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Intensiv

Standort: ÖR/

Freizügigkeit, Art. 1 1 1 GG Einzelprobleme

[a Welche Anforderungen sind an das vorübergehende Verweilen zu stellen?

Teilweise wird davon ausgegangen,dassArt. 2 ll 2 GG nur vor straöechtlichen Freiheitsentziehungenund -


beschränkungenschützt, so dassjede sonstige Fortbewegung dem Schutzbereich des Art. 11 1GG unterfällt
(Frenze[,JuS 2011, 595 [596]).
Dagegenspricht jedoch der enge Gesetzesvorbehaltdes Art. 11 11GG. Er würde nicht mit einem weit
verstandenen Schutzbereich korrespondieren. Daher ist davon auszugehen, dass auch der Schutzbereich
restriktiv auszulegenist. Erfasst werden nur Aufenthalte, die eine gewisseDauer besitzen,wobei als
Orientierungspunkt das ErFordemis einer Übernachtung dienen mag (Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn.
880f)
()

Wird die Ausreiseund Auswanderung von Art. 11 1 GG geschützt?

Gegen den Schutz der Ausreise und Auswanderung über Art. 11 1 GG spricht bereits dessen Wortlaut ("im
Bundesgebiet"). Weiterhin kann in Deutschland seit dem ersten Weltkrieg die Ausreise aus dem Staatsgebiet
mittels der Passversagungaus Gründen der Staatssicherheit beschränkt werden. Es ist nicht anzunehmen,
dassder Grundgesetzgeber,wenn er mit Art. ] 1 1 GG ein Grundrecht der Ausreisefreiheit hätte gewähren
wollen, den wichtigen und seit langem bestehendenEinschränkungsgrundder Staatssicherheitübersehen
hätte (BVerfGE 6, 32 [35]). Zudem diRerenziert auch Art. 73 1Nr. 3 GG zwischen der Freizügigkeit und der
Auswanderung. Daher schützt Art. 11 1 GG die Ausreise und Auswanderung nicht (Frenzel, JuS 201 1, 595
[596])

O./il/'a Intensiv(00570 EK OeR NRW.GrundR.Art 11.1 Freizuegigkeit Einzel) Seitel von l


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/ u f a

Intensiv
Standort: OR / Grundrechte / Art. 9 111GG / Koalitionsfreiheit

Art. 9 111 GG - Koalitionsfreiheit

A.Konkurrenzen

Lex specialis gegenüber Art. 9 1 GG und Art. 5 1 1 1. Hs. GG, da Art. 9 111GG ganz bestimmte
Meinungsinhalte schützt (Günther/Franz, JuS 2006, 873 [875]).

B. EingrifTin den Schutzbereich


vonArt. 9 1111
1GG

1. Personeller Schutzbereich

Geschützt werden alle natürlichen Personen, Deutsche wie Ausländer.


Fraglich ist, ob sich Vereinigungen direkt aufArt. 9 1111 GG berufen können oder ob -
wie sonst üblich - Art. 19 111GG maßgeblich ist, vgl. dazu

11. Sachlicher Schutzbereich

1. Gegenstand: "Vereinigungen zur Wahrung und Förderung der Arbeite- und Wirtschafts-
bedingungen

Die in Art. 9 1111 GG beschriebenen Vereinigungen werden als Koalitionen bezeichnet


(Günther/Franz, JuS 2006, 873; Jarass/Pieroth,GG, Art. 9, Rn. 33).

Def: --va--'-v--
uu-. Koalitionen -- sind
--u Vereinigungen
"c-e'---yu--geil ull
im Ollule
Sinne ue
des Art.
il. y9 l1 uu,
GG, ale
die aer
der t"oraerung
Förderung aer
der
Arbeits+und Wirtschaftsbedingungen
dienen. Beide Ziele müssen gemeinsamund nicht
nur alternativ verfolgt werden. Arbeitsbedingungen sind Bedingungen, die sich auf das
Arbeitsverhältnis
'-lvunuvE;iiiaiuua selbst beziehen
BUBI ucz.lel lul l wie z.B. LOHN.
wie z.u. Lohn, AroeKszelt.
Arbeitszeit. Wirtschaftsbedingungen
vvirtscnaTtsDealngurlgerl
haben wirtschafts-
--a"ull und öuaünpunuöuiieii
wuu)uiiaila' uilu sozialpolitischenCharakter, z.B. Malsnanmen
ilaiaKtei, z.H. Maßnahmenzur Verringerung
verringerung
der Arbeitslosigkeit (Kingreen/Poscher,Grundrechte, Rn. 817).
Weiterhin setzt die effektive Wahrnehmung der Interessen der Mitglieder voraus, dass die
Vereiniauna
Vereinigung aeanerfrei
gegnerfrei, linahhännin
unabhängig lund
ind ilhPrhPtriPhlirh
tlberbetrieblich ic:t
ist. nannarrraihai+
Gegnerfreiheit ha A--+A+'ian-
bedeutet. dass
die Mitglieder entweder Arbeitnehmer oder Arbeitgeber sind. Unabhängigkeit meint die
wirtschaftliche Selbständigkeitgegenüber der Gegenseite. Von dem Erfordernis der
Uberbetrieblichkeit gibt es eine Ausnahme für die Post- und Eisenbahngewerkschaft

Ëä:!E::FH:"?== g=.H.H::*='?RK:gm:::g:
HE=H:=JX'
Geschützt sind demnach insbesondere Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände, nicht
aber reine WirtschaRsvereinigungen wie Kartelle und EinkaußsgenossenschaRen
(Kingreen/Poscher,Grundrechte, Rn. 8 17).

2. Gesch ütztes Verhalten

Das geschützte Verhalten entspricht demjenigen im Rahmen der Vereinigungsßeiheit


nach Art. 9 1GG. Vgl. daher die Übersicht "Art. 9 1GG - Vereinigungsheiheit"
Wie bei Art. 9 1 GG ist auch hier fraglich, inwieweit die kollektive Koalitionsfreiheit
geschützt wird, also die Tätigkeiten einer Koalition, vgl. dazu

111. Eingriffin den Schutzbereich

Als Ausnahme gegenüber den anderen Grundrechten bindet Art. 9 1112 GG unmittelbar auch
Private. Diese sog. unmittelbare Drittwirkung ist z.B. betrogen bei einer Kündigung wegen des
Beitritts zu einer GewerkschaR. Vgl. im Ubrigen zum Eingriff die Übersicht "An. 9 1 -
vereinigungsfreiheit

© Jllra Intensiv (00580.EK.OeR.NRW.GrundR.Art.9.111.Koalitioinsfrci.Grob) Seite l von 2

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J 1' a

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Standort OR / Gr! onsfreiheit

C. RechtfertigungdesEingril'fs in Art. 9 1111GG

1. Festlegung der Schranke

1. Quali flzierter Gesetzesvorbehalt

Die Anwendung
des qualinlzierten
Gesetzesvorbehalts
des Art. 9 ll GG auf die
Koalitionsfreiheit ist fraglich. Teilweise wird sie unter Hinweis auf die
Entstehungsgeschichte
Entstehungsgeschichte oelant. römer
bejaht. hemer Koiuic
könne clive
eine n.uülllluii
Koalition im1111
Sinne w.=
alllll'. des ''--'.
Art. 9/ --- uv
111GG
nicht umfassendergeschützt sein als eine Partei gem. Art. 2 1 GG, die unter der Schranke
desArt. 21 ll GG stehe.Schließlichsei die Koalitionsfreiheitnur ein Spezialfallder
Vereinigtmgsßeiheitgem. Ait. 9 1 GG, air welche die Schrankedes Art. 9 ll GG greife
(v. Münch/Kunig, (i(i, Bd. l,1,/\n.
GG, ba. Art. v, Rn. övJ.
9, Kn. 89). . A.
Nach andererAnsicht sprechedie systematische Stellung des Art. 'i ll uu ninter /\n. y l
GG tmd vor Art. 9 111GG dafür, die Schranke nicht auf die Koalitionsßeiheit
anzuwenden (Günther/Franz,JuS2006,873 [875]).
Dieser streite'age
L)leser StreitßageKommt
kommt lelzul
letztlich keine wlimivii
nl Kcuiu wirkliche l\Relevanz zu. b---
l rail" "u. Eine -.
Vereinigung,
v-v-.-'öw'ö,
welche die Zwecke des Art. 9 11 GG verfolgt, erfüllt die Merkmale aes K.oaiitionsoegniis
nicht. so dassschonder Schutzbereich
des Art. 9 1111 GG nicht eröfhet ist.
Insbesondere dient sie nicht der Wahrung und Förderung der Arbeits- und
WirtschaRsbedingungen(Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 839).

2. Verfassungsimmanente Schranken

Eingrine können durch die vernassungsiminanentenSchranken, also durch Grundrechte


B::=r:=:'==:' =:=:."=::;:;=;'':='';==='i;;=: 1=.:Üii"Ü';='':i
genießen beispielsweiseauch Beamte den Grundrechtsschutz des Art. 9 1111 GG ("fÜr
m:=:===:':='.=:=km===':;:==':=;'=':;; Ëi;;=siü;i=Ji;
Jeaerinann ulla lul alle; ociuic; ;3JEuu\'ll \'l vuv- o-v-- 'u- av u - u -"' 'o-'' --- ''
hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums nach Art. 33 V GG wie
nergeoracnten das Streikverbot (Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 842f.).

11. Schranken-Schranken

1. VerEassungsmäßigkeit des eingrei6enden formellen Gesetzes

a) Formelle Vertassungsmäßigkeit des formellen Gesetzes

b) Materielle Verfassungsmäßigkeit des formellen Gesetzes

Zu beachtenist die spezielle Schranke-Schranke des Art. 9 1113 GG


(vgl. Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 844).

2. ggf. Vertassungsmäßigkeitdes eingrei6enden materiellen Gesetzes

3. VerRassungsmäßigkeit des Einzelakts

©lura Intensiv(00580.EKOeR NRW Grunde.Art.9 111.Koalitioinsltei.Grob)


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Intensiv
!gungsfreiheit

Art. 9 1 GG - Vereinigungsfreiheit

A.Konkurrenzen
1. 1exgeneralis (!!Bgbl 4Jlglg gegenüber)

- Art. 4 1, ll GG (Kingreen/Poscher,
Grundrechte,Rn. 801).
Arg.: Spezielle Regelung in Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 ll WRV.
-- Art. 9 111GG (Kingreen/Poscher,
Grundrechte,Rn. 801).
Arg.: Die Koalitionsßeiheit in Art. 9 111 GG ist ein Sonderfall der allgemeinen
VereinigungsfteiheitdesArt.
9 1GG l uu isl elli öonaenallaer alte
Art. 2 1 1GG (str.,vgl. Kingreen/Poscher,
Grundrechte,Rn. 801).

ll. Idealkonkurrenz(nebeneinander anwendbare Grundrechte)

- Art. 8 1 GG (Jarass/Pieroth,
GG, Art. 9, Rn. 2).

B. Eingriff in den Schutzbereich von Art. 9 1GG

1. Personeller Schutzbereich

1. Natürliche Personen

Geschützt sind Deutsche im Sinne des Art. 116 1GG (Deutschenrecht). Zu dem Problem.
ob und wie Ausländer, speziell Unionsbürger, geschützt werden, vgl. die Übersicht
"Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde - Einzelprobleme".
2. Juristische Personen

Fraglich ist, ob sich Vereinigungen direkt aufArt. 9 1GG beruhenkönnen oder ob - wie
sonst üblich - Art. 19 111GG maßgeblich ist, vgl. dazu +lpi
11. Sachlicher Schutzbereich

© ./lira Intensiv (00590.EK.OeR.NRW.GrundR.An.9.1.Vcreinigungsftci.Grob) Seite l von 3

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Intensiv
Standort: OR/ Grundrechte/Art. 9 1GG/ Vereinigungsfreiheit

2. Geschütztes Verhalten

a) individuelle Vereinigungsßeiheit
Geschütztwird die Freiheit des Einzelnen, eine Vereinigung zu gründen sowie
Zweck, Rechtsform, Name, Satzung und Sitz festzulegen (sog.
Vercinsautonomie).
Weiterhin werden der Beitritt zu einer bereits bestehendenVereinigung, die Be-
tätigung in ihr sowie der Verbleib geschützt (Kingreen/Poscher, Grundrechte,
Rn. 810f.).
Als negative Freiheit verbürgt Art. 9 1GG das Recht zum Fernbleiben sowie zum
AustrittauseinerVereinigung(Kingreen/Poscher,
Grundrechte,Rn.811).
Fraglich ist, ob die negative Vereinigungsßeiheitauch das Recht umfasst, + ip2J
öffentlich-rechtlichen Zwangsvereinigungen fernzubleiben, vgl. dazu

b) Kollektive Vereinigungsfreiheit
Fraglich ist, inwieweit Art. 9 1GG die kollektive Vereinigungsfreiheit schützt,
also die Tätigkeiten einer Vereinigung, vgl. dazu

l ll Eingriff in den Schutzbereich

Keine EingriHëstellen Normen dar, die Typen der Vereinigungen(z.B. Gmbh, OHG)
festlegen. Hierbei handelt es sich nur um Ausgestaltungen des Schutzbereichs
(Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 824).
Anm.: Bei der Annahmevon bloßen Ausgestaltungendes Schutzbereichs
ist Vorsicht
geboten,da ansonstendie Grenze zum Eingrif:f völlig verschwimmt. Im Zweifel ist
deshalb von einem Eingriff auszugehen, der gerechHertigt sein kann (vgl.
Jarass/Pieroth,GG, Art. 9, Rn. 14).

