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Offizier, Wider-

standskämpfer,
Vater und Ehe-
mann. Auf dem
Familienbild ist
vor Tresckow und
seiner Frau Erika
Tochter Uta zu
sehen, die die
Erinnerung an ihn
bis heute bewahrt

Ein Mann,     drei Leben


 GESELLSCHAFT
ALLE FOTOS: JENS SCHWARZ/STERN

Henning von Tresckow war treibende Kraft hinter dem Hitler-Attentat


am 20. Juli 1944, vor 75 Jahren. Ein zerrissener Held – wie seine Tochter
Uta anhand unveröffentlichter Feldpostbriefe offenbart
Von Ruth Hoffmann

18.7.2019 89
„Wo das Müssen anfängt, te wohlfühlt“. Tresckow verfolgte die geniale Idee, aus den
hat das Fürchten aufzuhören“ „Walküre“-Befehlen – einst gedacht, um innere Unruhen
Henning von Tresckow niederzuschlagen – ein Instrument des Staatsstreichs zu
machen. Und es war maßgeblich seiner Hartnäckigkeit

A
zu verdanken, dass dieser zumindest versucht wurde.
Dabei war auch er zunächst ein überzeugter National­
sozialist gewesen. „Wir wählen alle A. H.“, schrieb er 1932
an eine Freundin. Ihn begeisterte die Verbindung aus Va­
terlandsliebe und einer modernen, sozialen Orientie­
rung, die Hitler versprach. Er begrüßte die heimliche
Aufrüstung des Heeres und hatte nichts dagegen einzu­
wenden, als die Armeeführung erklärte: „Niemals war
die Wehrmacht identischer mit dem Staat als heute.“
Heimaturlaub
Henning von Tresckow wurde 1901 in Magdeburg ge­ in Kriegszeiten:
Als alles verloren ist, schreibt Henning von Tresckow an boren und wuchs auf Gut Wartenberg im heutigen Polen Tresckow mit
seine Frau Erika: „Heute ist ein wunderschöner Sommer­ auf. Sein Vater, ein Kavalleriegeneral, stand sein Leben seiner Frau Erika
tag. Sogar der Pirol ruft noch, und ich will den Tag zu einer lang loyal zu Preußentum und Monarchie und gab diese 1943 in Babels-
längeren Frontfahrt benutzen.“ Es ist frühmorgens, am Haltung auch an seine Kinder weiter: Als der Erste Welt­ berg. Zu diesem
Zeitpunkt war
21. Juli 1944. Seit ein paar Stunden weiß er, dass Hitler das krieg ausbrach, konnte der damals 13-jährige Henning auch sie schon in
Attentat überlebt hat und der Putschversuch gescheitert es kaum erwarten, in die Armee einzutreten, und fürch­ die Verschwörung
ist. Früher oder später wird die Gestapo dahinterkom­ tete, der Krieg könne ohne ihn zu Ende gehen. Im Som­ eingeweiht
men, dass er maßgeblich daran beteiligt war, wird ihn ver­ mer 1917 wurde er Soldat und kämpfte zuletzt an der
haften und foltern, damit er weitere Namen preisgibt.  Westfront in Frankreich, wo der Tod allgegenwärtig war.  jetzt würden Männer wie er gebraucht; man arbeite be- Die Arbeit am Umsturz zwang ihn zu Heimlichkeit
Tresckow, erst einige Monate zuvor zum General­ Die Bedingungen der Siegermächte empfand er als reits am Sturz der Regierung. Hitlers offensichtlicher und Verstellung. Mit Buckligen, meinte er, müsse man
major befördert, steigt zu seinem Fahrer in den Wagen, demütigend; der jungen Republik begegnete er skep­ Kriegskurs biete den idealen Anlass.  bucklig reden. Parteianhängern gegenüber gab er sich
lässt sich weit ins Niemandsland zwischen den Linien tisch. Er wollte keinen neuen Krieg, war aber überzeugt, Wie ihr Vater über das NS-Regime dachte, hat Uta von linientreu, bei schwankenden Generälen kämpferisch,
fahren. Es soll aussehen, als wäre er bei einem Partisa­ dass Deutschland eine schlagkräftige Armee brauchte. Aretin nie erfahren: „Er achtete darauf, dass wir Ge- Gleichgesinnte weihte er nur so weit ein, wie es unbe-
nenangriff ums Leben gekommen. Er geht in einen Wald Nach ein paar Semestern Jurastudium und Arbeit in schwister immer unserem Dienst in der Hitlerjugend dingt nötig war. So hat Tresckow nichts hinterlassen,
nahe der heutigen Grenze zwischen Polen und Weiß­ einer Bank trat er darum 1926 – er hatte gerade Erika nachkamen, und hat sich uns gegenüber nie in irgend- woraus seine Haltung zum Regime oder den Verbrechen
russland und schießt einige Male um sich. Dann hält er von Falkenhayn, die Tochter des ehemaligen Kriegs­ einer Weise kritisch geäußert“, erzählt sie. „Bis zu der hinter der Ostfront hervorginge; keine programma­
sich eine Granate an die Schläfe und zündet.  ministers, geheiratet – wieder in die Reichswehr ein. Er Nacht, in der uns die Gestapo abholte, war ich vollkom- tischen Schriften, die Rückschlüsse darüber zuließen,
75 Jahre später. Uta von Aretin, geborene von Tresckow, träumte von einem wiedererstarkten deutschen Reich, men ahnungslos.“ welche Regierungsform er für die Zeit nach Hitler an-

