteure, die in
Arbeitsteilung eine bestimmte Dienstleistung erbringen. Durch Vernetzung in Echtzeit
unterstützt die Digitalisierung diese Koordinationserfordernisse. Kommt beispielsweise
ein Patient nach einem Sturz ins Krankenhaus und klagt dort über starke Schmerzen im
Arm, so wird der aufnehmende Arzt im Rahmen einer ersten Diagnose (Problemerfas-
sung) auch eine Röntgenuntersuchung anordnen. Hierzu wird der Patient im Anschluss
in die entsprechende Abteilung des Krankenhauses geschickt. Dort wird der Patient auf-
grund der Vernetzung in Echtzeit bereits von einer ausgebildeten Pflegekraft erwartet,
Wertschöpfungspotenziale durch Digitalisierung 285

die auch schon über das Beschwerdebild und die vom Arzt angeordnete Untersuchung
informiert ist. Im Gegensatz zu der früher eher aufwendigen und zeitintensiven Entwick-
lung eines Röntgenbildes wird dieses heutzutage in digitaler Form dem behandelten Arzt
umgehend auf dessen Computer zurückgespielt, auf Basis dessen der Arzt eine geeignete
Behandlungsform erarbeiten und auswählen kann. Auch hierbei kann die Digitalisierung
effiziente Koordination unterstützen. Ist der Arzt in der Lage, das Röntgenbild des aktu-
ellen Patienten mit einer großen Datenmenge anderer Röntgenbilder abzugleichen und
auszuwerten (Analytik entstehender Big Data), ist eventuell eine deutlich bessere Diag-
nose der genauen Verletzung möglich. Diese Erkenntnisse können im Anschluss zu ei-
nem ideal abgestimmten Therapieplan führen, der beispielsweise von einem Physiothe-
rapeuten begleitet wird. Doch auch eine vollkommen automatisierte Auswertung wird
durch Digitalisierung ermöglicht. Ein aktuelles Beispiel hierfür liefert IBMs künstliche
Intelligenz Watson. Aufgrund der Analyse von genetischen Daten aus über 20 Mio. kli-
nischen Krebsstudien war Watson in der Lage, bei einer Frau in Japan, anders als die be-
handelnden Ärzte, einen seltenen Fall von Leukämie zu diagnostizieren und die notwen-
dige Therapie vorzuschlagen (Rohaidi 2016).
Schließlich beeinflusst Digitalisierung mit dem Lernen des Dienstleistungsanbieters auch
den dritten Werttreiber im Strukturmuster des Value Shop. Durch die Vernetzung in
Echtzeit besteht die Möglichkeit, die Kontrolle und Bewertung der ausgewählten Prob-
lemlösung automatisiert und engmaschiger zu gestalten, um daraus Rückschlüsse über
den Erfolg einer bestimmten Maßnahme ziehen zu können. Es findet hierbei also ein
Lernen zwischen den verschiedenen Aktivitäten-Zyklen des Strukturmusters Value Shop
statt. Zwar konnte auch schon die analoge Protokollierung einer ärztlich verordneten
Therapie in der Patientenakte zeigen, ob sich die Blutwerte eines Patienten durch Verab-
reichung eines bestimmten Medikamentes verbessert oder verschlechtert haben, wodurch
eine Anpassung des weiteren Therapieverlaufs (Auswahl und Dosierung des Medika-
ments) ermöglicht wurde. Haben jedoch durch die Vernetzung im Rahmen der Digitali-
sierung auch andere Ärzte des Patienten Zugriff auf diese Daten, so können sich diese
ebenfalls über die Vorgeschichte des Patienten informieren und diese bei ihrer eigenen
Therapiewahl berücksichtigen. So kann beispielsweise auf die Verschreibung eines be-
stimmten Medikaments verzichtet werden, wenn der Patient in der Vergangenheit aller-
gische Reaktionen gezeigt hat oder Nebenwirkungen mit bereits verschriebenen Medi-
kamenten zu befürchten sind. Dadurch ergibt sich eine effektivere und effizientere
Problemlösung des jeweils individuellen Kundenproblems. Ein Beispiel hierfür bietet
auch die permanente Blutzuckerüberwachung. Während Diabetiker in Normalfall mehr-
mals täglich ihren Blutzuckergehalt durch einen Stich in die Fingerkuppe und die an-
schließende Auswertung des Blutes überprüfen müssen, ermöglicht die permanente
Blutzuckerüberwachung einen einfachen Abruf des Blutzuckerwertes durch Auslesen
der Daten, die ein auf dem Oberarm des Patienten angebrachter Sensor generiert. Anstatt
weniger einzelner Messwerte pro Tag kann sich der behandelte Arzt zudem die komplet-
ten Blutzuckerkurven der letzten 14 Tage auswerten und grafisch anzeigen lassen,
wodurch eine individuell auf den Patienten abgestimmte Therapieentscheidung getroffen
286 Norbert Bach, Maximilian Rimbach und Sebastian Wolf

und der bisherige Therapieerfolg bewertet werden kann. Zusätzlich ist in Kombination
mit der Analyse großer Datenmengen auch ein fall- bzw. patientenübergreifendes Lernen
möglich. Werden beispielsweise die Symptome bzw. Krankheitsbilder von Patienten in
Verbindung mit der angeordneten Therapie und den Daten zum jeweiligen Therapiever-
lauf (anonymisiert) in einer Datenbank gespeichert und analytisch ausgewertet, so kann
sich ein Arzt in Abhängigkeit der von seinem (neuen) Patienten geschilderten Symptome
in dieser Datenbank über mögliche Therapiemethoden und deren Auswirkungen infor-
mieren. Hierdurch wird dem Arzt eine breitere Auswahl an potenziellen Lösungs- bzw.
Therapiemöglichkeiten aufgezeigt und eine bessere Entscheidungsgrundlage für die
Auswahl einer bestimmten Lösung geboten. Im weiteren Therapieverlauf ist der Arzt
zudem in der Lage, den jeweiligen Therapiefortschritt im Vergleich zu den bisher exis-
tierenden Daten zu bewerten, um zur Not auch hier wieder frühzeitige Anpassungen des
Therapieplans vorzunehmen.

3.3 Reichweite und Tiefe des Internets verstärken Netzeffekte im


Value Network
In der Vorstellung von Stabell und Fjeldstad (1998) entsteht im Strukturmuster des Va-
lue Network Wert durch die Vernetzung von Kunden. Typische Beispiele sind Bank-,
Telekommunikations- oder Versicherungsdienstleistungen. In einem etwas weiter ge-
fassten Verständnis der vermittelnden Technologie schaffen auch Netz-Provider wie
Postdienstleister oder Autovermieter einen Wert durch die Bereitstellung eines Netz-
werks, auch wenn in der konkreten Dienstleistung nicht wie z. B. beim Telefonieren eine
Beziehung zwischen Kunden hergestellt wird. Stattdessen entsteht der Nutzen für den
einzelnen Kunden nicht unmittelbar durch die Anzahl an Kunden im Netz, sondern indi-
rekt über die Anzahl der für Kunden zur Nutzung bereitgestellten Knoten im Netzwerk
(z. B. Briefkästen, Mietstationen usw.). Die Digitalisierung und die über Sensoren und
Aktuatoren mögliche Einbindung physischer Dinge in ein Value Network (Fleisch et al.
2015) erweitert nun nochmals die Möglichkeiten der Nutzenstiftung und Wertschöpfung.
Die Vernetzung von Menschen und Gegenständen erfolgt heute in der Regel mittels IP-
Technologie auf Basis anerkannter technologischer Standards, unabhängig davon, ob der
Zugang zum Netz leitungsgebunden oder drahtlos erfolgt. Die Reichweite (Reach) und
Tiefe (Richness) des Internets ermöglichen somit bei der lokalen Dienstleistungserstel-
lung einen nahezu globalen Zugriff auf Akteure und Ressourcen in Echtzeit und auch
eine darauf aufbauende Analytik zur Personalisierung des Leistungsbündels. Als primäre
Aktivitäten im Value Network unterscheiden Stabell und Fjeldstad (1998) den Netz-
werkaufbau, den Betrieb der Netzwerkinfrastruktur und als die eigentliche Kerndienst-
leistung die Verknüpfung von Netzwerkteilnehmern. Aufgrund der Netzeffekte sind die-
se Aktivitäten sowohl kollektiv als auch reziprok voneinander abhängig. Nachfolgend
wird für jede dieser drei Primäraktivitäten analysiert, in welcher Weise die Digitalisie-
rung die Kosten- und Differenzierungstreiber in einem Value Network verändert.
Wertschöpfungspotenziale durch Digitalisierung 287

Die Primäraktivität des Netzwerkaufbaus umfasst das Anwerben von Netzwerkmitglie-


dern und das Vertragsmanagement. Diesbezüglich führt zunächst die durch Digitalisie-
rung mögliche größere Reichweite des Netzwerks aufgrund der weltweit einheitlichen
Internettechnologie zu sehr geringen Grenzkosten beim Anwerben neuer Netzwerk-
teilnehmer. Digitale Medien und soziale Netzwerke im Internet erhöhen sowohl die
Reichweite als auch durch Ergänzungen von Kundenkommentaren wie Bewertungen die
inhaltliche Tiefe von Marketingmaßnahmen, ohne in gleichem Ausmaß höhere Kosten
zu verursachen als die herkömmliche Ausgestaltung des Marketingmix mit Maßnahmen
in Presse, Rundfunk und Fernsehen. Gleichzeitig verändert die Digitalisierung die Diffe-
renzierungsmöglichkeiten bei der Kundenanwerbung. Ursache hierfür ist der Werttreiber
des Lernens, denn die Analytik der Kundendaten ± sowohl kundenindividueller Daten
als auch Big Data der Netz Community ± führt zu einer stetigen Verbesserung der Pas-
sung des Leistungsangebots und damit auch der Ansprache des Zielsegments.
In technologischer Hinsicht wird für die Aktivität der Neugewinnung von Kunden zwar
häufig nach wie vor eine Anschlussgebühr, z. B. für die Aufnahme in ein Netzwerk oder
den Anschluss eines Teilnehmers an ein Mobilfunk- oder Kabelnetz, erhoben. Jedoch
zeigen diese Beispiele auch, dass aufgrund der standardisierten Technologien und Kun-
denschnittstellen die Kosten dabei eher bei der Aufnahme des Neukunden in das Ver-
tragsmanagement als bei der technologischen Schaltung des Netzzugangs entstehen.
Ähnlich verhält es sich beim Abschluss von standardisierten Bank- oder Versicherungs-
dienstleistungen wie z. B. eines Privatkredits, einer Tagesgeldanlage oder Kfz-
Versicherung. Eine früher meist notwendige individuelle Vertragsgestaltung oder in
technologischer Hinsicht aufwendige Systemintegration kann bei Nutzung standardisier-
ter Leistungsbündel und Technologien entfallen. Wesentliche Kostentreiber in technolo-
gischer Hinsicht sind dabei die Internettechnologie und die TCP/IP-Standards (TCP =
Transport Protokoll, IP = Internet Protokoll), die die Koordination der Akteure im Netz
vereinfachen (Baldwin 2008). Darüber hinaus erlaubt die im Vergleich zu proprietären
Netzen größere Reichweite des Internets den Zugriff auf und die Vernetzung und Koor-
dination von Ressourcen in einer Form, die vor der Digitalisierung ohne den aufwendi-
gen Betrieb eines speziellen Netzes und aufwendiger Koordination nicht möglich gewe-
sen wären.
Die auf standardisierten Protokollen basierte Digitalisierung vereinfacht auch die Hand-
habung und Koordination der kollektiven und reziproken Abhängigkeit der Primäraktivi-
täten eines Value Network. Der sehr tiefe und informationsreiche Zugriff auf Ressourcen
wird erst über die standardisierte Vernetzung von Akteuren und Dingen möglich, was
sowohl den Netzwerkaufbau als auch den Netzwerkbetrieb vereinfacht. Gleichzeitig er-
möglicht die größere Reichweite und Tiefe der Vernetzung in Kombination mit der Ana-
lytik von Big Data Lerneffekte, die zu neuartigen Leistungsbündeln in der Kernleistung
der Vermittlung im Value Network führen. Das Lernen kann sich dabei sowohl auf ein
gestiegenes Wissen um den individuellen Einzelkunden als auch auf Muster zur Abgren-
zung und Ansprache von Segmenten des Zielmarkts beziehen. Dies ist der Ausgangs-
punkt für Dienstleistungsinnovationen, die erst durch die gestiegene Tiefe der Vernet-
288 Norbert Bach, Maximilian Rimbach und Sebastian Wolf

zung und die vereinfachte Koordination bei der Leistungserbringung möglich werden.
Deutlich wird dies z. B. bei der Installation von Apps auf Smartphones, die vor dem Zu-
gang zum Netz vom Kunden im Rahmen des Vertragsmanagements die Einwilligung
zum Zugriff auf verschiedene im Gerät verfügbare (Nutzer-)Daten erfordern. Wer seine
Bankverbindung nicht zur Nutzung im Value Network freigibt, kann die Bezahlfunktion
nicht nutzen, wer die Dienstleistungen eines Value Network als Gast oder anonymer
Nutzer in Anspruch nimmt muss auf eine Individualisierung verzichten usw.
Die Kosten- und Differenzierungstreiber bezüglich der Primäraktivität Betrieb der Netz-
werkinfrastruktur haben sich durch die Einführung der TCP/IP-Standards deutlich ver-
ändert. Entscheidende Treiber sind dabei die Einigung auf und die Nutzung von weltweit
einheitlichen Standards für den Transport und die Vermittlung von Daten im Internet.
Dies ermöglicht sowohl die bereits beschriebenen Effekte beim Zugang zu einem Value
Network als auch bezüglich der dritten Primäraktivität der Vermittlungsleistung. Die
Standardisierung reduziert zum einen die Kosten des Netzbetriebs, zum anderen fördert
sie durch Lerneffekte dessen weitere technologische Entwicklung. Zwar ist der Zugang
zu einem schnellen Internet (Netzbetrieb) heute noch nicht ubiquitär, in dicht besiedelten
Regionen ist die Verfügbarkeit des Internets auch in großen Bandbreiten jedoch kein
Engpassfaktor mehr. Der Netzbetrieb ist häufig staatlich geregelt und gefördert, sodass
im Ergebnis sich zwar zum einen wenige Anbieter den Markt teilen, zum anderen jedoch
den Anbietern und Nachfragern von netzbasierten Dienstleistungen vergleichsweise kos-
tengünstig eine Netzinfrastruktur zur Verfügung steht. Aufgrund des verfügbaren und
leistungsfähigen Angebots von auf den Netzwerkbetrieb spezialisierten Anbietern kön-
nen Dienstleistungsunternehmen sich im Zeitalter der Digitalisierung daher weitgehend
auf die Primäraktivitäten des Netzwerkaufbaus und der Vermittlungsleistung fokussie-
ren, da der Betrieb des Netzes nur wenigen großen Anbietern die Möglichkeit einer Dif-
ferenzierung vom Wettbewerb oder die Möglichkeit eines Kostenvorteils bietet.
Die für ein Value Network typische Kerndienstleistung der Verknüpfung von Netzwerk-
teilnehmern findet auf der Anwendungsschicht des TCP/IP-Referenzmodells statt. Die
Digitalisierung führt diesbezüglich zu neuen Kostentreibern, da bei der Vermittlungsleis-
tung auf andere Akteure im Netzwerk und deren Ressourcen zurückgegriffen werden
kann. Neue Optionen sowohl in Bezug auf Kostenreduzierung als auch Differenzierung
bietet das Prinzip des Crowdsourcing (Afuah/Tucci 2012). Aufgrund der vereinfachten
Koordination der Akteure über standardisierte Schnittstellen können durch Nutzung von
Actor-to-Actor-Netzwerken Dienstleistungsinnovationen geschaffen werden, für die ein
Anbieter alleine nicht über genügend Ressourcen verfügt (Lusch/Nambisan 2015). So
basiert z. B. das Kundenangebot eines möglichst flächendeckenden Wi-Fi-Zugangs des
Kölner Unternehmens unitymedia GmbH auf den Ressourcen und Leistungen sowohl
des Service Providers unitymedia (Breitbandnetz, Zugangsmanagement, Haftung, Si-
cherheit usw.) als auch der Kunden (Freigabe und Betrieb der in der Wohnung installier-
ten Router). Die Kunden sind sowohl Provider von Ressourcen (die Router in ihren
Wohnungen) als auch Nutzer der durch Crowdsourcing geschaffenen Service-Plattform
eines Internetzugangs für ihre mobilen Endgeräte. Das Beispiel verdeutlicht darüber hin-
aus die Rolle der Architektur des Produktionssystems. Erst durch die modulare Architek-
Wertschöpfungspotenziale durch Digitalisierung 289

tur mit definierten Komponenten (Router mit Internetzugang) und Schnittstellen (IP-
Technologie, AC-Standards, Zugangsprotokolle) wird die Bereitstellung des Leistungs-
bündels (Wi-Fi Hotspot) durch austauschbare Akteure möglich.
Auch in Bezug auf Differenzierungstreiber führt die Digitalisierung zu wesentlichen
Veränderungen im Strukturmuster des Value Network. Differenzierung ist insbesondere
durch Lerneffekte auf Basis der Analytik von Big Data und einer darauf aufbauenden
Individualisierung von Leistungsbündeln im Value Network möglich. Darüber hinaus
entsteht durch die Echtzeitverknüpfung von bisher nur zeitversetzt gekoppelten Informa-
tionen ein Zusatznutzen. Deutlich wird dies am Beispiel der GPS-basierten Routennavi-
gation. Ältere Navigationssysteme ohne Anbindung an das Internet können lediglich die
schnellste Route bei freien Straßen oder die beste Verbindung unter Berücksichtigung
der über UKW übermittelten TMC-Verkehrsinformationen berechnen. Aufgrund der
zeitlichen Verzögerung der TMC-Verkehrsfunkinformationen stehen Autofahrer jedoch
regelmäßig vor der Entscheidung, ob sie eher der Alternativroute oder der ursprüngli-
chen Berechnung folgen. Aufgrund der Digitalisierung verfügbare Systeme mit Anbin-
dung an Actor-to-Actor-Netzwerke, wie z. B. das Netzwerk der Nutzer von Google
Maps, können hingegen auf Basis der Auswertung der Daten anderer Verkehrsteilneh-
mer eine situations- und nutzerspezifische Routenführung in Echtzeit vornehmen.

4. Implikationen für das Management Digitaler


Dienstleistungen
Die technologischen Treiber der Digitalisierung verändern die Wertschöpfung von
Dienstleistungsunternehmen. Auch wenn das eigene Leistungsangebot vermeintlich
nicht unmittelbar betroffen ist, so führt die Digitalisierung häufig zu Dienstleistungsin-
novationen durch aus Sicht der bisherigen Wettbewerber neue Marktteilnehmer. Diese
können sowohl im Zuge einer Servitization (Oliva/Kallenberg 2003; Bruhn/Hadwich
2016) Industrieunternehmen sein, die ergänzend zu ihrer bisherigen Produktpalette nun
auch Dienstleistungen anbieten, als auch Start-up-Unternehmen, die aufgrund der Digita-
lisierung eine Opportunity entdecken, die sie hoffen erschließen und ausbeuten zu kön-
nen (Shane 2004). Zwar ist es für etablierte Dienstleistungsunternehmen keine neue Er-
fahrung, am Markt angegriffen zu werden, anders als bisher verändert die Digitalisierung
jedoch sowohl die Art der Angriffe als auch die Möglichkeiten eigener Angriffe oder
Verteidigungsmanöver. Wesentliche Voraussetzung für Verteidigungsstrategien oder die
Planung und Umsetzung eigener Digitaler Dienstleistungen ist daher das Grundver-
ständnis der zugrundeliegenden Technologien und Strukturmuster der Wertschöpfung
einzelner Bestandteile des im Service-Konzept angebotenen Leistungsbündels. Die Her-
ausforderung, ihren Kunden das richtige Angebot zur richtigen Zeit zur Verfügung stel-
len zu können, ändert sich auch nicht durch die Digitalisierung. Wie in den vorangegan-
290 Norbert Bach, Maximilian Rimbach und Sebastian Wolf

genen Abschnitten erläutert verändert die Digitalisierung jedoch die Kosten- und Diffe-
renzierungstreiber in Wertschöpfungsprozessen, weshalb die Triade der Service-
Strategie sowie der Service Encounter für das Management Digitaler Dienstleistungen
neu zu durchdenken sind.
Für das Element des Zielmarkts bedeutet die Digitalisierung von Dienstleistungsprozes-
sen eine deutlich größere Reichweite, unabhängig von der Technologie. Der Zielmarkt
weitet sich regional aus, während eine Segmentierung enger ausfallen kann. Aufgrund
der größeren regionalen Reichweite, die prinzipiell sogar global gewählt werden könnte,
besteht die Möglichkeit, den Zielmarkt inhaltlich enger zu fassen und sich auf ein enges
Marktsegment zu spezialisieren. Die größere Reichweite ermöglicht die Ansprache einer
kritischen AnzDKODQ.XQGHQDXFKIUDXVWUDGLWLRQHOOHU6LFKWÄ]XNOHLQH³0DUNWQLVFKHQ
So ist es z. B. für einen Übersetzungsdienstleister wesentlich einfacher geworden, Kun-
den auch überregional auf seine Leistungen aufmerksam zu machen, wodurch er nicht
mehr nur auf Kunden aus seinem näheren räumlichen Umfeld angewiesen ist. Dies er-
möglicht darüber hinaus auch eine tiefere Segmentierung des Zielmarktes, z. B. durch
Spezialisierung auf Übersetzungen des nur in Teilen Chinas aber immerhin von 21 Mio.
Menschen gesprochenen Ganyu. Gleiches gilt aber auch für Dienstleistungsunterneh-
men, die dem technologischen Strukturmuster der Value Chain oder dem Value Network
zuzuordnen sind. Für das Strukturmuster des Value Network ist darüber hinaus zu über-
legen, ob durch die größere Reichweite des Internets die Dienstleistung oder wie im Bei-
spiel der unitymedia Wi-Fi-Hotspots einzelne Bestandteile des Leistungsbündels auch in
Actor-to-Actor-Netzwerken erbracht werden könnten. Im angesprochenen Zielmarkt
sind die Akteure dann beides, sowohl Kunden als auch Ressourcenlieferant und Teil der
Infrastruktur, die zur Erstellung der Dienstleistung benötigt wird.
Das Element des Service-Konzepts ändert sich in der Value Chain insbesondere für bis-
her als Produktanbieter tätige Unternehmen, die durch die Digitalisierung eine Service-
Transformation durchlaufen haben, beispielsweise durch Mass Customization. Das Pro-
duktangebot ändert sich von reinen tangiblen Bestandteilen zu einem Mix aus tangiblen
und intangiblen Bestandteilen. Gleichzeitig werden Dienstleistungsanbieter, die bisher
dem Kunden den gleichen Nutzen verschafft haben, ± z. B. lokale Änderungsschneide-
reien, deren Leistung durch Mass Customization von Kleidung nicht mehr benötigt wird
± angegriffen. Zusätzlich bietet die Digitalisierung auch die Möglichkeit, die sekundären
Bedürfnisse der Kunden durch unterstützende Dienstleistungsbestandteile zu adressieren,
von denen ohne die Möglichkeiten der Digitalisierung weder der Kunde noch der Dienst-
leistungsanbieter gewusst haben. Deutlich wird dies beispielsweise an Reiseführer-Apps
wie tripadvisor als Value Shop, die auf Basis der Empfehlungen anderer Nutzer (Value
Network) für den jeweiligen Aufenthaltsort und das individuelle Nutzerprofil spezifische
Empfehlungen tätigen. Für alle technologischen Strukturmuster ist aufgrund der erhöh-
ten Reichweite eine Nischenstrategie möglich, womit eine Reduzierung des Service-
Konzepts auf weniger Bestandteile bzw. eingegrenzte tangible und intangible Angebote
verbunden ist.
Wertschöpfungspotenziale durch Digitalisierung 291

Die Gestaltung des Service Delivery Systems betrifft die zu schaffende Infrastruktur und
die Nutzung von Ressourcen in den gewählten Strukturmustern der Wertschöpfung. Die
Digitalisierung führt diesbezüglich zu den in Abschnitt 3 erläuterten Veränderungen der
Kosten- und Differenzierungstreiber. Darüber hinaus kann aber auch die Art und Weise
der Informations- und Wertübermittlung von Veränderungen betroffen sein. So führt ei-
ne stärkere Individualisierung in der Value Chain wie beispielsweise durch Mass
Customization zu anderen Kundenkontakten und anderen Kanälen, über die Kunden an-
gesprochen werden. Während der Hosenkäufer bei Stangenware anschließend vom Än-
derungsschneider die Länge seiner Hosenbeine abgesteckt bekommt, finden der Kun-
denkontakt und die Informationsübermittlung bei Digitalen Dienstleistungen häufig über
Mensch-Maschine-Schnittstellen und Self-Service-Technologien statt, z. B. durch Pro-
duktkonfiguratoren auf Webseiten bei der kundenindividuellen Produkt- bzw. Dienstleis-
tungszusammenstellung. Damit fehlt Dienstleistungsunternehmen ein bisher wesentli-
ches Merkmal der Kundengewinnung und Kundenbindung über den persönlichen
Kontakt mit dem Vertriebspersonal. Daran wird deutlich, dass die Digitalisierung häufig
andere Anforderungen an die Mitarbeitenden im Vertrieb und Service nach sich zieht. So
sind statt klassischen Verkaufsleitern und Verkaufsmitarbeitenden unter Umständen eher
Produktmanager, Social Media Manager und Content Manager sowie Mitarbeitende mit
hoher Internetaffinität notwendig.
Wie bereits die Service Delivery Design Entscheidungen deutlich gemacht haben, hat die
Digitalisierung von Dienstleistungen wesentliche Veränderungen des Service Encounter
zur Folge, also der eigentlichen Interaktion mit dem Kunden. Die Digitalisierung inner-
halb der Value Chain erfordert kundenindividuelle Daten zu sehr frühen Zeitpunkten,
was insbesondere im Fall einer Servicetransformation zu fundamentalen Veränderungen
der Prozesse und Strukturen in Unternehmen führt (Geigenmüller et al. 2016). Zum ei-
nen geht dem Dienstleistungsanbieter der persönliche Kontakt als Instrument der Kun-
denbindung verloren. Zum anderen ermöglicht die Digitalisierung z. B. in der klassi-
schen Folge der Primäraktivitäten des Value Shop vielfältige und durchaus tiefgreifende
Interaktion mit dem Kunden. Der Service Encounter ist nicht mehr alleine auf die Erfas-
sung des individuellen Kundenproblems und die Kontrolle der ausgewählten Lösung be-
schränkt, sondern der Kunde kann zum Teil der Problemlösung werden. So prognostizie-
ren z. B. Studien zu Electronic Health, dass eine permanente Übermittlung von
Gesundheitsdaten und darauf abgestimmte Therapien nicht nur den Therapieerfolg, son-
dern insbesondere das gesundheitsschädliche Verhalten der Patienten beeinflussen kann
(Webb et al. 2010). Auch in anderen Dienstleistungen ist im Zuge der Digitalisierung
sowohl eine deutlich stärkere Ausprägung des Kontaktmomentes möglich als auch eine
häufigere und intensivere Interaktion zwischen Kunde und Dienstleister, ohne dass dies
für beide Seiten zu einem deutlich größeren Aufwand führt.
Digitale Dienstleistungsinnovationen bieten den Unternehmen sowohl die bisher be-
schriebenen Chancen, sie bergen aber auch spezifische Risiken. So erfordert der durch
Digitalisierung mögliche Zusatznutzen in der Regel sowohl die permanente Anbindung
der Kunden und ihrer Ressourcen an das Internet als auch deren Bereitschaft, die für
292 Norbert Bach, Maximilian Rimbach und Sebastian Wolf

Crowd-sourcing und Big Data Analytik benötigten Ressourcen und Informationen zur
Verfügung zu stellen. Damit unweigerlich verbunden ist die Frage der Speicherung und
Nutzung personenbezogener Daten sowie die Gewährung der erforderlichen Datensi-
cherheit. Darüber hinaus sind Fragen des normativen Managements zu beachten und zu
entscheiden. Für manche Kunden mögen der gläserne Mensch und die Bereitstellung ei-
gener Ressourcen zur Nutzung durch andere Netzwerkmitglieder und Auswertung durch
Unternehmen wie z. B. Google ein erstrebenswerter Zustand sein, andere Kundengrup-
pen lehnen diese Vorstellung ab, boykottieren Unternehmen, die eine solche Strategie
einschlagen und verweigern die Mitwirkung in Actor-to-Actor-Netzwerken. Dienstleis-
tungsunternehmen müssen daher genau abwägen, welche Potenziale sie zum Betreiben
welcher Geschäftsmodelle nutzen möchten und welche Zielgruppen und Nutzenpoten-
ziale nicht mit den eigenen normativen Grundsätzen zu vereinbaren sind.
Die in diesem Beitrag vorgenommenen Analysen und Diskussionen lassen sich in fol-
genden Thesen für das Management Digitaler Dienstleistungen zusammenfassen:
(1) Die Digitalisierung entkoppelt Teile der Leistungserstellung von der physischen
Präsenz vor Ort und ermöglicht den Zugriff auf und die Koordination von Ressour-
cen, auf die in regionalen Angeboten bisher verzichtet werden musste. Die Digitali-
sierung trifft daher insbesondere auf regionale Zielmärkte abstellende Dienstleis-
tungsanbieter wie z. B. Änderungsschneidereien, Videotheken oder Facility-
Management-Dienstleister. Wenn die physische Präsenz vor Ort dem Kunden kei-
nen Zusatznutzen bietet, sind die nun möglichen digitalen Dienstleistungsinnovatio-
nen dem bisherigen Angebot in der Regel überlegen.
(2) Technologische Treiber der Digitalisierung sorgen zum einen für einen Verände-
rungsdruck innerhalb bisher genutzter Strukturmuster der Wertschöpfung. In der
Konsequenz müssen Unternehmen sich den veränderten Voraussetzungen bei den
für das eigene Strukturmuster typischen Werttreibern stellen und geeignete Maß-
nahmen zur Erhaltung ihrer Wettbewerbsfähigkeit ergreifen. Zum anderen sorgen
die technologischen Treiber der Digitalisierung für einen Veränderungsdruck, der
Unternehmen auch zu einem Umdenken hinsichtlich der Nutzung substitutiver bzw.
komplementärer technologischer Strukturmuster zwingt. Dies betrifft nicht nur die
Servitization, sondern insbesondere auch Strategien der regionalen Ausweitung mit
Zugriff auf über das Internet koordinierbare Ressourcen bei gleichzeitiger inhaltli-
cher Fokussierung.
(3) Bei einfachen und standardisierten Dienstleistungen übernehmen die unter dem Be-
griff der Economies of Digitization zusammenfassbaren Veränderungen der Wert-
treiber die bisherige Rolle von Economies of Scale und Scope. Wenn der Kunde
zum gleichen Preis eine individualisierte Dienstleistung erhalten kann, werden Stan-
dardangebote den Wettbewerb nicht überleben. Beispiele hierfür finden sich insbe-
sondere im Bereich von Beratungs- und Empfehlungsdienstleistungen, die durch ei-
ne Kombination der Leistungselemente des Value Shop und des Value Network
neuartigen und stärker auf die individuellen Bedürfnisse des Kunden zugeschnitte-
nen Nutzen stiften.
Wertschöpfungspotenziale durch Digitalisierung 293

(4) Eine Differenzierung des Leistungsangebots Digitaler Dienstleistungen gegenüber


dem Wettbewerb ist in erster Linie durch Analytik von Big Data und daraus abgelei-
tete kundenspezifische Leistungsangebote möglich. Aufgrund der Kopplung der
Strukturmuster des Value Shop und des Value Network und den hier entstehenden
Netzeffekten wird dies mittelfristig zu Konzentrationsprozessen führen, wie es in
der Vergangenheit bereits bei Marktplätzen und Auktionshäusern im Internet zu be-
obachten war. Kunden gehen dorthin, wo sie entweder möglichst viele andere Kun-
den treffen (z. B. Social Media), wo sie auf Basis der ausgewerteten Daten von
möglichst vielen Akteuren Empfehlungen erhalten können (z. B. Arztportale) oder
wo Actor-to-Actor-Netzwerken möglichst viele Akteure durch Bereitstellung von
Leistungselementen die Reichweite der Vermittlungsleistung erhöhen.
(5) Digitale Produkte und Dienstleistungen ermöglichen durch Vernetzungseffekte der
Digitalisierung ein so genanntes Long Tail Business (Anderson 2007). Über die
Reichweite des Internets lohnt sich auch eine Fokussierung auf vermeintlich kleine
und bisher wirtschaftlich uninteressante Nischen. So erzielen Unternehmen wie iTu-
nes oder Amazon aufgrund ihrer Reichweite und Marktstärke einen Großteil ihres
Umsatzes mit Nischenprodukten. Idealerweise kann die am Long Tail sehr spezi-
fisch ausgestaltete Mensch-Maschine-Schnittstelle die Funktion der Kundengewin-
nung und -bindung übernehmen, die bisher durch den persönlichen Kontakt mit ge-
schultem Personal wahrgenommen wurde.
Ähnlich wie die so genannte Industrie 4.0 bieten auch Digitale Dienstleistungen der Be-
triebswirtschaftslehre ein neues und herausforderndes Untersuchungsobjekt. Die Erfor-
schung der betriebswirtschaftlichen Konsequenzen der Digitalisierung von Dienstleis-
tungen erfordert aufgrund der technologischen Treiber und der mit den neuen Leis-
tungsbündeln und Service Encountern einhergehenden gesellschaftlichen Veränderungen
jedoch zunehmend eine interdisziplinäre Herangehensweise. Dies betrifft zunächst eine
interdisziplinäre Auseinandersetzung zwischen den Kernbereichen der Betriebswirt-
schaftslehre (Unternehmensführung, Personal, Produktion, Marketing usw.) und dem
Bereich der (Wirtschafts-)Informatik bzw. Information Systems Research (Lu-
sch/Nambisan 2015). Darüber hinaus gewinnt mit der Digitalisierung die Schnittstelle
zwischen Mensch ± hier als Dienstleistungsnachfrager und gleichzeitig als Co-Produzent
der Dienstleistung ± und Maschine immer mehr an Bedeutung. Dies erfordert die Zu-
sammenarbeit mit Experten aus der Betriebswirtschaftslehre bisher eher fernen Nach-
bardisziplinen der Sozialwissenschaften wie z. B. den Kommunikations- und Medien-
wissenschaften. Neben neuen Herangehensweisen in der Forschung bedarf es auch eines
interdisziplinären Vorgehens in der Praxis. Nicht zuletzt führt die Digitalisierung von
Dienstleistungen zu neuen Anforderungsprofilen an Führungskräfte und Mitarbeitende,
um mit der Digitalisierung einhergehende Veränderungsprozesse verstehen, initiieren,
gestalten und koordinieren zu können.
294 Norbert Bach, Maximilian Rimbach und Sebastian Wolf

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3. Transformation zum Dienstleister 4.0





Heiko Gebauer, Simon Joncourt und Caroline Saul

Transformation von Unternehmen ±


Technologien und Geschäftsmodelle

1. Einführung

2. Grundlagen

3. Handlungsempfehlungen für die Verbindung der Technologien und


Geschäftsmodelle
3.1 Denken in Kundenprozessen und -aktivitäten
3.2 Fokussierung auf die Kostensenkung
3.3 Fokussierung auf ausgewählte Lösungen
3.4 Denken in komplexen Wertschöpfungssystemen
3.5 Denken (außerhalb) der eigenen Organisation

4. Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

___________________________
PD Dr., Heiko Gebauer, leitet die Gruppe Business Innovation an der eawag (Wasser-
forschungsinstitut der ETH). Er ist Professor am Center for Service Research der
Universität Karlstad in Schweden. Simon Joncourt, M. A., ist wissenschaftlicher
Mitarbeiter an der Eawag und beschäftigt sich mit marktbasierten Ansätzen in
Entwicklungsländern. Caroline Saul, M. Sc., ist Doktorandin an der Eawag und der
Karlstad Universität.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017


M. Bruhn und K. Hadwich (Hrsg.), Dienstleistungen 4.0,
DOI 10.1007/978-3-658-17552-8_12
1. Einführung
Industrie 4.0 eröffnet neue Möglichkeiten für Industrieunternehmen. Industrie 4.0 ist ein
Sammelbegriff für Technologien im Kontext der vierten industriellen Revolution. Es
umfasst das Internet der Dinge, intelligente Stromnetze, Gebäude, Logistik und Mobili-
tät, die Digitalisierung von Geschäftsprozessen, Cloud Computing usw. Das Internet der
Dinge verkörpert die Vision, in der jeder Gegenstand und jeder Ort der physischen Welt
ein Teil des Internets werden. Diese Gegenstände und Orte erhalten einen Minicomputer
und werden zu smarten (intelligenten) Dingen. Diese Dinge nehmen Informationen aus
der Umwelt auf. Sie kommunizieren und teilen diese Informationen mit anderen Dingen
(Fleisch et al. 2014).
Diese Möglichkeiten entstehen zum einen aus den Veränderungen in der industriellen
Wertschöpfung. Die Veränderungen beziehen sich auf die Umsetzung von intelligenten
Fabriken und Wertschöpfungsketten (Wertschöpfungssystemen). Zum anderen führen
Technologien zu hybriden Leistungsbündeln bei denen das physische Produkt und neue,
digitale Dienstleistungen miteinander zu kundenindividuellen Lösungen verschmelzen.
Industrieunternehmen haben diese Möglichkeiten erkannt. Sie erkennen, dass diese
Technologien ganz neue Unternehmen und Wettbewerber hervorbringen können. Bran-
chen werden sich fundamental verändern. Dies zwingt Unternehmen dazu, nicht nur
neue Leistungsbündel zu entwickeln, sondern ebenfalls das gesamte Geschäftsmodell zu
überdenken. Diese neuen Geschäftsmodelle sind nicht statisch, sondern verändern sich
über die Zeit, indem sie mehr und mehr die Möglichkeiten dieser neuen Technologien
ausschöpfen.
Viele Unternehmen sind jedoch verunsichert, wie sie mit den neuen Technologien, den
hybriden Leistungsbündeln (Ulaga/Reinartz 2011) und den Geschäftsmodellen betriebs-
wirtschaftlich erfolgreich sein können. Die Technologien erfordern hohe Investitionen
und der betriebswirtschaftliche Erfolg lässt sich nur schwer abschätzen. Zudem ist die
Ausgestaltung der Leistungsbündel oft sehr kundenindividuell. Unternehmen haben
Schwierigkeiten Leistungsbündel zu standardisieren und auf verschiedene Kundenseg-
mente anzuwenden. Die neuen Geschäftsmodelle kannibalisieren oft die bestehenden
Geschäftsmodelle (Kowalkowksi et al. 2015). So substituiert der Einsatz von Remote-
Technologien zur Behebung von Fehlern bei den Produkten die bisherigen Umsätze für
Reparatur- und Wartungsdienstleistungen. Anstatt die Zeit für die Erbringung von War-
tungsleistungen zu verrechnen, bezahlen die Kunden eine Remote-Gebühr für die
Überwachung der Produkte.
Im folgenden zweiten Abschnitt werden zunächst die Grundlagen im Kontext dieser
Technologien, der komplexen Leistungsbündel und der Geschäftsmodelle beschrieben.
Im dritten Abschnitt geben wir Handlungsempfehlungen für die zielgerichtete Verbin-
302 Heiko Gebauer, Simon Joncourt und Caroline Saul

dung dieser Aspekte und unterlegen sie mit ausgewählten Beispielen aus unserer For-
schungsarbeit. Der Beitrag endet mit einem Schlussfazit.

2. Grundlagen
Unternehmen stehen heute vor zwei wesentlichen Veränderungen. Diese beiden Verän-
derungen sind miteinander gekoppelt, bedingen und verstärken sich gegenseitig.
„ Die Produkte der Unternehmen werden zunehmend miteinander vernetzt und intel-
ligenter. Unternehmen bekommen Zugang zu wertvollen Informationen über die
Nutzung, die Verfügbarkeit und das eigentliche Ergebnis des Produktes im Kunden-
prozess.
„ Die Geschäftsmodelle von Unternehmen wandeln sich zunehmend von einer Pro-
dukt- zu einer Dienstleistungsorientierung. Unternehmen bieten vermehrt hybride
Leistungsbündel an, welche neue nutzen-, verfügbarkeits- und ergebnisorientierte
Geschäftsmodelle ermöglichen.
Diese Veränderungen eröffnen neue finanzielle und strategische Möglichkeiten. Der
Ausbau der Dienstleistungsorientierung eröffnet beispielsweise neue Umsatzpotenziale,
ermöglicht es, Kunden besser ans Unternehmen zu binden, und stärkt die Differenzie-
rung gegenüber dem Wettbewerb. Die Vernetzung der Produkte ermöglicht es, Kosten
zu reduzieren, Informationen über die Nutzung des Produktes zu sammeln und mit die-
sen Informationen die Produktentwicklung zu verbessern.
Diese Möglichkeiten sind nicht frei von Risiken. So besteht die Gefahr, dass die Investi-
tionen in den Dienstleistungsbereich nicht zu den erwarteten Resultaten führen (Gebauer
et al. 2005). Zusätzlich haben Unternehmen das Risiko, dass die Umsetzung der notwen-
digen Technologien aufgrund von Sicherheitsüberlegungen, Bedenken der Kunden oder
mangelnder Technologiestandards scheitert (Kaufmann 2015).
Konfrontiert mit diesen Risiken und Möglichkeiten müssen Unternehmen überlegen, wie
sie vorgehen sollen. Sollen Unternehmen zuerst die Dienstleistungsorientierung erhöhen
sowie in den Dienstleistungsbereich investieren und dann die notwendigen Technologien
implementieren? Sind die Technologien der erste Schritt und anschließend wird das
Dienstleistungsgeschäft ausgebaut oder müssen der Dienstleistungsbereich und die
Technologien zeitlich parallel ausgebaut werden?
Unsere Erfahrungen zeigen, dass Unternehmen im Vorteil sind, wenn sie bereits eine
hohe Dienstleistungsorientierung haben und diese Dienstleistungsorientierung durch die
neuen Technologien ergänzen. Ein Unternehmen wie General Electric ist ein Pionier bei
der Ausnutzung dieser neuen Technologien (Evans/Annunziata 2012). General Electric
ist ebenfalls Vorreiter für dienstleistungsorientierte Geschäftsmodelle (Fischer et al.
2012).
Transformation von Unternehmen ± Technologien und Geschäftsmodelle 303

Ein Geschäftsmodell beschreibt die Geschäftsbeziehung eines Anbieters mit seinem


Kunden auf den Ebenen Nutzen, Wertschöpfung und Erlösmodell (Gassmann et al.
2014). Dementsprechend legt das Geschäftsmodell fest, welcher Nutzen im Rahmen der
Geschäftsbeziehung generiert wird, wie dieser Nutzen erzeugt wird und wie der Anbieter
vergütet wird. Die Geschäftsmodelle für Kombinationen aus Produkten und Dienstleis-
tungen führen zu hybriden Leistungsbündeln. Diese Leistungsbündel können funktions-,
verfügbarkeits- oder ergebnisorientiert ausgestaltet sein. In einem funktionsorientierten
Geschäftsmodell (nutzen- und funktionsorientiert) bietet der Anbieter neben den Produk-
ten integriert entwickelte Dienstleistungen an, die vom Kunden nach Anforderung
beauftragt werden. Bei einem verfügbarkeitsorientierten Geschäftsmodell (leistungs- und
verfügbarkeitsorientiert) garantiert der Anbieter die Einsatzfähigkeit des Produkts. Der
Anbieter übernimmt vermehrt die Verantwortung für Prozesse des Kunden, z. B. War-
tung oder vorbeugende Instandhaltung, und trägt dadurch einen Teil des Risikos. Bei
einem ergebnisorientierten Geschäftsmodell (wert- und ergebnisorientiert) geht die ge-
samte Verantwortung für das Produktionsergebnis auf den Anbieter über, da die Kunden
ihn nach fehlerfrei produzierten Teilen vergüten (Pay-per-Production).
Rolls-Royce entwickelte beispielsweise das Power-by-the-Hour-Konzept. Dies ist ein
nutzungsorientiertes Geschäftsmodell. Anstatt die Flugzeugturbine und Wartungsdienst-
leistungen zu verkaufen, basiert dieses Konzept auf der Verrechnung einer fixen Rate
pro Stunde, die die Flugzeugturbine am Flugzeug in Betrieb ist. Das Konzept entstand in
der Flugzeugindustrie Mitte der 1990er Jahre. General Electric (GE) versuchte die neue,
effizientere und kraftvollerer Flugzeugturbine GE90 in den Markt einzuführen. GE hoff-
te, dass die bessere Leistung der Turbine zu einem Preispremium führt. Kunden zahlten
dieses Preispremium nicht und verwiesen auf Unsicherheiten in den Wartungskosten.
GE wurde dazu gedrängt, dass Geschäftsmodell zu verändern und ausschließlich die Be-
triebsstunden der Turbine zu verrechnen. Die Rate deckt die Herstellkosten und die
Wartungskosten der Turbine ab.
Xerox begann mit einem nutzungsorientierten Geschäftsmodell im Sinne einer Bezah-
lung pro kopierter Seite und nicht für das Kopiergerät sowie die Wartungsleistungen.
Heute ist Xerox ein Lösungsanbieter für Geschäftsprozess- und Dokumentenmanage-
ment. 54 Prozent des Gesamtumsatzes (19,5 Mrd. USD) wurden 2014 durch
Dienstleistungen erwirtschaftet. Xerox fokussiert sich auf ein annuitätsorientiertes Ge-
schäftsmodell. Der Kunde bezahlt eine jährliche Rate für die erbrachten Lösungen. 84
Prozent des Umsatzes werden durch festgeschriebene Raten erwirtschaftet.
Auch Hilti übernimmt in einem ähnlichen Geschäftsmodell das Management der Geräte-
flotte. Für das Flottenmanagement müssen Unternehmen eine Gebühr bezahlen, sie
investieren jedoch nicht mehr in die Geräte. Die Kunden sind dadurch an Hilti gebunden
und Wettbewerbsgeräte werden aus den Kundenflotten herausgedrängt.
Technologien wie Industrie 4.0 werden dazu genutzt diese dienstleistungsorientierten
Geschäftsmodelle weiterzuentwickeln.
304 Heiko Gebauer, Simon Joncourt und Caroline Saul

3. Handlungsempfehlungen für die Verbindung der


Technologien und Geschäftsmodelle
Die Erfahrungen aus unseren Praxisprojekten führen zu fünf Handlungsempfehlungen.

3.1 Denken in Kundenprozessen und -aktivitäten


Unternehmen können nur dann die verschiedenen technologischen Möglichkeiten und
Geschäftsmodelle nutzen, wenn sie aus Sicht der Kunden denken. Das heißt, die Unter-
nehmen verstehen die wichtigen Kundenprozesse und einzelnen Kundenaktivitäten und
leiten daraus die Bedürfnisse des Kunden ab. Hierbei ist das Denken in Problem-
ORࡇVXQJVEHGXࡇUIQLVVHn, funktionalen Bedürfnissen, emotionalen BedürfnissenXQG(UIROJV
EHGXࡇUIQLVVHn hilfreich (Belz et al. 1997).
Der Werkzeugspezialist Fraisa veranschaulicht diese Argumentation. Fraisa stellt Fräs-
und Zerspannungswerkzeuge KHU )UDLVD¶V .XQGHQ VLQG GDQQ HUIROJUHLFK ZHQQ sie mit
den Werkzeugen die eigenen Kundenaufträge in der richtigen Qualität, Zeit und zu den
vorgegebenen Kosten erfüllen können. Hierbei möchten die Kunden einen zuverlässigen
Werkzeugspezialisten, der nicht nur Werkzeuge zur Verfügung stellt, sondern sie eben-
falls als vertrauenswürdiger Berater aktiv unterstützt. Neben der Sicher-
stellung der Funktionalität der Zerspanungswerkzeuge bedeutet dies, dass Fraisa Prob-
leme in den Kundenprozessen löst.
Kunden stehen vor folgenden Herausforderungen:
„ Optimierung der Fräs- oder Zerspanungsprozesse für die entsprechende Anwendung
„ Auswahl des richtigen Werkzeugs für diesen Prozess
„ Einkauf des Werkzeugs
„ Anwendung des Werkzeugs
„ Notkauf von anderen Werkzeugen, wenn das ausgewählte Werkzeug nicht die ent-
sprechende Leistung erreicht
„ Regelmäßige Beschaffung der Werkzeuge
„ Überholung der Werkzeuge zur Verlängerung des Lebenszyklus
„ Entsorgung der Werkzeuge
Entlang des gesamten Prozesses müssen Kunden mit vielen Unternehmen zusammenar-
beiten:
„ (QGNXQGHQJHEHQGHQ3URGXNWLRQVDXIWUDJDQ)UDLVD¶V.XQGHQ
„ Distributoren bieten Werkzeuge von verschiedenen Herstellern an
„ Hersteller von den Werkzeugmaschinen, auf denen die Werkzeuge angewendet
werden
„ Banken finanzieren den Kauf der Werkzeuge
Transformation von Unternehmen ± Technologien und Geschäftsmodelle 305

„ Logistikanbieter liefern die Werkzeuge direkt in die Produktion und holen Werk-
zeuge zur Überholung und zur Entsorgung ab
„ Recyclingunternehmen entsorgen die Werkzeuge fachgerecht
Die Zusammenarbeit mit diesen Unternehmen ist sehr komplex und trägt nicht unmittel-
bar zur Lösung der Kundenprobleme bei. Um diese Kundenprobleme umfassend zu
lösen, entwickelte Fraisa die ToolCare® Lösung. ToolCare® ist ein praktisches Werk-
zeugmanagementsystem mit einem individuell bestückten Kundenwarenlager und der
Verwendung von Werkzeugen auf Konsignationsbasis. Abbildung 1 illustriert die Lö-
sung der Kundenprobleme entlang der Kundenprozesse.
ToolCare® 1.0 war der Ausgangspunkt und wurde mit neuen Technologien weiterentwi-
ckelt. Das heutige ToolCare® 2.1 ist ein computergestütztes, vollautomatisches Werk-
zeugmanagementsystem, welches Kunden ein individuell ausgewähltes Werkzeugpro-
gramm zur Verfügung stellt. Die Version 2.1 ermöglicht eine Bewirtschaftung der
Werkzeuge über eine Computer Cloud-Lösung. Eine webgestützte Überwachung von
Mindestbeständen mit automatischer Nachbestellung von Werkzeugen stellt sicher, dass
die für die Produktion benötigten Tools immer vorhanden sind. Eine permanente Trans-
parenz hinsichtlich des Werkzeugverbrauchs und der damit verbundenen Kosten ist so
lückenlos gewährleistet. Der automatisierte Nachbestellprozess reduziert außerdem den
Aufwand für die Warenbeschaffung deutlich. Kunden bezahlen nur für die Nutzung der
Werkzeuge.
Das Fraisa Beispiel zeigt wie Unternehmen bestehende Lösungen mit Hilfe von neuen
Technologien weiterentwickeln. Ausgangspunkt ist das Verstehen der Kundenbedürfnis-
se entlang der Kundenprozesse. Die neuen Technologien machen die Lösungen noch
effizienter und effektiver.
306 Heiko Gebauer, Simon Joncourt und Caroline Saul

Abbildung 1: ToolCare® von der Firma Fraisa


(Quelle: Fraisa 2016)
Transformation von Unternehmen ± Technologien und Geschäftsmodelle 307

3.2 Fokussierung auf die Kostensenkung


Wenn Unternehmen vor der Herausforderung stehen die Technologien umzusetzen, dann
können sie entweder diese Technologien für die Senkung der Kosten, für die Erschlie-
ßung neuer Umsatzpotenziale oder beides verwenden. Unsere Erfahrungen zeigen, dass
Unternehmen im ersten Schritt die Kosten reduzieren sollten. So zielen Unternehmen bei
der Vernetzung der Maschinen und Geräte darauf ab, bisherige Dienstleistungen kosten-
effizienter zu erbringen. So können Unternehmen mit Hilfe von Remote Services auf die
Produkte zugreifen und Probleme online lösen, ohne einen Servicetechniker zum Kun-
den zu schicken. Gerade während der Gewährleistungszeit können Unternehmen so
Kosten einsparen. Derartige Einsparungen tragen wesentlich dazu bei, dass sich die In-
vestitionen in diese Technologien rechnen. Zudem führen die Technologien zu zwei
interessanten Effekten. Die Technologien ermöglichen es, wertvolle Informationen über
die Nutzung des Produktes zu sammeln. Aus der Nutzung der Produkte lassen sich zu-
dem Rückschlüsse auf das Verhalten und die Bedürfnisse der Kunden sowie der
eigentlichen Endkunden schließen. Diese Informationen unterstützen die Entwicklung
neuer oder die Anpassung bestehender Produkte.
Ein Beispiel ist die indische Firma Sarvajal, ein Hersteller von Wasseraufbereitungsan-
lagen. Diese Anlagen sind Teil eines Systems für die Wasserdistribution, welches aus
der eigentlichen Aufbereitungsanlage und so genannten Water ATMs bestehen. An die-
sen ATMs kann die Bevölkerung Wasser, ähnlich wie bei einem Geldautomaten,
beziehen. Diese Systeme werden in ländlichen Dörfern verwendet, wodurch die Einsätze
von Servicetechnikern für die Behebung von Problemen an den Systemen relativ teuer
sind. Sarvajal investierte schon früh in Technologien, die eine Überwachung der Syste-
me ermöglichen. Sarvajal begann mit einem SMS Reporting System (soochak), welches
die über die Sensoren aufgenommenen Informationen an den jeweiligen Datenpunkten
als SMS verschickt. Die Informationen werden als digitale Codes gesendet, welche Aus-
kunft über den Zustand der Anlagen geben. In der Zentrale werden diese digitalen Codes
ausgewertet und daraus potenzielle Ausfälle der Anlagen vorausberechnet. Diese Vo-
rausberechnung verhindert AusfällH XQG UHGX]LHUWH 6DUYDMDO¶V 6HUYLFHNRVWHQ 'LH
Auswertung der Fehlercodes führten zu Verbesserungen in den Systemen und half insbe-
sondere Fehler bei der Bedienung der Anlagen besser zu verstehen. Dies ermöglichte
Verbesserungen in den technischen Bedienelementen und in der Ausbildung des Perso-
nals, das die Anlage bedient (vgl. Abbildung 2).
Sarvajal entwickelte dieses SMS Reporting System sukzessive weiter. Das heutige Sys-
tem ist ein Echtzeitsystem, welches Sarvajal¶VVR]LDOH:LUNXQJDXI]HLJW'LHVHV6\VWHP
veranschaulicht die Wasserqualität, unterstützt die Neukundenakquisition, vereinfacht
den Einsatz der Servicetechniker, gibt einen Überblick über den technischen Zustand al-
ler Systeme, ermöglicht einen Vergleich der einzelnen Systeme und gibt Auskunft wie
viele Menschen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben.
308 Heiko Gebauer, Simon Joncourt und Caroline Saul

Die Information sind nicht nur für Sarvajal interessant, sondern ebenfalls für staatliche
Institutionen, soziale Investoren und Finanzinstitute, wie die Weltbank oder die asiati-
sche Entwicklungsbank, die Projekte im Wassersektor unterstützen. Gegenüber
Systemen von Wettbewerbern hat Sarvajal den Vorteil, dass es glaubwürdige Informati-
onen über den eigentlichen Wasserverbrauch der Bevölkerung zur Verfügung stellen
kann.

Wie hoch ist der Einfluss auf


die Gesundheit? Welches
Dorf ist das beste?

Welche Werkzeuge werden


zur Lösung des ausgelöste
Reparaturalarm gebraucht?
Partner

System
Wie ist die
Wasserqualität?
Zustand der 412 Systeme
Dorf
Service Center

Call Center
Kunden System

Die 50 neue Haushaltewurden zu


neue Kunden. 42 haben begonnen
Wasser zu konsumieren. Bei 8
muss nachgefasst werden

Abbildung 2: Echtzeitmanagementsystem von Sarvajal


(Quelle: Sarvajal 2016)

3.3 Fokussierung auf ausgewählte Lösungen


Das Denken in Kundenprozessen in Kombination mit den neuen Technologien bedeutet
nicht, dass Unternehmen eine Vielzahl von neuen Lösungen anbieten. Eine hohe Viel-
zahl von Lösungen würde die Verkaufs- bzw. Vertriebsorganisation überfordern.
Verkäufer hätten Schwierigkeiten Kunden die richtige Lösung anzubieten sowie diese
auf die Bedürfnisse einzelner Kunden anzupassen. Unternehmen favorisieren deswegen
eine Fokussierung auf wenige Lösungen, anstatt eine Vielzahl von Lösungen anzubieten.
Ein Beispiel ist der Reifenhersteller Michelin. Anfänglich vermarktete Michelin eine ho-
he Anzahl von Lösungen, doch der Erfolg dieser Strategie blieb aus. Michelin gründete
Transformation von Unternehmen ± Technologien und Geschäftsmodelle 309

die strategische Geschäftseinheit, Michelin Solutions. In dieser Geschäftseinheit fokus-


sierte sich Michelin anfänglich nur auf eine Lösung. Mit der Lösung ()),7,5(6Œ
garantiert Michelin einen Preis pro 1.000 km, die der Reifen benutzt wird. Diese Lösun-
gen baut nicht nur auf einzelnen Dienstleistungen wie das Monitoring des Reifendrucks
und -abriebs, der Reparatur, den Austausch, das Umstellen und das Aufpumpen der Rei-
fen, sie integriert auch neue Technologien, die in Echtzeit ein Überwachen der
notwendigen Parameter für diese Dienstleistungen ermöglichen.
1DFKGHUHUIROJUHLFKHQ.RPPHU]LDOLVLHUXQJ YRQ()),7,5(6ŒIKUWH0LFKHOLQ6ROXWL
RQV VHKU VHOHNWLY ZHLWHUH /|VXQJHQ HLQ 0LW GHU /|VXQJ ()),)8(/ΠEHLVSLHOVZHLVH
garantiert Michelin Solutions in Übereinkunft mit dem Kunden eine definierte Reduktion
des Kraftstoffverbrauchs eines Lkws oder Busses. Das Geschäftsmodell dieser Lösung
basiert nicht mehr auf dem Verkauf von Reifen, sondern auf dem Verkauf von Kraftstof-
feinsparungen.
Weiter führte Michelin diH()),75$,/(5Œ/|VXQJ]XU2SWLPLHUXQJdes Trailermana-
gements LQ GHQ 0DUNW HLQ ()),75$,/(5ΠVHQNW GLH RSHUDWLYHQ .RVWHQ LP =XVDP-
menhang mit Trailern (Lkw-Anhängern). Die Lösung optimiert die Abläufe durch eine
bessere Nutzungsrate der Trailer und reduziert Standzeiten sowie Leerfahrten und sorgt
für eine lückenlose Ablaufplanung. Auch diese Lösung wird durch neue Technologien
zur Überwachung der Trailer in Echtzeit ermöglicht. Dank der Geolokalisierung und des
5HLIHQGUXFNNRQWUROOV\VWHPVYHUIJHQ0LFKHOLQ¶s Kunden im richtigen Moment über die
richtigen Informationen, um schnell reagieren zu können. Diese Informationen erhöhen
die Sicherheit und reduzieren die Wartungskosten. Die kontinuierliche Überwachung der
Trailer und die Analyse von Daten, wie z. B. Position, Nutzung oder Zustand der Ver-
schleißteile sorgen für ein rentableres Transportmanagement.
Interessanterweise erfordern diese Lösungen ein Denken in komplexen Wertschöpfungs-
V\VWHPHQ()),)8(/ŒXQG()),75$,/(5ŒVLQG/ösungen, die eigentlich auch von
den Lkw- und Busherstellern oder Flottenmanagementspezialisten angeboten werden
können. Die strategischen Implikationen dieser Lösungen auf das Wertschöpfungssys-
tem müssen deswegen berücksichtigt werden.

3.4 Denken in komplexen Wertschöpfungssystemen


Die nächste Handlungsempfehlung bezieht sich auf das Denken in komplexen Wert-
schöpfungssystemen. Neue Technologien erfordern eine Ausweitung der Grenzen von
produzierenden Unternehmen (Porter/Heppelmann 2014). So erfordert John Deer¶Vneue
Lösung, MyJohnDeere Operations Center, eine schrittweise Ausweitung der Unterneh-
mensgrenze.
John Deer ist ein Hersteller von Traktoren und Maschinen für die Landwirtschaft. Das
Unternehmen investierte in neue Technologien wie den JDLink Access, wodurch Kun-
den immer wissen, wo die Maschinen gerade sind, was sie gerade tun und wie effizient
310 Heiko Gebauer, Simon Joncourt und Caroline Saul

sie funktionieren. Kunden können die Betriebsstunden überwachen, den Kraftstoffver-


brauch, Motorlast und Maschinenauslastung nachverfolgen und analysieren. Die
gewonnenen Daten bilden die Grundlage für die Optimierung der Gesamtleistung der
Maschinen. Damit beginnt John Deer, die Unternehmensgrenze durch den Aufbau neuer
Kompetenzen zu erweitern.
Die Erweiterung der Kompetenzen und der Unternehmensgrenze setzt sich durch das
Einbinden von Maschinen anderer Unternehmen fort. Kunden möchten Informationen
über Betriebsstunden, Kraftstoffverbrauch, Motorlast und Maschinenauslastung natürlich
nicht nur für die Maschinen von John Deer, sondern für alle Geräte und Maschinen, die
im landwirtschaftlichen Betrieb genutzt werden. JDLink Access vernetzt dann ebenfalls
Erntemaschinen, Pflanzmaschinen und Maschinen zur Bodenbearbeitung. Mit dieser
Vernetzung beginnt John Deer die notwendigen Reparaturen, Inspektionen und War-
tungsdienstleistungen zu erbringen.
Die Erweiterung der Unternehmensgrenze geht über die Integration von Maschinen und
Geräten hinaus. Landwirtschaftliche Betriebe möchten nicht nur Informationen über Be-
triebsstunden, Kraftstoffverbrauch, Motorlast und Maschinenauslastung erhalten. Um die
Effektivität und Effizienz zu erhöhen, benötigen landwirtschaftliche Betriebe ebenfalls
Wetterdaten, Informationen zum Saatgut, zur Bodenqualität oder zur Wasserversorgung.
John Deer bereitet diese Informationen in einem virtuellen Management System,
MyJohnDeere Operations Center (vgl. Abbildung 3), ebenfalls mit auf und gibt darauf
aufbauend umfassende Handlungsempfehlungen für den landwirtschaftlichen Betrieb.
Diese Handlungsempfehlungen optimieren die Routen von Maschinen auf dem Farmge-
lände oder das Aufbringen von Saatgut und Dünger unter Berücksichtigung der
Bodenqualität.
Damit Unternehmen bei der Integration der Maschinen und Geräte sowie den weiteren
Informationen erfolgreich sind, müssen Unternehmen in komplexen Wertschöpfungssys-
temen denken. In diesen Wertschöpfungssystemen kollaborieren Unternehmen mitein-
ander, um Kunden eine umfassende Lösung anzubieten.

Wetter-
daten

Ma
Maschinen Landwirtschaft- Saatgut-
& Geräte licher Betrieb daten

Boden-
daten

Abbildung 3: Wertschöpfungssystem des MyJohnDeere Operations Center


Transformation von Unternehmen ± Technologien und Geschäftsmodelle 311

Durch das Denken in komplexen Wertschöpfungssystemen können strategische Fehler


wie im Falle von Airbus vermieden werden. Im Jahre 2003 formulierte Airbus das Ziel
im Dienstleistungsbereich zu wachsen. $LUEXV¶=LHOZDUHV15 bis 20 Prozent des Um-
satzes mit Dienstleistungen zu erwirtschaften. Trotz guter Voraussetzungen (z. B. hohe
installierte Basis (7.400 Flugzeuge im Betrieb sowie wachsendes Flugzeuggeschäft von
305 auf 612 verkaufter Flugzeuge pro Jahr)). Im Jahre 2012 betrug der Umsatzanteil von
Dienstleistungen jedoch nur 4 Prozent. Folgende strategische Veränderungen im Wert-
schöpfungssystem limitierten $LUEXV¶ Wachstum im Dienstleistungsbereich:
„ Direkte Wettbewerber haben Vorteile im Dienstleistungsbereich. Boeing erzielt bei-
spielweise mit Dienstleistungen einen Umsatzanteil von 15 Prozent.
„ Zulieferer für die Flugzeugturbinen und Unterhaltungssysteme haben Airbus in der
Wertschöpfungskette übersprungen und den Dienstleistungsbereich sehr erfolgreich
ausgebaut. Im Bereich der Flugzeugturbinen erwirtschaftet General Electric bei-
spielsweise 50 Prozent des Umsatzes mit Dienstleistungen.
„ Fluglinien verspüren einen Margendruck im Fluggeschäft und haben aus diesem
Grund das Geschäft mit dem Flugzeugunterhalt ausgebaut. Lufthansa Technik ist
heute einer der größten Instandhaltungsspezialisten für Flugzeuge.
„ Eine zunehmende Anzahl von Flugzeugen gehört nicht mehr den Fluggesellschaf-
ten, sondern Leasingfirmen. Diese Leasingfirmen betreiben große Flugzeugflotten
und kaufen die Dienstleistungen nicht bei Airbus oder Boeing, sondern bei den Lie-
feranten oder Instandhaltungsspezialisten ein.
Aus diesen strategischen Fehleinschätzungen hat Airbus gelernt. Für neue Lösungen wie
die E-Solutions denkt Airbus vermehrt in komplexen Wertschöpfungssystemen und nutzt
gezielt Möglichkeiten zu Kollaborationen mit andern Unternehmen im Wertschöpfungs-
system. So kollaboriert Airbus mit IBM. Beide Unternehmen entwickeln die Lösung
Airbus Smarter Fleet. Diese Zusammenarbeit zielt auf die Integration und Weiterent-
wicklung des aktuellen Portfolios von E-Solutions in Richtung einer maßgeschneiderten
Flottendatenverwaltung für Instandhaltungs-, Ingenieur- und Flugbetrieb mit einer offe-
nen, modularen und flexiblen Plattform einschließlich einem Cloud-Modell ab. Gemein-
sam entwickeln Airbus und IBM eine Lösung für die intelligente (Neu-)Zuordnung der
Leitwerke in Echtzeit, zur Optimierung des Hauptüberprüfungsplans und der Flugzeug-
nutzung.
312 Heiko Gebauer, Simon Joncourt und Caroline Saul

Umsatz in Mrd. EUR Supply Chain


10.4% Umsatzwachstum p. a.
10.2% Mehr Flugzeuge p. a.
20% Mehr Serviceumsatz p. a. Instandhaltung
40
Inte-
Fluggesellschaft
30 griert
Leasing
20

10 Flugzeughersteller

0 Lieferanten
2003 2004 ... 2011 2012
Produktumsatz Serviceumsatz

‡ 7.400 Flugzeuge in Betrieb ‡ General Electric (50%)


‡ Serviceumsatz ungefähr 1,5 Mrd EUR (4% vom ‡ Lufthansa Technik (+5% p. a., 60% external)
Umsatz) ‡ Boeing (15%)
‡ Lieferungen gestiegen von 305 auf 612

Abbildung 4: $LUEXV¶ Ausbau des Dienstleistungsgeschäfts

3.5 Denken (außerhalb) der eigenen Organisation


Unternehmen haben in den letzten Jahren gelernt, dass nicht jede Idee für eine neue Lö-
sung innerhalb der eigenen Organisation erfolgreich kommerzialisiert werden kann.
Neue Technologien führen zu Lösungen, welche neue Kunden und Kundensegmente ad-
ressieren, neue Vertriebsstrukturen erfordern und neue Kompetenzen bedingen. Die
Wachstumspfade dieser neuen Lösungen lassen sich nicht innerhalb der eigenen Organi-
sation erfolgreich umsetzen.
Trumpf, ein Hersteller von Werkzeugmaschinen, machte diese Erfahrungen. Das Unter-
nehmen erkannte das Potenzial von Applikationen für den Industriebereich. Im
Gegensatz zum traditionellen Geschäft für Werkzeugmaschinen, ist es möglich mit die-
sen Applikationen sehr schnell zu wachsen. Ähnlich wie bei Apple oder Google erfordert
das Wachstum einen App-Store bzw. eine Plattform für die Vermarktung dieser Applika-
tionen. Diese Plattformen sollten offen sein. Applikationen werden oft von Dritten und
nur in wenigen Fällen von Apple oder Google selbst entwickelt.
Trumpf erkannte diese Möglichkeit und gründete Axoom. Axoom ist die durchgängige
Plattform für Industrie 4.0 in der Produktion innerhalb komplexer Wertschöpfungssys-
teme. Axoom Apps unterstützen industrielle Kunden bei ihren Aufgaben im Bereich der
Fertigung und Verwaltung. Die Apps stellen sicher, dass der Betrieb des Kunden rei-
bungslos und effizient läuft. Kunden erhalten über eine personalisierte MyAxoom
Webseite Zugriff auf die Apps und können sie über einen Web Browser auf den Endge-
räten wie PC, Tablet oder Smartphone nutzen.
Transformation von Unternehmen ± Technologien und Geschäftsmodelle 313

Die Apps werden auch von anderen Partnern wie die Linde Gruppe, Schmalz, Sick Sen-
sor Intelligence oder Carl Zeiss entwickelt. Die Partner profitieren anschließend davon,
dass diese Apps über die Axoom Plattform vermarktet werden. Die Preise für die Apps
sind sehr unterschiedlich ausgestaltet. Sie reichen von 1 EUR pro Monat für die Accura
Bulk Management App von Linde, welche den Bestand an Gasflaschen überwacht, bis
hin zu 320 EUR pro Monat für die 4tasks App von der Firma Skalero, welche die Quali-
tät vieler Arbeitsabläufe verbessert.

4. Zusammenfassung
Unternehmen stehen heute vor einer grundlegenden Transformation:
„ Unternehmen verändern aufgrund neuer Technologien wie Industrie 4.0, das Inter-
net der Dinge und der Digitalisierung wesentliche Elemente (z. B. Wertschöpfung,
Wertversprechen und die Ertragsmechanik) ihrer Geschäftsmodelle,
„ Unternehmen transformieren ihre Geschäftsmodelle von einer Produkt- zu einer
Dienstleistungsorientierung.
Damit diese Transformation erfolgreich ist, müssen Unternehmen nach den folgenden
Prinzipien handeln:
„ Unternehmen können diese Transformationen nur dann erfolgreich gestalten, wenn
sie vermehrt in Kundenprozessen, -aktivitäten und -bedürfnissen denken.
„ Damit sich die Investitionen in neue Technologien lohnen, müssen Unternehmen im
ersten Schritt diese Technologien zu Kostensenkungen nutzen.
„ Anstatt eine Vielzahl von Lösungen zu vermarkten, müssen sich Unternehmen auf
ausgewählte Lösungen konzentrieren.
„ Unternehmen müssen zunehmen in komplexen Wertschöpfungssystemen denken.
„ Anstatt die Lösungen und Technologien innerhalb des Unternehmens zu kommerzi-
alisieren, sollten sie ein neues Unternehmen gründen.
Unser Beitrag veranschaulicht diese Empfehlungen anhand von verschiedenen Beispie-
len. Diese Empfehlungen sind natürlich keine vollständige Liste. Sie zeigen jedoch
einige wesentlichen Punkte auf.
314 Heiko Gebauer, Simon Joncourt und Caroline Saul

Literaturverzeichnis
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Christian van Husen, Dieter Häberle, Saed Imran und Carsten Droll

Parameterbasierte Entwicklung von


Dienstleistungen in Produkt-Service-Systemen

1. Systematische Entwicklung von Dienstleistungen in


Produkt-Service-Systemen
1.1 Servicekomponenten in Produkt-Service-Systemen als
Entwicklungsobjekt
1.2 Spektrum und Typologie relevanter Dienstleistungen
1.3 Service Engineering von Produkt-Service-System-Komponenten
1.4 Bedarf für eine optimierte Entwicklung

2. Konzeption von Servicebestandteilen


2.1 Ansatz der parameterbasierten Konzeption
2.2 Modelle in der Servicekonzeption
2.3 Parameterstruktur
2.4 Servicekonzeption mit Hilfe von Parametern

3. Service Experience in Produkt-Service-Systemen


3.1 Bedeutung von Service Experience bei technischen Dienstleistungen
3.2 Experience-orientierte Gestaltung von Dienstleistungen
3.3 Experience in der parameterbasierten Entwicklung

4. Diskussion

Literaturverzeichnis

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017


M. Bruhn und K. Hadwich (Hrsg.), Dienstleistungen 4.0,
DOI 10.1007/978-3-658-17552-8_13
___________________________
Prof. Dr. Christian van Husen ist Studiendekan für Service Management an der Fakultät
Wirtschaftsingenieurwesen der Hochschule Furtwangen und Leiter des Steinbeis
Transferzentrums service engineering + design. Dieter Häberle, Dr. Saed Imran und
Carsten Droll sind akademische Mitarbeiter im Bereich Service Management und
Innovation an der Hochschule Furtwangen.
1. Systematische Entwicklung von Dienstleistungen in
Produkt-Service-Systemen

1.1 Servicekomponenten in Produkt-Service-Systemen als


Entwicklungsobjekt
Im Zuge aktueller Trends wie Industrie 4.0, Internet of Things, oder Digitalisierung ent-
stehen zunehmend intelligente Dienstleistungen, die gleichermaßen neue Chancen eröff-
nen wie auch Herausforderungen mit sich bringen. Als Chancen werden völlig neue Leis-
tungen und neue Geschäftsmodelle gesehen, während die Entwicklung und Gestaltung
solch innovativer Leistungen zu Herausforderungen führt. Dank intelligenter Vernetzung
ermöglicht Industrie 4.0 völlig neue Geschäftsmodelle (Bauer et al. 2014) bzw. werden
die bisherigen Produkte und Geschäftsmodelle stark verändert oder sogar abgelöst (Lucke
et al. 2014). Diese neuen Geschäftsmodelle werden stärker auf individuelle Kundenbe-
dürfnisse zugeschnitten sein und in Bezug auf Netzwerke, Preisfindung, Service Level
Agreements oder die Verteilung der Potenziale auf die Stakeholder der Wertschöpfungs-
kette sehr viel dynamischer sein (Kagermann et al. 2013). Es entstehen betriebswirtschaft-
liche Ökosysteme mit völlig neuen Ertragsmodellen (Gebauer et al. 2012). Produzierende
Unternehmen erreichen Geschäftsinnovationen, indem sie neue Serviceelemente konzi-
pieren und ausgehend von ihren Sachprodukten neue Leistungen anbieten (Kim 2016).
Häufig sind derartige Leistungen in Produkt-Service-Systemen (PSS) mit einer Kombina-
tion von Sachgut (-nutzung), informationstechnischen Komponenten und Servicebestand-
teilen zu finden. Produkt-Service-Systeme sind definiert als vermarktbare Kombinationen
aus Sachgütern und Dienstleistungen, die gemeinsam geeignet sind, ein Kundenbedürfnis
zu erfüllen (Goedkoop et al. 1999). Sie bestehen aus einem materiellen Sachprodukt, wel-
ches über die Phasen seiner Nutzung zielgerichtet durch Serviceprodukte ergänzt wird.
Die Gestaltung und Realisierung von PSS finden im erweiterten Wertschöpfungsnetzwerk
des PSS-Anbieters statt (Schweitzer 2010). Dabei können produkt-, nutzen- und ergebnis-
orientierte PSS unterschieden werden (Baines et al. 2007). Entscheidend für den Erfolg ist
die Kombination spezifischer PSS mit der richtigen Servicestrategie und der Serviceent-
wicklung (Fischer et al. 2009). Unternehmen müssen sich in diesem Zusammenhang auf
das gesamte Innovationssystem fokussieren (Leimeister et al. 2008). Aufgrund der Ver-
bindung verschiedener Komponenten in den PSS, der intensiveren Vernetzung innerhalb
der Wertschöpfung und mit den steigenden Möglichkeiten auf Basis der Informationstech-
nologie (IT) werden die angebotenen Leistungen wesentlich komplexer.
Der Bedarf an einer systematischen Dienstleistungsentwicklung steigt, weil diese neuen
Leistungen zwangsläufig neu entwickelt werden müssen und weil ihre Komplexität eine
präzise Definition in aller Regel erforderlich macht. Nur exakt spezifizierte Leistungen
318 Christian van Husen, Dieter Häberle, Saed Imran und Carsten Droll

und Prozesse können digitalisiert werden ± diese Spezifikation sollte aus einer kundenori-
entierten Perspektive auf die Gesamtleistung erfolgen und nicht der softwaretechnischen
Umsetzung überlassen bleiben. Die Entwicklung solcher PSS erfordert zum einen eine
Planung des Gesamtsystems und zum anderen die operative Entwicklung der einzelnen
Bestandteile. Während die systematische Sachgut- und Softwareentwicklung weit fortge-
schritten und in den Unternehmen etabliert sind, stellen die zunehmenden Anforderungen
an die Entwicklung von Servicekomponenten viele Unternehmen noch vor Herausforde-
rungen.
Für die immateriellen Bestandteile der Leistungen gelten die gleichen Besonderheiten wie
für Dienstleistungen an sich; hinzu kommen die Schnittstellen mit den weiteren Bestand-
teilen, die je nach Konstellation entweder als Prämisse oder Anforderung in die Entwick-
lung der Servicekomponenten eingehen oder als Ressourcenanforderungen aus der Ser-
viceentwicklung an die Sachgut- bzw. Softwareentwicklung übergehen.
Die Entwicklung der Dienstleistungskomponenten ist daher nach den Grundsätzen des
Service Engineering möglich. Demnach werden Dienstleistungen in drei Dimensionen
entwickelt (Produkt-, Prozess-, Ressourcenmodell) und müssen den Kunden als externen
Faktor berücksichtigen (Meiren/Barth 2002). Mit der möglichst systematischen und ge-
stützten Konzeption und Definition dieser Leistungen beschäftigt sich das vom BMBF
JHI|UGHUWH)RUVFKXQJVSURMHNWÄ3DUDPHWHUEDVLHUWHV6HUYLFH'HVLJQEHLGHU,QQRYDWLRQYRQ
Produkt-Service-6\VWHPHQ³ )|UGHUNHQQ]HLFKHQ03FH047PX4), auf dessen Inhalten die-
ser Beitrag im Wesentlichen basiert.