RechtfertigungdesEingriffs in Art. 9 1GG

Festlegung derSchranke

Qualifizierter Gesetzesvorbehalt

Nach seinem Wortlaut könnte Art. 9 ll GG eine Begrenzung des Schutzbereichs


darstellen. Dagegen spricht jedoch seine systematische Stellung außerhalb des Art. 9 1
CiG. in welchem der Schutzbereich umschrieben ist. In diese Richtung weist auch der
Vergleich mit Art. 21 ll GG, wonach die angesprochenen Parteien nicht unmittelbar
aufgrund der Verfassung verboten sind, sondern es einer konstitutiven Entscheidung des
BVerfG bedarf. Ferner würde eine Schutzbereichsbegrenzung nach AH. 9 ll GG ohne
konstitutive behördliche Verbotsentscheidungzu Rechtsunsicherheitenfuhren, die den
effektiven Schutz von Vereinigungen beeinträchtigen. Daher wird Art. 9 ll GG von der
h.M. a]s qua]iHlzierter Gesetzesvorbeha]t gesehen (Günther/Franz, JuS 2006, 788 [792]
Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 828f.)

Verfässungsimmanente Schranken

Soweit der qualifizierte Gesetzesvorbehalt des Art. 9 ll GG nicht einschlägig ist, können
Eingrine durch die vernassungsimmanenten
Schranken,also durch GrundrechteDritter
sowie durch andere Rechtsgüter von Verfassungsrang gerechtfertigt werden
(Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 836f)

O./i//'a Intensiv (00590 EK OeR NRW GrundR AH 9.1 Vereinigungsfrei Grob) Seite2 von 3
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./ u r a

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Standort: OR / Grundrechte / Art. 9 1 GG / Vereinigungsfreiheit

11. Schranken-Schranken

1. Verfassungsmäßigkeit des eingreifenden formellen Gesetzes

a) Anforderungen des qualifizierten Gesetzesvorbehalts


aa) Vereinigungen, die den StrafËesetzenzuwiderlaufen

Def: Strafgesetze sind die allgemeinen Strafgesetze, d.h. Strafvorschriften,


die kein gegen die Vereinigungsfreiheit gerichtetes Sonderstrafrecht
darstellen. Ordnungswidrigkeitensind nicht ausreichend (BVerfG, Beschluss
vom 13.7.2018, 1 BvR 1474/12 u.a., juris Rn. 105f.).

Die Bezugnahme auf allgemeine Strafgesetze ist notwendig um zu


verhindem, dassder einfache Gesetzgebermittels Sonderstraßecht über das
Grundrecht disponieren kann (Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 831).
Das Verhalten einzelner Mitglieder ist nur relevant, wenn es der
Vereinigung zugerechnet werden kann. Das gilt nicht nur hier, sondem fur
dengesamtenBereichdesArt. 9 ll GG (Jarass/Pieroth,
GG, Art. 9, Rn. 18).
bb) Vereinigungen, die sich gegendie ver€assungsmäßige
Ordnung richten

Def: Mit der verfassungsmäßigen Ordnung ist wegen des sachlichen


Zusammenhangs mit Art. 18, 21 ll GG nicht wie im Rahmen des Art. 2 1 GG
die Gesamtheit der Normen gemeint, sondern die freiheitlich demokratische
Grundordnung,d.h. die in Art. 20 GG niedergelegtenStrukturprinzipiendes
GG. Hiergegen muss sich die Vereinigung aktiv und aggressiv-kämpferisch
wenden (BVerfG, Beschluss vom 13.7.2018, 1 BvR 1474/12 u.a., juris
Rn. 108f.).

cc) Vereinigungen, die sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung


richten

Def: Die Vereinigung muss eine Störung des Friedens unter den Völkern
und Staaten bezwecken. Auch hier ist ein aggressiv-kämpferisches
Vorgehen notwendig (BVerfG, Beschluss vom 13.7.2018, 1 BvR 1474/12
u.a., juris Rn. 1 1 if.).

b) Formelle VerCassungsmäßigkeit des formellen Gesetzes

c) Materielle Verßassungsmäßigkeit des formellen Gesetzes

2. ggf. VerEassungsmäßigkeit des eingreiGenden materiellen Gesetzes

3. Verfassungsmäßigkeit des Einzelakts

Das konkrete Verbot einer Vereinigung muss unter Beachtung des Verhältnis-
mäßigkeitsprinzips dem Schutz eines der in Art. 9 ll GG genannten Ziele dienen.

© Jilra Intensiv (00590.EK.OcR.NRW.GrundR.Art.9.1.Vcreinigungsttci.Grob) Seite 3 von 3

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Intensiv
Standort: OR / Grundrechte / onsfreiheit

Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit, Art. 9 1, 111GG - Einzelprobleme

[a Sind juristische Personendirekt ausArt. 9 1, 111GG grundrechtsberechtigt?

Nach h.M. sollen sich auch die Vereinigungen selbst unmittelbar aufArt. 9 1, 111GG berufen können,ohne
dasses des Rückgrins auf Art. 19 111GG bedarf. Art. 9 1, 111GG sei demnach ein Doppelgrundrecht, das
sowohldie individuelleals auchdie kollektive Vereinigungsfreiheit
gewährleiste.
Nur so sei für die
Vereinigungen ein eHektiver Grundrechtsschutz gewähr]eistet (BVerfGE 13, 174 [ 1751; 84, 2 12 [224]).

Die Gegenansichthält dieserArgumentationentgegen,dassder Wortlaut desArt. 9 1, 111GG ein solches


Doppelgrundrecht nicht hergebe. Weiterhin sei die Grundrechtsberechtigung von Vereinigungen selbst
abschließendin Art. 19 111GG geregelt. Diese None sei also wie bei jedem anderenGrundrecht auch
anzuwenden
(Günther/Franz,
JuS2006,788 [791]).

Anm Die Ansichten kommen im Ergebnis, wenn auch auf unterschiedlichen dogmatischenWegen,
zu demselben Ergebnis, dass sich Vereinigungen selbst aufden Schutz des Art. 9 1 GG beru
6en können. Daher spielt die Streitfrage in der Klausurbearbeitung keine große Rolle.

fëntlich-rechtlichen
Vereinigungen?

Nach überwiegender Ansicht gewährt Art. 9 1 GG diesen Schutz nicht. Das Grundrecht schützt positiv nicht
das Recht. sich zu einer ÖHentlich-rechtlichenVereinigung zusammenzuschließen.
Denn ein solcher
Zusammenschluss erfolgt nicht freiwillig, sondern kraß Hoheitsakts. Daraus ergebe sich im Umkehrschluss,
dass dem Einzelnen auch nicht das Recht zustehe, sich unter Berufiing auf Art. 9 1 GG solchen
Vereinigungen zu entziehen. Das Grundrecht schütze letztlich umfassend nur die privatrechtliche
Vereinigungsfreiheit, so dass in dieser Konstellation nur Art. 2 1 GG zum Zuge komme (BVerfG, Beschluss
vom 12.7.2017, 1 BvR 2222/12 u.a., RA 2017, 477 [477f.]).

Nach anderer Ansicht schützt die Vereinigungsfreiheit auch vor der ZwangsmitgliedschaRin öffentlich-
rechtlichen Vereinigungen. Der behauptete Umkehrschluss gehe Hehl,da die Abwehr einer zwangsweisen
Eingruppierung in eine Vereinigung nichts mit der positiven Bildung einer solchen Vereinigung zu tun habe.
Stattdessengreife die klassischeAbwehrflinktion des Grundrechtsaus Art. 9 1 GG. Ferner sei nicht
einsichtig, weshalb die MitgliedschaR in privatrechtlichen Zwangszusammenschlüssen über Art. 9 1 GG
angegrinen werden könnte, während dies bei öffentlich-rechtlichen Vereinigungen nicht der Fall sein soll
Die Schutzwürdigkeit des Betrogenen sei stets dieselbe (Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 8 14).

In welchem Umfang schützt Art. 9 1,111GG die Tätigkeiten einer Vereinigung?

Geschützt sind die Tätigkeiten der Vereinigung zur Sicherung ihrer Existenz- und Funktionsfähigkeit sowie
ihre Selbstbestimmungüber die eigene Organisation, das Verfahren ihrer Willensbildung und die Führung
der Geschähe. Im Einzelnen umfasst das insbesondere die Aufnahme und den Ausschluss von Mitgliedern,
die Mitgliederwerbung und die Selbstdarstellung nach außen sowie hinsichtlich des Grundrechts aus Art. 9
111GG die Durchführung von Arbeitskampfinaßnahmen. Nicht über Art. 9 1, 111GG geschützt sind hingegen
Tätigkeiten, die auch von Einzelpersonenin gleicher Weise vorgenommen werden können. Nimmt die
Vereinigung also wie jedermann am Rechtsverkehr teil, z.B. indem sie einen VA beantragt, richtet sich ihr
grundrechtlichen Schutz nach dem fur die jeweilige Tätigkeit einschlägigen Grundrecht (Günther/Franz, JuS
2006, 788 [790]). Speziell mit Blick auf das Grundrecht aus Art. 9 111GG sind politische Streiks sowie
Solidaritäts- und Sympathiestreiks,die sich nicht gegen den Tarifpartner richten, und die nicht von einer
Koalition gefuhrten wilden Streiks vom Schutz ausgenommen,weil ihnen der Bezug zur Förderung der
Arbeits- und WirtschaRsbedingungenfehlt (Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rn. 822).

© ./i//'a Intensiv (00600.EK OeR NRW.GrundR.Verein Kolitionsßrei.Einzel) Seite l von


182
Intensiv
Standort: OR/Grundrechte

Fall: ''Die Großdemo''

Im Kreis Coesfeld wird zur Zeit eine Müllverbrennungsanlage errichtet, gegen die wegen
befurchteter Immissionen zahlreiche Bürgerprotesteentflammt sind. Aus diesen Gründen soll am
Sonntag dem 10.12. eine Großdemonstration in der Umgebung des Baugeländes stattfinden, an der
ca. 25.000 Personenteilnehmen.
Da hierbei erhebliche Ausschreitungenund somit Gefahren fÜr die ÖHentlicheSicherheit und
Ordnung angenommen werden, spent die zuständige Behörde an diesem Tag das Baugelände in
einemRadiusvon ca. 7 km für jeden KraR€ahrzeug- und Fußgängerverkehr ab und fordert die
Demonstranten auf ihr Vorhaben aufzugeben.
Die meisten Demonstranten ziehen unverrichteter Dinge wieder ab. 200 Demonstranten beraten
jedoch außerhalb der Sperrzone, welche Alternativen sie hätten, um ihren Protest auszudrücken.
Diese Demonstranten werden jedoch kurz daraufohne Vorwamung von der Polizei eingekesselt, so
dass auch ihr Protest nicht in der gedachten Foml zum Ausdruck gebracht werden kann.
In dieses Sperrgebiet fällt auch eine Zufahrtsstraße zu der an dem Wochenende stattfindenden
Herbstkirmes der Stadt Coesfeld. Da andere Zugangsmöglichkeiten nicht bestehen,gelangt an
diesem Tag kein Besucher aufdie Kirmes. Die Schausteller erzielen deshalb keine Einnahmen. und
die Stadt Coesfeld erhält kein Standgeld, das mit den Schaustellern als Gewinnbeteiligung
vereinbart war.

Sind durch diese Maßnahmen Grundrechte verletzt worden?

Bearbeitewermerk:
Art. 14 GG ist nicht zu prüfen.