S
legt in ihrer Münchner Wohnung zwei dicke Packen auf und Hitler schien der richtige Mann dafür zu sein.  strebte. Vorsicht war ihm oberstes Gebot. Auch in den
den Tisch: die Feldpostbriefe des Vaters, vergilbt und zer­ Weder die Hetze gegen Juden noch die Verfolgung Briefen an seine Frau ließ er höchstens zwischen den
lesen, und die Abschriften, die sie kürzlich davon g­ emacht politischer Gegner schien ihn daran zweifeln zu lassen. Zeilen erkennen, was wirklich in ihm vorging. 
hat, weil ihre Kinder und Enkel Sütterlin nicht lesen Als Hitler 1934 die Führung der SA um Ernst Röhm um­ Nicht einmal in seinem Taschenkalender von 1943
­können. Durch die Arbeit daran sei ihr der Vater wieder bringen ließ, war Tresckow erschüttert. Das für ihn Un­ Seine Frau weihte Tresckow erst im Frühjahr 1943 in die findet sich auch nur der kleinste Hinweis, dass er mit
sehr präsent, sagt die 88-Jährige. Seine Stimme, sein denkbare war passiert: Reichskanzler und Regierung Putschpläne ein und beschwor sie, im Falle seiner Ver- Vertrauten in jenem Jahr mindestens drei Anschläge ini-
­Humor, wie er an seiner Familie hing, seine Liebe zur hatten ungestraft morden lassen. Das Gefühl, sich eben­ haftung unter allen Umständen die hitlertreue Gattin tiiert und akribisch die Vorbereitungen für den Umsturz
Natur. Die Jahre im Krieg, Brief falls schuldig zu machen, ließ zu spielen. Die Familie durfte nicht gefährdet werden – getroffen hatte. Nur hier und da ein paar sorgsam aus-
für Brief, bis zum letzten: „Gott
behüte Dich und Euch alle.“ Mehr als 200 Menschen ihn nicht mehr los: Auch er
hatte den Eid auf Hitler abge­
und war es doch automatisch. Tresckow war sich des-
sen schmerzlich bewusst, sah aber keinen Ausweg:
gestrichene Stellen. Keine Namen, keine Treffpunkte.
Will man sich dem Menschen Tresckow nähern, ist man
Mit dem Attentat auf Hitler waren an der legt und damit einem Verbre­ Die im Namen Deutschlands begangenen Verbrechen darum auf die Aussagen derer angewiesen, die ihn ge-
verbindet sich für die meisten cher „unbedingten Gehorsam“ würden sich „in Hunderten von Jahren noch auswirken“, kannt haben. Und auf das, was er getan hat. 
nur ein Name: Claus Schenk Ver­schwörung beteiligt geschworen. Was wog schwe­ sagte er 1941 zu einem Mitverschwörer. Man werde nicht Schon im Sommer 1939 glaubte er nicht mehr daran,
Graf von Stauffenberg. Er war rer: Ehre oder Gewissen? Hitler allein die Schuld geben, „sondern Ihnen und mir, dass der Krieg durch Hitlers Verhaftung oder das Ein-
„Liebe, Lieder, es, der die Bombe ins „Führerhauptquartier“ schmug­ Nach der Ausbildung zum Generalstabsoffizier wur­ Ihrer Frau und meiner Frau, Ihren Kindern und meinen greifen der Westmächte zu verhindern sein würde, wie
ein kleines Bäum- gelte und bei der Lagebesprechung unterm K ­ artentisch de er ins Kriegsministerium versetzt und dort 1937 Kindern (...) und dem Jungen, der da Ball spielt“.  die Verschwörer um Witzleben gehofft hatten. Hitler sei