1.2 Spektrum und Typologie relevanter Dienstleistungen


Der Fokus des Beitrags liegt auf der Entwicklung von Servicekomponenten in industriellen
PSS. Über die grundlegende Definition von PSS hinaus sind dabei der investive Charakter,
der höhere Wert und die relativ höhere Bedeutung der Sachgutkomponente sowie die
B2B-Beziehung zwischen Anbieter und Kunden zu betonen (Aurich et al. 2006). Sie sind
typischerweise durch folgende Charakteristika gekennzeichnet (Meier et al. 2010):
„ Integriertes Angebot, das Mehrwert in industriellen Anwendungen liefert.
„ Neues Produktverständnis bestehend aus integrierten Produkt- und Serviceanteilen.
„ Umfasst die integrierte und gemeinsam bestimmte Planung, Entwicklung, Erbringung
und Nutzung.
„ Dynamische Berücksichtigung veränderter Kundenanforderungen und Anbieter-Fä-
higkeiten.
„ Teilweise Substitution von Produkt- und Serviceanteilen über den Lebenszyklus ist
möglich.
„ Integriertes Verständnis führt zu neuen, kundenorientierten Lösungen.
„ Ermöglichen innovative funktions-, verfügbarkeits- oder ergebnisorientierte Ge-
schäftsmodelle.
Parameterbasierte Entwicklung von Dienstleistungen in Produkt-Service-Systemen 319

Die traditionelle materialintensive Art der Nutzung von Produkten weicht zunehmend der
Möglichkeit, die Kundenbedürfnisse durch dematerialisierte Dienstleistungen zu erfüllen
(Mont 2002). Darüber hinaus richten sich industrielle PSS an Unternehmens-Kunden, d.
h. sie dienen dem Einsatz zu wirtschaftlichen Zwecken und haben somit eine funktionale
Komponente, die einen entscheidenden Kern darstellt und im Verhältnis mit dem Wert-
schöpfungsbeitrag und Preis die Kaufentscheidung prägt. Darüber hinaus ist bei solchen
B2B-Leistungen zu berücksichtigen, dass sie sich nicht an einen Kunden als Person rich-
ten, sondern Interessen diverser Stakeholder wie z. B. Anwender, Entscheider, Einkäufer,
Controller, Qualitätsmanager, IT-Verantwortlicher betrachtet werden müssen.

Services der Lieferung von Services zur Erzielung von


Sachgütern und Sicherstellung der Produktivitätszuwächsen in den
Funktion über die gesamte Anlagewerten der Kunden
Lebensdauer (Produkte und Systeme)

Tätigkeitsorientiert Ergebnisorientiert
(Input-basiert) Asset (Output-basiert)
Product Life-
Efficiency
Cycle Services
Services
Services mit Bezug zu (PLS)
Cross
(AES)
Sachgütern Sectional
Training
Consulting
Services mit Bezug zu Information
Kundenprozessen Process Takeover Process Assistance
Services Services
(PTS) (PAS)
Services, die Kunden bei der
Services der Übernahme von Optimierung ihrer
Kundenprozessen Geschäftsprozesse unterstützen

Ergebnisorientiert Tätigkeitsorientiert
(Output-basiert) (Input-basiert)

Abbildung 1: Typologie industrieller Dienstleistungen in hybriden Angeboten


(Quelle: in Anlehnung an Ulaga/Reinartz 2011, S. 17)

Aufgrund der großen Bandbreite der PSS sollen verschiedene Typen differenziert werden,
um zu gewährleisten, dass die Anwendbarkeit auch für unterschiedliche Fälle überprüft
werden kann. Zur Differenzierung soll eine Typologie zugrunde gelegt werden. Zwar exis-
tieren auch umfangreiche Kataloge industrieller Leistungen, allerdings kann bei einem
aufzählenden Katalog niemals die vollständige Abdeckung aller möglichen und zukünftig
denkbaren Fälle gewährleistet werden. Daher wurde die Typologie nach Ulaga und Rein-
artz (2011) als Basis gewählt, da sie explizit hybride Angebote fokussiert und auf einer
empirischen Basis mit Bezug zu europäischen Unternehmen entwickelt wurde. Zudem er-
scheint die Differenzierung nach den Kriterien Produkt- vs. Prozessorientierung und Tä-
tigkeits- vs. Ergebnisorientierung für die Strukturierung der verschiedenen Servicekom-
ponenten aus einer Entwicklungsperspektive sehr geeignet. Zur besseren Abgrenzung von
320 Christian van Husen, Dieter Häberle, Saed Imran und Carsten Droll

dem bestehenden Akronym PSS wurden die Kategorien teilweise umbenannt sowie als
Querschnittstypen Training, Consulting und Information ergänzt. Leistungen dieser Quer-
schnittstypen können sich abhängig von deren Inhalt in allen vier originären Kategorien
finden. Da eine Differenzierung im Hinblick auf die Entwicklung für diese Fälle nicht
notwendig erscheint, wurden diese als Querschnittstypen definiert (vgl. Abbildung 1). Die
Typologie wurde im Hinblick auf das fokussierte Leistungsspektrum um Unterkategorien
und konkrete Leistungen auf zwei Ebenen ergänzt (Häberle et al. 2016). Basis für diese
Ergänzungen bildeten Servicekataloge mehrerer großer Unternehmen sowie eines Ser-
viceverbands. Die Struktur dieser Klassifikation wurde anhand der Leistungsstruktur eines
weiteren großen Unternehmens mit Experten evaluiert. Abbildung 2 zeigt die Struktur bis
zur vierten Ebene sowie exemplarisch einen Ausschnitt aus der fünften Ebene.

Level 1 IPSS

Services mit Bezug zu Services mit Bezug zu Sonstige


Level 2 Sachgütern Kundenprozessen Komponenten

Level 3 Product Asset Process Process


Life-Cycle Efficiency Assistance Takeover
Services Services Services Services

Level 4  Sales  Update  Know-How  Primary Activities


 Engineering  Upgrade  Technology  Support Activities
 Supply Chain  Expertise
Management
 Risk
 Installation/ Management
Commissioning
 Operation/
Maintenance
 End of Life
Serviceleistungen: Vorbereitung Standort
(Ausschnitt) Montage
Level 5 Test
Bedienerschulung

Abbildung 2: Klassifikationsschema industrieller Dienstleistungen in hybriden


Angeboten
(Quelle: in Anlehnung an Häberle et al. 2016, S. 354)
Parameterbasierte Entwicklung von Dienstleistungen in Produkt-Service-Systemen 321

1.3 Service Engineering von Produkt-Service-System-


Komponenten
Grundsätzlich können Servicekomponenten innerhalb von PSS ebenso wie reine Dienst-
leistungen nach den Erkenntnissen des Service Engineering entwickelt werden. Da bei der
Entwicklung von PSS das Produktdenken einem Systemdenken weichen muss (Manzini
et al. 2001), ist bei der Entwicklung der Servicekomponenten ebenfalls das Gesamtsystem
in die Analyse und Betrachtung einzubeziehen. Insofern sind die Schnittstellen zum Ge-
samtsystem von inhaltlicher Bedeutung, erfordern jedoch kein grundsätzlich anderes Vor-
gehen oder Instrumentarium.
In den letzten Jahren sind diverse Arbeiten zur Entwicklung von PSS bzw. Servicekom-
ponenten als Bestandteil von PSS entstanden (Leimeister et al. 2008; Schweitzer 2010;
Weissenberger-Eibl et al. 2010; Stark/Müller 2012).
Auch wenn in der Literatur verschiedene Vorgehensmodelle im Service Engineering exis-
tieren (Schneider et al. 2003) und je nach Unternehmen individualisierte Prozesse ange-
wendet werden, können bei der Entwicklung grob folgende grundlegende Phasen unter-
schieden werden:
(1) Ideenfindung und -bewertung,
(2) Anforderungsanalyse,
(3) Konzeption und
(4) Implementierung.
Der vorliegende Beitrag konzentriert sich dabei auf die Konzeptionsphase. Als Bestand-
teile des hier zu entwickelnden Servicekonzepts werden das Produkt-, Prozess- und Res-
sourcenmodell definiert (Bullinger/Meiren 2001). Hier werden Leistungsergebnis,
-prozess und -potenzial ausgehend vom Ergebnis spezifiziert. Dabei sind auch inhaltliche
Abhängigkeiten zu berücksichtigen. Die Konzeption stützt sich auf eine geprüfte Liste
präziser Anforderungen als Ergebnis aus der Anforderungsanalyse (Husen 2007). Wäh-
rend bei PSS in den vorgelagerten Phasen insbesondere die Rahmenbedingungen durch
das Sachgut und seine Verwendung Einfluss finden, sind in der Konzeptionsphase die
Schnittstellen zwischen den verschiedenen Leistungsbestandteilen von Bedeutung. Im
Produktmodell finden das Ergebnis des PSS-Leistungsbündels, das Geschäftsmodell wie
auch die Aufgaben der beteiligten Organisationen Berücksichtigung (Husen 2016). Da
insbesondere intelligente Dienstleistungen von Kunden automatisiert abgerufen oder ge-
nutzt werden können, ist dies in der Regel mit einer Externalisierung von Tätigkeiten auf
den Kunden verbunden. Dadurch werden die Leistungen flexibler und sind für Kunden
jederzeit und sofort zugänglich. Zusätzlich werden in der Regel die Kosten reduziert. Eine
intensivere Einbindung der Kunden in den Prozess mit einer veränderten Rolle führt aller-
dings dazu, dass in der Prozessgestaltung der Rolle des Kunden als Co-Produzent beson-
dere Beachtung geschenkt werden muss. Bei nutzenorientierten Geschäftsmodellen wird
das Sachgut automatisch zu einem Bestandteil im Ressourcenmodell der Dienstleistung.
322 Christian van Husen, Dieter Häberle, Saed Imran und Carsten Droll

Dies bedeutet nicht unbedingt eine Veränderung der einzelnen Entwicklungsaufgaben,


aber eine Schnittstelle innerhalb der Gesamtleistung, die zu berücksichtigen ist.

1.4 Bedarf für eine optimierte Entwicklung


Für internationale Experten aus der Wissenschaft stellt eine Weiterentwicklung des F&E-
Managements für Dienstleistungen ein Topthema dar (Spath et al. 2011). Sie stimmen
darin überein, dass die Entwicklung domänenspezifischer Modelle ein großes Potenzial
aufweist und ein vielversprechendes Betätigungsfeld für die Zukunft darstellt (Decker et
al. 2011). Auch im Service Engineering stoßen die bisher entwickelten Ansätze nach wie
vor an ihre Grenzen und sind weiterzuentwickeln (Meyer/Böttcher 2012), Vorgehensmo-
delle für die Dienstleistungsentwicklung sind mit Leben zu füllen und mit Methoden zu
hinterlegen (Meiren 2011).
Mit den vorliegenden Arbeiten sollen Grundmuster, Gestaltungsparameter und mögliche
Ausprägungen technischer Servicekomponenten identifiziert werden, damit für Unterneh-
men ein Grundgerüst für die Serviceentwicklung zur Verfügung gestellt werden kann, das
eine gestützte, leichte und schnelle Auswahl von Alternativen ermöglicht und dann indi-
vidualisiert werden kann. Die Entwicklungsaufgaben werden damit deutlich operationali-
siert und die Kreativität auf die tatsächlich differenzierenden Merkmale fokussiert. Ein
wesentliches Ziel ist die Reduzierung der Komplexität in der Entwicklungsaufgabe. Eine
geeignete Methodik soll darüber hinaus die spätere Kundenerfahrung der Leistung (Ser-
vice Experience) gezielt berücksichtigen. Dies geschieht, indem nicht nur bei der Konzep-
tion des Service die Gestaltungsparameter in eine passende Spezifikation überführt wer-
den, sondern bereits bei dieser Planung auch berücksichtigt wird, wie die Qualität der
späteren Erbringung gesichert werden kann. Das heißt es sollen geeignete Qualitätsma-
nagementmethoden und die Messung von Key Performance Indicators (KPIs) schon im
Konzept berücksichtigt werden, damit Defizite zwischen Spezifikation und Umsetzung
weitgehend vermieden werden.
Für eine Modellierung mit Hilfe von Gestaltungsparametern kann auf eine Reihe von Er-
kenntnissen zurückgegriffen werden, die allerdings sehr breit über verschiedenste Fach-
disziplinen gestreut sind. Aus unterschiedlichen Perspektiven und in jeweils verschiede-
nen Ausschnitten finden sich relevante Aspekte im Fachgebiet Service Engineering, in
Arbeiten zum Thema Service Experience, im Bereich des Service Marketing sowie in den
Bereichen Service Operations, Service-Qualitätsmanagement und Kundenzufriedenheit.
Parameterbasierte Entwicklung von Dienstleistungen in Produkt-Service-Systemen 323

2. Konzeption von Servicebestandteilen

2.1 Ansatz der parameterbasierten Konzeption


Der Ansatz der parameterbasierten Konzeption folgt grundsätzlich dem beschriebenen
Vorgehen des Service Engineering. Bei der Umsetzung von Anforderungen in ein konkre-
tes Servicekonzept stellt dieser Ansatz ein Parametergerüst bereit, mit dem das Konzept
spezifiziert werden kann. Vor allem für weniger erfahrene Entwickler hat dies den Vorteil,
dass eine Systematik vorgegeben wird, die zum einen die Gefahr des Außerachtlassens
wichtiger Aspekte mindert und zum anderen die Spezifikation vieler Kriterien deutlich
vereinfacht, indem für Parameter mögliche Ausprägungen bereitgestellt werden. Für viele
Parameter existiert in der Praxis eine überschaubare Menge an Ausprägungen, die nach
Art eines morphologischen Kastens gewählt werden können (vgl. Abbildung 3). Dadurch
wird der Aufwand, jedes Konzept aus dem Nichts heraus zu beginnen und mögliche Lö-
sungen zu analysieren, deutlich reduziert. Ähnlich der Sachgutentwicklung, bei der für
Konzepte möglich Antriebsformen oder Formen der Kraftübertragung unter bekannten
Konstruktionsprinzipien gewählt werden können, soll auch bei der Dienstleistungsent-
wicklung die Spezifikation vereinfacht werden.

Parameter Ausprägungen

Automatisch Persönlich
Automatisierung
erzeugt erzeugt
Informations-
Übermittlung Persönlich Brief Telefon E-Mail SMS
portal
Aktive
Ja Nein
Benachrichtigung
Zeitkritisch Ja Nein

Antwort erforderlich Ja Nein

Abbildung 3: Morphologischer Kasten am Beispiel der Kundeninformation

Das entwickelte Parametergerüst baut inhaltlich auf dem Anforderungskatalog für pro-
duktbegleitende Dienstleistungen (Husen 2007) auf und wurde durch Kriterien aus Nor-
men zur Spezifikation (IEEE 1233, 1998) sowie in mehreren Runden mit Praktikern ab-
geglichen und ergänzt. Je nach Parameter sind unterschiedliche Arten von Ausprägungen
möglich:
„ Ja/Nein (Ausprägung trifft zu oder nicht),
„ Geschlossene Liste (Auswahl aus einer definierten Zahl an Ausprägungen),
„ Offene Liste (Auswahl aus vorgegebenen Ausprägungen, die jedoch ergänzbar sind),
„ Offen (keine vorgegebenen Ausprägungen; Parameter muss z. B. als freier Text oder
sonstiger Inhalt definiert werden),
324 Christian van Husen, Dieter Häberle, Saed Imran und Carsten Droll

„ Zahlenwerte (Wert wird in einer vorgegebenen oder wählbaren Dimension festge-


legt),
„ Sonstige (z. B. Bild).

2.2 Modelle in der Servicekonzeption


Im Produktmodell wird das Leistungsergebnis einer Dienstleistung spezifiziert. Es legt
wesentliche Inhalte, ergänzende Komponenten, Varianten, Service Levels und gegebenen-
falls Module eines Service fest. Entscheidend sind auch Merkmale für die Vermarktung
der Leistung, d. h. Name und Beschreibung der Leistung, Kundennutzen, aber auch die
Merkmale der Zielgruppe, die Einbindung der Kunden, Voraussetzungen ± beispielsweise
an den Maschinen des Kunden ± und der Bezug zu grundsätzlichen Rahmenbedingungen,
z. B. die Einhaltung industriespezifischer Normen (Häberle et al. 2016).
Das Prozessmodell wird typischerweise durch eine geeignete Modellierungssprache gra-
fisch abgebildet. Die Parameter bilden hier eine gute Basis, um die Modellierung anhand
der Vorgaben vorzunehmen und die Ziele kompakt darzustellen, sodass diese bei der Mo-
dellierung berücksichtigt werden können. So können bereits wichtige Prozessschritte und
Schnittstellen vorgegeben werden und der Rahmen für Zeitfaktoren wie Transaktions-,
Transfer-, Abwicklungs- und Wartezeit festgelegt werden (Häberle et al. 2016).
Im Ressourcenmodell werden die Parameter für alle erforderlichen Ressourcen definiert.
Als Gestaltungskategorien wurden dafür identifiziert (Häberle et al. 2016):
„ Interne Humanressourcen (z. B. Kapazitäten, Kompetenzen),
„ Externe Humanressourcen,
„ Facilities,
„ Betriebsmittel und Material,
„ Infrastruktur (z. B. Elektrik, Druckluft),
„ Informationen,
„ Kapital,
„ Formalanforderungen (z. B. Lizenzen, Zertifizierung),
„ Vorgaben für die Entwicklung des Primärprodukts,
„ Ressourcenqualität (Vorgabe von Kennzahlen).

2.3 Parameterstruktur
Grundsätzlich ist jeder Parameter einer der drei Entwicklungsdimensionen Produkt, Pro-
zess und Ressourcen zugeordnet. Um eine übersichtliche Systematik zu erreichen, wurden
die Parameter in Gestaltungskategorien geordnet, die teilweise mit Subkategorien auf
mehreren Ebenen hierarchisch gegliedert wurden. Abbildung 4 zeigt einen Überblick über
die Struktur der Parameter.
Parameterbasierte Entwicklung von Dienstleistungen in Produkt-Service-Systemen 325

Gestaltungsdimensionen

Produktmodell Prozessmodell Ressourcenmodell

Gestaltungskategorien

Name Adaptierung Prozessgestaltung Humanress. intern


Kurzbeschreibung Lagerhaltung Schnittstellen Humanress. extern
Langbeschreibung Transport Zeitl. Gestaltung Facilities
Konformität Kundenmitwirkung Zuverlässigkeit Betr.mittel/Mat.
Kundennutzen Voraussetzg. v. Ort Organisation Infrastruktur
DL-Paket Durchführg. v. Ort Prozess-Qualität Informationen
Kernleistung Anwendung Kapital
Zusatzleistungen Lokalität Formalanforderg.
Zielgruppe Sprache Engin. Sachprod.
Varianten Information Ress.-Qualität
Service Level Interaktion Sachl.
Hardware Interaktion DL
Software Produkt-Qualität

Gestaltungsparameter
Verwend.zweck Gelände/Gebäude
Org. einheit Einrichtung
Standorte/Netz Beschilderung

Abbildung 4: Struktur der Service Design-Parameter

Zusätzlich zu den möglichen Ausprägungen verfügt jeder Parameter auch über Metadaten.
In diesen Metadaten sind für den Entwicklungsprozess beispielsweise der Bezug zu Ge-
staltungsdimension und -kategorie, möglichen Servicetypen, Prozess- oder Ressourcenre-
levanz oder die Verknüpfung zu Kundenanforderungen hinterlegt.

2.4 Servicekonzeption mit Hilfe von Parametern


Wie in Abschnitt 2.1 beschrieben, dient der Ansatz des parameterbasierten Service-De-
signs einem systematischeren und einfacheren Vorgehen in der Konzeptionsphase. Der
erforderliche Input sind somit die Anforderungen aller Stakeholder, die in Designanforde-
rungen transformiert, spezifiziert, überprüft und in einer Liste zusammengestellt sein soll-
ten (Husen 2007).
Aus den Produktanforderungen werden die Parameter des Produktmodells bestimmt.
Durch die vorgegebene Hierarchie, die top-down durchlaufen wird, ist eine relativ einfa-
che Selektion möglich. Wenn auf einer übergeordneten Ebene Gestaltungskategorien als
nicht relevant identifiziert werden, entfallen alle darunter angeordneten Subkategorien und
326 Christian van Husen, Dieter Häberle, Saed Imran und Carsten Droll

Parameter. Über hinterlegte Verbindungen in den Metadaten können Auswirkungen auf


die Prozess- und Ressourcengestaltung berücksichtigt werden (vgl. Abbildung 5). Wird
beispielsweise bei der Entwicklung einer Trainingsdienstleistung bei den Produktparame-
tern definiert, dass die Dokumentation Bestandteil der Leistung ist, kann daraus automa-
tisch abgeleitet werden, dass ein Prozessmodul zur Erstellung der Dokumentation sowie
entsprechendes Material oder eine digitale Lösung bei den Ressourcen erforderlich ist.

Rohanforderungen Designanforderungen Parameter

Produkt- Produkt-
anforderungen parameter

Gesammelte und
strukturierte
Prozess- Prozess-
Anforderungen
anforderungen parameter
der Stakeholder
«Q

Ressourcen- Ressourcen-
anforderungen parameter

Abbildung 5: Ableitung von Prozess- und Ressourcenparametern

Die Spezifikation der Prozessparameter erfolgt im nächsten Schritt auf Basis der Pro-
zessanforderungen sowie der Vorgaben, die sich aus den Produktparametern ableiten. Die
kompletten Prozessparameter bilden wiederum die Grundlage für die Modellierung des
Prozesses, die mit Methoden wie Service Blueprinting (Shostack 1984) oder klassischen
Techniken wie ereignisgesteuerten Prozessketten (Scheer et al. 2003) vorgenommen wer-
den kann.
Schließlich werden die Ressourcenparameter anhand der Ressourcenanforderungen sowie
der Abhängigkeiten von Produkt- und Prozessparametern spezifiziert. Über sämtliche Pa-
rameter und den modellierten Prozess ist somit die Dienstleistung konzipiert und kann
implementiert werden. Die Auswahl und Anwendung der Parameter wurde anhand eines
realen Beispiels evaluiert.
Parameterbasierte Entwicklung von Dienstleistungen in Produkt-Service-Systemen 327

3. Service Experience in Produkt-Service-Systemen

3.1 Bedeutung von Service Experience bei technischen


Dienstleistungen
In der Literatur wird das Thema Service Experience bzw. Customer Experience bereits
seit einigen Jahren intensiv behandelt (Bruhn/Hadwich 2012). Da der Erlebnisfaktor bei
Consumer Services und Marken eine deutlich größere Rolle spielt, fokussieren sich For-
schungsarbeiten und Literatur häufig auf diese Leistungen. Eine Reihe von Ansätzen be-
schäftigt sich mit der Messung des Customer Experience Value, meist unter Marketing-
Gesichtspunkten und als Basis zur operativen Steuerung der Dienstleistungsqualität. Die
Möglichkeiten für ein gezieltes Management und zur Steuerung nach einer solchen Mes-
sung sind jedoch ausschließlich reaktiv.
Customer Experience wird in DIN SPEC 77224 (2011) beschrieben als empfundene Re-
aktion eines Kunden während oder nach einem Kontakt mit dem Unternehmen bzw. Res-
sourcen des Unternehmens, die kognitiver, affektiver, emotionaler, sozialer und/oder phy-
sischer Art sein kann. Gentile et al. (2007) beschreiben Customer Experience als Resultat
aus einer Reihe von Interaktionen eines Kunden mit einem Produkt, einem Unternehmen
oder einem Teil eines Unternehmens, welche eine Reaktion hervorrufen. Dieses Kun-
denerlebnis ist ein absolut persönliches und impliziert die Einbeziehung des Kunden auf
verschiedenen Ebenen. Die Bewertung hängt von dem Vergleich der Erwartungen und der
Reize ab, die aus den Interaktionen mit dem Unternehmen und dessen Angeboten im Zu-
sammenhang mit den verschiedenen Kontaktmomenten oder Kundenkontaktpunkten re-
sultieren (Gentile et al. 2007).
Bei technischen Industriedienstleistungen, die hier im Fokus stehen, werden in der Praxis
im Wesentlichen funktionale Faktoren betrachtet. Es steht vor allem eine rationale Bewer-
tung der Leistungsinhalte, von Kosten und Nutzen im Vordergrund. Nicht-funktionale o-
der gar emotionale Faktoren werden im industriellen Umfeld tendenziell als weniger be-
deutend erachtet. Beispiele zeigen jedoch, dass diese keineswegs zu vernachlässigen sind.
Unabhängig von konkreten Lösungen und Fakten zeigt die oft anzutreffende Zurückhal-
tung von Kunden bei Remote Services, dass die subjektiv empfundene Unsicherheit be-
züglich der Datensicherheit auch ein emotionaler Faktor von hoher Bedeutung ist. Ein
weiteres Beispiel sind immer häufiger angebotene Portallösungen im Internet, über die
Kunden die eingesetzten Produkte verfolgen und gegebenenfalls bestimmte Funktionen
nutzen können. Diese Leistung ist eher schwer vermittelbar, wenn Kunden Geräte diverser
Anbieter nutzen und sich im Endeffekt mit einer ganzen Reihe unterschiedlicher Portale
vertraut machen müssen, um dort Daten abzurufen und zu pflegen. Hier scheitert das An-
gebot nicht an einer schlechten Lösung an sich, sondern an dem für Kunden in Summe zu
hohen Aufwand.
328 Christian van Husen, Dieter Häberle, Saed Imran und Carsten Droll

Die Beispiele verdeutlichen, dass Experience auch für investive, technische Dienstleistun-
gen von Bedeutung ist. Ein Konzept, das sich auch auf diese Leistungen gut anwenden
lässt, wurde von Berry et al. (2002) vorgestellt. Demnach setzt sich der Customer Experi-
ence Value, je nach Ausprägung mit positivem oder negativem Vorzeichen, zusammen
aus
„ Funktionaler Experience,
„ Emotionaler Experience,
„ Nicht-finanziellem Aufwand,
„ Finanziellem Aufwand.
Eine gezielte Betrachtung und Berücksichtigung dieser Faktoren bereits während der Kon-
zeption ist somit sinnvoll, um alle Aspekte abzudecken, die später erfolgskritisch für die
angebotene Dienstleistung sein können.

3.2 Experience-orientierte Gestaltung von Dienstleistungen


Service Experience kann nicht direkt gestaltet werden, weil sie in der Sphäre des Kunden
und nicht des Anbieters liegt (Forlizzi/Ford 2000). Allerdings werden Dienstleistungen
und ihre Merkmale entwickelt und deren Design wirkt sich auf die ex post messbare Ex-
perience beim Kunden aus. Die Herausforderung ist somit, die Dienstleistungen von vorn-
herein so zu entwickeln, dass eine möglichst gute Experience erreicht wird.
Zu diesem Zweck muss identifiziert werden, welche Gestaltungsfaktoren (d. h. Parameter)
Einfluss auf die Experience des Kunden haben. Die identifizierten Parameter müssen dann
so definiert werden, dass eine möglichst positive Experience erreicht werden kann.
Von Verhoef et al. (2009) wurde ein Konzept für Gestaltung von Customer Experience
entwickelt. Dieses ist jedoch auf den Handel ausgerichtet und somit für die im Fokus ste-
henden Leistungen weniger geeignet. Ansonsten fehlte in der Vergangenheit eine syste-
matische Verbindung von Customer Experience und Service Design vollständig. Als eine
Lösung für dieses Problem wurde der Ansatz des Customer Experience Modeling vorge-
stellt (Texeira et al. 2012). Basierend auf Experience-Anforderungen der Kunden (Patricio
et al. 2009) und einem Multilevel-Service-Design (Patricio et al. 2011) sollen Kundener-
lebnisse modelliert werden. Von einer solchen Grundidee geht auch das aktuelle Vorhaben
aus, wobei Service Experience darüber hinaus mit den Gestaltungsparametern verknüpft
werden soll.

3.3 Experience in der parameterbasierten Entwicklung


Um Service Experience gezielt und systematisch in einer parameterbasierten Entwicklung
von Dienstleistungen zu berücksichtigen, wird zunächst die Verbindung zwischen Ser-
vice-Parametern und Experience-Faktoren betrachtet. Die Experience-Faktoren wurden
Parameterbasierte Entwicklung von Dienstleistungen in Produkt-Service-Systemen 329

ausgehend von den Qualitätsdimensionen des Konzepts SERVQUAL (Parasuraman et al.


1988) nach Literaturanalyse um weitere Kriterien der Kundenzufriedenheit sowie speziell
für Produkt-Service-Systeme ergänzt (Droll et al. 2016).
Im Service Engineering-Prozess gelangt der Entwickler von der Ideenphase über die An-
forderungsanalyse zur Konzeptionsphase. Wie in den Abschnitten 2.2 und 2.3 beschrie-
ben, werden anhand des Parametergerüsts für die drei Entwicklungsdimensionen Produkt,
Prozess und Ressourcen wesentliche Kriterien der Dienstleistung spezifiziert. Dabei wird
für die individuelle Dienstleistung entschieden, ob der jeweilige Parameter als relevant im
Hinblick auf die Experience eingestuft wird. Je nach Parameter kann ausschließlich der
interne Bereich betroffen sein, ausschließlich eine Aktivität, wahrnehmbare materielle o-
der immaterielle Veränderung auf Kundenseite oder aber die Schnittstelle, die beide Seiten
betrifft. Deshalb wird eine Einschätzung an dieser Stelle erforderlich. Wenn eine Relevanz
unterstellt wird, wird festgelegt, welche Experience-Faktoren im Wesentlichen tangiert
werden.
Somit erhält der Entwickler einen Überblick, welche Experience-Faktoren durch welche
Parameter vermutlich beeinflusst werden und wie intensiv das Dienstleistungsdesign Bei-
träge zu den entsprechenden Experience-Faktoren leistet. So ist zwar keine exakte Mes-
sung und Evaluierung möglich, aber schon während der Entwicklung zumindest eine
grundlegende Abschätzung, wie und in welchen Bereichen die spätere Experience beein-
flusst wird. Ein entscheidender Vorteil dürfte hier allein schon in der Sensibilisierung der
Entwickler liegen.
Für das Qualitätsmanagement eröffnen sich so Möglichkeiten, die Experience später zu
messen und bei Bedarf gezielt steuernd einzugreifen. So können gesetzte Ziele in der spä-
teren Erbringungsphase konkret überwacht werden und die gesetzten Relationen zeigen
auf, welche Parameter bei Bedarf für eine Optimierung angepasst werden sollten.
So wird zum einen sowohl funktionale als auch erlebnisorientierte Kundenerwartung sys-
tematisch im Design der Dienstleistung berücksichtigt und zum anderen schon bei der
Entwicklung ein Grundstein für die Messung und Überwachung dieser Faktoren in der
Erbringungsphase gelegt.

4. Diskussion
Durch eine parameterbasierte Serviceentwicklung werden Möglichkeiten eröffnet,
Dienstleistungen stärker vorstrukturiert zu konzipieren. Dadurch kann die Gefahr verrin-
gert werden, bestimmte Aspekte der Konzeption zu vergessen, und für weniger erfahrene
Entwickler erspart das Gerüst den Aufwand, jeglichen Aspekt von Beginn an zu durch-
denken. Einfache Gestaltungsentscheidungen werden lediglich auf eine Auswahl redu-
ziert. Dadurch ist eine deutliche Effizienzsteigerung im Entwicklungsprozess zu erwarten.
330 Christian van Husen, Dieter Häberle, Saed Imran und Carsten Droll

Gleichzeitig wird damit ein Potenzial frei, das in tatsächlich kreative Findung von Lösun-
gen und zur Differenzierung eingesetzt werden kann. Ein weiterer Vorteil ist, dass mit
Parametern entwickelte Dienstleistungen später unkompliziert, beispielsweise aufgrund
geänderter Anforderungen, angepasst werden können. Außerdem lassen sich vereinfacht
Varianten erstellen, z. B. aus einer Schulung für einen Servicetechniker eine Schulung für
einen Maschinenbediener.
Die im Vorhaben zusammengestellten Parameter und Ausprägungen sind nicht abschlie-
ßend fixiert, sondern bewusst offen, sodass sie für bestimmte Branchen, Unternehmen o-
der auch zukünftige Services ergänzt werden können.
In der praktischen Anwendung wird eine Abwägung zu treffen sein, wieviel Aufwand im
Vorfeld in ein spezifisches Parametergerüst investiert wird und welcher Nutzen daraus zu
erwarten ist. Möglicherweise können sich Industriestandards bilden, wenn die Parameter-
struktur im offenen Austausch von Anwendern kontinuierlich weiterentwickelt wird.
Bei der Betrachtung des Zusammenhangs zwischen Parametern und Experience-Faktoren
ist zu berücksichtigen, dass es sich nicht um eine absolute Beziehung handelt, die metho-
disch präzise bestimmt wird. Es handelt sich bei dem vorgeschlagenen Vorgehen um eine
Einschätzung des Entwicklers, deren Vorteil vor allem in der praktischen Machbarkeit und
dem begrenzten Aufwand liegt. Optimierungen sind zu erwarten, wenn ex post analytische
Zusammenhänge ermittelt und verifiziert werden und in Folgeprojekte einfließen können.
Die Entwicklung mit Parametern ermöglicht grundsätzlich eine deutliche Vereinfachung
bei Variantenvergleichen, Evaluation und Optimierungen, da einzelne Parameter gezielt
verändert werden können. Damit bildet dieser Ansatz auch eine gute Basis für eine Simu-
lation. Allerdings sind die konkreten Voraussetzungen für eine Simulation noch nicht ge-
geben und auch nicht Bestandteil des Vorhabens. Hier liegt ein vielversprechender An-
satzpunkt für weitere Forschungsarbeiten in der Zukunft, wenn Veränderungen in den
Parametern unmittelbar mit ihren Auswirkungen, z. B. auf Prozesszeiten, gemessen und
betrachtet werden können.
Ein weiterer Aspekt, der zukünftige Arbeit erfordert, ist die Schnittstelle zwischen den
Prozessparametern und der Prozessmodellierung in beiden Richtungen. Hier ist die Frage
wie möglicherweise ausgewählte Prozessmodule anhand der Parameter teilautomatisiert
modelliert werden können oder wie die Effizienz modellierter Prozesse gemessen und
durch Veränderung von Parametern optimiert werden kann.

Literaturverzeichnis
Aurich, J.C./Fuchs, C./Wagenknecht, C. (2006): Life cycle oriented design of technical
Product-Service-Systems, in: Journal of Cleaner Production, Vol. 14, No. 17, S. 1480-
1494.
Parameterbasierte Entwicklung von Dienstleistungen in Produkt-Service-Systemen 331

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Uta Jüttner, Katharina Windler, Adrienne Schäfer und Anja Zimmermann

Design von Smart Services ± Eine explorative


Studie im Business-to-Business-Sektor

1. Smart Services
1.1 Smart Services als Innovationstreiber
1.2 Begriff und Merkmale von Smart Services

2. Entwicklung von Smart Services


2.1 Neue DNA
2.2 Neue Funktionen
2.3 Neue Co-Kreation in der Kundenbeziehung
2.4 Neues Servicesystem
2.5 Treibereffekte und deren Wechselwirkungen mit der Branche

3. Explorative Untersuchung der Entwicklung von Smart Services


3.1 Design der empirischen Studie
3.2 Diskussion der Ergebnisse
3.2.1 DNA der untersuchten Smart Services
3.2.2 Smart-Service-Funktionen
3.2.3 Co-Kreation in den Kundenbeziehungen
3.2.4 Smart-Service-Systeme
3.2.5 Treiber von Smart Services und Auswirkungen auf die Branche

4. Zusammenfassung und Implikationen

Literaturverzeichnis

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017


M. Bruhn und K. Hadwich (Hrsg.), Dienstleistungen 4.0,
DOI 10.1007/978-3-658-17552-8_14
___________________________
Prof. Dr. Uta Jüttner ist Dozentin und Projektleiterin an der Hochschule Luzern
(HSLU), Schweiz und an der Cranfield University, England. Dr. Katharina Windler ist
Senior wissenschaftliche Mitarbeiterin an der HSLU. Dr. Adrienne Schäfer ist Leiterin
des Kompetenzzentrums Dienstleistungsmanagement und, wie auch Anja Zimmermann,
Dozentin und Projektleiterin an der HSLU.
1. Smart Services

1.1 Smart Services als Innovationstreiber


Die Digitale Transformation ist ein Megathema dieses Jahrzehnts mit z. T. radikalen
Veränderungen für das Individuum, die Gesellschaft generell und die Wirtschaft im
Speziellen. Die zahlreichen beobachtbaren Entwicklungen und Phänomene wie z. B.
intelligente Produkte, Big Data, mobile Arbeit, Co-Kreation, Open Innovation oder
Crowd Sourcing haben nicht nur vor dem Hintergrund der technologischen Entwick-
lungsdynamik einen erheblichen Einfluss auf die Wirtschaft, sondern unternehmerische
Wertschöpfungsprozesse werden im Bereich der Produktion, der Innovation, der
Arbeitsorganisation, aber auch der Kundenbeziehungen durch die digitale
Transformation grundlegend verändert und neu geprägt (Boes 2014).
'LJLWDOLVLHUXQJZLUG]XPÄ,QQRYDWLRQVWUHLEHULQDOOHQ%HGDUIVIHOGHUQ³ .DJHUPDQQ
S. 67). Die zunehmende Verschmelzung des produzierenden Sektors mit digitalen
Dienstleistungen bietet dabei beiden Sektoren Wertschöpfungspotenziale, die jedoch
unterschiedlich schnell und intensiv genutzt werden. Traditionell bedeutende Branchen
wie Automobil oder Maschinenbau haben ihre Geschäftsmodelle frühzeitig mit Hilfe
von Smart Services weiterentwickelt. Der klassische Dienstleistungssektor hingegen
greift die zukünftigen Potenziale der Digitalisierung offensichtlich noch weniger aktiv
auf (Boes 2014, S. 9). Mit der Digitalisierung verändern sich Geschäftsmodelle,
verschwinden Branchengrenzen, verschmelzen Produkte und digitale Dienstleistungen
zu neuen Leistungsbündeln und damit verändern sich die traditionellen Rollen von
Anbietern, aber auch von Kunden sowie ihre jeweiligen Anteile an der Wertschöpfung.
Insbesondere Smart Services, die als meist datenbasierte Dienstleistungen auf
bestehenden intelligenten Produkten aufsetzen, spielen bei dieser Entwicklung eine
zentrale Rolle. Die Digitale Transformation generiert große Datenmengen im Bereich
der Produkte und klassischer Dienstleistungen auf Anbieter- und Nachfrager-Seite. Sie
stellen die Grundlage für die Entwicklung datenbasierter Dienstleistungen dar, denn
durch die Analyse, Verarbeitung und Kombination verschiedener Daten können neue,
intelligente Dienste, so genannte Smart Services, kreiert werden.
Die Bedeutung von Smart Services wird in der Wirtschaft, Politik und auch der
Wissenschaft erkannt. Dies zeigen die vielfältigen Praxisentwicklungen, der wissen-
schaftliche Diskurs und die Initiativen von staatlicher Seite, um diese Entwicklungen zu
fördern. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWI) hat z. B. seit dem
Jahre 2014 zwei Förderprogramme ± ÄSmart Service Welt³ und ÄSmart Service Welt II³
± aufgelegt und beabsichtigt, die deutsche Wirtschaft dabei zu unterstützen, die Chancen
der Digitalisierung zu nutzen. Diese Förderprogramme haben verschiedene
338 Uta Jüttner, Katharina Windler, Adrienne Schäfer und Anja Zimmermann

Schwerpunkte, von der Produktion über den Bereich der Mobilität und des Wohnens bis
hin zu Beschäftigung und Querschnittsthemen. Das Bundesministerium für Bildung und
Forschung (BMBF) hat im Wissenschaftsjahr 2014 seine Fachtagung dem Thema
Dienstleistung in der digitalen Gesellschaft gewidmet und sich dort speziell mit dem
Thema der Smart Services auseinandergesetzt (Boes 2014).

1.2 Begriff und Merkmale von Smart Services


Der Begriff der Smart Services ist in der wissenschaftlichen Diskussion aufgegriffen,
jedoch noch nicht abschließend definiert worden. Versucht man klassische
Dienstleistungen von Smart Services zu differenzieren, so unterscheiden sich letztere
dadurch, dass sie in der Regel aus physischen Bestandteilen, digitalen Bestandteilen und
Konnektivitäts-Bestandteilen bestehen (Porter/Heppelmann 2014; vgl. Service-DNA in
Abschnitt 2).
Die Analyse vorhandener und dokumentierter Smart Services generiert die folgenden
Merkmale von Smart Services, die es erlauben, Smart Services näher zu beschreiben.
Smart Services sind im Vergleich zu analogen Dienstleistungen ortsunabhängig, digital
vernetzt und können in Echtzeit erbracht und gesteuert werden. Sie besitzen über die
Vernetzung auf Plattformen und ihre digitale Anschlussfähigkeit das Potenzial zur
Selbstoptimierung, generieren intelligente Daten und diese können wiederum über
Plattformen nutzenstiftend eingesetzt werden. Smart Services sind damit kontextbezogen
und bedarfsorientiert.
Aufgrund dieser Merkmale wird Smart Services eine disruptive Kraft zugesprochen
(Kagermann 2014). Sie ermöglichen personalisierte Produkt-Service-Leistungsbündel
für den Kunden und werden auch als Product-Service System (PSS) oder hybride
Leistungsbündel bezeichnet, die auf einer stetig wachsenden Menge an Kundendaten
aufbauen (Arbeitskreis Smart Service Welt/acatech 2015; Wellsandt et al. 2016). Die
Voraussetzungen für die Entwicklung von Smart Services werden dabei in einem
Schichtenmodell beschrieben (Arbeitskreis Smart Service Welt/acatech 2015, S. 16f.):
zentral ist eine leistungsfähige technische Infrastruktur, die intelligente Umgebungen
schafft, so genannte Smart Spaces, in denen sich digitale und anschlussfähige Produkte,
so genannte Smart Products, miteinander vernetzen und vernetzte physische Plattformen
bilden. Auf diesen Plattformen werden Daten generiert, gebündelt, analysiert, bewertet
und diese stellen als veredelte Daten, so genannte Smart Data, softwaregestützte
Plattformen für die Entwicklung von Smart Services bereit. Mit Hilfe von Service-
Engineering-Ansätzen werden die Daten schließlich auf der Stufe der Service-
plattformen, auf denen sich verschiedenste Anbieter zu digitalen Öko-Systemen
vernetzen, zu Smart Services veredelt. Die Kombination von Smart Services und Smart
Products durch geschulte Mitarbeitende, so genannte Smart Talents, lässt neue
Geschäftsmodelle entstehen.
Design von Smart Services ± Eine explorative Studie im B2B-Sektor 339

Smart Services sind dabei nicht zwingend rein digital, sondern integrieren auch
menschliche, physische Interaktionen. Sie werden nicht nur als individuelle Produkt-
Service-Bündel Kunden zur Verfügung gestellt (z. B. Mobilitäts-, Fitness-, Smart-Home-
Daten), sondern sie fließen ebenso in Unternehmens- oder Produktionsprozesse ein.
Wie Smart Services in Unternehmen entwickelt und realisiert werden, was ihre
Entwicklung antreibt, welche Effekte diese Entwicklungen auf die Servicestrategie des
Unternehmens, die Kundenbeziehungen und die Form der Kollaboration sowie die
Rollen in Serviceökosystemen haben, sind Fragen, die bisher empirisch wenig beleuchtet
oder nicht eindeutig beantwortet wurden. Im vorliegenden Beitrag wird diesen Fragen
auf der Basis von zwei Fallstudien aus dem Bereich Maschinenbau und industrielle
Prozesstechnik und Automatisierung explorativ nachgegangen. Dabei steht vor allem
eine Analyse dezentraler Design-Aufgaben im Vordergrund. Die Ergebnisse werden in
Form von zehn Erkenntnissen zusammengetragen und gewürdigt. Basis der generierten
Erkenntnisse bildet eine im folgenden Abschnitt 2 geführte Auseinandersetzung mit dem
Untersuchungsgegenstand selbst, der neben der DNA von Smart Services, vor allem
auch auf Veränderungen im Bereich von Funktionen und Interaktionen in der Anbieter-
Kunden-Beziehung und im Servicesystem eingeht.

2. Entwicklung von Smart Services


Praxisorientierte %HLWUlJHPLW)RNXVDXIÄ%HVW3UDFWLFH³-Fallbeispiele dominieren bisher
die Diskussion über die Entwicklung von Smart Services. Die intensive wissen-
schaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema hat erst begonnen. Akademische
Beiträge sind vor allem in den Disziplinen Informatik, Engineering und Innovationen zu
finden, wobei gewisse Bereiche den Diskurs dominieren, z. B. smarte Gebäude, Smart
Cities, smarte Mobilitäts- und Energieservices. Das Ziel der folgenden Literaturanalyse
ist die Identifikation von zentralen Designaufgaben eines Smart Services im B2B-
Bereich sowie von Treibereffekten, die zur Entwicklung von Smart Services führen.
Aufgrund des B2B-Fokus wird primär Literatur aus diesem Anwendungsfeld betrachtet.
Der folgende Abschnitt geht zunächst auf die Entwicklung einer neuen Service-Ä'1$³
und neuer Funktionen ein, dann auf die Konfiguration einer neuen Co-Kreation in der
Kundenbeziehung und des neuen Servicesystems. Anschließend werden Treibereffekte
und deren Wechselwirkungen mit der Branche diskutiert.

2.1 Neue DNA


Wie einleitend erwähnt, unterscheidet sich ein Smart Service von einem klassischen
Service. Die in der Literatur diskutierten Charakteristika oder Bestandteile der neuen
340 Uta Jüttner, Katharina Windler, Adrienne Schäfer und Anja Zimmermann

Service-DNA fassen Porter und Heppelmann (2014) zu drei wesentlichen Elementen


zusammen: physische Bestandteile, smarte Bestandteile und Konnektivitäts-Bestandteile.
Physische Bestandteile umfassen die mechanischen und elektronischen Teile eines
Produkts. An einem vernetzen E-Bike sind dies z. B. die Reifen und der Motor. Smarte
Bestandteile beinhalten Sensoren, Mikroprozessoren, Datenträger, Software und meist
ein eingebettetes Betriebssystem sowie eine erweiterte Nutzerschnittstelle. An einem
vernetzen E-Bike ist ein solcher smarter Bestandteil der Board-Computer mit
Touchscreen-Display. Die Konnektivitäts-Bestandteile umfassen Ports, Antennen und
Protokolle, die Kabel- oder kabellose Verbindungen mit dem Produkt ermöglichen.
Konnektivität kann drei Formen annehmen, die auch gleichzeitig auftreten können
(Porter/Heppelmann 2014):
„ Ä2QH-to-RQH³: Ein individuelles Produkt ist mit dem Nutzer, dem Hersteller oder
einem anderen Produkt verknüpft, z. B. beim vernetzten E-Bike ist das Bike via
Smartphone App mit dem Nutzer verknüpft.
„ Ä2QH-to-PDQ\³: Ein zentrales System ist mit vielen Produkten gleichzeitig
verknüpft, z. B. sind viele E-Cars mit einem zentralen Herstellersystem verknüpft,
welches die Leistung beobachtet und Remote Services und Upgrades durchführt.
„ Ä0DQ\-to-PDQ\³: Mehrere Produkte sind mit mehreren anderen Typen von
Produkten und oft auch externen Datenquellen verbunden. Beispielsweise werden
eine Vielzahl von verschiedenen Verkehrsmitteln, Verkehrsdaten und Emissions-
daten vernetzt, um einen reibungslosen Verkehrsfluss sowie geringe CO2- und
Geräuschemissionen zu erreichen.
Durch den Konnektivitäts-Bestandteil können Informationen zwischen dem Produkt und
seinem Betriebsumfeld, dem Hersteller, Nutzer und anderen Produkten und Systemen
ausgetauscht werden. Zudem ermöglicht die Konnektivität einige Funktionen außerhalb
des physischen Bestandteils in einer Cloud.
Während die Bestandteile der neuen DNA eines Smart Services in der Literatur gut
dokumentiert sind, besteht eine Wissenslücke in der Lösung der Designaufgabe dieser
DNA, d. h. der Frage, wie diese einzelnen Bestandteile zu entwickeln sind (Wünderlich
et al. 2015). Daher lautet die erste empirische Forschungsfrage dieses Beitrags:
Welches Vorgehen wird von Smart-Services-Anbietern beim Aufbau der Bestandteile der
Service-DNA angewendet?

2.2 Neue Funktionen


Die Literatur führt eine Reihe von Smart-Service-Funktionen auf, welche von Porter und
Heppelmann (2014) in vier Niveaus strukturiert werden: Überwachung, Kontrolle,
Optimierung und Autonomie. Jede Funktion bietet an sich einen Mehrwert und setzt
gleichzeitig die Voraussetzung für die nächste Stufe. Das heißt etwa, dass ein Smart
Service ebenfalls die Überwachungsfunktion ausführen können muss, um eine
Kontrollfunktion ausführen zu können. Ein Smart Service kann potenziell alle vier
Design von Smart Services ± Eine explorative Studie im B2B-Sektor 341

Funktionen umfassen. 
Die Überwachungsfunktion bezieht sich auf den Zustand eines Produkts, seiner externen
Umgebung sowie seines Betriebs und des Nutzungsprozesses. Gleichzeitig ermöglicht
die Überwachung das Auslösen von Warnsignalen und die Benachrichtigung über
Veränderungen. Die Überwachung von Produkten erlaubt ebenfalls das Tracking der
Betriebshistorie, um z. B. besser verstehen zu können, wie das Produkt genutzt wird.
Die Kontrollfunktion stellt die Kontrolle von Produktfunktionen durch Remote-
anweisungen oder -algorithmen sicher, die entweder im Produkt selbst oder in einer
Cloud angesiedelt sind. Dies führt zu einem hohen Maß an Personalisierungsmöglich-
keiten der Nutzung des Produkts.
Die Optimierungsfunktion entsteht durch eine Kopplung von Überwachung und
Kontrolle. Der Smart Service kann durch Algorithmen und Analytik von Echtzeit- oder
historischen Daten die Leistung, Auslastung und Effizienz von Produkten und Anlagen
erhöhen.
Die Autonomiefunktion umfasst den eigenständigen Betrieb von Produkten. Die Funktion
ermöglicht Produkten über ihre Umgebung zu lernen, Selbstdiagnosen zu erstellen und
auf Nutzerpräferenzen zu reagieren. Durch die Autonomiefunktion können sich Produkte
auch selbständig mit anderen Produkten oder Systemen koordinieren und vernetzen.
Die neuen Funktionen spiegeln stark das Serviceverständnis der Service-Dominant
Logic wider, die Service als die Basis allen Austauschs betrachtet (Vargo/Lusch 2004;
Lusch/Vargo 2014). Service (Singular) wird dabei als Prozess gesehen, in dem
Ressourcen integriert werden, die zu Wertentstehung führen und nicht als Services
(Plural) im Sinne von Ertragseinheiten. Die neuen Funktionen eines Smart Service
implizieren große Servicepotenziale. Diese müssen jedoch zunächst von den Anbietern
zu einzelnen Serviceangeboten entwickelt werden. Anbieter müssen sich über die
Wertversprechen und Preise dieser Angebote im Klaren sein und diese in einem
gesamten Servicesortiment mit bestehenden Dienstleistungen abstimmen. Dies könnte
zur Folge haben, dass einige der bestehenden Dienstleistungen wegfallen und somit eine
neue Servicestrategie benötigt wird. Porter und Heppelmann (2014) argumentieren, dass
Anbieter neue Serviceorganisationsstrukturen und -prozesse benötigen. Um dieses
Thema explorativ anhand von konkreten empirischen Fällen zu untersuchen, geht dieser
Beitrag der folgenden, weiteren Forschungsfrage nach:
Wie wirken sich Smart Services auf die bestehende Servicestrategie der Anbieter aus?

2.3 Neue Co-Kreation in der Kundenbeziehung


Ein Smart Service bringt im Vergleich zum traditionellen Service häufig eine andere
Form der Co-Kreation in der Kundenbeziehung mit sich. Aufgrund der ortsunab-
hängigen und Echtzeit-gesteuerten Charakteristika von Smart Services können die
342 Uta Jüttner, Katharina Windler, Adrienne Schäfer und Anja Zimmermann

Tätigkeiten von Anbieter und Kunde innerhalb der Geschäftsbeziehung neu konfiguriert
werden. Dadurch kann die Schnittstelle zum Kunden verändert werden bis hin zu einer
neuartigen Form der Einbindung des Nutzers, sowohl bei der Konzeption des neuen
Serviceangebotes als auch bei der Leistungserbringung. Es besteht die Möglichkeit, dass
der Anbieter den Kunden durch Smart Services entlastet, indem er ihm Tätigkeiten
abnimmt, oder ihn derart befähigt, dass er Tätigkeiten selbst effizienter oder effektiver
ausführen kann (Normann/Ramírez 1993). Ebenso wie empirische Erkenntnisse zur
Frage des Einflusses der Entwicklung von Smart Services auf die Akteure des
Servicesystems fehlen, sind auch empirische Erkenntnisse zu den tatsächlichen
Auswirkungen der Entwicklung von Smart Services auf die Co-Kreation in der
Kundenbeziehung nicht vorhanden (Wünderlich et al. 2015). Es gibt keine empirischen
Erkenntnisse, wie Anbieter und Kunden auf die neuen Funktionen von Smart Services
reagieren, z. B. durch Anpassungen ihrer Prozesse, und wie sich diese Reaktionen auf
die Interaktionen bei der Leistungserstellung auswirken. Ziel dieses Beitrags ist es daher,
die Auswirkungen der Einführung von Smart Services auf die Kundenbeziehung anhand
konkreter empirischer Fälle zu betrachten. Folgende Forschungsfrage steht dabei im
Vordergrund:
Welche Auswirkungen hat die Entwicklung von Smart Services auf die Co-Kreation
Beziehung zwischen Anbieter und Kunde?

2.4 Neues Servicesystem


Die Literatur diskutiert Services im Kontext eines Servicesystems. In der Service-
Dominant Logic wird der Begriff Serviceökosystem verwendet, definiert als relativ
eigenständiges, selbstregulierendes System von Ressourcen-integrierenden Akteuren, die
durch gemeinsame institutionelle Vereinbarungen und gegenseitige Wertschöpfung
durch Serviceaustausch verbunden sind (Lusch/Vargo 2014). Die Service-Dominant
Logic grenzt das Servicesystem also über Akteure und Ressourcen ab und hat ein weit
gefasstes Systemverständnis. In der spezifischen Literatur zu Smart Services wird der
Systembegriff enger verwendet. Das Servicesystem wird hier über Funktionsgruppen
definiert, zu welchen sich der Smart Service zuteilen lässt. Zum Beispiel besteht das
Servicesystem Wetterdaten aus Wetterkarten und -vorhersagen, Regen-, Feuchtigkeits-
und Temperatursensoren und Wetterdatenapplikationen (Porter/Heppelmann 2014). In
diesem System kommt das REHQ GLVNXWLHUWH ÄRQH-to-PDQ\³-Konnektivitätsniveau zum
Tragen. Wenn ein Smart Service aus mehreren Funktionsgruppen besteht, wird von
einem System aus Systemen gesprochen. Zum Beispiel besteht das Landwirtschafts-
managementsystem aus folgenden Systemen: Wetterdaten, Aussaatoptimierung,
Bewässerung und Landwirtschaftsequipment (Porter/Heppelmann 2014). Im System von
6\VWHPHQZLUGPLWHLQHPÄPDQ\-to-PDQ\³-Konnektivitätsniveau agiert.
Die Entwicklung von Smart Services stellt deren Anbieter vor zentrale strategische
Entscheidungen, die zu einer Re-Konfiguration des bestehenden Servicesystems führen
können. Da Smart-Service-Systeme über die unterschiedlichen Konnektivitätsniveaus
Design von Smart Services ± Eine explorative Studie im B2B-Sektor 343

anschlussfähig sind, stellen sich z. B. für die Akteure folgende kooperationsgerichtete


Fragen:
„ Sollen sie selbst ein Smart-Service-System entwickeln und vorantreiben?
„ Sollen sie sich dem System eines Mitbewerbers oder Komplementors anschließen?
„ Sollen sie im Fall eines eigenen Systems Fremdanbieter integrieren (offenes
System) oder ausschließen (geschlossenes System)?
Gleichzeitig müssen Smart-Service-Systementwickler prüfen, ob sie das komplette
notwendige Spektrum an Smart-Service-Fähigkeiten und Infrastruktur selbst entwickeln
oder Teile an Partner und andere Lieferanten auslagern sollen (Allmendinger/
Lombreglia 2005). Neben Anbietern von Sensoren, Software oder Cloud-basierten
Plattformen dürften insbesondere Intermediäre eine große Rolle spielen. Dabei handelt
es sich um Instanzen, die Smart Products, Softwaredefinierte Plattformen und Service-
plattformen nutzen, um die dort verfügbaren Dienste aufzuwerten. Intermediäre können
dabei positive Effekte haben ± Schaffen von Vertrauen und Rechtssicherheit oder
Interessensausgleich ±, aber sie können auch als neue Konkurrenten eine Bedrohung
darstellen (Schöning 2014). Entscheidend ist, wer das Servicesystem kontrolliert und
damit die Kontrolle über die Wertschöpfungskette erlangt (Arbeitskreis Smart Service
Welt/acatech 2015).
Da diese zentralen Fragestellungen nicht nur die Funktionsgruppen des Servicesystems
betreffen, sondern auch die beteiligten Akteure, wird im weiteren Verlauf dieses
Beitrags das Verständnis von Servicesystemen aus der Service-Dominant Logic-
Literatur und der Smart-Services-Literatur verknüpft. Angenommen wird, dass Smart-
Service-Systeme sich über Funktionsgruppen und die in die Wertschöpfung involvierten
Akteure definieren.
Theoretisch ist eine Vielzahl an Entwicklungen des Servicesystems denkbar. Empirische
Erkenntnisse sind jedoch rar (Wünderlich et al. 2015). Dieser Beitrag hat daher als
weiteres Ziel, an konkreten empirischen Fällen folgende Forschungsfrage explorativ zu
untersuchen:
Wie beeinflusst die Entwicklung von Smart Services die Akteure des Servicesystems und
ihr Zusammenspiel?

2.5 Treibereffekte und deren Wechselwirkungen mit der Branche


Treibereffekte für das Aufkommen von Smart Services werden seit Beginn dieses
Jahrzehnts vor allem von staatlichen und privaten Institutionen (z. B. BMBF 2013;
Arbeitskreis Smart Service Welt/acatech 2015) sowie von technikorientierten Wissen-
schaftlern betrachtet. Letzteres könnte erklären, dass sich die den Diskurs dominierenden
Treibereffekte für das Aufkommen von Smart Services auf einen wesentlichen Faktor
reduzieren lassen: die Technologieentwicklung. Die schnelle Entwicklung von
344 Uta Jüttner, Katharina Windler, Adrienne Schäfer und Anja Zimmermann

Kommunikations- und Informationstechnologien steht in Verbindung mit Schlagwörtern


wie digitale Transformation (Fitzgerald et al. 2014), Digitalisierung (Hogreve et al.
2016), Internet der Dinge (Ehret/Wirtz 2016), Industrie 4.0 (Obermaier 2016) und
&\EHU3K\VLVFKHQ 6\VWHPHQ <RR HW DO  . Es wird von einer dritten Welle von
Informationstechnologie getriebener Innovation (Parmar et al. 2014) und
Informationstechnologie getriebenem Wettbewerb gesprochen (Porter/Heppelmann,
2014). Die erste Welle automatisierte einzelne Prozesse innerhalb eines Unternehmens.
In der zweiten Welle ermöglichte das Aufkommen des Internets die Koordination und
Integration einer Vielzahl von Prozessen zwischen Lieferanten, Kunden und Kanälen.
Die nun auftretende dritte Welle ist gekennzeichnet durch drei Phänomene (Parmar et al.
2014): Verfügbarkeit von einer großen Menge an digitalen Daten, hochentwickelte Tools
zur Datenanalyse und Geschäftstransaktionen in der Cloud. Zusammen ermöglichen
diese drei Aspekte das Angebot von Smart Services, die substanzielle Produktivitäts-
steigerungen versprechen.
Diese identifizierten Treibereffekte führen in der Praxis dazu, dass sich Branchen-
strukturen verändern bzw. neu definierte Branchengrenzen entstehen (Porter/
Heppelmann 2014; Röglinger/Urbach 2016). Die Wettbewerbsgrenzen einer Branche
erweitern sich, wenn ein allumfassendes Leistungsangebot offeriert wird, welchem ein
breites Bedürfnis zugrunde liegt. Es wird nicht mehr ein isolierter Service angeboten,
sondern unterschiedliche Services werden in einem Smart Service miteinander
verknüpft, um eine bessere Leistung bzw. einen höheren Nutzen für den Kunden zu
erreichen. Zum Beispiel bieten Anbieter nicht mehr nur Dienstleistungen zur
Optimierung von einzelnen Minenausrüstungsgegenständen an. Der Smart Service zielt
vielmehr auf die gesamte Flotte des Minenequipment ab (Bitner et al. 2014). Die
Branchenstruktur verschiebt sich von alleinstehenden Dienstleistungen für ein einzelnes
Equipment zu integrierten Dienstleistungen für Minenequipmentsysteme. Oft können
sich die Branchenstrukturen sogar übHU HLQH ,QWHJUDWLRQ YRQ ÄYHUZDQGWHQ³ 6HUYLFHV
hinaus erweitern, wie z. B. in Smart Buildings oder Smart Cities. Im Leistungsangebot
eines Smart Buildings werden zahlreiche Services integriert, etwa Dienstleistungen rund
um Licht, Heizung, Lüftung und Klimatechnik, Unterhaltung und Sicherheit (Porter/
Heppelmann 2014). Der Effekt der Branchenerweiterung wird als klare Tendenz
gesehen, wenngleich eingeräumt werden muss, dass dieser je nach Branche variieren
kann.
Der derzeitige Diskurs der Treibereffekte von Smart Services fokussiert stark auf die
Technologieentwicklung und vernachlässigt weitere mögliche Treiber. Die Wechsel-
wirkung dieses Treibers mit der Branche wird tendenziell als eine Branchenerweiterung
bezeichnet, wobei gleichzeitig Zweifel bestehen, ob dies auf alle Branchen zutrifft.
Aufgrund mangelnder empirischer Erkenntnisse bezüglich der Treibereffekte und deren
Wechselwirkungen auf die Branche ist es ein Ziel dieses Beitrags, explorative Einblicke
in diesen Bereich zu gewinnen. Die letzte empirische Forschungsfrage lautet daher:
Welche Treiber führen zur Entwicklung von Smart Services und wie wirken sich diese
auf die Branche aus?
Design von Smart Services ± Eine explorative Studie im B2B-Sektor 345

3. Explorative Untersuchung der Entwicklung von Smart


Services
Um die aus der Literaturanalyse abgeleiteten angewandten empirischen Forschungs-
fragen zu untersuchen, wurde eine explorative Studie durchgeführt. Die Studie und ihre
Erkenntnisse werden im Folgenden vorgestellt.

3.1 Design der empirischen Studie


Für die empirische Studie wurde ein vergleichendes exploratives Querschnitt-Design
von Smart-Service-Entwicklungen als Untersuchungsobjekt (Yin 2003) anhand von zwei
Fallstudien durchgeführt. Da die Forschung zum Thema Smart Services noch in den
Kinderschuhen steckt (Wünderlich et al. 2015), eignet sich diese Methodik besonders.
Die Zielstichprobe wurde basierend auf folgenden Kriterien gezogen, um
ÄLQIRUPDWLRQVUHLFKH )lOOH³ ]X HUKDOWHQ (Patton 1990): Erstens wurden Smart Services
ausgesucht, deren Entwicklung bereits einen gewissen Reifegrad erreicht hat, jedoch
noch nicht abgeschlossen ist. Auf diese Weise konnten die Entwicklung nahe am realen
Zeitgeschehen verfolgt und Erinnerungsverzerrungen sowie ex-post-Rationalisierungen
weitgehend vermieden werden (Voss et al. 2002). Zweitens wurden Smart Services aus
einem Servitization-Kontext ausgewählt, da die Implikationen von Smart Services in
diesem Kontext als am weitreichendsten postuliert werden (Porter/Heppelmann 2014)
und eine kontextbezogene Vergleichbarkeit ermöglichen. Drittens mussten die Anbieter
der Smart Services ein erwiesenes Interesse am vorliegenden Thema haben. Die
folgende Abbildung 1 gibt einen Überblick über die zentralen Merkmale der Anbieter
sowie deren Smart-Services-Entwicklungen.

Die Datenerhebung umfasste in beiden Fällen mehrere Datenquellen, die miteinander


trianguliert wurden (Yin 2003):
„ öffentlich zugängliche und interne Dokumente: Geschäftsberichte, Unternehmens-
webseiten, Angebotsbroschüren und -videos, Berichte und Angebotspräsentationen
für den internen Gebrauch
„ physische Artefakte: die Umsetzung des Smart Services wurde direkt an der
Produktionsanlage veranschaulicht
„ persönliche Interviews, die aufgenommen und wörtlich transkribiert wurden:
 Bucher Emhart Glass: Zweistündiges Fokusgruppeninterview mit dem Leiter
globaler Service, dem Produkt Manager After Sales Service & Assistent VP
Sales und dem System Administrator Remote Access
 Endress+Hauser: Zwei zweistündige Tiefeninterviews mit dem Leiter globales
strategisches Marketing und der Assistentin globales strategisches Marketing
346 Uta Jüttner, Katharina Windler, Adrienne Schäfer und Anja Zimmermann

Unternehmen Bucher Emhart Glass Endress+Hauser


Branche Maschinen- und Anlagebau Industrielle Prozesstechnik
für Glasbehälter und Automatisierung
Umsatz in CHF 350 Mio. 2,3 Mrd.
Anzahl Mitarbeitende 1.800 12.900
Marktabdeckung Global Global
Betrachte Equipment Remote Ä3ODQW$VVHW0DQDJHPHQW³±
Smart Services Service für Maschinen im Erhöhung der
ÄHeißen (QGH³Xnd Anlageverfügbarkeit über den
Ä.DOWHQ(QGH³GHU Lebenszyklus
Glasbehälterproduktion
Abbildung 1: Beschreibung der untersuchten Fallstudienobjekte

Die Datenanalyse erfolgte mittels Grounded-Theory-Kodierung, welche offenes, axiales


und selektives Kodieren umfasst (Strauss/Corbin, 1998). Zunächst erfolgte eine offene
Kodierung der Daten durch konzeptionelle oder In-Vivo-Codes, um Kategorien zu den
Designaufgaben sowie den Treibereffekten und deren Wechselwirkungen mit der
Branche zu finden, z. B GLH .DWHJRULH ÄVPDUWIlKLJHV 3URGXNW³ %DVLHUHQG DXI GLHVHQ
Kategorien wurde ein Kodierungsschema entwickelt. Durch axiales Kodieren konnten in
einem nächsten Schritt Beziehungen zwischen den Kategorien hergestellt werden, z. B.
wurde eine Verbindung ]ZLVFKHQ ÄVPDUWIlKLJH 3URGXNWH³ XQG Ä%XVLQHVV-*HVSU³
beschrieben. Ein abschließendes selektives Kodieren arbeitete die Haupterkenntnisse der
Studie heraus. Die Ergebnisse der Datenanalyse wurden durch die Personen, mit denen
die Interviews geführt wurden, validiert.

3.2 Diskussion der Ergebnisse


Die Ergebnisse der beiden untersuchten Fallstudien sollen nachfolgend mit Hilfe der vier
Designaufgaben bei der Entwicklung von Smart Services sowie der Wechselwirkungen
mit der Branche strukturiert werden. Die Ergebnisse der fallspezifischen und
fallübergreifenden Datenanalyse lassen sich in zehn zentralen Erkenntnissen verdichten.

3.2.1 DNA der untersuchten Smart Services

Bei der Frage, welche Entwicklungspfade bzw. Vorgehensweisen Anbieter beim Aufbau
der drei Smart-Service-Komponenten wählen, konnten zwei zentrale Erkenntnisse
gewonnen werden:
Erkenntnis 1: Die physischen Produkte werden in den Fallstudienfirmen ]XHUVWÄ6PDUW-
Services-IlKLJ³JHPDFKWGHU$XVEDXGHU9HUELQGXngsmöglichkeiten erfolgt sequenziell.
Design von Smart Services ± Eine explorative Studie im B2B-Sektor 347

Sowohl Endress+Hauser als auch Bucher Emhart Glass haben mit dem Aufbau und der
Entwicklung von Smart Services bereits vor Jahren begonnen, sodass sie als Smart-
Service-Pioniere in ihren jeweiligen Branchen gelten. Bei beiden Firmen wurden
zunächst die physischen Produktionsmaschinen und dazugehörigen Instrumente remote-
fähig gemacht bzw. mit Sensoren ausgestattet, um softwaregestützt über digitale
Benutzerschnittstellen die Kommunikation mit den Anlagen zu ermöglichen. Anstoß für
diesen Schritt in den traditionell produktorientierten Firmen war die Erkenntnis, dass
nachhaltig nur jene Geschäftsmodelle den Führungsanspruch sichern können, die nicht
ausschließlich auf die Produktoptimierung setzen. Der Anteil des physischen Produktes
am gesamten Kundenwertversprechen werde vielmehr an Bedeutung verlieren. Zudem
ging man früh davon aus, dass in der heutigen Informationskultur die Generierung von
Informationen über den gesamten Wertschöpfungsprozess des Kunden erfolgskritisch
wird. Trotz zunächst fehlenden eigenen Kompetenzen haben beide Unternehmen daher
die Relevanz der Software für zukünftige Funktionalitäten, Services und Kunden-
interaktionen frühzeitig erkannt.
Bei Endress+Hauser sichert die Seriennummer den Informationszugriff auf die gesamte
Historie der aus bis zu zwei- bis dreitausend einzelnen Produkten bestehenden
Produktionsanlagen. Somit werden die Phasen von der Entwicklung beim Anlagenbauer
über die Inbetriebnahme beim Kunden bis hin zum Betrieb selbst datenseitig abgedeckt.
Auch Bucher Emhart Glass generiert Informationen zu Tausenden von Parametern über
die Steuerung, Sensoren sowie weitere physische Elemente wie Spezialkameras, welche
die Temperatur in den sensiblen Betriebsabläufen der Glasformung messen. Obwohl
damit die Voraussetzungen für eine Vielzahl von datengestützten Smart Services
gegeben sind, werden die Potenziale noch nicht ausgeschöpft. Dies liegt erstens daran,
GDVV 6PDUW 6HUYLFHV DXV GHU 6LFKW GHU ,QWHUYLHZSDUWQHU ÄBig Data Know-how in
Kombination mit einem guten Business-Gespür bedingen³ und damit Fähigkeiten, deren
Entwicklung viel Zeit benötigt. Zum zweiten ist die KonnektiYLWlWQRFKDXIGHPÄ2QH-
to-2QH³-Basisniveau. Datenerfassung und -speicherung erfolgen derzeit noch isoliert für
jedes Produkt und können nicht als ÄRQH-to-PDQ\³- RGHUÄPDQ\-to-PDQ\³-Verbindungen
für Nutzerübergreifende Vergleichsservices wie dem Benchmarking genutzt werden.
Auch wenn die Kunden durchaus den Zusammenhang zwischen der zentralen
Datenspeicherung in Cloud-Lösungen und dem Nutzen für die beteiligten Firmen
erkennen, überwiegen noch Sicherheitsbedenken. Der Ausbau der Verbindungs-
möglichkeiten entweder über die Kundeninternen Produktionsstandorte oder in
verschlüsselter Form sogar zwischen den verschiedenen Kunden ist daher eine
Entwicklungsaufgabe in beiden Firmen. Mit dem Ausbau der Konnektivität wird sich
schrittweise auch das Potenzial innovativer Smart Services und das Nutzenpotenzial für
die Kunden erhöhen.
Erkenntnis 2: Möglichkeiten zur Skalierung von Smart-Service-Systemen werden von
den Fallstudienfirmen genutzt.
348 Uta Jüttner, Katharina Windler, Adrienne Schäfer und Anja Zimmermann

Anhand der aus den drei Komponenten bestehenden DNA von Smart Services lässt sich
der erhebliche Ressourcenbedarf für deren Entwicklung erklären. Dieser erstreckt sich in
beiden Firmen über alle zentralen Ressourcen wie Know-how, physische Ressourcen,
Partnerschaften, Zeit und Geld. Um die Entwicklung und Markteinführung über die
mehrjährigen Projektzeiträume voranzutreiben, werden in beiden Firmen Skalierungs-
möglichkeiten im Sinne von Meilensteinen genutzt. Diese liegen auch im Anwen-
dungsbereich der Smart-Service-Systeme.
Bei Bucher Emhart Glass bieten die Anlagen selbst eine Skalierungsmöglichkeit des
Smart-Service-Entwicklungsprojektes, welche durch das Unternehmen aktiv genutzt
ZLUG6RVLQGGDVÄHeißH(QGH³, die Glasformungsmaschinen, sowie GDVÄ.DOWH(QGH³
die Prüfmaschinen, zwei in sich geschlossene Systeme. Traditionell hat Bucher Emhart
*ODVVGLH.HUQNRPSHWHQ]LPÄ+HLßHQ(QGH³'DKHUZXUGHQ]XQlFKVWLQGLHVHP%HUHLFK
die ersten Schritte zur automatisierten Steuerung der Flaschenformung unternommen.
Durch den bislang noch geschlossenen Informationskreislauf können Informationen, die
im System Ä+HLßHV (QGH³ JHwonnen werden, direkt für Smart-Services-gesteuerte
Optimierungen der Glasformung genutzt werden. Dies schließt auch den Zugriff auf die
*ODVDQODJHQ GHU .XQGHQ PLWWHOV Ä5HPRWH 6HUYLFH³ HLQ ,P -DKUe 2016 wurde mit dem
Ä(QG-to-(QG³-Konzept eine Lösung zur informationsgesteuerten Verbindung zwischen
dem ÄHeißen Ende³ und dem ÄKalten Ende³ lanciert, die zugleich das Smart-Service-
System beträchtlich erweitert. Da es sich hierbei um eine der größten, strukturrelevanten
Innovationen in der traditionell geprägten Branche handelt, ist das Profilierungspotenzial
hoch. Durch die bislang bereits gesammelten Erfahrungen mit dem Smart Service im
ÄHeißen (QGH³ NRQQWHQ XQWHUQHKPHQVLQWHUQ ZLH NXQGHQVHLWLJ GLH 9RUDXVVHW]XQJHQ
geschaffen werden, sich in der ankündigenden Disruption der Branche zu behaupten.
$XFK (QGUHVV+DXVHU ]LHOW PLW VHLQHP $QVDW] GHV Ä(PEHGGHG (QJLQHHULQJ³ DXI GLH
Unterstützung des gesamten Kundenprozesses und betrachtet die intelligente,
informationsgesteuerte Überwindung von Schnittstellen als zentralen Fokus von Smart
Services. Die Interviews zeigen jedoch auch hier ein Vorgehen in Entwicklungsschritten,
das sich an den Lebenszyklusphasen der Anlage orientiert. So liegt der Schwerpunkt der
bisherigen Maßnahmen in der Phase der Anlagenentwicklung bis zur Inbetriebnahme.
Die Möglichkeiten zur Optimierung des Produktionsprozesses durch Smart Services in
der sich anschließenden Produktionsphase werden im Moment noch weniger intensiv
ausgeschöpft. Dies soll in einer weiteren Entwicklungsphase stärker vorangetrieben
werden.

