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Theodor Storm Neujahrswünsche, Neujahrsgedichte

Oktoberlied  
Der Nebel steigt, es fällt das Laub;
Schenk ein den Wein, den holden! Wir wollen glauben
Wir wollen uns den grauen Tag
Vergolden, ja vergolden!
Wir wollen glauben
Und geht es draußen noch so toll, an ein langes Jahr,
Unchristlich oder christlich,
Ist doch die Welt, die schöne Welt,
das uns gegeben ist,
So gänzlich unverwüstlich! neu, unberührt,
Und wimmert auch einmal das Herz, -
voll nie gewesener Dinge,
Stoß an und laß es klingen! voll nie getaner Arbeit,
Wir wissen's doch, ein rechtes Herz
Ist gar nicht umzubringen.
voll Aufgabe, Anspruch,
Zumutung.
Der Nebel steigt, es fällt das Laub;
Schenkt ein den Wein, den holden!
Wir wollen uns den grauen Tag
Wir wollen sehen,
Vergolden, ja vergolden! daß wir´s nehmen lernen,
Wohl ist es Herbst; doch warte nur,
ohne all zu
Doch warte nur ein Weilchen! viel fallen zu lassen, von dem,
Der Frühling kommt, der Himmel lacht, was es zu vergeben hat,
Es steht die Welt in Veilchen.
an die, die Notwendiges,
Die blauen Tage brechen an, Ernstes und Großes
Und ehe sie verfließen,
Wir wollen sie, mein wackrer Freund, von ihm verlangen.
Genießen, ja genießen.
(Rainer M. Rilke)

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