© Jura Intensiv (006 10.EK.OeR.NRW.GrundR.Grossdcmo.SV) Seite l von l

183
Intensiv

Standort: OR/Grundrechte/Klausur

A. Grundrechte der Demonstranten

l Verletzung des Art. 8 GG durch die Absperrung

l Schutzbereich
a) Versammlung
Versammlung i.S.v. Art. 8 1 GG ist das Zusammenkommen von mehreren Personen zu einem
gemeinsamen
Zweckzwischendeneneine innereVerbindungbesteht(BVerfGE69, 315 [3.42]).:. . , ..
Umstritten ist, welche Anforderungen an den Inhalt des gemeinsamenZwecks zu stellen sind (vgl.
Enders, JURA 2003, 34 [35]):
(1) Enger Versammlungsbegriff
Zweck der Zusammenkunft sollen ÖHentliche Angelegenheiten sein.

Der verbindende Zwecksammlungsbegriff: (IL ungsbildung und -äußerung, unabhängig von ÖRentlichen
oder privaten Angelegenheiten.

(3nWeiter VersammluinesAn6oiff
runden zu stellen (Garantieder Persönlichkeitsentfaltung
überArt. 8
GG)

Vorliegend kann eine Entscheidung des Streits entfallen, denn selbst nach dem engen
Versammlungsbegriff liegt die Verfolgung des dort geforderten gemeinsamen Zwecks vor. Die
Umweltbelastungmit Abgasen der Müllverbrennungsanlage ist als ÖHentlicheAngelegenheit i.S.d.
Ansicht anzusehen.

b)
UnRiedlichkeit ist dann gegeben,wenn es zu einem gewalttätigen o. außührerischen Verlaufkommt (vgl

&ilÜlihÜÜ.UZËÜZUüiiqiuiüiE:z
Versammlung auszugehen ist.

Dcr Schutzbereich der Versammlungsfreiheit ist betroffen

Eingriff in den Schutzbereich ich liegt vor, da das Grundrecht durch die Sperrung nicht mehr ausgeübt
werden kann.

aetährden. . . .
Seite und der
Wegen 'der weiten Auslegungsmöglichkeit dieser Eingrinsvoraussetzung auf der einen

(BVerfGE69,315). . .. . . .. .. .
A.n die (]etahrenprognose sind strenge Anforderungen zu stellen. Allein der Verdacht, die Vermutung, oder
die Annahme von Ausschreitungen reicht als Grundlage fur ein Verbot nicht aus. . ..
Es kehlen erkennbare Umstände fur eine unmittelbare Gefährdung der ön. Sicherheit, so dass das Verbot,
durch die weiträumige Absperrung und die Aunordcrung von dem Vorhaben abzulassen,verfassungswidrig
ist

Art. 8 1GG ist somit durch die Absperrung verletzt

©lura Intensiv (00611 EK OcR NRW GrundR Grossdemo Loos) Seite l von 3
184
2 Intensiv
Standort: OR/Grundrechte/Klausur

11.Verletzung des Art. 8 durch die Einkesselung


1. SchutzbereichsbetroHenheit
Der Schutzbereichdes Art. 8 GG ist, wie gezeigt, betroffen

2 Eingriff
Es ist #aglich, ob die Einkesselungein Eingriff darstellt, da die Demonstrantenzu einem gemeinsamen
Zweck (Beratung der Alternativen) zusammengekommenwaren und die Einkesselung hieran nichts änderte.
Der Eingrinsbegriff ist jedoch vor dem Sinn des Art. 8 GG auszulegen.Dieser bestehtim Wesentlichenin

individuelle Meinungskundgabeschützt. urch er sich auch von Ait. 5 GG abgrenzt, da diese Norm die
Eine solcheMeinungskundgabe
wird jedoch durch die Einkesselung
vereitelt, da die Teilnehmerdie
Versammlung nicht verlassen konnten, Außenstehende nicht hinzustoßen konnten und auch die geplante
Versammlung verhindert wurde. Es liegt somit ein Eingriff in Art. 8 GG vor.
3
Verfassungsmäßigkeitdes Eingriffs
Der Eingrif:f muss von den Schrankendes Art. 8 GG gedeckt sein. Es handelt sich um eine Versammlung
unter freiem Himmel, so dass eine Rechtfertigung durch des Versammlungsgesetz in Betracht kommt. - '

a) $ 18 111VersG
Nach $ 18 111VersG könnenTeilnehmer von der Versammlungausgeschlossen werden. Dies kann im
Interesseder ömentlichen Sicherheit oder Ordnung, aber auch im Interesseder Versammlung selbst
geschehen.
DerartigeGründesind jedoch nicht ersichtlich,so dassdie Maßnahmenicht von $ 18 111VersG
gerechtfertigt ist.

b) $ 15 111VersG
Die Einkesselung könnte als Auflösung der Versammlung anzusehen sein. Dazu müsste eine

liiiiS::XIT äl TT%Fgl$1
'=R..==.;um:
allgemeinen Ermächtigungenkönnen angewandt werden. Nach $$ 18 1, ll ll VersG muss sich der
einzelne sofort ent6emen.Anderenfalls können sich strafrechtliche Folgen aus $ 125 STGBergeben.
Daraus ergibt sich, dasseine Auflösung ausdrücklich und eindeutig erklärt werden muss (VG Hamburg,
NVWZ 1987, 829 [831] m.w.N.). Eine konk]udenteAuflösungsverfugung
kann somit nicht erklärt
worden sein, so dass die Auflösung nicht von $ 15 111VersG gedeckt ist.
Somit ist Art. 8 1GG auch durch die Einlassung verletzt

lll.Verletzung des Art. 11 GG durch die Einkesselung


Art. 11 GG schütztdie Möglichkeit an jedem Ort innerhalbdes Bundesgebietes
Aufenthaltund Wohnsitzzu
nehmen (BVerfGE 2, 226 [273]). Auüentha]t bedeutet vorübergehendes Verweilen. '
Umstritten ist, ob ein Mindestmaß an Dauer oder Bedeutung zu vordem ist (vgl. Kingreen/Poscher,Grundrechte,
Rn. 881f:). Es ist fraglich, ob derartige Anforderungen hier erfüllt sind und somit der Schutzbereich bedrohenist.
Darüber hinaus ist der Schutzbereich des Art. 11 GG nur betroffen, wenn grundsätzlich ein bestimmter
Aufenthalt verboten wird. Dieses Ergebnis entspricht auch den engen Schrankenvoraussetzungendes Art. l l ll
GG. Eine weite Auslegung des Freizügigkeitsbegrins würde zu dem sinnwidrigen Ergebnis fuhren, dass zB.
sämtliche verkehrslenkendenMaßnahmen einen Eingriff in den Schutzbereichdes Art. 11 darstellen würden. die
nicht von den Schrankendes Art. 11 11GG gedeckt werden könnten. ' ' ----'
Der SchutzbereichdesArt. 11 GG ist somit nicht bedrohen.

IV.Verletzung des Art. 2 11,104GG durch die Einkesselung

1. Schutzbereich und Anwendbarkeit


Art. 2 ll 2 GG schützt die körperliche Bewegungsßeiheit.Der Schutzbereichist insoweit umfassenderals
Art. 11 GG, der nur eine näher definierte menschliche Bewegung erfasst. Art. 2 ll GG ist somit neben Art. l l
GG anwendbar.

© ./u/a Intensiv (00611 EK.OcR.NRW.GrundR.Grossdcmo.Loos)


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185
Intensiv
3
Standort OR/Grundrechte/Klausur

2 Eingriff
Unter die körperliche Bewegungsfreiheit fällt nicht nur die Freiheitsentziehung im eigentlichen Sims
(Festhaltenan einem Ort Art. 104 GG), sondern auch die Freiheitsbeschränkungeinen bestimmten Ort
aufzusuchen. Die Demonstranten werden sowohl am Aufsuchen des Demonstrationsortes, als auch am
Verlassen des Beratungsortes gehindert, so dass ein Eingriffvorliegt.

3
Gemassungsmäßigkeittdes Engrirrsnu, aufgrund eines Gesetzeszulässig. Hier kam lediglich $ 15 Vermg
als Emlächtigungsgrundlage in Betracht, dessen Voraussetzungen jedoch nicht erfullt waren. Ein Rückgriff
auf allgemeine Ermächtigungsgrundlagen ist wegen des versammlungsspezifischen Charakters der
Maßnahme und der Spezialität des VersG nicht möglich.

Art. 2 ll 2 GG ist somit verletzt

B. Grundrechte der Kirmesbesucher

1. Art.llIGG
DiesesGrundrecht ist entsprechendder oben gezeigten engen Auslcgtmg des Schutzbereichesnicht berührt

11 Art.2 112 GG . .
Ein Eingriff in den Schutzbereich liegt entsprechend dem oben Gesagten vor Dieser Eingriff könnte jedoch
vernassungsmäßigsein. Nach Art. 2 ll 3 GG ist dies der Fall, wenn er aufgrund eines Gesetzes erfolgt.

l S 15 VersG
Eine Rechtfertigung nach dieser VorschriR setzt voraus, dass es sich bei den Kirmesbesuchernum eine
Versammlung handelt. Die Besucher verfolgen jedoch keinen gemeinsamen Zweck, sondern jeder will
lediglich sein eigenes Bedürfnis nach Unterhaltung befriedigen, so dasses sich nicht um eine Versammlung,
sondern um eine bloße Ansammlung handelt.

2 $ 8 1 PoIG NRW
Es kommt eine Rechtfertigung durch $ 8 1PoIG NRW in Betracht. Eine Gefahr Hr die ÖHentliche Sicherheit
liegt hier vor, da andersals iin Versammlungsrecht geringereAnforderungenan die GeCahrenprognose
zu
stellen sind.
Die Maßnahme ist auch verhältnismäßig. Die Gewähr konnte nicht anders als durch Sperrung der einzigen
Zufahrtsstraße abgewendet werden.

Art. 2 ll 2 GG ist nicht verletzt

C
(;rundrechtederlSchaustelleriff in Art. 12 GG in Betracht.Ein unmittelbarerEingriff liegt nicht vor. Ein
mittelbarer Eingriff läge vor, wenn die Maßnahmeobjektiv berufsregelndeTendenzhätte. Dies ist jedoch schon
zweifelhaR. Selbst wenn dem so wäre, handelte es sich um eine Ausübungsregelung, die zur Gefahrenabwehr und
somit aus vernünRigen Erwägungen des Allgemeinwohls erfolgte.
Es liegt somit keine Verletzung des Art. 12 1GG vor.

D Grundrechte der Stadt Coesfeld . .


Es ist schonzweifelhaft, ob die Stadt nach Art. 19 111GG grundrechtsfähigist. JuristischePersonen- also auch
Gemeinden - so]]en nach dem BVerfG (E 21, 362 [369] und E 61, 82 [105]) nicht grundrechtsEähigsein, da es zum
einen an der grundrwhtstypischen Gefährdungs]age (BVerfGE 45, 63 [79]) fehlt. Zum anderen lässt sich dies mit
dem KonfÜsionsargument'begründen,wonach die GrundrechtsEähigkeit jedenfalls insoweit zu gemeinen ist, als dic
Stadt - hier im Überlassendes Kirmesgeländesnach $ 18 GO NRW - öffentliche Aufgaben wahmimmt.

©./zl/'a Intensiv (0061 1 EK OcR NRW GrundR.Grossdemo.Lees) Seile 3 von 3

186
Intensiv
Standort: OR/Grundrechte

.!.Ë$!; ::y€!.fa ssu ngs DrQzessrecht' '

Wo ist die Verfassungsbeschwerde geregelt?

2
Wie wird die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerdeabstrakt aufgebaut?

3.
Das BVerfG prüm nur spezifische Verfassungsverletzungen.Welche 5 Möglichkeiten einer
solchen Verletzung sind denkbar?

4. Wie lautet die Fallfrage, wenn

a. die Verfassungsbeschwerde vollständig geprüR werden so ll?


b. nur ein Gesetz überprüR werden soll?
c. wenn auch ein Einzelakt überprüR werden soll?
d. Was muss geprüß werden, wenn im Sachverhaltsteht, dass jemand 6ormgerechtVB
erhoben hat und die Fallftage lautet: "Hat die VB Aussicht auf Erfolg ?"

5
Worin besteht der Unterschied zwischen Grundrechtsfähigkeit und Grundrechtsmündigkeit?
e

An welcher Stelle im Gutachten sind diese Begriße ggf zu erörtem?

6.
Die Verfassungsbeschwerde muss sich gegen einen Hoheitsakt richten. Was bedeutet
"Hoheitsakt"?

7. Was bedeutet

a. selbst
b. gegenwärtig und
c. unmittelbar betrogen zu sein?