3.2.2 Smart-Service-Funktionen

Die Datenanalyse zu der zweiten empirischen Forschungsfrage, die Auswirkungen der


Smart-Service-Funktionen auf die Servicestrategie betrachtet, lässt sich ebenfalls in zwei
Erkenntnissen verdichten:
Design von Smart Services ± Eine explorative Studie im B2B-Sektor 349

Erkenntnis 3: In beiden Fallstudienfirmen unterstützen Smart Services den Wandel vom


ÄUHDNWLYHQ6HUYLFH]XSURDNWLYHQ6HUYLFH/HYHO$JUHHPHQWV³
Vergleicht man den aktuellen Stand der Smart-Service-Funktionen in beiden Fallstudien
mit den in der Literatur differenzierten Stufen, so können diese der zweiten Stufe
zugeordnet werden. Diese Zuordnung bedeutet, dass eine Vielzahl von Überwachungs-
und einige Kontrollfunktionen bereits implementiert sind. Gleichzeitig werden neue
SmarW6HUYLFHVLP)XQNWLRQVEHUHLFKÄOptimierung³ in laufenden Entwicklungsprojekten
forciert. Die durchgängige Integration der Funktionen der drei ersten Stufen zu
autonomen, selbständig arbeitenden Maschinenparks ist bei Bucher Emhart Glass als
teilautonome Steuerung geplant.
Die datengestützte Ä(FKW]HLW³-Überwachung der Maschinen im Kundenprozess ist das
Gerüst des Smart Services. Bei Endress+Hauser stand sie zu Beginn des Projekts, bei
Bucher Emhart Glass ist sie Entwicklungsziel. Damit wird nicht nur die Basis für die
Entwicklung weiterer Smart-Service-Funktionen geschaffen, sondern auch ein Philo-
VRSKLHZHFKVHO GHV 'LHQVWOHLVWXQJVNRQ]HSWHV YRP ÄUHDNWLYHQ 6HUYLFH ]X SURaktiven
6HUYLFH /HYHO $JUHHPHQWV³HLQJHOHLWHW'HU:HFKVHO]XP SURDNWLYHQ9RUJHKHQEHWULIIW
bei Bucher Emhart Glass den Unterhalt der Produktionsmaschinen, da hier unter
anderem die Wartungseffizienz durch die Remote-Service-Steuerung erhöht wird. Durch
proaktive Vorschläge zur Produktionsprozess-Optimierung können zudem neue Kunden-
nutzenpotenziale wie die Vermeidung von Stillständen erschlossen werden. Bei
Endress+Hauser ist darüber hinaus die Entwicklung und Inbetriebnahme der Anlage
miteingeschlossen. Die Überwachungsfunktion des Smart Services ermöglicht, dass das
Unternehmen früh in die Entwicklungszusammenarbeit zwischen Anlagenbauer und
Kunde einbezogen wird. Der digitale Informationszugriff auf die komplexen
Fertigungspläne unterstützt die erfolgskritische Einhaltung der Zeitplanung und sichert
zudem die Flexibilität, auf kurzfristig notwendige Anpassungen der Konstruktion
reagieren zu können.
Die Interviewpartner in beiden Fallstudienfirmen betonen das große Wertpotenzial, das
mit der Einführung von prädikativen Modellen (Predictive Modelling) in ihren
jeweiligen Branchen entstehen kann und ebenfalls Ausdruck eines proaktiven
Serviceverständnisses ist. So können dadurch optimale Zeitpunkte zum
Ersatzteilwechsel ebenso bestimmt werden wie z. B. neuer Maschinenbedarf in Folge
von Produktionsprozessänderungen. Für der dritten Smart-Service-Funktionsstufe
(Optimierung) zugewiesene Lösungsansätze gibt es allerdings noch keine konkreten
Projekte. Noch zukunftsferner ist die autonome, auf dem Prinzip der künstlichen
Intelligenz basierende, selbstdiagnostische Koordination zwischen den Maschinen. Die
Interviewpartner sind überzeugt, dass die Intervention zunächst weiterhin durch
menschliche Eingriffe erfolgen wird. So wird ein Vorteil dieser eingeschränkten
Automatisierung darin gesehen, dass durch die fortbestehende Einbindung der Bucher
Emhart Glass Mitarbeitenden die Grundlage für stetige Lernprozesse gegeben ist, welche
wiederum zu Technologieverbesserungen führen können.
350 Uta Jüttner, Katharina Windler, Adrienne Schäfer und Anja Zimmermann

Erkenntnis 4: Die Einführung von Smart Services führt in beiden Fallstudienfirmen zu


einer Neustrukturierung des Servicesortiments und der Serviceorganisation
Wie zu erwarten hat in beiden Fallstudien die Smart-Service-Strategie erhebliche
Konsequenzen auf das bestehende Servicesortiment und die Serviceorganisation. Durch
Smart Services kann zum Teil Personal entlastet werden. Bei Bucher Emhart Glass
unterstützt und beschleunigt heute der Remote-Zugriff durch Experten den Linienbetrieb
und entlastet den Servicemitarbeitenden beim Kunden. Zum Teil erfolgt auch eine
Verlagerung der Servicemitarbeitenden in andere Prozesse und an andere Serviceorte. So
sitzen Embedded Engineers von Endress+Hauser direkt beim Anlagebauer im Büro.
Die kosten- und umsatzwirksamen Veränderungen in der Smart-Service-Organisation
wurden in beiden Unternehmen bislang primär im direkten Zusammenhang mit den
Produkten betrachtet. Mehrkosten für zusätzliche, nicht verrechenbare Servicepersonal-
kosten lassen sich dadurch rechtfertigen, dass sich höhere Maschinen- bzw. Gerätepreise
durch die Smart-Services-Anbindung gegenüber Kunden besser begründen lassen.
Geringere Serviceeinnahmen werden intern akzeptiert, da sie durch höhere Wechsel-
barrieren und einen Ausbau der Kundenanteile kompensiert werden können. Dies weist
darauf hin, dass Smart Services in beiden Firmen derzeit primär produktbegleitend
vermarktet werden. Wie stark sich letztendlich die Entwicklung von Smart Services auf
den Umsatzanteil mit Dienstleistungen auswirkt, ist noch unklar. Die Wirkung hängt
nicht zuletzt von der Preissensibilität der Kunden ab, die erst noch systematisch erfasst
werden muss. So weist der Leiter globaler Service von Bucher Emhart Glass darauf hin,
dass die Preissensibilität im herkömmlich reaktiven Reparaturservice sehr gering ist:
ÄDie Maschine muss einfach so schnell wie möglich repariert werden, sonst entstehen
hohe Kosten durch den Produktionsunterbruch³ 2E GLH 3UHLVVHQVLELOLWlW EHL
Interventionen im Rahmen proaktiver Service Level Agreements steigt, ist offen. Der
Marketingleiter von Endress+Hauser sieht durchaus das Potenzial für ergebnisorientierte
Preismodelle bei den zukünftigen Smart Services. So ist denkbar, dass über
Leistungskennzahlen gemessene Produktionsprozessverbesserungen beim Kunden zu
Preisdeterminanten zukünftiger Smart Services werden. Im Moment vermutet man in
beiden Firmen, dass sich trotz Restrukturierungen der bisherige Umsatzanteil mit
Dienstleistungen kurz- bis mittelfristig nicht verändern wird. Dieser beträgt bei
Endress+Hauser ca. 20 bis 30 Prozent.

3.2.3 Co-Kreation in den Kundenbeziehungen

Analog zur Diskussion in der Literatur unterstreicht auch die Datenauswertung der
Fallstudienunternehmen Veränderungen der Co-Kreation-Beziehung zwischen Anbieter
und Kunde aufgrund der Smart Services. Anpassungen sind in allen drei Beziehungs-
sphären (Grönroos/Voima 2013) notwendig, d. h. also beim Anbieter, beim Kunden und
in der direkten Interaktion. Aus der Analyse der Daten zu beiden Fallstudien gehen zwei
zentrale Erkenntnisse hervor:
Design von Smart Services ± Eine explorative Studie im B2B-Sektor 351

Erkenntnis 5: Die Einführung der Smart Services erfolgt in beiden Fallstudienfirmen in


GHQ]ZHL3KDVHQÄEHIlKLJHQ³ HQDEOLQJ XQGÄHQWODVWHQ³ UHOLHYLQJ ³GHU.XQGHQ
Die Interviewpartner aus beiden Unternehmen betonen, dass das Ausschöpfen der
Effizienzpotenziale durch Smart Services über zwei Phasen verläuft. In einer ersten
3KDVH PVVHQ .XQGHQ ÄEHIlKLJW³ ZHUGHQ GLH QHXHQ 6\VWHPH ]X EHGLHQHQ XQG ]X
nutzen, um in einer zweiten Phase durch die Automatisierung und die verbesserte
,QIRUPDWLRQVQXW]XQJÄHQWODVWHW³]XZHUGHQ
Insbesondere in der Umstellungsphase von der reinen Produktbedienung zur
Überwachung von Smart-Service-Systemen beinhaltet die Aufgabe der Kunden-
EHIlKLJXQJ GHQ NRPSHWHQWHQ 8PJDQJ PLW Äkombinierten Wissens- und Verständnis-
lücken³ 6R VLQG JHUDGH LQ GHU 3URGXNWLRQ GLe Anwender der neuen Systeme vielfach
Mitarbeitende mit langjährigem Erfahrungswissen bezüglich analoger Geräte und
Instrumente. Speziell bei Kunden in geografisch abgelegenen Standorten mit langen
Wartezeiten bei der Serviceversorgung waren die eigenen Mitarbeiter daran gewöhnt,
Äauch mal selbst Hand anzulegen³'LH$EO|VXQJGXUFKGLHQHXHQ*HUlWHLVWIUVLHHLQ
Quantensprung, für den erst das grundlegende Verständnis sichergestellt werden muss.
Die Interviewpartner in beiden Fallstudienfirmen betonen daher die Bedeutung von
möglichst intuitiven Benutzergeräten, wie z. B. Apps oder Dashboards. Trotz des
Initialaufwandes gehen beide Unternehmen davon aus, dass die Systemumstellung auch
im Fertigungsbereich schnell auf Akzeptanz stoßen wird, da die Vorteile für die
einzelnen Mitarbeitenden überwiegen. So fördert die derzeit im Vordergrund stehende
Überwachungsfunktion des Smart Services die Informationsversorgung und erleichtert
sämtliche Kontrollaufgaben, die während der Fertigung anfallen. Um die in der Literatur
diskutierten kundenseitigen Bedenken zur Datensicherheit und zum Autonomieverlust zu
vermeiden, werden bewusst Vorkehrungen getroffen. So erfolgt der Remote-Zugriff auf
die Anlagen nur nach vorheriger Ankündigung und Einwilligung der Kunden.
Sowohl bei Bucher Emhart Glass als auch bei Endress+Hauser ist der Remote Service
ein wichtiger Treiber der Veränderung in der direkten Interaktion mit dem Kunden. Bei
Endress+Hauser erfolgt dieser meist im Rahmen des 1st-Service-Level-Supports, sodass
zwar ein neuer Touchpoint entsteht, der Servicetechniker vor Ort aber selten ersetzt
wird. Bucher Emhart Glass hat durch die langjährige Remote-Service-Erfahrung eine
Reihe von vormals vor Ort Serviceeinsätzen durch Teleservice ersetzt.
Bezogen auf die Rolle des Anbieters und seine optimale Planung und Durchführung der
Kundenkontakte im Kontext von Smart Services lassen sich aus den Fallstudien zwei
Veränderungen ableiten. Erstens und wenig überraschend führt das vertiefte technische
Wissen zu einer Spezialisierung der Personen mit Kundenkontakt. Der Leiter globaler
Service bei Bucher Emhart Glass erklärt dies am Beispiel der Servicespezialisten für
End-to-End-Systeme, ZR ([SHUWHQ VRZRKO LP Ä+HL‰HQ³ DOV DXFK LP Ä.DOWHQ (QGH³
zugeschaltet werden können. Dieser hohe Spezialisierungsgrad begünstigt die
Zentralisierung, da es zumindest mittelfristig nur wenige solcher Wissensträger gibt.
Sowohl der Marketingleiter von Endress+Hauser als auch der Produkt Manager After
352 Uta Jüttner, Katharina Windler, Adrienne Schäfer und Anja Zimmermann

Sales Service von Bucher Emhart Glass sehen in der notwendigen Spezialisierung auch
eine Herausforderung für den Vertrieb im Kontext von Smart-Service-Systemen. Wie
schon beim Vertrieb für strategische Schlüsselkunden oder dem Lösungsverkauf (Davies
et al. 2006) ist auch hier die Vertriebsfunktion durch Beratungsteams mit Mitgliedern
aus Service, IT und Entwicklung zu unterstützen.
Erkenntnis 6: In den untersuchten Firmen begünstigt die Einführung von Smart Services
den Wechsel von ereignisgesteuerten Kontakten zu kundenprozessbegleitenden
Kontakten
Im direkten Zusammenhang mit dem Wandel vom ÄUHDNWLYHQ 6HUYLFH ]X SURDNWLYHQ
6HUYLFH /HYHO $JUHHPHQWV³ YJO (UNHQQWQLV   LVW LQ EHLGHQ )DOOVWXGLHQILUPHQ HLQH
Verlagerung der Kundenkontakte erkennbar. Da ereignisgesteuerte Kundenkontakte
während der Reparatur und Wartung durch Smart Services reduziert werden können,
verlagern sich die Kontakte auf die Begleitung der Kunden über alle Prozesse hinweg.
Dies wird sowohl von Endress+Hauser als auch von Bucher Emhart Glass bewusst als
Zielsetzung des Smart-Service-Systems verfolgt. Ereignisorientierte Kundenkontakte
können zwar durchaus die Kundenzufriedenheit fördern, da dringende Probleme gelöst
werden. Dennoch vermeiden sie lediglich (unnötige) Kosten der Kunden und
unterstützen deren primäre Wertschöpfungsprozesse nicht. Durch den digitalen
Informationszugriff des Smart Services ist die Voraussetzung für die effektive
Unterstützung der kundenseitigen Wertschöpfung durch Produktionsprozess-
optimierungen gegeben. Da die Optimierungsfunktion in beiden Firmen im Smart-
Service-System noch nicht vollautomatisiert erfolgt, werden vermehrt beratende
Kontakte mit Produktions- und Entwicklungsleitern in den Smart-Co-Kreation-
Beziehungen angestrebt.

3.2.4 Smart-Service-Systeme

Betrachtet man die Entwicklungen der Smart-Service-Systeme sind Unterschiede


zwischen beiden Unternehmen erkennbar. Im Anlagenbau für die
Glasbehälterproduktion kündigt sich mit der Verbindung vom ÄHeißen und Kalten
(QGH³ HLQH 6PDUW-Service-Systementwicklung an, die zwei Funktionsgruppen
(GlasforPXQJXQG)RUPSUIXQJ ]XHLQHPÄ6\VWHPGHU6\VWHPH³ bündelt. In Analogie
zu der oben vorgeschlagenen Definition von Smart-Service-Systemen sind in diesen
Funktionsgruppen auch bislang unterschiedliche Akteure, d. h. spezialisierte
Wettbewerber, tätig. Bei Endress+Hauser hingegen ist das Smart-Service-System auf
eine Funktionsgruppe ± die Optimierung der verfahrenstechnischen Abläufe ± fokussiert.
Trotz der unterschiedlichen Systemabgrenzung lassen sich in beiden Unternehmen
vergleichbare Veränderungen im Smart-Service-System beobachten, die nachfolgend
anhand von zwei formulierten Erkenntnissen erläutert werden.
Design von Smart Services ± Eine explorative Studie im B2B-Sektor 353

Erkenntnis 7: In den Servicesystemen der Fallstudienfirmen führt die Entwicklung von


Smart Services zu einer Verdrängung von Anbietern klassischer Produkte und/oder
klassischer Dienstleistungen
In beiden Servicesystemen verursacht die Einführung von Smart Services einen
Verdrängungswettbewerb, der primär durch neue Rollen der bestehenden Akteure
angestoßen wird. Smart Services begünstigen die Erhöhung der Wertschöpfungstiefe, so
dass der Spezialisierungsgrad der systemtreibenden Akteure zurückgeht. Dies wird
beispielhaft für beide Unternehmen am Fall von Endress+Hauser erläutert.
Im System der Verfahrenstechnik von Endress+Hauser gibt es drei Rollen und
entsprechend verschiedene Profile von Akteuren: Anbieter von Geräten für Anlagen im
Bereich der industriellen Prozesstechnik und Automatisierung, Anlagenbauer und
Anbieter klassischer Dienstleistungen im Bereich der Inbetriebnahme und des Betriebs
der Anlagen. Auch hier übernimmt die Entwicklung von Smart Services eine
Integrationsfunktion für das Servicesystem, welche zudem zu Verlagerungen in der
gemeinsamen Wertschöpfung und individueller Wertanteile sowie zur Gefahr der
Verdrängung einzelner Akteure führt. Der Marketingleiter von Endress+Hauser
prognostiziert folgende Veränderungen im Smart-Service-System:
„ Anbieter von Geräten im Bereich der industriellen Prozesstechnik und
Automatisierung sind aufgrund der technischen Anbindung an den Produktions-
prozess der Kunden prädestiniert für die Rolle des Smart-Service-
Systementwicklers.
„ Geräte von Anbietern im Bereich industrieller Prozesstechnik ohne ein Angebot an
Smart Services können im System von Mitbewerbern integriert werden. Ohne
Smart-Service-Systemintegration sind diese Anbieter einem zunehmenden
Kostendruck ausgesetzt.
„ Die Position der Anlagenbauer im Smart-Service-System ist nicht gefährdet, sie
profitieren von Smart Services.
„ Spezialisierte Dienstleister ohne Smart-Service-Anbindung, die sich auf die
Inbetriebnahme und Betriebssicherung fokussieren, sind einem hohen Verdräng-
ungsrisiko ausgesetzt.
Mit seinem Embedded-Engineering-Ansatz ist Endress+Hauser mit den Smart Services
DXI ]ZHL ÄKundengruSSHQ³ DXVJHULFKWHW 3URGX]HQWHQ XQG $QODJHQEDXHU 'LH ,PSOH-
mentierung des :HUWYHUVSUHFKHQV ÄSchnittstellenoptimierung³ führt dazu, dass sie
erstens in allen Prozessphasen als Akteur involviert sind und zweitens die Rolle der
Datenzentrale übernehmen und verteidigen wollen.
Erkenntnis 8: Die Anschlussfähigkeit der eigenen Smart-Service-Systeme wird bei
beiden Firmen von Kunden und Anbietern bestimmt
In den Branchen beider Fallstudienunternehmen gibt es Mitbewerber, die wie sie selbst
den Ausbau des Smart Services vorantreiben. Da die Konkurrenten erstens in der
Entwicklung zurückliegen und zweitens der Ausbaustand der Konnektivität in den
354 Uta Jüttner, Katharina Windler, Adrienne Schäfer und Anja Zimmermann

Systemen bislang noch niedrig ist, stellt sich weder für Bucher Emhart Glass noch für
Endress+Hauser die Frage nach dem Anschluss an Fremdsysteme. Relevant ist hingegen
GLH (QWVFKHLGXQJ RE DXFK Ä)UHPGJHUlWH³ LQ GLH HLJHQHQ 6\VWHPH LQWHJULHUW ZHUGHQ
sollen.
Endress+Hauser bietet GHQ .XQGHQ PLW VHLQHP 6HUYLFH Ä,QVWDOOHG %DVH $XGLW³ eine
Datenbank über deren gesamte installierte Basis an, in die auch Geräte von
Fremdanbietern eingeschlossen sind. Für das Unternehmen selbst hat das den Vorteil,
dass sie anhand dieser Informationen z. B. jeweils frühzeitig erkennen, wann ein Produkt
eines Fremdanbieters ausgewechselt werden sollte. So können Kunden zum richtigen
Zeitpunkt auf entsprechende Ersatzprodukte aus dem eigenen Sortiment aufmerksam
gemacht werden. Die Vielzahl der in einer Anlage integrierten Produkte wird allerdings
eine gänzliche Substitution der Fremdgeräte verhindern. Gemäß dem Marketingleiter
reagieren sie proaktiv, da für Anlagenbauer und Kunden auch der Einkauf von
Drittgeräten übernommen wird. Auch kundenseitig gibt es den Wunsch, dass
Endress+Hauser Informationen zu Produkten von Mitbewerbern in die Datenbank
aufnimmt. Gründe sind neben hoher Zufriedenheit mit den Drittgeräten auch der
Wunsch, die Abhängigkeit vom Systemanbieter einzuschränken. Den größten Einfluss
auf die Anschlussfähigkeit der Systeme aber hat der Anlagenbauer. Als weiterer
Nutznießer der Schnittstellenoptimierung haben diese ein besonderes Interesse daran,
möglichst viele Lieferanten in einer zentralen Datenbank zu erfassen. Darüber hinaus
gibt es analog zu den Kunden auch beim Anlagenbau Loyalitäten in bestehenden
Beziehungen.

3.2.5 Treiber von Smart Services und Auswirkungen auf die Branche

Die Beantwortung der letzten empirischen Forschungsfrage nach möglichen Treibern


von Smart Services und den Auswirkungen auf die Branche konnte in zwei
Erkenntnissen zusammengefasst werden:
Erkenntnis 9: Die Technologie wird über die zentrale Datenspeicherung, den virtuellen
Datenzugriff und die Echtzeit-Datenversorgung zum Werttreiber des Smart Services
Der Technologieentwicklung wurde erwartungsgemäß auch in beiden untersuchten
Fallstudien die höchste Relevanz als Treiber des Smart Services eingeräumt. Interessant
ist dabei das Zusammenspiel der Technik mit den wahrgenommenen Wertpotenzialen
aus Anbieter- und Kundensicht. So gab es sowohl bei Bucher Emhart Glass als auch bei
Endress+Hauser Gründe für die Einführung des Smart Services, die den klassischen
Argumenten im Zusammenhang mit dem Lösungsverkauf (Jaakkola/Hakanen 2013) sehr
ähneln. Diese reichen anbieterseitig von der Erhöhung der Kundennähe über die
Differenzierung vom Wettbewerb bis zur Verteidigung der Rolle als Innovationsführer.
.XQGHQVHLWLJ]lKOHQKLHU]X9RUWHLOHZLHÄalles aus einer Hand³VRZLHGLH2SWLPLHUXQJ
der eigenen Produktion.
Design von Smart Services ± Eine explorative Studie im B2B-Sektor 355

Erst die genauere Analyse der Falldokumente hat eine spezifischere Betrachtung der
Technologie als Werttreiber ermöglicht. Konkret können drei Eigenschaften von Smart
Services unterschieden werden: zentrale Datenspeicherung, virtueller Datenzugriff und
Echtzeit-Datenversorgung. Diesen drei Eigenschaften können Nutzen in den vier
Dimensionen Zeit, Produktivität, Wissen und Sicherheit zugeordnet werden (vgl.
Abbildung 2).
Neben den, auch in der Literatur vielfach betonten Potenzialen zur Produktivitäts-
steigerung durch Smart Services, zeigt die Tabelle weitere, auch branchenspezifische
Wertpotenziale. So bewirkt z. B. bei Bucher Emhart *ODVV GHU 7UHLEHU Ä7HFKQRORJLH³
HLQH Äüberfällige Modernisierung der gesamten Branche³ Man geht davon aus, dass
zukünftig immer mehr Know-how in der Glasindustrie verloren geht. Aus diesem Grund
versucht man mit smarten Lösungen diesem Verlust entgegenzuwirken. Hier unterstützt
die zentrale Datenspeicherung des Smart Services das Wissensmanagement und der
virtuelle Datenzugriff fördert die Verlagerung der Arbeitsplätze von der Maschine in den
Kontrollraum. Weitere Wertpotenziale durch den virtuellen Datenzugriff entstehen
aufgrund der weltweit dezentralen Verteilung der Glasbehälterproduktion. Im Gegensatz
zu Bucher Emhart Glass verfügen viele Mitbewerber aus diesem Grund nur über einen
wenig ausgebauten Service, das Kosten-Nutzen-Verhältnis ist aus Anbietersicht zu
ungünstig. Durch den Smart-Remote-Service können Zeit und Kosten gespart werden.
Interessant ist daher die Frage, ob der bisherige Wettbewerbsvorteil von Bucher Emhart
Glass mittelfristig verloren geht.
Erkenntnis 10: Smart Services können, müssen aber nicht, zu einer Verschiebung der
Branchengrenzen führen
Während in der Literatur die Verschiebung von Branchengrenzen durch Smart Services
vielfach diskutiert wird, legen die Fallstudienergebnisse eine vorsichtigere Einschätzung
nahe. In beiden Branchen ist eine grundlegende Erweiterung der Branchengrenzen noch
nicht erkennbar und deutet sich auch nicht an. Im Fall der Anlagen für die Glasindustrie
führt der Smart Service zu einer Zusammenführung von zwei vormals getrennten
Teilmärkten und in beiden Branchen löst die Entwicklung von Smart Services eine
Verdrängung bestehender Akteure aus (vgl. Abschnitt 3.2.4). Ob die zukünftige
Entwicklung weitergehende Veränderungen in den Branchen nach sich zieht, bleibt
abzuwarten.
356 Uta Jüttner, Katharina Windler, Adrienne Schäfer und Anja Zimmermann

Zentrale
Virtueller Datenzugriff Echtzeit-Datenversorgung
Datenspeicherung

Zeit ƒ Zeitvorteile durch ƒ Zeitvorteile durch ƒ Zeitvorteile durch


Schnittstellen- Remote Service im Vermeidung von
optimierung in der weltweiten Maschinenstillständen
Anlageentwicklung Absatzmarkt ƒ Flexibilität bei kurzfristigen
Spezifikationsänderungen

Produktivität ƒ Geringere Kosten ƒ Effizientere


durch Remote Produktionsplanung
Service im ƒ Produktivitätssteigerung
weltweiten
durch geringeren Bedarf an
Absatzmarkt Roh- und Betriebsstoffen
(Energie)
ƒ Effizientere Wartung und
Reparatur
ƒ Effizientere
Qualitätskontrollen

Wissen ƒ Abfederung der ƒ Lernprozesse durch den


branchentypischen Informationsfluss zwischen
Wissensverluste zuvor weitgehend getrennten
Produktionsbereichen
ƒ Papierlose
Transparenz über
Informationen zum
gesamten
Anlagenpark

Sicherheit ƒ Geringere ƒ Sicherere ƒ Vermeidung von Störfällen


Abhängigkeit von Arbeitsplätze durch durch die schnellere
einzelnen Maschinen- Identifikationsmöglichkeit
Wissensträgern überwachung aus von Produktionsrisiken
dem Kontrollraum

Abbildung 2: Technologie als Werttreiber von Smart Services in den


Fallstudienunternehmen

4. Zusammenfassung und Implikationen


Während in der Literatur die Frage, was Smart Services von klassischen Services
unterscheidet, gut dokumentiert ist (z. B. Porter/Heppelmann 2014), besteht eine
Wissenslücke dahingehend, wie die Bestandteile eines Smart Service zu entwickeln sind
(Wünderlich et al. 2015). Dieser Entwicklung lassen sich vier zentrale Designaufgaben
zuordnen. Mit Hilfe von zwei explorativen Fallstudien im B2B-Kontext konnten
Erkenntnisse zur Umsetzung der Designaufgaben in Unternehmen gewonnen sowie
Treibereffekte für Smart Services und deren Wechselwirkungen mit der Branche
beleuchtet werden. Das Smart Service Cockpit (vgl. Abbildung 3) gibt einen Überblick
Design von Smart Services ± Eine explorative Studie im B2B-Sektor 357

über die vier Designaufgaben und die daraus abzuleitenden praktischen Implikationen
für Unternehmen.

Neue DNA Neue Funktionen

Praktische Implikationen: Praktische Implikationen:


‡ 3URGXNWHÄ6PDUW6HUYLFH-IlKLJ³ ‡ Funktionsniveau des Smart Service
machen bestimmen
‡ Konnektivitätsgrad bestimmen ‡ Proaktive Service Level Agreements
‡ Möglichkeiten der Skalierung festlegen
überprüfen ‡ Sortiment und Serviceorganisation
anpassen

Neue Co-Kreation in der


Neues Servicesystem
Kundenbeziehung

Praktische Implikationen: Praktische Implikationen:


‡ Kunden-Touchpoints bestimmen ‡ Angebot zu Funktionsgruppen
(von ereignis- zu kundenprozess- zuteilen
orientiert/ enabling und reliefing) ‡ Kooperationsgerichtete Strategien
‡ Wertaufteilung zwischen Anbietern auswählen
und Kunden neu bestimmen ‡ Aktivitäten selbst anbieten oder
auslagern

Abbildung 3: Smart Service Cockpit

Die erste Designaufgabe adressiert die neue DNA des Smart Services bestehend aus
physischen, smarten und Konnektivitäts-Bestandteilen, die den Informationsaustausch
zwischen dem Produkt und seinem Umfeld (Hersteller, Nutzer, andere Produkte) sowie
der Cloud ermöglichen. Als praktische Implikation lassen sich für Unternehmen
folgende Schritte ableiten: um das Potenzial für datenbasierte Smart Services zu legen,
siQG ]XQlFKVW GLH 3URGXNWH Ä6PDUW-Services-IlKLJ³ ]X PDFKHQ :eiterhin ist der
Ä.RQQHNWLYLWlWVJUDG³ ]X EHVWLPPHQ ÄRQH-to-RQH³ ÄRQH-to-PDQ\³ ÄPDQ\-to-PDQ\³ 
wobei die empirischen Ergebnisse ein sequenzielles Vorgehen nahe legen. In einem
dritten Schritt sollten Unternehmen die Möglichkeiten zur Skalierung von Smart-
Service-Systemen regelmäßig überprüfen, denn oftmals wird nicht von Anfang an das
volle Potenzial ausgeschöpft.
Die zweite Designaufgabe betrifft die neuen Funktionen des Smart Services (Über-
wachung, Kontrolle, Optimierung und Autonomie). Zunächst gilt es für Unternehmen
das Funktionsniveau der eigenen Smart Services zu bestimmen, sowohl für die
Einführung wie auch die weitere Entwicklung. Im nächsten Schritt sind proaktive Smart-
358 Uta Jüttner, Katharina Windler, Adrienne Schäfer und Anja Zimmermann

Service-Level-Agreements festzulegen und damit einhergehend das Sortiment sowie die


Serviceorganisation anzupassen.
Die dritte Designaufgabe beschäftigt sich mit der neuen Co-Kreation in der
Kundenbeziehung, die sich aufgrund der ortsunabhängigen und Echtzeit-gesteuerten
Charakteristika von Smart Services bietet. Unternehmen müssen die Kunden-
Touchpoints neu bestimmen, da sich durch den Smart Service der
Wertschöpfungsprozess verändert hat. Dabei zeichnet sich eine Verschiebung ab, die
weg von ereignisgesteuerten Touchpoints hin zu kundenprozessbegleitenden
Touchpoints geht. Unternehmen gehen dabei stufenweise vor: zunächst erfolgt die
Befähigung des Kunden (enabling) und dann die Entlastung des Kunden (relieving).
Abgeleitet daraus ist auch die Wertaufteilung zwischen Anbietern und Kunden neu zu
bestimmen.
Die vierte und letzte Designaufgabe betrifft die Positionierung von Anbietern von Smart
Services innerhalb des neuen Smart-Service-Systems. Für Unternehmen impliziert das
drei Entscheidungen: zunächst ist die Zuteilung ihres Smart-Service-Angebotes zu den
Funktionsgruppen zu klären. Dann müssen sie entscheiden, welche Kooperations-
strategien sie auswählen und schließlich ist zu klären, ob sie das gesamte Spektrum
selbst anbieten oder Aktivitäten auslagern.
Die Rolle der Technologie als wesentlicher Treiber von Smart Services hat sich
erwartungsgemäß auch in den beiden Fallstudien empirisch bestätigt. Ferner konnten
neben den in der Literatur thematisierten Produktivitätssteigerungen weitere, auch
branchenspezifische Wertpotenziale identifiziert werden. Die disruptive Kraft von Smart
Services stellt im B2B-Kontext gleichermaßen wie im B2C-Geschäft den Nutzen des
Verbrauchers in den Mittelpunkt. Die damit einhergehenden neuen datengetriebenen
*HVFKlIWVPRGHOOH HUIRUGHUQ HLQH IOH[LEOH 9HUQHW]XQJ XQG ZHLWJHKHQG DXWRPDWLVLerte
Kollaboration in digitalen gNRsystemen (Smart Services Welt/achatech 2015). Neben
den oben genannten praktischen Implikationen für Unternehmen zeichnet sich auch für
die Forschung Handlungsbedarf ab.
Zentrale Forschungsfelder, deren Wichtigkeit und Dringlichkeit aus den Fallstudien
bestätigt werden, betreffen die forcierte Entwicklung und Demonstration von proaktiven
Sicherheitssystemen und Konzepten zur Datensicherheit sowie gezielte Maßnahmen zur
Vermittlung von Kenntnissen der IT-Sicherheit und zur Bewusstseinsbildung von
Sicherheitsrisiken (Arbeitskreis Smart Services/acatech 2015). Sicherheitsbedenken sind
heute häufig noch eine Barriere, die die Skalierbarkeit von Smart-Services-Angeboten
hemmt (vgl. Abschnitt 3.2.1 und 3.2.3).
Wenig untersucht ist bisher auch, wie Smart Services bestehende Branchen und das
Image einzelner Berufsfelder verändert. Eine grundlegende Verschiebung der
Branchengrenzen, wie sie die Literatur nahelegt, wurde in den explorativen Fallstudien
nicht bestätigt. Querschnittstudien könnten einen Beitrag zur Klärung dieser Frage
leisten. Mit dem Angebot von Smart Services verändern sich Tätigkeiten in
verschiedenen Branchen. Dadurch bieten sich Profilierungsmöglichkeiten für
Design von Smart Services ± Eine explorative Studie im B2B-Sektor 359

unterschiedliche Berufsfelder, insbesondere diejenigen, die einen Mangel an


qualifizierten Nachwuchsfachkräften beklagen. Gleichzeitig können Smart-Service-
$QJHERWH EHL HLQHP Ä*HQHUDWLRQHQZHFKVHO³ GHQ GURKHQGHQ :LVVHQVYHUOXVW GXUFK GLH
Datenspeicherung abfedern. Beschäftigungsentwicklung im Allgemeinen sowie
Veränderungen und Herausforderungen der Arbeitsplatzgestaltung, die mit der Smart-
Service-Arbeitswelt einhergehen, sind noch weitgehend unerforscht und bieten daher
Raum für weitere interessante Erkenntnisse.

Danksagung
Die Autorinnen danken Herrn Alexander Röttcher von Endress+Hauser sowie Herrn
Andreas Helfenstein, Herrn Christian Schäfer und Herrn Christian Brändli von Bucher
Emhart Glass, die bei der Erstellung der Fallstudien mitgewirkt haben, für die
umfangreiche Unterstützung dieser Arbeit. 

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Christian Gorldt, Stefan Wiesner, Ingo Westphal und K.-D. Thoben

Product-Service Systems im Zeitalter


von Industrie 4.0 in Produktion und Logistik
± Auf dem Weg zu Cyber-Physischen Product-
Service Systemen

1. Einleitung

2. Theoretischer Hintergrund
2.1 Cyber-Physische Systeme
2.2 Product-Service Systems

3. Cyber-Physische Product-Service Systeme

4. Ansätze für das Requirements Engineering von Cyber-Physischen Product-


Service Systemen
4.1 Herausforderungen im Anforderungsmanagement
4.2 Lösungsvorschläge für ein geeignetes Anforderungsmanagement

5. Zusammenfassung und Ausblick

Literaturverzeichnis

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017


M. Bruhn und K. Hadwich (Hrsg.), Dienstleistungen 4.0,
DOI 10.1007/978-3-658-17552-8_15
___________________________
Christian Gorldt, M. Sc., ist Abteilungsleiter am BIBA ± Bremen Institut für Produktion
und Logistik GmbH an der Universität Bremen. Stefan Wiesner, Dipl.-Wi.-Ing., und Ingo
Westphal, Dipl.-Ing. oec, sind wissenschaftliche Mitarbeiter am dortigen Institut. Klaus-
Dieter Thoben, Prof. Dr.-Ing., ist Dekan des Fachbereichs Produktionstechnik der Univer-
sität Bremen und Geschäftsführer des BIBA.
1. Einleitung
Moderne Industrieunternehmen sind durch eine Kombination von menschlichen Kompe-
tenzen und Fähigkeiten sowie Technologien gekennzeichnet. Diese Kombination befähigt
sie komplexe Prozesse zu beherrschen und sich damit Wettbewerbsvorteile zu sichern.
Um gegen die internationale Konkurrenz bestehen zu können, nutzen Unternehmen wirt-
schaftliche Skaleneffekte und die Kooperation mit globalen Partnern (Reichwald/Piller
2009; D'Aveni et al. 2010). In diesem Zusammenhang kann die Supply Chain als ein Öko-
system, gekennzeichnet durch eine Vielzahl an Akteuren, verstanden werden, die durch
unterschiedliche Bedürfnisse geprägt sind sowie individuelles Wissen in die Kooperation
beisteuern und partnerschaftlich in einem dynamischen Umfeld agieren (Hintsa/Uronen
2012).
Die Dynamik des heutigen wirtschaftlichen Handelns ist vor allem durch einen schnellen
Technologiefortschritt und kurze Markteinführungszeiten gekennzeichnet. Um diesen
Herausforderungen zu begegnen, sind effiziente Prozesse zur Marktrealisierung gefragt
sowie die Vermeidung von Fehlern unter Berücksichtigung der bestmöglichen Qualität
zur Befriedigung der Kundenbedürfnisse (Chang, et al. 2013; Lee et al. 2010; Kossiakoff
2011).
Follet (2014) führt das Internet der Dinge als bedeutenden Technologieansatz in modernen
Industrienationen auf. Daneben gewinnen vor allem Robotertechnologien, additive Ferti-
gungsverfahren (3D Druck) und eine kundenindividuelle Just-in-time-Produktion an Be-
deutung. Die Bedeutsamkeit der sich aus der Technologie ergebenden Potenziale wurde
erkannt und politisch durch Forschungsprogramme vorangetrieben. In Deutschland wird
GLH JHQDQQWH (QWZLFNOXQJ LP =XNXQIWVSURMHNW Ä,QGXVWULH ³ (Kagermann et al. 2013;
Bochmann et al. 2015) berücksichtigt, während die USA die Smart Manufacturing Lea-
dership Coalition (SMLC) etablieren (Smart Manufacturing Leadership Coalition 2011).
Beide Initiativen treiben die Implementierung von Cyber-Physischen Systemen (CPS) in
der Fertigung voran (Baheti/Gill et al. 2011). Cyber-Physische Systeme werden als Tech-
nologie verstanden, um die Lücke zwischen der virtuellen (IT) und realen (physischen)
Welt zu schließen. Durch Nutzung von Sensorik und Aktorik und die Vernetzung der CPS-
Komponenten sollen Prozesse in Fabriken effizienter und effektiver gestaltet werden. Das
Entwickeln und Realisieren dieser Cyber-Physischen Systeme erfordert interdisziplinäre
Kompetenzen und somit die Zusammenarbeit zahlreicher Fachrichtungen, wie z. B. Ma-
schinenbau, Elektrotechnik und Informatik (Geisberger/Broy 2012).
Neben den genannten technischen Veränderungen ist auch ein Wandel der etablierten Ge-
schäftsmodelle festzustellen. Immer öfter wird nicht nur auf den Verkauf von Produkten
abgezielt, sondern auch darauf, sie als Bestandteil integrierter Dienstleistungslösungen an-
zubieten.Der Wandel vom Verkäufer- zum Käufermarkt stellt den Kunden in den Mittel-
366 Christian Gorldt, Stefan Wiesner, Ingo Westphal und K.-D. Thoben

punkt und somit gewinnt die kundenindividuelle Produktion an Bedeutung. Lösungsan-


bieter kombinieren die Produkte mit abgestimmten Dienstleistungen, um dieser Entwick-
lung zu begegnen. Diese so genannten Product-Service Systeme (PSS) beschreiben die
integrierte Entwicklung, Realisierung und das Anbieten von speziellen Produkt-Dienst-
leistungspaketen als Lösung für den Kunden (Vandermerwe/Rada 1988; Goedkoop1999;
Baineset al. 2007a). Die Entwicklung von PSS erfordert neben Wissen über die darin ent-
haltenen Produkt- und Service-Komponenten sowie über deren Zusammenwirken vor al-
lem Wissen über die speziellen Kundenanforderungen.
Die gemeinsame Betrachtung von Cyber-Physischen Systemen und Produkt-Service Sys-
temen gewinnt im wirtschaftlichen Handeln immer mehr an Bedeutung, vor allem auf-
grund der hohen Verfügbarkeit von intelligenten Informations- und Kommunikationstech-
nologien und den damit niedrigen Anschaffungskosten der Hardware (Klocke et al. 2011).
Die Nutzung von CPS ermöglicht eine Verbesserung der Mensch-Maschine-Schnittstelle
und eine Anpassung an Umweltveränderungen (Yang et al. 2009). Die Kombination von
CPS und PSS als integrierter Ansatz beschrieben wird und als Cyber-Physisches Product-
Service System (CPSS) verstanden (Gorldt et al. 2016). Um CPSS entwickeln zu können,
müssen die entsprechenden Anforderungen an eine Lösung klar definiert sein, da sich
diese aus den jeweiligen Kundenbedürfnissen entlang des gesamten Produktlebenszyklus
ergeben (Nilsson/Fagerström 2006; Rouse/Sage 2009; Kunii et al. 2012). Um dieser For-
derung gerecht zu werden, ist die Etablierung eines Anforderungsmanagements notwen-
dig, das die Kundenbedürfnisse berücksichtigt und den Forderungen der jeweiligen Sta-
keholder genügt.
Eine große Herausforderung ist es, die einzelnen Sichtweisen (Produkt, Dienstleistung und
Information- und Kommunikationstechnologie) bei der Anforderungsspezifikation zu har-
monisieren. Jede der drei genannten Perspektiven verwendet eigene Modelle, Methoden
und Werkzeuge für die Anforderungsspezifikation. Auch nimmt die Komplexität durch
die hohe Anzahl der zu betrachtenden Rollen entlang des Produktlebenszyklus zu und die
individuellen Kundenanforderungen erhöhen die Dynamik bei der Anforderungsauf-
nahme (Blanchard 2004). Eine kontinuierliche Kommunikation im CPSS-Entwicklungs-
prozess unter allen Beteiligten und dem Anforderungsmanagement ermöglicht eine zuver-
lässige Aufnahme der Anforderungen (Hull et al. 2005).
Dieser Beitrag will einen Ausblick auf den Stand der Forschung von Cyber-Physischen
Systemen und Product-Service Systems leisten und die Motivation sowie Herleitung eines
integrierten Konzeptes zu Cyber-Physischen Product-Service Systemen darstellen. Er
wird eine erste Beschreibung des Konzeptes Cyber-Physische Product-Service Systeme
aus der Sicht des Anforderungsmanagements leisten.
Product-Service Systems im Zeitalter von Industrie 4.0 in Produktion und Logistik 367

2. Theoretischer Hintergrund
Mit diesem Beitrag soll gezeigt werden, vor welchen Herausforderungen Unternehmen
bei der Einführung von Cyber-Physischen Product-Service Systemen stehen, um erfolg-
reich die entwickelte Lösung am Markt anbieten zu können. Zunächst werden dazu die
Eigenschaften von CPSS charakterisiert und Herausforderungen, die sich im Anforde-
rungsmanagement ergeben, identifiziert. Es werden bekannte Ansätze zum Anforderungs-
management sowie deren Defizite im Hinblick auf die CPSS-Entwicklung beschrieben.
Nachfolgende Forschungsfragen werden untersucht.
„ Wie ist der Stand der Wissenschaft in der CPS- und PSS-Forschung und wie kann
dieser genutzt werden, um das CPSS-Konzept in der Praxis zu etablieren?
„ Wie ist ein Cyber-Physisches Product-Service System charakterisiert und welche be-
stehende Anforderungsmanagement-Ansätze können aus der Literatur übernommen
werden?
„ Welches sind ungelöste Herausforderungen zum CPSS-Anforderungsmanagement
und wie können diese überwunden werden?
Zunächst wurde eine Literaturrecherche in der SCOPUS Datenbank durchgeführt, um ei-
nen Überblick über aktuelle wissenschaftliche Publikationen in der Thematik Product-
Service Systems und Cyber-Physische Systeme zu erhalten. Die Recherche umfasste
deutsch- und englischsprachige Veröffentlichungen, um auch internationale Erkenntnisse
in dieser Forschungsdomäne zu erhalten. Es wurde nach den Begriffen: Cyber-Physical
System, CPS, Product-Service System, PSS und Requirements Engineering recherchiert.
Die gefundenen Veröffentlichungen wurden auf Basis der jeweiligen Zusammenfassun-
gen auf Relevanz geprüft und die sich daraus ergebende Auswahl im weiteren Verlauf
ausführlich analysiert.

2.1 Cyber-Physische Systeme


Die fortschreitende Digitalisierung in der Gesellschaft durch die Nutzung moderner In-
formationstechnologien, Internet und mobilen Endgeräten hat in den vergangenen zwei
Jahrzehnten auch zu neuen Formen der Kommunikation, der Arbeit und der Mediennut-
zung geführt. Die nächste Stufe einer digitalisierten Wirtschaft wird über die Einführung
von Technologien, die auf Systemen mit eingebetteten softwaretechnischen sowie elekt-
ronischen Komponenten und einer Dateninfrastruktur beruhen, zum Internet der Dinge
führen. Die von diesen Cyber-Physischen Systemen zur Verfügung gestellten Daten kön-
nen in Cloud-Rechenzentren hochautomatisiert verarbeitet und über intelligente Dienste
den Nutzern zur Verfügung gestellt werden (BMWi 2015).
368 Christian Gorldt, Stefan Wiesner, Ingo Westphal und K.-D. Thoben

Cyber-Physisches System

Prozessor

Sensor(en) Kommunikator Aktor(en)

wird
wirken
erfasst
auf
durch

Umwelt

Abbildung 1: Funktionsweise eines Cyber-Physischen Systems


(Quelle: Veigt et al. 2013, S. 15-18)

Cyber-Physische Systeme können wie oben dargestellt aus den Elementen Sensoren, Pro-
zessoren, Kommunikatoren und Aktoren bestehen, haben dynamische Systemgrenzen und
je nach Anwendungszweck bzw. Aufgabe stehen eine Vielzahl von CPS-Systemen zeit-
lich begrenzt untereinander im Austausch. Ein Cyber-Physisches System muss somit in
der Lage sein, aktiv Dienste mit anderen Systemen zu teilen. Die zu erfüllenden Aufgaben
eines Cyber-Physischen Systems sind im Vorfeld nicht immer bekannt, das Cyber-Physi-
sche System muss in der Lage sein, sich der jeweiligen Umweltsituation bzw. dem jewei-
ligen Anwendungsanforderung anzupassen (Colombo et al. 2013). Dies erfordert ständige
Überwachung und eine Abschätzung der Umgebungs- und Anwendungsdaten (Wan/Ala-
gar 2014). Des Weiteren gibt es in den meisten Fällen keine zentrale Kontrolle von Cyber-
Physischen Systemen. Entscheidungen werden dezentral, d. h. lokal vom Cyber-Physi-
schen System getroffen, basieren dabei auf der Einschätzung der jeweiligen aktuell vor-
liegenden Situation und werden stetig durch einen kooperativen Lernprozess verbessert
(Zhou et al. 2013). Um die Schnittstellenfunktion zwischen der realen und virtuellen Welt
zu erfüllen, müssen Cyber-Physische Systeme in der Lage sein, mit Menschen und Dingen
zu interagieren. Die Erkennung und Interpretation menschlichen Verhaltens sowie die in-
teraktive Abstimmung zwischen dem System und einzelnen Personen oder Gruppen er-
fordert das Vorhandensein solcher Schnittstellen (Schirner et al. 2013).
Product-Service Systems im Zeitalter von Industrie 4.0 in Produktion und Logistik 369

2.2 Product-Service Systems


Das Konzept der Product-Service Systems beschreibt die Bündelung von Sachgütern und
Dienstleistungen zur Steigerung des Kundennutzens (Vandermerwe/Rada 1988; Furrer
1997). Demzufolge werden wertschöpfende Prozesse durch eine Erweiterung des Unter-
nehmensnetzwerkes um Partner ermöglicht, die über das Wissen und die Fertigkeiten ver-
fügen, um gemeinsam ein integriertes PSS-Nutzenversprechen zu entwickeln und zu lie-
fern.
Für produzierende Industrien gewinnt ein erweitertes Angebot von Dienstleistungen im-
mer mehr an Bedeutung. Vor allem bei individualisierten Industrieprodukten (z. B. Son-
dermaschinenbau) ist ein Wandel von der reinen Produktorientierung und dem damit ver-
bundenen reinen Verkauf komplexer Produkte hin zu einer Lösungskombination von
Produkt und Dienstleistungen zu beobachten. Diese Entwicklung wird in der Literatur als
so genannter ÄServitization³-Ansatz bezeichnet und ermöglicht den Unternehmen, neue
Marktanteile und Geschäftsbeziehungen zu erschließen (Spohrer/Maglio 2010; Wiesner
et al. 2014a).
In dieser Entwicklung ist zu beobachten, dass heutzutage nicht ausschließlich der Besitz
eines Sachgutes beim Kunden im Fokus steht, sondern vielmehr die Nutzung des Gutes
bzw. der damit verbundenen Dienstleistungen oder seiner Leistungen (ÄPay-per-[³  IU
den Kunden an Bedeutung gewinnt (vgl. Abbildung 2).

Abbildung 2: Verschiedene 6WXIHQYRQÄ6HUYLWL]DWLRQ³

In der Vergangenheit stand für die meisten Unternehmen der Verkauf von Produkten bzw.
Dienstleistungen im Vordergrund ihres wirtschaftlichen Handelns. Der daraus abgeleitete
monetäre Erfolg spiegelte die Innovationskraft der Unternehmen wider. In der heutigen
Zeit wird die Innovationskraft von Unternehmen in der Kooperation des Kunden und Pro-
duzenten bestimmt. Die Kunden sind heute maßgeblich an der Entwicklung neuer Pro-
dukte und Dienstleistungen beteiligt, sie entwickeln sich zum Prosumenten, einer Kombi-
nation aus Produzent und Konsument, und gestalten partnerschaftlich die Innovation mit.
370 Christian Gorldt, Stefan Wiesner, Ingo Westphal und K.-D. Thoben

Im Mittelpunkt steht dabei die Nutzung der Innovation für ihre Bedürfnisse und weniger
der monetäre Vorteil.
PSS ermöglichen für die Kunden eine bessere Produktnutzung durch die zur Verfügung
stehenden Dienstleistungen. Aus wirtschaftlicher Sicht sind PSS Systeme in der Lage,
neue Marktpotenziale und höhere Gewinnmargen für die Unternehmen zu generieren.
Auch können PSS ökoeffiziente Wertschöpfungsketten unterstützen, wenn diese in einem
geschlossen Supply-Chain-Kreislauf genutzt werden (Baines et al. 2007a; McAloone et
al. 2010).
Die Bedeutung des PSS-Anbieters im gesamten Lebenszyklus nimmt aufgrund der be-
schriebenen Veränderungen stetig zu (Aurich et al. 2010). Zukünftig sind das Produkt-
Lebenszyklus-Management und das Service-Lebenszyklus-Management bei der Gestal-
tung innovativer Produkte und Dienstleistungen gemeinsam zu berücksichtigen.

3. Cyber-Physische Product-Service Systeme


Dieses Kapitel führt zunächst das CPSS-Konzept als eine Kombination aus CPS-Techno-
logie mit einem PSS-Geschäftsmodell ein. Im zweiten Schritt werden bestehende Ansätze
des Anforderungsmanagements für Systemlösungen identifiziert und auf ihre Anwendbar-
keit auf Cyber-Physische Product-Service Systeme hin analysiert.
Um das volle Potenzial von CPS-Systemen zu entfalten, sind neben technischen auch be-
triebswirtschaftliche Herausforderungen aus der Dienstleistungsperspektive bereits bei der
Entwicklung zu berücksichtigen. Dazu ist der Vielklang aus Mensch, Technik, Organisa-
tion und zusätzlich IuK-Technologien für die Umsetzung eines serviceorientierten CPS-
basierten Geschäftsmodells zu beachten.
Der Einsatz von CPS befähigt ein PSS zu neuen disruptiven Dienstleistungen sowie Ge-
schäftsmodellen. Die technischen Möglichkeiten eines CPS sind bei der Entwicklung
neuer Services zu berücksichtigen, um den Kunden den bestmöglichen Nutzen anzubieten.
Die Kombination von CPS und PSS kann als ein Cyber-Physisches Product-Service Sys-
tem (CPSS) bezeichnet werden. Die Betrachtung eines CPSS erfolgt zum einen von der
technischen Seite und zum anderen von der betriebswirtschaftlichen Perspektive. Bei der
Entwicklung von CPSS steigt die Komplexität, da zahlreiche Stakeholder, domänenspezi-
fische Modelle, Methoden und Werkzeuge bei der Entwicklung zu beachten sind. Das
CPSS ermöglicht dem Kunden neue Abrechnungsmodelle für Dienstleistungen bzw. Pro-
dukte zu nutzen. So sind zeitbasierte oder auch ergebnisbasierte Nutzermodelle vorstell-
bar.
Aus den zuvor genannten Überlegungen wird nachfolgend eine erste Darstellung des
CPSS-Konzeptes entwickelt. Der Kern ist durch ein Cyber-Physisches System definiert,
das über Sensoren, Aktoren und Kommunikatoren mit der Außenschicht in Beziehung
steht.
Product-Service Systems im Zeitalter von Industrie 4.0 in Produktion und Logistik 371

Durch dieses werden Basisdienste, wie Überwachung, Regelung und Datenverarbeitung


angeboten. Diese Basisdienste werden durch übergeordnete Dienstleistungen und nicht
IuK-basierte Dienstleistungen überlagert. Je nach Nutzeranforderungen sind diese Dienste
anpassbar und mit anderen Basis- und erweiterten Diensten koppelbar. Das CPSS (vgl.
Abbildung 3) ist dadurch in der Lage mit anderen Objekten zu kollaborieren. Die Kunden
können hochwertige Dienstleistungen gegen Entgelt in Anspruch nehmen, so z. B. die
Bestellung und Nutzung einer Fräs- oder Transportcontainerkapazität. Ergänzend können
Kunden in Kooperation mit einen CPSS-Anbieter kundenindividuelle Dienstleistungen
vereinbaren und nach Bedarf entwickeln.

Abbildung 3: Darstellung eines Cyber-Physischen Product-Service Systems

Die Entwicklung von Cyber-Physischen Product-Service Systemen stellt die Verantwort-


lichen vor große Herausforderungen. Aktuelle Methoden und Instrumente, bieten keine
vollständige Unterstützung für die neuen Herausforderungen, die sich durch Konzepte wie
Industrie 4.0 ergeben. Die Realisierung von CPSS erfordert in der Regel die Mitarbeit
einer Vielzahl von Akteuren aus verschiedenen Bereichen, wie z. B. Hardware, Software
und Dienstleistungen. Die daraus resultierenden einzelnen Zielstellungen müssen bei der
Konzeption und Entwicklung von CPSS berücksichtigt werden. Aufgrund ihrer spezifi-
schen Eigenschaften stellen sie besondere Anforderungen an Anforderungsentwicklung
und -PDQDJHPHQW Ä5HTXLUHPHQWV(QJLQHHULQJ³5( (LQHHUIROJUHLFKH6\VWHPHQWZLFN
lung basiert im ersten Schritt auf einem tiefgehenden Verständnis der an die Lösung ge-
stellten Anforderungen. Aus diesem Grund spielt RE eine zentrale Rolle im Entwicklungs-
prozess von CPSS. Die holistische Betrachtung von Hardware, Software und
372 Christian Gorldt, Stefan Wiesner, Ingo Westphal und K.-D. Thoben

Dienstleistung erfordert eine integrative Herangehensweise in der Anforderungsdefini-


tion. Um geeignete Konzepte für CPSS zu entwickeln gilt es daher, ein strukturiertes Re-
quirements Engineering durchzuführen.
Requirements Engineering beschreibt einen Prozess, in dem die Bedürfnisse eines oder
mehrerer Stakeholder und ihres Umfeldes ermittelt werden, um eine Lösung für ein spe-
zielles Problem zu finden (Nuseibeh/Easterbrook 2000). Dies setzt voraus, dass die Sta-
keholder, ihre Bedürfnisse sowie der Kontext, in dem die Lösung angewandt wird, sehr
genau analysiert werden. Des Weiteren hängt die Kunden- und Benutzerzufriedenheit da-
von ab, ob die ermittelten Anforderungen durch die vorgeschlagene Lösung erfüllt wer-
den. Ziel des Requirements Engineering ist es, die Probleme der am Entwicklungsprozess
beteiligten Stakeholder zu verstehen. Diese müssen in konkrete Anforderungen überführt
werden, um eine Lösung zu definieren und zu gestalten. Ein geeigneter Ansatz für das RE
im Kontext von CPSS muss somit in der Lage sein, interdisziplinär den Anforderungen an
eine integrierte Lösung zu genügen. So gilt es, komplexe CPS-Technologien und disrup-
tive Geschäftsmodelle zu verknüpfen.

4. Ansätze für das Requirements Engineering von


Cyber-Physischen Product-Service Systemen
Vergleichende Untersuchungen (Baines et al. 2007b; Berkovich et al. 2011) machen deut-
lich, dass Ansätze zum integrierten RE von CPSS fast gänzlich fehlen. In der Entwicklung
von Sachgütern (Eversheim et al. 2005) gibt es zahlreiche Ansätze für eine strukturierte
Anforderungsanalyse, wohingegen in der Dienstleistungsentwicklung (Bullinger/Scheer
2006; Spohrer/Maglio 2009) nur wenige Ansätze und Methodiken existieren. Darüber hin-
aus fehlen integrative Vorgehensweisen für die Anforderungsanalyse und die Konzeption,
sowie softwareunterstützte Methoden für die Zielgruppe der KMU (Freitag/Münster
2013). Nur dadurch wäre eine schnelle und genaue Spezifikation von neuen CPSS mög-
lich, insbesondere, wenn diese in Zusammenarbeit mit Partnern des Wertschöpfungsnetz-
werks und mit Kunden auf internationaler Ebene erfolgen soll (Freitag 2014).

4.1 Herausforderungen im Anforderungsmanagement


Eine geeignete Vorgehensweise zum Anforderungsmanagement ist unabdingbar für kom-
plexes System. Zum einen rührt die Komplexität aus dem technischen Aufbau des Sys-
tems. Auch sind viele Stakeholder mit unterschiedlichen Sichtweisen an der Entwicklung
eines CPSS beteiligt. Interdisziplinäre Teams aus Produkt- und Dienstleistungsentwick-
lung, Informations- und Elektrotechnik stehen exemplarisch für die Komplexität von
CPSS.
Product-Service Systems im Zeitalter von Industrie 4.0 in Produktion und Logistik 373

Das gewünschte Verhalten eines CPSS entsteht durch das Zusammenspiel einer Vielzahl
cyber-Physischer und Dienstleistungskomponenten gekennzeichnet. Auch steht es mit
weiteren Systemen über offene Schnittstellen im Austausch. Dabei gilt es, die Anforde-
rungen für ein Cyber-Physisches Product-Service System aus unterschiedlichen Diszipli-
nen aufzunehmen. Diese können von den Stakeholdern gegebenenfalls unzureichend be-
nannt sein oder aufgrund der Interdisziplinarität nicht von allen voll verstanden bzw.
reflektiert sein. Schätz (2014) nennt in diesem Zusammenhang drei Dimension der Kom-
plexität: Schnittstellen (Anwendungsdomänen, Engineering Disziplinen, Technologie,
Organisation), Umwelt (Rekonfiguration, Aktualisierung, Wiederverwendung), Inhärent
(Dokumentation, Überwachung, Anpassung). Diese Dimensionen und sind bereits beim
Anforderungsmanagement zu berücksichtigen.
CPSS sind vor allem durch eine Vielzahl von Stakeholdern geprägt, die räumlich und or-
ganisatorisch voneinander agieren. Die Partner übernehmen, gemäß der Nutzeranforde-
rungen, spezielle Aufgaben in der Systementwicklung. Ausgehend von der Literatur
(Cavalieri/Pezzotta 2012; Geisberger/Broy 2012) ist zu empfehlen, dass bei der CPSS-
Entwicklung von Anfang an Akteure aus unterschiedlichen Disziplinen in der Anforde-
rungsanalyse beteiligt sind. Besonders entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass
die unterschiedlichen Akteure ihre spezifischen Sichtweisen und ihr Wissen untereinander
austauschen und diese in die Gestaltung von CPSS einbringen. Somit besteht ein Bedarf
an der Entwicklung geeigneter Herangehensweisen, Theorien und Werkzeugen, um CPSS
zielgereichtet und kosteneffizient zu entwickeln. Es kommt dabei vor allem auf ein ge-
meinsames Verständnis von virtuellen, physischen und serviceorientierten Eigenschaften
der zu entwickelnden Systeme an. Eine isolierte Betrachtung der genannten Dimensionen
sollte bei der Modellierung und Entwicklung von CPSS vermieden werden.
Dies zeigt, dass CPSS spezielle Anforderungen an das Requirements Engineering stellen.
Die wichtigsten Punkte sind die Berücksichtigung höherer Komplexität, verteilte Akteure
und die Einbeziehung der verschiedenen Domänen mit speziellen Perspektiven und Mo-
dellen.

4.2 Lösungsvorschläge für ein geeignetes


Anforderungsmanagement
Basierend auf den zuvor beschriebenen Herausforderungen haben die Autoren in ihrer
Forschungsarbeit drei Gestaltungsprinzipien an RE-Methoden für Cyber-Physische Pro-
duct-Service Systeme identifiziert:
„ Um den modularen Aufbau und die Interoperabilität CPSS zu unterstützen, werden
standardisierte Formalismen und Abläufe in der Anforderungsspezifikation benötigt.
„ Eine eindeutige Systementwicklung erfordert eine klare Definition eines CPSS-Mo-
dells. Die Berücksichtigung der verschiedenen Bedarfsträger stellt den Kontext des
Modells sicher. Insbesondere sind auch domänenspezifische Modelle zu berücksich-
tigen.
374 Christian Gorldt, Stefan Wiesner, Ingo Westphal und K.-D. Thoben

„ Neben der Ingenieurperspektive sind vor allem die Informatik- und Dienstleistungs-
perspektive für die Entwicklung CPSS in der Designphase zu integrieren. Diese An-
forderung umfasst die Herausforderung, alle Domänen gleichberechtigt an der CPSS-
Entwicklung zu beteiligen.
Der CPSS-Entwicklungsprozess kann in einen Problem- und Lösungsbereich unterteilt
werden. Der Problembereich schließt den Bedarf und die Unternehmensziele der Syste-
mentwicklung und ihrer Formulierung als Stakeholderanforderungen ein, ohne eine Vor-
auswahl spezifischer CPSS-Eigenschaften. Die Anforderungen an die Geschäftsprozesse
können von den strategischen Unternehmenszielen abgeleitet werden. Diese sind jedoch
meist nicht formal beschrieben. Geeignete Methoden zur Modellierung von Geschäftspro-
zessen sind die Business Process Model Notation (BPMN) oder das Datenflussdia-
gramme, die den Weg vom Ist- zum Soll-Zustand visualisieren. Die Stakeholderanforde-
rungen werden meist von den Bedarfsträgern formuliert und sind ebenfalls wenig
formalisiert. Diese werden häufig mit Hilfe einer Szenarioanalyse aufgenommen. Der Lö-
sungsbereich umfasst die Systemanforderungen, die die Zielfunktionalitäten der Lösung
und anschließend die architektonische Gestaltung des CPSS beschreiben.
Die Beschreibung des gewünschten CPSS-Verhalten in Bezug auf die Fähigkeiten der ge-
wünschten Lösung kann durch die Gestaltung von Systemmodellen erfolgen. Dabei sind
die gewünschte Funktionalität aus technischer und betriebswirtschaftlicher Perspektive
sowie die geschätzten Zeit- und Kostenaufwände der avisierten Lösung zu beschreiben.
Die zu konzipierende Architektur zeigt die Wechselbeziehungen der einzelnen CPSS-Sys-
temelemente untereinander, insbesondere zwischen physischen Produkten, Software und
Dienstleistung. Bekannte Modellierungssprachen wie SysML stoßen bei der CPSS-Mo-
dellierung schnell an ihre Grenzen, da eine Berücksichtigung der Perspektiven Pro-
dukt/Dienstleistung nicht erfolgt. Um die Überführung von nicht formaler (unstrukturier-
ter) zu formaler (strukturierter) Sprache sicherzustellen kann beispielsweise Natural
Language Processing (Wiesner et al. 2014b) genutzt werden. Die Nutzung von Ontologien
kann die Abbildung des spezifischen Modellwissen der jeweiligen Perspektiven und somit
eine einheitliche Semantik der Anforderungen schaffen.

5. Zusammenfassung und Ausblick


Die Entwicklung von Cyber-Physischen Product-Service Systemen sollte durch eine ganz-
heitliche Perspektive trotz verschiedener Protagonisten geprägt sein. Bisher unabhängige
bzw. isolierte Entwicklungsschritte von physischen Produkten, Software- und Dienstleis-
tungskomponenten wachsen zusammen und der Trend geht zu einer integrierten Vorge-
hensweise. Dabei ist eine Verschmelzung von Technologie und Geschäftsmodell zu be-
obachten. Die Perspektiven Mensch, Maschine und Dienstleistung rücken damit in den
Fokus bei der Gestaltung hochkomplexer CPSS.
Product-Service Systems im Zeitalter von Industrie 4.0 in Produktion und Logistik 375

Dieser Beitrag hat den Stand der Wissenschaft in diesen Bereichen vorgestellt sowie die
Herleitung zu CPSS präsentiert. Auch wurde gezeigt, dass diese im Vergleich zu her-
kömmlichen Lösungen besondere Eigenschaften aufweisen, die bei einem Anforderungs-
management zu berücksichtigen sind. Bisherige Methoden und Werkzeuge sind für das
Anforderungsmanagement von CPSS nur teilweise geeignet. Vor allem gilt es die gestie-
gene Komplexität, die verschiedenen Disziplinen sowie deren Modelle und die Perspekti-
ven Produkt, Dienstleistung und IT bei der Aufnahme der Anforderungen zu berücksich-
tigen.
Die gestiegene Komplexität kann durch eine geeignete Managementstruktur reduziert
werden. Zukünftig gilt es eine strukturierte Herangehensweise in der Ausgestaltung der
Anforderungen für CPSS zu entwickeln. Das Wiederverwenden von Anforderungen aus
vorherigen Projekten kann dabei unterstützen diese Komplexität zu beherrschen. Auch gilt
es, das interdisziplinäre Wissen der am Entwicklungsprozess beteiligten Akteure für die
einzelnen Partner verständlich zugänglich zu machen. So ist die Verbindung von domä-
nenspezifischen und allgemeinen Modellen nützlich, um den Austausch untereinander an-
zuregen mit dem Ziel eindeutige Anforderungen im Prozess formulieren zu können. Nicht
technische Akteure, wie der Nutzer oder Dienstleister von CPSS, sollten am Entwick-
lungsprozess teilhaben können. Die Benennung der Anforderungen erfolgt dabei meist in
unstrukturierter Sprache. Zukünftige Arbeiten sollten somit die Schnittstelle zwischen for-
maler und nicht formaler Sprache aufgreifen, um einen ganzheitlichen Anforderungsma-
nagementprozess im Kontext von Cyber-Physischen Product-Service Systemen zu ge-
währleisten.

