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Die hohe Kunst der Knotenwerte

Article · March 2005

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2 authors:

Alexander Stahr Jürgen Ruth

Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig Bauhaus-Universität Weimar
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Fassade_03_05_s38-41 29.08.2005 8:47 Uhr Seite 38 Mac00883 v011a:287503_a__FASSADE_3_2005: Umbruch:

TECHNIK

Die hohe Kunst der Knotenwerte

Amorphe Formen – konstruktiv vernetzt: ein aktueller Trend in der Fassadenarchitektur

Organisch gerundete Formen tauchen

seit einigen Jahren wieder verstärkt in
Architektur-Wettbewerben auf. Durch die
Exklusivität ihrer Erscheinung bannen sie
die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit
und distanzieren sich deutlich von ihrem
baulichen Umfeld; im Zeitalter des
weltweiten Wettbewerbs der großen und
der kleinen Städte, Museen und Stadien
ein nicht zu unterschätzender Image-
Faktor. Unsere Autoren erläutern den
neuen Trend in der Fassadensprache.

E ine Riege zumeist junger Architekten

nutzt die sich ständig weiterent-
wickelnden Möglichkeiten der modernen
Rechentechnik, um die Formen ihrer Ent-
würfe aus biologischen, geografischen
oder anderen Analogieschlüssen abzulei-
ten. Sie nutzen dabei eine neue Software-
Generation als Entwurfshilfsmittel, wel-
che hohe Rechnerleistungen bedingt und
nutzt. Diese Programme sind zwar primär
für die Anwendung im Industriedesign
oder in der Filmbranche entwickelt wor-
den und daher zunächst als branchen-
fremd einzustufen. In ihrer Handhabungs-
philosophie bedienen sie jedoch den von
Architekten zumeist favorisierten, krea-
tiv-intuitiven Entwurfsansatz. Mit ihrer
Hilfe sind nahezu vorkenntnisfrei beliebi-
ge Formen virtuell generierbar.
Die unregelmäßige, doppelte Krümmung
ist das markanteste Merkmal amorph ge-
formter Flächen. Stärker und weniger
stark gekrümmte Bereiche gehen fließend
ineinander über. Ebene Teilflächen sind
eher die Ausnahme, denn die Regel.
BusSTOP, Entwurf: Antje Triebel
Die mathematisch-geometrischen Grund-
lagen der Beschreibung wechselnder
Krümmungen wurden im Laufe der letz-
ten 50 Jahre entwickelt und verfeinert.
Sie basieren im Wesentlichen auf der Be-
schreibung beliebig gekrümmter ebener
Kurven (Splines) auf der Basis von Polyno-
men höherer Ordnung mit Hilfe von Kno-
ten- und Tangentenwerten.
Die Erweiterung dieser Ansätze auf flächi-
ge Zusammenhänge ermöglicht die alge-
braische Beschreibung von frei geformten
Oberflächen. Der umfassendste und form-
flexibelste Ansatz verbirgt sich hinter dem
Akronym NURBS (Non Uniform Rational
B-Splines). Er bildet mehrheitlich die
Grundlage heutiger leistungsstarker CAD-
und Modellierprogramme.
Der rechnerbasierte architektonische
Formentwurf stellt die digitale Alternative
zum analogen, physisch-haptischen Vor-
gehen mit Modellen aus Tüll, Gummi-
membranen, Ton, Knetmasse o. Ä. dar.
Er bietet gegenüber diesen den entschei-
denden Vorteil, dass die generierte Form
zu beliebigen Zeitpunkten des Entwurfs-,
Planungs-, Fertigungs- und Montagepro-
zesses in Form eines digitalen Datensatzes
zur Verfügung steht. Zum einen ist also
die Weiterverarbeitung der geometri-
schen Informationen in nachgeordneten
Planungsphasen (Statische Berechnung,
Ausführungsplanung usw.) möglich. Zum
anderen stehen die u. U. transformierten
Daten für die Verwendung im industriali-
sierten Fertigungsprozess zur Verfügung.
Darüber hinaus ermöglichen sie auch die
Vernetzte Freiformfläche.
Grafiken: Bauhaus Universität Weimar
direkte logistische und geodätische Un-
terstützung der Montage der Fassade auf
der Baustelle.
Bei allen Fortschritten in der mathema-
tisch-geometrischen Beschreibung sowie
in der darauf basierenden computergrafi-
schen Darstellung frei geformter Körper
stellt die konstruktive Realisierung dop-
pelt gekrümmter Fassadenflächen unter
wirtschaftlichen Rahmenbedingungen
noch immer eine große Herausforderung
dar. Als besonders hinderlich erweist sich
in diesem Zusammenhang die Tatsache,
dass solche Flächen von wenigen Ausnah-
men abgesehen nicht abwickelbar, das
heißt „nicht in die Ebene ausrollbar“ sind.
Prinzip
Stabnetz
Sie lassen sich im Umkehrschluss nicht
aus ebenen oder linearen Elementen zu-
sammensetzen, welche jedoch mehrheit-
lich als Produkte industrieller Fertigungs-
prozesse für den baukonstruktiven Einsatz
zur Verfügung stehen. Es bedarf somit ei-
genständiger, differenzierter, bautechni-
scher Lösungsansätze zur Verwirklichung
individueller, großformatiger Freiform-
flächen im architektonischen Kontext.
Ein Prinzip, das vor allem in den letzten
Jahren aufgrund der Möglichkeit der Rea-