chen (…), je ein platzierte. Er ist das ­Gesicht des 20. Juli 1944, ja des ­damit betraut, einen Plan für den Aufmarsch gegen die Etwas tun, um der eigenen Kinder willen, selbst wenn das Unheil und müsse getötet werden, sagte er zu sei-
neues Lied von
den 3 Großen“ – ­Widerstands schlechthin.  Tschechoslowakei auszuarbeiten – angeblich für den man sie dadurch erst in Gefahr brachte – ein unauflös- nem Vetter, dem Anwalt Fabian von Schlabrendorff, von
die Weihnachts- Tatsächlich aber waren gut 200 Menschen am Umsturz­ Verteidigungsfall, doch ein nachgereichter Zusatz‑ barer Widerspruch. Und nicht der einzige: Tresckow dessen kritischer Haltung er wusste. Der war überrascht:
wünsche, die versuch beteiligt – bei Weitem also nicht nur eine „ganz befehl enthüllte, worum es eigentlich ging: Von einem wollte den Krieg verhindern, machte aber Karriere in der So kompromisslos dachten im Widerstand nur wenige.
Tresckow 1942 kleine Clique“ von Offizieren, wie Hitler noch in der Nacht „Angriffskrieg“ zur „Lösung des deutschen Raumpro­ Armee, plante Hitlers Ermordung und errang zugleich Der Kriegsbeginn zwang dann aber auch Tresckow zu
nach Hause behauptete. Einige von ihnen hatten schon 1938 versucht, blems“ war darin die Rede und davon, ihn „auch dann Siege für ihn. Er wusste, dass er sich schuldig machte, Kompromissen: Als Generalstabsoffizier war er erst am
schrieb, berühren
das Regime zu Fall zu bringen, und hielten nach Kriegs­ zu einem siegreichen Ende zu führen, wenn die eine wie immer er es drehte und wendete. Er war Wider- Einfall in Polen, dann am Angriff auf Frankreich beteiligt,
seine Tochter
Uta bis heute beginn an diesem Ziel fest. Kopf und Herz der Verschwö­ oder andere Großmacht gegen uns eingreift“.  standskämpfer, Krieger in Hitlers Armee, Vater und Ehe- nahm also an einem Feldzug teil, von dem er wusste,
rung und treibende Kraft war Henning von Tresckow.  Kein Zweifel: Hitler wollte Krieg um jeden Preis, und mann. Drei Leben. Ein Dilemma.  „Ich bin doch nun dass er weder aufgezwungen noch unabwendbar war –
Er suchte schon nach Möglichkeiten, den Diktator zu nichts deutete darauf hin, dass in der Wehrmachtsfüh­ mal verflucht zu einem doppelten Amt“, schrieb er im und dass er die Aussicht auf einen Umsturz vorerst gen
stürzen, als Stauffenberg noch die „planmäßige Koloni­ rung jemand dagegen aufbegehrte. Tresckow überleg­ September 1942 von der Front. „Die Sehnsucht, von die- null sinken ließ. Tatsächlich steigerten die schnellen Er-
sation“ Polens für geboten hielt, da sich dieses Volk, wie te, den Dienst zu quittieren, doch sein Vorgesetzter, Ge­ sem Posten einmal befreit zu sein, ist groß, trotz aller oberungen Hitlers Popularität beträchtlich. Selbst Tres-
er während des Einmarschs schrieb, „nur unter der Knu­ neral Erwin von Witzleben, hielt ihn zurück: Gerade Machtfülle und Einblick (...) Niemand kann’s ermessen!“  ckow war zunächst bewegt vom Sieg über Frankreich, 4