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4. Branchenspezifische Perspektiven von


Dienstleistungen 4.0



Sabine Fließ und Svenja Hagenhoff

Zeitungsverlage zwischen Digitalisierung und


Servitization ± Eine explorative
Dokumentenanalyse

1. Herausforderungen in der Zeitungsbranche

2. Medienwirtschaft, Digitalisierung und Servitization


2.1 Zeitungsverlage als Akteure der Medienwirtschaft
2.2 Digitalisierung als Ursache und Chance von Veränderungen
2.3 Dienstleistungen und Servitization als Ursache und Chance von
Veränderung

3. Leistungsangebot ausgewählter Zeitungsverlage


3.1 Methodik
3.2 Überblick über die Angebote der Zeitungsverlage
3.3 Systematisierung der Angebote

4. Strategien für Zeitungsverlage


4.1 Strategietypen
4.2 Idealtypische Entwicklungspfade

5. Schlussfolgerungen für die strategische Ausrichtung von Zeitungsverlagen


5.1 Selbstverständnis der Verlage als Ausgangspunkt der strategischen
Ausrichtung
5.2 Ausgestaltungsmöglichkeiten der Strategien
5.3 Voraussetzungen für Digitalisierungs-, Individualisierungs- und
Servitization-Strategie
5.4 Voraussetzungen erfolgreicher Strategieentwicklungspfade

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017


M. Bruhn und K. Hadwich (Hrsg.), Dienstleistungen 4.0,
DOI 10.1007/978-3-658-17552-8_16
6. Zusammenfassung und Ausblick

Literaturverzeichnis

___________________________
Prof. Dr. Sabine Fließ ist Inhaberin des Douglas-Stiftungslehrstuhls für Dienstleistungs-
management an der FernUniversität in Hagen. Prof. Dr. Svenja Hagenhoff ist Professorin
für Buchwissenschaft, insb. E-Publishing und Digitale Märkte an der Friedrich-
Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.
1. Herausforderungen in der Zeitungsbranche
Der Zeitungsbranche geht es schlecht (z. B. Kolo 2014 und die dort zitierte Literatur):
6FKODJ]HLOHQZLHÄ,QGHSHQGHQWVWHOOW'UXFNDXVJDEHHLQ³ )$=YRP0 Ä'UDV
WLVFKHU 6WHOOHQDEEDX EHLP 'DUPVWlGWHU (FKR³ 6GGHXWVFKH =HLWXng vom 04.09.2016)
RGHUÄ=HLWXQJHQYHUOLHUHQLPPHUPHKU$Q]HLJHQNXQGHQDQJUR‰H,QWHUQHWXQWHUQHKPHQ³
(Spiegel Online Kultur vom 08.08.2016) verdeutlichen die Symptome eines Umbruchs.
Betrachtet man die zahlenmäßige Entwicklung der Tageszeitung, so zeigt sich, dass die
obigen Schlagzeilen keine Ausnahme darstellen, sondern Veränderungen auf dem Zei-
tungsmarkt verdeutlichen (vgl. zum Folgenden Statista-Dossier Zeitungen in Deutsch-
land 2016):
„ Die Printauflagen der deutschen Tages- und Sonntagszeitungen sind nach einem
Höhepunkt im Jahr 1995 kontinuierlich gesunken und sind 2015 sogar unter das Ni-
veau des Jahres 1975 gefallen (18,5 Mio. verkaufte Exemplare 2015 gegenüber 21,5
Mio. verkauften Exemplaren 1975). Ähnliche Entwicklungen zeigen sich bei den
Wochenzeitungen.
„ Die Anzahl der Zeitungen in Deutschland hat sich seit 1954 halbiert (von 624 auf
329 Zeitungen) und auch die Zahl der Zeitungsverlage hat sich im gleichen Zeit-
raum auf die Hälfte reduziert.
„ Die auflagenstärkste Tageszeitung Deutschlands, die Bild-Zeitung bzw. B.Z. in Ber-
lin, hat drastische Auflageneinbußen hinnehmen müssen ± von mehr als 3 Mio. ver-
kauften Exemplaren im Jahre 2009 auf nur noch ca. 1,9 Mio. Exemplare im Jahre
2016.
„ Pro Ausgabe einer Tageszeitung finden sich immer weniger Leser, sodass die
Reichweite sinkt.
„ Der Umsatz der Zeitungsverlage soll Prognosen zufolge von 2008 bis 2020 um ca.
ein Drittel schrumpfen (von etwa 12,3 Mrd. EUR Umsatz auf etwa 7,6 Mrd. EUR
Umsatz).
Diese Entwicklungen lassen sich nicht nur in Deutschland beobachten, sondern auch in
anderen europäischen Ländern (Picard 2006; Graham/Smart 2010).
Die Ursachen hierfür sind vielfältig, aber die folgenden Entwicklungen werden als aus-
schlaggebend für die Einbrüche angesehen (Flavián/Gurrea 2006; George 2008; Gra-
ham/Smart 2010; Breyer-Mayländer 2015a, S. 9ff.; Eriksson et al. 2016):
„ Ein verändertes Mediennutzungsverhalten der bisherigen Leser führt zur Erosion der
Kundenbasis und zu einer zunehmenden Fragmentierung des Marktes. Insbesondere
jüngere Leser abonnieren keine Tageszeitung mehr, sondern informieren sich im In-
ternet.
384 Sabine Fließ und Svenja Hagenhoff

„ Auf Rückgänge bei den Lesern reagieren auch die Anzeigenkunden der Tageszei-
tungen. So hat sich der Werbeumsatz bei den Printausgaben der Tageszeitungen von
mehr als 4,5 Mrd. EUR im Jahre 2008 auf unter 3 Mrd. EUR reduziert.
„ Die Verbreitung des Internets führt dazu, dass Informationen und Nachrichten je-
derzeit an vielen Stellen verfügbar sind. Alerts und Suchmaschinen machen diese in-
teressierten Lesern häufig kostenlos zugänglich.
„ Zeitungen haben ihre exklusive Mittlerfunktion in Bezug auf Nachrichten verloren.
Neue Akteure wie z. B. die Betreiber von Social Media-Plattformen, haben Funktio-
nen der Informationsvermittlung und der Nachrichtenverbreitung übernommen. An-
dere neue Akteure bieten ihre Dienste für den Leser unentgeltlich an und finanzieren
sich über die passgenaue Bereitstellung von Leserkontakten für Werbekunden, wie
z. B. die Huffington Post (Eckert 2015).
Diese Entwicklungen stellen das bisherige Geschäftsmodell der Zeitungen infrage. Dies
ist natürlich auch den Verlagen bewusst, die darauf zum einen mit Kostensenkungsstra-
tegien (z. B. Zusammenlegung von Redaktionen, Personalabbau) (Karalus 2008, S. 51;
Paesler 2015, S. 216), aber auch mit unterschiedlichen Marktstrategien reagieren. In der
bisherigen Literatur finden sich die folgenden beiden Ansätze zur Diskussion der Markt-
bearbeitungsstrategien von Zeitungsverlagen. Zum einen werden basierend auf Ansoff
(Ansoff 1965, S. 105) die folgenden Strategien identifiziert: Im Rahmen der Produkt-
entwicklungsstrategie (neue Produkte für einen bekannten Markt) werden den Lesern
neue Angebote gemacht, z. B. Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung. Im Rahmen der
Marktentwicklungsstrategie werden mit dem gleichen Produkt neue Kundengruppen er-
schlossen, z. B. Regionalausgaben oder internationale Ausgaben überregionaler Tages-
zeitungen wie Ausgaben der Welt in Polen, Tschechien, Spanien u. a. (Rothmann 2013,
S. 97). Die Diversifikationsstrategie (neue Produkte auf neuen Märkten) umfasst eine
Vielfalt von Angeboten, die von speziellen Dienstleistungen für die Werbetreibenden bis
hin zu Buch- und Filmeditionen oder Leserreisen reichen (Habann et al. 2008, S. 21).
Zum anderen werden ausgehend von der Zeitung als Marke die folgenden vier Marken-
dehnungsstrategien unterschieden (Habann et al. 2008, S. 28 ff.):
(1) Line Extension: Hier wird innerhalb derselben Mediengattung (Print-Zeitung) eine
neue Zielgruppe erschlossen, z. B. durch die Welt am Sonntag.
(2) Cross-mediale Line Extensions: Eine solche Markenerweiterung oder -dehnung be-
zieht sich auf Produkte, die sich ebenso wie Zeitungen auf zweiseitige Märkte (De-
wenter/Rösch 2015) richten (so genannte Verbundprodukte), z. B. Fernsehbeiträge
oder -kanäle wie Süddeutsche TV.
(3) Cross-mediale Brand Extensions nutzen die Marke und das Medium, verabschieden
sich aber von zweiseitigen Märkten, wie z. B. Buchreihen (z. B. SZ Bibliothek).
(4) Nicht-mediale Brand Extensions basieren auf der Marke, verlassen aber den Bereich
der Medien, z. B. das Angebot von Konsumprodukten wie Wein oder Fahrradhelme
(Tagesspiegel) oder Leserreisen (z. B. Die Zeit).
Zeitungsverlage zwischen Digitalisierung und Servitization 385

Ein Problem dieser Systematiken ist, dass den Besonderheiten der zum Teil sehr unter-
schiedlichen Leistungsangebote zu wenig Rechnung getragen wird. Digitale Angebote
und Dienstleistungen finden sich sowohl in der Produktentwicklungsstrategie, der Diver-
sifikation, der cross-medialen Line Extension als auch der nicht-medialen Brand Exten-
sion. Aus Sicht des Resource-based View sowie vor dem Hintergrund des Change Ma-
nagement stellen aber digitalisierte Produkte ebenso wie Dienstleistungen ganz andere
Anforderungen an die Verlage als das herkömmliche Zeitungsgeschäft. Vor diesem Hin-
tergrund sollen im Rahmen dieses Beitrages die folgenden Fragen beantwortet werden:
(1) Welche Leistungen bieten Verlage an und wie lassen sich diese systematisieren? (2)
Welche Marktstrategien verfolgen Verlage? (3) Welche Entwicklungspfade lassen sich
ableiten? (4) Welche Voraussetzungen sind mit den jeweiligen Strategien und Entwick-
lungspfaden verbunden? Diese sollen im Folgenden im Mittelpunkt stehen. Leitend war
dabei die Frage, wie und in welcher Form sowohl die Digitalisierung als auch der in vie-
len Branchen beobachtbare Trend zur Servitization eine Rolle in der betrachteten Bran-
che spielt.
Dem folgend werden im zweiten Abschnitt die Medienbranche vorgestellt und die
Grundlagen der Digitalisierung und der Servitization betrachtet. Daran anschließend
werden im dritten Abschnitt die aus einer explorativen Untersuchung gewonnenen Er-
kenntnisse bezüglich der angebotenen digitalen Produkte und Dienstleistungen vorge-
stellt und systematisiert. Idealtypische Strategien werden im vierten Abschnitt abgeleitet
und zu Entwicklungspfaden verdichtet. Im fünften Abschnitt werden Konsequenzen für
die strategische Ausrichtung von Zeitungsverlagen abgeleitet, bevor im abschließenden
sechsten Abschnitt die wesentlichen Erkenntnisse zusammengefasst, die Limitationen
der explorativen Studie und der künftige Forschungsbedarf aufgezeigt werden.

2. Medienwirtschaft, Digitalisierung und Servitization

2.1 Zeitungsverlage als Akteure der Medienwirtschaft


Zeitungsverlage sind Bestandteil der Medienwirtschaft. Nach traditionellem Verständnis
erzeugen Akteure der Medienwirtschaft Medienprodukte, die redaktionell erstellte sowie
gegebenenfalls werbliche Inhalte enthalten und an Endverbraucher zum Zweck der Re-
zeption distribuiert werden. Obwohl die Medienwirtschaft in amtlichen Statistiken unter
Dienstleistung geführt wird, weisen Medienunternehmen häufig eher klassische Merk-
male von Industriebetrieben auf: Sie produzieren standardisierte Produkte, z. B. Filme,
Fernsehsendungen, Bücher oder Zeitungen, für einen anonymisierten Markt, der in ideal-
typische Käufer bzw. Rezipiententypen segmentiert wird wie bisher auch der Automarkt
oder der Kleidungsmarkt. Produziert werden die meisten Medienprodukte auf Vorrat
(Ausnahme: Live-Sendungen in Radio oder TV). Verbunden mit dieser Anonymisierung
386 Sabine Fließ und Svenja Hagenhoff

und der Vorratsproduktion besteht ein Absatzrisiko und bei nicht-elektronischen Medien
zudem das Risiko der Einschätzung der richtigen Produktionsmenge.
Neuere Ansätze in der Medienökonomie argumentieren für ein anderes Verständnis von
Medienunternehmen bzw. eine andere Sicht auf die erzeugte Leistung: So argumentiert
Hess (2014), dass Medienunternehmen eher als Unternehmen zu verstehen seien, die
medial gestützt öffentliche Kommunikation organisieren. Mit dieser Sicht gelten auch
Unternehmen wie z. B. Facebook oder Twitter als Medienunternehmen, obwohl sie
selbst keine Inhalte erzeugen. Vielmehr stellen sie Infrastrukturen bereit, auf denen Nut-
zer ihre eigenen Inhalte in die Öffentlichkeit oder innerhalb geschlossener, aber dennoch
größerer, Gruppen kommunizieren können. Die Wertschöpfung in einer Medienwirt-
schaft kann dann abstrakt verstanden werden als Bündelung von komplementären Res-
sourcen und Kompetenzen (Inhalte, Infrastruktur), die soziale Akteure (Nutzer, Techno-
logieunternehmen usw.) in Netzwerke einbringen (Kiefer 2016). Kiefer (2016) zeigt
jüngst in ihrer differenzierten Argumentation auf, wie Medienunternehmen mit Hilfe der
Gedankengebäude der Service-Dominant Logic doch als Dienstleister verstanden werden
können und motiviert ihre Überlegungen u. a. mit der fortschreitenden Digitalisierung,
die insbesondere bei den bisherigen physischen Medien die Geringwertigkeit der materi-
ellen Bestandteile deutlich hervorstechen lässt und die Frage aufwirft, was wirklich den
Wert der jeweiligen Medien im Sinne einer Problemlösung für den Rezipienten aus-
macht. Zudem zeigt sie auf, dass von jeher der Rezipient einen hohen Mitwirkungsanteil
an der Schöpfung von Werten in Bezug auf Medien hatte, da die gewünschten gesell-
schaftlichen Effekte, wie Meinungsbildung, Informiertheit oder Wissenserwerb ein akti-
ves und vor allem voraussetzungsreiches Auseinandersetzen mit den angebotenen Inhal-
ten erfordert.
Unabhängig davon, dass Zeitungsverlage Medienunternehmen sind und daher auch de-
ren Funktion in der Gesellschaft erfüllen, verfügen Zeitungen auch über spezielle Auf-
gaben. Clemons et al. (2003) sehen beispielsweise die Hauptaufgabe einer Zeitung darin,
eine Nachricht zu zertifizieren, ihr Glaubwürdigkeit zu verleihen und sie damit von un-
glaubwürdigen Nachrichten zu unterscheiden. Domingo et al. (2008) beschreiben dem
entsprechend Journalisten als Gatekeeper, die darüber entscheiden, was die Öffentlich-
keit wissen muss sowie wann und wie solche Informationen zur Verfügung gestellt wer-
den.
Wie eingangs gezeigt, müssen Zeitungsverlage mit den gravierenden Veränderungen
umgehen, die auch durch die Digitalisierung und das damit verbundene veränderte Ver-
halten ihrer Leser und Anzeigenkunden hervorgerufen werden. Digitalisierung ist dabei
nicht nur Treiber der Veränderungen in der Medienbranche, sondern kann gleichzeitig
auch eine der Stoßrichtungen künftigen Wachstums sein (Breyer-Mayländer 2015a, S.
12).
Zeitungsverlage zwischen Digitalisierung und Servitization 387

2.2 Digitalisierung als Ursache und Chance von Veränderungen


Die Diskussion um das (Selbst-)Verständnis der Medienunternehmen ist vor allem moti-
viert durch die Veränderungen, die mit der Digitalisierung einhergehen. Der Kern der
Digitalisierung besteht zunächst aus der Reduktion der Informationscodierung auf die
Kombination von zwei Zeichen oder Zuständen (im Folgenden Hagenhoff 2016a). Prin-
zipiell liegt damit eine Universaltechnologie vor, die nicht auf spezifische Verwen-
dungszwecke beschränkt ist und stattdessen für jedwede Problemstellung und für jeden
Aufgabenbereich eingesetzt werden kann (General Purpose Technology nach Helpman
1998). Durch die Elektronifizierung wurde die binärcodierte Informationsverarbeitung
zudem von spezifischen Materialitäten und Übertragungstechnologien, wie Papier oder
mechanischen Teilen, unabhängig und damit ubiquitär. Im Ergebnis konnte die Ge-
schwindigkeit der Informationsverarbeitung sowie die Menge der zu verarbeitenden In-
formationen erheblich gesteigert werden. Zudem ist die Automatisierung der informati-
onsverarbeitenden Prozesse möglich.
Grundsätzlich können sowohl Prozesse als auch die Ergebnisse von Prozessen digitali-
siert werden. Während die Digitalisierung von Arbeitsabläufen in Form der Unterstüt-
zung mittels elektronischer, binärcodierter Informationsverarbeitung ein relativ altes und
über alle Branchen weit verbreitetes Phänomen darstellt (Einsatz von IT in der Buchhal-
tung, Materialwirtschaft, bei Finanztransaktionen oder bei Bestellprozessen), ist die voll-
ständige Digitalisierung der Ergebnisse von Prozessen limitiert auf Unternehmen, deren
Erzeugnisse aus Informationen (z. B. im Sinne von rezipierbarem Inhalt) bestehen. Nach
einer Übergangsphase, in der digital codierte Inhalte auf CD-Rom ausgeliefert wurden
(insbesondere Musik und Filme) und den ersten Online-Versuchen von Zeitungs- und
Zeitschriftenverlagen in der Internetwelle Mitte der 1990er Jahre ± das erste Magazin
mit Online-Auftritt in Deutschland war ÄDer Spiegel³ ± ist ein nennenswerter Digitali-
sierungsschub mit dem Aufkommen des ersten echten Smartphones (iPhone) 2007 und
dem Phänomen der App festzustellen. Das Aufkommen gebrauchstauglicher mobiler
Endgeräte in Kombination mit den Internettechnologien hat auch die Möglichkeiten der
Kommunikation von Personen bzw. Gruppierungen von Personen und die Möglichkeiten
der Distribution von Inhalten massiv verändert.
Die Digitalisierung führt bei etablierten Akteuren im Medienmarkt zum einen zu etli-
chen Herausforderungen. Eine große Herausforderung besteht darin, dass gelernte und
etablierte Rollenverteilungen in Frage gestellt werden: Waren bis dahin alleinig Journa-
listen oder Redaktionen die Kommunikatoren, die sich zudem als Gatekeeper mit ver-
schiedenen Aufgaben gesehen haben, so kann heute jedermann recht einfach kommuni-
zieren. Eine Beschränkung des bisherigen Rezipienten auf die Rolle des Empfängers
ausgewählter Botschaften tut keine Not mehr (zur Motivation z. B. der Wikipedianer
vgl. Stegbauer 2009; zur Kritik etablierter Kommunikatoren zu neuen Kommunikati-
onsmöglichkeiten GHV ¾JHPHLQ PDQ½ EHU die Jahrhunderte vgl. Hagenhoff 2015a). Im
Sinne Gieseckes (2002, S. 81) liegt hier tatsächlich eine Kommunikationsrevolution vor,
388 Sabine Fließ und Svenja Hagenhoff

die genau dann zu konstatieren ist, wenn neue Kommunikationsmedien zu veränderten


Rollen führen und der Kreis derer, die kommunizieren können, sich ändert.
Bisher gut funktionierende Geschäftsmodelle werden somit in Frage gestellt. Selbst
wenn ein Geschäftsmodell im Kern noch funktioniert, muss der etablierte Akteur es
kompetitiv betreiben können. Neue Akteure wie Suchmaschinen oder Betreiber von
Social Media-Plattformen bieten Werbetreibenden passgenauere Konsumentenkontakte
als dies etablierte Massenmedien mit ihren hohen Streuverlusten können. Weiterhin ent-
stehen Herausforderungen dadurch, dass sich Geschäftsprozesse durch die Digitalisie-
rung verändern und neu gelernt werden müssen (z. B. medienneutrale Datenhaltung im
cross-medialen Publizieren, Hagenhoff 2016b).
Neben den Herausforderungen ergeben sich auch Chancen durch die Digitalisierung.
Kostenseitig ist z. B. die einfachere logistische Distribution der zu kommunizierenden
Inhalte zu nennen (funktionierende technische Infrastrukturen unterstellt). Vorteilhaft zu
beurteilen ist ebenso die Auflösung des üblichen Mismatch zwischen produzierter und
nachgefragter Menge im Auflagendruck aus der z. B. ein komplexes Remissionswesen
in der Presse- wie auch Buchdistribution gewachsen ist. Intellektuell eher einfach struk-
turierte Beiträge, wie z. B. Wetterberichte, können mittlerweile automatisiert erstellt
werden, so dass nach einer Investition in entsprechende Applikationen variable Kosten
von nahezu null anfallen. In Bezug auf die Produktgestaltung ergeben sich neue Mög-
lichkeiten, angefangen bei alternativen Zeichensystemen (Ton, Bewegtbild) für die Be-
richterstattung bis hin zu ganz neuen Angeboten, wie z. B. Location-based Services.
Neben der Digitalisierung wird vor allem in anderen Branchen als der Medienindustrie
die Servitization als Wachstumstreiber gesehen, der gleichzeitig jedoch auch zu massi-
ven Veränderungen im Unternehmen führt (Fließ/Lexutt 2015).

2.3 Dienstleistungen und Servitization als Ursache und Chance


von Veränderung
Der Begriff der Servitization bezeichnet den Übergang vom reinen Produktanbieter hin
zum reinen Dienstleister (vgl. hierzu und zum Folgenden Fließ/Lexutt 2016). Hierbei
wird häufig ein Produkt-Service-Kontinuum zugrunde gelegt, auf dem sich der Anbieter
bewegt. Dabei werden verschiedene Stufen unterschieden, wobei der Prozess des Über-
gangs bzw. der Veränderung von einer Stufe zur nächsten im Mittelpunkt der Servitiza-
tion steht.
Wie die Servitizationforschung gezeigt hat, eröffnet das Angebot von Dienstleistungen
Unternehmen häufig höhere Margen als das Produktgeschäft. Allerdings stellen sich die
Gewinne nicht immer ein, sondern das Angebot an Dienstleistungen kann auch zu Ver-
lusten bis hin zur Insolvenz führen, eine Diskussion, die in der Literatur unter dem
Schlagwort des Service Paradoxon geführt wird (Brax 2005; Gebauer et al. 2005). Wie
eine systematische Sichtung der bisherigen Forschungsergebnisse zeigt, ist eine Ser-
Zeitungsverlage zwischen Digitalisierung und Servitization 389

vitizationstrategie nur bei Vorliegen bestimmter Umwelt-, Kunden- und Unternehmens-


bedingungen erfolgreich (Fließ/Lexutt 2016).
Insbesondere auf der Unternehmensseite geht eine Servitizationstrategie mit einem tief-
greifenden Wandel einher, der nahezu alle Funktionsbereiche berührt. Unter anderem
werden in konzeptionellen, aber auch empirischen Beiträgen die folgenden Erfolgsfakto-
ren herausgestellt (Fließ/Lexutt 2016 und die dort angegebene Literatur): die organisato-
rische Einbindung von Dienstleistungen in das Unternehmen, die Anpassung der Prozes-
se innerhalb des Unternehmens, die Entwicklung von Kenntnissen und Fähigkeiten,
personelle Veränderungen sowie die Veränderung der Unternehmenskultur. Ursache
hierfür sind in erster Linie die spezifischen Merkmale von Dienstleistungen. Neben der
Immateralität des Leistungsergebnisses erfordert die Integrativität des Leistungserstel-
lungsprozesses, d. h. die Einbindung des Kunden in die Leistungserstellungsprozesse des
Anbieters, Veränderungen in Marketing, Produktion und Organisation (vgl. Fließ 2009,
S. 22ff. und die dort angegebene Literatur).
Wie stellen sich nun Digitalisierung und Servitization bei den Zeitungsverlagen dar?

3. Leistungsangebot ausgewählter Zeitungsverlage

3.1 Methodik
Als methodischer Ansatz wird eine Dokumentenanalyse gewählt (Prior 2011). Als Do-
kumente kommen dabei grundsätzlich alle Formen schriftlicher Unterlagen und Kom-
munikation in Frage. Wir nutzen die Websites der Zeitungen, aber auch Sekundärquellen
wie Wikipedia, Studien, Zeitungsartikel sowie wissenschaftliche Abhandlungen. Auf
den Websites geben die Verlage Auskunft über die Aspekte, die sie im Rahmen ihrer
Strategie selbst für wichtig halten, während die Sekundärquellen Informationen enthal-
ten, die von anderen Gruppen als bedeutsam erachtet werden. So finden sich beispiels-
weise auf den Websites kaum Angaben über den Zeitpunkt der Einführung neuer Ange-
bote, wohl aber bei Wikipedia, in Zeitungsartikeln und Dissertationen, die sich etwa auf
Interviews mit Entscheidern beziehen (vgl. z. B. Rothmann 2013).
Untersuchungsobjekt sind die nach Auflage größten Zeitungen (gemäß der Informati-
onsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern): die Frankfurter
Allgemeine Zeitung (FAZ), die Süddeutsche Zeitung (SZ), Die Welt, die Bild, Die Zeit,
der Tagesspiegel sowie das Handelsblatt. Jede Zeitung wird als einzelne Fallstudie be-
handelt. Erfasst werden dabei Informationen über die Art der angebotenen Leistung und
den Zeitpunkt der Produkteinführung. Zusätzlich werden Daten zum Erfolg der Produkte
erhoben, wie etwa verkaufte Auflagen oder die Reichweite, und, soweit vorhanden, zur
Strategie sowie zur Zielgruppe.
390 Sabine Fließ und Svenja Hagenhoff

3.2 Überblick über die Angebote der Zeitungsverlage


Zeitungsverlage sind auf einem zweiseitigen Markt tätig ± dem Inhalte- oder Lesermarkt
und dem Anzeigen- oder Werbemarkt (Dewenter/Rösch 2015, S. 134ff.). Auf dem Le-
sermarkt geht es um die Vermarktung von (journalistischen) Inhalten, während auf dem
Anzeigen- bzw. Werbemarkt die Zugänge zu Konsumentengruppen vermarktet werden
(Karalus 2008, S. 20). Der Inhalte- oder Lesermarkt kann als Business-to-Consumer-
Markt betrachtet werden, da es sich in erster Linie um Privatpersonen als Käufer und Le-
ser handelt (auch wenn Zeitungen von Unternehmen gekauft werden, z. B. Handelsblatt).
Auf dem Anzeigenmarkt treten demgegenüber in erster Line Unternehmen, Organisatio-
nen oder Institutionen auf, sodass hier vom Business-to-Business-Markt gesprochen
werden kann. Beide Märkte sind miteinander verknüpft, derart, dass die Zahl der Leser
die Erlöse aus dem Anzeigengeschäft determiniert. Dies wird auch als Cross-market
network effect (Chen/Xie 2007) oder Anzeigen-Auflagen-Spirale (Haas 2007) bezeichnet.
Da sich die Interessen von Lesern und Anzeigenkunden unterscheiden, finden sich bei
allen Verlagen unterschiedliche Angebote für den Business-to-Consumer-Markt und den
Business-to-Business-Markt. Darüber hinaus gibt es Angebote aller Zeitungsverlage so-
wie Angebote, durch die sich die Verlage differenzieren.
Leistungen, die mit Ausnahme des Handelsblattes alle betrachteten Zeitungen für ihre
Leserschaft anbieten, sind die Sonntagsausgaben (z. B. Bild am Sonntag). Darüber hin-
aus werden vereinzelt auch Regionalausgaben aufgelegt, z. B. Die Welt mit Regional-
ausgaben für Bayern, Berlin, NRW und Hamburg oder Die Zeit mit Regionalausgaben
für Österreich und die Schweiz. Darüber hinaus bringen manche Verlage auch internati-
onale Ausgaben heraus, z. B. ist die Welt unter anderem in Polen, Tschechien und Spa-
nien tätig. Alle Zeitungsausgaben sind auch als digitale Produkte erhältlich, zum einen
als Online-Variante im Browser, zum anderen als so genannte E-Paper (mobile Varian-
te), die mit Hilfe spezifischer Lesesoftware auf mobilen Endgeräten wie Tablets und
Smartphones angeschaut und gelesen werden können.
Des Weiteren bieten alle untersuchten Zeitungsverlage Magazine und Beilagen (so ge-
nannte Supplements) zu verschiedenen Themen an, die sich an verschiedene Zielgruppen
richten, z. B. die Magazine Gesund oder Köpfe des Tagesspiegels. Themen und Ziel-
gruppen spiegeln dabei die spezifische Ausrichtung der Zeitung wider, z. B. Branden-
burg oder Neu in Berlin und Potsdam des Tagesspiegels. Zeitungsinhalte, Magazine und
Themenhefte werden zum Teil zu eigenen Produktreihen weiterentwickelt, z. B. Zeit Ge-
schichte, Zeit Wissen oder Bild der Frau, Auto Bild, Sport Bild und Computerbild. Zum
Handelsblatt-Verlag gehören eigene Fachbuchverlage und Fachzeitschriften, z. B. Cre-
ditreform, Wirtschaftswoche oder absatzwirtschaft.
Ein allen Zeitungen gemeinsamer Ansatz ist auch die Ausdifferenzierung der verschie-
denen Anzeigenmärkte, wie etwa des Karrieremarktes, des Automarktes, des Immobili-
enmarktes, des Marktes für Kleinanzeigen. Diese Angebote findet man auch elektronisch
im Internet, wobei etwa die Bildzeitung darüber hinaus mit verschiedenen Anbietern ver-
linkte Portale betreibt. Allerdings hat dieses Anzeigengeschäft durch das Aufkommen
Zeitungsverlage zwischen Digitalisierung und Servitization 391

von Internetportalen, insbesondere den Angeboten der Scout24-Gruppe, erhebliche Um-


satzeinbußen erfahren (Breyer-Mayländer 2015a, S. 11).
Nahezu alle Zeitungsverlage haben auch den Buchmarkt für sich entdeckt und verkaufen
verschiedene Editionen in ihren Online-Shops. So bietet die Süddeutsche Zeitung spezi-
elle E-book-Editionen, z. B. fünf Heimatromane der Weltliteratur, Die Zeit hat die Zeit-
Edition Weltliteratur oder den Zeit-Bücherschatz für Kinder im Programm, die Bildzei-
tung verkauft unter anderem die Bild der Frau Love Collection. Auch DVDs mit an-
spruchsvollen, künstlerisch wertvollen Filmen (Süddeutsche Zeitung) oder besonders
bekannten Filmen (Bildzeitung) werden vermarktet.
Neben den Kernangeboten, über die nahezu alle Zeitungen verfügen, lassen sich diffe-
renzierende Produkte und Dienstleistungen erkennen. So bieten für den Business-to-
Consumer-Markt Die Zeit, die Süddeutsche und die FAZ jeweils Leserreisen an, die
Bildzeitung ist in den Mobilfunkmarkt eingestiegen (Bild Mobil), die Welt betreibt den
Fernsehsender N24, die Süddeutsche produziert Fernsehbeiträge, der Tagesspiegel bietet
einen Ticketservice.
Ein ähnliches Bild zeigt sich auf dem Business-to-Business-Markt. Zu den Leistungen,
die alle Verlage ihren Business-Kunden anbieten, zählen Newsletter und Newsticker,
Unterstützung beim Layout oder bei der Konzeption von Anzeigen sowie Recherchen in
Archiven bzw. Datenbanken. Darüber hinaus gibt es Angebote, die spezifisch für die je-
weilige Zeitung sind. So veranstaltet Die Zeit ebenso wie der Tagesspiegel und die Süd-
deutsche Zeitung Kongresse und Konferenzen zu aktuellen Themen aus Politik und
Zeitgeschehen, auf denen bekannte Persönlichkeiten und Experten der jeweiligen The-
menbereiche Vorträge halten und untereinander sowie mit dem Publikum diskutieren.
Die Süddeutsche Zeitung betreibt eine Studienstiftung für Journalisten, der Tagesspiegel
bietet ein Politik-Monitoring für Manager bzw. Entscheider in Unternehmen an, die FAZ
vermietet eine Location in Berlin und betreibt das FAZ Institut für Management, Markt-
und Medieninformation, die Welt hat einen speziellen Empfehlungsservice für Produkte
eingerichtet (Welt Tipp), das Handelsblatt bietet speziell auf die Kunden der Anzeigen-
kunden zugeschnittene Handelsblatt-Ausgaben und -Artikel.

3.3 Systematisierung der Angebote


Wie bereits in der Einleitung angesprochen, führt die Einordnung nach Marktstrategien
dazu, dass innerhalb einer Strategie sehr unterschiedliche Leistungen zusammengefasst
werden. Dabei stellen beispielsweise digitale Angebote und Dienstleistungen sehr unter-
schiedliche Anforderungen an die Produktion und die Vermarktung.
Nach der Leistungstypologie von Engelhardt et al. (1993) lassen sich Leistungsbündel
grundsätzlich anhand von zwei Dimensionen typisieren:
„ dem Immaterialitätsgrad des Leistungsergebnisses und
392 Sabine Fließ und Svenja Hagenhoff

„ dem Integrativitätsgrad des Leistungserstellungsprozesses.


Der Immaterialitätsgrad gibt an, inwieweit eine Leistung stofflich oder nicht-stofflich ist,
angefasst werden kann oder nicht, während der Integrativitätsgrad zeigt, inwieweit eine
Leistung unter Mitwirkung des Kunden (Integrativität oder auch Co-Kreation) erstellt
wird oder nicht. In Kombination der beiden Achsen mit ihren jeweiligen Ausprägungen
(integrativ ± autonom und immateriell ± materiell) ergeben sich vier Grundtypen. Zu be-
achten ist dabei, dass es auf den beiden Achsen weder vollständig materielle Leistungs-
ergebnisse noch vollständig autonome Leistungserstellung gibt (Engelhardt et al. 1993,
S. 416).
Die vier Grundtypen lassen sich wie folgt charakterisieren (vgl. Abbildung 1):
„ Materielle Produkte, die einen hohen Autonomiegrad in der Leistungserstellung
aufweisen und einen hohen Materialitätsgrad, z. B. Druckausgaben von Zeitungen.
„ Digitale oder elektronische Produkte, die durch einen hohen Autonomiegrad in der
Leistungserstellung gekennzeichnet sind und einen hohen Immaterialitätsgrad auf-
weisen, da sie sich erst auf dem Anzeigemedium manifestieren, z. B. E-Paper, E-
Books.
„ Individualisierte materielle Produkte mit einem hohen Integrativitätsgrad und einem
ebenfalls hohen Materialitätsgrad, z. B. im Firmenauftrag von Journalisten verfasste
und im Verlag verlegte Bücher über die Geschichte einer Firma.
„ Dienstleistungen, die definitionsgemäß durch einen hohen Immaterialitätsgrad des
Leistungsergebnisses und einen hohen Integrativitätsgrad der Leistungserstellung
gekennzeichnet sind, z. B. Journalistenschule, Seminare, Konferenzen oder Leser-
reisen.
Zwischen diesen Grundtypen lassen sich Zwischentypen einordnen:
„ Digitale Dienstleistungen, digitale Services oder E-Services, d. h. Leistungen, deren
Immaterialität vor allem durch die Digitalisierung begründet ist, z. B. Apps mit un-
terschiedlichen Inhalten, Portale, Online-Shops oder Online-Kurse, die aber genau
genommen nur wenig Integrativität erfordern und daher im Kern digitale Produkte
darstellen. Die Mitwirkung des Kunden bezieht sich lediglich auf die Auswahlent-
scheidung bereits fertiger digitaler Angebote, sodass von einem mittleren Integrati-
vitätsgrad ausgegangen werden kann.
„ Mass Customized Products, d. h. Leistungen, die auf Modulen basieren und dadurch
Vorteile der Individualisierung und der Standardisierung vereinen, deren Leistungs-
ergebnis jedoch materiell ist. Es erfolgt auch hier lediglich eine Auswahlentschei-
dung aus bereits vorgefertigten Modulen, sodass die Mitwirkung des Kunden im
mittleren Bereich liegt. Angebote dieser Art finden sich bei den Zeitungsverlagen
nicht.
„ Mass Customized Digital Services, bei denen vorgefertigte digitale Elemente nach
den Wünschen des Kunden zusammengestellt werden, z. B. RSS-Feed oder
Newsletter für bestimmte Interessengruppen.
Zeitungsverlage zwischen Digitalisierung und Servitization 393

Immaterialität des Leistungsergebnisses


Immaterialitätsgrad hoch

Digitale Produkte Digitale Services Dienstleistungen


Konferenzen / Kongresse,
E-Paper Archiv-
Apps Seminare
E-Books Datenbanken Portale Business School
Online-shop Anzeigenberatung
Online- Kurse Preise
Filme auf CD-ROM Geschäftsmodell-Entwicklung
TV Kanäle, Programme Marktforschung, Finanzen,
RSS Feed Ticketservice, Leserreisen
Newsletter

Legende:
Materielle Produkte Mass Customization Individualisierte,
Materialitätsgrad hoch

Materielle Produkte Xxx (unterstrichen)= B2C


Xxx (kursiv) = B2B
Zeitungen (täglich, Wochenede,
Xxx = beides
Gestaltung von Werbeanzeigen
regional) Bücher über die Firmengeschichte
Magazine Unternehmensspezifische Zeitungs-
Supplements ausgaben und Artikel
Bücher und Buchserien Veranstaltungen im Kundenauftrag
Materialien für Schulen

Integrativität des Leistungsprozesses


Integrativitätsgrad hoch
Autonomiegrad hoch

Abbildung 1: Leistungsangebote der Zeitungsverlage

4. Strategien für Zeitungsverlage

4.1 Strategietypen
Eine Strategie legt den notwendigen Handlungsrahmen fest, innerhalb dessen Maßnah-
men ergriffen werden, um die festgelegten Ziele zu erreichen (Becker 2013, S. 140).
Grundsätzlich lassen sich Strategien unterschiedlich systematisieren. Betrachtet man in
Anlehnung an die Servitization-Literatur als Strategie eines Unternehmens den Anteil
der verschiedenen Leistungstypen am Umsatz (Raddats/Kowalkowski 2014), so lassen
sich die folgenden idealtypischen Strategien ableiten.

(1) Strategie der Produktlinien-Erweiterung


Bei der Strategie der Produktlinien-Erweiterung (Esch 2012, S. 359) werden, ausgehend
von dem Kernprodukt, der Zeitung, neue Produkte entweder a) für die gleiche Zielgrup-
pe oder b) für neue Zielgruppen entwickelt. Betrachtet man das Kernprodukt, die Zei-
tung, als Marke, so lässt sich diese Strategie auch als Markendehnungsstrategie bezeich-
394 Sabine Fließ und Svenja Hagenhoff

nen (Esch 2012, S. 371ff.), wobei sie sich hier auf materielle Produkte, also Printmedien,
beschränkt.
Der Zeitungsverlag setzt hierbei auf eine Zielgruppensegmentierung: Junge Leser, Frau-
en, Gesundheitsbewusste, an Reisen oder Statussymbolen Interessierte werden gezielt
angesprochen und mit journalistischen Inhalten versorgt. Gleichzeitig entsteht eine neue
Plattform für Werbetreibende. So erschließt sich die Bildzeitung mit der Zeitschrift Bild
der Frau die Leserschaft der Frauen (mehr weibliche Leser lesen Bild der Frau als die
Bildzeitung (Bild.de 2016)) und spricht damit gleichzeitig andere Gruppen von Werbe-
treibenden an.
Die Zeitung als Brücke oder Vermittler zwischen Rezipienten/Adressaten und Werbe-
treibenden öffnet sich auch anderen Leistungen als journalistischen Inhalten. Buch- und
Filmeditionen orientieren sich ebenso wie Kaffeemaschinen, Fahrräder oder Kunstediti-
onen an den Interessen der Leserschaft und machen ihr die Güter direkt zugänglich und
nicht mehr nur indirekt über Anzeigen. Damit wird die Zeitung im Grunde zum Distribu-
tor jeglicher Güter, die für den Leser von Interesse sein können, ohne dass hierbei ein
Zusammenhang zum journalistischen Inhalt bestehen muss.

(2) Digitalisierungsstrategie
Die Digitalisierungsstrategie existiert in zwei Formen: (a) Bisherige gedruckte Ausgaben
sind nun auch als digitale Ausgaben erhältlich, z. B. die Süddeutsche Zeitung als E-
paper, das auf dem Laptop genauso gelesen werden kann wie auf dem Tablet oder dem
Smartphone. In der Regel ändert sich hier aber das bisherige Konzept des Mediums
nicht: es handelt sich nach wie vor um eine täglich oder wöchentlich abgeschlossene
Ausgabe eines etablierten Mediums, teilweise stellt die digitale Variante einen 1:1 Klon
des bisherigen materiellen Erzeugnisses dar. (b) Es werden neue Produkte oder Produkt-
formen angeboten, die nur digital möglich sind. Das Neuartige betrifft dabei zwei Para-
meter: erstens kann die temporale Abgeschlossenheit eines Mediums (die Ganzheit) auf-
gebrochen werden, indem Informationen zu Ereignissen zeitnah kommuniziert werden
(hierzu auch Hagenhoff 2016a). Dieses wird möglich, da im Digitalen die Bündelungs-
notwendigkeiten, resultierend aus Erfordernissen der Produktions- oder Distributionsef-
fizienz, entfallen. Online-Angebote arbeiten heute standardmäßig in dieser Form. Zwei-
tens kann das bisher rein statisch-visuelle Zeichensystem um Bewegtbild oder Töne
erweitert werden. Zeitungsbeiträge werden vertont und mit einer Vorlesefunktion ausge-
stattet (z. B. Zeit Audio oder das Magazin der Süddeutschen) oder Redakteure wenden
sich mit Videonachrichten an die Leser (z. B. die Videokolumne der Süddeutschen).

(3) Individualisierungsstrategie
Hierbei werden die materiellen Produkte auf die spezifischen Kundenbedürfnisse
und -interessen zugeschnitten, z. B. die individuelle Beratung bei der Anzeigengestal-
tung. Eine abgeschwächte Form, die sich an Kundengruppen richtet, ist die Mass
Customization (Piller 2012). Hier wird aus einzelnen standardisierten Modulen eine qua-
Zeitungsverlage zwischen Digitalisierung und Servitization 395

si-individuelle Leistung erstellt, z. B. eine kundenspezifische Zeitung mit Artikeln über


das Unternehmen.
Während sich die Strategie der Produktlinien-Erweiterung und die Digitalisierungsstra-
tegie derzeit vor allem an den Lesermarkt richten, nimmt die Individualisierungsstrategie
vor allem die Anzeigenkunden bzw. den Business-to-Business-Markt ins Visier. Anzei-
genkunden sind namentlich bekannt, ihre Bedarfe und Probleme können gezielt erfasst
und mit maßgeschneiderten Lösungen gedeckt bzw. gelöst werden. Der Zeitungsverlag
wird zum Problemlöser (vgl. zum Lösungsgeschäft Jacob/Wilken 2015).

(4) Servitization-Strategie
Bei dieser Strategie werden Dienstleistungen in verschiedenen Formen angeboten:
(a) Digitale Services oder digitale Dienstleistungen, deren konkrete Ausprägung die
Kunden durch ihr Nutzungsverhalten bestimmt. So werden Beiträge, die auf der On-
line-Repräsentanz einer Zeitung häufig angeklickt werden oben positioniert und sel-
ten angeklickte unten. Es entsteht eine dynamisch konfigurierte Zeitung. Zur Steue-
rung dieser Prozesse nutzen Zeitungsverlage Controlling Tools, wie z. B. das in
deutschen Redaktionen weit verbreitete Tool ChartBeat (Schulz 2016, S. 84, ver-
wendet z. B. von der FAZ oder der Süddeutschen). Diese Strategie richtet sich vor-
dergründig an den Lesermarkt mit dem Ziel, den Rezipienten das Passende zu lie-
fern, um ihre Aufmerksamkeit zu erlangen. Zweifelsfrei ist diese Strategie aber auch
nutzenstiftend in Richtung Werbekunden, für die eine Nachrichtenplattform nur
dann attraktiv ist, wenn der Rezipient sie als hinreichend relevant erachtet und sich
deswegen auf ihr aufhält. Zuboff (2015) hat für Akteure, die ihre Geschäftsmodelle
auf Basis großer Datenbestände von Nutzern aufbauen, den Begriff Surveillance
Capitalists (Überwachungskapitalisten) geprägt.
(b) Standardisierte Dienstleistungen, bei denen der Grad der Kundenintegration, d. h.
der Kundenmitwirkung, gering ist, z. B. Konferenzen, bei denen der Besucher weit-
gehend passiv ist, oder Leserreisen, bei denen eine Gruppe von Konsumenten die
gleiche Dienstleistung erhält (kollektive Dienstleistungen, Corsten/Gössinger 2015,
S. 33). Auch bei dieser Strategie steht der Lesermarkt im Vordergrund.
(c) Individualisierte Dienstleistungen, bei denen der Grad der Kundenintegration hoch
ist und die Angebote speziell auf die Bedürfnisse eines einzelnen Kunden zuge-
schnitten sind. Der Tagesspiegel bietet unter der Marke Publica - Institutional Publi-
shing & Conferences Kommunikationsdienstleistungen an, die sich auf die Bera-
tung, Konzeption, Publikation, Produktion sowie die Durchführung von
Veranstaltungen beziehen. Diese Strategie richtet sich an den Business-to-Business-
Markt und stellt eine Weiterentwicklung der Individualisierungsstrategie dar.
Die Strategien sind in Abbildung 2 zusammengefasst.
396 Sabine Fließ und Svenja Hagenhoff
Immaterialitätsgrad hoch

Digitale Produkte Dienstleistungen

Digitalisierungsstrategie Servitization-Strategie
(a) Alles Gedruckte wird (a) Digitale Services
Immaterialitätsgrad

digitalisiert (b) Standardisierte


(b) Neue eigenständige digitale Dienstleistungen
(c) Angebote (c) Individualisierte
Dienstleistungen

Materielle Produkte Individualisierte,


Materialitätsgrad hoch

Materielle Produkte

Strategie der Produktlinien- Individualisierungsstrategie


Erweiterung

(a) Neue Produkte ± gleiche Produktindividualisierung,


Zielgruppe im Wesentlichen für B2B-Kunden
(b) Neue Produkte ± neue
Zielgruppe

Integrativitätsgrad
Integrativitätsgrad hoch
Autonomiegrad hoch

Abbildung 2: Idealtypische Strategien der Zeitungsverlage

Mit diesen Strategien verlassen die Zeitungsverlage in Teilen das Geschäftsmodell der
Bündelung und Distribution von schriftbasierten Nachrichten sowie der Vermittlung von
Leserkontakten für Werbetreibende. Auch wird die etablierte Kopplung von Leser- und
Werbemärkten zumindest dort aufgebrochen, wo Erlösmodelle realisiert werden können,
die keine Werbeerlöse vorsehen.

4.2 Idealtypische Entwicklungspfade


Die im vorangegangenen Abschnitt dargestellten Strategien lassen sich miteinander
kombinieren. Die Verfolgung bestimmter Strategien im Zeitablauf wird in der Servitiza-
tion-Literatur als Entwicklungspfad (trajectories) bezeichnet (Matthyssens/Vandenbempt
2008, 2010). Auf der Basis der Jahre, in denen die in Abbildung 1 dargestellten Angebo-
te eingeführt wurden, lassen sich die in Abbildung 3 dargestellten Entwicklungspfade
identifizieren.
Zeitungsverlage zwischen Digitalisierung und Servitization 397
Immaterialitätsgrad hoch

Digitale Produkte Dienstleistungen

Digitalisierungsstrategie Servitization-Strategie
Digitale Standardi- Individuali-
Immaterialitätsgrad

Dienst- sierte Dienst- sierte


5 leistungen leistungen Dienst-
leistungen
2 6 7
Materielle Produkte Individualisierte,
Materialitätsgrad hoch

4 materielle Produkte

Line-Extension Strategie Individualisierungsstrategie

1 3
Integrativitätsgrad
Integrativitätsgrad hoch
Autonomiegrad hoch

Abbildung 3: Idealtypische Entwicklungspfade für Zeitungsverlage

Pfad 1 bezieht sich auf den Ausbau der Produkte zu Produktlinien, mit denen bekannte
Zielgruppen penetriert oder neue Zielgruppen erschlossen werden. Dieser Pfad wird von
allen Verlagen eingeschlagen. So hat die Bildzeitung kürzlich ein neues Print-Magazin
auf den Markt gebracht zum Thema Gesundheit und :HOOQHVV Ä%HVVHU OHEHQ³  Im
Grunde entspricht der Pfad einer besonders intensiven Verfolgung der Line-Extension-
Strategie.
Ausgehend von Pfad 1 können die Unternehmen entweder die direkt angrenzenden Fel-
GHUÄGLJLWDOH3URGXNWH³ (Pfad 2) XQGÄLQGLYLGXDOLVLHUWH3URGXNWH³(Pfad 3) anvisieren ±
oder sich auf Dienstleistungen konzentrieren (Pfad 4). Pfad 4 wird dabei meist in Ver-
bindung mit Kooperationspartnern in Angriff genommen (Karalus 2008, S. 174). So
werden etwa Leserreisen nicht von der Zeitung selbst konzipiert und organisiert, sondern
in der Regel in Zusammenarbeit mit einem Reiseveranstalter geplant und durchgeführt.
Pfad 5 stellt die Fortführung der Digitalisierungsstrategie dar, indem aus digitalen Pro-
dukten digitale Dienstleistungen entstehen, während die Pfade 6 und 7 aus der Individua-
lisierungsstrategie resultieren. Pfad 6 ist dabei kennzeichnend für den Business-to-
Consumer-Markt, während Pfad 7 derzeit im Business-to-Business-Bereich angewendet
wird.
398 Sabine Fließ und Svenja Hagenhoff

Auf der Basis der gewonnenen Erkenntnisse lassen sich die folgenden Schlussfolgerun-
gen ziehen.

5. Schlussfolgerungen für die strategische Ausrichtung


von Zeitungsverlagen

5.1 Selbstverständnis der Verlage als Ausgangspunkt der


strategischen Ausrichtung
Wie in Abschnitt 2.1 dargestellt, ist das Selbstverständnis der Zeitungsverlage unter-
schiedlich. Versteht sich die Tageszeitung als Zertifizierer von Nachrichten (Clemons et
al. 2003), als Gatekeeper zwischen Sendern und Empfängern (Domingo et al. 2008), als
Medienunternehmen oder Medienhaus (Breyer-Mayländer 2015c), als Organisator öf-
fentlicher Kommunikation (Hess 2014), als Informationsvermittler zwischen Sender und
Rezipient oder als Fullservice-Dienstleister im Werbemarkt (Hillebrecht 2015)? Oder
sieht der Verlag seine Hauptaufgabe in der Unterhaltung?
Das Selbstverständnis eines Zeitungsverlages entscheidet darüber, auf welchem Markt
bzw. auf welchen Märkten das Unternehmen künftig tätig sein will. Die Entscheidung
über sein Business ist nicht gegeben, sondern stellt einen strategischen Akt dar (Abell
1980; vgl. auch Habann et al. 2008): Welche Funktion will der Zeitungsverlag bei wel-
chen Kundengruppen mit welcher Technologie erfüllen?
Die Funktion, die der Zeitungsverlag gegenüber seinen Kundengruppen (alle des Lesens
Kundige, in der Wirtschaft Tätige, Werbetreibende) erfüllen will sowie die dabei ge-
wählte und beherrschbare Technologie (print, digital) entscheidet über das Leistungsan-
gebot und damit auch über die Strategie. Zum Zertifizierer von Nachrichten passen alle
journalistischen bzw. redaktionellen Betätigungen, von der Berichterstattung bis hin zur
Information in Sachbüchern, Filmen oder Fernsehbeiträgen. Die Digitalisierungsstrategie
bis hin zur Servitization-Strategie im Bereich digitaler Dienstleistungen setzt dieses
Selbstverständnis um. Das kompetitive Umfeld erweitert sich vor allem um Akteure aus
anderen, in der Vergangenheit deutlich getrennten Zweigen der Medienwirtschaft. Ein
Ä2UJDQLVDWRU|IIHQWOLFKHU.RPPXQLNDWLRQ³ELHWHWYHrschiedenste Foren der Kommunika-
tion an, von digitalen Plattformen, auf denen Personen Meinungen austauschen, über
Kongresse und Tagungen, bei denen Experten mit Interessierten kommunizieren, bis hin
zu Talkrunden in Funk und Fernsehen. Dies entspricht einer Servitization-Strategie. Das
kompetitive Umfeld erweitert sich um Akteure, die als Infrastrukturanbieter agieren und
solche, deren Geschäft die Veranstaltungsorganisation ist. Ein Zeitungsverlag, der sei-
nem Selbstverständnis nach Unternehmen Zugänge zu Konsumenten eröffnet, kann etwa
Bewertungsplattformen oder Buchungsportale betreiben ± eine Digitalisierungsstrategie
Zeitungsverlage zwischen Digitalisierung und Servitization 399

vom digitalisierten Produkt bis hin zum Angebot digitaler Dienstleistungen. Das kompe-
titive Umfeld ist dann deutlich nicht mehr im publizistisch-kommunikativen Aufgaben-
feld zu suchen, sondern im Umfeld der Akteure, die als Intermediäre Markttransparenz
zwischen Produktion und Konsumtion erzeugen und in abstrakten Wertschöpfungsstruk-
turen auf der Stufe der akquisitorischen Distribution anzusiedeln sind. Versteht sich der
Zeitungsverlag als Partner der Werbetreibenden, so kann er sich in die Richtung indivi-
dualisierter Produkte (Individualisierungsstrategie) und Dienstleistungen (Servitizationt-
rategie) entwickeln. Er steht dann deutlich in Konkurrenz zu allen Akteuren, die auf der
Basis von großen Datenmengen über die (gegebenenfalls sogar unbekannten) Zielgrup-
pen der Werbetreibenden maßgeschneiderte Lösungen anbieten.
Dabei bieten die vier verschiedenen Strategien weitere Ausgestaltungsmöglichkeiten, die
in den bisherigen Angeboten noch nicht wiederzufinden sind.

5.2 Ausgestaltungsmöglichkeiten der Strategien


Sowohl die Strategie der Produktlinien-Erweiterung im Printbereich als auch die Digita-
lisierungsstrategie in ihrer ursprünglichen Form stellen Erweiterungen des klassischen
Geschäftsmodells der Zeitung mit der Kopplung des Leser- und des Werbemarktes dar.
Spätere Ausgestaltungsformen zeigen jedoch, dass auch die beiden Märkte zunehmend
entkoppelt werden, etwa wenn den Lesern auch Produkte ohne Werbeinhalte angeboten
werden, z. B. Bucheditionen. Hier stellt sich die Frage, mit welchen Angeboten sich der
Zeitungsverlag zu weit von seinem Selbstverständnis und damit seiner selbst gewählten
strategischen Aufgabe entfernt. Ebenso kann aus gesellschaftlicher Sicht gefragt werden,
ob ein Zeitungsverlag mit den erweiterten Engagements noch ausreichend Kapazität hat,
der nicht unwichtigen Aufgabe der Berichterstattung zum Zeitgeschehen nachzukom-
men. Gleichwohl kann das erweiterte Engagement aber auch in Form einer Querfinan-
zierung schlussendlich dieser Aufgabe dienen.
Die Digitalisierungsstrategie tritt derzeit in zwei Formen auf: Zum einen werden be-
kannte Ausprägungsformen von Medien 1:1 digitalisiert, zum anderen neuartige Formen,
wie z. B. Zeitungs-Apps mit Videobotschaften ausprobiert. Yoo et al. (2010) nennen zu-
sätzlich hierzu den Remix der Komponenten zu neuen Services. Diese letzte Option fehlt
derzeit noch. Als besonders interessante Entwicklung für Zeitungsverlage werden in die-
sem Zusammenhang die Location-based Services angesehen (Breyer-Mayländer 2015b,
Hagenhoff 2016b). Location-based Services sind mobile Anwendungen und unterstützen
die Information über lokale Angebote (Location-based Information, z. B. welcher Film
läuft im nächsten Kino, wo befindet sich dieses und wie komme ich dahin? (Christmann
et al. 2010)), lokale Kommunikation (Location-based Community, welcher meiner
Freunde ist in der Nähe und kommt mit ins Kino?), lokale Transaktionen (Location-
based Transaction, Kauf der Kinotickets über die App) und die Verknüpfung von Wer-
bung, Coupons sowie Community (Location-based Couponing, z. B. wie bekomme ich
die für die Rabattnutzung notwendige Gruppe von 10 Personen zusammen?).
400 Sabine Fließ und Svenja Hagenhoff

Mit der Individualisierung von Produkten wenden sich Zeitungsverlage derzeit noch vor
allem an den Business-to-Business-Markt und damit an die werbetreibenden Unterneh-
men. Aufgrund der Digitalisierung der Erstellungsprozesse sind hier auch konsumnahe
individualisierte Produkte denkbar. Neben der bereits angebotenen gedruckten Zeitungs-
ausgabe vom Tag der Geburt des zu Beschenkenden sind hier auch individualisierte Zei-
tungsausgaben, Fotoreportagen oder Videozusammenschnitte zu verschiedenen The-
menbereichen, die im Leben eines Jubilars, eines Hochzeitspaares, einer Person des
öffentlichen Lebens eine Rolle spielen oder gespielt haben, denkbar. Solche Angebote
können in unterschiedlichen Formen der Mass Customization angeboten werden: vom
individualisierten Cover über die persönliche Widmung bis hin zum individualisierten
Inhalt ist alles denkbar. Auch die Intensität der Kundenmitwirkung kann hier variiert
werden: von der Öffnung der digitalisierten Archive (was viele Zeitungen bereits anbie-
ten) und der Erstellung der Geburtstagszeitung durch den Kunden bis hin zur Übernahme
aller Gestaltungsaktivitäten durch den Verlag bieten sich viele Optionen. Diese Ansatz-
punkte leiten dann bereits zur Servitization-Strategie über.
Auch bei Dienstleistungen ist das Spektrum der Angebote noch lange nicht ausge-
schöpft. Insbesondere die digitalen Dienstleistungen bieten Potenzial für Weiterentwick-
lungen. Die Mitwirkung des Kunden ist ein konstitutives Merkmal von Dienstleistungen
und lässt sich online bzw. mobil besonders leicht einwerben. Der Leser als Reporter oder
als Fotograf wird so zum Mitgestalter insbesondere seiner regionalen Zeitung; allerdings
birgt diese Form der Kundenmitwirkung auch besondere Risiken, die zu beachten sind.
Ernst (2015) diskutiert diese z. B. aus einer juristischen Perspektive. Ebenso ist aber
auch zu thematisieren, welche Funktion die Berichterstattung in einer Gesellschaft hat
und welchen Bedingungen im Hinblick auf die identifizierten Ziele die erforderliche
Wertschöpfung dann genügen muss (hierzu z. B. Altmeppen 2014). Ein neues Angebot
im Rahmen der Servitization-Strategie stellen auch Events dar. Ein Beispiel hierfür ist
die Reiff Medien Dome, ein Veranstaltungszentrum mit Disko in Offenburg, das Ende
2010 vom Offenburger Tageblatt errichtet wurde. Damit wurden die folgenden Ziele
YHUEXQGHQ ÄReichweitensteigerung in jungen Zielgruppen, Imagetransfer (Printmarke
wird zum Erlebnisraum), Steigerung der Werbeerlöse durch cross-mediale Vermarktung
(Live Event/Print/Online) und die Schaffung einer Erlebniswelt für die junge Zielgrup-
SH³ 0HUNOH6). Hier finden sowohl Diskoveranstaltungen statt als auch Pro-
duktpräsentationen, sodass sowohl der B2C-Markt (von Lesermarkt kann hier weniger
gesprochen werden) als auch der B2B-Markt bedient werden.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass innerhalb der Strategie neue Zielgruppen,
aber auch neue Technologien weiteres Entwicklungspotenzial eröffnen. Welche der Stra-
tegien für einen Zeitungsverlag geeignet ist und auch zum Erfolg führt, hängt von be-
stimmten Voraussetzungen ab.
Zeitungsverlage zwischen Digitalisierung und Servitization 401

5.3 Voraussetzungen für Digitalisierungs-, Individualisierungs-


und Servitization-Strategie
Erfolgreiche Strategien setzen Wettbewerbsvorteile um. Dauerhafte Wettbewerbsvorteile
beruhen aus Sicht des Resource-based View auf der Ausstattung mit Ressourcen und Fä-
higkeiten (Barney 2014, S. 119ff.). Dem entsprechend erfordern erfolgreiche Strategien
besondere Ressourcenkombinationen und Fähigkeiten.
Die Strategien mit Digitalisierungsanteil erfordern in der Regel einen elaborierten Um-
gang mit der Ressource ÄDaten³ (Hess 2014) sowie die Implementierung und auch Ak-
zeptanz von komplexen (z. B. Content-Management-Systeme, hierzu z. B. Hein-
old/Hagenhoff 2010 oder Hagenhoff/Pfahler 2013) oder bisher ungewöhnlichen
Anwendungssystemen (z. B. Tools zum Controlling der Aktivitäten auf der Webseite,
zur Reaktion eines Qualitätsjournalisten vom alten Schlag (vgl. Schulz 2016, S. 84f.) im
Produktionsprozess. Einige Verlage inserieren bereits entsprechend neuartige Stellen: So
sucht z. B. der Wissenschaftsverlag Elsevier mittlerweile Data Scientists und Data Ma-
nager neben (oder gegebenenfalls bald anstelle) von Redakteuren zur Bearbeitung von
Texten. Neuartige Dienste, wie LBS, erfordern die Auseinandersetzung damit, was über-
haupt eine Innovation in der Medienwirtschaft sein könnte. Bis dahin ist ein jedes Kom-
munikat als das Neue klassifiziert: eine Zeitungsnachricht ist nur wertvoll, wenn sie neu
ist, jeder neue Zeitschriftentitel gilt als Produktinnovation und jeder neue Buchtitel gilt
als Novität ± in dieser Logik ist die Buchbranche mit ca. 80.000 neuen Titeln pro Jahr
(Fetzer 2015) mit Abstand der innovativste Wirtschaftszweig in Deutschland. Hier sei
aufgrund der Komplexität des Themas auf die differenzierte Diskussion bei Dogruel
(2013) verwiesen.
Die Individualisierungsstrategie basiert auf der Erfüllung heterogener Kundenanforde-
rungen. Wesentliches Merkmal ist es, dass der Kunde in die Erstellung der Leistung ein-
gebunden wird. Eine zentrale Veränderung gegenüber der autonomen Leistungserstel-
lung ist damit die Öffnung des Unternehmens, insbesondere der Prozesse für den
Kunden (vgl. zum Folgenden insbesondere Fließ 2006, S. 90ff.). Das Unternehmen wird
damit für den Kunden transparenter; die Line of Visibility verschiebt sich. Die Zusam-
menarbeit mit den Kunden ist enger als bei der autonomen Leistungserstellung, die In-
teraktion häufiger und intensiver. Besondere Anforderungen werden demzufolge zum
einen an die Mitarbeiter, zum anderen an die Prozesse gestellt. Mitarbeiter stehen in en-
gem Kundenkontakt; sie müssen sowohl über die notwendige Kenntnis der Kunden, der
internen Individualisierungsmöglichkeiten und der internen Prozesse verfügen als auch
über die Fähigkeit Kunden zu integrieren (Integrationskompetenz, Jacob 2003), mit
ihnen effektiv und effizient zu kommunizieren und flexibel auf Kundenwünsche zu rea-
gieren (Flexibilität; Minculescu 2013, S. 145). Prozesse müssen so gestaltet werden, dass
Kunden wissen, wo sie sich wann wie integrieren müssen oder können, und hierzu auch
in der Lage sein. Gegebenenfalls müssen die Kunden entsprechend entwickelt werden.
402 Sabine Fließ und Svenja Hagenhoff

Die Öffnung des Unternehmens zum Kunden hat Konsequenzen für alle Unternehmens-
bereiche sowie die Unternehmenskultur.
Dienstleistungen sind durch die Integration des Kunden in den Leistungserstellungspro-
zess und die Immaterialität des Leistungsergebnisses gekennzeichnet. Wie die Servitiza-
tion-Forschung zeigt, wirken sich diese Merkmale auf das gesamte Unternehmen aus
(Fließ/Lexutt 2016). Eine Servitization-Strategie entspricht damit einem Veränderungs-
prozess, der durch Change Management zu begleiten ist. Dienstleistungen, insbesondere
individualisierte und komplexe Dienstleistungen, führen bei Kunden zu einer hohen Un-
sicherheit vor dem Kauf, der im Marketing entsprechend begegnet werden muss (Fließ
2009, S. 165ff.). Das Unternehmen gibt seine Autonomie auf und öffnet sich der Mitbe-
stimmung durch die Kunden. Diese Eingriffe des Kunden können weitreichende Verän-
derungen in allen Funktionsbereichen des Unternehmens nach sich ziehen. Insbesondere
Verlage haben bisher typischerweise eher wenig oder nur sehr standardisierten Kontakt
zu Kunden: Werbekunden haben bis dahin mehrheitlich sehr standardisierte Angebote
für Werbeplätze gebucht, die in den Mediadaten beschrieben werden. Die Leser sind in-
sofern weit entfernt, als das im Einzelverkauf der Groß- und Einzelhandel zwischen bei-
den Gruppen steht. Auch Abonnenten sind eher pseudo-bekannt, reduziert sich das Wis-
sen des Verlags auf grobe soziodemographische Merkmale (Geschlecht, Alter) sowie die
Adresse zur Rechnungszustellung. Unterstellt werden muss gegebenenfalls auch, dass in
vielen Redaktionen Leser eher als theoretisches Konstrukt oder Änörgelnde Briefeschrei-
ber³ denn als zahlende Kundschaft mit Wünschen klassifiziert werden. Glotz und Lan-
JHQEXFKHU  VWHOOWHQDXI%DVLVHPSLULVFKHU$UEHLWIHVWGDVV=HLWXQJHQÄ]XU6HOEVW
EHIULHGLJXQJ DNDGHPLVFK JHELOGHWHU 5HGDNWHXUH JHPDFKW >ZUGHQ@ >«@ GHQHQ GLH
Verleger aus schwer verständlichen Gründen erlauben, an ihren Lesern vorbei-zu-
theoreWLVLHUHQ³ 6I Diskussionen in Theorie und Praxis darüber, ob und in welcher
Form Wünsche von Lesern Platz im journalistischen Arbeiten finden könnten und sollten
sind hochaktuell.

5.4 Voraussetzungen erfolgreicher Strategieentwicklungspfade


Die oben vorgestellten Strategien können nebeneinander existieren, aber auch nachei-
nander in Angriff genommen werden, wenn eine Strategie an ihre Grenzen stößt. Da jede
Strategie ihre eigenen Voraussetzungen mitbringt, kann sich die parallele Verfolgung
mitunter als schwierig erweisen. Als besonderes Hindernis, aber auch als Chance können
sich Pfadabhängigkeiten erweisen.
Das Phänomen der Pfadabhängigkeit bezieht sich darauf, dass einmal getroffene Ent-
scheidungen über den Kauf, die Entwicklung und den Einsatz insbesondere von Res-
sourcen dazu führen, dass sich das Entscheidungsspektrum für die Zukunft verringert.
Entscheidungen der Vergangenheit beeinflussen Entscheidungen der Zukunft (North
1990, S. 90) und begrenzen daher den Entwicklungspfad von Unternehmen (Sydow et al.
2009).
Zeitungsverlage zwischen Digitalisierung und Servitization 403

Aufgrund der Pfadabhängigkeit werden einmal eingeschlagene Strategien zementiert und


ein so genannter Strategischer Lock-in hervorgerufen (Rothmann/Koch 2014), da das
Unternehmen Ressourcen in einem Maße gebunden hat, dass ihm bestimmte Wachs-
tumspfade verschlossen bleiben und es daher bei der eingeschlagenen Wachstumsstrate-
gie bleibt, d. h. bisherige Märkte weiterbearbeitet und Probleme der bisherigen Zielgrup-
pen durch neue Leistungsangebote löst. Für die Zeitungsverlage wird die
Pfadabhängigkeit als große Gefahr gesehen, die die Verlage an der Entwicklung neuer
Geschäftsmodelle hindert (Karalus 2008, S. 78ff.) oder aber eine Pfadberechnung erfor-
dert (Rothmann/Koch 2014).
Wie die obige Diskussion der Strategievoraussetzungen zeigt, sind die Strategien jedoch
durchaus durch Ressourcenverbunde gekennzeichnet. In dieser Hinsicht greifen die Indi-
vidualisierungsstrategie und die Servization-Strategie auf ähnliche Kompetenzen zu-
rück, da beide Strategien die Öffnung des Unternehmens für die Integration des Kunden
in seine Leistungsprozesse erfordern. Beide erfordern insbesondere Kompetenzen der
Kundenintegration. Der Übergang von der Individualisierungsstrategie zur Servitization-
Strategie sollte sich daher nicht ganz so schwierig gestalten.
Auch die Strategien der Produktlinien-Erweiterung und der Digitalisierung weisen Ge-
meinsamkeiten auf, da sie auf autonomer Produktion basieren. Werden allerdings im
Rahmen der Digitalisierung Kunden zunehmend integriert und entwickelt sich die Stra-
tegie in Richtung digitaler Dienstleistungen, so sind neue Kompetenzen erforderlich. Die
bisherigen Kompetenzen verlieren an Wert, während der Aufbau der neuen Kompeten-
zen Zeit erfordert, die aufgrund von Time Compression Economies nicht durch erhöhten
Finanz- oder Produktionsfaktoreinsatz verkürzt werden kann (Cool et. al 2002, S. 60).
Dieses Problem zeigt sich auch beim Übergang von der Strategie der Produktlinien-
Erweiterung zur Individualisierung und von der Digitalisierung zur Servitization-
Strategie mit nicht-digitalen Dienstleistungen.
Vor diesem Hintergrund sind die in Abbildung 3 aufgezeigten Entwicklungspfade 1, 4
und 6 aufwändig und gegebenenfalls wenig erfolgreich. Letzteres gilt insbesondere dann,
wenn der Entwicklungspfad beschritten wird, ohne dass der Verlag selbst die erforderli-
chen Kompetenzen aufbaut, sondern diese von außen zukauft. So wird die Digitalisie-
rung nicht immer im eigenen Haus betrieben, sondern in Kooperation mit externen Part-
nern. Gleiches gilt für das Angebot von Dienstleistungen (Karalus 2008, S. 173ff.).

6. Zusammenfassung und Ausblick


Der vorliegende Beitrag hat gezeigt, dass Zeitungsverlage vor besonderen Herausforde-
rungen stehen, die ihr bisheriges Geschäftsmodell in Frage stellen. Die Digitalisierung
stellt dabei Gefahr und Chance zugleich dar.
404 Sabine Fließ und Svenja Hagenhoff

Auf der Basis einer explorativen Dokumentenanalyse konnte gezeigt werden, dass die
sieben größten Zeitungen und ihre Verlage unterschiedliche Angebote entwickelt haben.
Hierbei lassen sich ± basierend auf der Leistungstypologie von Engelhardt, Kleinalten-
kamp und Reckenfelderbäumer ± die folgenden Angebote unterscheiden: Materielle
Leistungsergebnisse in Form materieller Produkte, Mass Customization und individuali-
sierter Produkte sowie immaterielle Leistungsergebnisse in Form von digitalen Produk-
ten, digitalen Dienstleistungen, standardisierten und individualisierten Dienstleistungen.
Anhand des Anteils, den diese Angebote am Gesamtangebot einnehmen, lassen sich vier
Strategien identifizieren: die Strategie der Produktlinien-Erweiterung, die Digitalisie-
rungsstrategie, die Individualisierungsstrategie und die Servitization-Strategie. Jede Stra-
tegie ist an bestimmte Voraussetzungen geknüpft, aufgrund derer Pfadabhängigkeiten
entstehen, die die Verfolgung bestimmter Entwicklungspfade erfolgversprechender ma-
chen als anderer.
Abschließend konnte aufgezeigt werden, dass das Selbstverständnis des Verlages im
Hinblick auf die von ihm zu erfüllende Funktion gegenüber seinen Kundengruppen we-
sentlich ist für die Wahl seines Marktes, seiner Konkurrenten und damit auch seiner
Strategie. Hinsichtlich der identifizierten Strategien besteht jedoch auch noch Bedarf der
differenzierten Bewertung sowohl in Bezug auf organisationsbezogene Machbarkeiten
wie auch gesellschaftsbezogene Funktionen, die verschiedenen Medien zugesprochen
werden.
Aufgrund des explorativen Charakters der empirischen Untersuchung ist deren Aussage-
kraft naturgemäß begrenzt und hat daher eher illustrativen als beweisenden Charakter.
Dementsprechend steht eine empirische Validierung des hier entwickelten Strategiemo-
dells noch aus. Auch ob und unter welchen Voraussetzungen welche Strategie bzw. wel-
cher Strategieentwicklungspfad erfolgreich ist, konnte in dieser Untersuchung noch nicht
geklärt werden. Beides könnte in persönlichen Interviews erfolgen.

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Volker Nissen und Henry Seifert

Die digitale Transformation der


Unternehmensberatung

1. Ausgangssituation und Grundlagen

2. Spektrum virtueller Beratungsleistungen

3. Chancen, Risiken und Qualitätsanforderungen virtueller Beratungsleistungen


3.1 Grundlagen
3.2 Methodik und Daten
3.3 Ergebnisse und Diskussion
3.3.1 Chancen und Risiken virtueller Beratungsleistungen aus
Beratersicht
3.3.2 Chancen und Risiken virtueller Beratungsleistungen aus
Klientensicht
3.3.3 Qualitätskriterien virtueller Beratungsangebote aus Klientensicht
3.3.4 Einfluss des Virtualisierungsgrades auf die Qualitätskriterien

4. Bestimmung des Virtualisierungspotenzials von Beratungsleistungen


4.1 Grundlagen
4.2 Methodik und Daten
4.2.1 Prozessvirtualisierung ± theoretische Fundierung
4.2.2 Kriterien der Virtualisierbarkeit ± empirische Studie
4.3 Ermittlung des Virtualisierungspotenzials von Beratungsleistungen
4.3.1 Überblick
4.3.2 Analyse des prozessualen Virtualisierungspotenzials
4.3.3 Analyse des unternehmensbezogenen Virtualisierungspotenzials
4.3.4 Analyse des strategischen Virtualisierungspotenzials

5. Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017


M. Bruhn und K. Hadwich (Hrsg.), Dienstleistungen 4.0,
DOI 10.1007/978-3-658-17552-8_17
___________________________
Univ.-Prof. Dr. Volker Nissen ist Leiter des Fachgebietes Wirtschaftsinformatik für
Dienstleistungen an der TU Ilmenau. Henry Seifert ist Senior Consultant bei Mieschke
Hofmann und Partner, Gesellschaft für Management- und IT-Beratung mbH in
Ludwigsburg.
1. Ausgangssituation und Grundlagen
ÄUnternehmen müssen sich intensiv mit der Frage befassen, wie ihr Kerngeschäft in Zu-
kunft betrieben wird, und eine effiziente Digitalstrategie entwickeln. Klassische Ansätze
greifen hier nicht. Branchen und Industrien müssen sich neu definieren, um sich gegen-
über neuartigen Wettbewerbern und Herausforderungen behaupten zu können.³ Diese
Einschätzung von Marcel Nickler, Vorsitzender der Geschäftsführung der BearingPoint
GmbH in einem Interview zum Lünendonk-Handbuch Consulting 2016 beschreibt zu-
treffend die Situation, in der sich beratungsnahe Dienstleister heute selbst auch befinden.
Dies zeigen Unternehmen wie z. B. Easyfolio, das eine automatisierte Vermögensver-
waltung für Anleger bietet. Das Anlagetool, auch Robo-Adviser genannt, legt je nach
Risikobereitschaft des Kunden Geld in verschiedenen Fonds an. In der Geldanlage ist
eine Zeitenwende im Gange. Zukünftig werden Vermögen mittels ausgeklügelter Soft-
ware verwaltet (o.V. 2016a; Weimer 2016). Ähnliche Entwicklungen sind in anderen
Beratungsbereichen zu beobachten. So dringen Firmen wie LegalZoom, otris, Agree-
ment24 und RocketLawyer mit webbasierten Angeboten unmittelbar in den Geschäftsbe-
reich von Rechtsanwälten und Notaren ein. Das juristische Start-up-Unternehmen Lega-
list will mit Hilfe von historischen Prozessdaten aussichtsreiche Klagen identifizieren.
Intelligente Algorithmen sollen dafür Erfolgschancen und die voraussichtliche Dauer ei-
nes Rechtsstreits ermitteln (o.V. 2016b). Im Bereich der Wirtschaftsprüfung sind inzwi-
schen Analysetools verfügbar, um für die Finanzberichterstattung relevante Geschäfts-
prozesse im Rahmen der Jahresabschlussprüfung automatisiert zu rekonstruieren und zu
prüfen (Werner 2012) Ähnliches gilt für die Durchführung interner Audits in Unterneh-
men (Jans et al. 2011). Vergleichbar disruptive Innovationen werden auch vor der klassi-
schen Unternehmensberatung nicht Halt machen. Dies bringt folgende Stellungnahme
von Hans-Werner Wurzel und Kai Haake, Präsident bzw. Geschäftsführer des Bundes-
verbandes Deutscher Unternehmensberater BDU e.V., klar zum Ausdruck: Ä%HLP 0H
gatrend Digitalisierung müssen Unternehmensberater nicht nur Antworten auf die Fra-
gen ihrer Klienten finden. Hier werden sie zum Vordenker in eigener Sache, denn die
digitale Transformation wird auch die klassischen Geschäftsmodelle GHV ÄPeople Busi-
QHVV³ 8QWHUQHKPHQVEHUDWXQJDXIGHQ.RSIVWHOOHQ³ (Wurzel/Haake 2016).
Unternehmensberatung (Consulting) soll hier als professionelle Dienstleistung verstan-
den werden, die durch eine oder mehrere, im allgemeinen fachlich dazu befähigte und
von den beratenen Klienten hierarchisch unabhängige Person(en) zeitlich befristet sowie
meist gegen Entgelt erbracht wird. Sie hat zum Ziel, betriebswirtschaftliche Probleme
des beauftragenden Unternehmens interaktiv mit den Klienten zu definieren, strukturie-
ren und analysieren, sowie Problemlösungen zu erarbeiten, und auf Wunsch ihre Umset-
zung gemeinsam mit Vertretern des Klienten zu planen und im Unternehmen zu realisie-
ren (Nissen 2007).
414 Volker Nissen und Henry Seifert

Im üblichen Verständnis ist Unternehmensberatung eine persönliche, wissensintensive


Dienstleistung. Dabei suchen Berater Klienten auf, um mit ihnen gemeinsam vor Ort,
interaktiv (Face to Face), unternehmensrelevante Problemstellungen zu bearbeiten. Doch
der Markt für Beratungsleistungen befindet sich in einem Veränderungsprozess. Genau
wie ihre Klienten, sieht sich die Branche ständig neuen Herausforderungen und verän-
derten Rahmenbedingungen gegenüber.
So ist in der Unternehmensberatung seit Jahren ein Wandel hin zu einem Käufermarkt
mit hohem Konkurrenzdruck, auch durch Freelancer und Anbieter aus Billiglohnländern
im Bereich von Standardleistungen, zu beobachten (Nissen 2013). Daneben betreten
neue Wettbewerber, mit innovativen Geschäftsmodellen und technologiegetriebenen Be-
ratungsansätzen, den Markt (Christensen 2013).
Auch die Käuferseite hat sich verändert. Hier ist eine gestiegene Professionalität und ein
erhöhtes Preisbewusstsein der Klienten im Umgang mit Beratungsanbietern zu beobach-
ten (Mohe 2003). Im Bereich des Beratungseinkaufs findet eine stärkere Zentralisierung,
Formalisierung und Standardisierung der Prozesse statt. Dabei steht das Preis-Leistungs-
verhältnis im Zentrum. Die Virtualisierung von Beratungsleistungen kann hier neue An-
satzpunkte bieten, die eigenen Kosten zu senken und dadurch Margenspielraum zurück
zu gewinnen.
Ein virtueller Prozess ist ein Prozess, in dem die physische Interaktion zwischen Men-
schen und/oder Maschinen verschwindet. Der Übergang eines physischen Prozesses hin
zu einem virtuellen Prozess ZLUGDOVÄ3UR]HVVvLUWXDOLVLHUXQJ³EH]HLFKQHW (Overby 2008).
Zentrale Virtualisierungsmechanismen sind die Digitalisierung und Vernetzung. Virtua-
lisierung ist heutzutage allgegenwärtig. Online-Banking und Social Media sind nur zwei
Beispiele dafür, dass Virtualisierung inzwischen eine immer bedeutendere Rolle im all-
täglichen Leben einnimmt. Virtualisierung ist ein Trend, dem sich Beratungsunterneh-
men auch hinsichtlich ihrer eigenen Geschäftsprozesse stellen müssen.
Die Virtualisierung von Beratungsleistungen kann, angesichts der beschriebenen Heraus-
forderungen, eine innovative Strategie zur Sicherung des nachhaltigen Unternehmenser-
folgs sein und klassische Angebote der Unternehmensberatung ergänzen. Virtualisierung
bietet die Chance, das gesamte Beratungsunternehmen nachhaltig zu verändern. Unter-
nehmensberatungen, die sich nicht oder nur oberflächlich mit der Virtualisierung be-
schäftigen, laufen Gefahr, im Wettbewerb zurückzufallen und ihre Position im Bera-
tungsmarkt zu schwächen.
Beratungsleistungen besitzen Potenziale ganz oder teilweise virtualisiert zu werden
(Christensen et al. 2013; Greff/Werth 2015; Nissen/Seifert 2015). Solchermaßen (even-
tuell nur teilweise) virtualisierte Beratungsprozesse verzichten in bestimmten Pro-
jektphasen auf die direkte Face-to-Face-Interaktion zwischen Berater und Klient, indem
stattdessen Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) gezielt eingesetzt
wird. In Verbindung mit einer Standardisierung der Beratungsleistung ermöglicht die
Virtualisierung sogar in einigen Bereichen die Entwicklung vollautomatisierter Bera-
tungslösungen. In der Praxis werden gerade die stark virtualisierten Formen der Unter-
Die digitale Transformation der Unternehmensberatung 415

nehmensberatung, wie beispielsweise Self-Service-Consulting, bislang nur vereinzelt


genutzt. Es sind unter Beratern sogar ablehnende Tendenzen insbesondere gegenüber
einer Automatisierung von Beratungsleistungen beobachtet worden (Deelmann 2015).
Doch scheint das Potenzial einer solchen digitalen Transformation des Consulting lang-
sam erkannt zu werden (Greff/Werth 2015; Nowak 2015; Werth et al. 2016).
So können innovative Beratungsprodukte nicht nur das Leistungsportfolio ergänzen,
sondern das Geschäftsmodell des Consulting in Teilen sogar revolutionieren. Die Ver-
netzung der verschiedenen Akteure durch die Nutzung von Informations- und Kommu-
nikationsanwendungen eröffnet Chancen, die Effizienz, Flexibilität und Effektivität der
Beratungsleistungen zu steigern und gleichzeitig neue Absatzmärkte zu erschließen. Die
Virtualisierung kann der Grundstein für neue Formen der Zusammenarbeit und Integra-
tion mit den Beratungsklienten sein. So ändert sich die Art und Weise wie Berater und
Kunden zusammenarbeiten grundlegend, was Chancen und Risiken birgt (Nissen et al.
2015; Nissen/Seifert 2015).
In den nachfolgenden Abschnitten wird zunächst das breite Spektrum der Virtualisierung
von Beratungsleistungen verdeutlicht, danach die Qualitätsanforderungen aus Sicht der
Klienten sowie Chancen und Risiken der Digitalisierung in Anlehnung an Nissen et al.
(2015) dargestellt. Diese Ergebnisse beruhen auf mehreren Delphi-Studien mit Anbietern
und Kunden des Consulting. Anschließend leiten wir theoriegeleitet und ergänzt durch
eine umfangreiche empirische Untersuchung ein dreistufiges Vorgehen her, mit dem Be-
ratungsanbieter in strukturierter Weise das Virtualisierungspotenzial innerhalb ihres
Leistungsportfolios ermitteln können.