38 FASSADE 3/2005
Fassade_03_05_s38-41 29.08.2005 8:48 Uhr Seite 39 Mac00883 v011a:287503_a__FASSADE_3_2005: Umbruch:
lisierung hochgradiger Transparenz (Ver-
glasung) und der Nutzbarkeit industrieller
Vorfertigungsprinzipien verstärkt in den
Blickpunkt des Interesses gerückt ist, ist
das des konstruktiven Stabnetzes. Es be-
ruht auf dem Ansatz der Elementierung
der räumlich gekrümmten Fläche durch
Implementation eines der Krümmung der
Oberfläche folgenden Netzes. Die aus dem
Gliederungsprinzip folgende Maschen-
struktur dient als Referenz für die Ent-
wicklung einer Stabkonstruktion. Da die
Krümmungen der einzelnen Teilflächen
(Maschen) in Bezug auf die Gesamtfläche
zumeist sehr gering sind, können verein-
fachend gerade Stäbe und ebene Gläser
zur Anwendung kommen. Die doppelt ge-
krümmte Fläche wird gewissermaßen aus
ebenen Teilflächen zusammengesetzt. Sie
trägt somit approximierenden Charakter.
Das Verhältnis von Maschengröße und lo-
kaler Krümmung definiert den Grad der
Approximation. Ist er genügend groß,
„verschwimmt“ die Erscheinung der Ge-
samtfläche vor dem Auge des Betrachters
zu einem homogenen Ganzen.
Um der Freiformgeometrie der Fläche fol-
gen zu können müssen die linearen Netz-
kanten unterschiedlich lang sein. Daraus
resultieren an jedem Punkt des Netzes in-
dividuelle Winkel zwischen den Kanten.
Da das konstruktive Stabwerk direkt an
das mathematische Flächennetz gekop-
pelt ist, muss es den zuvor geschilderten
Bedingungen ebenfalls genügen.
Was wiederum zur Folge hat, dass die ein-
zelnen Elemente der Konstruktion einen
individuellen Charakter erhalten. Im kon-
struktiven Entwurf gilt es, diese bean-
spruchungs- und funktionsgerecht zu ge-
stalten und dabei deren mannigfaltige lo-
kale Adaptierbarkeit zu gewährleisten. Im
baukonstruktiven Sinn sind die tragende
Knoten-Stabkanten-Winkel
TECHNIK
Stabstruktur und
die raumabschlie-
ßende Hülle funk-
tional voneinander
entkoppelt. Organi-
satorisch sind sie
jedoch eng mitei-
nander verknüpft,
da die Hüllelemen-
te in der Regel di-
rekt auf den Stäben
aufliegen, ihre
Geometrie somit
direkt mit der des
Netzes verknüpft
ist. Das Stabnetz
selbst wird gebildet
aus den Stäben und Räumliche Winkel zwischen Netzkanten
Knotenelementen,
welche eine Vermittlerrolle im Kontaktbe- Sollen wie zuvor beschrieben zur Ein-
reich der Stäbe übernehmen. Prinzipiell deckung ebene Gläser zur Anwendung
sind sowohl ein- als auch zweilagige Stab- kommen, ist die Ebenheit der Maschen ein
netzkonstruktionen realisierbar, wobei spe- weiterer, direkt mit der Netztopologie
ziell erstgenannte geeignet sind, den wie- verknüpfter grundlegender Aspekt. Nur
derholten gestalterischen Wunsch nach ei- dreieckige Maschen genügen diesem An-
ner klar strukturierten Gesamterscheinung spruch in jedem Falle. Bei viereckmaschi-
zu befriedigen. gen Strukturen muss durch gesonderte
Von ausschlaggebender Bedeutung für Maßnahmen ihre Ebenheit sichergestellt
die Brauchbarkeit des Stabnetzes als Trag- werden.
werk ist seine Topologie. Nur dreieckige
Maschen sind in der Ebene unverschieb- Einfluss
lich und sichern bei gelenkiger Stabver- der Verglasung
bindung die notwendige Schubsteifigkeit
in der Fläche. Viereckige Maschen können Die Definition der Gestalt der Stäbe und
durch die ,Einschaltung’ von einfachen des Knotens stellt die Kernaufgabe des
(drucksteifen) Stabdiagonalen oder durch konstruktiven Entwurfs von Stabnetzen
die Integration doppelter (zugsteifer) dar. Insbesondere die große Bedeutung