8.
Welche zwei Beschwerdefristen gibt es und wo sind sie geregelt?

9.
Was ist unter "Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde" zu prüfen?

10
Wie wird die Begründetheit der Verfassungsbeschwerde abstrakt aufgebaut?

11
Was ist bei der abstrakten Normenkontrolle in der Antragsbefiignis zu problematisieren, wenn
der Antragsteller lediglich "Zweifel" an der Vereinhnrkeit pinpr Nnr.n ".it d.." n.--"'lnD' a'.
hat?

12.
Prühngsgegenstandeiner abstrakten Normenkontrolle ist grundsätzlich ein bereits
ausge6ertigtes und verkündeten Gesetz. In welchem Fall ist eine Normenkontrolle
ausnahmsweisevor Verkündung und Ausfertigung zulässig?

13.

Wer he Proagsmeergeben sich bei der Antragsberechtigung im Bundesorganstreitverfahren?

© ./u/.a Intensiv (00620.EK.OeR.NRW.GrundR.Test.VerßassprozcssR.SV) Seite l von l

187
Intensiv

Standort OR / Test / Grundrechte

Lösun:

Die Verfassungsbeschwerde
ist in Art. 93 1Nr. 4a GG, $$ 13 Nr. 8a, 90 n. BVerfGG geregelt

2. Zulässigkeit

a Zuständigkeit des BVerfG


gem. Art. 93 1Nr. 4a GG, $ 13 Nr. 8a BVerfGG

b ordnungsgemäße Beschwerdeerhebung

i. Form:
$$ 23 1 1, 2; 92 BVerfGG

ii. Frist:
$ 93 BVerfGG

C Beschwerdefähigkeit
gem. AH. 93 1Nr. 4a GG, $ 90 1BVerfGG "jedermann" (beachte fü jur. Personen Art. 19 ll l GG)

d Prozessfähigkeit
(Rechtsgedankeder $ 62 VWGO, $ 5 1 ZPO); bei MindeÜährigen gegeben, wenn sie konkret einsichtsfähig, also
grundrechtsmündig sind (Faustregel:ab 14 Jahren, aber Eiruelfall prüfend).

e. Beschwerdegegenstand - Akt ÖHentlicher Gewalt; vgl. Art. 93 1Nr. 4 a GG, $ 90 1 BVerfGG


Hierunter fallen alle Akte der Exekutive, Judikative (vgl. $ 94 11T BVerfGG) oder Legislative (vgl. $ 93 111
BVerfGG)
(beachte:"Akt öffentlicher Gewalt" ist hier andersdefiniert als im Art. 19 IV GG.)

f Beschwerdebefugnis
substantiierte (- plausibel vorgetragene) Behauptung der Verletzung eines der in Art. 93 1Nr. 4a GG genannten
Rechte und zwar
(1) selbst
(2) gegenwärtig
(3)unmittelbar

g. Rechtswegserschöpfung; $ 90 ll BVerFGG

l Ausnahmen des Rechtsweges:


z.B. $ 93 ll BVerfGG, $ 310 ll STPO

ii. Ausnahmen der Rechtswegserschöpfung


$ 90 12 BVerfGG

h Kein Einwand des Rechtskraft; $$ 96, 41 BVerfGG


Einwand liegt vor, wenn schon rechtskräRige Entscheidung in gleicher Sache

l allgemeines Rechtsschutzbedürfnis
(sog. allg. Subsidiarität der VB - Anwendbarkeit und Anwendung sehr sh.)

3 Denkbare spezifische Verfassungsverletzungen

a Ealis eine verfasstmgswidrige Rechtsgrundlage zugrundegelegt wurde


b. falls angegrimenerEinzelakt vom Gesetz gar nicht vorgesehen ist,
c. Ealis ein Grundrecht übersehen worden ist.
d Callsein Grundrecht falsch ausgelegtworden ist,
e. falls der angegrimeneEinzelakt unverhältnisEnäßigist

©./u/'a Intensiv (00621 EK OeR NRW GrundRTest.VernassprozessR.Loes)


Seitel von4

188
2 Intensiv
Standort: OR / Test / Grundrechte

4. Formulierungen typischer Fallfragen

a. Hat die VB Erfolg?


Zulässigkeit und Begründetheit der VB

b.
Ist das Gesetz verfassungsgemäß?
(im Rahmender Begründetheit) formelle und materielle Vedassungsmäßigkeit des Gesetzes

C
Ist die angegrinene Maßnahme verFassungsgemäß?
(im Rahmen der Begründetheit) formelle und materielle Ver€assungsmäßigkeit von (ermächtigendem)Gesetz
und(daraufgestütztem) Einzelakt

d. Hier werden Zulässigkeit (aber ohne Form!; vgl. ll 2a)) und Begründetheit der VB geprtiR

5
Grundrechtsfähigkeit und Grundrechtsmündigkeit

a. GrundrechtsEähigkeit
Diese ist die Fähigkeit, Träger von Grundrechten (- Grundrechtssubjekt) zu sein. Ob sie vorliegt, ist durch eine
Subsumtion unter den personalen Schutzbereich festzustellen, dieser regelt die Zuordnung eines Grundrechts zu
einem Subjekt, wobei zwei Kriterien relevant sind:

l Im Rahmen natürlicher Personen gibt das GG selbst schon eine Dinerenzierung zwischen Menschenrechten
(- fur alle geltend, z.B. Art 3 1 GG) und Bürgerrechten (: fur Deutsche i.S.d. Art. 116 1 GG geltend, z.B.
Art. 8 1,9 1GG)vor.

ii. Für juristische Personen ist dagegen unter Anwendung des Art. 19 111GG die Grundrechtsfähigkeit
argumentativfestzustellen

b. Grundrechtsmündigkeit
Diese ist dagegendie Fähigkeit einer (grundrechtsfähigen!) Person,diesesGrundrecht auszuüben

c. Prüfungsort
Grundrechtsfähigkeit und Grundrechtsmündigkeit sind in problematischen Fällen (z.B. bei juristischen Personen
und Mindedährigen) in der Antragsberechtigung zu erörtern. In diesen Fällen empfiehlt es sich, im Rahmen der
Antragsberechtigung zwischen Beschwerdefähigkeit (altemativ: Grundrechtsfähigkeit) und Prozessfähigkeit
(altemativ: Grundrechtsmündigkeit) zu dißerenzieren.

6. Definition von ''Hoheitsakt''


Voreilig wäre ein Rekursauf den zu Art. 19 IV GG entwickeltenBegriff der hoheitlichenMaßnahme:Während
nämlich dort jedenfalls unstreitig die Exekutive gemeint ist, die Judikative dagegennicht ("Schutz durch den
Richter, nicht gegen ihn") und dann bei der Legislative Einordnungsstreit,ist als Akt öffentlicher Gewalt i.S.d.
Art. 93 1Nr. 4a GG unstreitig eine Maßnahmejeder der drei Gewaltendenkbar. Dies ergibt sich nicht nur aus der
überragend wichtigen Funktion der VB, sondern schon aus dem Gesetz selbst: Art. 94 ll l GG i.V.m. $ 93 11
BVerfGG geht offensichtlich von einer VB gegen Legislative aus, ebenso wie Art. 94 ll l GG i.V.m. $ 94 111
BVerfGG oHensichtlichvon einer VB gegenJudikativakte.

7 Selbst, gegenwärtig und unmittelbar


Die fur die Beschwerdebeftignis zu bqjahenden Prtlhngspunkte der eigenen, gegenwärtigen und unmittelbaren
Beschwer sind von der BVerfG-Rspr. - ursprünglich nur für die VB gegen Gesetze- entwickelte Konturen des
$ 90 1BVerfGG
a. selbst betroffen:
Der Beschwerdefuhrermuss in eigenen Grundrechten betrogen sein; dies dient dem Ausschluss der auf
Bundesebene unbekannten Vernassungspopularklage. So ist ProzessstandschaRunzulässig und auch eine
Vereinigung darf Rechteihrer Mitglieder hier nicht wahmehmen,selbstfalls die Satzungdas vorschreibt.

b. gegenwärtig betroffen:
Dieses Kriterium dient dem Ausschluss eines zum Zeitpunkt der Beschwerde nicht aktuellen
Beschwerdegegenstands:

© ./ura Intensiv (0062 1.EK.OcR.N RW.GrundR.Test.VcrlässprozcssR.Loos) Seite 2 von 4

189
Intensiv
3

Standort: ÖR / Test / Grundrechte

l zukünftig mögliche("virtuelle'') Grundrechtsverletzungen


Diese können nicht in einer Art verfassungsrechtlich vorbeugendemRechtsschutzangegrinen werden. Es
reicht andererseitsaber aus, wenn ein Gesetz den Normenadressatenbereits gegenwärtig (1) zu später nicht
mehr korrigierbaren oder nachholbaren Entscheidungen und Dispositionen veranlasst).

i. Bereits vergangeneBeeinträchtigungen
Diese können ebensowenig - in einer Art verfassungsrechtlicher nachträglicher Feststellungsklage - auf ihre
vormalige Grundrechtsverletzunghin überprüft werden.

c. unmittelbar betroffen:
Der Beschwerdeführerist nicht unmittelbar betrogen, wenn der angegriHëneAkt rechtlich oder nach
tatsächlicher Praxis noch eines gesonderten Vollzugsaktes bedarf. Dies gilt zwar nicht fÜr Vollzugs6olgen mit
Sanktionscharakter,die hinzunehmen dem Betrogenen nicht zugemutet werden können, wohl aber fur
abzuwartende Genehmigungsversagungen,die dann im Verw.-Rechtsweg anzugreifen sind. Der Sache nach
zeigt sich auch hier die allgemeine Subsidiarität der VB.

8. Beschwerdefristen
a. die grundsätzliche Monatshist ($ 93 1 1 BVerfGG)
b. die JahresHist fur VB gegen Hoheitsakte ohne Rechtsweg ($ 93 ll BVerfGG)

9 Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde


Der Grundsatzder Subsidiarität.der richterrechtlich aus $ 90 ll BVerfGG entwickelt wurde, ist klar von der in
$ 90 ll l BVerftiG nomlierten Rechtswegerschöpfting zu trennen. Er fördert über die RechtswegerschöpfÜng
hinaus.dassder Beschwerdeführer
alle ihm zur Verfugung
stehenden
Mittel ausschöpR,
um die
Grundrechtsverletzung im Wege fachgerichtlichen Rechtsschutzes zu beseitigen.
Bedeutung erlangt der Subsidiaritätsgrundsatz insbesondere bei Verfassungsbeschwerden,die sich gegen Gesetze
richten, gegen die kein Rechtswegeröffnet ist. In diesen Fällen ist der Beschwerdeführernach st. Rspr. des BVerfG
grundsätzlichverpflichtet, vor Anrufung des BVerfG mit einer inzidentenNormenkontrolle gem. Art. 100 GG im
Rahmen einer Feststellungs-oder Anfechtungsklage Rechtsschutzzu ersuchen. Diese Pflicht entfällt
ausnahmsweise.wenn dem Beschwerdefuhrerdas Beschreiten des Verwaltungsrechtswegs unzumutbar ist. Das ist
nach Ansicht des BVerfGs der Fall, wenn der Beschwerdefuhrerzu unwiderruflichenEntscheidungenoder
Dispositionen gezwungen würde, die Verfassungsmäßigkeit der Norm bereits vom BVerwG bejaht wurde oder eine
Unzumutbarkeit aufgrund der Verfahrensdauero.ä. zu bdahen ist.
Gegen diese Rechtsprechung bestehenjedoch Bedenken. Zum einen ergibt sich aus $$ 91, 93 111BVerfGG, dass
auch unmittelbar gegen GesetzeVerfassungsbeschwerde erhoben werden kann. Zum anderen ist die Anrufung des
BVerfG durch die Fachgerichteweder sicher, noch kann der Zweck des Subsidiaritätsprinzips,nämlich eine
fachgerichtlicheKlärtmg der Sach- und Rechtslage,erreicht werden,wenn durch die Anrufung des Fachgerichte
ausschließlichdie Einleitung einer konkreten Normenkontrolle nach Art. 100 GG verfolgt wird.