2. Spektrum virtueller Beratungsleistungen


Virtualisierung ist im Consulting als Spektrum von möglichen Leistungen zu verstehen,
dessen Extrempunkte zum einen durch einen lediglich unterstützenden Einsatz und zum
anderen durch einen ausschließlichen Einsatz von Informations- und Kommunikations-
technologie in Beratungsprozessen bestimmt sind (vgl. Abbildung 1). Letzteres bezeich-
net man als Vollvirtualisierung, bei der die persönliche Beratungsleistung vollständig
durch technologiebasierte Lösungen substituiert ist. Hier nutzt der Kunde Beratungspro-
dukte selbstständig, kann aber bei Bedarf ergänzende persönliche Beratung erhalten.
Zwischen den Extrempunkten existieren zahlreiche Varianten virtueller Beratungsleis-
tungen.
416 Volker Nissen und Henry Seifert

wenig virtualisiert
voll virtualisiert

ƒ Hauptsächlich direkte ƒ Hauptsächlich direkte ƒ Hauptsächlich indirekte ƒ Hauptsächlich


Interaktion Interaktion Interaktion automatisierte
Interaktion
ƒ Vereinzelte Nutzung ƒ Häufige Nutzung von ƒ Überwiegende Nutzung
von Webkonferenzen Webkonferenzen und von Webkonferenzen ƒ Überwiegend
und Chat- Chat-Anwendungen und Chat- automatisierte Lösung
Anwendungen Anwendungen der Beratungsaufgaben
ƒ Vereinzelte Nutzung
von Online- ƒ Häufiger Einsatz von
Kollaboration Tools zur
automatisierten Lösung
einzelner
Beratungsaufgaben
Beispiel: Beispiel: Beispiel: Beispiel:
Software-Einführung mit Zusatzprogrammierung Process Mining zur Kunden wird eine
Entwicklern vor Ort beim mit Nearshore-Teams, Geschäftsprozess- Beratungsapplikation
Klienten, vereinzelte regelmäßigen optimierung mit zur Verfügung gestellt,
Nutzung von Desktop- Videokonferenzen und Workshops bei dem die Kundendaten
Sharing-Tools und Web- Online-Workshops. Klienten. analysiert, Tendenzen
Konferenzen. Workshops zur Analyseaufgaben und Charakteristika
Anforderungserhebung werden weit möglichst interpretiert und
finden meistens beim remote über automatisiert
Klienten statt. entsprechende Services Maßnahmen vorschlägt.
durchgeführt.

Abbildung 1: Virtualisierung von Beratungsleistungen als Kontinuum
(Quelle: Nissen et al. 2015, S. 5)

Je geringer der Virtualisierungsgrad ist, desto häufiger wird direkt Face to Face zwi-
schen den Akteuren des Beratungsprozesses agiert. Das bedeutet Workshops, Meetings
oder Dialoge finden direkt und persönlich statt. Nur vereinzelt werden Werkzeuge einge-
setzt, um unabhängig vom Ort miteinander zu kommunizieren. Standardisierung und Au-
tomatisierung finden insbesondere in Form von Vorgehensmodellen und Dokumentvor-
lagen Anwendung. Die Leistungserbringung erfolgt nicht automatisiert.
Mit steigendem Virtualisierungsgrad wird der direkte, persönliche Kontakt zwischen Be-
rater und Kunde, aber auch zwischen Berater und Berater minimiert. Bei einem sehr ho-
hen Virtualisierungsgrad der Leistung wird es demnach nur noch bei den kritischsten
Aktivitäten und Problemstellungen direkten Kontakt zwischen den Akteuren und insbe-
sondere zwischen Berater und Klient geben. Je stärker der Beratungsprozess virtualisiert
ist, desto häufiger werden Kollaborationswerkzeuge wie Instant Messenger, Videoan-
wendungen, Shared File Repositories oder Virtual Workspaces genutzt (Schuster 2005,
S. 157). Ein entscheidender Mehrwert kann erzielt werden, wenn mit steigendem Virtua-
lisierungsgrad auch Automatisierung angewendet wird. So wird die Leistungserbringung
vom einzelnen Berater losgelöst und durch softwarebasierte Beratungsprodukte weitge-
hend bis vollständig substituiert. Der Einsatz solcher Beratungsprodukte bringt neue
Die digitale Transformation der Unternehmensberatung 417

Formen der Preisgestaltung mit sich. So können automatisierte Beratungsanwendungen


zum Beispiel zu einem Festpreis verkauft oder über Lizenzen vertrieben werden. Sie las-
sen sich wesentlich besser skalieren als herkömmliche Beratung und z. B. auch in entle-
genen Regionen einsetzen (Nowak 2015).
Virtuelle Beratungsleistungen können anhand verschiedener Merkmale der Dienstleis-
tungsforschung charakterisiert werden (vgl. Abbildung 2).

Abbildung 2: Merkmale virtueller Beratungsleistungen für zwei Beispiele


(Quelle: Nissen/Seifert 2016, S. 9)

Die Interaktivität einer virtuellen Beratungsleistung beschreibt das Maß der Interaktion
von Berater und Kunde. Der Digitalisierungsgrad bildet ab, in welchem Umfang Infor-
mations- und Kommunikationstechnologien bei der Erbringung der virtuellen Beratungs-
leistung genutzt werden. Mit dem Merkmal Standardisierungsgrad wird abgebildet, wie
sehr Bestandteile, Abläufe und Ergebnisse einer virtuellen Beratungsleistung vorbe-
stimmt sind. Die Integrativität beschreibt das Maß, mit dem Ressourcen von Klienten
und Beratern im Beratungsprozess eingebracht werden müssen. Die Modularität be-
schreibt, inwiefern eine Beratungsleistung sich in abgeschlossene, durch klare Schnitt-
stellen separierte Teilleistungen zerlegen lässt.
Ein Online-Management-Coaching, das als virtuelle Beratungsleistung einer Human-
Resources-Beratung angeboten wird, weist demnach andere Merkmalsausprägungen auf,
als ein Remote Process Mining, das von einer IT-Beratung eingesetzt wird. Am Beispiel
der Interaktivität lässt sich der Unterschied verdeutlichen. Beim Coaching wird sehr in-
418 Volker Nissen und Henry Seifert

teraktiv mit der betreuten Person zusammengearbeitet; Ideen, Meinungen und Erfahrun-
gen werden rege ausgetauscht. Beim Remote Process Mining hingegen wird kaum mit
Klienten interagiert. Hier liegt der Fokus auf der richtigen Anwendung des Mining-Tools
durch den Berater und der korrekten Analyse der generierten Prozessmodelle.
Weitere Beispiele für virtuelle Beratungsleistungen, die jeweils unterschiedliche Merk-
malsausprägungen aufweisen, sind:
„ Videokonferenzen zwischen Beratern, die sehr interaktiv aber wenig standardisiert
sind,
„ ein Chat für Kunden von Beratern, der ebenfalls interaktiv ist, Informationen des
Kunden integriert und Standardisierung in Form von Richtlinien enthält,
„ ein Podcast für Kunden zu einem aktuellen Thema, der nicht interaktiv ist, aber da-
für voll digitalisiert,
„ ein Data-Mining-Tool für Analysezwecke für Berater, dass durch eine hohe Modu-
larität und Integrativität gekennzeichnet ist,
„ ein webbasiertes Assessment, um den Reifegrad vom Projektmanagement des Kun-
den zu bestimmen, das wenig interaktiv, aber sehr standardisiert und modularisiert
ist,
„ ein Interview mit Kunden über Skype mit einer hohen Interaktivität,
„ eine Tablet-Beratungs-App zum Thema Projektmanagement mit einem hohen Digi-
talisierungsgrad,
„ ein interaktiver, virtueller Assistent für Kunden, der den Kunden digital und stan-
dardisiert berät.
Virtuelle Beratungsleistungen können demnach sehr unterschiedliche Formen annehmen.
Durch die Kombination von unterschiedlichen, virtuellen Leistungsmodulen, können
wiederum neue virtuelle Beratungsleistungen entstehen. Es wird auch deutlich, dass Vir-
tualisierung kein völlig neues Phänomen ist. Im gegenwärtigen Beratungsalltag werden
verschiedene Technologien vor allem im Rahmen niedrig virtualisierter Beratungsleis-
tungen bereits genutzt. So sind Skype, Videokonferenzen oder Projektplattformen heute
bereits Bestandteil vieler Projekte.

3. Chancen, Risiken und Qualitätsanforderungen


virtueller Beratungsleistungen

3.1 Grundlagen
Ob eine Beratungsleistung erfolgreich virtualisiert werden kann oder nicht, hängt in ers-
ter Linie von der Akzeptanz und von den Erwartungen der Klienten ab. Nur wenn die
Klienten die veränderten Beratungsformen und -abläufe akzeptieren, sind sie auch bereit,
Die digitale Transformation der Unternehmensberatung 419

diese Leistungen in Anspruch zu nehmen. Um eine größtmögliche Akzeptanz sicher zu


stellen, ist daher zu klären, welche Chancen und welche Risiken Klienten in Bezug auf
virtuelle Beratungsleistungen erwarten.
Hat der Klient die virtuelle Beratungsleistung akzeptiert und in Anspruch genommen,
bildet er sich im nächsten Schritt ein Zufriedenheitsurteil. Unternehmensberatungen
vermarkten Leistungsversprechen in Bereichen, die für Klienten oft große Bedeutung
haben und erhebliche Risiken mit sich bringen. Ein Beratungshaus kann langfristig nur
dann erfolgreich sein und Kunden an sich binden, wenn die erbrachten Beratungsleistun-
gen in ihrer Qualität die Erwartungen der Klienten erfüllen. Damit wird Qualitätsma-
nagement (QM) für Beratungsfirmen zu einer zentralen Managementaufgabe (Nissen
2007, S. 235). Daher gilt es festzustellen, welche Erwartungen die Klienten an die Qua-
lität virtueller Beratungsleistungen haben.

3.2 Methodik und Daten


Die Beantwortung der oben genannten zentralen Fragen bildet die Grundlage, um Vor-
gehensmodelle, Entscheidungshilfen und Methoden zur Virtualisierung von Beratungs-
leistungen erfolgreich entwickeln zu können. Letztendlich sollen damit Artefakte im
Sinne Hevners (2004) geschaffen werden, die Beratungsfirmen bei der zielorientierten
Innovation ihrer Geschäftsmodelle in Richtung auf eine digitale Transformation unter-
stützen. Als Grundlage dieses Vorhabens wurde eine systematische, mehrstufige Litera-
turanalyse nach dem von Webster und Watson (2002) vorgeschlagenen Vorgehen durch-
geführt. Die Literaturanalyse wurde zweimal ausgeführt, um etablierte Qualitätskriterien
von traditionellen Beratungsdienstleistungen aber auch von elektronischen Dienstleis-
tungen zu ermitteln (Nissen et al. 2015). Das Ergebnis lieferte einen Katalog vorläufiger
Qualitätskriterien virtualisierter Beratungsangebote. Anschließend fand eine Evaluierung
dieses vorläufigen Kriterienkatalogs durch ein Expertenpanel aus Klientenperspektive
statt. Dabei standen vier Fragen im Mittelpunkt:
(1) Ist der konzipierte Katalog von Qualitätskriterien virtualisierter Beratungsleistungen
vollständig?
(2) Welche Bedeutung haben die einzelnen Kriterien?
(3) Welchen Einfluss hat der Virtualisierungsgrad auf die Bedeutung der Kriterien?
(4) Welche Chancen und welche Risiken erwarten die Klienten durch virtualisierte Be-
ratungsangebote?
Um diese Fragestellungen zu beantworten, wurde eine Delphi-Studie nach Häder (2000;
2014) durchgeführt. Die Teilnehmer der Studie (vgl. Abbildung 3) kamen aus verschie-
denen Branchen und hatten Erfahrung im Umgang mit Unternehmensberatern. Des Wei-
teren wurde darauf geachtet, dass die Teilnehmer über verschiedene Fachkenntnisse ver-
fügen und sich in ihrer Funktion im Unternehmen unterscheiden. Es wurden Fachleute
aus dem IT-Bereich und den Fachabteilungen für die Studie ausgewählt, wobei die
420 Volker Nissen und Henry Seifert

Fachbereichsvertreter dominieren. Ebenso nahmen deutlich mehr Vertreter mittelgroßer


und großer Unternehmen teil, sodass die Ergebnisse vor dem Hintergrund kleiner Unter-
nehmen vorsichtig interpretiert werden sollten. Die Delphi-Studie hatte zwei Befra-
gungsrunden. Bei den Qualitätskriterien virtueller Beratungsleistungen bildete das Er-
gebnis der Literaturanalyse den Ausgangspunkt. Außerdem hatten die Experten
Gelegenheit, mit Hilfe von Freitext-Feldern gegebenenfalls weitere Qualitätskriterien zu
ergänzen. In Bezug auf Mehrwert und Risiken virtualisierter Unternehmensberatung
wurden die Experten in Form offener Fragen gebeten, ihre Einschätzungen zu formulie-
ren. Die zweite Befragungswelle, die zwei Wochen nach der ersten gestartet wurde, soll-
te die in der ersten Befragungsrunde ermittelten Ergebnisse konsolidieren. Die zweite
Befragungsrunde beendeten 10 Klienten (nach 13 in der ersten Runde).

Wie oft haben Sie direkten Kontakt mit Beratungsdienstleistungen?

vereinzelt 1x
Teilnehmer entsprachen grundsätzlich der Zielgruppe
häufig 6x und kennen sich auf dem Gebiet der Beratungsdienst-
leistungen gut bis sehr gut aus.
täglich 6x
Wie viele Mitarbeitende sind in ihrem Unternehmen tätig?

51 - 250 1x
251 ± 1.000 1x Teilnehmer eher aus mittleren bis großen Unterneh-
1.001 ± 2.000 4x men.

> 2.000 7x
In welcher Branche ist ihr Unternehmen tätig?

Automobilbranche 5x
Industrie (ohne Details) 1x
Überwiegend Teilnehmer aus Chemie und Automobil-
Chemie 5x
branche.
Energie 1x
Finanzdienstleistung 1x
In welcher Abteilung sind Sie tätig?

Fachabteilung 11x
Hauptsächlich Teilnehmer aus der Fachabteilung
IT-Abteilung 2x
Abbildung 3: Merkmale der befragten Klientenvertreter in der ersten Delphi-Studie

Daneben sollte auch die Frage geklärt werden, welche Chancen und Risiken Beratungs-
anbieter in der Virtualisierung ihrer Leistungen sehen. Hierzu wurde eine zweite Delphi-
Studie durchgeführt (Nissen/Seifert 2015). Dabei wurde ein Panel von Beratungsexper-
ten wiederum in zwei Runden befragt (vgl. Abbildung 4). Auch hier konnten die Exper-
ten ihre Einschätzungen in der ersten Befragungsrunde frei formulieren, während die
Die digitale Transformation der Unternehmensberatung 421

zweite Runde der Konsolidierung der Ergebnisse diente. Die zweite Befragungsrunde
beendeten 12 Unternehmensberater (nach 20 in der ersten Runde). In beiden Delphi-
Studien wurde somit die Mindestteilnehmerzahl nach Häder (2000) erreicht. Beide Be-
fragungen wurden im Herbst 2014 online mithilfe der Software Questback durchgeführt.
Zu weiteren Einzelheiten der Methodik siehe Nissen et al. (2015) sowie Nissen und Sei-
fert (2015).

Unternehmens-
Experte Beratungs-
Position/Bereich größe (Mitarbei-
Nr. erfahrung (Jahre)
tende)
1 14 Innovation Center, Sales 120
2 5 Managing Consultant/Advisory 100.000
VP Strategy Development/Strategy
3 5 50.000
Development
Management Consultant/Security
4 20 400.000
Service
Associated Partner/Management
5 30 1.000
Technology
6 9 Manager/Advisory/Sales 140.000
7 14 CEO/Consulting 30
Sales & Business Develop-
8 20 20.000
ment/Sales
Technical Architect/Customer Solu-
9 5 tion 130.000
Development/Sales
10 18 CEO/Sales 45
Senior Manager/Technology Archi-
11 8 280.000
tecture
12 19 Director / Marketing & Sales 110
13 14 CEO/Innovation 100
14 22 CEO/Sales 80
Senior Project Consult-
15 9,5 50.000
ant/Education/Certification
Principal Enterprise Archi-
16 20,5 127.000
tect/Business Technology
17 18 Senior Manager/IT-Consulting 180.000
18 15 Manager IT Consulting/Advisory 180.000
Senior Manager/Risk and IT-
19 16 180.000
Service
20 18 CEO/Sales 200
Abbildung 4: Übersicht der befragten Beratungsexperten in der zweiten Delphi-Studie
422 Volker Nissen und Henry Seifert

3.3 Ergebnisse und Diskussion

3.3.1 Chancen und Risiken virtueller Beratungsleistungen aus Beratersicht

Für Berater spielt neben finanziellen Gründen durch sinkende Kosten (z. B. wegen ge-
ringerer Reisezeiten) vor allem steigende Flexibilität in der Erbringung der Beratungs-
leistung (zeitlich, räumlich und hinsichtlich der einbezogenen Wissensträger) eine wich-
tige Rolle. Virtuelle Beratungsleistungen werden dabei eher nicht als Premium-Dienst-
leistungen gesehen, sondern bieten Potenziale im Bereich vergleichsweise gut
standardisierbarer Leistungen. Daneben werden durch Virtualisierung Vorteile in der
Verfügbarkeit für die Klienten (durch vermehrten Einsatz von IKT) sowie ganz allge-
mein Beschleunigungseffekte im Beratungsprojekt erwartet. Auch geht man davon aus,
dass es durch die gestiegene raumzeitliche Flexibilität bei der Leistungserbringung sowie
geringere Reisezeiten den Mitarbeitenden leichter fallen wird, eine gute Work-Life-
Balance zu erreichen. Dies könnte, vor dem Hintergrund der generell hohen Arbeitsbe-
lastung in der Unternehmensberatung, das jeweilige Unternehmen im War for Talents als
besonders attraktiven Arbeitgeber erscheinen lassen (Termer/Nissen 2011; 2012).
Unter den Risiken ist aus strategischer Sicht die befürchtete Schwächung der Berater-
Klienten-Beziehung hervorzuheben, denn dies kann negative Auswirkungen auf das Ver-
trauen der Beteiligten haben und Vertrauen ist ein zentrales Asset im Consulting (Glück-
ler/Armbrüster 2003). Hier könnte sich auch eine aufgrund von Standardisierung zu ge-
ringe Individualisierung der Leistungserbringung negativ auswirken. In operativer
Hinsicht werden, neben Sicherheitsthemen, insbesondere eine unkontrollierbare Projekt-
komplexität und assoziierte Probleme in den Bereichen Kommunikation, Koordination
und Kooperation befürchtet. Abbildung 5 fasst diese Aspekte zusammen.

Chancen Risiken
Größere zeitliche Flexibilität Schwächung der Berater-Kunden-
Mehr räumliche Flexibilität Beziehung
Zeitzonenübergreifendes Arbeiten
IT-Sicherheits- und Datenschutzprobleme
Kürzere Reaktionszeiten
Zeitersparnis Steigende Koordinations- und
Kosteneinsparungen Abstimmungsaufwände
Bessere Nutzung des Wissens von Kollegen Probleme in den Bereichen Kommunikation,
Bessere Ressourcenverfügbarkeit Koordination und Kooperation
Optimierung der Work-Life-Balance
Zu geringe Individualisierung der Leistung
Höhere Verfügbarkeit für Klienten
Größere Arbeitsgeschwindigkeit
Unkontrollierbare Projektkomplexität
Besserer Preisspielraum bei Beratungsleistungen

Abbildung 5: Chancen und Risiken der Virtualisierung aus Beratersicht


(Quelle: Nissen/Seifert 2015, S. 7)
Die digitale Transformation der Unternehmensberatung 423

3.3.2 Chancen und Risiken virtueller Beratungsleistungen aus Klientensicht

Die Klienten haben überraschend ähnliche Erwartungen wie die befragten Berater. Gene-
rell erwarten Klienten von virtualisierten Beratungsangeboten eine Reihe von Vorteilen
gegenüber konventionellen Beratungsformen (vgl. Abbildung 6). So verknüpfen die
Kunden damit insbesondere die Chance auf größere Flexibilität und Verfügbarkeit der
Berater, höhere Arbeits- und Reaktionsgeschwindigkeit im Projekt sowie die Hoffnung,
Beratungsleistungen zu günstigeren Preisen zu erhalten. Weiterhin erhoffen sich die Kli-
enten durch die intensivere Nutzung der Digitalisierung, Ergebnisse einfacher verarbei-
ten und wiederverwenden zu können. Auch sieht man die Chance, besonders innovative
und teilweise automatisierte Beratungslösungen in Anspruch nehmen zu können.
Dem stehen jedoch eine Reihe von Befürchtungen und Risiken gegenüber. Diese bezie-
hen sich zum einen auf mögliche Kommunikations-, Koordinations- und Kooperations-
probleme sowie die stärkere Abhängigkeit von technischen Aspekten bei der Zusam-
menarbeit und den damit verbundenen Gefahren wie Datenmissbrauch und
Kontrollverlust. Zum anderen wird befürchtet, die Ergebnisqualität könnte leiden, da die
Beziehung zwischen Beratern und Klienten sich verschlechtert, Vertrauen und Loyalität
sinken und die Individualisierung der Leistungserbringung abnimmt.

Chancen Risiken
Kommunikations-, Koordinations- und
Höhere Arbeits- und Reaktionsgeschwindigkeit
Kooperationsprobleme
Geringere Beratungspreise Schlechtere Klienten-Berater-Beziehung
Höhere Flexibilität bei der Beraterauswahl Schlechtere Leistung und Qualität
Einfacheres internationales Arbeiten Erhöhte Gefahr eines Datenmissbrauchs
Nutzung innovativer Beratungslösungen und
Geringeres Vertrauen
-produkte
Besserer Wissenszugriff und -austausch Geringere Loyalität
Bessere Wiederverwendbarkeit von
Unzureichende Individualisierung
Ergebnissen und Projektdokumenten
Höhere Flexibilität bei der Aufgabenverteilung Hohe technologische Abhängigkeit
Bessere Verfügbarkeit der Beratungsleistungen Gefahr des Kontrollverlustes

Abbildung 6: Chancen und Risiken der Virtualisierung aus Klientensicht


(Quelle: Nissen et al. 2015, S. 20)
424 Volker Nissen und Henry Seifert

3.3.3 Qualitätskriterien virtueller Beratungsangebote aus Klientensicht

Die von den Experten durchgeführte Evaluation, Ergänzung und Priorisierung ergab ei-
nen integrierten Katalog, der Kriterien traditioneller Beratungsleistungen und elektroni-
scher Dienstleistungen kombiniert und den Qualitätsanforderungen der Klienten entspre-
chend ordnet (vgl. Abbildung 7). Im Folgenden werden die Qualitätskriterien kurz
erläutert, bevor auf den Zusammenhang zwischen dem Virtualisierungsgrad und der Be-
deutung der einzelnen Kriterien eingegangen wird.

Kriterien elektronischer Dienstleistungen: Kriterien traditioneller Beratungsleistungen:

(1) Systemverfügbarkeit (1) Fachliche Beraterkompetenzen


(2) Erfüllung (2) Zielerreichung
(3) Effizienz (3) Soziale Beraterkompetenzen
(4) Reaktionsfähigkeit (4) Beratungsprozessqualität
(5) Privatsphäre (5) Klientenintegration
(6) Kontakt (6) Beziehungsqualität
(7) Ästhetik (7) Reputation der Beratung
(8) Kompensation
(Ranking in den Teilbereichen)

Abbildung 7: Qualitätskriterien virtueller Beratungsleistungen ±
Ranking in den Teilbereichen
(Quelle: Nissen et al. 2015, S. 14)

Kriterien elektronischer Dienstleistungen:


(1) Systemverfügbarkeit bezeichnet die korrekte und technisch einwandfreie Funktiona-
lität einer virtuellen Beratungsleistung. Dazu zählen unter anderem die Aktualität
der Daten und Informationen, sowie ein stabiler und jederzeit abrufbarer Beratungs-
prozess im Internet. Dieser Aspekt erschien den Studienteilnehmern besonders
wichtig.
(2) Erfüllung, als ebenfalls sehr hoch geranktes Kriterium, zielt auf die technische Er-
bringung der Beratungsleistung. Das Versprechen, mit welchem die virtuelle Bera-
tungsleistung angeboten wurde, wird mit der eigentlichen Lösung verglichen und
sollte sich mit dieser decken. Inhalte und Informationen, die für die Beratungsleis-
tung innerhalb einer entsprechenden Anwendung zur Verfügung gestellt werden,
sollten keine Fehler enthalten und der Realität entsprechen. Es geht vor allem um
die Eigenschaften eingesetzter Technologie und Werkzeuge. Darin unterscheidet
sich dieses Kriterium von dem Kriterium Zielerreichung der Beratungsqualität, das
auf die Lösungsgüte der klientenspezifischen Problemstellung abzielt.
Die digitale Transformation der Unternehmensberatung 425

(3) Effizienz zielt auf Eigenschaften, die zu einer hohen Leistungsfähigkeit führen. Da-
bei gilt es, die Beratungsleistung durch den gezielten Einsatz von IKT möglichst ef-
fizient zu erbringen. Das könnte unter anderem eine benutzerfreundliche Bedien-
oberfläche und Navigation, eine gute Strukturierung des Angebotes, Suchfunktionen
oder auch die Geschwindigkeit, mit der die einzelnen Beratungsergebnisse zur Ver-
fügung gestellt werden betreffen. Die Effizienz ist maßgeblich für die Qualität einer
virtuellen Beratungsleistung verantwortlich und kann einen Mehrwert im Vergleich
zur herkömmlichen Beratung darstellen (Leimeister 2012, S. 300).
(4) Reaktionsfähigkeit beschreibt die Unterstützung bei (technischen) Problemen und
Fehlern. Der Klient bewertet die Geschwindigkeit, mit der eine Lösung des Prob-
lems eingeleitet werden kann. Die Möglichkeit, Hilfe anzufordern und eine schnelle
Reaktion zu erhalten, lässt sich dabei gut objektiv messen. Eine rein elektronisch
durchgeführte Hilfe kann jedoch zu Unklarheiten auf der Klientenseite führen, so-
dass Beratungen diese Möglichkeit kritisch evaluieren sollten. Um die Reaktionsfä-
higkeit und die Qualität der Problemlösung im virtuellen Beratungsprozess zu ver-
bessern, sollten verschiedene Kontaktkanäle angeboten werden. Dies bezieht sich
sowohl auf technische als auch fachliche Probleme, die während der Nutzung ent-
stehen können.
(5) Privatsphäre zielt auf eine den Klientenstandards entsprechende Datensicherheit
und einen entsprechenden Datenschutz ab. Der Schutz von persönlichen Daten so-
wie Unternehmensdaten und der sichere Umgang mit diesen sind zu gewährleisten
(Schuster 2005, S. 64ff.). Der Klient bewertet hier die empfundene Sicherheit seiner
Daten und die dafür angebotenen Sicherheitsmechanismen der virtuellen Beratungs-
leistung.
(6) Kontakt ist ein Kriterium, das die Möglichkeit bei Fragen und Problemen direkt an
Berater heranzutreten, beschreibt. Vorgefertigte Kontaktmöglichkeiten, wie die häu-
fig verwendete FAQ-Option oder Kontaktformulare, sind oft nicht zufriedenstellend,
sodass dem Klienten die Möglichkeit geboten werden sollte, direkten Kontakt zu ei-
nem Experten aufzunehmen (Wurdack 2001, S. 57). Diese Kontaktaufnahme kann
mit Hilfe des Telefons, Chatanwendungen oder ähnlichen Funktionen erfolgen. Die
Qualität dieses Kriteriums wird deshalb zum einen über die Möglichkeit dieser Kon-
taktaufnahme, aber auch über die Interaktionsqualität und Beachtung der Wünsche
oder Rückmeldungen der Klienten gemessen.
(7) Ästhetik: Unter dem Begriff Ästhetik werden das Erscheinungsbild und die Visuali-
sierung der Beratungslösung bzw. der Webseite, auf der die Beratungsleistung er-
bracht wird, verstanden. Um sich von traditionellen Beratungsangeboten abzuheben,
sollte eine virtuelle Beratungsleistung dieses Kriteriums gut erfüllen und so dem
Klienten die Inanspruchnahme dieser Lösung erleichtern.
(8) Kompensation beschreibt das Maß, mit dem einem Klienten eine Entschädigung bei
Problemen im virtuellen Beratungsprozess angeboten wird. Wird dieses Kriterium in
426 Volker Nissen und Henry Seifert

einem großen Maß erfüllt, so trägt dies zu einer hohen Qualität der virtuellen Bera-
tung bei. Es geht hier vor allem um vollvirtualisierte und automatisierte Beratungs-
leistungen, bei denen der Klient autonom eine Beratungsapplikation nutzt. Gibt es
Mängel bei der Verwendung des softwarebasierten Beratungsproduktes, so müssen
entsprechende Kompensationsangebote verfügbar sein. Der Kunde erwartet dann
zum Beispiel die Möglichkeit persönlich beraten zu werden.

Kriterien traditioneller Beratungsleistungen:


(1) Fachliche Beraterkompetenzen stellen aus Sicht der Studienteilnehmer einen beson-
ders wichtigen Aspekt bezüglich der Akzeptanz dar. Mit diesem Kriterium kann ein
beidseitiges Vertrauen erarbeitet und die Zuversicht auf Seiten des Kunden gestei-
gert werden. Kriterien wie Branchen- und Unternehmenskenntnisse, Methoden-
kenntnisse und ein problemloser Zugang zu hochwertigen Informationsquellen stel-
len einen wesentlichen Anteil der fachlichen Beraterkompetenzen dar. Für die
Beurteilung der Fachkompetenzen von Beratern ist stets die Kundenmeinung rele-
vant. Kompetenzen sind jedoch nur qualitativ zu bewerten, womit die Einschätzun-
gen zwischen verschiedenen Klienten stark variieren können.
(2) Zielerreichung bezieht sich auf die wirtschaftlichen und projektspezifischen Anfor-
derungen, welche auf Kundenseite zu erfüllen sind. Neben der Realisierung der
Leistungen werden Faktoren wie Zeit (Termineinhaltung), Kosten (Budgeteinhal-
tung) und Qualität zur Ermittlung des Zielerreichungsgrades benutzt. In Teilen han-
delt es sich um quantifizierbare Kriterien, die sich beispielsweise mit Hilfe einer
Kosten-Nutzen-Analyse, einem Soll-Ist-Vergleich oder anderen Methoden zur Mes-
sung der Wirtschaftlichkeit ermitteln lassen. Am Beispiel der Akzeptanz der Bera-
tungsergebnisse wird erkennbar, dass einige dieser Aspekte wiederum nur qualitativ
durch den Klienten zu beurteilen sind.
(3) Soziale Beraterkompetenzen sind notwendig, um die Beziehung zu einem Klienten
auf- und auszubauen (Aldhizer et al. 2002, S. 70). Durch den steigenden Wettbe-
werb in der Beratungsbranche ist dieses Kriterium für die Qualitätsbeurteilung einer
Beratungsdienstleistung immer wichtiger geworden. Das Auftreten und Verhalten
des Beraters, sowie ein optisch ansprechendes Erscheinungsbild sind mögliche Kri-
terien zur Ermittlung dieser sozialen Beraterkompetenzen und sollten neben den
fachlichen Kompetenzen nicht vernachlässigt werden. Zwischenmenschliche Fähig-
keiten, wie Einfühlungsvermögen und Hilfsbereitschaft sind dabei wichtige Aspek-
te. Wiederum ist die Kundenmeinung für die Beurteilung dieses Kriteriums maßgeb-
lich.
(4) Beratungsprozessqualität bezeichnet die Qualität der Leistungserbringung in pro-
zessualer Hinsicht. Ein kundenorientiertes Arbeiten sowie professionelle und flexib-
le Lösungen sind einige Aspekte zur Bewertung traditioneller und virtueller Bera-
tungsprozessqualität. Eine transparente und klar strukturierte Projektorganisation ist
dabei ein Grundstein für die erfolgreiche Abwicklung der Beratungsdienstleistung.
Die digitale Transformation der Unternehmensberatung 427

Die Geschwindigkeit der Leistungserbringung und Reaktionsfähigkeit bei Proble-


men sind weitere Aspekte der Beratungsprozessqualität, die bei der Bildung eines
Zufriedenheitsurteils ins Gewicht fallen.
(5) Klientenintegration betrifft die Kommunikation und Zusammenarbeit mit dem Kli-
enten im Beratungsprojekt. Der auf Klientenseite wahrgenommene Grad, wie aktiv
die Kundenseite in den Beratungsprozess mit einbezogen wird, dient dabei als quali-
tative Messgröße. Das Kriterium verdient bei virtualisierten Beratungsleistungen be-
sondere Beachtung, weil die Face-to-Face-Kommunikation reduziert ist.
(6) Beziehungsqualität zielt vor allem auf das persönliche Verhältnis zwischen Kunde
und Berater. Die Übereinstimmung von Beraterverhalten und Klientenerwartung ist
dabei eines der Kernkriterien zur Beurteilung der Beziehungsqualität. Die Virtuali-
sierung von Beratungsleistungen ergibt einen veränderten Beratungsprozess, der den
direkten Kontakt zwischen Berater und Klient reduziert. Daraus resultiert ein Risiko
für die Qualität der Beziehung von Beratung und Klient und insbesondere das dem
Berater auf Kundenseite entgegengebrachte Vertrauen. Das Vertrauen ist jedoch aus
Sicht der Klienten besonders wichtig, da bei einer traditionellen wie auch einer vir-
tuellen Beratungsleistung eine dienstleistungsspezifische Qualitäts- bzw. Informa-
tionsunsicherheit für die Klienten vorliegt und zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme
nur das Leistungsversprechen der Beratung existiert. Ein weiterer Bestandteil der
Beziehungsqualität ist das Commitment&RPPLWPHQWNDQQÄ>«@DOVHLQ*HIKOGHU
LQQHUHQ9HUSIOLFKWXQJ³XQGÄ>«@$XVGUXFNGHVSV\FKRORJLVFKHQ%HGUIQLVVHVQDFK
sozialer Anerkennung und Zugehörigkeit sowie dem Wunsch nach Vorhersagbarkeit
GHV9HUKDOWHQVYRQ*HVFKlIWVSDUWQHUQ³YHUVWDQGHQZHUGHQ -HVFKNH S. 204f.).
Der dritte Bestimmungsfaktor der Beziehungsqualität ist die Klientenzufriedenheit.
(7) Reputation des Beratungshauses ist der Ruf eines Beratungsunternehmens bzw. ei-
nes einzelnen Beraters. Dieses Image ist für die Auftragsvergabe und weitere Zu-
sammenarbeit mit Klienten von großer Bedeutung und eine kritische Ressource für
Beratungsanbieter (Ringlstetter et al. 2007, S. 180ff.). Reputation ist schwer mess-
bar. Generell tragen eine moderne Ausstattung, ein gepflegtes, professionelles Er-
scheinungsbild und überzeugende Referenzen zur Reputation bei.

3.3.4 Einfluss des Virtualisierungsgrades auf die Qualitätskriterien

Die Delphi-Studie bestätigte, dass die Bedeutung der zuvor beschriebenen Qualitätskrite-
rien für die Gesamtzufriedenheit der Kunden in Abhängigkeit des Virtualisierungsgrades
variiert (vgl. Abbildung 8). Die Qualität einer hoch-virtualisierten Beratungsdienstleis-
tung wird stärker anhand von Kriterien für die Qualität elektronischer Dienstleistungen
gemessen, wohingegen eine Dienstleistung mit einem geringeren Virtualisierungsgrad
stärker durch Qualitätskriterien von traditionellen Beratungsdienstleistungen bewertet
wird. Beispielsweise werden die fachlichen und sozialen Kompetenzen der Berater so-
428 Volker Nissen und Henry Seifert

wie die Beziehungsqualität bei steigendem Virtualisierungsgrad unwichtiger in der Qua-


litätsbeurteilung der Klienten, während die Bedeutung von Faktoren wie Reaktionsfä-
higkeit, Systemverfügbarkeit, Privatsphäre und Kompensation steigt.

Veränderung der Bedeutung mit steigendem Virtualisierungsgrad

Fachliche Kompetenzen des Beraters

Soziale Kompetenzen des Beraters

Beziehungsqualität

Klientenintegration

Reputation der Beratung

Zielerreichung

Beratungsprozessqualität

Reaktionsfähigkeit

Effizienz

Systemverfügbarkeit

Erfüllung

Privatsphäre

Kompensation

Kontakt

Ästhetik

Bedeutung bleibt gleich Bedeutung sinkt Bedeutung steigt



Abbildung 8: Abhängigkeit der Bedeutung der Qualitätskriterien vom
Virtualisierungsgrad
(Quelle: Nissen et al. 2015, S. 19)

Die Studie verdeutlichte aber auch, dass alle Kriterien in die Beurteilung der Qualität
virtueller Beratungsleistungen einbezogen werden müssen und es keine Qualitätskrite-
rien gibt, die aus Klientenperspektive vollkommen vernachlässigt werden können.
Die digitale Transformation der Unternehmensberatung 429

4. Bestimmung des Virtualisierungspotenzials von


Beratungsleistungen

4.1 Grundlagen
Während die raumzeitliche Flexibilität bei der Virtualisierung zunimmt, kann die redu-
zierte persönliche Interaktion von Beratern und Klienten deren Beziehung beeinträchti-
gen. Ob Virtualisierung der richtige Ansatz ist, einen Beratungsprozess zu verändern und
wie dies am besten geschehen kann, muss intensiv geprüft werden. Hier besteht heute
ein Mangel an belastbaren Kriterien und Virtualisierungskonzepten. Daher ergibt sich
die Frage, wie das Potenzial zur Virtualisierung eines Beratungsprozesses (oder Teil-
schrittes) anhand konkreter Kriterien ex ante beurteilt werden kann.
Zur Beantwortung der Forschungsfrage wurde im ersten Schritt auf die theoretische
Grundlage der Process Virtualization Theory von Overby (2008; 2012) zurückgegriffen
und diese in die Domäne Consulting übertragen. Ergänzend lieferte eine umfangreiche
empirische Studie im deutschen Beratungsmarkt zu den Einflussfaktoren des Virtualisie-
rungspotenzials weitere Hinweise für ein sinnvolles Vorgehen. Im dritten Schritt wird
eine strategische Perspektive eingenommen, die zusätzlich Chancen und Risiken der Vir-
tualisierung einbezieht. Im Ergebnis ergibt sich ein Analyseprozess in drei Schritten, der
nachfolgend hergeleitet und dargestellt wird.

4.2 Methodik und Daten

4.2.1 Prozessvirtualisierung ± theoretische Fundierung

Ein virtueller Prozess ist ein Prozess, in dem die physische Interaktion zwischen den
Menschen und/oder Maschinen verschwindet. Der Übergang eines physischen Prozesses
KLQ]XHLQHPYLUWXHOOHQ3UR]HVVZLUGDOVÄ3UR]HVV9LUWXDOLVLHUXQJ³EH]HLFKnet. Die Vir-
tualisierung von Prozessen kann von der Automatisierung begleitet werden. Overby
(2008; 2012) entwickelte die generisch angelegte Process Virtualization Theory (PVT)
und führte den %HJULII GHU Ä3UR]HVVvLUWXDOLVLHUEDUNHLW³ HLQ. Overby sieht die Nutzung/
Akzeptanz und die Qualität der Prozessergebnisse als Basis, um die Virtualisierbarkeit
eines Prozesses (als abhängige Größe) ex post messen zu können. Daneben benennt er
eine Reihe von Einflussgrößen, die sich auf die Virtualisierbarkeit eines Prozesses aus-
wirken und demnach für die hier angestrebte ex-ante-Beurteilung des Virtualisierungs-
potenzials von Beratungsleistungen grundsätzlich geeignet erscheinen.
430 Volker Nissen und Henry Seifert

Demnach wirken sich insbesondere die folgenden Prozesseigenschaften negativ auf die
Virtualisierbarkeit eines Prozesses aus: hohe sensorische Anforderungen (da physische
Interaktion entfällt), hohe Anforderungen an die persönliche Beziehungsebene der Betei-
ligten und daran anknüpfende Konstrukte wie Vertrauen, hohe Anforderungen an die
Synchronität von Aktivitäten in der Prozessausführung und hohe Identifikations- und
Steuerungsanforderungen im Prozess (da bei Virtualisierung die tatsächlich Interagie-
renden leichter verschleiert werden können).
Demgegenüber mildern die folgenden Eigenschaften des (IT-basierten) Virtualisierungs-
mechanismus die genannten Prozesscharakteristika und wirken sich somit auf die Virtua-
lisierbarkeit eines Prozesses aus: die Fähigkeit der IT prozessrelevante Informationen
GDU]XVWHOOHQ Ä5HSUHVHQWDWLRQ³  GLH )lKLJNHLW der IT eine zeit- und ortsunabhängige
Prozessteilnahme zu HUP|JOLFKHQ ÄRHDFK³ VRZLH die Möglichkeiten durch IT eine Au-
thentifikation der Prozessbeteiligten und Überwachung des Prozessablaufes zu gewähr-
OHLVWHQ Ä0onitoring CDSDELOLW\³ 
Balci und Rosenkranz (2014) merken an, dass die Messbarkeit der Prozess-
Virtualisierbarkeit bisher kaum empirisch untersucht ist. Sie finden in einer eigenen Un-
tersuchung empirische Bestätigung für die PVT, sehen jedoch gleichzeitig Hinweise auf
deren Unvollständigkeit. Demnach spielen auch Faktoren eine Rolle, die Merkmale der
Prozessteilnehmer (z. B. IT-Kenntnisse) betreffen. Auch spätere Beiträge in der Literatur
bestätigen tendenziell die PVT und wenden diese auf verschiedene Dömänen an, z. B.
den Check-in-Prozess am Flughafen (Balci 2014; 2015), das Privatkundengeschäft von
Banken (Graupner/Mädche 2015), sowie militärische Ausbildungs- und Trainingspro-
zesse (Marsilio 2015).

4.2.2 Kriterien der Virtualisierbarkeit ± empirische Studie

Der Aspekt einer möglichen Unvollständigkeit der PVT wird für den Anwendungs-
bereich Consulting durch eine ergänzende umfangreiche Befragung zu den Kriterien der
Virtualisierbarkeit von Beratungsleistungen aufgegriffen. Befragt wurden, in Koope-
ration mit dem Bundesverband Deutscher Unternehmensberater BDU e.V., Gesell-
schaften aller Größen aus der gesamten Consultingbranche (Nissen/Seifert 2016).
Im Rahmen der hier beschriebenen Studie wurden Daten online mit Hilfe der Umfra-
gesoftware Unipark QuestBack erhoben. Die Befragung der Teilnehmer wurde im Zeit-
raum vom 23. November bis 18. Dezember 2015 durchgeführt. In der anschließenden
Editierung und Kodierung der Daten fand eine Datenbereinigung statt. So wurden Fra-
gebögen ausgesondert, die von den Teilnehmern nicht beendet wurden. Ebenso fielen
sehr unvollständig bearbeitete Fragebögen heraus. In Summe konnten 552 Fragebögen
für die weitere statistische Analyse berücksichtigt werden. Insgesamt wird der deutsche
Beratungsmarkt nach Umsatz und Beratungsfeldern gut abgebildet, sodass von weitge-
hend repräsentativen Ergebnissen ausgegangen werden kann. Auch hinsichtlich Alter
Die digitale Transformation der Unternehmensberatung 431

und Berufserfahrung der Befragten zeigte sich, dass das Meinungsbild von Beratern mit
unterschiedlichen Erfahrungsniveaus erfasst werden konnte.
Die Befragung zielte insgesamt darauf ab, den Status Quo und die Perspektiven der digi-
talen Transformation in der Unternehmensberatung in Deutschland zu klären. Im vorlie-
genden Beitrag wird diese empirische Studie jedoch nur hinsichtlich möglicher Kriterien
zur Beurteilung des Virtualisierungspotenzials von Beratungsleistungen einbezogen.
Hierzu wurde vorab eine strukturierte Literaturanalyse nach Webster und Watson (2002)
durchgeführt, um mögliche Kandidaten für solche Kriterien zu identifizieren. Neben der
(zahlenmäßig noch sehr überschaubaren) originären Literatur zur Beratungsvirtualisie-
rung wurde auch in den Themenbereichen Telearbeit, Telekooperation, Computer Sup-
ported Work, Task Analysis, E-Government und E-Services recherchiert, um auf das
Consulting potenziell übertragbare Resultate zu identifizieren. Weiterhin sind Beiträge,
die von Overby zitiert wurden oder die Overby zitieren, berücksichtigt worden.
Die Ergebnisse der Literaturanalyse bildeten die Grundlage einer entsprechenden Frage
in der Online-Studie, bei der die Teilnehmer zum einen die Relevanz dieser Kriterien
anhand einer 6-stufigen Likert-Skala beurteilen sollten, zum anderen aber auch die Frei-
text-Möglichkeit hatten, weitere Kriterien zu ergänzen und beurteilen.
Die Kriterien zur Bestimmung des Virtualisierungspotenzials lassen sich in die drei
Gruppen Klient, Beratung und Beratungsaufgabe differenzieren. Die Gruppe Klient be-
inhaltet alle Kriterien, die im Zusammenhang mit der Integration des Klienten stehen.
Dies umfasst sowohl das Vertrauen des Klienten in das Beratungsunternehmen als auch
die Akzeptanz des Klienten für die virtuelle Beratungsleistung. Ferner können die tech-
nischen Anforderungen des Klienten sowie die Erfahrung des Klienten mit virtuellen Be-
ratungsleistungen genannt werden.
Die zweite Gruppe Beratung beinhaltet alle Kriterien, die im Zusammenhang mit der
Beratungsorganisation, also dem Beratungsunternehmen selbst, stehen. Hierzu zählen
sowohl die Erfahrung der Beratung mit virtuellen Beratungsleistungen als auch die Reife
des Wissensmanagements. Weiterhin sind die Auslastung und die Seniorität der Berater
bestimmend für die konkrete Virtualisierbarkeit.
Die dritte Gruppe Beratungsaufgabe deckt die Kriterien ab, die eine Evaluation des Vir-
tualisierungspotenzials auf Ebene der Beratungsaufgabe ermöglichen. Dies umfasst so-
wohl die Kritikalität, d. h. das Risiko und Konfliktpotenzial der Aufgabe, als auch die
Komplexität und mithin die Veränderlichkeit, Vielzahl und Vielfalt der Aufgabe. Ferner
gilt es, die Dringlichkeit, also den Termindruck der Aufgabe sowie die Wichtigkeit, das
bedeutet die individuelle Bedeutung der Aufgabe zu bestimmen. Weitere Kriterien, die
in diese dritte Gruppe gehören, sind die Vertraulichkeit der Informationen und Aufgaben
und die Interaktivität, d. h. die Frequenz, Dauer, Art und Intensität der Berater-Klienten-
Interaktion. Ein wesentliches abschließendes Kriterium der Gruppe Beratungsaufgabe ist
die Individualität und mithin der Anspruch des Klienten an eine individuelle Lösung.
432 Volker Nissen und Henry Seifert

Generell stellt sich die Frage nach dem Zusammenhang der zunächst literaturbasiert
identifizierten möglichen Kriterien der Virtualisierbarkeit von Leistungen der Unter-
nehmensberatung und den generischen Überlegungen zur Prozessvirtualisierbarkeit in
der Theorie von Overby. Daher haben wir geprüft, ob und in welchem Maße die Krite-
rien dazu geeignet sind, die Virtualisierbarkeit auf Prozessebene im Sinne der PVT zu
evaluieren. Hierzu wurde eine Zusammenhangsmatrix (Leimeister 2012, S. 199) entwi-
ckelt (vgl. Abbildung 9), die für jedes Kriterium die Bedeutung dokumentiert.

Konstrukte der PVT

++ = starker Zusammenhang

Kontrollbezogene

Synchronizitäts-
+ = mittelmäßiger Zusammenhang

Identifikations-/

Sensorische

Beziehungs-
 = geringer Zusammenhang

bezogene

bezogene
Vertrauen des Klienten in das
++ - ++ -
Beratungsunternehmen
Akzeptanz des Klienten für die virtuelle
++ ++ ++ +
Klient

Beratungsleistung

technische Anforderungen des Klienten + + - +

Erfahrung des Klienten mit virtuellen


++ + ++ -
Beratungsleistungen
Erfahrung der Beratung mit virtuellen
++ + ++ -
Beratungsleistungen
Beratung

Reife des Wissensmanagements - - - -

Auslastung der Berater - - - -

Seniorität der Berater - - - -

Kritikalität ++ ++ + ++

Komplexität ++ ++ ++ ++
Beratungsaufgabe

Dringlichkeit ++ ++ ++ ++

Wichtigkeit ++ ++ ++ ++

Vertraulichkeit ++ ++ + +

Interaktivität ++ ++ ++ ++

Individualität + ++ ++ +

Abbildung 9: Zusammenhangsmatrix der Kriterienkandidaten mit den prozess-


bezogenen Konstrukten der Process Virtualization Theory von Overby
Die digitale Transformation der Unternehmensberatung 433

Ein (-) in der jeweiligen Zeile bedeutet, dass dieses Kriterium nicht geeignet ist, um ei-
nen Rückschluss auf die Ausprägung der jeweiligen Prozesseigenschaft nach Overby zu
ziehen. Ein (+) deutet an, dass dieses Kriterium bedingt Informationen über die jeweilige
Prozesseigenschaft liefert. Ein (++) bedeutet, dass dieses Kriterium die Analyse der
Ausprägung der Prozesseigenschaft und damit einen Rückschluss auf die Virtualisier-
barkeit im Sinne Overbys, also aus der Prozesssicht, gut zulässt. In Abbildung 9 kann
(allerdings subjektiv beeinflusst) abgelesen werden, welche Kriterien im Kontext der
Übertragung der PVT von Overby auf das Consulting eine große Bedeutung besitzen.
Dies sind vor allem jene Kriterien, welche die Kunden und die Beratungsleistung selbst
beschreiben. Weniger Einfluss im Sinne der PVT haben hingegen die Kriterien, die Cha-
rakteristika der jeweiligen Beratungsorganisation angeben.
Nach der literaturgestützten Herleitung dieses initialen Kriterienkatalogs galt es, die Kri-
terien im Rahmen der großzahligen Befragung von Unternehmensberatern zu evaluieren.
Um das Virtualisierungspotenzial praxistauglich beurteilen zu können, ging es auch da-
rum, die Anzahl der bislang 15 Kriterien auf ein in den Unternehmen handhabbares Maß
zu reduzieren. Hierzu konnten die Antworten von 374 Teilnehmern ausgewertet werden.
Zur Charakterisierung von Kriterien der Virtualisierbarkeit bietet sich die Faktorenana-
lyse (EFA) als dimensionsreduzierendes Verfahren an. Hierdurch können latente Fakto-
ren identifiziert werden, die entsprechend fokussiert die Einflussfaktoren wiedergeben
(Cleff 2015). In diesem Zusammenhang wurde für die 15 initialen Kriterienkandidaten
DXFK&URQEDFK¶V$OSKDEHUHFKQHWGDVJUXQGVlW]Oich Werte zwischen 0 und 1 annehmen
kann-HK|KHUGHU:HUWYRQ&URQEDFK¶V$OSKDGHVWRK|KHULVWGLH.RUUHODWLRQ]ZLVFKHQ
den Indikatoren und damit die Interne-Konsistenz-Reliabilität (Churchill 1979). Dement-
VSUHFKHQG VROOWH HLQ &URQEDFK¶V $OSKD :HUW • 7 vorliegen (Nunnally 1994). In der
vorliegenden Untersuchung beträgt dieser Wert 0,83.
Für die Durchführung der EFA wurde zunächst der Datensatz mittels einer Complete-
Case Analyse bereinigt und auf seine prinzipielle Eignung für die Analyse untersucht.
Zentrale Kriterien, die darüber Aufschluss geben, ob ein Datensatz für eine EFA grund-
sätzlich geeignet ist, sind das KMO Kriterium und der Bartlett-Test (Bartlett 1951).
Hierbei deutet ein KMO-Wert von über 0,5 darauf hin, dass die Daten grundsätzlich eine
gewisse Korrelation aufweisen und damit für eine EFA genutzt werden können (Kaiser/
Rice 1974). Im vorliegenden Fall beträgt der KMO-Wert 0,81. Der Bartlett-Test deutet
seinerseits, bei einer Ablehnung der Nullhypothese, auf eine grundsätzliche Eignung der
Daten für eine EFA hin. Für die vorhandenen Daten ist dieser signifikant (p < 0,001) von
Null verschieden. Die Nullhypothese, dass die Korrelationsmatrix nur zufällig von der
Einheitsmatrix verschieden ist, kann also abgelehnt werden, womit auch der Bartlett-
Test die Eignung der Daten für eine EFA bestätigt.
434 Volker Nissen und Henry Seifert

geeigneter Berater

Beratungsleistung
Dringlichkeit der
Akzeptanz des

zwischen den
Verfügbarkeit

Interaktivität
organisation
Komplexität
Rotierte

Beratungs-

Vertrauen
Reife der

Akteuren
Klienten
Komponentenmatrix

Kritikalität ,888

Komplexität ,856

Vertraulichkeit ,770

Individualität ,693

Seniorität der Berater ,859

Auslastung der Berater ,833

Erfahrung des Klienten mit virtuellen


,843
Beratungsleistungen
Anforderungen des Klienten an die zu
,701
nutzende Virtualisierungstechnologie
Akzeptanz des Klienten für die virtuelle
,574 (,566)
Beratungsleistung
Erfahrung der Beratung mit virtuellen
,859
Beratungsleistungen
Reife des Wissensmanagements ,790

Dringlichkeit ,888

Wichtigkeit (,546) ,627

Vertrauen des Klienten in das


,896
Beratungsunternehmen
Interaktivität ,757

Extraktionsmethode: Hauptkomponentenanalyse. Rotationsmethode: Varimax mit Kaiser-Normalisierung. a: Die


Rotation ist in 6 Iterationen konvergiert. b: Koeffizienten <0,5 wurden unterdrückt.

Abbildung 10: Faktoranalyse zu den Kriterien der Virtualisierbarkeit von


Beratungsleistungen

Der Abbildung 10 ist zu entnehmen, dass sich die Items recht trennscharf den einzelnen
Faktoren zuordnen lassen, da jedes Item, mit zwei Ausnahmen, bei einem cutoff-Wert
von 0,5 lediglich auf einen Faktor lädt. Gleichzeitig liegen bei den meisten Items Faktor-
ladungen über 0,7 vor. Im Ergebnis lassen sich die 15 Kriterienkandidaten auf sieben
Faktoren reduzieren, denen wir aussagekräftige Namen zu ihrem jeweiligen Fokus gege-
ben haben. Diese bilden nun die wichtigste Grundlage, um die Virtualisierbarkeit von
Leistungen der Unternehmensberatung ex ante zu beurteilen.
Die digitale Transformation der Unternehmensberatung 435

4.3 Ermittlung des Virtualisierungspotenzials von


Beratungsleistungen

4.3.1 Überblick

Die Erfolgskette (Bruhn 2002) virtueller Beratungsleistungen beschreibt die zu absolvie-


renden Stufen, um Virtualisierung in der Unternehmensberatung erfolgreich umzusetzen
(vgl. Abbildung 11). Das Angebot und die Gestaltung virtueller Beratungsprodukte füh-
ren im Idealfall zu einer hohen Akzeptanz seitens der Kunden. In Abhängigkeit von al-
ternativen Beratungsmöglichkeiten, empfundenen Risiken und Vorteilen, kommt es dann
zu einer Nutzung des Beratungsproduktes. Während der Inanspruchnahme der Leistung
beurteilt der Klient die Qualität. Entspricht diese seinen Erwartungen, entsteht Zufrie-
denheit. Die Zufriedenheit der Kunden stellt eine Voraussetzung dar, damit auf der letz-
ten Stufe ein Erfolg mit dem angebotenen virtualisierten Beratungsleistungsportfolio rea-
lisiert wird.
Um eine möglichst hohe Akzeptanz der Kunden zu erzielen und deren Nutzungsabsicht
zu erhöhen, ist die Gestaltung der virtualisierten Beratungsdienstleistung von großer Be-
deutung. Hierzu gilt es, das Virtualisierungspotenzial fundiert zu analysieren, denn nicht
jede Beratungsleistung eignet sich gleichermaßen dafür. Im Ergebnis erscheint es im Be-
reich der Unternehmensberatung sinnvoll, diese Analyse in drei Teilschritten vorzuneh-
men, die nun näher dargestellt werden (vgl. Abbildung 11). Der erste Schritt, die Evalua-
tion des prozessualen Virtualisierungspotenzials, basiert auf der Process Virtualization
Theory von Overby und untersucht, wie die Eigenschaften des Beratungsprozesses das
Virtualisierungspotenzial beeinflussen. Der zweite Schritt, die unternehmensbezogene
Analyse, untersucht zentrale Faktoren innerhalb des Beratungsunternehmens und wie
diese auf das Virtualisierungspotenzial wirken. Im dritten und strategischen Analyse-
schritt werden Chancen und Risiken der Virtualisierung in einem Business Case unter-
sucht.

4.3.2 Analyse des prozessualen Virtualisierungspotenzials

Einfluss der Komplexität


Der erste Faktor, der für die Analyse des prozessualen Virtualisierungspotenzials ent-
scheidend ist, ist die Komplexität der Beratungsleistung. Das prozessuale Virtualisie-
rungspotenzial einer Beratungsleistung wird durch die sensorischen, beziehungsbezoge-
nen, synchronitätsbezogenen und die kontrollbezogenen Eigenschaften des Prozesses
bestimmt. Hierauf wirkt maßgeblich die Komplexität der Beratungsleistung. Komplexe
Beratungsleistungen zeichnen sich unter anderem durch eine Vielzahl von heterogenen
Projektzielen, Stakeholdern, Projektstandorten und Technologien aus. Eine hohe Kom-
436 Volker Nissen und Henry Seifert

plexität wirkt sich negativ auf das Virtualisierungspotenzial aus. In komplexen Bera-
tungsszenarien sind die Anforderungen, die der Beratungsprozess an die Beziehung zwi-
schen Berater und Klient stellt, hoch. Notwendig ist eine starke Berater-Klienten-
Beziehung, die in der Lage ist, die Zusammenarbeit auch in kritischen Phasen innerhalb
des Projektes zu gewährleisten. Komplexität stellt zudem hohe synchronizitätsbezogene
Anforderungen an den Beratungsprozess. Die Lösung komplexer Problemstellungen mit
einer Vielzahl von heterogenen Informationen erfordert es häufig, zeitlich synchron mit-
einander zu arbeiten. Das bedeutet, Problemstellungen und Lösungen werden beispiels-
weise in Workshops kooperativ untersucht und generiert. Es ergeben sich zudem oft ho-
he sensorische Anforderungen, wenn Informationen unterschiedlichster Art (Ton, Bild,
9LGHR7H[W« YHUDUEHLWHWZHUGHQPVVHQ.RPSOH[H%HUDWXQJVOHLVWXQJHQVHW]HQDXFK
die Kenntnis darüber voraus, wer mit wem gerade interagiert.

Einfluss der Interaktivität


Der zweite wichtige Faktor in der Analyse des prozessualen Virtualisierungspotenzials
ist die Interaktivität der Beratungsleistung. Die Interaktivität der Beratungsleistung um-
fasst die Art, Dauer und Häufigkeit der Interaktion von Kunde und Berater sowie zwi-
schen Beratern im Projekt. Eine hohe Interaktivität impliziert hohe sensorische und syn-
chronizitätsbezogene Anforderungen, ebenso wie erhöhte kontroll- und identifikations-
bezogene Anforderungen. Eine hohe Interaktivität schränkt somit die Virtualisierbarkeit
ein. Durch die Wahl geeigneter Medien und Technologien kann dies teilweise ausgegli-
chen werden. Die Analyse der Antworten der Teilnehmer zeigte, dass die Interaktivität
tendenziell höchstens mittelstark ausgeprägt sein sollte, damit man von einer guten Vir-
tualisierbarkeit sprechen kann.
Interaktion umfasst ein breites Spektrum an Formen. Hier sollten Beratungsanbieter prü-
fen, welche grundsätzlichen Interaktionsformen bisher (traditionell) in einer gegebenen
Beratungsleistung vorkommen: direkte persönliche Interaktion, mediale bzw. indirekte
Interaktion oder automatisierte Interaktion. Häufige direkte, persönliche Interaktion zwi-
schen Berater und Kunde deutet darauf hin, dass hier Virtualisierungspotenzial für syn-
chrone Technologien, wie Konferenzsysteme, vorliegt (Büttgen 2007). Wird bereits viel
mediale Interaktion genutzt, dann besteht schon ein Mindestmaß an Technologie-
Akzeptanz seitens des Kunden, auf das bei Entwicklung und Nutzung komplexerer vir-
tueller Beratungslösungen aufgebaut werden kann.

Einfluss der Dringlichkeit


Die Dringlichkeit der Beratungsleistung, zu der auch die Priorität aus Kundensicht ge-
hört, wirkt sich positiv auf das Virtualisierungspotenzial aus. Der Einsatz von Technolo-
gie zur örtlich unabhängigen Zusammenarbeit bringt zeitliche Vorteile mit sich, die bei
dringlichen Problemstellungen tendenziell positiv wirken. Die örtliche Unabhängigkeit,
die durch den Einsatz geeigneter Kollaborationswerkzeuge erreicht werden kann, fördert
die schnelle und flexible Zusammenarbeit verschiedener, örtlich verteilter Projektmit-
Die digitale Transformation der Unternehmensberatung 437

glieder und ermöglicht einen schnellen Austausch von Informationen, die zur Lösung
kritischer Problemstellungen benötigt werden.

Prozess zur Bestimmung des Virtualisierungspotenzials


Erfolgskette virtueller Beratungsleistungen
Angebot und
Akzeptanz Nutzung Zufriedenheit Erfolg
Gestaltung

Angebot und Gestaltung virtueller Beratungsleistungen


Modellierung Implementier-
Analyse Konzeption Einführung
Spezifikation ung & Tests

I. Analyse des II. Analyse des III. Analyse des


prozessbezogenen unternehmensbezogenen strategischen
Virtualisierungspotenzials Virtualisierungspotenzials Virtualisierungspotenzials

Leistungsportfolio der Unternehmensberatung

9 Die Komplexität ist eher gering 9 Verfügbarkeit geeigneter 9 Chancen/Risiken-


9 Die Interaktivität ist eher niedrig Unternehmensberater Verhältnis ist positiv
9 Die Dringlichkeit ist tendenziell 9 Reifegrad des Beratungs- 9 Business Case ist
hoch unternehmens positiv
9 Das Vertrauen zwischen den ausreichend
Akteuren ist eher groß

Beratungsleistung ohne Virtualisierungspotenzial

Beratungsleistung mit einem hohen prozessbezogenen Virtualisierungspotenzial


Beratungsleistung mit einem hohen prozessbezogenen, aber einem zu geringen
unternehmensbezogenen Virtualisierungspotenzial
Beratungsleistung mit einem hohen prozessbezogenen und unternehmensbezogenen
Virtualisierungspotenzial
Beratungsleistung mit einem hohen prozessbezogenen und unternehmensbezogenen, aber
einem zu geringen strategischen Virtualisierungspotenzial

Beratungsleistung mit einem hohen Virtualisierungspotenzial



Abbildung 11: Schrittweise Analyse des Virtualisierungspotenzials von
Beratungsleistungen
(Quelle: Nissen/Seifert 2016, S. 27)
438 Volker Nissen und Henry Seifert

Einfluss des Vertrauens


Das Vertrauen zwischen Berater und Kunde ist eines der Kernkriterien zur Beurteilung
von Beratungsqualität. Die Virtualisierung von Beratungsleistungen führt zu einem ver-
änderten Beratungsprozess, der den direkten Kontakt zwischen Berater und Kunde redu-
ziert. Daraus resultiert ein Risiko für die Qualität der Beziehung von Beratung und Kli-
ent. Großes Vertrauen der Kunden in den Beratungspartner wirkt sich positiv auf das
prozessuale Virtualisierungspotenzial aus. Demzufolge ist es wichtig, dass bei etablierter
vertrauensvoller Zusammenarbeit die beziehungs- und kontrollbezogenen Anforderun-
gen des betroffenen Beratungsprozesses eher gering sind. Die Akteure der Beratungs-
prozesse können daher weniger oft synchron und ohne den Bedarf häufiger Kontrollen
der Zusammenarbeit miteinander interagieren.

4.3.3 Analyse des unternehmensbezogenen Virtualisierungspotenzials

Einfluss des Reifegrads der Beratungsorganisation


Von großer Bedeutung für die Virtualisierbarkeit einer Beratungsleistung auf Unterneh-
mensebene ist der Reifegrad des Unternehmens in dieser Hinsicht. Ein hoher virtualisie-
rungsbezogener Reifegrad eines Beratungsanbieters wirkt sich positiv auf das Virtuali-
sierungspotenzial im konkreten Einzelfall aus. Weisen Beratungsfirmen einen hohen
Reifegrad auf, dann impliziert das Erfahrungen und Know-how in der Digitalisierung
von eigenen Geschäftsprozessen und Prozessen der Klienten. Dieses Wissen ist förder-
lich für die Entwicklung weiterer virtueller Beratungsprodukte. Firmen mit einem hohen
Reifegrad können ihre Entscheidungen für oder gegen die Virtualisierung einzelner Pro-
zesse/Prozessschritte basierend auf den schon vorliegenden eigenen Erfahrungen treffen.
Das erleichtert es, das Virtualisierungspotenzial einzelner Leistungen nach Maßgabe der
oben genannten Einflussfaktoren richtig zu bewerten.

Einfluss der Verfügbarkeit geeigneter Berater


Sollen virtualisierte Beratungsangebote in das eigene Leistungsportfolio integriert wer-
den, so stellt dies Anforderungen an die Qualifikation der betroffenen Mitarbeitenden.
Virtuelle Beratungsleistungen erfordern neben den sozialen und fachlichen Fähigkeiten
insbesondere fundiertes Wissen in der Auswahl und Nutzung von passenden Informa-
tions- und Kommunikationstechnologien sowie Know-how über Formen und Besonder-
heiten der virtuellen Zusammenarbeit. Ein interaktiver Prozess kann nur wirksam virtua-
lisiert werden, wenn zum einen der Prozess selbst sinnvoll angepasst wurde und zum
anderen die dazu passende Technologie ausgewählt und eingesetzt wird. Dabei werden
auch Spezifika des jeweiligen Kunden zu berücksichtigen sein. Der Berater muss folg-
lich in der Lage sein, die richtige Technologie für den richtigen Prozessschritt bei einem
gegebenen Kunden auszuwählen. Verfügt ein Beratungsanbieter über Mitarbeitende, die
diesen Anforderungen gerecht werden, wirkt sich das positiv auf die Bewertung des Vir-
Die digitale Transformation der Unternehmensberatung 439

tualisierungspotenzials aus. Ist das nicht der Fall, wäre es sinnvoll, zunächst in den Auf-
bau solcher Ressourcen zu investieren.

4.3.4 Analyse des strategischen Virtualisierungspotenzials

Der strategische Fit in Bezug auf das bestehende Leistungsportfolio des Beratungs-
anbieters ist wichtig für die Virtualisierung von Beratungsleistungen. Demnach müssen
Anbieter das in den bisherigen zwei Schritten identifizierte Virtualisierungspotenzial in
der dritten Analysestufe auf die strategische Relevanz und Passfähigkeit prüfen. Hoher
strategischer Fit wirkt sich positiv auf das Virtualisierungspotenzial aus.
Für die Beratungsbranche verspricht die Virtualisierung innovative Möglichkeiten zur
Optimierung ihrer eigenen Leistungsfähigkeit und Differenzierung im Wettbewerb. Zum
einen entstehen durch standardisierte und teilautomatisiert erbringbare Beratungsangebo-
te Skaleneffekte, die es ermöglichen, diese Leistungen deutlich günstiger anzubieten als
konventionelle Beratung. Das stärkt die Marktposition gegenüber Freelancern und Wett-
bewerbern aus Billiglohnländern. Es ermöglicht aber auch, ganz neue Kundenschichten
zu erschließen, die sich Unternehmensberater sonst nicht leisten könnten.
Die Virtualisierung bietet aber auch Potenziale zur Entwicklung von technisch ausgefeil-
ten Beratungslösungen (Beispiel Big Data-Analysen), die auf die Bedürfnisse der Kun-
den maßgeschneidert (konfiguriert) werden können. Durch die Virtualisierung und die
damit verbundene örtliche und gegebenenfalls auch zeitliche Entkopplung der Leis-
tungsbereitstellung wird Beratungsfirmen die internationale, flächendeckende Erbrin-
gung solcher Leistungen erleichtert. Darüber hinaus bildet die Virtualisierung in Verbin-
dung mit einer Automatisierung die Chance, eine Vorreiterstellung in Bezug auf
innovative Beratungsleistungen einzunehmen.
Für die Entscheidung im konkreten Einzelfall ist es notwendig, neben den Vor- und
Nachteilen der Virtualisierung sowie dem strategischen Fit insbesondere die Risiken aus
Klientensicht im Auge zu behalten und das Gesamturteil durch einen Business Case
weitmöglichst zu objektivieren.
Um die oben aufgezeigten Risiken der Virtualisierung aus Klientenperspektive so gering
wie möglich zu halten, ist es wichtig, ein Gefühl der Zusammengehörigkeit zwischen
Beratern und Klienten über die Schranken der Virtualisierung hinweg zu etablieren. Von
vielen Teilnehmern der zuvor erwähnten Delphi-Studie wurde beispielsweise ange-
mahnt, bei Bedarf stets auf einen Berater im Wege des persönlichen Kontaktes zurück-
greifen zu können. Beginnend mit den Vertragsverhandlungen, über die Konzeption ei-
ner schnellen, individuellen Lösung, bis hin zu der Abnahme des Beratungsergebnisses
ist es nach Meinung der Klienten wichtig, die kontinuierliche Begleitung eines direkten
Ansprechpartners zu haben. Die Studienteilnehmer wünschten sich also mehrheitlich ei-
nen Mix von virtualisierten Beratungsleistungen und klassischer, persönlicher Beratung.
440 Volker Nissen und Henry Seifert

5. Fazit und Ausblick


Die digitale Transformation in der Beratungsbranche ist ein komplexes Unterfangen und
schafft bei erfolgreicher Umsetzung Barrieren gegen Wettbewerber. Wer frühzeitig rele-
vantes Wissen akkumuliert und erfolgreiche, innovative Pilotprojekte vorweisen kann,
wird langfristig voraussichtlich einen erheblichen Wettbewerbsvorteil generieren und
über längere Zeit verteidigen können. Hier wird ein hohes Maß an Kreativität und strate-
gischem Denken verlangt, das über die reine 1:1-Übertragung konventioneller Bera-
tungsabläufe in die virtuelle Welt am Ende weit hinausreicht.
Notwendig zur Realisierung dieser ambitionierten Vision sind geeignete Artefakte, wie
webbasierte Beratungsplattformen, mobile Beratungsapplikationen, semantische Tech-
nologien, Data-Mining- und Kooperations-Werkzeuge. Ebenso werden Konzepte benö-
tigt, wie die Virtualisierbarkeit von Beratungsprozessen beurteilt und Lösungen, die
konventionelle und virtualisierte Beratung zu einem schlüssigen Ganzen verbinden, ent-
wickelt werden können. Methoden und Techniken der Virtualisierung sind zu schaffen.
Hier besteht noch erheblicher Forschungsbedarf (Seifert/Nissen 2016).
Virtualisierte Beratungsleistungen werden konventionelle Vor-Ort-Beratung nicht gänz-
lich ersetzen. Sie sollten, dem dargestellten Entscheidungsprozess für oder gegen Virtua-
lisierung folgend, aber als mögliche Ergänzung des Portfolios von Beratungsprodukten
gesehen und analysiert werden. Letztlich müssen virtualisierte Beratungsprodukte und
Leistungen auch vermarktet werden, sodass Akzeptanz und Vertrauen der Kunden dafür
steigen. Es geht darum, Referenzen aufzubauen und Kunden zu vermitteln, dass konzep-
tionell durchdachte virtuelle Beratungsleistungen in bestimmten Bereichen einen Mehr-
wert gegenüber klassischen Beratungsansätzen stiften können. Die frühe Integration von
Schlüsselkunden und gegebenenfalls komplementären Technologieanbietern oder Hoch-
schulen in die Entwicklung und Implementierung virtueller Beratungsangebote steigert
hierbei die Erfolgsaussichten.