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das auch er für Deutschlands größten Demütiger hielt: ernährt, so lernte man das bei der Offiziersausbildung“,
„Aller Kleinmut (...) ist angesichts unserer ungeheuren sagt der Historiker Peter Steinbach. „Die Zivilbevölke-
Erfolge verflogen. So wird alles weiter gut werden und rung wurde an keinem Frontabschnitt geschont. Gemäß
hoffentlich ein guter Frieden folgen“, schrieb er auf einer der Taktik der ‚verbrannten Erde‘ raubte man den Bauern
Karte. Auf der Vorderseite: ein Bild von der Unterzeich- Getreide und Vieh, steckte Felder und Dörfer in Brand.
nung der Kapitulation 1918. Tresckow konnte das nicht verhindern, aber er sah seine
Von einem „guten Frieden“ konnte keine Rede sein: eigene Schuld und zog daraus Konsequenzen, wurde
Ende 1940 rüstete die Wehrmacht für den Angriff auf die ­radikaler im Urteil und im Handeln.“
Sowjetunion; Tresckow wurde nach Posen versetzt. Er war Wenn von den alten Generälen nichts zu erwarten war,
erfahren genug, um abschätzen zu können, dass das musste der entscheidende Schlag – die „Initialzündung“,
„Unternehmen Barbarossa“ schon allein deshalb Irrsinn wie es die Verschwörer nannten – von den Jungen in den
war, weil nicht genug Divisionen zur Verfügung standen. unteren Rängen ausgehen. Früher oder später würde Tresckow (4. v. r.)
sammelte in der
Als Soldat fürchtete er die Niederlage, als Hitler-Gegner ­Hitler der Ostfront einen Besuch abstatten, das wollte
Heeresgruppe
sehnte er sie herbei. Er wünschte, sagte er im Dezember Tresckow mit seinen Vertrauten für ein Attentat nutzen. Mitte Hitler-
1941 zu einem seiner Offiziere, er könnte „dem deutschen Zusammengerollte Landkarten boten, wie er herausfand, Gegner um sich:
Volk einen Film vorführen: Deutschland bei Kriegsende“. einen passablen Schallschutz, um unbemerkt einen Auf dem Bild ist
Dann würde es vielleicht „voller Schrecken erkennen, auf Schuss aus nächster Nähe abzufeuern. Sicherer schien Ewald-Heinrich
was wir lossteuern“. So aber werde es, „wann immer wir ihm aber ein Bombenanschlag.  von Kleist links
neben ihm zu
Hitler beseitigen, totensicher eine Dolchstoßlegende er- Im Sommer 1942 bat er Gersdorff, ihm über die Ab- sehen, ganz
schaffen“. Selbst bei den günstigsten Friedensbedingun- teilung „Sabotage“ handlichen Sprengstoff mit ge- rechts Fabian von
gen werde es heißen, man habe „den geliebten Führer (...) räuschlosem Zeitzünder zu besorgen. Mit Schlabren- Schlabrendorff
kurz vor dem Endsieg umgebracht“. dorff e­ xperimentierte er wochenlang in den Dnjepr-
Tresckow kannte die offenkundig verbrecherischen Wiesen, testete die Wucht verschiedener Stoffe im Unermüdlich kämpften Tresckow und seine Mitstrei- Er bemühte sich, das Kriegsgeschehen, das ihn um-
Befehle, die noch vor dem Einmarsch ergangen waren Freien und in leer stehenden Gebäuden, notierte Ver- ter darum, einflussreiche Militärs auf ihre Seite zu zie- gab, in seinen Briefen als ruhig und ungefährlich dar-
und den Feldzug als „Vernichtungskampf“ entlarvten. zögerungen, Temperatur und Zündzeiten. Schließlich hen. Doch nicht einmal jetzt, wo niemand mehr leugnen zustellen. Umso mehr Raum nahmen sorgenvolle Fra-
Vergebens hatte er seinen Oberbefehlshaber bestürmt, fiel die Wahl auf erbeutete britische Haftminen mit konnte, dass der Krieg verloren war, konnten sich die Ge- gen nach der Heimat ein. Nach Freunden, den beiden
Hitler deswegen die Gefolgschaft zu kündigen und sei- Plastiksprengstoff von der Größe eines Buches. Zwei neräle zum Widerstand durchringen: Generalfeldmar- Töchtern und den Söhnen, die im Alter von 15 Jahren zur
ne Generalskollegen aufzufordern, es ihm gleichzutun. Stück, so das Fazit nach endlosen Versuchsreihen, wür- schall Hans Günther von Kluge, obwohl vom Verhängnis Flakabwehr eingezogen worden waren: „Nun auch Rüdi
Die geschlossene Gehorsamsverweigerung wenige Tage den genügen, um in einem geschlossenen Raum die er- der Lage überzeugt, zögerte und zauderte; und Erich von schon im Januar? Unsere kleinen Jungens!“
vor dem geplanten Angriff hätte Hitler vermutlich zum wünschte Wirkung zu erzielen. Manstein erklärte: „Preußische Feldmarschälle meutern Bis zum Frühjahr 1944 waren wieder mehrere Atten-
Einlenken gezwungen, doch der Protest blieb halb- Ihm scheine, schrieb Tresckow an seine Frau, „als ob nicht.“ tatsversuche gescheitert. Mittlerweile hatte auch Tres-