1 0. Aufbau der Begründetheitsprüfung


a. Definition des Schutzbereichs
b. Feststellungdes Eingrins
c. verfassungsrechtlicheRechtfertigung durch Schranken?
i. Gesetzesvorbehalt
ii. verfassungsunmittelbare
Schranken
iii. immanenteSchranken

d. Eingi f:l'als Konkretisierung geradeder Grundrechts-Schranke?

l bzgl. eines Gesetzes


Form
(a) formel le Verfassungsmäßigkeit- Gesetzgebungskompetenz,Verfahren
(b) materielle VerEassungsmäßigkeit
(i) einfacher/qual i Hlzierter Gesetzesvorbehalt erfullt?
(ii)An.1911 GG
(iii)Art. 1912 GG
(iv)Art. 19 ll GG
(v) Bestimmtheitsgebot
(vi)Verhältnismäßigkeit

© ./11/'a Intensiv (0062 1 EK OeR NRW.GrundR Test.VerEassprozessR.Loos) Seite 3 von 4

190
./ U r 8

4 Intensiv
Standort: OR / Test / Grundrechte

11
bzgl. eines Einzelaktes (- verßassungsgemäße Anwendung des Gesetzes?)
im Hinblick auf legitimen Zweck
(a) geeignet
(b) erforderlich
tc) angemessen

11 Antragsberechtigung bei der abstrakten Normenkontrolle


Während fur die Antragsbefijgnis gem. Art. 93 1Nr. 2 GG "Zweifel" des Antragstellers über die Vereinbarkeit von
Bundes- oder Landesrecht mit dem Grundgesetz ausreichen, verlangt $ 76 1 Nr. l BVerfGG, dass der Antragsteller
die Norm fur nichtig hält. Zum Teil wird ver#eten, dass $ 76 1Nr. l BVerfGG eine gem. Art. 94 ll GG zulässige,
einfach gesetzlicheKonkretisierung der grundgesetzlichen Zulässigkeitsvoraussetzungund damit verfassungsgemäß
sei. Nach überwiegenderAnsicht ist $ 76 1 Nr. l BVerfGG soweit er die grundgesetzlicheAntragsbefilgnis
einschränktverfassungswidrigund zumindestteilnichtig. Dafur spricht, dassder Wortlaut des Art. 93 1 Nr. 2 GG
durch die Verwendung des Begrims "Zweifel" eindeutig und nicht ausfullungsbedürRig ist. Die Uberzeugung von
der Nichtigkeit kann aber nicht als eine konkrete Art des Zweifels begrinen werden.
Grundsätzlich genügen fur die Antragsbefugnis im abstrakten NormenkontrollverEahren also gem. Art. 93 1 Nr. 2
GG "Zwei Hel"überdie Vereinbarkeitder angegrinenenNorm mit dem Grundgesetz.

12. Prüfungsgegenstandeiner abstrakten Normenkontrolle


Geeigneter PrüfÜngsgegenstandsind grundsätzlich nur bereits existente Normen des Bundes- oder Landesrechts.
Eine präventiveNormenkontrolle lässt das BVerfG ausnahmsweiseim Hinblick auf Vertragsgesetzezu, mit denen
das Parlament dem Abschluss völkerrechtlicher Verträge zustimmt. In diesen Fällen kann das Gesetz bereits nach
seinem Zustandekommen, also vor seiner Ausfertigung und Verkündung überprüR werden. Begründet wird diese
Ausnahme damit, dassdie mit der Ratifizierung der völkerrechtlichen Verträge entstehende Bindungswirkung nicht
wieder durch nachträgliche Aufhebung der Norm im Rahmeneiner Normenkontrolle beseitigt werden kann, so dass
die abstrakte Normenkontrolle in diesen Fäl len leer laufen würde.

13. Antragsberechtigung im Bundesorganstreitverfahren


Art. 93 1Nr.l GG und $ 63 BVerfGG sind im Hinblick aufdie Parteifähigkeitnicht deckungsgleich.Nach Art. 93 1
Nr. l GG sind die oberstenBundesorganeund alle Beteiligten, die durch das Grundgesetzoder durch die
Geschäftsordnung eines obersten Bundesorgans mit eigenen Rechten ausgestattet sind, antragsberechtigt. $ 63
BVerfGG enthält demgegenübereine enumerative Aufzählung der parteinähigenOrgane und ist insoweit enger als
Art. 93 1Nr. l GG. Indem erjedoch die Parteifähigkeit auch aufTeile der genannten Organe erstreckt, stellt er eine
Erweiterungder grundgesetzlichen
Norm dar. Im Rahmeneiner verCassungskon6ormen
Auslegungdes $ 63
BVerfGG wird die Erweiterungaufdie Organteileals eine verEassungsgemäße
InterpretationdesArt. 93 1Nr. l GG
verstanden. Nicht verfassungsgemäß ist hingegen die Beschränkung der Parteifähigkeit auf die aufgezählten Organe.
Demzufolge können alle obersten Bundesorganeund sonstige Beteiligte i.S.d. Art. 93 1 Nr. l GG ihre
Parteifähigkeit direkt aus dem Grundgesetzherleiten. Organteile sind über die zulässige Erweiterung nach $ 63
BVerfGG parteifähig

© Jz//'a Intensiv (0062 1.EK.OeR.NRW.GrundR.Test.VernassprozcssR.Loos) Seite 4 von 4

191
Intensiv

Standort OR/Grundrechte

Test Grundrechte

A.

1. Welche Funktionen haben die Grundrechte?


ll . Können aus den Grundrechte Ansprüche hergeleitet werden?
ll l Sind juristische PersonenGrundrechtsträger? Welche Besonderheiten ergeben sich fur
juristische Personendes ÖHentlichen Rechts?
lv Besteht Grundrechtsschutz für das ungeborene Leben (nasciturus)?
Geht der Grundrechtsschutz auch über den Tod hinaus?
v. Was ist unter dem Begriff "immanente Grundrechtsschranken" zu verstehen? Bei welchen
Grundrechten gewinnt diese Schranke besondere Bedeutung?
VI Welche VorschriR regelt das Zitiergebot?
Bei welchen Grundrechtsbeschränkungen gilt dieses Gebot?
WelchenZweck soll das Zitiergebot erfüllen?
VII. Wie wird die Prüfling der Verhältnismäßigkeit abstrakt durchgefuhrt?
VIII Was ist unter der "doppelten VerhältnismäßigkeitsprüfÜng" zu verstehen?
In welchemRahmenerfolgt die Prtifiing der Verhältnismäßigkeit
einesGesetzesund die
desEinzelaktes?
lx. Gelten die Grundrechte auch im Privatbereich?
x. Wie zeichnet sich das Verhältnis von Art. 2 1GG zu anderen Freiheitsrechten aus und was
folgt daraus fur die Prühngsreihen6olge?
XI. Sie stellen in einer Klausur den Verstoß eines Gesetzesoder einer Maßnahme gegen Art.
14 1GG Gest.Ein Verstoß gegen weitere Grundrechte erscheint möglich. Wie Fahrensie in
der Prüfling wort?
Xll Wie verhalten Sie sich in einer Klausur, wenn Sie feststellen, dass
1. eine Zulässigkeitsvoraussetzung nicht erfullt ist?
2. ein Schutzbereich eines von mehreren in Betracht kommenden Grundrechten nicht
tangiert ist?
3. der Beschwerdeführerschon in dem ersten von Ihnen angeprüRenGrundrecht verletzt
ist?
4. wenn nach den Erfolgsaussichteneiner VB gefragt ist und nach Ihrer Prüfling das
einschränkende Gesetz ßomlell und materiell verfassungswidrig ist?

B. Teil 2: Die einzelnen Grund!.gcblg

1. Testfragen zu Art. 4 GG

Welchen Schutzbereich umfasst Art. 4 GG?


2 Wie ist dasVerhältnis zwischen Glaubens- und Gewissensfreiheit?
3. Wie ist das Verhältnis zwischen Art. 4 1 und 111
GG?
4. Wer ist Träger der Glaubens- und Gewissensßeiheit?
5 Schützt die Glaubens- und GewissensÜeiheit nur die innere Haltung oder auch
dementsprechende(äußere) Handlungen?
6. Ist Werbung für den eigenen Glauben durch Art. 4 GG geschützt?
7. Was ist unter negativer Glaubens- und Gewissensfreiheit zu verstehen?
8 Schützt die Glaubens- und Gewissensfreiheit auch religionsfeindliche Einstellungen?

©lu/'a Intensiv (00630 EK.OeR NRW GrundR.Test SV) Seite l von 4

192
Intensiv
Standort OR/Grundrechte

9. Was verstehen Sie unter kollektiver Glaubens- und Gewissensfreiheit?


10.Darfder Staat bestimmte Bekenntnisse privilegieren?
l l .Inwiefern strahlt die Glaubens- und Gewissensßeiheit ins Stra#echt aus?
12.Wodurch wird die Glaubens- und Gewissensfreiheit begrenzt (Schranken)
13.Was ist unter Verweigerung des Kriegsdienstes mit der Wake zu verstehen?
14.Welche Rolle spielt das Gewissen bei der Kriegsdienstverweigerung? Aus welchen
Gründen und inwieweit ist ein diesbezügliches Anerkennungsverfahren zulässig?

11.
Testfragenzu Art. 5 GG

1. Was ist eine Meinung i.S.v. Art. 5 GG?


2. Welches Verhältnis besteht zwischen Art. 17a l und Art. 5 1 1 GG?
3. Welche Schutzbereiche hat Art. 5 1 GG?
4. Was ist ein allgemeinesGesetz i.S.v. Art. 5 ll GG, welche Meinungen stehen sich
gegenüber, welcher folgen Sie?
5 Steht das Zensurverbot unter dem Vorbehalt des Art. 5 ll GG?
Welche Bedeutung haben die einzelnen Schranken in Art. 5 ll GG zueinander?
6
Fallen auch Tatsachenbehauptungen unter den Begriffder Meinung i.S.v. Art. 5 1 GG,
welche Meinungen werden dazu vertreten, welcher folgen Sie?
7. Welche Grundrechte sind gegenüber dem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung
vorrangig?
8. Wann wird bei Art. 55 1 GG GG nur der "Empfänger"
"Empfänger und wann nur der
"Absender"geschützt?
9. Ist dasZensurverbot desArt. 5 13 GG aufdie Informationsfreiheit anwendbar?
lO.Was ist eine Zensur i.S.v. Art. 5 1GG?

111. Testfragen zu Art. 8

1. Wie wird bestimmt, wer ein Deutscheri.S.v. Art. 8 1GG ist?


2. Stehen sich versammelnde Ausländer ohne Grundrechtsschutz da?
3. Was ist eine Versammlung i.S.v. Art. 8 1GG?
4. Was ist eine Ansammlung?
5. Welcher Streit besteht hinsichtlich
hinsichtlich der
der Anforderungen bzgl.
bzgl. des
"Versam m lungsgegenstandes" ?
6. Was bedeutet niedlich?
7. Was ist eine Wake i.S.v. Art. 8 1GG?
8. Ist ein Sitzstreik mit Behinderung durch Art. 8 1GG geschützt?
9. Was ist, wenn eine Gegendemonstration eine andere gefährdet und sich beide aufArt. 8
l GG berufen?
10.Welche Schranken gelten bei Art. 8 1GG?
ll.Warum kann eine Versammlung in geschlossenen Räumen durch $$ 5 f VersG
überhaupt reglementiert werden?
12.Was ist der Unterschied zwischen einer Versammlung i.S.d. Art. 8 1 GG und des
VersG?
befinden sich die
13.In welchen Gesetzenbehindert die wichtigsten
wichtigsten Beschränkungen
der
Versammlungs freiheit ?

© Jzz/'a Intensiv (00630.EK.OcR.N RW.GrundR.Test.SV) Seite 2 von 4

193
Intensiv

Standort: OR/Grundrechte

14.Eine politisch motivierte TheaterauflUhrungwird von der Polizei abgebrochen,weil die


Decke des Hauses, in dem die Vorführung stattfindet, wegen Überlastung einzustürzen
droht. Zulässig?
15.Gilt das Zitiergebot fÜr den 2. Abschnitt des Versammlungsgesetzes?
16.Muss eine Spontandemonstration angemeldet werden?
17.In welchen Fällen muss $ 15 ll Verse verfassungskonform(u. wie?) ausgelegt
werden?
18.WelcheAnforderungensind an den Begriff der "öHentlichen Ordnung"i.S.v. $ 15 1
Vermg zu stellen?
19.Wo steht das fÜr den 3. Abschnitt des VersG zu beachtende Zitiergebot?
20.Welche Schranke im GG regelt auch eine Versammlung in geschlossenenRäumen?