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Sven Tuzovic and Shane Mathews

Points for Fitness ± How Smart Wearable


Technology Transforms Loyalty Programs

1. The Quantified Self Movement

2. The Rise of Smart Wearable Technology

3. Wearable Technology in Insurance ± From Private to Pushed Self-tracking

4. Commercialized Self-tracking ± Leveraging Wearable Technology in


Loyalty Programs
4.1 Challenges of Loyalty Programs: Enrolment vs. Engagement
4.2 How Wearable Technology Drives New Business Ecosystems between
Health Insurance and Loyalty Programs
4.2.1 Partnership between Insurance and Airlines
4.2.2 Partnership between Insurance and Supermarkets

5. What Do Consumers Say? ± Results of a Netnography Study among


Australian Consumers
5.1 Research Design and Method
5.2 Data Collection
5.3 Results

6. Conclusion

References

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017


M. Bruhn und K. Hadwich (Hrsg.), Dienstleistungen 4.0,
DOI 10.1007/978-3-658-17552-8_18
___________________________
Dr. Sven Tuzovic is Senior Lecturer in Marketing at Queensland University of
Technology in Brisbane, Australia. Dr. Shane Mathews is Senior Lecturer in Marketing
at Queensland University of Technology.
1. The Quantified Self Movement
Over the last few years, a new PRYHPHQW FDOOHG ³Quantified Self´ (QS) has been an
emerging phenomenon. Quantified self-tracking is the regular collection of any data that
can measure the self, such as everyday biological, behavioral, or environmental
information (Swan 2009). Self-tracking is also referred to as lifelogging, personal
analytics and personal informatics (Lupton 2016). The self-measurement boom has been
fueled by a dramatic growth in apps, wearable devices and platforms for exchanging
health and fitness data (Ranck 2012). The QS movement now has a large number of
meetups and conferences around the world with active members in the tens of thousands
contributing insights on their self-tracking experiences (Ranck 2014). For example, the
website of the California-based company Quantified Self Labs (QuantifiedSelf.com) is a
popular space for the worldwide QS user community. On the sidebar of the main page,
there are meetup groups listed by seven regions (USA West, USA East, Australia and
New Zealand, Latin America, Canada, Europe, and Asia). Currently, the meetup has
more than 72,000 members in 128 cities across 39 countries (QuantifiedSelf.com 2016).
The main segment of this self-tracking phenomenon is health and fitness applications
(Bildl 2014). That is, measuring your everyday physiological activities, nutrition and
vital signs to improve your quality of life (The Economist 2012). Until relatively
recently, much of this self-tracking was done manually (e.g. journaling or diary-keeping)
but recent advances in technology and mobile devices have created a new class of self-
tracking health applications commonly referred to as personal activity trackers or fitness
trackers (Hoy 2016). It is estimated that around 25 percent of Australians now wear a
fitness tracker. Almost half of them (41 percent) check their activity progress on a daily
basis (Qantas 2016). The millennials lead the consumer market with more than 50
percent estimated to purchase fitness devices (Johnson 2015).
While at first glance, self-trackLQJ DSSHDUV WR EH D µKLJKO\ VSHFLDOL]HG VXEFXOWXUH¶
confined to computer geeks, narcissists, or simply people interested in optimizing their
physical fitness and health, the practice of self-tracking now disperses rapidly into more
general social and commercial domains (Lupton 2016). For example, the collection and
analysis of personal biometric data via self-tracking is increasingly advocated and
implemented in corporate wellness programs, medicine and public health, insurance, or
marketing and commerce (e.g. loyalty programs of airlines and supermarkets). In this
chapter we will look at how self-tracking is now marketed to consumers as a way for
them to benefit personally, for example, by earning points or rewards. In the next section
we provide a short overview of the wearable technology industry.
448 Sven Tuzovic and Shane Mathews

2. The Rise of Smart Wearable Technology


2014 was hailed by many tech publications and experts as the ³<HDURIWKH :HDUDEOH´
reflecting an explosion of new wearable products and a rapid market growth compared
to previous years. 7KH WHUPV ³ZHDUDEOH WHFKQRORJ\´ ³wearable devices´ RU VLPSO\
³ZHDUDEOHV´ all refer to electronic technologies or app-enabled computing devices that
are incorporated into items of clothing and/or accessories which can be worn on, or are
attached to, the body while being used (Tehrani/Andrew 2014; Juniper Research 2015).
The ecosystem of wearable technology comprises a number of technology devices that
can be segmented by industry, product type and location of the body (IHS 2013; Juniper
Research 2015; IDTechEx 2016).
(1) Industry: Healthcare and medical, fitness and wellness, infotainment, commercial,
industrial, military, and multi-sector.
(2) Product type: Smartwatches, fitness trackers, smart eyewear, smart clothing, medi-
cal devices, and infotainment devices.
(3) Location on body: Head, ear, eyes, body (torso), arms, wrist, legs and feet, implant-
able, and multi-location and adaptability by user or use case.
While wearable technology has been used in the military or for business and medical
applications, the private consumer market has only recently started to feature products
such as smartwatches, fitness and health trackers or even smart fashion. Despite the
infancy of the technology, estimates predict significant growth potential and increases in
the adoption rate. According to different industry studies, the worldwide wearable device
market will reach a total of 111 million units in 2016, which is an increase of 44 percent
compared to 2015 (IDC 2015), growing to 245 million units in 2019 (CCS Insight 2016).
Global retail revenue from smart wearable devices is expected to reach 53 billion USD
in 2019 (Statista 2016). Other forecasts even predict that the global market will reach
over 100 billion USD by 2023 (IDTechEx 2016). The most successful wearables on the
market are those worn around the wrist (see Figure 1), such as smartwatches and fitness
trackers, which are expected to account for 9 in 10 wearables bought worldwide (Richter
2015).
Much of the optimism for the future of wearable technology is based on the belief that
wearable devices will become ubiquitous due to enhanced connectivity, improved
usability, reduced cost, increased reliability and longer battery life (Sultan 2015).
Increasingly, the collection and analysis of personal biometric data via self-tracking are
advocated and implemented in diverse social and commercial contexts and institutions
(Lupton 2016). In the next section we highlight some of the recent developments in the
life and health insurance industry.
How Smart Wearable Technology Transforms Loyalty Programs 449

2014 2015 2019

120.0

101.4

100.0

80.0

60.0

40.7
40.0

17.7
20.0
6.7 7.3
5.6 4.5
1.2 2.6 0.0 0.2 0.1 1.0 0.0 0.1 0.6 0.2 1.1
0.0
Wristwear Modular Clothing Eyewear Earwear Other

Figure 1: Market growth of wearable devices worldwide (in million units)


(Source: IDC 2015; Richter 2015)

3. Wearable Technology in Insurance ± From Private to


Pushed Self-tracking
7KH WHUP ³wearables´ seems to be the new buzzword within the insurance industry
(Simonds 2016). As mentioned, wearable devices include a variety of different product
categories such as wrist bands, watches, e-textiles and smart fabrics. Insurance firms
currently use the term ³ZHDUDEOHV´ predominantly to refer to fitness monitoring devices
that are worn on the wrist such as FitBit, Jawbone, and smartwatches.
While wearable technology is still considered to be in its infancy, life and health
insurance companies in several countries have begun to adopt wearable devices within
their business models (Liew 2016; Simonds 2016). For example, John Hancock is the
first life insurance firm in the U.S. offering its members a free Fitbit and the potential to
earn 15 percent off their annual premiums for achieving their target goals. In the UK,
Prudential¶9LWDOLW\+HDOWK offers its customers Vitality points for daily activities that are
collected with their discounted wearable devices. And according to a new study by
Accenture, almost two-thirds of insurers plan to take advantage of wearable technologies
in the next two years. The survey found that 63 percent of respondents believe that
wearable technologies will be adopted broadly by the insurance industry within the next
450 Sven Tuzovic and Shane Mathews

two years, while 31 percent said they are already using wearables to engage customers,
employees or partners (Accenture 2015).
So, why do insurance firm jump on the wearable bandwagon? According to industry
experts, wearable technology will impact all touch points of the consumer journey,
create new sales opportunities and change the insurance value chain, including new
product development, marketing, policy administration, underwriting, risk assessment,
and claims processing/management (Accenture 2015; Johnson 2015; Schaber 2015;
Becher 2016).
However, insurers also face a number of barriers and challenges (Johnson 2015; Schaber
2015; Simonds 2016; Srinivasan 2016):
„ Privacy: Key questions include what happens to the data, where it is stored and who
can access it. Consumers expect to have control of authorizing the use and access of
the data. While some industry reports indicate that consumers are more willing to
share their health data (BCG and Morgan Stanley 2014), other studies show that
consumers have concerns related to privacy (PwC 2014). Research shows that con-
sumers in the U.S. were more reluctant to share their data with an insurance firm
compared to their health care provider or friends (Tuzovic et al. 2015).
„ Accuracy: As fitness trackers are not considered medical devices, they are not
regulated by government organizations, e.g. the Food and Drug Administration
(FDA) in the U.S. That being the case, insurance firms may be reluctant to adopt
wearable data into their product offerings if the precision of the data is dependent
upon the manufacturer or the quality and functionality of the device.
„ Fraud: How do you stop customers strapping their fitness trackers to their pets to
achieve their daily step count? Some industry experts argue that cheating could be-
come tempting if costs savings for consumers were substantial.
„ Data security: As insurance firms will collect and store deeply personal details
about consumers, this can make insurance databases potentially more lucrative for
cyber-criminals.
„ Digital divide: Even though the prices for wearable devices have decreased over the
last two years, one potential problem is that only those consumers who can afford
wearable technology will have the chance to be rewarded with lower insurance pre-
miums. Thus, one concern relates to creating two types of insured consumer popula-
tions, one with wearables and one conventional collective (Becher 2016).
Overall, leveraging wearable technology will require that insurance firms develop their
capabilities, educate customers and develop strategic partnerships (Accenture 2015). In
order to increase the adoption and also the willingness to share the data, insurers have to
raise awareness among customers, communicate the added value and mitigate privacy
concerns. While partnerships with wellness firms such as Vitality (a global Health and
Wellness Community Program) are one option for strategic partnerships, another
How Smart Wearable Technology Transforms Loyalty Programs 451

promising avenue is new business alliances with loyalty programs. The following section
describes two examples in Australia.

4. Commercialized Self-tracking ± Leveraging Wearable


Technology in Loyalty Programs

4.1 Challenges of Loyalty Programs: Enrolment vs. Engagement


According to a recent industry report, customer loyalty programs are strongly embraced
around the globe (AIMIA 2015). On average, 85 percent of global consumers reported
being a member of at least one customer loyalty program in 2015. Overall, Australians
lead in loyalty program memberships. For example, 87 percent of Australians are
enrolled in at least one loyalty program (AIMIA 2015), with an average number of
memberships of 3.9 in 2016 (Directivity 2016). Australian membership of supermarket
loyalty programs is the second highest in the global survey (72 percent of the population
compared to 73 percent in Italy). And with regard to airline frequent flyer programs,
Australians lead loyalty memberships with 39 percent compared to 23 percent in the
U.S. and 10 percent in Germany.
However, enrolment in loyalty programs does not equal engagement, which is often
illustrated by a lack of activity. For example, U.S. consumers hold 3.3 billion
memberships in customer loyalty programs; they were enrolled in an average of 13.4
memberships but were only active in 6.7 (Bond Brand Loyalty 2016). As the market for
loyalty programs becomes more mature and competitive, businesses face a number of
challenges. They must use these loyalty programs to build meaningful relationships with
their customers and increase retention of their members. For example, the 2015 loyalty
census by COLLOQUY shows that U.S. memberships in airline frequent flyer programs
declined (-4 percent) for the first time and grocery program memberships declined for
the second consecutive census (COLLOQUY 2015). Research indicates that a successful
program has to combine multiple emotional and transactional benefits for consumers
(Posner/Noble 2013).

4.2 How Wearable Technology Drives New Business Ecosystems


between Health Insurance and Loyalty Programs
The private health insurance industry in Australia comprises of more than 30 private
health insurers; however, the five largest private health insurers account for 82 percent of
the market (PHIAC 2015). The industry is faced with several environmental challenges,
452 Sven Tuzovic and Shane Mathews

such as high levels of competition, a mature and saturated market, regulatory


requirements, and a weakening economy. Policyholder growth is not just slowing down;
statistics show that 60-79 year olds accounted for 50 percent of the growth whereas the
number of 20-29 year olds has declined by one percent (Tasker 2015). Whether driven
by regulatory or market-based factors, insurers are increasingly seeking to differentiate
their member offerings beyond their core business of health insurance (PHIAC 2015).
More recently, Australian health insurers have formed new alliances with other indus-
tries that incorporate wearable technology. The following two cases demonstrate how
smart wearables are leveraged between insurance firms and loyalty programs to provide
added value for its members, increase active participation in the program in the pursuit
of boosted revenue and profits.

4.2.1 Partnership between Insurance and Airlines

This year, the Australian airline Qantas developed a partnership with the health
insurance firm NIB called Qantas Assure which will reward people for being active.
According to an analysis by the website Point Hacks (www.pointhacks.com.au), there
are three Qantas Assure products: Health Insurance, Travel Insurance, and a Wellness
Program (powered by an iOS app) that incentivizes policyholders with points for being
more active (Hemphill 2016).
First, points can be earned from Qantas Assure by joining up to the new health insurance
program which is underwritten by NIB. Each year frequent members can earn one
Qantas Point for every dollar spent on their health insurance premium with a maximum
of 15,000 Qantas Points depending on the level of cover (Qantas 2016). As a promotion,
Qantas offers either an Apple Watch or up to 50,000 bonus points for signing up to the
insurance policy. Second, Qantas Assure members can use fitness trackers to log their
number of steps and earn frequent flyer SRLQWV IRU ³leading a more active lifestyle´
(Qantas 2015). Currently the program advertises that it coverV³everyday activities like
ZDONLQJ UXQQLQJ GRLQJ WKH JURFHU\ VKRSSLQJ DQG PRZLQJ WKH ODZQ « >DQG@ « LV
exploring how members can be rewarded for other activities, such as swimming, cycling
DQG \RJD´ (Qantas 2016). According to Hacks Points WKH ³step count only´ of fitness
tracking is a limited way to assess activity, thus Qantas would need to follow through on
the other activity promises in the near future (Hemphill 2016).
According to media reports, Qantas and NIB plan to target a two to three percent share
of the 19 billion AUD private health insurance market on a revenue basis which would
equal to 570 million AUD of the private health insurance market (Feed 2015). The new
partnership comes after the Australian supermarket chain Woolworths decided to drop
Qantas frequent flyer points from its new loyalty program. Qantas Assure thus
contributes to the diversification of Qantas Loyalty beyond its frequent flyer program.
)RU 1,% ZKLFK LV $XVWUDOLD¶V IRXUWK-largest health insurer with a market share of 7.7
How Smart Wearable Technology Transforms Loyalty Programs 453

percent the partnership offers significant growth opportunities by tapping into the large
membership of 11 million frequent flyers.
The launch of Qantas Assure has been heavily advertised across a number of channels.
Christopher Walken, a famous movie actor, is the face of the launch campaign (see
Figure 2), demonstrating some of the activities customers will be rewarded for (Mortlock
2016; Qantas 2016). The campaign has been seen on TV, cinema, at airports, outdoor
and online, for example on YouTube.

Figure 2: Qantas Assure advertising campaign featuring actor Christopher Walken


(Source: Campaignbrief 2016)

4.2.2 Partnership between Insurance and Supermarkets

Another example of how brands and insurers try to link with wearable technologies is
WKH SDUWQHUVKLS EHWZHHQ 0HGLEDQN DQG &ROHV ,Q  $XVWUDOLD¶V ELJJHVW KHDOWK IXQG
Medibank signed a deal with the Australian supermarket chain Coles, owned by
Wesfarmers, which allows its policyholders to earn pointVZLWK&ROHV¶³)O\EX\V´OR\DOW\
program. Medibank members who link with the loyalty program can earn one point per
two AUD paid on their premiums and triple points for every dollar spent on grocery
shopping in Coles stores. Furthermore, Medibank & Flybuys members can link the data
454 Sven Tuzovic and Shane Mathews

from a range of wearable fitness trackers to their Medibank account, earning 10 Flybuys
points every day they reach a goal of 10,000 steps (Medibank 2014; Flybuys 2016).
The partnership offers benefits for both Medibank and &ROHV )O\EX\V LV $XVWUDOLD¶V
most popular loyalty program with a membership base of ten million people, or more
than 5.5 million households. For Coles this partnership could lead to a significant jump
in Flybuys members. Medibank has 3.8 million members, 1.9 million policyholders and
a 30 percent share of private health insurance (Gluyas 2013). While a million members
already have an account with Flybuys there is potential to significantly expand the
loyalty scheme by using bonus points as an incentive. For Medibank, giving members
access to FlybuyVSRLQWVLVFRQVLGHUHGWREHD³powerful retention tool in an increasingly
FRPSHWLWLYHHQYLURQPHQW´ (Gluyas 2013).
However, compared to the Qantas Assure campaign, the Medibank/Flybuys program is
not advertised, except for a short description and a list of eligible activity trackers online.
Instead of a celebrity campaign, Coles and Flybuys have selected sales promotions as a
tool to communicate the program. For example, just in September this year Coles
launched a special 3-months promotion called ³6WHSVWR6DYLQJV´ (see Figure 3) in which
consumers ³receive a ten percent discount on their fruit and vegetables (in-store or
online) up to five times in the 11 week period, each time they log 100,000 steps on their
activity tracker´ (Hopkinson 2016). A similar sales promotion campaign ran in March
2015 (OzBargain 2015).

Figure 3: ³6WHSVIRU6DYLQJV´ sales promotion


(Source: Coles 2016)
How Smart Wearable Technology Transforms Loyalty Programs 455

5. What Do Consumers Say? ± Results of a Netnography


Study among Australian Consumers

5.1 Research Design and Method


As mentioned above the aim of these partnerships between insurance firms and loyalty
programs is to strengthen the relationships with its members and to provide customers
with meaningful rewards for leading a more active lifestyle that has the potential to
improve their health and well-being. However, some scholars also point out challenges
of wearables such as the privacy concerns of consumers. For example, Thierer (2015)
and Lupton (2016) argue that wearable technologies will raise major ethical and legal
issues and challenge existing health regulations imposed by government agencies. On
the other hand, a survey of 500 Australian consumers found 80 percent willing to share
data from wearables in exchange for a reduction in their premiums of about ten to 15
percent (BCG/Morgan Stanley 2014). Given the launch of the recent Qantas Assure
campaign and the Coles sales promotion we were interested to investigate how
FRQVXPHUVSHUFHLYHWKHVH³Points for )LWQHVV´ programs. Netnography approach can be
used to XQGHUVWDQGFRQVXPHUV¶VHQWLPHQW, as netnography (Internet-based ethnography)
is a novel methodology that emerged as a result of the rapid growth of online social
networking environments which enable consumers to post reviews, messages,
complaints, etc. through online forums and social media sides (Mkono 2013). It is used
to investigate human behavior of cultures and communities present on the Internet
(Kozinets 1998; 2002; Rollins et al. 2014). We employed netnography to explore the
meanings and insights related to privacy and consumer perceptions connected to the two
cases mentioned previously. The use of multiple social network cases is a more prudent
approach of investigating for uncovering variance in perception and insights not
uncovered in other more positivists methodologies. For example, using a social network
linked with a more recent real world launch of wearable technology (i. e. the Qantas
Assure program linked with the Christopher Walken campaign) and a more established
case that has been running for two years (i. e. Medibank and Coles supermarket) should
give a variance in insights related to the phenomenon of new strategic partnerships and
business ecosystems (i. e. insurance and airlines or supermarkets) and wearable
technology from a consumers perspective.

5.2 Data Collection


Our interest was in exploring how consumers in Australia talk about WKHWRSLF³3RLQWVIRU
)LWQHVV´ (either Qantas Assure or Medibank/Flybuys), how they feel about earning
points for being active, and if they have any concerns in sharing their health data with
456 Sven Tuzovic and Shane Mathews

their insurer or third-party loyalty programs. Following previous research we used a non-
participant netnographic technique to study the phenomenon without directly interacting
with the online users (Cova/Pace 2006; Rollins et al. 2014). We analyzed conversations
collected from English language content for Qantas Assure from publicly available
social media accounts with Social Studio (a Salesforce software solution that integrates
Radian 6 social media monitoring technology). We first limited our keyword search on
the Australian market and then extended the search globally after we noticed that
conversation was happening outside of Australia as well.
The final data consists of 1,474 posts from the Medibank program and 3,625 posts from
the Qantas program. Data was collected for the last 6 months for the Qantas program and
the last two years for the Medibank program (for as long as the programs have been
running). Multiple sources such as Twitter, Instagram, Facebook, Blogs and Video were
used as data source options within Social Studio to collect and aggregate the
conversation/comments. The total data collected contained around 125,000 words. Data
indicates that only when the program has a marketing element attached ± that means, a
video, celebrity, launch or public relations ± will there be any conversation related to the
service offering in the market (principle, insurance company and wearable technology),
see below in Figure 4 the spike in conversation in Twitter when Christopher Walken was
used to promote the program.

Figure 4: Public conversation of Qantas Assure (posts over time)


How Smart Wearable Technology Transforms Loyalty Programs 457

5.3 Results
The results for the Qantas program are predominantly linked to how the celebrity actor
was being used within the brand marketing ³&KULVWRSKHU :DONHQ´ campaign, which
drew much commentary, suggestions related to the humor or lack of humor within the
campaign. Some conversation related to the program and how consumers can use the
program to accumulate points, but the vast majority was related to the campaign and
actor used in the campaign. No comments were identified within the discussions in rela-
tion to privacy; see top words used in Figure 5 below. Opinion was polarized in relation
to the use of this actor within the campaign. Twitter opinions either loved, loathed or in
some cases mocked the use of the actor; see exemplary comments below:
„ I may have had a couple of drinks but I love the Qantas ad with Christopher Walk-
en/Dancin/Boxin/Climbin....
„ I am pleased to see that someone appreciates this ad. I think it is forced, over sim-
plistic, lame and juvenile. Very obvious, very poor, and for a company that laid off
workers to save money, I bet it cost a bomb. Walkin = Walking? If so, then Whistle
= Pistol.
„ &KULV FDQ GDQFH VR WKDW¶V certainly something to leverage, however, how might
Walken himself have put what seems like a glaring oversight (or economisation by
the client, perhaps?): To use . . . me . . . . in an ad . . . and . . .. not use my voice . . . .
not to mention . . . my dLVWLQFWLYH«SKUDVLQJ«VHHPVWRPHWRRYHUORRN«
P\PRVWGLVWLQFWLYH«DQGLQGHHGHQGHDULQJ«DQGPRVWPHPRUDEOHFKDUDFWHULVWLF
. . . I feel sorry for these guys . .. but gee . . they really showed me a good time . . . in
Sydney.

The analysis of tKH SXEOLF FRQYHUVDWLRQ IRU &ROHV¶ VDOHV SURPRWLRQ WXUQHG XS GLIIHUHQW
results. Contrary to the Qantas Assure program the Medibank/Coles program received
negative commentary in relation to the brand. Consumers used the social media envi-
ronment to vent their anger. Either that the program was not inclusive or the firm should
concentrate on getting the basics right first before embarking on an extension to current
offerings, see comments below.
458 Sven Tuzovic and Shane Mathews

Figure 5: Top words used in the public conversation of Qantas Assure


(Source: Social Studio, own analysis)

Consumers comment about eligible devices


„ +L&ROHV,WKLQN\RXU³Steps to Savings´ promotion is a great idea, so I was disap-
pointed to find I cannot take part using my activity tracker, which is a Jawbone Up2.
Perhaps for future promotions you could include customers who have a fitness
tracker other than Garmin or Fitbit? (Facebook user comments, 19.09.16)

Examples of negative sentiment regarding a digital divide


„ Boycotting Coles till 30th November. Coles USED to be my no 1 shop, but because
I don¶t have a Fitbit cannot get 10 percent off fruit and vegetables. This is a highly
discriminatory to those that don't need a Fitbit and those that cannot afford a Fitbit.
Will only buy at Coles if Woolies don¶t stock the product need. (Facebook user
comment, 21.09.16)
„ Gee flybuys. ,¶GORYHWRDOVRUHFHLYHWKHten percent off fruit and vege purchased at
Coles. But because I am unable to afford an activity tracker I am out of the deal.
Way to help people stay healthy. (Facebook user comment, 20.09.16)

Consumers concerned with fraud


„ Hi Flybuys! I just registered for your awesome Fitbit Hawaii Steps To Savings
Competition. Can I offer you some feedback though? For such an awesome prize
people *will* cheat and is very easy to put extra steps on your fitbit purely by shak-
ing it the right way or travelling in a bumpy car. Can I suggest in fairness you
How Smart Wearable Technology Transforms Loyalty Programs 459

change it to a random draw from entrants reaching 10,000 steps a day rather than the
person with the most steps. Thanks. (Facebook user comment, 15.09.16)

Consumers that are venting about the program


„ I am a new customer who was enticed to join by a flybuys offer, and not impressed
when told we would no longer earn flybuys points with our Medibank premiums.
Can¶t say I¶m impressed and I want to cancel my membership. / / / / /
(Facebook user comment, 19.09.16)
In summary, the interesting lesson learned is that the public conversation surrounding
the new era of commercialized self-tracking in Australia is not concerned with privacy
issuHV $W OHDVW FRQVXPHUV DUH QRW ³talking´ about this online. The concerns regarding
privacy are more apparent when consumers are interviewed by TV news. For example,
Qantas quickly commented in a news report that they would assure the safety of mem-
EHUV¶ SULYDF\ DIWHU FRQVXPHUV ZHUH DVNHG LI WKH\ ZHUH ZLOOLQJ WR VKDUH WKHLU GULQN
ing/smoking habits or Fitbit data with an insurance. And Coles claimed that they would
destroy the data in December (9 News 2016).

6. Conclusion
As the examples in this chapter illustrate, wearable technology will become a key driver
in a variety of business and organizations, connecting technology manufactures with
other industries to form new partnerships, alliances, and service ecosystems. For exam-
ple, smart wearables, insurance and loyalty programs might be just the start of a complex
integration between health insurance and other companies where synergies may not be
obvious just yet.
However, as commercial institutions increasingly leverage wearable technology in their
business models and value chains encouraging customers to share their biometric data
(i. e. moving from private to pushed and commercialized self-WUDFNLQJ  WKH ³lack of
awarHQHVV´ of privacy issues among consumers raises important questions. Are Australi-
an consumers less concerned with privacy than consumers in other countries? Our find-
ings would support some previous industry findings. The results would possible be quite
different in Germany where consumers are much more concerned with their privacy
rights. Or is it a matter of awareness? Are consumers making the mental connection be-
WZHHQ GDWD FROOHFWHG E\ ZHDUDEOHV DQG LWV SRWHQWLDO PDUNHWLQJ XVH E\ D ILUP¶V OR\DOW\
program? This would require that companies educate customers regarding the trade-off
between added benefits versus the price of privacy. Or, finally, is it a matter of customer
segmentation. That is, only customers who are already tracking their biometric data will
be more likely to engage in the points for fitness schemes.
460 Sven Tuzovic and Shane Mathews

While these examples covered Australian loyalty programs, results in other countries
would be prudent. For example, German consumers are a significant exception when it
comes to enrolment of loyalty programs, with 31 percent of consumers suggesting they
do not join loyalty programs in any sector (AIMIA 2015). Thus, insurance firms in Ger-
many may have to consider more inclusive loyalty programs such as Payback instead of
stand-alone customer loyalty schemes that are restricted to one brand or company.

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Manuela Koch-Rogge and Georg Westermann

Digitalization in the Service Economy ±


The Case of Banking Services

1. How Digitalization Challenges Traditional Service Concepts

2. How Digitalization Affects the Banking Industry


2.1 Classifying Banking Services
2.2 Effects of Digitalization on Banking Services

3. Implications
3.1 Structural Implications
3.2 Managerial Implications
4. Conclusion

References

___________________________
Manuela Koch-Rogge is Doctoral Candidate at the Anglia Ruskin University, Cambrigde
and Research Assistant at the Harz University of Applied Sciences. Together with
colleagues she is managing the Institute for Service and Process Management. Georg
Westermann is Professor of Business Administration with focus on Process Management
and Management Consulting at the Harz University of Applied Sciences. Additionaly he
is Research Director of the Institute for Service and Process Management (IfDP).

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017


M. Bruhn und K. Hadwich (Hrsg.), Dienstleistungen 4.0,
DOI 10.1007/978-3-658-17552-8_19
 

1. How Digitalization Challenges Traditional Service


Concepts
Since services touch the lives of every person in developed economies, service sector
research is an immensely growing field within academic literature. Although activities of
manufacturing and agriculture will always be necessary, service markets have never been
larger, competition in services has never been more intense and the economic growth
within developed economies is almost exclusively based on services
(Lovelock/Gummesson 2004; Fitzsimmons/Fitzsimmons 2008). The transformation into
a service-based economy happens on a global scale and often depends on information
technologies. Services increasingly embed digital technologies. This, on the one hand,
makes it progressively hard to disentangle them from their underlying information
technology. One the other hand, the transformational change provides opportunities for
innovation in business models and, at the same time, holds challenges for established
practices in service organizations (Barrett/Davidson 2008; Furtmueller/Tate 2014).
In this respect, one of the major challenges for academia and practice is to question the
PHDQLQJRI³VHUYLFH´DQGWRshed light on whether services in the digital service economy
DUHHVVHQWLDOO\WKHVDPHDVVHUYLFHVRIWKHSDVW7KHGHILQLWLRQRI³VHUYLFHV´, however, has
been subject to various debates in service sector research (Edvardsson et al. 2005). After
decades, a consensus emerged, indicating that services have different characteristics from
goods and that these characteristics pose vexing management challenges
(Lovelock/Gummesson 2004). Subsequently, Zeithaml et al. (1985) identified the four
most cited distinctive features of service: intangibility, inseparability, heterogeneity and
perishability (often referreGWRDV³,+,3´FKDUDFWHULVWLFV  Within this logic, services are
intangible outputs of the organization ± hence, intangible goods. More recently,
researchers argue that, although IHIP characteristics still apply to a majority of services,
they are outdated as generic service characteristics (Edvardsson et al. 2005;
Furtmueller/Tate 2014). Thus, when it comes to integrating new internet concepts or
requirements of digital consumers, IHIP characteristics fall short or even fail completely
(Furtmueller/Tate 2014).
Barrett and Davidson (2008) provide a concise example illustrating the traditional IHIP
perspective and its shortcomings in embedding digital technologies: a consumer viewing
a movie in a cinema. In this example, the intangible service (entertainment) perishes if a
particular seat is unfilled. Furthermore, the service requires the consumer´s cooperation to
sit through the movie. Applying this movie example to the digital VHUYLFH ³PRYLH RQ
GHPDQG´DOWHUVits characteristics. Since it is available through home cable or internet, the
service is retrievable 24/7 (³ hours in 7 days per week´). This actually raises the
question, if it can still be described as perishable. Furthermore, co-presence does not seem


468 Manuela Koch-Rogge and Georg Westermann


to be necessary for co-creation of value. The provision of this service, however, requires
a complex array of information technology, which, in turn, influences the quality of the
HQWHUWDLQPHQW H[SHULHQFH +HQFH DOWKRXJK ³PRYLH RQ GHPDQG´ FHUWDLQO\ LV DQ
entertainment service, it takes on some characteristics that are typically related to products,
like separation of consumption and production, storability or standardization.
Furthermore, as in the case of banking services, many service processes can be
standardized. Automated services, such as cash withdrawal from ATMs or online money
transfer can be accomplished automatically without direct employee involvement and are
available 24/7. In other cases, such as the provision of foreign currencies, the service does
not require the presence of the customer and can easily be produced in advance.
Those examples illustrate very clearly that traditional service concepts like IHIP fail to
integrate the requirements of digital services. Since banking services are among the
services most affected by digitalization (Sabbagh et al. 2013) we are going to explore what
effects digitalization has on the banking industry and what challenges arise from this. As
IHIP characteristics are no more generalizable to all types of service we are going to
identify distinct types of banking services and classify them by adopting the service matrix
approach from Schmenner (1986) and Silvestro (1999). By this, we investigate how digital
technologies alter taken-for-granted implications that were derived from traditional
services concepts. Finally, we are going to point out implications for managing banking
services by discussing structural and managerial implications that arise from
digitalization.

2. How Digitalization Affects the Banking Industry


For various reasons, banking services are a very suitable example to examine what impact
digitalization may have on the overall service sector. First, the banking industry underwent
several structural changes over the last two decades, supplementing branch-office services
with a variety of digital services ranging from ATM´s to online banking or mobile
payment services. Second, banking services consist of a variety of distinct service types
that are affected by digitalization to varying degrees. Third, due to the structural
transformation mainly caused by digitalization, the workforce of this industry has been
reduced considerably by cutting down branch networks and workforce. At the same time,
compared to other sub sectors like retail or hospitality, the banking industry gained the
most in terms of productivity with increasing levels of digitalization (Sabbagh et al. 2013).
In order to analyse the effects of digitalization on the overall banking industry, the various
banking services need to be identified first. To manage a detailed analysis, we limit our
examination and focus on traditional corporate and retail banking services and exclude
other possible fields like investment banking.


Digitalization in the Service Economy ± The Case of Banking Services 469


2.1 Classifying Banking Services


Since the traditional IHIP characteristics fall short in classifying digital services, we follow
/RYHORFNDQG*XPPHVVRQ¶V (2004) call to reconsider services as a general category and
focus on specific service types. In order to identify distinct types of banking services and
to classify them we apply a service matrix adopting approaches from Schmenner (1986)
and Silvestro (1992; 1999).
Schmenner (1986) claimed that services could be classified more precisely using both the
degree of labour intensity and the degree to which the customer interacts with the service
provider as well as the degree to which the service is customized for the consumer. Thus,
he identifies four different service types:
„ Service factory
„ Service shops
„ Mass services
„ Professional services
The service factory is characterized by a low degree of labour intensity and a low degree
of interaction and customization. Thus, service providers operate in a fashion similar to
factories. They can take advantage of economies of scale, may employ rather unskilled
employees or automat their services. With an increasing degree of interaction the service
factory gives way to the service shop. Service providers operating in this fashion still have
a high degree of equipment relative to (human) labour, but offer more interaction and
customization. Exhibiting a low degree of customization, but being very labour intensive,
mass services LQFOXGH WKH UDWKHU ³WUDGLWLRQDO´ VHUYLFH EXVLQHVVHV OLNH UHWDLOLQJ DQG
wholesaling. By increasing the level of customization or interaction, mass services give
way to professional services (Schmenner 1986). In order to classify the service process as
a whole, Silvestro et al. (1992) modified the scheme of Schmenner (1986). Thus, they
proposed a two dimensional approach with one dimension being the volume of customers
per unit or the customer contact time. The other dimension consists of six sub-dimensions
drawn from the service operations literature. As a result, Silvestro et al. postulate only
three different types of services: mass services, service shops and professional services.
Unlike Schmenner, they position the distinct service types along a diagonal.
Although Silvestro et al. applied the same terms as Schmenner, the definition of the three
service types differ. According to Silvestro et al. (1992), professional services are highly
customized services with a rather long contact time. Respectively, customer transactions
per unit are rather low. Thus, professional services are often highly specialized. Mass
services, on the other hand, are characterized by less contact time and a low degree of
customization. Hence, there are many customer transactions. It can be noted that this
definition of mass services combines Schmenner's definition of service factories and mass
services. Eventually, service shops fall between mass services and professional services
with the levels of classification dimensions falling between the two extremes (Silvestro et
al. 1992).

470 Manuela Koch-Rogge and Georg Westermann


Combing the approaches of Schmenner (1986), Silvestro et al. (1992) and Silvestro
(1999), the following service matrix results:
Degree of Labour Intensity

Mass Service Professional Services


High

Low Service Factory Service Shop

Low High

Contact Time/
Degree of Customization
Figure 1: Service Matrix
(Source: Schmenner 1986; Silvestro et al. 1992; Silvestro 1999)

Banking services are generally segmented according to customer groups into corporate
services and retail services (Oliveira/von Hippel 2011). Since the distinct services shall be
examined with particular focus on the effects of digitalization, we chose a rather function-
oriented segmentation. Thus, banking services are segmented into transactions, advisory
services and financial services. The latter are again differentiated into rather standardized
services and (highly) specialized services. Figure 2 depicts the segmentation and includes
explanatory examples.



Digitalization in the Service Economy ± The Case of Banking Services 471


Banking Services

Transactions Financial Services Advisory Services

small private loans)


Standardized (e. g.

Standardized (e. g.

(individual portfolio
standard financial
information about
Specialized (e. g.
corporate loans)
Online Banking
ATM Services

transactions

Specialized
products)

strategy)
Services
Counter

Figure 2: Segmentation of Banking Services

To examine the different service types more closely, they are classified by using the
already introduced service matrix:

2
Degree of Labour Intensity

High Mass Service Professional Services


6 4 5
7

3
Service Factory Service Shop
Low 1

Low High

Contact Time/
Degree of Customization
1 = ATM Services 5 = Specialized Financial Services
2 = Counter Transactions 6= Standardized Advisory Services
3 = Online Banking Services 7= Specialized Advisory Services
4 = Standardized Financial Services

Figure 3: Classification of Banking Services



472 Manuela Koch-Rogge and Georg Westermann


Apparently, banking services comprise a variety of different service types (see Figure 3).
The transactional services are characterized by a rather low level of customization and
contact time. Whilst ATM services and online banking show a low labour intensity (most
labour costs relate to IT support and maintenance), counter transactions are still very
labour intensive. However, this kind of banking service does not require specialists. This
holds also for standardized financial services and advisory services. Nevertheless, in
traditional banking these processes are still quite labour intensive (since they are mostly
facilitated in the bank and require the client and the bank employee to be present). With
an increasing level of customization, requirements on employees considering knowledge
and skills as well as the time spent on each individual case increase. Thus, standardized
advisory and financial services are less labour intensive and less contact intensive than
specialized advisory and financial services. The latter therefore are classified as
professional services, which are often described as a unique selling point for banks, since
they offer the highest degree of interaction and customer integration and often rely on the
relationship between employees and their clients (Silvestro 1999).

2.2 Effects of Digitalization on Banking Services


Before looking into the effects of digitalization, the term digitalization should be explored
more closely. According to Katz and Koutroumpis (2012), digitalization per se is the
process of converting analogue information into a digital format. Digitalization that
society in general refers to is a social process transforming the techno-economic
environment through digital communications and applications. It builds on the evolution
of network access technologies, software engineering and the spill over effects resulting
from their use. Vogler-Ludwig et al. (2016) identify four distinct fundamentals of digital
technologies:
„ Software and artificial intelligence
„ Transmission and processor technology
„ Sensor and control technology
„ Information technology
Thus, digitalization is the result of an intertwining of digital technologies and the effects
resulting from their use. Since banking has become a very technology intensive industry,
the effects of digitalization could potentially change its whole business model.
Digital information is characterized by two features: the marginal costs of its
dissemination are zero and its non-rival nature (using the information does not
discriminate others from using it simultaneously). This public-goods-character of digital
information technology has significant economic consequences. On the one hand, costs
per unit decrease inversely proportional to the number of users. Hence, platforms for
online banking or for financial advisory services with many users result in cost advantages
and efficiency gains. This is even reinforced or multiplied by network-effects (Vogler-
Ludwig et al. 2016). Therefore, one major trend in banking is the development of online

Digitalization in the Service Economy ± The Case of Banking Services 473

channels such as mobile and tablet banking as well as social media usage (Hobe/Alas
2015). Applying these tools, banks are able to reduce their costs per unit and
simultaneously increase customer loyalty (Vater et al. 2012). A recent empirical study
from Accenture (2016) provides several examples of banks that experienced a significant
rise in customer loyalty by implementing advanced digital technologies. They offer
advanced online and mobile banking services (for instance personalized online portals,
online and mobile brokerage and mobile product offerings) along with 24/7 personal
customer service for clients who use digital channels. Subsequently it was found that as
customers use more channels they become more loyal, buy more products, and are more
satisfied (Accenture 2016). Thus, online banking users in general have a higher Net
Promoter Score (NPS) than customers who do not use online services (Hobe/Alas 2015).
Considering profitability, digitalization enables banks to lead customers from high-cost
traditional bank branches to lower-cost online channels. For instance, by arranging
appointments via social media or booking systems or by facilitating customer meetings
connecting a product specialist via online video conferencing if needed enables banks to
streamline their processes and to offer tailored services to customers (Vater et al. 2012).
On the other hand, the public-goods-character of digital information technology lowers
market entry barriers for others. Thus, potential competitors face rather low costs when
entering the market. Subsequently, the market entry of so called direct banks, who do not
maintain an own branch network and offer services unanimously via digital technology,
was one of the first effects of digitalization on the traditional banking industry. More
recently, banks also face competition from other sectors. Thus, several service providers
like Verizon, PayPal or Google have entered the market offering user-friendly, cashless
payment systems. Furthermore, many supermarkets offer free cash withdrawals.
Another effect deriving from the rather low dissemination costs of digital information and
the subsequent network effects is the emergence of open source information platforms. On
these platforms ± Wikipedia, for instance ± users generate content free of charge with the
objective to gain information for free from other users (Vogler-Ludwig et al. 2016).
Subcategories of information platforms are evaluation platforms, where users share their
experience or opinion on a certain product or service. In this context, information and
evaluation platforms once again challenge the traditional characteristics of banking
services. Particularly professional services are characterized to be not judgeable by
customers considering quality, price or competence due to their high degree of
customization and the intangible nature of services in general. Therefore, they are assumed
to be suitable to lock the customer into the service, since switching costs are considerably
high (Silvestro 1999). This assumption may not be tenable regarding the possibilities that
are provided by information and evaluation platforms. There is already a large variety of
information platforms providing financial advice or comparison tools for loans (in
Germany for instance: finanzcheck, check24, Zmarta). Furthermore, professional services
may no longer be a black box considering quality evaluations. Professional services like
medical or educational services are already subject to evaluation on evaluation platforms
(for instance, myprof (university teachers), kununu (employer quality) or jameda (treating


474 Manuela Koch-Rogge and Georg Westermann


physicians)). During the last years, some evaluation platforms for financial advisors
emerged (for instance: whofinance). Although they still lack a critical mass to provide
reliable information (Welp 2012), it seems to be just a matter of time until evaluation
platforms unlock the black box of banking services and with this change the underlying
assumptions of being highly complex professional services.
In spite of the ³work in progress´ character of evaluation platforms for banking services,
digitalization already lead to a fundamental change in customer expectations and customer
behaviour. Traditionally, banks had their focus rather on the smooth processing of
transactions than on the perfect realization of customer demands. Although customers´
demands for save and smooth transactions remain unchanged in the age of digitalization,
clients got used to crossing the boundaries between online and offline communication with
their bank. Thus, customers prefer to choose the communication channel spontaneously
and expect them to interlock smoothly. Moreover, they prefer banks that address their
individual demands and provide custom-tailored solutions (Vater et al. 2012).

5
7
2
Degree of Labour Intensity

High Mass Service


vice Professional Services
sional S rvices
6 4 5
7

3 4
3 2
6 Service Factory Service Shop
Low 1

Low High

Contact Time/
Degree of Customization

1 = ATM Services 5 = Specialized Financial Services


2 = Counter Transactions 6= Standardized Advisory Services
3 = Online Banking Services 7= Specialized Advisory Services
4 = Standardized Financial Services

Figure 4: Effects of digitalization on banking services



Digitalization in the Service Economy ± The Case of Banking Services 475

Taking into account the effects of digitalization, it seems reasonable to reposition banking
services in the service matrix as demonstrated in Figure 4.
Although the future effects of digitalization on the banking industry has been outlined
simply based on current observable developments, the pathway model above shows that ±
regardless of the actual degree of digital innovation ± digitalization has a major impact on
the future structure and strategic orientation of banking services. Transactional services,
for instance, are likely to become less important. Due to technology advances, the
maintenance of rather non-complex technologies like ATMs will become less labour
intensive. At the same time, this service will be more and more supplemented by other
competitors and by cashless payment systems. Thus, its importance for the banking sector
will decrease. A major drop in labour intensity is to be expected for counter transactions
since many of these services can be facilitated online or completely automated. This
development is already reflected by banks cutting down their branch network and focusing
RQ³flagship branchHV´VXUURXQGHGE\PHUHO\DXWRPDWHG³VDWHOOLWHEUDQFKHV´(Vater et al.
2012; Keck/Mertes 2015; Accenture 2016).
In contrast to other transactional services, online banking services experience a rise in
labour intensity. Since online banking offers many interaction points, these services are
very suitable to attract customers and achieve long-term customer loyalty. Accordingly,
more than 55 per cent of all account holders in Germany use online banking at the moment
± in 2010 the percentage was only 35 (Bundesverband deutscher Banken 2016; Statista
2016). In order to position and use online banking services as one of the most important
interaction points with customers, labour intensity is going to increase. This is caused by
the development and maintenance of the underlying technologies as well as by the related
customer care activities. Simultaneously, contact time and customization of those services
are going to increase if they are to fulfil their intended functions.
Since online information platforms or social media channels offer standardized financial
information and even standardized financial products, they are gradually going to replace
a face-to-face visit to the branch office. Thus, labour intensity for both standardized
financial services and standardized financial advice is very likely to decrease (further). To
ensure customers¶ loyalty and to prevent their migration to direct banks, standardized
financial products (like small private loans) need to be adjusted and offered more
individually. Thus, the degree of customization needs to increase for those kinds of
services. Standardized financial information, on the other hand, can be easily copied and
distributed via digital channels (Keck/Mertes 2015). Subsequently, most banks will not
invest into customization of these services (or if they do, they will connect it to other
online banking activities).
Although they gradually lose their black box character, professional services will become
more important in order to maintain a competitive advantage. In accordance to altered
customer requirements, traditional banks need to focus on their ability to provide
individual products and advise for complex financial matters. By this, they need to align
and integrate all digital and analogue channels. For instance, a modern advisory service


476 Manuela Koch-Rogge and Georg Westermann


considering a building loan may include well presented (advanced) information when a
customer logs into her personal account, a subsequent chat with her personal client advisor
and an appointment via app. Afterwards the building loan will be discussed in a flagship
branch where the waiting area is equipped with a media-wall and online facilities like
customer tablets. During the discussion the client advisor can consult an expert via online
video conference. After agreeing on the conditions, the customer can send scans of
required documents via e-mail. Logged into her personal account she can also monitor the
progress of processing the loan and is able to chat with her client advisor on this matter if
necessary. Finally, the documents are signed via sign pad or fingerprint.
Although this scenario currently seems to be a ³far-in-the-future´ model for most
traditional banks in Germany, there are already some institutions that implemented multi-
channel approaches into their branch strategy (Vater et al. 2012; Keck/Mertes 2015). By
implementing such strategies and emphasizing the importance of professional banking
services in the age of digitalization, both labor intensity and the degree of customization/
contact time are going to increase.

3. Implications
Due to effects driving from digitalization, several banking services have changed their
position in the service matrix above (see Figure 1) significantly. This repositioning holds
several implications on structural, but also on managerial level, which are discussed
below.

3.1 Structural Implications


Examining the matrix shown in Figure 4 more closely, two trends become obvious. First,
labour intensity in services with a rather low degree of customization decreases
significantly. Since digital technology offers the possibility for automated procession and
distribution of information, traditional mass services become less important and are very
likely to disappear. As a consequence, the demand for employees facilitating those kinds
of services will decrease accordingly. Second, services with a traditional focus on
customization as well as services with a new focus on it (e.g. online banking services)
generate an increasing demand for highly skilled employees. Not only do they require
specialists for offering complex financial products and related advisory services, but also
for developing and maintaining the digital infrastructure. Thus, the demand for less-skilled
workers decreases due to rationalizing effects of digitalization, while there will be an
increasing demand for highly skilled workers. However, the balance will probably not be
even. A current study commissioned by the German Federal Ministry of Labour and Social


Digitalization in the Service Economy ± The Case of Banking Services 477

Affairs concludes that the German financial sector will suffer a slight decrease in
employment of about 45,000 workplaces until the year 2030 (Vogler-Ludwig et al. 2016).
The effects of digitalization also question the importance of branches as the number one
distribution channel. Though there is broad agreement that traditional banks should
maintain a branch network as a physical presence and as an important distinguishing
feature to direct banks (Keck/Mertes 2015), there is no consensus about the future
structure of the branch network. 6RPHDXWKRUVDGYHUWLVHWKH³VDWHOOLWH-PRGHO´. Thus, some
branches offer a full-service concept, including fully automated self-service areas, lounge
areas equipped with hardware (customer tablets) and media walls (for presenting the
banking services), front-end workstations and fully equipped consultation rooms. Those
branches adopt WKHUROHRIVRFDOOHG³IODJVKLSbranches´6DWHOOLWHEUDQFKHVDre grouped
around those flagships. The satellite branches merely offer transactional services and are
fully automated (Vater et al. 2012; Keck/Mertes 2015). Other concepts suggest more
differentiated formats. Besides flagship branches EDQNV VKRXOG RIIHU ³FDVKOHVV NLRVNV´
that serve as 24/7 service centres and are staffed with front-office employees. In addition,
VRPHEUDQFKHVVKRXOGVHUYHDV³OLJKWEUDQFKHV´IRFXVLQJPHUHO\RQVDOHV DQG³IXOOVHUYLFH
KXEV´RIIHULQJKLJKO\VSHFLDOL]HGVHUYLFHV(Accenture 2016).
Although the future development of branches is discussed controversial at the moment,
the preceding analysis has shown that branch networks exclusively consisting of full-
service branches will no longer be sustainable. Thus, it is very likely that traditional banks
will thin out their branch network. At the same time, new and user-friendly technologies
offer new distribution channels beyond traditional branches.

3.2 Managerial Implications


Considering the effects of digital technology, managers currently face a dilemma. On the
one hand, they use digital technologies to reduce operative costs by encouraging customers
WRXVHRQOLQHVHUYLFHV+RZHYHUE\UHGLUHFWLQJFXVWRPHUVWRD³IXOO\DXWRPDWHG´VHUYLFH
world, they risk losing them in the long-term to direct banks. To invest into flagship
branches and highly specialized and digitalized professional services, on the other hand,
is costly. Thus, one of the major managerial challenges is to develop a sound pricing
system. Currently, most banks advertise free online tariffs without explaining the
associated differences to traditional tariffs (Vater et al. 2012). Thus, customers get used to
WKH³IUHHRIFKDUJH´FKDUDFWHURIEDQNLQJVHUYLFHVDQGUHIXVHWRSD\IRUDGYDQFHGproducts
like professional services. Since these services are the major distinguishing feature from
direct banks and other competitors, management must develop strategies to communicate
the added value of their professional services. At the same time, they need to investigate
the price sensitivity of their customers.
In order to provide those highly specialised services, managers also need to ensure that
they are staffed with highly qualified and skilled personnel. Hence, banks should increase
their investment in employee selection and training. Since the underlying information

478 Manuela Koch-Rogge and Georg Westermann


technology needs to be maintained and updated, other job profiles also need to be
considered.
Finally, an integrated digital bank requires a complex IT-infrastructure, including software
and hardware components as well as IT services (see Figure 5).

Online Services

Services Support Services

Integration Services

Software Development
Digital Infrastructure Software/ Media
Digital Content

End-User Equipment

Hardware IT-Equipment

Hardware Components

Figure 5: Digital Infrastructure


(Source: Sabbagh et al. 2013, p. 41)

To provide, maintain and develop this digital infrastructure is one of management´s


foremost responsibilities.

4. Conclusion
The current literature on the effects of digitalization is highly controversial. Whilst some
authors praise the possibilities that are offered by digital technologies, others fear the end
of human labour. Although the effects of digitalization on the economy cannot finally be
assessed yet, the preceding analysis of banking services provided valuable insights.
First, services in the digital service economy challenge our traditional understanding of
service. Thus, it became apparent that traditional service concepts like IHIP fail to
integrate the requirements of digital services. Since digitalization is the result of an
intertwining of digital technologies and banking services comprise a variety of distinct

Digitalization in the Service Economy ± The Case of Banking Services 479

service types, the effects of digitalization on banking services are manifold. While
digitalization offers a high potential for reducing operational cost, it also lowers market
entry barriers for competitors. Additionally, the effects of digitalization change the
underlying assumptions of professional services and with this will potentially change a
whole business model.
Second, the effects of digitalization lead to a repositioning of banking services in the
service matrix. Several structural implications result from this change including
significant impacts on the workforce and challenges for the future alignment of branch
networks. Furthermore, the repositioning of services holds major challenges for managing
banking services including structural changes in HRM activities and the development and
maintenance of a complex digital infrastructure.
Considering these impacts, traditional banking faces a profound cultural change. Several
banking services will be facilitated fully automated, some may even disappear.
Furthermore, individual customer demands become more important and customers will be
offered more channels for interaction and transaction. The ability to adopt new business
models and the speed of innovation are important features considering the development of
a digital bank. If banks address these challenges and seize the opportunities of
digitalization, they may benefit not only by increasing their lead over competitors, but also
from an enhanced customer loyalty.

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Oliver Thomas, Friedemann Kammler, Deniz Özcan und
Michael Fellmann

Digitale Plattformstrategien als Treiber der


Dienstleistungsflexibilisierung im
Maschinen- und Anlagenbau

1. Dienstleistungen im Maschinen- und Anlagenbau

2. Integrierte Dienstleistungen als Wertschöpfungskonzept für das


digitale Zeitalter

3. Plattformstrategien: Höhere Flexibilität bei sinkenden Kosten?

4. Konzeption einer branchenunabhängigen Smart Service-Plattform

5. Herausforderungen im Maschinen- und Anlagenbau

6. Diskussion und Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

___________________________
Prof. Dr. Oliver Thomas ist Inhaber des Lehrstuhls für Informationsmanagement und
Wirtschaftsinformatik der Universität Osnabrück. Friedemann Kammler ist
wissenschaftlicher Mitarbeiter am dortigen Lehrstuhl. Dr. Deniz Özcan ist Projekt-
managerin im Facility Management bei der Piepenbrock Service GmbH+Co. KG. Prof.
Dr. Michael Fellmann ist Juniorprofessor für Wirtschaftsinformatik an der Universität
Rostock.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017


M. Bruhn und K. Hadwich (Hrsg.), Dienstleistungen 4.0,
DOI 10.1007/978-3-658-17552-8_20
1. Dienstleistungen im Maschinen- und Anlagenbau
Der deutsche Maschinen- und Anlagenbau stellt mit über 6.300 Unternehmen und mehr
als einer Mio. Beschäftigten den größten industriellen Arbeitgeber im Jahre 2015 dar. Mit
einem Anstieg der Maschinenbauproduktion um 24 Prozent in den vergangenen drei Jah-
ren wird der Maschinen- und Anlagenbau mit seinem fertigungstechnischen Know-how
auch in den kommenden Jahren einen maßgeblichen Beitrag zur Wirtschaftsentwicklung
leisten: der zukunftssicheren Energieversorgung, der Energieeffizienz in der Produktion
und notwendigen, effizienteren Produkten und Dienstleistungen, der umweltschonenden
Mobilität sowie dem sparsamen Ressourceneinsatz (VDMA 2016). Neben industriell ge-
fertigten Produkten sind in diesem Wirtschaftszweig industrielle Dienstleistungen von
großer Bedeutung. Ein Großteil dieser Dienstleistungen stellen Vorleistungen für das pro-
duzierende Gewerbe dar, wobei das verarbeitende Gewerbe die größte Nachfrage an un-
ternehmensnahen Dienstleistungen stellt (Edler 2013). Dies resultiert daraus, dass sich
Anbieter von Maschinen und Anlagen in den letzten Jahren von reinen Produzenten zum
dienstleistenden Produzenten und weiter noch, zu produzierenden Dienstleistern entwi-
ckelt haben. Die Ursache hierfür ist darin zu sehen, dass Kunden zunehmend nach inte-
grierten Lösungen verlangen, die ihren individuellen Bedürfnissen gerecht werden
(Thomas et al. 2010). Auf diese Weise werden herkömmliche Produkte zu kundenorien-
tierten Problemlösungen, die Maschinen- und Anlagenbauern zugleich die Möglichkeit
zur Differenzierung im Wettbewerb geben.
Die Schnittstelle der industriellen Dienstleistung zum Kunden stellt der Technische Kun-
dendienst (TKD) dar. In der Nutzungsphase einer Sachleistung erhält dieser fortlaufend
die Leistungsfähigkeit der Maschinen und Anlagen und sichert so die Investitionen über
den gesamten Produktlebenszyklus ab (Harms 1999). Im Regelfall geht über die Hälfte
des Gesamtumsatzes und meist ein noch größerer Teil der Rentabilität auf diese produkt-
begleitenden Dienstleistungen des TKD zurück. Zu den klassischen Aufgaben des Ser-
vicetechnikers, als einem der wesentlichen Akteure des TKD, zählen Instandhaltungs- so-
wie Wartungstätigkeiten, die vor Ort beim Kunden am Serviceobjekt ausgeführt werden.
Im gegenwärtigen Ausgangsszenario des Maschinen- und Anlagenbaus konzentrieren sich
etablierte Geschäftsmodelle auf klassische Geschäftsbeziehungen zwischen dem Erbrin-
ger der Leistung (sowohl Gut als auch Dienstleistung) und dessen Kunden. Für die deut-
sche Industrie und den gesamten Wirtschaftsstandort können Dienstleistungen, insbeson-
dere die durch den TKD erbrachten industriellen Dienstleistungen als unerlässlich für
diesen Branchenzweig betrachtet werden. Mit der zunehmenden Digitalisierung und Au-
tomatisierung von Arbeitsabläufen im Rahmen der ÄIndustrie ³-Bewegung (Bauern-
hansl et al. 2014) stellt sich daher die Herausforderung, Digitalisierung auch in dieser Do-
mäne voranzutreiben. Die im Rahmen des ÄAktionsplans Dienstleistung ³
veröffentlichte Bekanntmachung der Bundesregierung ÄDienstleistungsinnovation durch
484 Oliver Thomas, Friedemann Kammler, Deniz Özcan und Michael Fellmann

Digitalisierung³unterstreicht dies und fordert sowohl die Überarbeitung alter Geschäfts-


modelle als auch die Erschließung neuer Wertschöpfungskonzepte für den deutschen
Wirtschaftsstandort. In diesem Zuge entwickelt sich zunehmend ein Paradigmenwechsel
der Arbeitsorganisation, in welcher die Mensch-Technik-Interaktion eine grundlegende
Voraussetzung für den gegenwärtigen und zukünftigen Arbeitsplatz darstellt.
Für einen Großteil des technischen Kundendienstes im Maschinen- und Anlagenbau zeich-
net sich jedoch aktuell ein anderes Bild ab, das von aktuellen Industrie-4.0-Entwicklungen
und der Digitalisierung auf Basis von Sensoren oder ÄWearables³ weit entfernt ist. Nach
wie vor erfolgt die Dokumentation zumeist papierbasiert, es herrscht ein diversifizierter
Markt der Service-Management-Systeme und der Einsatz neuer Technologien zur Unter-
stützung der Dienstleistungserbringung hat sich bislang nicht etabliert, sodass Wertschöp-
fungspotenziale nicht realisiert werden. Ferner wird der Kunde nicht in den Wertschöp-
fungsprozess integriert, obwohl die Kundenintegration und verstärkte Kooperation zu
einer erhöhten Kundenbindung und positiven Markenwahrnehmung führen kann
(Oguachuba 2008). Aufgrund komplexer Serviceobjekte und fehlender Expertise des Kun-
den ist dieser nicht in der Lage, technische Services selbst auszuführen, sodass das per-
sönliche Erscheinen eines Technikers zur Ausführung von z. T. gängigen manuellen Tä-
tigkeiten erforderlich ist. Dies bedarf im Vorfeld die Disposition und Anfahrt des
Servicetechnikers, was zum einen einen Preistreiber für die Gesamtleistung darstellt und
zum anderen einen organisatorischen und zeitlichen Aufwand sowohl seitens des Ser-
viceerbringers als auch auf Seite des Endkunden verursacht. So wächst die Tendenz des
Kunden zu Maßnahmen wie dem ÄSelf-Service³ um insbesondere klassische und unkom-
plizierte Dienstleistungen autark und zeitlich flexibel mit Hilfe von so genannten Self-
Service-Technologien (SST) durchzuführen.
Technologien, die den Self-Service unterstützen und eine Kundenintegration in den Wert-
schöpfungsprozess ermöglichen, werden aktuell bereits diskutiert (Thomas et al. 2016a).
Dabei erfolgt die Entwicklung und Realisierung einer digitalen Infrastruktur, welche ak-
tuelle Trends der Digitalisierung, wie z. B. die Loslösung von speziellen Technologien
und die Integration verschiedenster Informationsquellen im Sinne von Transformations-
möglichkeiten für die Dienstleistung, berücksichtigt und in eine Service-Plattform zusam-
mengefügt. Das Zentrum aktueller Diskussionen bildet die durch Digitalisierung ermög-
lichte Integration des Kunden in die Dienstleistungserbringung. In Abgrenzung zum
inzwischen in der Branche etablierten hybriden Leistungsbündel, das eine Serviceerbrin-
gung nach Maßgabe des leistenden Unternehmens vorsieht (Thomas et al. 2010), eröffnet
die Digitalisierung auf diese Weise neue Wege zur Anpassung an Kundenbedürfnisse. Das
entstehende Innovationspotenzial eröffnet Unternehmen die Möglichkeit, Individuallö-
sungen für den Kunden unter der Maßgabe einer beherrschbaren Herausforderung zu ent-
wickeln. Um diese Potenziale zu erschließen, ist zum einen die funktionsorientierte Zer-
teilung der Services in Module und zum anderen die Bereitstellung einer
Dienstleistungsplattform erforderlich, die als Träger dient. Neben der generellen Entwick-
lung der Service-Plattform besteht dabei der Anspruch, die marktkonforme Etablierung
einer Plattformstrategie zur kundeninduzierten Servicekonfiguration (Stauss 2003) umzu-
setzen, die branchenübergreifend sowie technologieunabhängig genutzt werden kann. Mit
Digitale Plattformstrategien als Treiber der Dienstleistungsflexibilisierung 485

Fokus auf die Digitalisierung technischer Kundendienstleistungen unter Einbezug neues-


ter Technologien erfolgt die Gestaltung neuer Geschäftsmodelle für Plattformbetreiber
und Plattformnutzer daher gleichermaßen, ebenso wie die Entwicklung innovativer Ser-
vicekonzepte für Anbieter technischer Kundendienstleistungen.

2. Integrierte Dienstleistungen als Wertschöpfungs-


konzept für das digitale Zeitalter
Der technologische Fortschritt in der industriellen Produktion und die zunehmende Digi-
talisierung der Produktionsprozesse, wie sie im Kontext der viel diskutierten Industrie 4.0
anzutreffen ist, erfordert ein abgestimmtes Zusammenwirken von Produkt und Dienstleis-
tung (Mei et al. 2014). Ein vernetztes Produkt im Sinne des Internet of Things beansprucht
daher eine nahtlose Integration beteiligter Dienste, um mit allen Funktionalitäten nutzbar
zu sein (Arbeitskreis Smart Service Welt/acatech 2015). Dies führt zu einem Paradigmen-
wechsel im klassischen produzierenden Gewerbe, indem Hersteller zunehmend Dienst-
leistungen in ihr Portfolio integrieren, um sich auf dem Markt sowohl von nationalen als
auch internationalen Wettbewerbern abzugrenzen (Opresnik et al. 2013). Solche produkt-
begleitenden Dienstleistungen werden im Maschinen- und Anlagenbau zusammen mit
technischen Sachleistungen als hybride Produkte, Product-Service-Systems (PSS), hyb-
ride Leistungsbündel oder produktbegleitende Dienstleistungen bezeichnet und als zent-
rale Komponente der Wertschöpfung angesehen. Dies kann anhand des steigenden Anteils
von Dienstleistungen am Umsatz und Ertrag von Unternehmen belegt werden, der heute
oftmals bei über 50 Prozent dieser Kenngrößen liegt. Die gestiegene Relevanz von Dienst-
leistungen im produzierenden Gewerbe resultiert neben dem Streben der Hersteller nach
Differenzierungsmöglichkeiten aus weiteren Faktoren, die innerhalb der letzten zwei De-
kaden als Argumente zur Vertiefung der Forschungsbemühungen genutzt wurden (Böh-
mann/Krcmar 2007; Knackstedt et al. 2008; Leimeister/Glauner 2008). Insbesondere
möchten Kunden das hybride Produkt als ganzheitliche Lösung für ihre Bedürfnisse be-
ziehen (Steven/Wasmuth 2006). Die resultierende Entwicklung, konventionelle Produkte
um Dienstleistungen zu erweitern und miteinander zu kombinieren und somit einen Mehr-
wert für den Kunden zu schaffen, wird unter dem Begriff Servitization zusammengefasst
(Baines et al. 2009). Zielstellung der Servitization ist es, den Wert der Teilleistungen mit
dem Gesamtwert der integrierten Dienstleistung zu übersteigen (Johansson et al. 2003).
Es beschreibt damit den strategischen Wandel vom reinen Sachgüterhersteller hin zum
Lösungsanbieter mit individuellen Kundendienstleistungen.
Im Zusammenhang mit Servitization werden in der wissenschaftlichen Literatur ebenfalls
die Begriffe Co-Produktion und Co-Kreation diskutiert. Kundenpartizipation stellt in der
Service-Domäne einen Faktor von zentraler Bedeutung dar, da Erbringung und Konsum
eines Service nicht getrennt werden können und der Kunde somit zumindest passiv als
Stakeholder beteiligt ist (Ordanini/Pasini 2008). Vor diesem Hintergrund wird mit dem
486 Oliver Thomas, Friedemann Kammler, Deniz Özcan und Michael Fellmann

Begriff Co-Kreation die Geschäftsstrategie bezeichnet, bei der Hersteller und Kunde ge-
meinschaftlich an der Wertschöpfung (ÄValue Creation³) beteiligt sind. Hiermit soll es
dem Kunden ermöglicht werden, sich in die Produkt- und Dienstleistungsgestaltung aktiv
einzubringen und diese so besser an die eigenen Bedürfnisse anzupassen (Prahalad/Ra-
maswamy 2004). Mit dieser Sichtweise auf die Wertschöpfung ändern sich die Geschäfts-
verbindungen von einer eher passiven Produzent-Konsument-Beziehung hin zu einer ak-
tiven Interaktion zwischen beiden Partnern. Diese erfordert jedoch einen intensiven
Dialog, erhöhte Transparenz und Zugriffsmöglichkeiten auf Information. Hieraus können
Risikovorteile und Geschäftspotenziale für beide Seiten entstehen (Prahalad/Ramaswamy
2004).

3. Plattformstrategien: Höhere Flexibilität bei


sinkenden Kosten?
Intelligent vernetzte Produkte und internetbasierte Dienste halten, getrieben von neuen
Geschäftsstrategien, zunehmend Einzug in den Industriezweig, was Produzenten aus dem
verarbeitenden Gewerbe dazu bewegt, sich mit innovativen Konzepten zum Erhalt ihrer
Wettbewerbsfähigkeit auseinanderzusetzen (Bitkom e.V. et al. 2015). Diese PSS-Anbieter
sehen dabei in der Prozessdigitalisierung einen ersten Ansatz zur Flexibilisierung und Au-
tomatisierung ihrer Geschäftsmodelle. Mit Hilfe digitalisierter bzw. digital unterstützter
Prozesse sollen schnellere Reaktionszeiten bei geringeren Kosten erreicht werden, die ins-
besondere im Hinblick auf mögliche Produktionsausfälle zur Wertschöpfungssteigerung
beitragen sollen (Thomas et al. 2014). Dabei führen technologische Entwicklungen zu ei-
ner immer stärkeren Vernetzung und Integration der physischen und digitalen Welt. Ge-
rade für PSS-Anbieter, die die gesamtheitliche Verknüpfung ihrer Produkte und Dienst-
leistungen anstreben, stellen solche, intelligent vernetzten Systeme eine neue
Entwicklungsstufe hinsichtlich der Unterstützung gesamter Lebenszyklen und Wertschöp-
fungsketten dar.
Die so entstehenden Geschäftsmodelle fordern die höhere Integration von Kunden und
Geschäftspartnern in die Wertschöpfungsprozesse als wesentlichen Bestandteil für die
Durchführung von Unternehmensaktivitäten. Hieraus leiten sich die Notwendigkeit eines
flexiblen Unterstützungssystems ab, dass produktbezogene Dienstleistungen individuell
und über den gesamten Lebenszyklus unterstützen kann. Service-Portale (Bamberger
2004) und Plattformstrategien im Service Engineering (Stauss 2003) begegnen dieser
zentrierten Rolle des Kunden und dem Wandel hin zur kundeninduzierten Orchestrierung
von Dienstleistungen (Winter et al. 2012). Bisher erhält die Forschung im Feld der Dienst-
leistungsplattformen eine zunehmende, jedoch noch beschränkte Aufmerksamkeit.
9RVV¶'HILQLWLRQIROJHQGZLUGXQWHUGHPJHQHUHOOHQ3ODWWIRUPEHJULIIdie Organisation von
unabhängigen Komponenten und ihrer Schnittstellen verstanden. Dabei finden Plattfor-
Digitale Plattformstrategien als Treiber der Dienstleistungsflexibilisierung 487

men primär in Produktarchitekturen Anwendung und sind dort mittlerweile als weit ver-
breitet anzusehen. Analog zu den Entwicklungen des Produktsektors lassen sich Plattfor-
men aber auch auf die Dienstleistungsarchitektur übertragen (Voss/Hsuan 2009). Pekka-
rinen und Ulkuniemi (2008) beschreiben die Service-Plattform anhand einer Unterteilung
LQGLHYLHU'LPHQVLRQHQÄ'LHQVWOHLVWXQJ³Ä3UR]HVV³Ä2UJDQLVDWLRQ³XQGÄ.XQGHQVFKQLWW
VWHOOH³0LWKLOIHGHV3ODWWIRUPDQVDW]HVVROOaus diesen Perspektiven eine Flexibilisierung
durch die Modularisierung der Dienstleistungen begonnen und so ein effektiver Mehrwert
erlangt werden. Meyer und de Tore (2001) zeigen beispielhaft den Nutzen von Service-
Plattformen bei der systematischen Entwicklung von Dienstleistungen auf. Dabei dient die
Plattform der nahtlosen Integration der durch den Kunden ausgewählten Servicemodule,
sodass die Wahrnehmung durch den Kunden einer individuell zugeschnittenen Dienstleis-
tung entspricht. Der offensichtliche Nutzen für das anbietende Unternehmen liegt in der
gesteigerten Flexibilität und Reaktionsfähigkeit gegenüber sich ändernder Kundenanfor-
derungen. Die Dekomposition der Dienstleistungen trägt auch zur besseren Beherrschbar-
keit der Komplexität bei, da Servicemodule einzeln überwacht und verbessert werden kön-
nen. Verschiedene Autoren argumentieren auf dieser Grundlage, dass bereits bestehende
Dienstleistungsmodule der Plattform zur Steigerung von Kosteneffizienz und Flexibilität
bei der Entwicklung weiterer Module beitragen (Pekkarinen/Ulkuniemi 2008; Lin et al.
2010) und insgesamt die Servicequalität gesteigert werden kann (Rahikka et al. 2011). Mit
der Bereitstellung einer Service-Plattform und Servicemodulen geht jedoch ebenso die
Notwendigkeit nach Standardisierung im Sinne einer zweckmäßigen Vereinheitlichung
von Dienstleistungen einher (Stauss 2006), die es im Zuge einer Plattformentwicklung zu
berücksichtigen gilt.
Mit der Zielsetzung, zum anderen interne Flexibilität in der Dienstleistungsgestaltung zu
erreichen und zum anderen individualisierten Kundenwünschen gerecht zu werden stellen
Service-Plattformen schlussfolgernd eine Schlüsselrolle für die Kundenintegration und
wertschöpfungsübergreifende Kooperation im Maschinen- und Anlagenbau dar.