Seildiagonalen in ,echte’ bzw. ,unechte’ des Knotens ist in der Literatur vielfach
Dreiecknetze überführt werden. Netze mit beschrieben worden. So charakterisiert Fi-
mehr als viereckigen Maschen sind denk- scher diesen als „das wichtigste Element ...
bar, jedoch wegen der zuvor beschriebe- (im Stabnetzwerk) überhaupt“ [1], und
nen Problematik bautechnisch kaum von Klimke bezeichnet die Verbindung einer
Bedeutung. im Allgemeinen großen Anzahl von Stä-
ben als das Schlüsselproblem beim Bau
räumlicher Stabwerke [2].
Die dominierenden Randbedingungen des
konstruktiven Entwurfs sind:
V die Gewährleistung der direkten, linea-
ren Glasauflagerung auf den Stäben,
V die Übertragung und Verteilung der
Kräfte (und Biegemomente) im Stab-
netz sowie
V die Gewährleistung der globalen
Flächengeometrie durch die räumlich
ausgerichteten Stäbe.
Die Verglasung ist die flächenbildende
Hüllebene der Konstruktion. Bei der kon-
struktiven Detaillierung der Konstruktion
sind selbstverständlich die bekannten Re-
geln des konstruktiven Glasbaus einzuhal-
ten und bei der gestalterischen Ausfor-
mung des Knotens und der Stäbe zu
FASSADE 3/2005 39
Fassade_03_05_s38-41 29.08.2005 8:48 Uhr Seite 40 Mac00883 v011a:287503_a__FASSADE_3_2005: Umbruch:
TECHNIK
Projizierte Normalenflächenwinkel
berücksichtigen. Besonders hingewiesen
werden soll auf zwei entscheidende Rand-
bedingungen.
Zur Gewährleistung einer glasgerechten,
linearen Lagerung der Glaselemente zwei-
er benachbarter Facetten des Stabnetzes
ist eine ebene Oberfläche der Stäbe erfor-
derlich. Dies erzwingt eine polygonale
Stabquerschnittsgeometrie bzw. schließt
gerundete Querschnitte aus.
Für die Gestalt des Knotens ist speziell der
Bereich der Kontaktflächen von Stab und
Knoten von Bedeutung. Um eine durch-
gängig lineare Auflagerung des Glases ge-
währleisten zu können muss an dieser
Stelle konstruktiv ein homogener Über-
gang gewährleistet werden, welcher
primär keinen Versatz der Oberkanten
beider Elemente bewirken darf.
Verbindung von
Stab und Knoten
Die Stäbe des Netzes sind im Knotenbe-
reich über spezielle vermittelnde Knoten-
elemente miteinander verbunden. In der
Kontaktfläche zwischen den Elementen
müssen die auftretenden Beanspruchun-
gen sicher und zuverlässig sowie mög-
lichst verformungsarm übertragen wer-
den. Art und Größe der Beanspruchung
der Verbindungen zwischen Stäben und
Knoten sind direkt abhängig vom Tragver-
halten der Gesamtstruktur. Dieses ist
grundsätzlich abhängig vom Zusammen-
spiel der äußeren Beanspruchungen sowie
der Form, Auflagerung und Struktur des
Stabnetzes.
In der Verbindung müssen im Regelfall
einachsige Normal- sowie zweiachsige
Querkräfte und Biegemomente übertra-
gen werden. Sie sind im Ergebnis stati-
scher Berechnungen quantifizierbar und
somit integraler Bestandteil des konstruk-
tiven Entwurfsprozesses. Die Größe der
40 FASSADE 3/2005
Biegebeanspruchung ist dabei von ent-
scheidender Bedeutung bezüglich der Di-
mension und querschnittsbezogenen Aus-
prägung der Stäbe, was wiederum direkt
auf die Dimension (speziell die Höhe) des
Knotens rückwirkt.
Für die unmittelbare Verbindung von Stab
und Knoten stehen die eingeführten Ver-
bindungstechnologien des Stahlbaus
(Schrauben und Schweißen) zur Verfü-
gung. Eine der wichtigsten verbindungs-
bezogenen Entscheidungen im Rahmen
des konstruktiven Entwurfs ist die Defini-
tion der Kontaktfläche bzw. Konturlinie