[V. Testfragen zu Art. ]0

1. Wieviele Grundrechte enthält Art. 10 1GG?


2. Welchen Schutzbereich umfasst das Brie6geheimnis?
3. Welchen Schutzbereich umfasst das Postgeheimnis?
4. Welches Verhältnis besteht zwischen Brief- und Postgeheimnis?
5. Welchen Schutzbereich umfasst das Fernmeldegeheimnis?
6. Wer ist Träger desGrundrechtsaus Art. 10 1GG?
7. Wer ist Verpflichteter (Normadressat) des Art. 10 1 GG?
8. Wann ist das Grundrecht aus Art. 10 1 GG beeinträchtigt?
9. Kann man im Einze]fa]] aufden Schutz des Art. ]O ] GG verzichten?
10.Was fällt Ihnen zu Art. 10 ll 2 GG ein?
l l.Wie ist das Verhältnis zwischen Art. 10 1 GG und Art. 13 1GG?
12.Wie ist das Verhältnis zwischen Art. 10 1 GG und Art. 5 1 GG?

v. Testfragen zu Art. l l

Was ist unter "Freizügigkeit" i.S.d. Art. 1 1 1GG zu verstehen?


2. Was meint Art. 11 1 GG mit dem "garden Bundesgebiet"?
3 Schützt Art. 11 1 GG nur die Freizügigkeit innerhalb der Greruen des Bundesgebietes
oder auch die Ein- und Ausreise bzw. -wanderung?
4. Besteht durch Art. ll l GG ein Schutz vor Freiheitsentziehungen und damit
verbundenen Beschränkungen des Ortswechsels?
5 Schützt Art. 11 1GG auch die wirtschaRliche Niederlassungsfreiheit?
6 Gibt es auch eine "negative" Freizügigkeit?
7. Welche Bedeutung hat Art. 117 ll GG?
8 Ein polizeilich angeordnetes, dauerhaRes Aufenthaltsverbot berührt den Schutzbereich

des Art. 11 1 GG. Aufwelche Ermächtigungsgrundlage kann ein solches Verbot gestützt
werden?
9 Ist die Anwendung von polizei- und ordnungsrechtlichen VorschriRen auf dauerhaRe
Au Genthaltsverbote verEassungsgemäß?

C)Jura Intensiv (00630 EK.OeR NRW GrundRTest SV) Seite3 von 4

194
Intensiv
Standorte OR/Grundrechte

VI. Testfragen zu Art. 12 GG

1. Wen umfasst der personelle Schutzbereich des Art. 12 1GG?


2. Was ist ein Berufi.S.d. Art. 12 1GG?
3. Was versteht man unter erlaubter Tätigkeit?
4. Wie kann man Art. 12 1 GG von Art. 14 1GG abgrenzen?
5. Wird die Wettbewerbsfreiheit von Art. 12 1GG geschützt?
6. Welche Arten von EingriNen gibt es und wie werden sie definiert?
7. Was fur eine Schranke enthält Art. 12 1GG?
8. Kann auch die Berufswahl geregelt werden oder wird sie schrankenlos gewährt?
9. Was versteht man unter der 3-Stu6entheorie?Definieren Sie die einzelnen Stubenund
geben Sie Beispiele furjede Stube.
10.Gilt das Zitiergebot bei Art. 12 1GG? Begründen Sie Ihre Antwort.
l l .Ist $ 14 IV LadschIG, der Apotheken von der Teilnahme an verkaufsoüenen Sonntagen
ausschließt, im Hinblick aufArt. 1 2 GG verfassungsgemäß?

VII. Testfragen
zuArt. 13
1. Was ist unter dem Begriff"Wohnung" in Art. 13 1GG zu verstehen?
2. Setzt Art. 13 1 GG Eigentum an der Wohnung voraus?
3. Schützt Art. 13 1GG auch leerstehende Wohnungen?
4. Fallen GeschäRs- und Betriebsräume unter den Begriffder Wohnung?
5. Welchen Personenkreis schützt Art. 13 1GG?
6. Wann ist die Wohnung "verletzt"?
7. Schließtein entsprechendesEinverständnisdie Verletzung der Wohnung aus?
8. Wie ist das Verhältnis zwischen Art. 13 ll und Vll GG?
9. Was ist unter einer Durchsuchung i.S.d. Art. 13 ll GG zu verstehen?
lO.Welche Anforderungen sind an den richterlichen DurchsuchungsbeÜeh] i.S.d. Art. ]3 11
GG zu stellen?
l l.Kann der Betrogene vor einer Durchsuchung i.S.d. Art. 13 ll GG sein Recht aus Art
103 1 GG geltend machen?
12.Ist der Betrogene bei Maßnahmen nach Art. 13 Vll GG vorher anzuhören?
13.Wie ist dasVerhältnis zwischen Art. 13 1GG und Art. 2 1GG?
14.Wie ist das Verhältnis zwischen Art. 13 1GG und Art. 14 1 GG?
15.Stellenbehördliche Betretungs-und Besichtigungsrechteeinen Eingriff i.S.d. Art. 13
Vll GG dar?

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Intensiv

Standort: ÖR/Grundrechte/Test

Lösung Test Grundrechte

A.

l Funktionen der Grundrechte


Während rechtshistorisch Grundrechte als Abwehrrechte gegen den Staat konzipiert waren, ist aulbund der
BVerfG-Rspr. eine Erweiterung der Funktionen zur Stärkung ihrer GeltungskraRzu verzeichnen:

1. subl-öf6entl. Abwehrrechte
mit staatsmachtlimitierender Funktion zum Schutz individueller Freiheitsräume; gerichtet auf Unterlassung
staat[icher EingriHë ("status negatives"), BVerfG E 50, 290 [337].

2 oU. Wertordnung
als verßassurlgsrechtl.Grundentscheidung fur alle Bereiche des Rechts; die in den Grundrechten verbürgten
[,eitprinzipien sind Gesetzgebung,Verwaltung und Rspr. als AuRrag zur größtmöglichenVerwirklichung
aufgegeben(BVerfGE
7, 1981205];
39, 1141])
daher auch "mittelbare Drittwirkung" und "verfässungskon6orme Auslegung

3 Einrichtungsgarantien
zur Verbürgung freiheitl ich geordneter Lebensbereiche (Institutionsschutz), z.B
Art. 33 V GG, Beamtentum
Art. 2 1 GG, Parteien
Art. 6 GG. Ehe/Familie
Art. 14 GG, Eigentum und Erbrecht
Diese Einrichtungen werden dergestalt geschützt, dass im GG der Bestand der Institution als solcher
verankertwird und damit nicht nur der Schutz vor völliger Abschaffung, sondernauch der "Ordnungs- und
Normenkern" garantiert b]eibt (BVerfGE 6, 55 [721; 47, 327 [369]).

4 Teilhaberechte
als komplementäre Ergänzung zum Abwehrcharakter: Damit ein Grundrecht realistischerweise nicht
leerzulaufen droht. wird in Einzelfällen eine Pflicht des Staates konstituiert, denn ein Grundrecht, das ohne
dafur notwendigesstaatlichesHandeln eHektiv nicht in Anspruch genommenwerden kann, ist weitgehend
wertlos. So können Teilhaberechte und ggfls. Leistungsansprüche aus Grtmdrechte erwachsen (BVerfGE 33,
303 [330ft] - numerus-clausus-Urteil -; Anspruch auf Existenzminimum, BVerfGE 43, 13 [19]). Im
einzelnen ist hier vieles streitig

5 Organisations- und VerEahrensgarantien


als jüngste und weitere Ausgestaltung der Sicherung effektiven Grundrechtsschutzes:Grundrechte bedürften
neben dem materiell-rechtlichen Inhaltsschutz der verfahrens- und organisationsrechtlichen "Einbettung
Callssich nicht das Grundrecht ohnehin nahezu im Verfahrensrecht erschöpR(z.B. Art. 16 a GG); Beispiele:
Art. 16 a GG (Asy]verfahren,BVerfGE 7 1,276 [292])
Art. 14 (Zwangsversteigerung von Boden, BVerfGE 51, 150 [156])
Art. 2 ll GG (Gesta]tung atomrecht]. Verfahrensvorschriften, BVerfGE 53, 30 [65, 71 n.])
Auch hier ist noch vieles sehr umstrillen.

! 1 Anspruchscharakter von Grundrechten


Nur wenige Grundrechte gebensich im Text als Anspruchsrechte zu erkennen:
Art 6 IV GG (Anspruch der Mutter aufSchutz und Fürsorge der Gemeinschaft)
Art. 19 IV GG (Anspruchaufgerichtliches Verfahren und Entscheidung),
Art. 101 12 GG (Anspruch aufgesetzlichen Richter),
Art. 103 1GG (Anspruch aufrechtliches Gehör).

Wo die Grundrechtsausübungauf die Benutzung öffentlicher Einrichtungen angewiesen ist, leitet die Rspr. aus
verschiedenenGrundrechten einen Anspruch auf (sachgerechte) Teilhabe an dieser Einrichtung ab. So besteht
etwa aus Art. 2 ll l GG ein Anspruch aufSicherung des Existenzminimums (BVerfGE 52, 339 [346]), aus Art. 5
111GG Anspruch aufTeilhabe an staatlichen Leistungen unter dem Vorbehalt der Finanzierbarkeit (BVerfGE 35,
79 [1 141; 39, 1 [42]), aus Art. 12 1 GG i.V.m. Art. 3 1 GG ein Zulassungsanspruchzum Hochschulstudium
(BVerfGE 33, 303 [33 1 f.]), auch hier unter dem Vorbehalt der Finanzierbarkeit.

C)./urrzIntensiv (00631.EK OeR NRW GrundRTest Loew)Seitel von 16

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Standort: OR/Grundrechte/Test

Ebenso- aber selten - ist die Ableitung unmittelbarer Leistungsansprücheaus Grundrechtenin bestimmten
Fällen bdaht worden, so z.B. aus Art. 1 1GG zur staatlichen Hilfe bei Existenznot (BVerwGE 1, 159 [161]; 71,
139[141]; a.A. BVerfGE 1, 97 [104],jetzt ofnenge]assen
im BVerfGE 75, 348 [360]) oderausArt. 6 1, ]V, V
GG Leistungsrechte, die letztlich der gesetzgeberischenUmsetzung (Familien-, Steuer-, Sozial-, Beamtenrecht)
bedürfen (BVerfGE 21, 1 [61; 62, 323 [333]). Beachte: Aus Art. 12 GG ergibt sich kein Recht aufArbeit (anders
z.B. Art. 24 13 LVerfNRW), ausArt. 13 GG ergibt sich kein Anspruch aufWohnraum (andersz.B. Art. 106 1
BayVerf! Art. 14 1 BremVerf).

111. Juristische Personenals Grundrechtsträger

1. jur. Personen des Privatrechts


Diese sind unter Maßgabe des Art. 19 111GG Grundrechtsträger

2 jur. Personen des ÖHentlichen Rechts


Juristische Personen des ÖHentlichen Rechts sind in der Regel Teil der allgemeinen Staatsgewalt. Sie sind
grundsätzlich keine Grundrechtsträger i.S.d. Art. 19 111GG, da Grundrechte als Abwehrrechte der Privaten
gegen Eingrine durch die hoheitliche Seite nicht Trägem hoheitlicher Gewalt selbst zugute kommen können.
Ausnahmsweise sind aber auch jur. Personen des öft Rechts Grundrechtsträger. Dies ist anerkannt bei:

a) Verletzung von Verfahrensrechten


b) Zuordnung zu besonders geschütztem Lebensbereich
©
wie Private geschützt und damit Grundrechtsträgeri.S.d. Art. 19 ll l GG gelten:
e Rundfunkanstalten
im HinblickaufArt. 5 1GG;
©
Universitäten im Hinblick aufArt. 5 111GG:
c) Religionsgemeinschaften
ReligionsgemeinschaRen können gem. Art. 140 GG iVm. Art. 136 V WRV KörperschaRen des
136
öffentlichen Rechtssein. Ihre wesentlichenAufgaben und Befiignissesind jedoch originär und nicht vom
Staat abgeleitet. ReligionsgemeinschaRen und Kirchen sind auch als KörperschaRen des öffentlichen
Rechtskein Teil der einheitlichenStaatsgewaltund stehendem Staat daherwie "jedermann"als
Grundrechtsträgergegenüber. Dies gilt insbesonderefur Art. 4 GG (BVerfGE 42, 3 12/ 321 f)
d) nicht rechtsfähige Vereinigungen
Diese sind Grundrechtsträger i.S.d. Art. 19 111GG, soweit sie Träger von Rechten sind (vgl. fur OHG $
124 1HGB; fur KG $$ 161 ll i.V.m. 124 1HGB; für Parteien$ 3 ParteiG).