4. Konzeption einer branchenunabhängigen Smart


Service-Plattform
Die Gestaltung einer Plattform für das Management und die Unterstützung von integrier-
ten Dienstleistungen hat gerade vor dem Hintergrund aktueller technischer Entwicklungen
weitreichende Implikationen. Mit den aktuell diskutierten, intelligenten Dienstleistungen
(so genannten Smart Services) erfolgt die Realisierung von Effizienz- und Wertschöp-
fungspotenzialen auf Basis internetbasierter Dienste, die erst durch die Digitalisierung,
Virtualisierung und Vernetzung von Produkten ermöglicht werden (Arbeitskreis Smart
Service Welt/acatech 2015). Smart Services grenzen sich von der klassischen Dienstleis-
tung durch die grundsätzliche Fähigkeit ab, äußere Umstände zu identifizieren, auf diese
zu reagieren und dadurch zum nachhaltigen Umgang mit ihren Ressourcen beizutragen
488 Oliver Thomas, Friedemann Kammler, Deniz Özcan und Michael Fellmann

(Barile und Polese 2010). Erste Ansätze diskutieren darauf aufbauend die kontextindivi-
duelle Anpassung von Dienstleistungen vom Geschäftsmodell bis hin zur Abfolge einzel-
ner Prozessschritte, um eine effizientere Leistungserbringung zu erzielen. Hierfür ist eine
enge Verzahnung von Produkt, Dienstleistung und IT erforderlich, um Kontextsensitivität
über den Zustand von Produkt und Dienstleistung herzustellen. Gleichzeitig muss aber
auch die Flexibilität in beiden Komponenten hergestellt werden, um auf den Kontext rea-
gieren und die Konfiguration der konkreten Leistungserbringung automatisiert durchfüh-
ren zu können. Im Fokus steht also nicht länger nur die Entwicklung und Erbringung von
produktbegleitenden Dienstleistungen. Viel mehr rückt die Integration beider Komponen-
ten (Produkt und Dienstleistung) in ein technologiegestütztes Gesamtsystem in den Mit-
telpunkt der Betrachtungen. Informationstechnologie dient dabei gewissermaßen als In-
tegrator beider Komponenten, der im ersten Schritt die grundsätzliche Vernetzung,
darüber hinaus aber auch als Grundlage für kontextspezifische Anpassungen an dem Pro-
dukt und der Dienstleistung ermöglicht (Thomas et al. 2016b).
Zur Umsetzung der Smart Services auf einer Plattform gilt es, über die Erzeugung von
generisch-wiederverwendbaren Modulkatalogen hinaus Freiheitsgrade für den Kunden zu
erschließen. Dabei müssen Dienstleistungen flexibel gegenüber den Anforderungen des
Kunden sein, ihn ins Zentrum der individuellen Erbringung der Dienstleistungen rücken
und als Resultat neue Wertschöpfungspotenziale erschließen. Ziel ist es daher, eine ÄLQWH
JULHUWHXQGLQWHOOLJHQWH³Smart Service-Plattform zu schaffen. Die Plattform muss dafür
zwei Kernziele erfüllen, die nachfolgend erläutert werden:

Kundeninduzierte Konfiguration vernetzter Servicemodule


Der Kunde rückt in den Mittelpunkt des Wertschöpfungsprozesses und kann sich das zu
seinen Bedürfnissen passende Service-Portfolio selbst zusammenstellen. Die Services
sind dabei variabel in der Beteiligung von Herstellern und Kunden in der Dienstleistungs-
erbringung. So kann beispielsweise ein Kunde mit großem internen Fachwissen dieses in
die Durchführung mit einbringen und so Zeit- und Kostenvorteile erzielen, während ein
DQGHUHU.XQGHHKHUDXIGLHÄFull-6HUYLFH³-Unterstützung durch den Hersteller setzt. Die
einzelnen Servicemodule variieren also in Umfang und Intensität der Arbeitsteilung und
Kooperation zwischen Hersteller und Kunde. Darüber hinaus ist es Ziel der Smart Service-
Plattform, die Kooperation zwischen Kunden untereinander (Customer to Customer) zu
stärken, um einen Wissensvorteil im gesamten Wertschöpfungsnetzwerk des Herstellers
zu erzielen. Dieses Wissen trägt durch die Rückkopplung auf die Plattforminfrastruktur
zur Flexibilisierung bei, da Probleme unter Umständen unbürokratisch durch Kontakt der
Kunden untereinander gelöst werden können. In einer Erweiterungsstufe kann die kun-
deninduzierte Konfiguration auch Drittdienstleistern das Einbinden ihrer Servicemodule
ermöglichen, um eine schnellere globale Bewältigung von Servicefällen zu erreichen.
Digitale Plattformstrategien als Treiber der Dienstleistungsflexibilisierung 489

Dynamische Prozessdatenbasis
Die Orientierung der Smart Service-Module an den zugrundliegenden Dienstleistungspro-
zessen ist für die skizzierten Funktionen der Plattform unerlässlich, denn die Kontextsen-
sitivität der Dienstleistung ergibt sich nur zum Teil aus der Beobachtung der gegenwärti-
gen Situation. Darüber hinaus ist daher auch eine Verortung im Gesamtzusammenhang
notwendig, um dem Hauptakteur im Dienstleistungsprozess, sei es ein Servicetechniker
oder der Kunde selbst, die richtigen Funktionen für die anstehende Aufgabe zur Verfügung
zu stellen. Aufgrund der unterschiedlichen Handlungsfelder, der persönlichen Präferenzen
der wechselnden Akteure und der rasanten technischen Entwicklung ist nicht zu vernach-
lässigen, dass eine solche Prozessführung konsistent über verschiedene Geräteklassen und
Betriebssysteme hinweg realisiert werden muss. Instandhaltungsprozesse sollen daher im
Kern auf eine dynamische Prozessführung zurückgreifen, die auf modernen Informations-
technologien wie Smartphones, Tablets, Datenbrillen und Datenuhren abgebildet wird.
Ein dynamischer Einstieg in Teilprozesse erfolgt mittels der Zuordnung von individuellen
Sensorikmustern zu konkreten Dienstleistungsschritten. Eine Lernfunktion soll darüber
hinaus die kontinuierliche Aktualisierung des Prozesswissens und die Herausbildung von
ÄBest Practices³ unterstützen, die auf der Plattform verbreitet werden.
Die Umsetzung dieser beiden Kernziele erfordert die weitgehende Integration neuer Tech-
nologien mit bestehenden betrieblichen Informationssystemen. Die daraus ableitbare Ar-
chitektur der Smart Service-Plattform ist dreigeteilt und stellt im unteren Segment Schnitt-
stellen zu betrieblicher Standardsoftware wie ERP- oder CRM-Systemen sowie zu
Serviceobjekten (im Fall eines PSS-Anbieters, dem Produkt) dar. Diese werden benötigt,
um servicerelevante Basisinformationen, wie beispielsweise die Produkttypen am Einsatz-
ort oder bisherige Maschinenhistorien, abzurufen und dem Hauptakteur zur Dienstleis-
tungserbringung bereitzustellen. Kernprinzip dieses Lösungsansatzes LVWGLHÄLQWHOOLJHQWH³
Service-Plattform, die kontextspezifische Informationen dynamisch verknüpft und als
Schnittstelle zwischen allen Akteuren der Dienstleistung fungiert. Von zentraler Bedeu-
tung ist die intelligente Schnittstelle zwischen Produkt, Dienstleistung und IT, die auf
Grundlage der kundeninduzierten Servicemodulkonfiguration, der dynamischen Prozess-
führung und der Datenanalysefunktion den Nexus der Smart Service-Plattform bildet.
Diese Kernkomponenten greifen mittels Sensorik und Aktuatorik auf die Serviceobjekte
sowie mittels Import- und Exportmodulen auf die Datenbasis der betrieblichen Standard-
software zurück. Insbesondere die dynamische Prozessführung wird in technischer Hin-
sicht durch den Rückgriff auf Ansätzen aus dem Bereich des Adaptive Case Managements
(Motahari-Nezhad/Swenson 2013) realisiert. Abbildung 1 zeigt die Gesamtarchitektur.
490 Oliver Thomas, Friedemann Kammler, Deniz Özcan und Michael Fellmann

Smart Service-
Plattform
Browser Mobile Devices Wearable Devices

Geräteunabhängiger Zugriff
Smart Service-Kern

Dynamische
Kundeninduzierte Servicemodul-Konfiguration
Prozess- Smart
Kundenintegration
führung Data
Niedrig Hoch
(Adaptive Case Analytics
Hersteller-Services Self-Services C2C Collaboration Management)

Datenaufbereitung und -integration Datenbasis

Sensorik und Aktuatorik (Industrie 4.0) Import/Export-Modul

ERP- CRM- Weitere


Maschinen Anlagen
System System Systeme

Serviceobjekte Anwendungssysteme

Abbildung 1: Smart Service-Plattform

Die Nutzerschnittstelle stellt eine Portalsoftware dar, die auf allen Endgerätetypen gleich-
ermaßen umgesetzt wird. Zum Zugriff auf diese dienen etablierte Softwareinstrumente
wie etwa der Webbrowser oder mobile $QZHQGXQJHQ Ä$SSV³ . Zusätzlich müssen die
Inhalte auch für neuarWLJH7HFKQRORJLHQZLHÄ:HDUDEOHV³YHUIJEDUJHPDFKW werden, um
beispielsweise die bereits angesprochenen bimanuellen Tätigkeiten bestmöglich zu unter-
stützen. Eine verbesserte Integration des Kunden und dessen technischer Anlagen wird
zudem durch die Anbindung neuer Sensorik- und Aktuatorik-Komponenten aus dem In-
dustrie 4.0-Umfeld erreicht. Perspektivisch muss auch die Möglichkeit untersucht werden,
ferngesteuerte Flugdrohnen zur Verbesserung der Logistik (z. B. zur schnellen Lieferung
kritischer Ersatzteile) und zur Wartung von schwer zugänglichen Serviceobjekten an das
Portal anzubinden, da diese Möglichkeit bereits gegenwärtig diskutiert wird (Stich 2013).

5. Herausforderungen im Maschinen- und Anlagenbau


Wie in den vorausgegangenen Abschnitten gezeigt wurde, erfordert die Entwicklung einer
branchenübergreifenden Smart Service-Plattform gleichermaßen Umsetzungsschritte auf
Dienstleistungs- wie auch auf Technologieebene. Der nachfolgende Abschnitt skizziert
Digitale Plattformstrategien als Treiber der Dienstleistungsflexibilisierung 491

die wesentlichen Arbeitsschritte zur Erarbeitung. Dabei wird insbesondere darauf einge-
gangen, wie eine verstärkte Integration der Akteure in den Serviceprozess stattfinden und
Kooperation zwischen diesen etabliert werden kann und über welche technischen Kanäle
Kundendienstleistungen bereitgestellt werden müssen.

Dienstleistungsperspektive
Für die Entwicklung der Smart Service-Plattform spielt die Flexibilisierung der Dienst-
leistungsmodelle und das dafür erforderliche, aktive Abbauen von Unsicherheiten bei den
flexibilisierenden Unternehmen eine zentrale Rolle. Hier müssen vor allem die Chancen
verdeutlicht werden, die sich durch die integrierte Bereitstellung der herstellerübergrei-
fenden Servicemodule ergeben, insbesondere im Hinblick auf innovative Geschäfts- und
Kooperationsmöglichkeiten. Der Bereich der Kooperationsmodelle stellt dabei weitrei-
chende Potenziale in Aussicht. Denn die Entwicklung einer Dienstleistung, die auf Ser-
viceobjekte verschiedener Hersteller anwendbar ist, wie auch die Entwicklung mehrerer
Dienstleistungen durch unterschiedliche Anbieter, die aber ein gemeinsames Serviceob-
jekt betreffen, verkörpern langfristig wertschöpfende Synergiemöglichkeiten, deren Er-
schließung eine Produktivitätssteigerung bei gleichzeitig schwerer Imitierbarkeit der inte-
grierten Dienstleistung verspricht. Für derartige Konzepte wird jedoch eine weitreichende
herstellerübergreifende Bereitstellung servicerelevanter Information erforderlich. Zu die-
sem Zweck muss ein Kooperationsmodell entwickelt werden, in das die Daten und Anfor-
derungen aller Akteure integriert sind. Neben Kooperations- und Geschäftsmodellen die
die Hersteller-Kunde-Beziehung fokussieren muss auch das Modell eines Portalbetreiben-
den untersucht werden, das insbesondere Abrechnungs- und Finanzierungsmodelle zwi-
schen Herstellern, Dienstleistern, Kunden und dem Portalbetreibenden selbst ermöglicht.
Um branchenübergreifend die standardisierte Entwicklung von Service-Plattformen und
damit die möglichst nahtlose Kombination unterschiedlicher Servicemodule sicherzustel-
len, muss darüber hinaus ein Referenzmodell zur Konzeption und Implementierung aller
Konstrukte entwickelt werden. So sollte neben der ersten Umsetzung und Erprobung der
Smart Service-Plattform die fundierte Entwicklung einer Beschreibungs- und Repräsenta-
tionsmethodik vorangetrieben werden. Kern dieser Methodik ist ein Konzept zur Ausfüh-
rung der Kundendienstleistungen durch wechselnde Akteure sowie deren endgeräteunab-
hängigen Steuerung und Unterstützung.

Technologieperspektive
Zur ersten Umsetzung ist auf Basis der entwickelten Beschreibungs- und Repräsentations-
methodik ein IT-Konzept für die Smart Service-Plattform zu entwickeln. Kern des Kon-
zepts ist die technologiebezogene Definition der Umsetzung. Dabei ist insbesondere den
unterschiedlichen Arbeitswelten der Akteure Rechnung zu tragen. So unterscheiden sich
beispielsweise die technischen Grundvoraussetzungen eines Sachbearbeiters, der auf eine
eher detailreiche Darstellung an einem Desktop-Computer zurückgreift, von der eines Ser-
492 Oliver Thomas, Friedemann Kammler, Deniz Özcan und Michael Fellmann

vicetechnikers, der bimanuelle Tätigkeiten ausführt und deshalb auf eine schlanke Integra-
tion der notwendigen Information (beispielsweise per Tablet oder Wearable) in seinen Ar-
beitsablauf angewiesen ist. Das IT-Konzept definiert neben der Frage der Endgeräte-Platt-
form die Organisation und Umsetzung von Datenobjekten innerhalb der Smart Service-
Plattform.
Mit der Erarbeitung des IT-Konzepts steigt die Notwendigkeit der Definition der Schnitt-
stellen zwischen der Plattform und externen Echtzeit-Datenquellen die durch Integration
der Sensorik und Aktuatorik mittels eines Import-/Export-Moduls angebunden werden
müssen. Darüber hinaus sind die Anforderungen zur Anbindung an betriebliche Standard-
software wie ERP- und CRM-Systemen zu definieren, um die Integration von bestehenden
Informationsobjekten in die Smart Service-Plattform zu gewährleisten.

6. Diskussion und Zusammenfassung


Das Smart Service-Plattformkonzept ermöglicht eine vollständige und konsequente Kun-
denzentrierung in der Erbringung technischer Kundendienstleistungen durch deren tech-
nologiebasierte Reorganisation. In ökonomischer Hinsicht werden dabei neue Geschäfts-
modelle und Wertschöpfungspotenziale durch die Zusammenarbeit aller Akteure
ermöglicht. Diese versprechen die Möglichkeit, die Position von Unternehmen mit globa-
ler Produktsichtbarkeit aber geringer Servicereichweite durch Kundenintegration zu festi-
gen bzw. auszubauen. Neuartige Entwicklungen wie Wearables und Sensoren werden in
die standardisierten Services eingebettet, um technische Möglichkeiten voll auszuschöp-
fen, hierdurch Innovationspotenziale zu erschließen und Erkenntnisse über die Anwen-
dung und wirtschaftliche Verwertung dieser Technologien zu sammeln.
Neue Erkenntnisse sind auch bezüglich der Dynamisierung der Prozessführung zu erwar-
ten. Erstmals sollen lernfähige Ansätze aus dem Bereich des Adaptive Case Managements
in den technischen Kundendienst eingebracht werden und mit den Möglichkeiten neuer
Endgeräte kombiniert werden. Der Neuheitsgrad liegt hier vor allem in Erkenntnissen, die
sich auf den Einsatz dieser Konzepte im Kontext kleiner und mittelständischer Unterneh-
men beziehen und die zu Wettbewerbsvorteilen im internationalen Markt führen sollen
sowie in der konkreten Abbildung von Prozessen als sich dynamisch entwickelnder Wis-
sensbasis von Unternehmen. Über diese beiden zentralen Aspekte hinaus besteht ein wei-
teres Innovationspotenzial durch den mit der Plattform möglichen Rückfluss von Infor-
mation aus dem operativen Kundendiensteinsatz in die Produktentwicklung, um somit die
Entwicklung serviceeffizienter Produkte zu erleichtern. Somit kann das bisher ungenutzte
Potenzial des technischen Kundendienstes zur Entwicklung innovativer und serviceeffizi-
enter Produkte erschlossen werden.
Digitale Plattformstrategien als Treiber der Dienstleistungsflexibilisierung 493

Schlussfolgernd stellt die Smart Service-Plattform vor dem Hintergrund aktueller For-
schungsarbeiten im Dienstleistungs- und Technologiefeld einen nächsten Entwicklungs-
schritt in Richtung hochgradig integrierter technologiebasierter Dienstleistungssysteme
dar.
Diesem Beitrag liegen Arbeiten des Forschungsprojekts smartTCS zugrunde. Das Vorha-
ben wird aktuell mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung in der
Förderlinie Dienstleistungsinnovation durch Digitalisierung unter dem Förderkennzei-
chen 01FJ15093 gefördert.

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André Schneider

Hochschule 4.0 ± Herausforderungen und


Perspektiven der Digitalisierung von
Bildungsdienstleistungen

1. Einleitung

2. Treiber der Digitalisierung auf die Hochschullehre

3. Herausforderungen und Potenziale der Digitalisierung


3.1 Herausforderungen der Digitalisierung der Lehre
3.2 Potenziale digitaler Bildungsangebote

4. Interaktive Wertschöpfung in der akademischen Bildung


4.1 Interaktive Wertschöpfung im digitalen Lehr-Lern-Prozess
4.2 Digitale Bildungsdienstleistungen als Wertangebote
4.3 Co-Kreation- und Interaktionskompetenz als Erfolgsfaktor

5. Fazit

Literaturverzeichnis

___________________________
Prof. André Schneider ist Professor für Corporate Sustainability Management und Sport-
management an der Fakultät Wirtschaftsingenieurwesen der Hochschule Mittweida.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017


M. Bruhn und K. Hadwich (Hrsg.), Dienstleistungen 4.0,
DOI 10.1007/978-3-658-17552-8_21
1. Einleitung
Die Digitalisierung von Hochschulen zählt zu einem der meist diskutierten Themen der
nationalen und internationalen Hochschulszene (Dräger et al. 2014, S. 5). Damit verbun-
den ist eine Entwicklung, die in den letzten beiden Jahrzehnten einen zuvor kaum vorstell-
baren weltweiten Zugang zu Informationen und Wissen ermöglichte (Bishof et al. 2013,
S. 1; Arnold et al. 2015, S. 13). Die Nutzung von Computer, Tablet, Smartphone und
Internet gehört heute zu unserem Alltag. Insbesondere die digitalen Technologien in Ver-
bindung mit der nahezu ubiquitären Möglichkeit sich allerorts über das Internet mit der
Welt vernetzen zu können, haben auch den Bildungsbereich tiefgreifend verändert (Ebner
et al. 2013; Fößl 2014). Die Digitalisierung der Bildung kann einen wesentlichen Beitrag
leisten, ganzheitliches, kreatives, situatives und produktives Lehren und Lernen in selbst
organisierten, kooperativen und kollaborativen Bildungsprozessen zu unterstützen
(Arnold et al. 2015, S. 13).
Zu den Faktoren, die zu sehr dynamischen Aktivitäten in der Digitalisierung von Bildungs-
angeboten geführt haben, zählen neben den bereits genannten technischen Möglichkeiten
auch die Veränderungen der Gesellschaft und des Hochschulsystems (Peitz/Waldfogel
2012; Bischof/Stuckrad 2013). Als die gesellschaftlichen Treiber des Wandels gelten: die
veränderten Lerngewohnheiten der ÄDigital Natives³ als die neue Generation der Bil-
dungsteilnehmer (Prensky 2001; Guo et al. 2008; Margaryan et al. 2011), die zunehmende
Heterogenität und Diversität der Studierenden sowie die wachsende Bedeutung lebenslan-
gen Lernens (Bischof/Stuckrad 2013, S. 26ff.). Auf Seiten des Hochschulsystems zählen
zu den Push- und Pullfaktoren: Effizienzgewinne durch digitales Lernen und Entlastung
der Lehrenden durch Digitalisierung von Vorlesungen (Bowen 2012; Handke/Schäfer
2012), Erschließung neuer Einnahmequellen (Seyda/Werner 2012) sowie Potenziale für
das Hochschulmarketing (Bischof/Stuckrad 2013, S. 35; BWF 2014, S. 20).
Die Digitalisierung der Bildung bietet einerseits schnelle Wege zur Interaktion und Ko-
operation und eröffnet damit neue Möglichkeiten für die Entwicklung von Wirtschaft und
Gesellschaft, schafft andererseits aber auch neue Herausforderungen (Arnold et al. 2015,
S. 13).
Letztlich stellt sich die Frage, wie sich Bildungsdienstleitungen von Hochschulen unter
dem Einfluss der Digitalisierung zukünftig entwickeln werden. Daher beschäftigt sich der
Beitrag mit folgenden Leitfragen:
„ Wie verändert die Digitalisierung die Erbringung und Abwicklung von Bildungs-
dienstleistungen?
„ Welche Herausforderungen und Perspektiven ergeben sich durch die räumliche und
zeitliche Entkopplung der Erstellung und Nutzung von Bildungsdienstleistungen?
500 André Schneider

„ Was für strategische, servicedominante Kompetenzen müssen Hochschulen als An-


bieter digitaler Dienstleistungen zukünftig besitzen?

2. Treiber der Digitalisierung auf die Hochschullehre


Digitale Medien stellen inzwischen einen festen Bestandteil unseres Alltags dar und ver-
ändern zunehmend unser gesellschaftliches Zusammenleben mit weitreichenden Folgen
auf sozialer, wirtschaftlicher und politischer Ebene (Bischof/Stuckard 2013, S. 3; Arnold
et al. 2015, S. 13; HSFD 2015, S. 4). Für Hochschulen stellt die Digitalisierung einen
fundamentalen Wandlungsprozess dar, der bestehende Lehr-Lern-Konzepte, Rollenver-
ständnisse der Akteure sowie die Interaktion und Organisation in und um die akademi-
schen Institutionen umfasst (HSFD 2015, S. 4). Zu den Treibern der Digitalisierung im
Bildungsbereich zählen technologische, gesellschaftliche und hochschulsystembezogene
Faktoren (Bischof/Stuckard 2013, S. 26ff.).
Durch den technologischen Fortschritt, wie die Verfügbarkeit von schnellen Internetver-
bindungen, dem hohen Verbreitungsgrad mobiler Endgeräte, der Etablierung von Sozialen
Medien und von onlinebasierten Kommunikationsplattformen, wurden neue Möglichkei-
ten des digitalen Lernens und Lehrens an Hochschulen geschaffen (Kahnwald et al. 2016,
S. 11ff.; Bischof et al. 2013, S. 2; Bischof/Stuckard 2013, S. 7). Basis für den Erfolg digi-
taler Bildungsangebote, wie z. B. MOOCs (Massive Open Online Courses), stellt die Ver-
fügbarkeit eines leistungsfähigen Internetanschlusses dar (Bischof/Stuckard 2013, S. 28).
Diese Voraussetzung ist im letzten Jahrzehnt in Deutschland weitestgehend erfüllt wor-
den. Im Jahr 2015 nutzten bereits über 3 Mrd. Menschen das Internet weltweit, davon rund
72 Mio. Nutzer in Deutschland (Heinemann 2016, S. 1). Weiterhin hat sich die Zahl der
Nutzer von mobilen Endgeräten von 2012 bis 2015 um über 230 Prozent auf 49,2 Mio.
stark entwickelt (Heinemann 2016, S. 4; Henning 2015, S. 133). Weitere technologische
Treiber der Digitalisierung stellen die Entwicklungen im Bereich der Sozialen Medien
bzw. Netzwerke sowie der neuen onlinebasierten Kommunikationsmöglichkeiten mittels
Social Software-Anwendungen wie Chats, Foren, Blogs, Wikis oder Multimedia-Plattfor-
men (Bischof/Stuckard 2013, S. 7; Arnold et al. 2015, S. 217ff.; Kahnwald et al. 2016, S.
17ff.). Diese Social Software-Lösungen unterstützen nicht nur die Kommunikation, son-
dern auch die Kollaboration und Vernetzung unter den Nutzern (Bächle 2006; Schaf-
fert/Kalz 2009, S. 16).
Zu den gesellschaftlichen Digitalisierungstreibern zählt die Generation der Digital Nati-
ves, der gestiegene Anpassungsdruck durch die Heterogenität der Studierenden, die hohe
Relevanz des lebenslangen Lernens sowie die gestiegene Erwartung an die soziale Ver-
antwortung der Hochschulen (Bischof/Stuckard 2013, S. 7). Durch die neue Generation
von Bildungsteilnehmern, der Digital Natives, haben sich auch die Lerngewohnheiten in
den letzten Jahren deutlich verändert. Der Begriff der Digital Natives beschreibt Personen,
Hochschule 4.0 501

die nach 1980 geboren wurden, von Kindesbeinen an Zugang zu digitalen Netzwerktech-
nologien besitzen und dementsprechend eine hohe Kompetenz im Umgang mit digitalen
Medien aufweisen (Prensky 2001, S. 23). Diese Bildungsteilnehmer sind durch die nied-
rigschwellige Kommunikation in sozialen Netzwerken und die leichte Teilbarkeit von In-
halten gewohnt, Informationen selbst zu erstellen und mit anderen Nutzern zu teilen (Bi-
schof/Stuckard 2013, S. 26; Kahnwald et al. 2016, S. 25f.). Dies ermöglicht eine neue Art
des informellen problemorientierten Lernens (Bischof/Stuckard 2013, S. 26; Arnold et al.
2015, S. 30). Als weitere Treiber gelten die zunehmende Diversität der Studierenden, was
hervorgerufen wird durch eine zunehmende Bildungsbeteiligung nicht-traditioneller Stu-
dierendengruppen und damit Öffnung der Hochschulen (Arnold/Kumar 2014), Migrati-
onsbewegungen sowie Inklusion von Menschen in besonderen Lebenslagen (Schnei-
der/Günther 2015).
Aus der resultierenden Heterogenität der Studierenden bei gleichzeitiger gesellschaftlicher
Erwartung, dass möglichst viele der Teilnehmer auch einen erfolgreichen Abschluss er-
zielen (Bischof/Stuckard 2013, S. 26), entstehen neue Herausforderungen an die Anbieter.
Dementsprechend müssen sich die Hochschulen auf verschiedene Biographien, Alter, Le-
bensumstände, Schul- und Berufserfahrungen, Wissensstände und Lebensentwürfe der
Nachfrager der Bildungsdienstleistungen einstellen (Bischof/Stuckard 2013, S. 26; Arnold
et al. 2015, S. 51). Eine Anpassung der Lehre an den jeweiligen situativen Kontext des
Bildungsteilnehmers kann auf zeitlicher und sozialer Ebene erfolgen (Schneider/Günther
2015). Auf Seiten der Hochschule kann dies vor allem in Form einer zeitlichen Flexibili-
sierung der Lehre sowie einer sozialen Unterstützung der Studierenden durch Hochschul-
lehrer und Tutoren erfolgen. Die zeitliche Flexibilisierung und Individualisierung des Bil-
dungsangebots kann unter anderem durch den Einsatz von E-Learning ermöglicht werden
und damit auch die Inklusion von nicht-traditionellen Studierendengruppen im Bildungs-
bereich unterstützen (Deutsche UNESCO-Kommission 2014; Arnold et al. 2015, S. 30f.;
Schneider et al. 2016, S. 59). Zu den Digitalisierungstreibern zählt auch die zunehmende
Bedeutung des lebenslangen Lernens in der Gesellschaft und die damit verbundene Siche-
rung der Beschäftigungsfähigkeit (Bischof/Stuckard 2013, S. 28; Arnold et al. 2015, S.
29; Kahnwald 2016, S. 23; Schmid et al. 2016, S. 13ff.). Indem sich unsere Gesellschaft
verändert, wandelt sich auch die Rolle und Funktion unserer Hochschulen, d. h. das Ver-
hältnis zwischen akademischer Bildungseinrichtung und Gesellschaft, Region oder Wirt-
schaft wird neu definiert (Berthold et al. 2010, S. 8). Mit der Öffnung der Bildung und der
Ermöglichung des kostenlosen Zugangs zu hochwertigen Bildungsangeboten für Bil-
dungsinteressierte, für die aufgrund ihrer Lebenssituation eine Teilhabe nicht möglich ge-
wesen wäre, erfüllen Hochschulen diese gestiegene Erwartung an die gesellschaftliche
Verantwortung bzw. den Dienst an der Gesellschaft (Berthold et al. 2010; Schneider et al.
2016). Diese so genannte ÄThird Mission³ kann durch den Einsatz von digitalen Bildungs-
angeboten, wie beispielsweise MOOCs, erfüllt werden, ohne dass die Hochschulen ihr
angestammtes Tätigkeitsfeld verlassen müssen (Bischof/Stuckard 2013, S. 28).
502 André Schneider

Als weiterer Treiber der Digitalisierung gelten hochschulsystembezogene Faktoren, wie


steigende Kosten und Ressourcenengpässe im Angebot von akademischen Bildungs-
dienstleistungen, zunehmender Wettbewerb um Studierende, die Notwendigkeit der Ge-
nerierung neuer Finanzierungsquellen sowie die Erschließung neuer Potenziale im Hoch-
schulmarketing (Bischof et al. 2013, S. 2ff.; Bischof/Stuckard 2013, S. 31ff.; Kahnwald
2016, S. 24). Staatliche Hochschulen können in Deutschland die steigenden Kosten für
Bildung nicht durch Studiengebühren kompensieren. Zudem sind diese mit dem Problem
von überfüllten Hörsälen und einer abnehmenden Betreuungsquote zwischen Studieren-
den und Lehrenden konfrontiert (Wannemacher 2014, S. 14; Schmid et al. 2016, S. 13).
Mittelfristig wird die Möglichkeit der Effizienzsteigerung des Hochschulsystems an Be-
deutung gewinnen (Bischof/Stuckard 2013, S. 34). Der Aufbau von Kompetenzen und
Infrastrukturen zur Etablierung von digitalen Bildungsdienstleistungen wird vor der Her-
ausforderung zukünftiger Kostenreduktionen einen Wettbewerbsvorteil darstellen. Die
Digitalisierung von Vorlesungen stellt zudem eine Möglichkeit dar, die Lehrenden zu ent-
lasten und Ressourcen freizusetzen, indem diese in Form von Lehrfilmen den Studieren-
den in Zukunft bereitgestellt werden. Dies spielt insbesondere bei den nicht-traditionell
Studierenden eine besondere Rolle. Durch die hohe Skalierbarkeit von digitalen Lernan-
geboten bietet sich den Hochschulen ein hohes Potenzial, zum einen die Studierendenzahl
zu erhöhen, zum anderen aber auch neue Einnahmequellen aus der Vermarktung dieser
Kurse zu erschließen (Bischof/Stuckard 2013, S. 36; HSFD 2015, S. 15). E-Learning hat
sich dabei in den letzten Jahren zu einem wichtigen Wirtschaftszweig mit hohen Wachs-
tumsraten entwickelt (Henning 2015, S. 133). So wurde der Gesamtumsatz in Deutschland
im Jahr 2013 auf 582 Mio. EUR geschätzt, was einer Steigerung von 13,5 Prozent zum
Vorjahr entsprach (MMB 2014). Weltweit wird der Markt für digitale Bildungsdienstleis-
tungen auf 91 Mrd. EUR geschätzt (RBSC 2014). Einen weiteren hochschulsystembezo-
genen Treiber der Digitalisierung stellt der zunehmende Wettbewerb der Hochschulen dar,
der aufgrund weiterer Deregulierungen und der zukünftigen Demographie sich weiter ver-
stärken wird (Müller-Böhling 2007, S. 270f.; Greven 2011, S. 5). Dabei intensivieren die
digitalen Medien den nationalen und internationalen Wettbewerb, indem beispielsweise
MOOCs und andere digitale Bildungsdienstleistungen den Teilnehmenden die Möglich-
keit bieten, an den Kursen zu partizipieren, ohne eingeschrieben zu sein und orts- und
zeitflexibel zu lernen (Bischof/Stuckard 2013, S. 35; Arnold et al. 2015, S. 50; HSFD
2015, S. 6). Mittels digitaler Lehr- und Lernangebote können Hochschulen nicht nur welt-
weit auf sich aufmerksam machen, sie bieten potenziellen Teilnehmern auch die Chance,
sich im Vorfeld mit dem Studienangebot vertraut zu machen und erste Kontakte zu Leh-
renden aufzubauen (HSFD 2015, S. 6). Weiterhin eröffnet der Einsatz digitalisierter Kurse
und Medien als Marketinginstrumente den Hochschulen ein zusätzliches innovatives Dif-
ferenzierungs- und Profilierungspotenzial (Bischof/Stuckard 2013, S. 35; HSFD 2015, S.
6; Kahnwald et al. 2016, S. 24).
Hochschule 4.0 503

3. Herausforderungen und Potenziale der Digitalisierung

3.1 Herausforderungen der Digitalisierung der Lehre


Die Digitalisierung der Lehre ist mit zahlreichen Herausforderungen für die Hochschulen
verbunden. Zu den Herausforderungen zählen einerseits fehlende Kompetenzen von Leh-
renden und Lernenden im Umgang mit digitalen Bildungsangeboten (Arnold et al. 2015,
S. 253ff.). Das Lehren und Lernen mit digitalen Bildungsmedien im virtuellen Lehrraum
(Strittmatter/Niegemann 2000) erfordern einen radikalen Wandel der traditionellen Lehr-
handlungen und der durch diese geformten und auf sie bezogenen traditionellen Lernhand-
lungen (Zimmer 2012) zur konstruktiven Entwicklung der individuellen Sach-, Sozial-,
Methoden- und Selbstkompetenzen (Schorb 2005; Kerres 2007; Arnold et al. 2015, S.
253). Andererseits spielen rechtliche Probleme, fachliche Grenzen des Einsatzes sowie
mögliche Veränderungen in der Hochschullandschaft eine Rolle, die aus Sicht der Akteure
als Verlust von Traditionen, Sicherheit oder notwendiger Diversität wahrgenommen wer-
den könnten (Bischof/Stuckrad 2013, S. 47ff.). Eine weitere Herausforderung liegt in der
hohen Abbruchquote (Drop-Out) der Lernenden bei digitalen Bildungsangeboten, die bis
zu 70 Prozent betragen kann (Astleitner 2000; Meister 2002; Park/Choi 2009; Corcoran
2013). Die Entscheidung für oder gegen einen Abbruch eines E-Learning-Kurses wird
beispielsweise beeinflusst durch Kompetenzen, Motivation und Zufriedenheit des Lernen-
den, Unterstützung durch Lehrende, soziale Integration in die Lerngruppe, Grad der An-
forderung an die Selbststeuerung oder auch der technologischen Akzeptanz (Park 2007;
Park/Choi 2009; Olbrecht 2010).

3.2 Potenziale digitaler Bildungsangebote


Trotz der genannten Herausforderungen der Digitalisierung, existiert auch eine Vielzahl
an Perspektiven. Beispielweise können Hochschulen mit innovativen, digitalisierten Lehr-
angeboten eine breite Zielgruppe, insbesondere die nicht-traditionellen Studierendengrup-
pen, erreichen (Bischof/Stuckrad 2013, S. 47). Dies gilt insbesondere für frei zugängliche
Lehrformate wie MOOCs oder neue didaktische Lernformate wie Flipped Classroom oder
Game Based Learning (Gee 2007; Schulmeister 2013; Bates 2015; Horizon 2015). Ein
großes Potenzial, die Sichtbarkeit einer Hochschule zu erhöhen, haben hochqualitative
und populäre MOOCs. Weiterhin ermöglicht die Sammlung von Daten der Teilnehmen-
den der digitalen Lehrangebote eine sehr gezielte Ansprache geeigneter Nachfragegrup-
pen. Mittels des Einsatzes dieser statistischen Analysen (Learning Analytics) können
Lernfortschritte beobachtet, Probleme frühzeitig erkannt oder auch nachvollzogen wer-
den, an welcher Stelle ein Kurs durch die Nutzer abgebrochen wurde. Damit kann die
Qualität der digitalen Angebote kontinuierlich angepasst und verbessert werden. Zudem
504 André Schneider

können mittels des Einsatzes von digitalen Bildungsdienstleistungen frühzeitig kommuni-


kative Beziehungen zwischen Lehrenden, immatrikulierten Studierenden und potenziellen
Nachfragern geschaffen werden (Bischof/Stuckrad 2013, S. 47). Dementsprechend eröff-
net die Digitalisierung den Hochschulen auf dem Gebiet des Hochschulmarketings und
der Studierendenrekrutierung neue Möglichkeiten. Eine weitere Perspektive bietet sich in
der Entwicklung von Hochschulnetzwerken für eine gemeinsame Wertschöpfung im Rah-
men des Angebots von digitalen Bildungsdienstleistungen. Vor dem Hintergrund der ein-
facheren Lehrimporte und -exporte werden Hochschulen sich in Zukunft die Frage stellen,
ob wirklich jede Institution für jedes Wissensgebiet eigene Präsenzlehrangebote vorhalten
muss. Als Alternative zur heutigen Bildungslandschaft wäre denkbar, dass Hochschulen
Lehrangebote aus Partnerhochschulen, internationalen Hochschulnetzwerken oder von
MOOC-Plattformen einbinden und damit neue Dienstleistungsnetzwerke bilden.
Für Hochschulen bietet die Digitalisierung erhebliche Potenziale zur Profilbildung, Stei-
gerung der Reputation, Qualitätsverbesserung, Studierendengewinnung sowie dem lang-
fristigen Aufbau von Beziehungen zu den Zielgruppen, jedoch auch zahlreiche Herausfor-
derungen wie die Entwicklung der notwendigen Kompetenzen, Steigerung der Akzeptanz
der digitalen Bildungsangebote sowie die Heterogenität und Diversität der potenziellen
Nutzer. Die Potenziale und Herausforderungen werden in verschiedenen Disziplinen, wie
der Pädagogik, Informatik, Psychologie oder auch Betriebswirtschaftslehre diskutiert. Im
folgenden Abschnitt soll die Betrachtung vorrangig aus dem Blickwinkel des Dienstleis-
tungsmanagements und -marketings erfolgen.

4. Interaktive Wertschöpfung in der akademischen


Bildung
Für die Entwicklung von attraktiven und marktfähigen digitalen Bildungsangeboten be-
nötigen die Hochschulen ein tiefgreifendes Verständnis der Wertschöpfungsprozesse der
Teilnehmer. Digitale Bildungsdienstleistungen zeichnen sich im Vergleich zu Sachgütern
vor allem durch die Beteiligung der Lernenden aus, wobei die Erstellung der Leistung
bzw. der Lehr-Lern-Prozess in einer Nachfrager-Anbieter-Interaktion erfolgt. Dement-
sprechend soll der Prozess der interaktiven Wertschöpfung in der akademischen Bildung
näher betrachtet werden.

4.1 Interaktive Wertschöpfung im digitalen Lehr-Lern-Prozess


Unter der interaktiven Wertschöpfung in der akademischen Bildung ist die Integration von
hochschulexternen Akteuren wie Studierenden, Dienstleistern oder Komplementäranbie-
tern in die Wertschöpfungskette des Bildungsanbieters zu verstehen (Bruhn/
Hochschule 4.0 505

Hadwich 2015, S. 5). Die Wertschöpfungsprozesse erfolgen in diesem Zusammenhang


vollständig oder teilweise in Kooperation bzw. unter Einbeziehung der externen Akteure.
Aus betriebswirtschaftlicher Sicht bringen Hochschulen mit ihren digitalen Bildungsan-
geboten durch den Einsatz von Produktionsfaktoren in der Regel immaterielle Leistungen
hervor (Scheidegger 2001, S. 19; Knust 2006, S. 6) und bieten somit auf den Bildungs-
markt Dienstleistungen an (Nedeß 1999, S. 51; Gerhard 2006, S. 129; Wolf 2011, S. 23).
Diese Dienstleistungen zeichnen sich im Gegensatz zu Sachgütern insbesondere durch das
konstitutive Merkmal der Kundenbeteiligung aus (Bruhn/Hadwich 2015, S. 10; Meffert et
al. 2015, S. 13; Bruhn/Hadwich 2016, S. 15), wodurch die interaktive Wertschöpfung im
Dienstleistungssektor in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen hat (Bruhn/Hadwich
2015, S. 5). Bei den digitalen Bildungsangeboten erfolgt entsprechend die Erstellung der
Dienstleistung in einer Interaktion zwischen Hochschule bzw. Lehrenden und Lernenden.
Diese wechselseitigen Lehrenden-Lernenden-Interaktionen werden aus Sicht der Service-
Dominant Logic auch als Wert-Co-Kreation bezeichnet (Edvardson et al. 2011; Gumme-
rus 2013; Ranjan/Read 2014). In diesem Zusammenhang gelten die Studierenden nicht
mehr als eine durch den Bildungsanbieter zu beeinflussende Zielgruppe, sondern als
gleichberechtigter Partner eines gemeinsamen Wertschöpfungsprozesses (Reichwald/Pil-
ler 2009; Jahn/Drengner 2014, S. 44).
Zur Beschreibung einer Interaktion von Kunde und dem jeweiligen Anbieter zur Erstel-
lung von Dienstleistungen hat sich hauptsächlich im englischsprachigen Raum der Begriff
des ÄService Encounter³ etabliert (Surprenant/Solomon 1987, S. 87; Lovelook 1988). Der
Begriff bezieht sich auf die dyadische Interaktion zwischen einem Kunden und einem An-
bieter der Dienstleistung (Surprenant/Solomon 1987, S. 87f.). Demnach stellt beispiels-
weise ein Lehr-Lern-Arrangement in Form eines Online-Kurses einen Service Encounter
dar, indem es im Rahmen des Dienstleistungsprozesses zwischen den Lehrenden und Ler-
nenden zu einer dyadischen Interaktion kommt.
Shostack EHVFKUHLEWLQGLHVHP=XVDPPHQKDQJGHQ6HUYLFH(QFRXQWHUDOVÄDSHULRGRIWLPH
GXULQJZKLFKDFRQVXPHUGLUHFWO\LQWHUDFWVZLWKDVHUYLFH´ 6KRVWDFN6 Damit
umfasst dieser Begriff einerseits die direkt-persönliche Interaktion mit einem Mitarbeiter
des Dienstleistungsanbieters (z. B. Dozent, Studienkoordinator), andererseits die indirekt-
persönliche Interaktion beispielsweise über Medien (z. B. E-Tutor über eine Lernplattform
oder Social Media-Plattformen) (Bitner et al. 1990, S. 72). Von hoher Relevanz im Rah-
men der Digitalisierung der Hochschulen sind Interaktionstechnologien, die in der indi-
rekt-persönlichen Interaktion den Interaktionspartner für die Akteure im Lernprozess dar-
stellen (Liljander et al. 2006; Henning 2015; Dittler/Kreidl 2016).
506 André Schneider

4.2 Digitale Bildungsdienstleistungen als Wertangebote


Das Angebot von digitalen Lehr-Lern-Arrangements kann entsprechend der servicedomi-
nanten Logik (SDL) als ein Wertangebot der Hochschulen für die Lernenden verstanden
ZHUGHQ(LQ:HUWDQJHERWNDQQQDFK'UHQJQHU  GHILQLHUWZHUGHQDOVÄHLQYRP
Konsumenten wahrgenommenes Versprechen eines anderen Marktteilnehmers
(z. B. Unternehmen), ihm einen Service zu bieten, aus dem er durch Co-Kreations-Pro-
]HVVHIUVLFK:HUWVFK|SIHQNDQQ³ 'UHQJQHU6 . Diese Begriffsdefinition folgt
dabei der Sichtweise von Ballantyne und Varey (2006)GLH:HUWDQJHERWHDOVÄPromises
of Value³GHr jeweiligen Marktteilnehmer verstehen (Ballantyne/Varey 2006, S. 344f.).
Der Begriff unterstreicht zudem, dass ein Dienstleistungsangebot des Bildungsanbieters
(z. B. ein Online-Kurs) an sich noch keinen Wert besitzt, sondern dieser erst durch Co-
Kreation des Nachfragers während des Konsumprozesses entsteht und sich als Konsumer-
fahrung manifestiert (Holbrook 2006, S. 213; Lusch et al. 2007, S. 11; Vargo/Lusch 2008,
S. 9; Drengner 2013, S. 26).
Entsprechend der Definition Holbrooks folgend wird der konsumentenseitig empfundene
Wert als interaktives, relativistisches Präferenzerlebnis bezeichnet (Holbrook 1994, S. 27;
Holbrook 1999, S. 5). Der Wert einer Leistung kann demnach in Bezug auf die Service-
Dominant Logic als ein kontextspezifisches Phänomen aufgefasst werden, das aus der In-
teraktion eines Subjektes (Lernende) und eines Objektes (z. B. digitale Bildungsdienst-
leistung) entsteht (Holbrook 2006, S. 212f.; Woodruff/Flint 2006, S. 187f.; Drengner
2013, S. 25). Relativistisch bedeutet, dass der Wert komparativ, situativ und personenbe-
zogen ist (Hoolbrook 1999, S. 6ff.). Der Wert einer Leistung ist immer komparativ, da der
Wert eines Produktes oder einer Dienstleistung nur mittels eines Vergleichs auf ein ande-
res Produkt oder einer Dienstleistung benannt werden kann (Jahn 2013, S. 26; Drengner
2013, S. 25). Werturteile beziehen sich dabei auf die relativen Präferenzen einer Person
hinsichtlich mehrerer Objekte statt auf Nutzenvergleiche zwischen Personen (Hilliard
1950, S. 57; Holbrook 1999, S. 6). Weiterhin ist der Wert einer Leistung situativ, da dieser
vom Kontext (z. B. Lernort) abhängt, in dem der Konsument die Leistung nutzt oder nut-
zen möchte (Drengner 2013, S. 25). Der Wert einer Leistung ist zudem personenbezogen,
da jeder Konsument die Leistung gemäß seiner individuellen Ziele unterschiedlich bewer-
tet (Hillard 1950, S. 207; Holbrook 1994, S. 27; Drengner 2013, S. 25).
Die Beurteilung des Werts einer Leistung beruht immer auf einem Präferenzurteil des
Kunden und erfolgt im Marketing anhand verschiedener Konstrukte, wie beispielsweise
der Einstellung, Zufriedenheit oder auch Emotion (Holbrook 1999, S. 8; Oliver 1999, S.
44; Holbrook 2006, S. 212f.; Drengner 2013, S. 25f.). Das konsumentenseitige Werturteil
bezieht in diesem Zusammenhang immer auf das Bewertungsergebnis gegenüber Stan-
dards, Zielen, Idealen, Regeln, Normen oder bestimmten Kriterien (Holbrook 1999, S. 8;
Jahn 2013, S. 28). Dabei entsteht ein positiv empfundener Wert einer Leistung durch den
Kunden, falls gewisse Standards, Ziele, Ideale usw. durch den Konsum erfüllt oder sogar
übertroffen werden (Jahn 2013, S. 28).
Hochschule 4.0 507

Die Definition des Wertbegriffs bezieht sich zudem auf das Erlebnis während des Kon-
sums durch den Kunden. 'DEHLJLOWGDVVGHU:HUWHLQHU/HLVWXQJÄUHVLGHV not in the
product purchased, not in the brand chosen, not in the object possessed, but rather in the
consumption experience(s) derived therefroP³ (Holbrook 1999, S. 9, Hervorheb. i.O.)
Demzufolge ist der Wert nicht objektiv, d. h. als Bestandteil eines Objektes, sondern wird
vom Konsumenten erlebt (Holbrook/Hirschman 1982, S. 132; Firat/Venkatesh 1993, S.
235f.; Holbrook 1999, S. 9; Jahn 2013, S. 29). Die angebotenen Leistungen liefern somit
einen Service aufgrund ihrer Fähigkeit, für den Kunden entsprechende bedürfnis- bzw.
wunschbefriedigende Erlebnisse zu erschaffen (Holbrook 1994, S. 28; Holbrook 1999, S.
9; Jahn 2013, S. 29). Die Entstehung des Werts einer Leistung resultiert aus deren Bedeu-
tung für den Konsumenten (Richins 1994, S. 504; Penaloza/Mish 2011, S. 11) und stellt
dementsprechend die Bewertung des Konsumerlebnisses dar (Wagner 1999, S. 132; Jahn
2013, S. 29).
Langfristigen Erfolg am Markt haben Anbieter von digitalen Bildungsdienstleistungen nur
dann, wenn diese entsprechende Wertangebote anbieten und die Wertschöpfung ihrer
Kunden in einem besseren Maße unterstützen, als dies der Wettbewerb vermag (Drengner
2012, S. 10f.). Letztendlich entsteht nur dann Wert, wenn der Service des Anbieters das
Wohlbefinden des Kunden verbessert (Vargo et al. 2008, S. 149; Drengner 2012, S. 11).
Dieses Wohlbefinden kann sich in Abhängigkeit von den individuellen Bedürfnissen und
Wünschen der Konsumenten auf verschiedenen Ebenen entwickeln, die in der Marktfor-
schung anhand verschiedener Werttypen, wie beispielsweise den funktionalen, hedonisti-
schen, symbolischen, ökonomischen oder relationalen Wert, beschrieben werden
(Smith/Colgate 2007; Drengner 2012, S. 11, 13; Drengner et al. 2013, S. 153; Jahn 2013,
S. 51ff.).
Die Hochschulen können diesen Wert auf verschiedenen Ebenen anbieten, wobei sich pri-
märe, sekundäre und tertiäre Wertangebote unterscheiden lassen (Drengner 2013, S. 25ff.;
Drengner 2015, S. 33f.). Auf der ersten Ebene unterbreiten die Hochschulen den Lernen-
den primäre Wertangebote, die sowohl die unmarkierte Kernleistung der digitalen Lern-
angebote als auch die damit unmittelbar verknüpften Zusatzleistungen (z. B. Tutorien,
Lehrmaterialien) umfassen (Jahn/Drengner 2014, S. 42). Dieser so genannte primäre Ser-
vice kann jegliche Kombination der verschiedenen Werttypen umfassen (Drengner 2012,
S. 11).
Die Anbieter von digitalen Bildungsdienstleistungen können den Lernenden durch den
Einsatz verschiedener Instrumente und Werkzeuge (z. B. Lernplattform, E-Tutoren, Vi-
deo-Tutorial, Studienberatung) einen tertiären Service bieten und somit bei ihrer Wert-
schöpfung unterstützen (Drengner 2011, S. 58; Drengner 2012, S. 11; Drengner et al.
2013a, S. 221). Zu den Instrumenten der Hochschulen, die ein tertiäres Wertangebot für
den Lernenden darstellen, zählt auch die Betreuung durch E-Tutoren. Das Wertangebot
kann bei der Interaktion mit dem E-Tutor beispielsweise darin bestehen, den Lernenden
ausführliche Informationen zu den primären (z. B. Funktionen der Lernplattform, Tools)
und/oder sekundären Serviceangeboten (z. B. Image des Kurses gegenüber der Wirtschaft)
508 André Schneider

anzubieten. Indem der Lernende durch das Tutorium schnell und effizient über die ange-
botene digitale Bildungsdienstleistung informiert wird, entsteht für ihn auch ein funktio-
naler Wert (Drengner 2012, S. 11 und 14). Jedoch kann die Interaktion mit dem E-Tutor
neben wichtigen Informationen und Wissen zu den Leistungen auch dem Lernenden einen
gewissen Spaß und Freude bereiten und somit ein positives Erlebnis vermitteln. Dies ent-
spricht einem hedonistischen Wert.
Die primären, sekundären und tertiären Wertangebote der Anbieter von digitalen Bil-
dungsdienstleistungen sind demnach so zu entwickeln und bereitzustellen, dass die anvi-
sierten Zielgruppen den damit verbundenen Service als attraktiven Input zur Befriedigung
ihrer Bedürfnisse und Wünsche auffassen und bereit sind, das Wertangebot zu honorieren
(Drengner 2012, S. 11). Diese Honorierung für den Anbieter kann durch die Nachfrage
bzw. Kauf der primären und sekundären Wertangebote erfolgen (direkter ökonomischer
Wert) oder auch in Form der Weiterempfehlung (indirekter ökonomischer Wert für den
Anbieter) (Doorn et al. 2010; Drengner et al. 2013b; Jahn/Drengner 2014). Die Attrakti-
vität einer angebotenen Leistung steigt, wenn die Kunden daraus gleichzeitig mehrere Ar-
ten von Wert auf verschiedenen Ebenen generieren können (Drengner 2012, S. 11). Dabei
besteht ein Erfolgsfaktor für die Schaffung attraktiver Wertangebote darin, dass der An-
bieter ein tiefes Verständnis für die Wertschöpfungsprozesse seiner Zielgruppen besitzt
(Drengner 2012, S. 12; Benkenstein/Waldschmidt 2014, S. 212ff.).
Aus den digitalen Bildungsangeboten der Hochschulen versuchen die Lernenden im Rah-
men des Wert-Co-Kreations-Prozesses für sich Wert zu schöpfen, wobei sie dafür ope-
rante und operande Ressourcen benötigen (Jahn/Drengner 2014, S. 44). Operante Ressour-
cen werden hierbei von Vargo und Lusch als das Wissen sowie die Fähigkeiten zur
Erstellung des Service beschrieben (Vargo/Lusch 2004, S. 2). Beispielsweise liegen diese
auf Seiten der Bildungsanbieter in den didaktischen Fähigkeiten der E-Tutoren, im beson-
deren Wissen zu den Lehrgebieten, den Erfahrungen in der Erstellung und Durchführung
von Blended Learning-Angeboten oder auch im speziellem Wissen zur Produktion von
Lehrfilmen (Madhavaram/Hunt 2008; Drengner 2012, S. 9). Bei den Nachfragern der Bil-
dungsdienstleistungen handelt es sich insbesondere um ihre psychischen, physischen, kul-
turellen und sozialen Kenntnisse und Begabungen (Arnould et al. 2006, S. 91ff.). Statt-
dessen sind operande Ressourcen jene, die Marktteilnehmer mit Hilfe ihres Wissens und
ihrer Kompetenzen (operante Ressourcen) nutzen und verändern, um ihren Service aus
diesen zu erstellen (Drengner 2012, S. 9). Am Beispiel von Hochschulen wären dies Lern-
plattformen, Lehrfilme oder auch Skripte. Aus Sicht des Nachfragers bedarf es an operan-
den Ressourcen beispielsweise sowohl an Geld und Zeit für die Nutzung des Wertange-
bots. Die operanten Ressourcen, d. h. das Wissen und die Fähigkeiten, gelten in der SDL
aufgrund ihrer bedeutenden Funktion bei der Erstellung des Service als die fundamentale
Quelle von Wettbewerbsvorteilen (Vargo/Lusch 2004, S. 9ff.).
Zusammenfassend müssen die Hochschulen umfangreiche Informationen über die ope-
ranten Ressourcen ihrer Nachfrager von digitalen Bildungsdienstleistungen erlangen, da
die Entstehung des Werts immer auf dem Wissen und den Fähigkeiten des Lernenden
beruht (Drengner 2015, S. 41). Zudem benötigen die Anbieter genaue Auskünfte über die
Hochschule 4.0 509

Lebensumstände ihrer Zielgruppen, da diese operanten Ressourcen einerseits zwar auf an-
geborenen Persönlichkeitsmerkmale beruhen, andererseits aber auch auf ihre psychischen
und physischen Fähigkeiten, die sie im Laufe ihres Lebens durch Kontakte mit ihrer ma-
teriellen, sozialen und kulturellen Umwelt erworben haben, zurückgehen (Arnould et al.
2006, S. 92f.; Drengner 2012, S. 12). Weiterhin sind Erkenntnisse darüber notwendig,
welchen Konsumentenwert sich die Nachfrager aus der Inanspruchnahme der primären,
sekundären und tertiären Services der Hochschule versprechen (Drengner 2015, S. 41).
Erst auf Grundlage dieser Informationen und des tiefen Einblicks in die Wertschöpfungs-
prozesse der Zielgruppen digitaler Bildungsangebote, wird den Hochschulen ermöglicht,
attraktive, wertgenerierende und damit erfolgreiche Angebote am Bildungsmarkt zu plat-
zieren (Edvardson et al. 2011; Drengner 2012, S. 12).

4.3 Co-Kreation- und Interaktionskompetenz als Erfolgsfaktor


Der ressourcenorientierte Ansatz basiert auf der Annahme, dass sich die Wettbewerbsvor-
teile eines Anbieters gegenüber dem Wettbewerber durch die Qualität der innerhalb der
Organisation verfügbaren Ressourcen und Fähigkeiten erklären lassen (Wernerfelt 1984;
Barney 1991). Die Wettbewerbsfähigkeit eines Anbieters kann aus Sicht des Resource-
based View dann erreicht werden, wenn es gelingt, Veredelungsprozesse in Gang zu set-
zen, die die Entstehung von Ressourcen und Kompetenzen ermöglichen, die dem Anbieter
helfen, sich in Marktprozessen gegenüber Bedrohungen durch das Wettbewerbsumfeld zu
behaupten (Freiling 2004, S. 14).
Eine entsprechende Verankerung der SDL in der Ressourcentheorie und dem ± hierbei
von Vargo und Lusch proklamierten Austausch von operanten Ressourcen als Handlungs-
prinzip für das strategische Management ± befürworten insbesondere Wissenschaftler wie
Hunt oder Day (Vargo/Lusch 2004; Day 2011; Averdung 2014). Aus Perspektive des kom-
petenzbasierten Managements muss jedoch beachtet werden, dass nicht alle für ein Unter-
nehmen wertvollen operanten Ressourcen einen direkten Austauschwert besitzen, da vor
allem Kompetenzen nicht am Markt gehandelt werden, indem diese per Definition in spe-
zifischen Ausprägungen an bestimmte Unternehmen gebunden sind (Barney 2011, S. 136;
Averdung 2014, S. 267). Dementsprechend wird der Wert von Kompetenzen als operante
Ressourcen des Anbieters nicht direkt über Markttransaktionen bestimmt, sondern über
deren Ausmaß: Ä[E]ach UHVRXUFH FRQWULEXWHV WR WKH ILUP¶V DELOLW\ WR SURGXFH HIIL
ciently/effectively market offerings that some market segments perceive as having value´
(Hunt 2004, S. 22). Aus Sicht einer servicedominanten Logik besitzen Kompetenzen somit
keinen direkten Tauschwert, sondern können als Antezedenzien der wertschaffenden Ser-
viceroutinen verstanden werden, deren Wert durch den Austausch von Serviceleistungen
generiert wird (Averdung 2014, S. 267).
Mittels einer servicedominanten Ausrichtung und Rekonfiguration wesentlicher Dienst-
leistungsprozesse können digitale Bildungsanbieter einen hohen Grad an Servicedichte er-
510 André Schneider

reichen. Die Servicedichte stellt jene Kombination von Ressourcen dar, die in einer be-
stimmten Situation mobilisiert wird (Normann 2001, S. 27; Averdung 2014, S. 272f.).
Beispielsweise stellt die Lernenden-Lehrenden-Interaktion in einem E-Learning-Kurs
eine derartige bestimmte Situation dar. Um eine maximale Servicedichte zu erreichen,
muss ein Anbieter in einem solchen speziellen Kontext alle relevanten Ressourcen und
Kompetenzen derart bereitstellen und integrieren, dass eine bestmögliche Co-Kreation
von Wert im Rahmen der Nachfrager-Anbieter-Interaktion ermöglicht werden kann
(Vargo et al. 2010, S. 23). Zwar ist dieses Optimum nur theoretischer Natur, es kann je-
doch nach Vargo, Lusch und Tanniru durch eine kontinuierliche Verbesserung der Ser-
vicedichte auch eine höhere Kapazität erzielt werden, um den Nachfrager komplexere und
wettbewerbsfähigere Wertangebote unterbreiten zu können (Vargo et al. 2010). Daraus
wird die zentrale Bedeutung einer servicedominanten strategischen Orientierung des Bil-
dungsanbieters als Ausgangspunkt für die Verbesserung von Kompetenzen deutlich. Fer-
ner impliziert eine zunehmende Servicedichte für die Hochschule auch Wettbewerbsvor-
teile, da sie eine Funktion der zielgerichteten Anwendung operanter Ressourcen und
Kompetenzen darstellt, um die Bedürfnisse der Zielgruppen in Relation zur Konkurrenz
bestmöglich zu befriedigen (Lusch et al. 2007, S. 6).
Eine servicedominante Orientierung eines Bildungsanbieters umfasst dementsprechend
auch den Aufbau und Erhalt von Fähigkeiten, die es ermöglichen, durch die Co-Kreation
von operanden und operanten Ressourcen der Transaktionspartner komplexere und wett-
bewerbsfähigere Wertangebote am Markt anzubieten und den Nachfrager im Wertgene-
rierungsprozess zu unterstützen. In der Literatur wird diese spezifische Fähigkeit als Co-
Kreations-Kompetenz bzw. Interaktionskompetenz bezeichnet (Madhavaram/Hunt 2008;
Karpen et al. 2012; Averdung 2014). Lusch und Webster führen in diesem Zusammenhang
dazu aus: ÄTo be truly customer-centric, the firm has to think not only about optimizing
the firm and its activities but how to support customers in their resource integration and
YDOXHFRFUHDWLRQDFWLYLWLHV>«@7KHNH\FRQFHSWVLQWKHYDOXHFRFUHDWLRQFRQFHSWRIVWUDW
HJ\DQGRUJDQL]DWLRQVDUHFRUHFRPSHWHQFLHVXVHGWRFRFUHDWHYDOXH´ (Lusch/Webster
2011, S. 132).
Diese Interaktionskompetenz, d. h. die Fähigkeit des digitalen Bildungsanbieters seine
Nachfrager in Co-Kreations-Aktivitäten zu involvieren, kann als eine wesentliche Quelle
von Wettbewerbsvorteilen angeführt und zudem auch als so genannte ÄMasterful Operant
RHVRXUFH³DXIJHfasst werden (Averdung 2014; Madhavaram/Hunt 2008). Wird durch den
Einsatz von dieser spezifischen Kompetenz ein hoher Wertbeitrag für den Lernenden rea-
lisiert, ist anzunehmen, dass dieser die kollaborative Zusammenarbeit in Zukunft auch
weiter forcieren wird. Zudem kann ein Anbieter, der über superiore Co-Kreations-Kom-
petenzen verfügt, sukzessiv zum präferierten und dominanten Wertschöpfungspartner der
Nachfrager auf dem jeweiligen relevanten Markt avancieren (Averdung 2014, S. 275).
Karpen, Bove und Lukas (2012) sowie Averdung (2014) folgend, lassen sich sechs Co-
Kreations-Kompetenzen auf Basis der fundamentalen Prämissen der SDL ableiten (Kar-
pen et al. 2012, S. 5ff.; Averdung 2014, S. 280ff.), die auch im Kontext der digitalen Bil-
dungsdienstleistungen eine hohe Bedeutung für die Generierung von Wettbewerbsvortei-
len besitzen. Hierzu zählen die individuelle, ethische, einflussbestärkende,
Hochschule 4.0 511

gestaltungsbezogene, entwicklungsbezogene sowie prozessflussbezogene Interaktions-


kompetenz.
Die Schaffung vom situativen Kontext abhängiger und individuell maßgeschneiderter
Wertangebote stellt eine normative strategische Handlungsimplikation der SDL dar (Kar-
pen et al. 2012, S. 5; Averdung 2014, S. 280). Indem die Wertzuschreibung einer Leistung
als subjektiv wahrgenommenes Erlebnis individuell von jedem Nutzer bestimmt wird
(Holbrook 2006; Drengner 2013), wird sie auch phänomenologisch und kontextabhängig
angenommen (Vargo/Lusch 2008). Dementsprechend ist es für den Anbieter einer Bil-
dungsdienstleistung wichtig, das Wertpotenzial auf Individualebene durch eine intensive
Auseinandersetzung mit den spezifischen Gegebenheiten der Lernenden zu fördern (Aver-
dung 2014, S. 280). Für die Wertschöpfung ist die individuelle Integration von Service-
leistungen erfordert komplexe organisationsspezifische Routinen, die eine empathische
und fachkompetente Interaktion mit den Lernenden ermöglichen (Geigenmüller 2012;
Averdung 2014; Arnold et al. 2015). In diesem Zusammenhang wird deutlich, dass ein
tiefgreifendes Verständnis des situativen Kontextes, ihrer Alltagspraktiken sowie der in-
dividuellen Bedürfnisse, in dem die Lernenden aus den Bildungsangeboten ihren Wert
generieren, die Basis für die Entwicklung individueller Angebote im Sinne der servicedo-
minanten Logik bildet (Grönroos 2008, S. 307). Anbieter von digitalen Bildungsdienst-
leistungen benötigen demzufolge eine individuelle Interaktionskompetenz, die es ermög-
licht, ein umfassendes individuelles Kundenverständnis aufzubauen. Hierunter fallen
insbesondere jene Routinen des Bildungsanbieters, die die Auffassungsgabe stärken, den
situativen Kontext des Lernenden, seine Ressourcenintegrationsprozesse, sowie die von
ihm spezifisch gewünschten Ziele und Ergebnisse zu verstehen (Karpen et al. 2012, S. 5;
Averdung 2014, S. 281).
Für die Schaffung nachhaltiger Wettbewerbspositionen ist auch die Orientierung auf ethi-
sche Aspekte als normative strategische Norm zur Gestaltung von Bildungsdienstleistun-
gen von Bedeutung (Karpen et al. 2012, S. 5). In verschiedenen Veröffentlichungen wer-
den in diesem Zusammenhang beispielsweise die Verletzung der Sorgfaltspflicht mit dem
Umgang von Nutzerdaten bzw. der Privatsphäre, opportunistische Absatz- und Preisstra-
tegien der Anbieter oder irreführende Informationen kritisiert (Heath/Heath 2008; Arnold
et al. 2015). Diese Ansätze übervorteilen die Anbieter auf Kosten ihrer Wertschöpfungs-
partner, anstatt diese entsprechend der SDL als gleichberechtigte Partner innerhalb co-
kreierter Wertschöpfungsprozesse zu betrachten und mit ihnen nachhaltige Wettbewerbs-
vorteile zu generieren (Sheth/Sisodia 2006). Dementsprechend wird die ethische Verant-
wortung als strategische Norm innerhalb von Entscheidungen im Dienstleistungsmanage-
ment integriert und eine faire, wahrheitsgemäße und integere Interaktion mit den
Wertschöpfungspartnern herausgestellt (Abela/Murphy 2008, S. 45; Averdung 2014, S.
281). Zum Aufbau langfristiger Beziehungen zu den Zielgruppen von Bildungsdienstleis-
tungen und der Etablierung einer Kultur des Wissensaustausches ist es notwendig, durch
organisationsspezifische Routinen der ethischen Interaktion vertrauensvolle Nachfrager-
Anbieter-Beziehungen aufzubauen. Ethisches Verhalten des Anbieters wird somit zur
übergeordneten Handlungsmaxime kollaborativer Ressourcenintegrations- und reziproker
512 André Schneider

Wertschöpfungsprozesse (Williams/Aitken 2011, S. 14; Averdung 2014, S. 282). Die Fä-


higkeit, einen fairen und nicht opportunistischen Umgang mit seinen Nachfragern zu pfle-
gen, stellt die ethische Interaktionskompetenz eines Bildungsanbieters dar (Karpen et al.
2012, S. 7; Averdung 2014, S. 282).
Die Konzentration auf die Lernenden als operante Ressource zur Co-Kreation von Wert
aus Perspektive der SDL stellt ein weiteres wichtiges Handlungsfeld für die strategische
Ausrichtung der Hochschulen als Anbieter digitaler Bildungsdienstleitungen dar. Hierbei
ist es von Bedeutung, dass die Nachfrager nicht nur als Lieferant finanzieller Ressourcen
oder passive Rezipienten gesehen werden. Vielmehr ist deren positives Gestaltungspoten-
zial kontinuierlich zu fördern (Averdung 2014, S. 282). Die Lernenden verfügen beispiels-
weise über Ideen, Wissen oder Kompetenzen, die es ihnen ermöglichen, auf die service-
generierenden Ressourcenintegrationsprozesse auf der Seite des Bildungsanbieters einen
positiven, schöpferischen Einfluss zu nehmen und somit die interaktive Wertschöpfung
im Rahmen des Co-Kreations-Prozesses zu unterstützen (Averdung 2014, S. 282;
Jahn/Drengner 2014, S. 44). Dabei kann die Interaktion im Rahmen der Co-Kreation von
Wert zwei unterschiedliche funktionale Ausprägungen annehmen (Karpen et al. 2012, S.
8). Indem die Lernenden als Wertschöpfungspartner über spezielles Wissen und Fertig-
keiten verfügen, sollen diese motiviert werden unterstützend bzw. beratend die Ressour-
cenintegration im Lehr-Lern-Prozess zu begleiten und im Rahmen einer Evaluation ent-
sprechendes Feedback zu geben (Averdung 2014, S. 283; Arnold et al. 2015, S. 382; Held
2015, S. 193). Die Fähigkeit eines Bildungsanbieters die Nachfrager darin zu bestärken,
auf Art und Inhalt des regelmäßigen kooperativen Austausches einzuwirken und ein kon-
tinuierliches Feedback zu der interaktiven Wertschöpfung zu geben, wird als einflussbe-
stärkende Interaktionskompetenz bezeichnet (Karpen et al. 2012, S. 8). Die Lernenden
können aber auch über Wissen und Fähigkeiten verfügen, die in kollaborative Erstellungs-
prozesse der digitalen Bildungsdienstleistungen einfließen und somit als Nachfrager eine
aktive Gestaltungsfunktion einnehmen (Averdung 2014, S. 283). Entsprechend der ser-
vicedominanten Logik werden die Lernenden zur gemeinsamen Gestaltung neuer Services
durch den Anbieter animiert, um das Involvement für eine zielgruppenspezifische Anpas-
sung der digitalen Bildungsdienstleistungen zu erhöhen (Lusch et al. 2007). Dieses Invol-
vement wird aus Perspektive der SDL dann insbesondere notwendig, wenn neue Services
entwickelt werden sollen (Averdung 2014, S. 283). Für die Förderung gemeinsamer Ent-
wicklungsprozesse von digitalen Bildungsdienstleistungen ist demnach eine gestaltungs-
bezogene Interaktionskompetenz des Bildungsanbieters notwendig, die jene Leistungsfä-
higkeit umfasst, die Lernenden als Wertschöpfungspartner darin zu bestärken, sich an der
gemeinsamen Gestaltung von Wertangeboten aktiv zu beteiligen (Karpen et al. 2007, S.
624).
Ein weiteres strategisches Handlungsfeld stellt die Gestaltung der lernbasierten Schnitt-
stellen zwischen den Wertschöpfungspartnern dar, da die Lernenden als operante Ressour-
cen mit ihrem Wissen und Kompetenzen die Effektivität und Effizienz der Ressourcenin-
tegrationsprozesse sowie die Qualität der integrierten Wertschöpfung beeinflussen
(Vargo/Lusch 2008). Die Fähigkeit der Nachfrager zur Co-Kreation von Wert ist damit
vom Zugang zu Wissen und dem Kompetenzaufbau abhängig (Karpen et al. 2012, S. 5;
Hochschule 4.0 513

Averdung 2014, S. 284). Anbieter von digitalen Bildungsdienstleistungsleistungen sind


demnach angehalten, insbesondere um die Co-Kreations-Fähigkeit zu verbessern, dem
Nachfrager bei seiner Wissens- und Kompetenzentwicklung zu assistieren (Karpen et al.
2012, S. 9). Ein Beispiel wäre die Unterstützung der Lernenden beim Aufbau von Medi-
enkompetenz (Schorb 2005, S. 259; Arnold et al. 2015, S. 266f.). Diese entwicklungsbe-
zogene Interaktionskompetenz der Hochschule dient der Förderung der operanten Res-
sourcen der Lernenden und somit der Sicherung einer Wertstiftung im Rahmen der Lehr-
Lern-Prozesse (Averdung 2014, S. 284f.; Jahn/Drengner 2014, S. 49).
Die letzte strategische Handlungsoption im Rahmen der Diskussion zur Co-Kreations-
Kompetenz richtet sich auf die spezifische Ausrichtung der Interaktionen und Abläufe der
Serviceprozesse an den Bedürfnissen der Nachfrager (Flint/ Mentzer 2006, S. 349ff.; Kar-
pen et al. 2012, S. 5). Demnach sind beispielsweise die Lehr-Lern-Prozesse der digitalen
Bildungsangebote nahtlos in den Alltag der Lernenden einzupassen, sodass diese ihre Res-
sourcen und Fähigkeiten problemlos und einfach integrieren können, um einen Wert für
sich zu schöpfen. Dies ist insbesondere bei Studierenden in besonderen Lebenslagen, wie
zum Beispiel Berufstätige, Behinderte oder auch Spitzensportler, für die Ermöglichung
einer interaktiven Wertschöpfung von hoher Bedeutung (Schneider/Günther 2015;
Schneider et al. 2016). Die prozessflussbezogene Interaktionskompetenz des Anbieters
von digitalen Bildungsdienstleistungen umfasst in diesem Zusammenhang die Fähigkeit,
gemeinsam mit den Nachfragern koordinierte und integrierte Serviceprozesse bereitzu-
stellen (Karpen et al. 2012, S. 10). Die Entwicklung dieser Lean Consumption-Prozesse
(Womack/Jones 2005) erfordern auf Anbieterseite eine klare Definition der integrierten
Wertschöpfungsprozesse, um die Bedürfnisse der Nachfrager zu erfüllen und zudem kei-
nerlei zeitliche und finanzielle Ressourcen des Wertschöpfungspartners zu verschwenden
(Womack/Jones 2005, S. 60; Averdung 2014, S. 285).

5. Fazit
Heute existiert kaum ein gesellschaftlicher Bereich, der sich nicht mit den Herausforde-
rungen und Potenzialen auseinandersetzen muss, die durch die Digitalisierung hervorge-
rufen werden. Im vorliegenden Beitrag wurden zunächst die wesentlichen Push- und Pull-
Faktoren vorgestellt, die die Digitalisierung der Hochschulen ermöglichen und beschleu-
nigen. Weiterhin wurden die damit verbundenen Herausforderungen und Potenziale der
Anbieter von digitalen Bildungsdienstleistungen diskutiert. Digitale Bildungsangebote er-
möglichen eine orts- und zeitunabhängige Integration von verschiedenen Zielgruppen der
Hochschule. Die Generierung von Wert erfolgt dabei durch die Co-Kreation zwischen den
Wertschöpfungspartnern, wobei der Lernende verschiedene Rollen wie Co-Designer,
Content-Produzent oder auch Berater einnehmen kann. Zur Steigerung des Erfolgs, der
Aktivierung von Potenzialen sowie dem Aufbau von Wettbewerbsvorteilen innerhalb der
514 André Schneider

interaktiven Wertschöpfung werden aus Sicht der servicedominanten Logik im letzten Ab-
schnitt des Beitrags verschiedene strategische Handlungsfelder diskutiert. Dabei wird auf
die notwendige Herausbildung von strategischen Kompetenzen hingewiesen, die es der
Hochschule ermöglicht, besonders passfähige Wertangebote nicht nur für, sondern auch
mit den Lernenden zu generieren, um damit durch kollaborative Lehr-Lern-Prozesse ge-
genseitige und nachhaltige Wertsteigerungen aufseiten beider Wertschöpfungspartner zu
erreichen. Diese organisationalen Interaktions- und Co-Kreations-Kompetenzen stellen ei-
nen wesentlichen Erfolgsfaktor zur Schaffung von Wettbewerbsfaktoren für digitale Bil-
dungsdienstleister aus Sicht des Dienstleistungsmanagements dar.