zwischen Stabende und Knoten(ende).
Diese hat prägenden Einfluss auf die Ge-
stalt des Knotens und die Beanspruchung
der Verbindungsmittel.
Geometrie
am Knoten
Die Umsetzung der Freiformflächengeo-
metrie ist unabdingbare Voraussetzung
für das Gelingen der Konstruktion. Die
Struktur des flächengliedernden Netzes
ist zunächst die eines dreidimensionalen
Gefüges aus eindimensionalen Kanten
und nulldimensionalen Knoten. Sie refe-
renziert die unregelmäßige, globale ‚Ba-
sisgeometrie’ des konstruktiven Stabnet-
zes. Eine grundlegende Teilaufgabe des
konstruktiven Entwurfs ist somit die ein-
deutige und konsistente Ausrichtung der
Bauteile (Stäbe und Knoten) im Netz zur
Abbildung der inhomogen geformten
Fläche.
Die Definition der Lage der Stäbe orien-
tiert sich an den Kanten des Referenznet-
zes. Dazu gilt es, an jeder Netzkante den
zugehörigen Stab mit einer seiner Stab-
längsachsen auszurichten. Aufgrund der
direkt auf der Staboberkante aufliegen-
den Verglasung und der bedingt durch die
Globalgeometrie der Fläche nicht homo-
Stabdrehwinkel
genen Ausrichtung der zwei am Stab be-
nachbarten Facetten gegeneinander muss
die Ausrichtung des Stabquerschnittes
anhand der lokalen Geometrie definiert
werden. In verschiedenen Projekten [4–6]
wurde zur Lösung dieses Problems eine
Orientierung der z-Achse des Stabes in
der Winkelhalbierenden der benachbarten
Teilflächen realisiert.
Die Grundform der Knotenelemente ist
aus konstruktiven und verbindungstech-
nologischen Gründen in der Regel die ei-
nes Voll- oder Hohlzylinders. Damit ver-
fügt jeder Knoten über eine zentrale Ach-
se (Knotenvektor), deren individuelle,
räumliche Orientierung ebenfalls zu defi-
nieren ist. Da im Unterschied zu einfach
oder doppelt gekrümmten, geometrischen
Regelflächen keine globale Bezugsachse
(z. B. Zylinder, Tonne, Kegel) bzw. kein glo-
baler Bezugspunkt (z. B. Kugel, Kugelka-
lotte) zur Ausrichtung der Knoten genutzt
werden kann, muss eine alternative Lö-
sung auf der Basis lokaler Geometriedaten
entwickelt werden [3].
Verschiedene praxiserprobte Ansätze stüt-
zen sich dabei auf Parameter der am Kno-
ten angeschlossenen Stäbe bzw. Teil-
flächen [4–6]. Mit Hilfe vektoralgebrai-
scher Methoden lässt sich eine individuel-
le Ausrichtung jedes einzelnen Knotens
definieren.
Aus der Ausrichtung der konstruktiven
Elemente zueinander ergeben sich zusätz-
lich zum mathematischen Netz weitere
geometrische Bezüge. So lässt sich das
Verhältnis der Knotenachse zu den Stab-
achsen mit Hilfe von drei polaren Winkeln
je Stabanschluss beschreiben. Nachfol-
gend sollen diese für die Konstruktion von
Freiformstabnetzen eminent wichtigen
geometrischen Zusammenhänge kurz dar-
gestellt werden.
An jedem Stabanschluss des Knotens
lässt sich ein räumlicher Winkel zwischen
der Netzkante bzw. Stabachse und der
zentralen Achse des Knotenelements be-
nennen. Dieser Knoten-Stabkanten-Win-
kel ist im Wesentlichen und direkt ab-
hängig von der lokalen Krümmung der
Fläche.
Sind alle Winkel der angeschlossenen
Stäbe größer bzw. kleiner als 90°, kann
der Knoten als ,gleichsinnig gekrümmt’
bezeichnet werden. Ist dies nicht der Fall,
schließen also Stäbe sowohl mit einem
Winkel von weniger als auch von mehr
als 90° an, ist der Knoten ,gegensinnig
gekrümmt’. Bei ,Knoten-Stabkanten-
Winkeln’ von genau 90° verschwindet
die Krümmung. Die zugehörige Fläche ist
eben.
 Fassade_03_05_s38-41 29.08.2005 8:48 Uhr Seite 41 Mac00883 v011a:287503_a__FASSADE_3_2005: Umbruch:

TECHNIK

In der Ebene rechtwinklig zur Knotenach-
se lassen sich weitere Winkel definieren,
die als projizierte Normalenflächenwinkel
bezeichnet werden sollen. Sie ergänzen
sich am Knoten zu 360° und sind im We-
sentlichen abhängig von der Geometrie
des Flächennetzes. Die Verteilung der pro-
jizierten Normalenflächenwinkel ist ab-
hängig von der Ausrichtung des Netzes
und von wesentlicher Bedeutung für die
Dimension des Knotenkörpers.
Bedingt durch die zuvor beschriebene
notwendige Ausrichtung der Stäbe poly-
gonalen Querschnitts in Bezug auf die
hüllenden Glaselemente, ergibt sich ein
Winkel zwischen der z-Achse des Stabes
und der projizierten Knotenachse. Dieser
Stabdrehwinkel ist abhängig von der
Ausrichtung der am Stab benachbarten
Facetten und damit sowohl von der
Krümmung als auch der Geometrie der
Vernetzung. Er ist aufgrund der räumlich
unabhängigen Ausrichtung der Knoten-
elemente im Normalfall an beiden Stab-
enden unterschiedlich.
rung dieser stellt ein wesentliches Kern-
problem beim konstruktiven Entwurf der
Stabnetzkonstruktion dar. Durch entspre-
chende Berücksichtigung der geometri-
schen Zusammenhänge muss eine Adap-
tierbarkeit des zu konzipierenden Leitde-
tails auf alle Knoten ermöglicht werden.
Prof. Dr.-Ing. Jürgen Ruth
Dipl.-Ing. Alexander Stahr
Bauhaus-Universität Weimar
Fakultät Architektur
Professur Tragwerkslehre
D-99421 Weimar
Literatur
1. Fischer, K.: Glaseingedeckte Stahlgitter-
schalen/Netztragwerke, in GlasKon ‘99.
1999, Messe München GmbH: München.
2. Klimke, H.: How Space Frames are
connected, in Shells and Spatial Structu-
res: from recent past to the next millenni-
um. 1999: Madrid.
3. Stephan, S., J. Sánchez-Alvarez, and K.
Knebel: Stabwerke auf Freiformflächen.
Stahlbau, 2004. 73 (8): p. 562 – 572.
4. Schlaich, J., H. Schober, and T. Helbig:
Eine verglaste Netzschale: Dach und
Skulptur – DG Bank am Pariser Platz in
Berlin. Bautechnik, 2001. 78 (7): p. 457 –
463.
5. Schober, H., K. Kürschner, and H.
Jungjohann: Neue Messe Mailand – Netz-
struktur und Tragverhalten einer Frei-
formfläche. Stahlbau, 2004. 73 (8): p. 541
– 551.
6. Sischka, J.: et al., Die Überdachung des
Great Court im British Museum in London.
Stahlbau, 2001. 70 (7): p. 492 – 502.

Zusammenfassung
Auf der Basis der sich permanent weiter-
entwickelnden modernen Rechentechnik
haben sich auch die Möglichkeiten des ar-
chitektonischen Entwerfens in den letzten
Jahren stark verändert und erweitert.
Branchenfremde Softwarelösungen, wel-
che für die Formgebung im Industriede-
sign entwickelt wurden, bieten auf indivi-
duell-intuitiver Handlungsbasis die Vor-
aussetzung zur Erzeugung nahezu belie-
big geformter Flächen.
Stabnetze bieten einen konstruktiven An-
satz, doppelt gekrümmte Freiformflächen
mit Hilfe vergleichsweise kleinteiliger li-
nearer und ebener Elemente zu erzeugen.
Der Wechsel der Krümmungen im Stab-
netz führt dabei zu einer individuellen
geometrischen Ausprägung der Bauele-
mente.
Die Beschreibung der geometrischen Zu-
sammenhänge am Knoten ist Vorausset-
zung für die Realisierbarkeit der Stab-
netzkonstruktion. Dazu müssen die Kno-
ten sowie die Stäbe zunächst aufgrund
fehlender zentraler Bezugsachsen oder
–punkte mittels lokaler Parameter konsis-
tent in Bezug auf das Flächennetz ausge-
richtet werden.
Durch die Implementation konstruktiver
Knotenelemente, welche als ,Vermittler’
zwischen den zu verbindenden Stäben
dienen, ergeben sich polare Winkelbezüge
zwischen Knoten- und Stabachsen im An-
schlussbereich. Die konstruktive Realisie-

FASSADE 3/2005 41

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