IV. Zeitpunkt des Grundrechtsschutzes


Aufden noch nicht geborenen Menschen (Embryo, nasciturus) ist nach BVerfGE 39, 1 [30f:F] - ]. Urtei] zur
Reform des $ 2 18 a STGB - Art. 2 ll 2 GG anzuwenden: Nach gesicherter biologisch-physiologischer Erkenntnis
besteht Leben jedenfalls vom 14. Tage nach der Empfängnis an (d.h. im Zeitpunkt der Nidation). Onengelassen
hat das BVerfG die (z.B. von l\4/D/H/S,GG, Art. 2 Rn. 21 bejahte)Frage, ob der Nasciturusselbst
Grundrechtsträger ist oder mangels Grundrechtsfähigkeit "nur" von den oUektiven Normen der Verfassung in
seinem Recht auf Leben geschützt wird (Zum ganzen: HafThann, JZ 1986, 253f:E; Püttner/Brühl, JA 1987.
289f:E;Zippelius, JuS 1983, 659n.)

Nach der BVerfG-Rspr. soll Art. 1 1GG auch nach dem Tode gewisse Fortwirkungen entfalten (BVerfGE 30,
173 [194] - Mephisto-Beschluss-), da es mit der Unver]etz]ichkeit der Menschenwürdeunvereinbarsei. dass
dieser allgemeine Achtungsanspruch nach dem Tode herabgewürdigt werde, so dass die staatliche Verpflichtung,
Schutz vor Angrinen aufdie Menschenwürde zu gewähren, nicht mit dem Tod endet (vgl. auch v. Münch, GG
Art. l Rn. 14 f; zur Frage der Organentnahme zu Transplantationszwecken: Maurer, DÖV 1980, 7).

V Immanente Schranken
DasGG kennt etliche Grundrechte,die ihrem Wortlaut nach nicht einschränktwerden können(Bsp. Rürsolche
vermeintlich absoluten Grundrechte: Art. 4 1, 5 111, 8 1 GG). Aufgrund des gemeinschaRsbezogenen
Menschenbildes des GG werden letztlich aber auch solche Grundrechte bestimmten Schranken unterworfen
nämlich den sog. verfassungsimmanenten
Schranken.Darunter werden aufgrund der st. BVerfGE-Rspr. (seit
BVerfGE 28, 243 [261] - Kriegsdienstverweigerung - ; 47, 46 [761; 67, 213 [228]) Grundrechte Dritter und
andere mit Verfassungsrang ausgestattete Rechtsgüter verstanden (in Abgrenzung zu früheren Theorien der allg.
Ubertragbarkeit des Art 2 1 a.E. GG oder der GemeinschaRsklausel des BVerwG (BVerwGE 1, 303 [307]
dagegenBVerfGE 30, 173 [1939)

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3 Intensiv
Standort OR/Grundrechte/Test

VI.Zitiergebot
DasZitiergebotfindetsichin Art. 19 12 GG.
Das dem Zitiergebot zu unterwerRendeGesetz muss eine Einschränkung im Sinne des dem Grundrecht angefügte
Gesetzesvorbehalt sein. So unterliegen die Einschränkungsvorbehalte z.B. des Art. 2 ll 3, 6 111,8 11, 1 1 ll GG
dem Zitiergebot. An einer GR-Einschränkung fühlt es dagegen bei Regelungsaufträgen, Inhaltsbestimmungen
oderSchrankenziehungen,
wobeinach demBVerfG Art. 19 12 GG eng auszulegen
ist (BVerfGE35, 185 [188J;
st. Rspr.). Unter Art. 19 12 GG fallen dahernicht:
Art. 2 1GG (BVerfGE 16,89 [99])
Allg. Gesetzei.S.d.Art. 5 ll GG (BVerfGE33, 52 [77f.])
Art. 12 1GG (BVerfGE64,72 [79])
Art 141GG(BVerfGE21,92 [93])
Diese Rspr. fuhrt praktisch dazu, dass gerade die wichtigsten Gesetze, die im gesetzgeberischenAlltag
Grundrechte tangieren, nicht unter Art. 19 1 2 GG fällen (Alberts, JA 1986, 73 ft).
Sinn des Art. 19 J 2 GG ist es, eindeutige Rechtsklarheit und Rechtsbewusstsein bei grundrechtstangierenden
Gesetzenzu schaben und mithin dem Parlament eine Warnung an sich selbst aubuerlegen: Dieja zulässige GR-
Beeinträchtigung soll bewusst und besonnen vorgenommen sein (M/D/H/S, GG, Art. 19 1 Rn. 48 spricht von
einer "psychologischen Schranke"). Dementsprechend fuhrt die Nichtbeachtung des Zitiergebots als zwingende
VorschriR zur Verfassungswidrigkeitder Gesetzesbestimmung(BVerfGE 5, 13 [15] - streitig ist dann,ob Teil-
oder Gesamtnichtigkeit, dazu BVerfGE 26, 246 [258]).

VII.Verhältnismäßigkeit
Das An6ordemis der Verhältnismäßigkeit soll sicherstellen, dasseine staatliche Maßnahme die Rechtssphäredes
einzelnen nur soweit, wie es zur Erreichung des angestrebten Ziels vertretbar ist, belastet. In Anlehnung an die
vom BVerfG entwickelteTerminologie(vgl. BVerfGE 30, 292 [3i6J) unterscheidetman folgendeKriterien
(dazu auch Jakobs, DVBL 1985, 97 fE):

1. Geeignetheit
Die Maßnahme muss nach vernünRigen ErEahrungsgrundsätzenversprechen, das angestrebte Anliegen
fördern zu können (BVerfGE 33, 171 [1871; 63, 88 [115]). Beachte: Diese Zwecktaug]ichkeit ist nicht
gleichzusetzen mit dem Erfordernis eines späteren tatsächlichen Zweckeintrittsl

2. Erforderlichkeit
Erforderlich ist eine Maßnahmedann, wenn es keine andere - ebenfalls solchen Erfolg versprechende
N4aßnahmegibt, die aber den Betroffenen weniger belasten wird (BVerfGE 30, 292 [3 16] - schonendster
Eingriß durch mildestesMittel.)

3 Verhältnismäßigl(eit i.e.S.(Angemessenheit)
Hier wird die Zweck-Mittel-Relation überprüR: Eine geeignete und erforderliche Maßnahme kann
gleichwohl unverhältnismäßig sein, wenn sie näml ich dem Betroffenen einen Nachteil zufugt, der erkennbar
auf3er Verhältnis zum beabsichtigten Gemeinwohlzweck steht (BVerfGE 44, 353 [373 f]). Die
vorzunehmende Rechtsgüterabwägunghat daher die Intensität des Eingrins sowie dessen Gewicht und
Dringlichkeit fur die Gemeinwohlinteressen den in den Grundrechten verankerten Individualinteressen
gegenüberzustellenund abzuwägen(BVerfGE 17, 306 [3 13 f.]; 99, 24 [58 f.]; vg]. Grabitz AÖR 73, 568 ft)

VIII."Doppelte Verhältnismäßigkeitsprüfiing
Eine "doppelteVerhältnismäßigkeitsprüfting"ist bei der verfassungsrechtlichen
Prüfling einer Einzelmaßnahme
(z.B. im Rahmender Begründetheit einer hiergegen gerichteten VB) vorzunehmen:
1. das zur Einzelmaßnahme ermächtigende Gesetz muss seinerseits (6armell und) materiell verCassungsmäßig
sein. Einer der hierunter zu prüfenden Punkte ist die Verhältnismäßigkeit des Gesetzes,also eine am Zweck
des Gesetzes orientierte Güter- und Interessenabwägung.
2. Zusätzlich muss aber auch die Einzelmaßnahme selbst verfassungsmäßig sein, d.h. auch sie ist ihrerseits
jetzt am Zweck desermächtigendenGesetzesorientiert - aufihre Verhältnismäßigkeitzu überprüfen
Beachte: Eine Maßnahme, die sich auf ein unverhältnismäßigen (= verfassungswidriges) Gesetz stützt, kann
nicht (mehr) verEassungsgemäß
sein. Andererseits trifR die bdahte Verhältnismäßigkeitdes Gesetzesnoch
keine Aussage über die Verhältnismäßigkeit gerade dieses Einzelaktesl 6 doppelte
Verhältnismäßigkeitsprüfiing

C)Jz/ra Intensiv (0063 EK OeR NRW.GntndR.Test.Lees) Seite 3 von 16

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Intensiv
4
Standort OR/Grundrechte/Test

IX. Privatrechtliche Grundrechtsgeltung


Unzweifelhaft gelten Grundrechte auch im Privatbereich dann, wenn dies im GG ersichtlich festgelegt ist. Eine
solche unmittelbare Driüwirkung Hlndet sich allerdings nur in Art. 9 1112 GG. Eine darüber hinausgehende
allgemeine unmittelbareGeltung der Grundrechte im Privatrechtsverkehrvertrat früher das BAG in st. Rspr.
(BAGE 1, 185[191 n.]; 4, 274 [276]; 13,168 [175]; verlassenvon BAG NJW 1987,676 )
Seit dem Lüth-Urteil des BVerfG (BVerfGE 7, 198 [207]) vertritt das BVerfG dagegen in st. Rspr. die Lehre von
der mitte]baren Drittwirkung der Grundrechte (BVerfGE 35, 202 [2199; 42, 163 [168]; 73, 261 [268 f.]), worin
ihm die ganz h.M. folgt (Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 196.; M/D/H/S, GG, Art. 1 111Anm. 127 fE; Canaris,
AcP 1984, 293 n.). DieseLehrefolgertaus Art 1 111GG, der die ÖHentliche
Gewaltauf die
Grundrechtsordnung
verpflichtet, einen "Einbruch" der Grundrechteüber die Anwendung und Auslegung
zivilrechtlicher Normen ins Privatrecht,denn keine bürgerlich-rechtlicheVorschriR darf im Widerspruch zum
GG stehen,jede muss in seinem Geiste ausge]egt werden (BVerfGE 7, 198 [205 f.]; 73, 261 [269]). Medium Mr
die Ausstrahlung der Grundrechte aufdas Zivilrecht sind zwar vor allem die Generalklauseln (z.B. $$ 133, 138,
242, 823, 826 BGB), doch muss ohnehin jede Norm grundrechtskon6orm ausgelegt werden, weswegen auch
Urteile der ordentlichen Gerichte (vgl. $ 13 GVG) auf ihre VerEassungsmäßigkeitüberprüfbar sind ( - aber auch
nur darauf das BVerfG ist keine Superrevisionsinstanz!; vg]. Art. 93 1Nr. 4 a GG, auch BVerfGE 18, 85 [92])

x. Bedeutung des Art. 2 1 GG


Art. 2 1GG wird seit dem Elües-Urteil (BVerfGE 6, 32) als grundrechtliche Garantie der allg. Handlungsfreiheit
verstanden, was zu einem geschlossenen Grundrechtssystem fuhrt: Soweit nicht spezielle Freiheitsrechte
eingreifen (z.B. Art. 4 1, 12 1, 14 1GG usw.), bietet Art. 2 1GG ein (insoweit subsidiäres) Aunanggrundrecht (st.
Rspr. BVerfGE 6, 32 [371; 21, 227 [2341; 67, 157 [171]) mit der methodischen Konsequenz, dass zuerst die
speziellen Freiheitsrechte zu prüftensind. Sind diese einschlägig (nicht aber unbedingt auch verletzt!), kommt
Art. 2 1GG nicht mehr zur Anwendung.

X 1. PrühngsreihenHolgebei 6estgestelItem Grundrechtsverstoß


Dann ist die Prüfling weiterer spezieller (also mit einem konkretisierten Schutzbereich ausgestatteter)
Freiheitsrechte sowie in Frage kommender Gleichheitsrechte vorzunehmen. Merke: Ein hoheitlicher Akt ist
immer an allen in Frage kommendenGrundrechtenzu überprüften(die man ja tunlichst schon in der
Beschwerdebefiignis auch erwähnt hat); die Prüfung darf nicht nach der ersten festgestellten
Verfassungswidrigkeit abgebrochen werden.

Xll .Gutachtentechnik
1. ErwähnenswertePunkte der Zulässigkeitsprüfting werden ggf noch dargestellt. Die Begründetheitwird
hilßsgutachterlich geprüR.
2. Dann bleibt ein ungerechtfertigter Eingriff in diejeweils anderen Grundrechte zu prüfen.
3. Auch hier bleibt festzustellen, ob der Bf. nicht auch noch in weiteren Grundrechten verletzt ist.
4. Eine sich auf diesesGesetz stützendeEinzelmaßnahmeist dann immer verfassungswidrigund darf daher
nicht noch aufeine "Verfassungsmäßigl(eit" hin überprüR werden.