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Gerrit Heinemann

Offline 4.0 ± Die Neuerfindung


des stationären Handels

1. Offline-Handel ± Besonderheiten stationärer Formate

2. Verändertes Kaufverhalten im Offline-Handel


2.1 Digitale Kundenerwartungen an den Offline-Handel
2.2 Digitale Einkaufsgewohnheiten
2.3 Point of Sale versus Point of Decision

3. Offline 4.0 als Ergebnis disruptiver Transformation


3.1 Lead Channel- versus No-Line-Orientierung
3.2 Digitale versus disruptive Transformation
3.3 Inside-out-Digitalisierung
3.3.1 Web-to-Store-Services und smarte Kanalsynergien
3.3.2 Digital-in-Store-Services und digitale Erlebnisorientierung
3.4 Outside-in-Digitalisierung
3.4.1 Tracking-in-Store und smarte Navigationshilfe
3.4.2 Usability-in-Store und Offline-Kundenzentrierung

4. Stationärer Handel der Zukunft: Mobile- und App-basiert

Literaturverzeichnis

___________________________
Prof. Dr. Gerrit Heinemann ist Leiter des eWeb Research Centers, Hochschule
Niederrhein.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017


M. Bruhn und K. Hadwich (Hrsg.), Dienstleistungen 4.0,
DOI 10.1007/978-3-658-17552-8_22
1. Offline-Handel ± Besonderheiten stationärer Formate
Offline-Handel kennzeichnet den klassischen Einzelhandel, so wie er auch in der Inter-
net-Vorzeit anzutreffen war. Es handelt sich um die Weiterveräußerung von Gütern und
Dienstleistungen an Endverbraucher. Zunehmend betreiben auch Produzenten einen Ein-
zelhandel GHU GDQQ DOV ÄKHUVWHOOHUHLJHQHU (LQ]HOKDQGHO³ EH]HLFKQHW ZLUG $KOHUW HW DO
2009). Wichtiges Unterscheidungskriterium ist dabei, dass die Hauptaufgabe hier nicht
in der Gütererzeugung liegt, sondern in der Beschaffung sowie im Absatz von fertigen
Konsum- oder Gebrauchsgütern besteht. Mit verschiedenen Betriebstypen und Absatz-
kanälen berücksichtigen Einzelhandelsunternehmen mit ihren Leistungen dabei unter-
schiedliche Bedürfnissituationen der Kunden (Heinemann 1989, 2011). Der Kontakt
zum Kunden, also die Art und Weise, wie Einzelhandelsunternehmen und Kunden in
Beziehung zueinander treten, kann ebenfalls sehr unterschiedlich erfolgen. Je nach zu-
grunde liegendem Kontaktprinzip unterscheidet sich die Art der Kommunikation und
Interaktion mit dem Kunden beträchtlich (Wegener 2004). Wie Abbildung 1 zeigt, lassen
sich vier Prinzipien der Kontaktanbahnung unterscheiden:
„ Residenzprinzip bedeutet, dass Kunden mit dem Händler in dessen Verkaufsraum in
Kontakt treten. Es handelt sich hier um klassischen, stationären Einzelhandel (z. B.
Filialen).
„ Domizilprinzip liegt vor, wenn der Anbieter mit den Kunden an ihren Wohnungen in
Kontakt tritt. Diese Form wird auch als ambulanter Einzelhandel bezeichnet (z. B.
Haustürverkauf).

Anbieter Verbraucher

Residenzprinzip: Stationärer Einzelhandel/ Offline Handel

Domizilprinzip: Haustürverkauf

Treffprinzip: Marktplatz

Distanzprinzip: Katalogversand, Online-Handel

Abbildung 1: Kontaktprinzipien im Handel


(Quelle: Wegener 2004, S. 200)
526 Gerrit Heinemann

„ Treffprinzip bezeichnet den Verkauf an einem dritten Ort, unabhängig von Domizil
und Residenz. Dieser Kontakt stellt den halbstationären Einzelhandel dar (z. B. Wo-
chenmärkte).
„ Distanzprinzip ist die Handelsform, bei der die Einzelhändler und Käufer physisch
nicht in Kontakt treten. Die dabei vorliegende räumliche Trennung wird durch Me-
dien wie z. B. einen Katalog oder das Internet überbrückt (z. B. Versandhandel).
=XU 8QWHUVFKHLGXQJ YRQ Ä2QOLQH³- XQG Ä2IIOLQH³-Handel können die beiden Kontakt-
prinzipien Residenz und Distanz herangezogen werden. Dementsprechend kann zwi-
schen den Absatzkanälen des stationären Handels sowie den Kanälen des Distanzhandels
unterschieden werden. Wesentliches Kriterium des Offline-Handels, also des stationären
Handels nach dem Residenzprinzip, ist ein real existierender Standort. ,QGLHVHU ÄResi-
denz des Anbieters³ILQGHWHin physisches Angebot der Produkte und Services statt, wo-
für die Kunden die Filiale oder Niederlassung aufsuchen und die Ware selbst abholen.
Dabei gilt der Standort als entscheidender Faktor für die Wahl des Geschäftes aus Kon-
sumentensicht (Heinemann 2011). Erfolgskritisch für die Einkaufsstättenwahl ist inso-
fern die reale Präsenz der Waren, die es dem Kunden ermöglicht, diese physisch zu be-
gutachten und zu WHVWHQ Ä7RXFKDQG)HHO³ Zusätzlich ist es vom Betriebstyp abhängig,
inwieweit Bedienung und Service angeboten wird, oder ob der Kunde sich selbst bedient
bzw. zumindest eine Vorauswahl trifft. Zudem findet im Offline-Handel eine sofortige,
unmittelbare Übergabe der gekauften Artikel statt. Aus Kundensicht suboptimal sind
diesbezüglich sicherlich die festen Ladenöffnungszeiten sowie der erhebliche Zeitver-
lust, der durch Anfahrt, Parkplatzsuche usw. entsteht (Zaharia 2006).
Im Offline-Handel ist in der Praxis eine Vielzahl unterschiedlichster Betriebstypen oder
Formate anzutreffen. Welche dieser Betriebstypen ein Multi-Channel-Händler umsetzt,
hängt sicherlich von seinem spezifischen Verkaufs- und Marketingkonzept sowie seinen
Unternehmenszielen ab. Typische Betriebstypen des stationären Einzelhandels sind z. B.
das Fachgeschäft, der Fachmarkt, das Spezialgeschäft, die Boutique, das Warenhaus, das
Kaufhaus, das SB-Warenhaus, der Super- und Verbrauchermarkt, der Discounter, der
Convenience-Store, der Off-Price-Store sowie zunehmend der Mono-Label-Store verti-
kaler Anbieter (Schobesberger 2007, S. 21). Eine zunehmende Rolle bei der Entschei-
dung für einen Betriebstyp spielt sicherlich auch die Internet-Eignung der angebotenen
Waren. Denn die hybriden Handelsumsätze, die zugleich online als auch offline zustan-
de kommen, wachsen rasant. Sie resultieren aus der Möglichkeit, dass Kunden ihren sta-
tionären Einkauf im Internet vorbereiten oder die Waren nach ihrem Geschäftsbesuch
dort kaufen. Aktuelle Studien belegen, dass Kunden dadurch mit dem jeweiligen Unter-
nehmen deutlich zufriedener sind, wenn es Channel Hopping oder zumindest den Ein-
stieg in den Einkaufsprozess in digitaler Form ermöglicht (Heinemann/Gaiser 2015).
Weiterhin wurde nachgewiesen, dass die Kaufbereitschaft bei Multi-Channel-Kunden
größer ist (InternetRetailer 2012; Haug 2013). Diese hängt mit einer durch das Internet
induzierten Veränderung des Kaufverhaltens im Offline-Handel zusammen.
Offline 4.0 ± Die Neuerfindung des stationären Handels 527

2. Verändertes Kaufverhalten im Offline-Handel


Zweifelsohne ist der stationäre Einzelhandel noch immer der größte Absatzkanal, auch
wenn der Online-Handel stark wächst (Online-Monitor 2015). Seine Vorteile für die
Kunden sind offensichtlich, denn diese wünschen in den meisten Fällen eine sofortige
Verfügbarkeit der Ware, Haptik, qualifizierte persönliche Beratung und eine reale Shop-
ping-Welt (kaufDA 2015). Moderne und technikaffine Kunden sind mit ihrem Smart-
phone in der Regel allerdings ÄDOZD\V RQ³ 6LH surfen zu jeder Zeit im Internet, rufen
NDXIUHOHYDQWH,QIRUPDWLRQHQDELQWHUDJLHUHQPLW)UHXQGHQXQGNDXIHQGDEHLÄQHEHQEHL³
auch noch ein, wenn sie keine Zeit für einen Ladenbesuch haben. Zugleich werden so-
ziale Vernetzung und Empfehlungsprozesse wichtige Einflussfaktoren für die Kun-
denentscheidungen. Dabei sucht der Kunde immer stärker nach personalisierten, passge-
nauen Informationen und Produkten. Kanalübergreifende Services wie unter anderem die
Möglichkeit, Filialbestände online abzurufen, oder das Zusammenstellen individueller
Sortimente, bieten den Kunden echte Mehrwerte (Haug 2013). Dies gilt auch für die Ab-
holung sowie Rückgabemöglichkeit online gekaufter Produkte im Store, was ein großer
Vorteil gegenüber dem Pure-Online-Wettbewerb ist. Zugleich wird auch immer häufiger
über das mobile Internet eingekauft: Bereits in zwölf Prozent aller Fälle führt die Infor-
mationssuche auf dem mobilen Endgerät zum unmittelbaren Kauf. Insgesamt stellen
Kunden zunehmend digitale Erwartungen an den Offline-Handel (Haug 2013; Heine-
mann/Gaiser 2016).

2.1 Digitale Kundenerwartungen an den Offline-Handel


Vor allem die mobile Internetnutzung hat eine rasante Veränderung der Kundenerwar-
tungen zur Folge. Während die Inhouse-Internetnutzung stagniert, explodiert der Ge-
brauch des mobilen Internets außer Haus. Dies geht mit dem stark zunehmenden
Wunsch der Konsumenten einher, ihren Ladenbesuch jederzeit im mobilen Internet vor-
bereiten zu können. Diesbezüglich nutzen Kunden ihr Smartphone zunehmend zur Suche
von kaufrelevanten Produktinformationen. Dabei treffen Kunden nicht selten bereits
Kaufentscheidungen, die später im Online-Shop oder in einem stationären Geschäft aus-
geführt werden. So ermöglicht das mobile Internet von unterwegs aus die Produktrecher-
che und eine ProduktaXVZDKO ÄDQ\WLPH DQG DQ\ZKHUH³ Dies ermöglicht dem Kunden,
sich jederzeit und unabhängig von einem Ladenbesuch mit Hilfe von Preissuchmaschi-
nen, E-Marktplätzen, Social-Shopping-Diensten oder Communities einen exzellenten
Überblick über interessante Angebote zu verschaffen. Erst später sucht der Kunde den,
aus seiner Sicht, optimalen Händler für den Kauf aus, sei es online oder offline
(Gehrckens/Boersma 2013). Insofern ist es wichtig, den Kunden die Nutzung des mobi-
len ,QWHUQHWV ÄDQ\WLPH DQGDQ\ZKHUH³ zu ermöglichen. Das gilt vor allem auch für das
Einholen zusätzlicher Produktinformationen im stationären Laden. Die emanzipierten
528 Gerrit Heinemann

Kunden möchten auf Basis der neuen Technologien und Tools die Möglichkeiten der
modernen Kommunikation auch im Geschäft nutzen können (kaufDA 2015).

Mehr als 70 Prozent der deutschsprachigen


Wohnbevölkerung über 14 Jahren ist mobil online
Unique Mobile User/
62,2 Mio. alle Apps User
Altersgruppen (Smartphones/
Regelmäßige Tablets)
Internetnutzer: über
55,3 Mio.*** 2015** 49,2
(Online-Shopper 45,2 Mio.)
Mio.
Gesamtbevölkerung:
70,21 Mio.* +230,9%

2012* 21,30
Mio.
Handy-Nutzer:
60,97 Mio.* +94,5%

2010* 10,95
Mio.

Abbildung 2: Digitales Universum 2016


(Quelle: Heinemann/Gaiser 2016, S. 2)

Um die neuen Kundenerwartungen im Zusammenhang mit der mobilen Internetnutzung


zu identifizieren, wurde eine repräsentative Verbraucherbefragung zum Thema Locati-
on-based Services (LBS) durchgeführt (kaufDA 2015). Im Rahmen der Studie wurde die
JUXQGVlW]OLFKH 7KHVH Ä0RELOHV ,QWHUQHW I|UGHUW GLH :LHGHUHQWGHFNXQJ GHV VWDWLRQlUHQ
Handels³DQDO\VLHUWVRZLHHLQ=HLWUHLKHQYHUJOHLFK]Xvergleichbaren Studienergebnissen
aus dem Vorjahren 2013 und 2014 realisiert. Im Vordergrund standen die Analyse der
Smartphone-Nutzung sowie die daraus resultierende Erwartungshaltung. Für die reprä-
sentative Erhebung wurden bundesweit insgesamt 2.018 Personen ab 14 Jahren befragt.
Erstes Ergebnis der Studie war, dass sich die Zahl der Smartphone-User zwischen 2013
und 2015 explosionsartig entwickelt hat (kaufDA 2015). Per Ende 2015 nutzen mehr als
70 Prozent der deutschsprachigen Wohnbevölkerung über 14 Jahre das mobile Internet
(vgl. Abbildung 2). Das sind 49,2 Mio. Nutzer. Mit der relativ jungen und mit hoher Ge-
schwindigkeit um sich greifenden Smartphone-Nutzung ändern sich auch die Kunden-
erwartungen. Bereits 54 Prozent der erwachsenen Deutschen informieren sich sehr oft
online über ein Produkt und würden dieses dann auch gerne im Internet kaufen. Ein Jahr
zuvor lag dieser Anteil noch bei 42 Prozent. Umgekehrt informieren sich 13 Prozent der
Smartphone-User sehr oft offline und kaufen dann online. Dieser Wert hat sich über die
letzten beiden Jahre kaum geändert, so dass die Zahl der angeblichen Beratungsdiebe
entgegen der Aussage vieler stationärer Händler nicht gestiegen ist. Allerdings ist der
Anteil der ROPOs (Research Online ± Purchase Offline) stark angestiegen. Demnach
Offline 4.0 ± Die Neuerfindung des stationären Handels 529

kaufen 17 Prozent Produkte sehr oft im Laden ein, nachdem sie dazu vorher im Internet
kaufrelevante Informationen gesucht haben. In 2014 waren es noch 14 Prozent. Der An-
teil der reinen Offliner, die ohne Internetbeteiligung nur stationär einkaufen, hat sich
halbiert: Der Wert liegt per Ende 2015 bei nur noch 16 Prozent (kaufDA 2015). Dazu
passt auch, dass immer mehr Kunden ihr mobiles Gerät auch im stationären Handel nut-
zen möchten, nämlich 24 Prozent von ihnen. Rund 14 Prozent wollen auf einem Termi-
nal oder Gerät im Geschäft kaufen (kaufDA 2015). Die Gerätenutzung im Geschäft wird
allerdings gehemmt, denn für 34 Prozent hindert mangelnder Empfang sie an der Smart-
phone-Nutzung im Geschäft (plus 140 Prozent gegenüber dem Vorjahr). Dies drückt ei-
ne ganz konkrete Erwartungshaltung der Kunden an den stationären Handel aus und be-
deutet, dass die Online-Informationsrecherche am POS deutlich höher wäre, wenn es
dort ausreichende Zugriffsmöglichkeit auf das Internet geben würde (kaufDA 2015).
Zugleich nimmt die Intensität der Smartphone-Nutzung generell zu. Demnach steigt der
Kauf via Smartphone oder Tablet-PC von 55 Prozent auf 59 Prozent an gegenüber noch
48 Prozent in 2013. Die Auswirkungen auf den Handel sind offensichtlich, denn nach-
weisbar steigen die Erwartungen der Kunden in Hinblick auf Nutzungsmöglichkeiten des
mobilen Internets im Laden enorm an (kaufDA 2015). Barriere für eine intensivere Pro-
duktinformationssuche auf Smartphones sind allerdings zu 31 Prozent Äzu geringe Über-
WUDJXQJVUDWHQ³ zu 25 Prozent ÄgHULQJH 9HUEUHLWXQJ YRQ +RWVSRWV³ und zu 24 Prozent
Äschlechte mobile Netzabdeckung bei Smartphones bzw. Tablet-3&V³ $XFK Sicher-
heitsbedenken stellen immer noch ein Hindernis dar (kaufDA 2015).

Genutzte Online-Informationskanäle per Smartphone (in %*)


)UDJH ÄhEHUZHOFKH:HJHKDEHQ6LHVLFKVFKRQHLQPDODXI,KUHP6PDUWSKRQHEHUHLQ3URGXNWLQIRUPLHUWGDVVVLH
kaufen wollten?䇾

Suchmaschinen wie z.B. Google 82


80
Große Einkaufsplattformen (eBay, Amazon) 72
72
Preisvergleichsplattformen 56
56
Verkaufswebseiten / Mobile-Shops 51
47
«0RELOH- 35
Browser des Smartphones
6KRSV« 39
Verbraucherportale 30
«Location 37
Based 6HUYLFHV« Applikationen / Apps 25
26
Soziale Netzwerke 24
24
Standortbezogene Dienste ( z.B. kaufDA) 15
12 2015
Basis: n=761 in 2014; n=782 in 2015 2014
Werte in Prozent *Mehrfachnennungen möglich

Abbildung 3: Genutzte Informationskanäle online


(Quelle: Heinemann/Gaiser 2016, S. 202; kaufDa 2015)
530 Gerrit Heinemann

2.2 Digitale Einkaufsgewohnheiten


Die Mehrzahl der Kunden gibt an, vor dem Aufsuchen von Geschäften Informationen
über die stationären Angebote auf dem Smartphone abzurufen und damit den stationären
Einkauf vorbereiten zu wollen. Von größter Bedeutung für die Produktsuche sind dabei
Suchmaschinen, Einkaufsplattformen und Preisvergleichsplattformen. Auf dem ersten
Platz stehen Suchmaschinen, beispielsweise Google (kaufDA 2015). Danach folgen die
großen Einkaufsplattformen Amazon und eBay. Im Vergleich zum Vorjahr konnten vor
allem aber Preisvergleichsplattformen wie Idealo stark zulegen (vgl. Abbildung 3). Zu-
gleich erwarten auch immer mehr Kunden, dass Händler mit eigenen und mobil opti-
mierten Verkäufer-Websites/Shops präsent sind. Dieser Wert steigt auf 51 Prozent an
gegenüber 47 Prozent in 2014 und 44 Prozent in 2013 (kaufDA 2015). Der Fingerzeig
für stationäre Einzelhändler ist damit offensichtlich: Immerhin gut ein Drittel der er-
wachsenen Wohnbevölkerung in Deutschland erwartet diese mobile Präsenz des Händ-
lers. Demnach sehen Kunden einen Händler als ÄYRQJHVWHUQ³ ZHQQGDVQLFKWGHU)all
ist. Deswegen ist es für den stationären Handel als Ä+\JLHQHIDNWRU³XQDXVZHLFKOLFKdas
Geschäft zumindest bei Suchmaschinen oder Empfehlungsplattformen zu registrieren.
Nur so werden ausreichend viele Kunden über den Standort oder die Öffnungszeiten in-
formiert. Dieses gilt nicht so sehr für soziale Netzwerke, die in Bezug auf die genutzten
Kanäle mit 24 Prozent weiterhin an letzter Stelle rangieren (24 Prozent in 2014). Somit
bestätigt sich erneut, dass soziale Netzwerke zur Produktinformationssuche für Konsu-
menten von geringerer Relevanz sind (kaufDA 2015). Dieses gilt allerdings nicht für
standortbezogene Apps mit Lokalisierungsfunktion, für die von der Mehrzahl der Nutzer
des mobilen Internets dazu LBS (Location-based Services) à la kaufDA genutzt werden.
Die standortbezogene Nutzung von Smartphones zur Kaufvorbereitung nimmt dement-
sprechend im Zeitreihenvergleich deutlich zu (kaufDA 2015), und zwar vorwiegend zur
NDXIEH]RJHQHQ,QIRUPDWLRQVEHVFKDIIXQJ9RUDOOHP Ä,QIRUPDWLRQHQ]X /DGHQ|IIQXQJV
zeiten XQG ]XU (QWIHUQXQJ´ VLQG .XQGHQ EHVRQGHUV ZLFKWLJ XQG OLHJHQ PLW  3UR]HQW
DXI GHP HUVWHQ 3ODW] (V IROJW Ä/lGHQ+lQGOHU HLQHU EHVWLPPWHQ .DWHJRULH LQ PHLQHU
1lKHVXFKHQ´ Ä,QIRUPDWLRQ ]XEHVRQGHUHQ $QJHERWHQLQPHLQHU1lKH VXFKHQ´VRZLH
Ä,QIRUPDWLRQ]XU9HUIJEDUNHLWXQG3UHLVHLQHVEHVWLPPWHQ3URGXNWHVVXFKHQ´'ie Re-
levanz von Informationen mit Lokalbezug steigt besonders deutlich an. Auffallend ist,
dass den Kunden bei der mobilen Informationssuche vor allem die Verfügbarkeit von
Waren wichtig ist. 0LW3UR]HQWIKUHQÄ,QIRUPDWLRQHQ]XU9HUIJEDUNHLWLP/DGHQ³
das Ranking an gegenüber 77 Prozent in 2013. Auch Informationen zu Liefermöglich-
keiten sind den Kunden sehr wichtig, was von 56 Prozent angegeben wird (vgl. Abbil-
dung 4). Die Befragten wünschen sich insbesondere Angaben zu lokalbezogenen Liefer-
services, und zwar zu 61 Prozent über die Lieferung nach Hause und zu 43 Prozent über
die Lieferung in ein Geschäft in der Nähe.
Offline 4.0 ± Die Neuerfindung des stationären Handels 531

Wünsche für weiterführende Informationen zu LBS (in %*)


Frage*: Ä6LHKDEHQDQJHJHEHQGDVV6LHRQOLQHZHLWHUIKUHQGH,QIRUPDWLRQHQ]XORNDOHQ$QJHERWHQHUKDOWHQP|FKWHQ
:HOFKHZHLWHUIKUHQGHQ,QIRUPDWLRQHQPHLQHQ6LHGDNRQNUHW"³

Informationen zur 82
Verfügbarkeit im Laden 84

«/LHIHU- Informationen zu 80
möglichkeiten
und
Produkteigenschaften 83
unaufgeforderte
lokale Bewertung anderer 67
$QJHERWH« Kunden 69

Informationen über 56
Liefermöglichkeiten 0

Unaufgeforderte Informationen zu 31
besonderen Angeboten in der Nähe 19
2015
Basis: n=457 in 2014; n=415 in 2015 2014
Werte in Prozent *Mehrfachnennungen möglich

Abbildung 4: Informationserwartungen an Location-based Services


(Quelle: Heinemann/Gaiser 2016, S. 210; kaufDA 2015)

2.3 Point of Sale versus Point of Decision


Zur digitalen Kaufvorbereitung nutzen die Kunden insofern zunehmend auch standort-
bezogene Dienste bzw. Location-based Services. Sofern der Offline-Händler diese ein-
setzt, lassen sich damit auch die Kundenloyalität und die Bildung von Stammkundschaft
erhöhen. Durch die Smartphone-Nutzung verändert sich insofern das Kaufverhalten, und
zwar nicht nur im Online-, sondern vor allem auch im Offline-Handel (Heine-
mann/Gaiser 2016). Rund 70 Prozent der deutschsprachigen Wohnbevölkerung nutzt
mittlerweile mobiles Internet für den Zugang ins World Wide Web (kaufDA 2015). Da-
mit hat sich das mobile Internet zum wichtigsten Medium für unterwegs entwickelt. Zu-
gleich wird dadurch eine Entwicklung deutlich, die in nahezu allen Branchen zu be-
obachten ist und wohl alle bisherigen Wertschöpfungsketten auf kurz oder lang auf den
Kopf stellen wird:
Die Digitalisierung im Handel treibt die Entkopplung bisheriger Wertschöpfungsketten
voran. Dadurch können klassische Offline-Anbieter wesentliche wertschöpfende Aktivi-
täten nicht mehr wahrnehmen. An ihre Stelle treten ± beispielsweise an der Kunden-
schnittstelle ± Infomediäre mit herausragender Angebotsvielfalt, Makler mit unendlich
großer Auswahl über Longtail, Empfehlungs-Engines mit individuellen 1:1-
Empfehlungen, Preis- und Produktsuchmaschinen mit Beratungsfunktion sowie soziale
Netzwerke, die vertrauenswürdige Meinungen und Empfehlungen anderer Freunde bün-
532 Gerrit Heinemann

deln. Bisherige Intermediäre ± wie der stationäre Handel ± haben dadurch bereits ihr Al-
leinstellungsmerkmal an der Kundenschnittstelle verloren und spielen vielfach keine
dominierende Rolle mehr für die Produktauswahl der Kunden. Sie verlieren für den In-
ternetnutzer immer mehr an Relevanz, wodurch auch die Bindung und demzufolge Zah-
lungsbereitschaft der Konsumenten weiter zurückgeht. Für eine nicht mehr wahrgenom-
mene bzw. in Anspruch genommene Wertschöpfung sind diese nicht mehr bereit, ein
Premium zu zahlen. Das Vorhalten von Beratung und Bedienung wird damit zunehmend
weniger erfolgskritisch. Bereits heute beginnen Käufer ihre Einkaufsprozesse mehrheit-
lich im Internet. Alle Studien zu dem Thema weisen Suchmaschinen, E-Marktplätze,
Preisvergleichsseiten sowie auch Branchenportale als erste Anlaufstelle für Kunden aus.
Im gesamten Kaufentscheidungsprozess gewinnt das Netz DOV ÄPoint of Decision³ JH
JHQEHU GHP Ä3RLQW RI 6DOH³ LPPHU VWlUNHU DQ %HGHXWXQJ Die Kaufentscheidung fällt
dabei zunehmend produktbezogen, die Anbieterauswahl immer mehr faktenbasiert. Je
nach Erreichbarkeit, Preis, Verfügbarkeit und Service wird der Verkaufspunkt erst aus-
gesucht, wenn das Produkt im Web bereits gefunden wurde. Das Auffinden der richtigen
Information bietet dem Kunden mittlerweile den größten Nutzen und wird zum wert-
vollsten Teil der Wertschöpfungskette. Hierfür ist keine direkte Kundenbeziehung not-
wendig und durch die zunehmende Verbreitung von Smartphones ± gepaart mit der stei-
genden Nutzung schneller, mobiler Internetverbindungen ± wird die richtige Information
überall sofort auffindbar. Im Zuge dieser Entwicklung können die Potenziale des Internet
allerdings durchaus mit Hilfe eines intelligenten Multi-Channel-Konzeptes mit in die sta-
tionären Läden transportiert werden (DPDHL 2014). Dementsprechend bieten etliche
Händler in Filialen durch neue Technologien und Formate Zusatzservices und Interakti-
onsmöglichkeiten an. Dies kann zum Beispiel über mobile Apps oder In-Store-Terminals
erfolgen (Heinemann/Gaiser 2015). Damit tut sich ein neues Thema auf, nämlich Offline
4.0. Es geht um die Neuerfindung des stationären Handels durch digitale Maßnahmen.

3. Offline 4.0 als Ergebnis disruptiver Transformation


Die immer wieder beschworene These vieler Handelsunternehmen, dass die Offline-
Kanäle oberste Priorität hätten, folgt eigentlich nur dem Prinzip Hoffnung. Vor allem die
mobile Internetnutzung wird die Handelswelt komplett verändern. Das nicht selten für
beendet herbeigesehnte E-Commerce-Wachstum entwickelt sich nach wie vor zweistel-
lig. Insofern nutzen sich die Mythen vom Ende des Online-Booms zunehmend ab. Dazu
gehört auch die häufig aufkommende Diskussion über den vielgescholtenen Beratungs-
diebstahl. Wie eine aktuelle Blitzumfrage der WAZ vom 14.9. bis 18.9.2015 sowie auch
der aktuelle Online-Monitor des HDE allerdings offenbaren, liegt dieser bei kaum mehr
als einem Prozent (Online-Monitor 2015; WAZ 2015; Heinemann 2016b).
Offline 4.0 ± Die Neuerfindung des stationären Handels 533

3.1 Lead Channel- versus No-Line-Orientierung


'DV)HVWKDOWHQDP Ä/HDG&KDQQHO2IIOLQH³VWHKWY|OOLJLP:LGHUVSUXFK]XGHQ(UZDU
tungen der Kunden. Diese wollen zwar nicht auf die Offline-Kanäle verzichten, aller-
dings auch nicht auf einen Online-Kanal, und wünschen sich zunehmend eine neue Form
von ÄNo-Line-+DQGHO³RKQH.DQDOJUHQ]HQ Heinemann 2013; brandeins 2014). Die im-
mer wieder beschworene These, dass eine Renaissance der analogen Absatzkanäle be-
vorstehe, folgt eigentlich nur dem Prinzip Hoffnung und ist mit keiner Studie zu diesem
Thema zu belegen. Ganz im Gegenteil: Der Online-Handel wird bis zum Jahre 2025
nicht nur in den Industrienationen an Bedeutung gewinnen, sondern auch die Handels-
welt in den Entwicklungs- und Schwellenländern maßgeblich beeinflussen (DPDHL
2014). Dementsprechend kaufen auch immer mehr Deutsche zunehmend per Mausklick
ein: Der Online-Handel wird daher dem klassischen Offline-Handel in den nächsten Jah-
ren immer mehr und immer schneller Umsätze wegnehmen (dpa 2014; Süddeutsche.de
2014). Viele ± vor allem lokale ± Händler sind gezwungen ihre Läden zu schließen oder
aber neu zu erfinden. Nach einer Studie des IfH-Köln (Instituts für Handelsforschung)
hat bereits jeder dritte Kunde seine Fahrten ins Stadtzentrum verringert und kauft dem-
gegenüber immer öfter online ein. Mehr als 60 Prozent der stationären Einzelhändler
klagen nach Angaben des HDE (Handelsverband Deutschland) über sinkende Besucher-
zahlen in den Läden (dpa 2014; Süddeutsche.de 2014). Eine Trendwende bzw. Ab-
schwächung des Online-Booms ist noch lange nicht in Sicht. Auch im kommenden Jahr
wird der Online-Handel mehr als zehnmal so stark wachsen wie der Einzelhandel insge-
samt, so die Einschätzungen des HDE. Per Ende 2015 machen reine Online-
Handelsumsätze rund 20 Prozent im Non-Food-Handel aus, 13 Prozent ganz losgelöst
von Offline-Kanälen. Rund 7 Prozent werden zwar ausschließlich online geordert, aller-
dings suchen diese Online-Kunden zuvor noch einmal ein Geschäft auf. Bei rund 59
Prozent der Non-Food-Umsätze handelt es sich um reine Offline-Umsätze, bei denen das
Internet unbeteiligt war (Heinemann 2016a). Am stärksten legen allerdings die Multi-
Channel-Umsätze zu, die inklusive Showrooming bereits 28 Prozent der Non-Food-
Umsätze umfassen (vgl. Abbildung 5). Forrester geht für Europa davon aus, dass bis
2020 mehr als die Hälfte aller Einzelhandelsumsätze inklusive Lebensmittel einen Onli-
ne-Bezug haben und damit Multi-Channel-Umsätze darstellen werden (Forrester 2015).
Offline-Umsätze sind insofern zunehmend online induziert. Dies führt zu so genannten
Multi-Channel-Einkäufen, die in den bisher ausgewiesenen Online-Zahlen nicht ausge-
wiesen werden. Sie kommen durch Umsätze zustande, die in stationären Geschäften rea-
lisiert werden, jedoch im Internet begründet liegen Ä:HE WR 6WRUH³  Bereits rund 21
Prozent der stationären Umsätze im Non-Food-Handel sind dieser Art, also mehr als 40
Mrd. EUR. Deswegen LVWGHUÄ/ead Channel-0\WKRV³RIIHQVLFKWOLFK nichts anderes als
ein Ausdruck einer digitalen Allergie und offenbart eine grundsätzliche Verweigerungs-
haltung, sich mit der digitalen Transformation offensiv und tabulos auseinanderzusetzen.
534 Gerrit Heinemann

Anteil Multi-Channel am Non-Food-Einzelhandelsumsatz (%)

Rein online 6% 7%
13% «GDYRQ
Multi-Channel/ 8% Online-
No-Line 10% Umsatz
28%
«GDYRQ
Offline-
Umsatz
Rein stationär
86%
84%
59% >40 Mrd. EUR
Multi-Channel
stationär
2008 2011 2015e
Fair Share: Online-Zielumsatz 2015 = 20 Prozent von Total
+ 21 Prozent Web-to-Store = 41 Prozent von Total

Abbildung 5: Multi-Channel-Umsätze
(Quelle: Heinemann 2016a, S. 7)

3.2 Digitale versus disruptive Transformation


Wie das Kaninchen vor der Schlange sitzen immer noch etliche Offline-Händler vor der
Entscheidung zu digitalisieren. Vielfach werden dabei Online-Händler für tot erklärt o-
GHU DOV Ä1RQ-Profit-9HUDQVWDOWXQJ³ DEgekanzelt. Wiederholend werden immer wieder
dieselben Ausreden gefunden, den Weg in die Online-Welt (noch) nicht zu gehen oder
digital in die Offensive zu gehen. Nicht selten fehlt es am Bewusstsein für die Notwen-
digkeit der Transformation. Häufig mangelt es auch an der Risikobereitschaft. Empfeh-
lenswert für ein Unternehmen ist es, dafür viel Geld in die Hand zu nehmen, um die Di-
gitalisierung mit Vollgas voranzutreiben. Zudem wird angeraten, Komfortzonen
abzubauen, auch bei den Führungskräften (eTailment 2015). Die schnellen Online-Pure-
Plays machen vor, dass Komfortzonen und ausgeprägte Hierarchien nicht förderlich
sind. Um von den disruptiven und schnellen Innovatoren zu lernen, können sich Offline-
Händler sicherlich in der Frühphase an Start-ups beteiligen. Beispiele gibt es genug: Ob
Otto oder Tengelmann, Axel Springer oder Burda, Metro oder Rewe, selbst der Stahl-
händler Klöckner & Co. lässt sich bereits als Start-up-Inkubator feiern. Eine ernstge-
meinte digitale Transformation gleicht allerdings vielmehr einem harten Sanierungspro-
jekt als dem Gebaren von Finanzinvestoren: Das Vorgehen mutet eher radikal an.
Wahrscheinlich WULIIWGHVZHJHQGHU%HJULIIÄGLVUXSWLYH7UDQVIRUPDWLRQ³PHKUdie Art der
Offline 4.0 ± Die Neuerfindung des stationären Handels 535

Herausforderung. Vor allem in Hinblick auf die Notwendigkeit, im Leistungsvermögen


mindestens mit den disruptiven Pure-Plays gleichzuziehen. Wer bei der digitalen Neu-
ausrichtung zu vorsichtig agiert, wird auf Dauer nicht gegen Amazon & Co. aufholen
können. Dafür empfiehlt es sich, die bestehende Organisation radikal zu öffnen und zu
erneuern (Heinemann 2016b). Nur so können die Impulse aus dem digitalen Portfolio im
bisherigen Kern umgesetzt werden. In unserem Lande steht die Investitionsbereitschaft
für die Transformation aber häufig XQWHU GHP 0RWWR Ä:DVFKW PLFK DEHU PDFKW PLFK
QLFKWQDVV³:HUallerdings übervorsichtig in zu kleine Systeme investiert, läuft am Ende
in eine Wachstumsfalle. Es geht nicht darum, die Systeme überzudimensionieren. Viel-
mehr ist es ratsam, alle Anstrengungen zu nehmen, das Geschäftsmodell neu auszurich-
ten und damit den Handel zukunftsfähig zu gestalten. Dazu bietet sich an, zunächst eine
digitale Strategie zu entwickeln. Dazu ist es erforderlich zu klären, wie viel Digitalisie-
rung welche Branche braucht, denn es macht auch keinen Sinn, pauschal loszurennen
und schnell eine digitale Insellösung zu entwickeln (eTailment 2015). Zudem wird ange-
raten, die Verantwortung im Vorstand zu verankern. Ein CDO (Chief Digital Officer)
kann diesbezüglich sicherlich ein Anfang sein, allerdings mit ausreichender Durch-
schlagskraft. Dazu braucht es auch eine digital ausgerichtete Führungsorganisation, die
sich eher an den disruptiven Online-Pure-Plays statt an überholten Führungsmodellen
orientieren. Dies klappt eher weniger mit einer althergebrachten funktional orientierten
Organisation. Vermutlich werden nur wenige Händler das erkennen. Die meisten werden
wahrscheinlich das Momentum verpassen, weil sie das Thema und die Dringlichkeit un-
terschätzen. Jedem Offline-Händler sei angeraten, sich bewusst zu machen, dass der On-
line-Anteil steigt, ohne dass der gesamte Einzelhandelskuchen größer wird. Transparenz
zu schaffen, ist auch dahingehend notwendig, dass das statistische Bild durch die hybri-
den Handelsformen schon jetzt vernebelt ist: Wenn Kunden Produkte online entdecken
oder bestellen, die Ware aber im Laden abholen und bezahlen, wird das in der Regel als
Flächenumsatz ausgewiesen, ist aber im Grunde hybrider und online induzierter Umsatz.
Darüber hinaus fließen immer mehr Anteile des Umsatzkuchens über Cross-Border-
Geschäfte ins Ausland ab. Dieses zeigt, dass etliche Handelsunternehmen offensichtlich
mit der Entwicklung überfordert sind (brandeins 2014, 2015). Selbst die relativ innovati-
ven Handelsunternehmen mit einem Online-Shop, die im deutschsprachigen Raum rund
30 Prozent der Händler ausmachen (Online-Monitor 2015), verschlafen offensichtlich
diese Entwicklung. Nach Erhebungen der dgroup sowie auch des eWeb Research Cen-
ters der Hochschule Niederrhein sind derzeit nur rund 50 Prozent der deutschsprachigen
Online-Shops mobile-optimiert (Sales Management Review 2013; brandeins 2014; Hei-
nemann 2015). Deutschen Händler wird insofern nahegelegt, dringend digital aufzurüs-
ten. Vielleicht werden ja die großen internationalen Player, die bereits einen großen Vor-
sprung haben und in Deutschland Chancen sehen, die deutschen Offline-Händler
aufkaufen, die noch PotHQ]LDOKDEHQXQGLKQHQHLQKDXFKHQZDVÄGLJLWDO³KHL‰W
536 Gerrit Heinemann

3.3 Inside-out-Digitalisierung
Zweifelsohne hat der stationäre Handel große Vorteile für die Kunden, der Online-
Handel allerdings auch. Deswegen kann es sinnvoll sein, mit Hilfe eines Multi-Channel-
Konzeptes die Potenziale des E-Commerce mit in das Stationärgeschäft zu transportie-
ren. Dementsprechend bieten neue Technologien und Formate in Filialen Zusatzservices
und Interaktionsmöglichkeiten an. Dieses ist z. B. über mobile Apps oder In-Store-
Terminals möglich (Haug 2013). Vor allem kanalübergreifende Services wie unter ande-
rem Online-Informationen über Filialbestände, das Zusammenstellen individueller Sor-
timente, die Abholung sowie Rückgabemöglichkeit im Store, bieten den Kunden echte
Mehrwerte, verglichen mit dem Pure-Online-Wettbewerb. Alle bisher anzutreffenden
Ansätze für eine Neuausrichtung zu einem Multi-Channel-Händler folgen bisher eher
HLQHUÄInside-out-Perspektive³LQ+LQEOLFNDXIGDV2IIOLQH-Geschäft und sind deswegen
überwiegend angebotsorientiert ausgerichtet (Heinemann 1989). Dementsprechend wer-
den zwar die Investitionen in das Ladennetz runtergefahren und Filialen geschlossen
bzw. umgelagert sowie Mittel in Richtung Online-Geschäft reallokiert (InternetRetailing
2012b; Haug 2013; Heinemann 2016a). Unterlassen wird bisher allerdings eine Neuer-
findung des Stationärgeschäftes, weil dort immer noch der Großteil des Umsatzes ge-
macht wird. Selbst bei John Lewis mit über 30 Prozent Online-Anteil sind eben 70 Pro-
zent und damit der größte Umsatzbrocken offline. Auf Basis dieser Ä,QVLJKW-out-
3HUVSHNWLYH³ N|QQHQ zwei Ansätze für den Offline-Handel zusammengefasst werden
(Haug 2013). Zum einen Web-to-Store-Services mit smarten Kanalsynergien, zum ande-
ren Digital-in-Store-Services mit neuer Erlebnisorientierung.

3.3.1 Web-to-Store-Services und smarte Kanalsynergien

Multi-Channel-Händler wird empfohlen, ihre Kanäle stärker zu verknüpfen, deren spezi-


fische Vorteile zu schärfen und den Kunden ein integriertes, barrierefreies Multi-
Channel-Erlebnis zu bieten. Multi-Channel-Leistungen wie Verfügbarkeitsabfrage, Arti-
kelreservierung oder Click&Collect gelten zumindest im englischsprachigen Raum be-
reits als Standardservices (Heinemann 2013). Intelligente Kanalverknüpfung wie z. B.
über den Einsatz von Tablets, Info-Terminals, QR-Codes an Regalen und/oder In-Store-
Apps machen für Offline-Kunden auch Online-Vorteile am Point of Sale verfügbar.
Durch sie werden eine größere Produktauswahl, zusätzliche und umfangreichere Produk-
tinformationen oder der Zugriff auf Kundenempfehlungen möglich. Auch im deutschen
Handel sind mittlerweile derartige Multi-Channel-Ansätze sichtbar, wenn auch noch in
einer relativ frühen Entwicklungsstufe. Von immer mehr Filialisten werden unter dem
Begriff Click&Collect neue Ladenabhol-Konzepte eingeführt, so z. B. bei Media Markt,
Douglas, C&A und Deichmann (dgroup 2012; Haug 2013). Damit wird das Einkaufs-
und Serviceerlebnis der Kunden kanalübergreifend verbessert. Auf der anderen Seite
lässt sich dadurch die Ausschöpfung digitaler Kanalpotenziale erheblich steigern. Typi-
sche Kanalvorteile des Online-Handels werden auch für Offline-Kunden zunehmend re-
levant und sind deswegen nicht mehr wegzudenken. Vor allem die Transparenz des
Offline 4.0 ± Die Neuerfindung des stationären Handels 537

Marktes hat die Kundenerwartungen in allen Kanälen ansteigen und hohe Service- und
Convenience-Anforderungen zum Standard werden lassen. Sie verdeutlicht die Notwen-
digkeit für alle Anbieter, neue differenzierte Leistungsversprechen zu entwickeln (Haug
2013).

3.3.2 Digital-in-Store-Services und digitale Erlebnisorientierung

Die Erlebnisorientierung in den stationären Geschäften kann durch Einbeziehung von


Digital-in-Store-Leistungen gesteigert werden. Durch sie können Filialen auch zu Event-
und Erlebnisräumen mit hochqualifizierten Fach- und Style-Beratern werden. Zu nennen
sind beispielsweise digitale Info-Displays, mobile Zahlungsmöglichkeiten oder In-Store-
Navigationsanwendungen. Derartige Digital-in-Store-Services erhöhen als technologi-
sche Innovationen den Komfort des stationären Einkaufs. Diese dürften allerdings nur
sinnvoll sein, wenn sie den Kunden konkrete Mehrwerte verschaffen. Vor allem Marke,
Entertainment sowie Servicequalität bieten den Kunden entsprechende Vorteile (Cross-
retail 2013). So können Digital-in-Store-Anwendungen interessante Möglichkeiten bie-
ten, die Marke in Szene zu setzen und mit Content und Erzählungen anzureichern. Auch
bietet der Point of Sale immer noch hervorragende Entertainment-Möglichkeiten,
wodurch eine positive Anreicherung des Einkaufserlebnisses realisierbar ist. Vor allem
der Verkaufsraum bietet nach wie vor zahlreiche Gelegenheiten zur Unterhaltung. Zu
nennen sind z. B. Gewinnspiele. Auch ist eine Verbindung zu sozialen Netzwerken mög-
lich, um den Einkauf mit Freunden teilen zu können. Zudem wir vorgeschlagen, In-
Store-Applikation auch über Gamification anzureichern. Dabei bieten sich Spiele-
Mechanismen und die Möglichkeit zur Interaktivität, die den Kunden Spaß beim Aus-
probieren und Bedienen bereiten, an. Dadurch kann der Erlebnisfaktor und gleichzeitig
die Motivation und Aufnahmebereitschaft der Nutzer erhöht werden (Crossretail 2013).
Neben Marke und Entertainment ist vor allem aber die Servicequalität geeignet, Mehr-
werte für den Kunden zu schaffen, etwa durch schnelle und einfache Bezahlung. Auch
Bestellmöglichkeiten für Artikel und Liefermöglichkeiten an einen beliebigen Ort wer-
den von den Kunden geschätzt. Zu nennen sind auch Abholung, Umtausch und Online-
Collect, also Artikel in einen Online-Warenkorb legen lassen. Treueprogramme, Gut-
scheineinlösung sowie Newsletter-Anmeldung gehören auch zum möglichen Service-
Repertoire des modernen Einkaufs. Allerdings hat der Mechanismus der Anwendungen
dafür zu sorgen, dass eine neue Anwendung nicht nur interessant für den Kunden ist,
sondern auch zur Erreichung der Marketingziele beiträgt. Darüber hinaus empfiehlt es
sich, dass der Digital-in-Store-Einsatz vor allem auch das Multi-Channel-Konzept unter-
stützt. Denn eine Multi-Channel-Präsenz bzw. Verbindung von Offline- und Online-
Kanälen kommt dem heutigen Kauf- und Suchverhalten der Konsumenten entgegen.
Auch kann sie verhindern, dass Kunden beim Channel Hopping den Anbieter wechseln.
Darüber hinaus erlaubt es das Sammeln von Daten, die für das Performance-Marketing
eingesetzt werden können. Dieses setzt allerdings voraus, dass das Konzept als ein sinn-
voll aufgestelltes Informationssystem entwickelt wird (Crossretail 2013). Die kanalüber-
538 Gerrit Heinemann

greifende Kundensteuerung kann dem Händler dabei eine Steigerung der Kundenaus-
schöpfung ermöglichen. Dazu kann er z. B. Couponing, Cross-Promotions oder Online-
Kundenkarten einsetzen (Haug 2013). In Abbildung 6 werden mobile Maßnahmen im
stationären Handel dargestellt.

Nutzungsfelder Kundenerwartungen Best Practice Anwendungen


‡ Integration lokaler Angebote in Google
‡ Mobile lokale Suche (Google-Shopping, -Places, -Local, -Google+)
Mobile
Informationen ‡ LBS mit ‡ Mobile Werbeplattformen mit Lokalisierung
mit lokaler Macro-Lokalisierung (kaufDA/Bonial)
Relevanz ‡ Check-in-Mechanismen sozialer Empfehlung
‡ Location Social Net (Yelp, Foursquare, Facebook, Instagram)

‡ Lokale Werbung, Local ‡‡Mobile


Mobile Display-Werbung/SEM/SEO: Lokalfokus
Display-Werbung/SEM/SEO: Lokalfokus
Adressierung Targeting (Radcarpet)
(Radcarpet)
von Kunden ‡‡Kundenadressierung
Kundenadressierung ininFiliale/Filialnähe
Filiale/Filialnähe
‡ Geofencing, via
via mobile An-
Micro-Lokalisierung viaSMS,
SMS,Email,
Email,Voice
VoiceMessage
Messageetc.
etc.(Shopkick)
(Shopkick)
wendungen ‡‡Verlängerung vonMarke/Produktangebot
Verlängerung von Marke/Produktangebot
‡ QR-Codes auf Print High-Frequency
High-FrequencyFlächen/
Flächen/Fassaden
Fassaden(Tesco,
(Tesco,Emmas
EmmasEnkel)
Enkel)

Mobile An- ‡ Add-on-Beratung/-angebot, VK-/Order-Agenten


‡ Instore App/Navigator (GoodToGo, Carrefour)
wendungen
‡ Regalverlängerung via ‡ Abruf / Cross-Selling von Online-Sortimenten
in der Filiale/ via Tablet-/Terminalanwendungen (Ex Libris, Butlers)
Online-Bestand
Digital-in- ‡ Mobile Kassengeräte/ NFC-Payment-Lösungen
Store ‡ Mobile Payment für den bequemen Einkauf (PayPal, Breuninger)

Abbildung 6: Mobile Maßnahmen im stationären Handel


(Quelle: Heinemann/Gaiser 2016, S. 122)

Neue Technologien ermöglichen eine Verbesserung von Service und Erlebnis bei gleich-
zeitiger Senkung des Mittelaufwands. Dadurch kann auch die Kundenloyalität und die
Bildung von Stammkundschaft erhöht werden. Studien belegen, dass Multi-Channel-
Kunden mit dem jeweiligen Unternehmen deutlich zufriedener sind, wenn es Channel
Hopping ermöglicht (Heinemann 2011). Zudem ist die Kaufbereitschaft bei Multi-
Channel-Kunden offensichtlich größer (InternetRetailing 2012a; Haug 2013). Bei den
Best Practices im Multi-Channel-Handel dominieren Anbieter aus den USA und UK. Für
die notwendige Transformation der Organisation und die Neuausrichtung der Prozesse
investieren US-amerikanische Händler große Summen (Brohan 2012; Haug 2013). Da-
bei zahlen sich diese hohen Investitionen in den Ausbau der Online-Aktivitäten bisher
offensichtlich aus. Beim britischen Multi-Channel-Händler John Lewis sind bereits rund
ein Drittel der Gesamterlöse Multi-Channel-Umsätze (Heinemann 2016a). Dabei kom-
PHQLPPHUPHKU9HUNlXIHGLUHNWDXVGHPÄ&OLFN &ROOHFW³-Angebot, bei dem die Kun-
den Artikel Online kaufen und in der Filiale abholen können (InternetRetailing 2012b;
Heinemann 2016a, b; vgl. Haug 2013). Wie auch immer Digital-in-Store-Anwendungen
eingesetzt werden, ist es sicher, dass die stationären Formate im Handel zukünftig anders
aussehen werden. Entweder als Showroom oder mit Showroom-Flächen, Pop-up-
Flächen, zum Teil automatisiert oder auch verkleinert.
Offline 4.0 ± Die Neuerfindung des stationären Handels 539

3.4 Outside-in-Digitalisierung
ModernHXQGWHFKQLNDIILQH.XQGHQVLQGPLWLKUHP6PDUWSKRQHÄDOZD\VRQ³6LHN|QQHQ
sich zu jeder Zeit ins Internet begeben, sämtliche Informationen abrufen und mit Freun-
den interagieren. In der Folge werden soziale Vernetzung und Empfehlungsprozesse
wichtige Einflussfaktoren für die Kundenentscheidungen (Heinemann 2016a). Darüber
hinaus kaufen bisherige Offline-Kunden auch zunehmend online ein und erfahren so die
Vorzüge des Online-Kaufs. Folge ist, dass die Kunden immer stärker erwarten, dass die
Bedienbarkeit einfach und unkompliziert ist. Diese Erwartung übertragen sie zunehmend
auch auf den stationären Einkauf, wo allerdings in den meisten Fällen die Digitalisierung
an der Ladentür aufhört (brandeins 2014, 2015). Spätestens seit Eröffnung des neuen
Amazon Buchladens im November 2015 in Seattle wird klar, dass sich wesentliche Prin-
zipien des Online-Einkaufs auch auf das stationäre Geschäft übertragen lassen. Im Grun-
de haben die Kunden jetzt mit dem Bookstore den bisher fehlenden Baustein bei Ama-
zon zu ihrer Customer JRXUQH\QlPOLFK ÄWRXFK IHHO³YRUOLHJHQ =ZDU YRUHUVW nur bei
Büchern, aber demnächst wahrscheinlich auch irgendwann für andere Sortimente. Ama-
zon hat es als erster Online-Händler unter dem Stichwort Kundenzentralität geschafft,
GHQ (LQNDXI ÄHLQIDFK ]X PDFKHQ³ XQG GHQ %HJULII GHU Usability ± d. h. den schnellen
und bequemen Einkauf ± zu positionieren. Diese Usability wendet Amazon nun auch auf
der stationären Fläche an und erfindet damit den stationären Handel aus einer Outside-
in-Perspektive, also mit konsequenter Kundenzentralität, neu. Es handelt sich um eine
$UW Ä8OWLPDWLYH 8VDELOLW\ LP 6WRUH³ mi 2016), mit der ein Kunde entsprechend seiner
individuellen Suchstrategie, sei es nach Bewertung, Bestseller und Themen, sein Produkt
finden kann. Und nicht wie es in der unflexiblen Warenstruktur vorgegeben ist nach dem
1950er Jahre-Prinzip: ÄDraußen gibt es nur Kännchen³ (mi 2016). Wie im Online-Store
kann jetzt auch im stationären Geschäft das Kunden-Tracking Basis für den Aufbau und
die Präsentation der Ware sein und damit eine smarte Navigation ermöglichen. Dieses
könnte die wesentlichen Hinweise dafür geben, auch offline eine ultimative Usability-in-
Store und eine Kundenzentriertheit umzusetzen. Dazu werden im Folgenden bereits real
existierende Beispiele gezeigt.

3.4.1 Tracking-in-Store und smarte Navigationshilfe

Im Online-Handel liefern gängige Web-Analytics-Werkzeuge Informationen zum Klick-


verhalten der Website-Nutzer, deren Abbruchverhalten sowie zu den Schwachstellen der
Website im Wettbewerbsvergleich. Neben den Visits und Visitors (Besuche und Besu-
cher) lassen sich über das Kunden-Tracking unter anderem auch die Page Impressions
(Seitenaufrufe), Conversion Rate, Verweildauer sowie Bounce Rate und Click-Through
Rate (CTR) ermitteln (Heinemann 2016a). Die damit ermittelten Daten stellen auch eine
gute Grundlage für die Optimierung der Website sowie die Verbesserung der Navigation
dar (Düweke/Rabsch 2012). Derartige Web-Analytics-Methoden sind mittlerweile ein
unverzichtbares Hilfsmittel zur Feinsteuerung aller Online-Marketingmaßnahmen. Auch
540 Gerrit Heinemann

helfen sie, Kunden besser zu verstehen und damit den Shop kundenzentrierter auszurich-
ten. Sie werden genutzt, um einen Online-Shop zielgerichtet und budgetkonform zu be-
treiben. Das Web-Analytics liefert damit wichtige Informationen zur Optimierung der
Usability und damit zur qualitativen Verbesserung des Online-Shops (Düweke/Rabsch
2012).
Nach dem Prinzip von Web-Analytics ermöglicht die Firma Crosscan aus Witten
(www.crosscan.com) auch stationären Händler eine Besucherzählung, Laufwegeerken-
nung sowie eine Verweildauermessung. Mithilfe der Personenzählung wird es ihnen
möglich, im Abgleich mit der Kassenregistrierung die Store-Conversion zu messen. Die-
se erfolgt technisch ± ähnlich wie die Laufwegeerkennung ± auf Basis von WiFi-
Tracking-Systemen oder Customer Flow-Sensoren, die alle Bewegungen in der Filiale
festhalten. Damit kann auch die Verweildauer gemessen und einzelnen Abteilungen oder
Produkten zugewiesen werden. Technische Voraussetzung dafür ist die iBeacon-
Technik, über die der Händler auch mit den Kunden kommuniziert und ihn auf Angebote
hinweisen kann. Wie in Abbildung 7 dargestellt ist, kann mit den Erkenntnissen der neu-
en Messtechnik HLQ XPIDVVHQGHV Ä'LJLWDO-in-6WRUH³-Konzept umgesetzt werden, das in
Ergänzung mit elHNWURQLVFKHQ 3UHLVVFKLOGHUQ HLQHU ÄLQWHOOLJHQWHQ )LOLDOH³ JOHLFKNRPPW.
Sie bildet die Basis für den nächsten Schritt, nämlich die Umsetzung einer ultimativen
Usability und Offline-Kundenzentriertheit.

1. iBeacon
Kommunizieren Sie direkt mit Ihrem Kunden und
weisen Sie auf Angebote in der Nähe oder
Gutscheine etc. hin
2. Elektronische Preisschilder (ESL)
Preise können schnell und bequem für jedes Produkt,
in jeder Filiale oder in jeder Region angepasst
werden. Vermieten Sie Werbeplätze für zusätzlichen
Umsatz
3. Laufwegeerkennung
CustomerFlow Sensoren oder WiFi-Tracking Systeme
erkennen Bewegungen innerhalb der Filiale.
4. Personenzählung
Zählen Sie, wie viele Besucher Sie haben.
5. Verweildauermessung
Messen Sie die exakte Verweildauer mit
CustomerFlow und unseren WiFi-Tracking Systemen
6. Filial-TV / Digital Signage
Kundeninteraktion mit modernster Technologie, um
Aktionen, Anweisungen, Werbung, sowie Marken
präsentieren zu können

Abbildung 7: Digital POS: Die intelligente Filiale


(Quelle: Crosscan 2016)
Offline 4.0 ± Die Neuerfindung des stationären Handels 541

3.4.2 Usability-in-Store und Offline-Kundenzentrierung

Kunden schätzen beim Online-Kauf die Reduzierung von zeitlichen und finanziellen
Aufwendungen (Kollmann 2013). Convenience ergibt sich dabei unter anderem aus der
Schnelligkeit und Effizienz der Bedienungselemente. Dieses betrifft neben der Navigati-
on, Handhabung des Bestellprozesses sowie den Service-Funktionalitäten vor allem die
Usability des Shops (Mahrdt 2010). Für sie ist die treffsichere Suchfunktionalität absolut
erfolgskritisch, denn aus Kundensicht ist es wünschenswert, dass die Kategoriensuche
schnell zum gewünschten Objekt führt. Es wird angestrebt, dass die Suchergebnisse dazu
durch relevante Filterkriterien wie Preise, Farben, Material, Marken sowie Größen usw.
eingeschränkt werden können. Voraussetzung dafür ist eine saubere Schlüsselung der
Kategorien bzw. Subkategorien, die den unterschiedlichen Suchstrategien der Kunden
Rechnung tragen (Fischer 2009). Insofern beeinflusst die Usability maßgeblich die Con-
version, die natürlich auch noch von weiteren Faktoren wie unter anderem der Waren-
verfügbarkeit und den Gebühren abhängt. Sie beeinflusst unmittelbar den Umsatz, der
wiederum wesentlich vom Cross und Up Selling abhängt.
Vor dem Hintergrund der Erfahrungen im Online-Handel liegt es eigentlich nahe, das
Prinzip der Usability auch im Offline-Handel anzuwenden. Genau das hat Amazon in
seinem neuen Store getan. Insofern erfindet gerade ein Online-Händler den stationären
Handel neu. Brick&Mortar-Händlern wird deswegen angeraten, sich schnell mit dem
Thema der ÄuOWLPDWLYHQ8VDELOLW\³auf der Fläche auseinanderzusetzen. Es geht darum,
die stationären Formate aus der Online-Perspektive heraus neu zu erfinden. Innovative
Ladenformate werden vor allem Gewicht auf digitale Anwendungen legen. Die Schlüs-
selrolle spielt dabei sicherlich das Smartphone, sowohl bei Web-to-Store- als auch bei
Web-in-Store-Services. Dieses erfolgt idealerweise in Kombination mit einer Master-
App, die alle Shop-Funktionalitäten bis hin zur Bezahlung App-basiert zusammenführt
und den Offline-Einkauf so völlig unabhängig von Zeit, Ort und Bedienung macht.
Als erster Multi-Channel-Händler in Europa hat dies offensichtlich der Schweizer Buch-
anbieter Ex-Libris verstanden, der im Zuge einer disrupiven Transformation nicht nur
sein Kerngeschäft saniert, sondern seine Filialen quasi neu erfunden hat (Röthlin 2015).
Für jede einzelne Filiale kann der Kunde im Vorfeld die Verfügbarkeiten des Sortiments
abfragen. Im Store hat er kostenlosen Internetzugang über WLAN und kann über sein
Smartphone alle Location-based Services von Ex-Libris nutzen. Dazu gehören Produkt-
zusatzinfos und ein Live-Ticker. Beim Bezahlen erhält der Käufer auf sein Gerät einen
digitalen Kassenbon sowie auch Coupons gespielt. Zugleich wird er über die Kumulus-
Kundenkarte identifiziert und erhält individuelle Produktempfehlungen am Kassen-
&KHFNRXWGLHPLWVHLQHQOHW]WHQ:DUHQNRUELQKDOWHQDEJHJOLFKHQZHUGHQhEHUGDVÄ'L
JLWDO6LJQDJH³ZLUGHUGDUEHr hinaus auf neueste Bestseller aufmerksam gemacht, kann
Banner- und Trailer-Promotions einsehen und erhält Zugang zum In-Store-Radio. Dar-
über hinaus misst ein Besucherzähler die Frequenz.
Das Konzept von Ex-Libris wird jetzt sogar noch von dem Systemanbieter G2G (Ä*RRG-
to-*R³) aus Sausalito/USA getoppt. G2G hat eine Master-App entwickelt, die neben den
542 Gerrit Heinemann

Funktionalitäten von Ex-Libris auch eine mobile Bezahlfunktion sowie eine virtuelle
Kundenkarte integriert. Darüber ermöglicht sie es stationären Händlern, auch offline die
Funktionalitäten umsetzen zu können, die Basis für den Amazon-Erfolg waren, nämlich
Selection, Recommendations, Reviews, Easy Payment, 1-Time Info Entry sowie Next-
Day-/Same-Day-Delivery (Good-to-Go 2016). G2G bietet seine Lösung quasi als Ä:KLWH
/DEHO³ IU VWDWLRQlUH +lQGOHU DOOHU %UDQFKHQ DQ 9RUDXVVHW]XQJ LVW DOOHUGLQJV GDVV GLH
stationären Händler bereits einen Online-Shop betreiben, der das gesamte Offline-
Sortiment abbildet. Insofern ist ein tragfähiges Multi-Channel-Konzept erst der Einstieg
in den Handel der Zukunft, für den es bedarf, das stationäre Geschäft neu zu erfinden.

4. Stationärer Handel der Zukunft:


Mobile- und App-basiert
Die Schlüsselrolle für den stationären Handel spielt zukünftig offensichtlich das Smart-
phone in Verbindung mit einer Master-App des Händlers sowie ultimativer Usability im
Laden. Die Devise Ä(YHU\ VWRUH RI tKH ZRUOG LQ WKH SDOP RI \RXU KDQG³ Good-to-Go
2016) verdeutlicht wahrscheinlich am ehesten, welche herausragende Rolle dem mobilen
Internet für den Handel der Zukunft zukommt. Dieses gilt nicht nur für das Web to
Store, sondern auch für das Web-in-Store, wo der Einkauf dann überwiegend App-
basiert erfolgen wird. Die Master-App vereinigt alle Einzelhandelsfunktionen und ist zu-
gleich mit allen Systemen inklusive Kassensystem verbunden. Sie trägt der Tatsache
Rechnung, dass Kunden dazu geneigt sind, eher wenige Apps zu nutzen, statt sich dem
unübersichtlichen Dschungel von Einzel-App-Lösungen auszusetzen. Sie ermöglichen
einen emanzipierten, schnellen und problemlosen Einkauf. Statt den im Laden gefunde-
nen Artikel erst einer Verkäuferin zuzuführen, die diesen dann an die Zentralkasse gibt,
wo der Kunden im Zweifel wartet, erfolgt die Bezahlfunktion jetzt per Smartphone. Im
Idealfall nimmt der unter Zeitdruck stehende Kunde die Waren sogar unbezahlt aus dem
Laden mit und drückt erst später den Bezahl-Button. Über günstige RFID-Lösungen, die
auch bereits in Entwicklung sind, kann im Zweifel die Kontrolle über die Ware sicherge-
stellt werden. Wie in Abbildung 8 verdeutlicht wird, kennzeichnen fünf Aspekte den sta-
tionären und App-basierten Einkauf der Zukunft:
„ Erstens die Möglichkeit, alle stationären Sortimente über mobile Endgeräte zu fin-
den und zusätzliche Produktinformationen dazu auch in der Filiale abrufen zu kön-
nen.
„ Zweitens überall und unabhängig einkaufen zu können sowie zuvor per Smartphone
Verfügbarkeiten auf Filialebene überprüft zu haben.
„ Drittens überall und filialunabhängig die stationär eingekauften Produkte bezahlen
und mit einem Klick auschecken zu können.
„ Viertens sämtliche smarten Multi-Channel-Services wie unter anderem
Click&Collect sowie sämtliche Belieferungsmöglichkeiten in Anspruch nehmen zu
können.
Offline 4.0 ± Die Neuerfindung des stationären Handels 543

„ Fünftens seine Ware überall hin liefern lassen zu können.

Online Stores Brick & Mortar


Inventory Inventory + Locations

1 2 3 4 5
Discover Shop Checkout Fulfill by Discover
Everything Everywhere Anywhere Anyone Everything
Browse all online Discover store 1-Click checkout Self check-out, Browse all online
and locations that and payment click and collect, and
offline inventory have what they delivery by Uber offline inventory
want or Parcel Service
of choice

Abbildung 8: Der stationäre Einkauf der Zukunft


(Quelle: Good-to-Go 2016)

Damit hat der Kunde, auch wenn er im Laden steht, nicht mehr das Gefühl, in einem
Verkaufsraum zu sein. Der Kanal spielt keine Rolle mehr.

Literaturverzeichnis
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Ausgewählte Literatur zum Themengebiet
ÄDienstleistungen 4.0³
Besonders einschlägige und einflussreiche Veröffentlichungen aus dem Bereich
ÄDienstleistungen 4.0³ZXUGHQDQGLHVHUStelle ausgewählt, die ihrerseits Hinweise auf
weiterführende Quellen geben. Eine vollständige Bibliographie kann hier nicht erfolgen.
Die Zuordnung zu den einzelnen Themenbereichen ist nicht immer überschneidungsfrei.

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4. Branchenspezifische Perspektiven von Dienstleistungen


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Stichwortverzeichnis

A C
Additiv-generative Fertigung 85 Canvas 97ff.
After Sales Service 345 Co-Evolution 77
Airline 166, 447ff. Co-Kreation 50ff., 337ff., 392, 485f.,
505ff.
Applikation(en)/App(s) 10f., 47ff.,
77ff., 101ff., 167f., 188ff., 283ff., Co-Kreations-Kompetenz 36, 510ff.
312f., 351, 387ff., 416ff., 447f.,
Consulting 37, 255, 319f., 413ff.
472ff., 490, 528ff.
Controlling 34f., 395
As a Service 73ff., 122, 163ff.
Coworking-Space 27, 187ff.
Augmented Reality 81, 118ff.
Customer Journey 48ff., 539
B
Customer Value 9ff., 51
Banking Services 468ff.
D
Beratungsleistungen 37, 283, 414ff.
Data Scientist 401
Beteiligung 36, 62, 488, 504
Datenanalyse(n) 17, 84, 100ff., 344ff.
Big Data 12ff., 73ff., 139, 173ff., 213,
278ff., 337ff., 439 - funktion 489
Business - verfahren 86
- Analytics 24 Dienstleistungen 4.0 6ff., 213
- Model(s) 243ff., 449ff., 467ff. Dienstleistung(s)-
- Model Canvas 86, 94ff., 123ff. - entwicklung 135, 317ff., 372
- Process Model Notation 374 - flexibilisierung 37, 481
Business-to-Business 33ff., 73ff., 97, - innovationen 27, 93, 117, 271,
135, 335, 390ff. 287ff.

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M. Bruhn und K. Hadwich (Hrsg.), Dienstleistungen 4.0,
DOI 10.1007/978-3-658-17552-8
558 Stichwortverzeichnis

- management 7ff., 504ff. E-Health-Verfahren 86


- orientierung 116ff., 144, 302, 313 E-Mail 48, 50, 105, 108, 117, 178,
217ff., 274, 323, 476
- ökosysteme 43, 54
Emotional-Contagion-Konzept 211ff.
- sektor 43, 337, 505
Emotionen 211ff.
- Wissensintensive 133ff., 227, 414
Emotionsübertragung 216ff.
Digital Signage 540f.
Engagement 143, 151, 399, 451
Digitale/s
Erfolgsfaktoren 12ff., 53, 74, 133ff.,
- Dienstleistungen 5ff., 94, 128,
389
165ff., 194, 269, 293, 301, 337,
392ff. Erlebnis 24ff., 83, 169, 507ff., 538
- Disruption 163 - Einkaufs- 537
- Kundenerwartungen 523 - Konsum- 507
- Ökosysteme 77, 79 - Kunden- 83, 327f.
- Plattform 51ff., 71ff., 101ff., - Multi-Channel- 536
161ff., 398, 481ff.
- orientierung 536f.
- Services 392ff.
- Präferenz- 506
- Transformation 8ff., 45ff., 78, 84,
- raum 400, 537
93, 337, 344, 411ff., 534
- Service- 24, 536
Digital-in-Store Services 36, 536f.
- Shopping- 169
Digitalisierung 5ff., 43ff., 73ff., 93,
115ff., 135ff., 163ff., 187ff., 213, E-Service 10ff., 392, 431
269ff., 301, 313, 317, 337, 344,
367, 381ff., 413ff., 483ff., 497ff., F
523ff.
Financial Services 260, 470ff.
Digitization 46, 241ff., 292
FinTech 52, 82, 260
Disruptiv 12ff., 49f., 54, 71ff., 115,
Fitness tracker 37, 447ff.
180, 338, 358, 370, 372, 413, 523ff.
Funktionaler Wert 508
Dokumentenanalyse 381ff.
G
E
Geschäftsmodell(e) 5ff., 43ff.,
E-Books 392f.
- dienstleistungsbasierte(n) 7, 26,
Ecosystem 49ff., 74ff., 94ff., 169ff.,
135ff.
179ff., 317, 342, 365
- Implementierung von 153
E-Health-Plattformen 79, 85
Stichwortverzeichnis 559

Gestaltungsparameter 322ff. K
Grenzkosten 30, 287 Kontext 7ff., 93ff., 119, 129, 133,
139f., 166ff., 188ff.
H
Kontextsensivität 488f.
Healthcare 35f., 164, 261, 448
Kunden-
Hochschulmarketing 499ff.
- integration 281, 395, 403, 484ff.
Hybride Leistungsbündel 302, 338, 485
- Mitarbeiter-Interaktion 24, 211ff.
Hybride Produkte 23, 485
- service 31ff., 53
I - zufriedenheit 6, 139ff., 216ff.,
322ff., 352ff.
IHIP characteristics 467ff.
Industrie 4.0 6ff., 45, 73, 83ff., 93f., L
115ff., 163, 189f., 278, 293, 301ff.,
Location-based Services 399, 528ff.
317, 344, 363ff., 483ff.
Logistik 59, 81ff., 104ff., 115, 140ff.,
Industrielle Dienstleistungen 483
168, 275f., 301ff., 363ff., 490
Initiative 25, 55ff., 84, 175, 190, 337,
Lösungsanbieter 51, 116f., 303, 366,
365
485
Innovations-
Loyalty program 445ff.
- ökosystem 71ff.
M
- plattform 78f.
Marktstrategien 384ff.
Insurance 82, 255, 257, 445ff.
Mass Customization 80, 282ff., 392ff.,
Interaktions-
469
- kompetenz 509ff.
Mobile
- qualität 13, 425
- Plattforms 538
Interaktivität 417ff., 537
- Payment 468, 538
Integrationsplattformen 79
Multikriterielle Bewertung 127
Internet of Things 10ff., 163, 243, 317,
485 N
Internet der Dinge 5, 14, 83, 87, 115, Net Promoter Score 473
278, 301, 313, 344, 365, 367
Netzwerkeffekte 76ff., 171
No-Line-Orientierung 523ff.
560 Stichwortverzeichnis

O S
Offline 4.0 523ff. Service
Ökosystem 49ff., 74ff., 94ff., 169ff., - concept(s)/konzept(e) 272, 315ff.,
179ff., 317, 342, 365 465ff., 485
Online Communities 282 - Design 273f., 318ff.
Organisation 185ff., 312 - Dominant Logic 50f., 243ff.,
341ff., 386, 505f.
Organisationsdesign 55ff.
- Ecosystem/Ökosystem 161ff.,
P 241ff., 339ff.
Peripherie 77ff. - Encounter 271ff., 505
Personalisierung 286, 341 - Engineering 315ff., 338, 486
Persönlichkeit 211ff. - entwicklung 317ff.
Platform/Plattform 51ff., 101ff., 161ff., - Experience 315ff.
187ff., 243ff., 312f., 338ff., 384ff.,
- Innovation 280, 315ff.
447, 472ff., 481ff., 500ff.
- Matrix 468 ff.
- ökonomie 71ff.
- modularisierung 488ff.
- kern 76ff.
- Provider 228, 469ff.
Point-of-Decision 531f.
- platform/Plattform 94, 250ff.,
Potenziale 84ff., 116ff., 185ff., 269ff.,
280ff., 481ff.
330, 347ff., 411ff., 497ff.
- Transition 241ff., 381ff.
Predictive Analytics 53, 261
Self-Service 103, 247ff., 291, 415,
Produkthersteller 133ff.
477ff., 484ff.
Produktion 76, 115ff., 138ff., 168, 282,
Self-tracking 445ff.
305, 337ff., 363ff.
Servitization 136, 243, 283, 369, 381ff.,
Produkt-Service-Systeme 315ff., 366
485
Professional Services 411ff., 469ff.
Sharing Economy 54, 185ff.
Q Similarity-Attraction-Effekt 211ff.
Qualitative Forschung/Studie 140 Smartphone 47, 77ff., 120, 168ff.,
527ff.
Quantified Self 445ff.
Smart Service/s 94f., 165ff., 337ff.,
487f.
- als Innovationstreiber 337f.
Stichwortverzeichnis 561

- Canvas 91ff. U
- Design/Entwicklung von 164, Unternehmensberatung 411ff.
339ff.
Usability-in-Store 539ff.
- DNA 339f.
V
- Funktionen 340f.
Value
- im Business-to-Business Sektor
335ff. - Co-Creation 249
- System 352ff. - Proposition 46ff., 255
- Treibereffekte 343f. - Proposition Canvas 96ff.
Smarte Produkte 176ff. Verarbeitendes Gewerbe 113ff.
Softwareplattformen 71ff. Vorgehensmodell 321
Soziale Netzwerke 287, 529ff.
W
Spannungsfelder 47, 185ff.
Wearable technology 445ff.
Sprachanalyse 211ff.
Web-to-Store Services 533ff.
Sprachanalysetechnologien 211ff.
Wertangebote 51, 96ff., 506ff.
Start-up 87, 187ff., 534
Wertkette 275
stationärer Handel 523ff.
Wertschöpfung(s)- 52ff, 76ff., 99ff.,
Strategien in der Medienbranche 385f. 269ff., 335ff., 485ff., 504ff.
Strategisches Marketing 43ff. - aktivitäten 275
Strukturmuster 269ff. - systeme 116, 196, 309ff.
Werttreiber 269ff., 356
T
Technischer Kundendienst 485ff.
Technologie/Technology 269ff., 299ff.,
354ff., 363ff., 448, 472ff., 484ff.
Touchpoints 358
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