B. Teil 2: Die einzelnen Grundrechte

l Lösung zu Art. 4 GG
1. In der Lit. werdenz.T. verschiedene
Schutzbereiche
unterschieden.
(vgl. Herzogin: M/D/H/S, GG, Art. 4 Rn
2 ß.). Demnach schützt Art. 4 1 GG das sog. forum intemum der religiösen (Glauben) und weltanschaulich-
moralischen(Gewissen)Überzeugungen,
also das Denken,und mit der Freiheit des religiösenund
weltanschaulichen Bekenntnissesdas Äußern religiöser und areligiöser Sinngebungen und -deutungen. Art. 4
11und 111GG schützen dagegen glaubens- und gewissengeleitetes Handeln, allerdings nicht schlechthin,
sondem nur im Bereich der ungestörten Religionsausübung und der Kriegsdienstverweigerung aus
Gewissensgründen. Das BVerfG nimmt in seiner st. Rspr. diese textliche Unterscheidung nicht so genau,
sondemnimmt einen einheitlichen Schutzbereichder Glaubens-und Gewissensfreiheitan, der die Freiheit
umfasst, Glauben und Gewissen, Religion und Weltanschauungzu bilden, zu haben, zu äußem und
demgemäß zu handeln (zur Kritik Pieroth/Schlank, Rn 545 f:f m.w.N.).

2. Die individuelle
Glaubensfreiheit
dürfteein Unterfallder Gewissensßeiheit
sein, wobeidie
Gewissensfreiheit z.T. als eigenständigesGrundrecht angesehenwird. Die individuelle Glaubensfreiheit hat
als lex specialiswohl den Vorrang im Überschneidungsfalle
(zu den verschiedenen
Meinungenvgl.
Jarass/Pieroth, GG, Art. 4 Rn 44).

© ./ura Intensiv (00631.EK.OcR NRW.GnindR.Test.Loos)


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5 Intensiv
Standort: OR/Grundrechte/Test

3 DasRechtauf Verweigerung des Kriegsdienstesmit der Waffe gem. Art. 4 111GG ist ein echtesGrundrecht
und bildet einen Sonderfall der in Art. 4 1 GG gewährleisteten Freiheiten des Glaubens und des Gewissens,
die bei der Kriegsdienstverweigerung
durch Abs. 3 verdrängt werden(BVerfGE 19, 138; 23, 132). Die
Freiheiten des Abs. l können jedoch selbstverständlich fÜr andere Aspekte des Wehr- und Zivildienstes zum
Tragen kommen

4 Das Grundrecht aus Art. 4 1, ll GG ist nicht nur den Mitgliedern anerkannter Kirchen und
ReligionsgemeinschaRen, sondern auch den Angehörigen anderer religiöser und weltanschaulicher
Vereinigungen gewährleistet. Dies gilt fur selbstständige und unselbständige Vereinigungen, wenn und
soweit ihr Zweck die Pflege oder Förderung eines religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnissesoder die
Verkündung des Glaubens ihrer Mitglieder ist. Maßstab für das Vorliegen dieser Voraussetzungen kann das
Ausmaßder institutionellenVerbindungmit einer ReligionsgemcinschaR
oder die Art der mit der
Vereinigung verfolgten Ziele sein (BVerfGE 24, 246 f:). Auf die zahlenmäßige Stärke einer derartigen
Gemeinschaftoder ihre soziale Relevanz kommt es nicht an. Dies ergibt sich aus dem für den Staat
verbindlichen Gebot der weltanschaulich-religiösen Neutralität und dcm Grundsatz der Parität der Kirchen
undBekenntnisse
(BVerfGE32, 106).

5 Die Glaubens- und Gewissensfreiheit umfasst nicht nur die innere Freiheit zu glauben oder nicht zu glauben,
sondemauch die äußereFreiheit, den Glauben zu manifestieren, zu bekennenund zu verbreiten (BVerfGE
33, 28; 32, 106; 24, 245; vgl. auch 52, 240). Der einzelne hat also das Recht, sein gesamtesVerhalten an den
Lehren seinesGlaubens oder seiner Weltanschauung auszurichten und seiner inneren Überzeugung gemäß zu
handeln.Geschützt sind auch religiöse Überzeugungen, die fUr eine konkrete Lebenssituation eine bestimmte
religiöse Reaktion fÜr das beste und adäquate Mittel halten, um die Lebenslage nach der Glaubenshaltung zu
bewältigen (BVerfGE 32, 106 f.; 41, 49). Somit gebietet die Glaubens- und Gewissensfreiheit auch im
positiven Sinne, Raum air die aktive Betätigung der Überzeugungund die Verwirklichung der autonomen
Persönlichkeit
auf weltanschaulich-religiösem
Gebiet zu sichern (BVerfGE 41, 49). Z.B. fällen in den
Schutzbereichder ungestörten Religionsausübung kultische Handlungen, Gottesdienste, Sammlungen
kirchlicher Kollekten, Gebete, Empfang der Sakramente, Prozessionen, Zeigen von Kirchenßahnen,
Glockengeläute,religiöse Feiern etc. (vgl. Leibholz/Rinck/Hesselberger, GG, Art. 4 Rn 201).

6. Die Glaubensfreiheit erlaubt nicht nur, auszusprechen und auch zu verschweigen, dass und was man glaubt
oder nicht glaubt. Die Freiheit des Glaubens erstreckt sich vielmehr auch auf die Werbung fur den eigenen
Glauben und sogar aufdie Anwerbung von einem Ö'emden Glauben (BVerfGE 12, 3 f).

7 Die Glaubensfreiheit umfasst auch das Recht, einen Glauben nicht zu haben oder einer Kirche fernzubleiben,
ebensowie das Recht, sich jederzeit von der kirchlichen Mitgliedschaft mit Wirkung fur das staatliche Recht
durch Austritt zu befreien (BVerfGE 44, 49 [66 f.]). Zudem garantiert die Glaubens- und Gewissensfreiheit
das Recht, religiöse Überzeugungen und Weltanschauungen zu verschweigen (BVerfGE 46, 267; 30, 426;
41, 49; 65, 38f; vgl. auch Kiskalt, NJW 1986,2479). Gem. Art. 140GG i.V.m. Art. 136 1112 WRV gelten
bei religiösen Überzeugungenjedoch Ausnahmen (vgl. auch BVerfGE 46, 267; 65, 39).

8
Die Glaubens-und Gcwissensfteiheitgewährleistet dem Einzelnen einen Rechtsraum,in dem er sich die
Lebensformzu geben vermag, die seiner Überzeugung entspricht. Dabei kann es sich um ein religiöses
Bekenntnis oder eine irreligiöse - religions6eindliche oder religionsheie - WeltanschauLmghandeln. Der Staat
muss also nicht nur die Freiheit des Glaubens tolerieren, sondern auch die Freiheit, dem Glauben feindlich
gegenüberzustehen und sich entsprechend zu verhalten (BVerfGE 12, 3 f; 32, 106; 44, 49).

9 Die Glaubens-
und Gewissensfreiheit
des Art. 4 1, ll GG schütztauch Religions-und
WeltanschauungsgemeinschaRen
sowie -vereinigungen (BVerf\ljE 42, 322; 84, 341; Jarass/Pieroth Art. 4 Rn
23). Träger der kollektiven Glaubens-und Gcwissensfteiheit sind juristische Personenund sonstige
Vereinigungen, deren Zweck die Pflege oder Förderung eines weltanschaulichen oder religiösen
Bekenntnissesoder die Verkündungdes Glaubensihrer Mitglieder ist (BVerfGE 19, 132; 70, 160 f;
Zippelius BoK Art. 4 Rn 72), unabhängigdavon, ob sie öüentlich-rechtlich oder privatrechtlich organisiert
sind. Die Behauptung, eine ReligionsgemeinschaR zu sein, genügt nicht (BVerfGE 83, 353). Geschützt sind
auch bestimmte,der Kirche zugeordnete Einrichtungen, wie z.B. nichtrechtsfähige kirchliche Jugendvereine
(BVerfGE 24, 247), konfessionelle Krankenhäuser (BVerfGE 46, 85 R.; 53, 391 f.) oder
Erziehungseinrichtungen(BVerfGE 70, 160 f), sofern ihre Ziele übereinstimmen und eine institutionelle
Verbindung besteht.Ob sich auch ausländische Kirchen aufArt. 4 GG berufen können, ist umstritten. Zu den
geschütztenTätigkeiten zählen z.B. die Verbreitung der eigenen Überzeugung, das Glockengeläut (BVerf(3E

©lura Intensiv (00631.EK.OeR NRW GnmdR Test Loes)Seite5 von 16

200
16 Intensiv
)rt OR/Grundrechte/Test

Art. 103 1 GG gewährleistet die Möglichkeit, sich grundsätzlich vor Erlass einer Entscheidung zumindest
schriRlich in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zur Sache zu äußern (BVerfGE 86, 133 [144 f]; 83, 24
[35 f.]). Ausnahmensind nur unterstrengenVoraussetzungen
gerechtfertigt(BVerfGE 65, 227 [233]), die
allerdings erfullt sind, wenn eine vorherige Anhörung den Zweck der gerichtlichen Maßnahmegefährden
würde. Dies ist z.B. der Fall bei einer Durchsuchung(BVerfGE 57, 346 [358 f]), weshalb der Betroffene
sein Recht aus Art. 103 1 GG hier ausnahmsweise erst nachträglich durchsetzen kann.

2.Ja, im Rahmen von Maßnahmen nach Art. 13 Vll GG ist der Betrogene grundsätzlich vorher anzuhören (
Jarass/Pieroth,GG, Art. 13 Rn 11), allerdings nicht gem. Art. 103 1GG, der ja nur das rechtliche Gehör vor
Gericht erfasst. Dies Holstvielmehr aus dem Grundsatzder Verhältnismäßigkeit(abgeleitet aus dem
Rechtsstaatsprinzip),nach dem ein Verfahren so ausgestaltetwerden muss, dass die Beeinträchtigungso
gering wie möglich ausfällt (BVerfGE 75, 3 18 [328]).

3.Wenn der Schutzbereich des Art. 13 1 GG beeinträchtigt wird, ist er gegenüber dem allgemeinen
Persönlichkeitsrecht lex specialis (BVerfGE 5 1, 97 [105]).

4. Art. 13 1GG schützt die räumliche Privatsphäre (BVerfGE 65, 1 [40]; M/D/H/S, GG, Art. 13 Rn 1). Wird in
die Privatsphäre eingegrimen, geht Art. 13 1 GG dem Art. 14 1GG als lex specialis vor ( Jarass/Pieroth,GG, le
Art. 13 Rn l). ll'

5.Nach Ansicht des BVerfG ist hinsichtlich der Eingrinsqualität der Betretungs- und Besichtigunsbefügnisse
von Ordnungsbehörden zwischen Wohnungen im engeren Sinne und GeschäRs- und Betriebsräumen zu
diHerenzieren. Behördlichen Betreten von Wohnungen im engeren Sinne stellt aufgrund der geschützten
Intim- und Privatsphäreimmer einen Eingriff iSd. Art. 13 Vll GG dar. In Bezugauf Arbeits- und
GeschäRsräume, die nach dem Willen des Inhabers schon eine größere Oßentlichkeit als Wohnungen
besitzen, wird ein EingriH' iSd. Art. 13 Vll vemeint. Für diese Ansicht spricht, dass anderenfallseine
effektive WirtschaRskontrolle wegen der hohen Anforderungen des Art 13 Vll GG kaum möglich wäre.

Die Entscheidung des BVerfG zur Kurzberichterstattung, in der das BVerfG ein gesetzlich angeordneten
Betretungsrecht zugunsten Dritter als Eingriff in Art. 13 1 GG bdaht, diesen jedoch fur gerechtfertigt erachtet,
ist nicht als dogmatischeNeuorientierungdes BVerfG fur den Bereichder behördlichenBetretungs-und
Besichtigungrsrechte zu verstehen. Da Betretungsrechte zugunsten Dritter sich im Gegensatz zu behördlichen
Betretungsrechten nicht bloß als vorhersehbarer Annex zu bestehendenÖHentlich-rechtlichen PHichten der
Berufsausübung
darstellen,handeltes sich um verschiedene,
nicht vergleichbare
Arten von
Betretungsrechten (M/D/H/S, GG, Art. 13, Rn. 145).

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