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herzig – und wirkungslos.  wir doch langsam leichter und heller wandern werden. ckow seine Zuversicht verloren. Vergebens hatte er
Entsetzt über die Passivität seiner Vorgesetzten, be- Nicht äußerlich, aber die Herzen werden freier und fes- ­versucht, auf eine Position in Hitlers Nähe versetzt zu
schloss Tresckow, seinen Stab in der Heeresgruppe Mitte ter“. Und etwas später: „Es ist soviel dunkel, aber das werden, vergebens um die Unterstützung der Ober­
zu einem Zentrum des Widerstands auszubauen. Sys­ Licht scheint!“ Noch hoffte er, sie aus allem heraus­ befehlshaber gekämpft. „Sie wollen alle bereit sein,
tematisch besetzte er nach und nach alle Schlüsselposi- halten zu können. Dass der Umsturz gelingen und er ihr Der Rückzug auf Soldatenehre und Preußentum erbos- je nach Entwicklung so oder so zu schwenken à la ‚ich
tionen mit Gleichgesinnten, darunter sein Vetter Schlab­- erst hinterher erzählen müsste, welche Rolle er dabei te Tresckow besonders – für ihn waren gerade das Wer- war ja schon immer‘“, schrieb er wütend. Kurz darauf
rendorff und Rudolph-Christoph Freiherr von Gersdorff, gespielt hatte. So oft wie möglich flogen er oder Schla- te, die jetzt zum Handeln verpflichteten. Noch schwerer landeten in der Normandie die Alliierten. 
den er von der Kriegsakademie kannte. Nirgendwo brendorff nach Berlin, um mit den anderen Verschwö- wog sein Glaube: „Ein (...) überzeugter Christ kann doch Ob es jetzt überhaupt noch sinnvoll sei, am Staats-
sonst gab es eine so große, ge‑ rern Tag X vorzubereiten: nur ein überzeugter Gegner Hitlers sein“, sagte er einmal. streichplan festzuhalten, ließ Stauffenberg Tresckow fra-
schlossene Oppositionszelle.
Über Schlabrendorff stellte Tresckow lud als Nach der „Initial­ zündung“
musste alles für den Staats-
Noch war vielleicht nicht alles verloren, ließ sich mit
Glück ein Frieden aushandeln, der Deutschland vor dem
gen. Der antwortete, ohne zu zögern: „Das Attentat muss
erfolgen coûte que coûte (...) Denn es kommt nicht mehr
Tresckow Kontakt zur zivil­ Soldat Schuld auf sich – streich bereit sein. Untergang bewahren könnte. Tresckow machte sich we- auf den praktischen Zweck an, sondern darauf, dass die
militärischen Widerstands­ „Weihnachtswünsche 1942: nig Illusionen. Ihm war klar, dass die Alliierten angesichts deutsche Widerstandsbewegung vor der Welt und vor der
gruppe um Generaloberst a. D. und litt darunter 1. Liebe, Lieder, ein kleines der ungeheuren Verbrechen kaum zu Zugeständnissen Geschichte unter Einsatz des Lebens den entscheidenden
Ludwig Beck in Berlin her, der Bäumchen (...), 2. Wenn mög- bereit sein würden. Eine Chance gab es nur, wenn es jetzt Wurf gewagt hat. Alles andere ist daneben gleichgültig.“  
Ferne Erinnerung: bereits 1938 aus Protest gegen Hitlers Kriegspolitik lich neue Fotos von Frau und Kindern, 3. Je ein neues noch gelänge, das Regime aus eigener Kraft zu stürzen.  Tresckows Leichnam wurde nach Wartenberg über-
Uta von Aretin ­zurückgetreten war. Die Zeit drängte: Hinter der Front Lied und Gedicht von den 3 Großen, 4. Nichts, aber Es sei viel zu wenig geschehen, klagte Tresckow im führt und am 27. Juli im Familiengrab beigesetzt. Als die
war 13 Jahre alt, im Osten begingen nachrückende SS-Einheiten barba- auch gar nichts weiter!“ Sommer 1943 gegenüber seiner Frau, die inzwischen ein- Gestapo kurz darauf erkannte, dass Tresckow bei der
als ihr Vater
sich nach dem
rische Verbrechen. Entsprechende Berichte, die teilwei- Als Hitler schließlich am 13. März 1943 das Truppen- geweiht war und nun auch selbst aktiv wurde: Zusam- ­Verschwörung eine zentrale Rolle gespielt hatte, ließ ihn
gescheiterten se auch über Tresckows Schreibtisch gingen, listeten lager in Smolensk besuchte, gelang es Tresckow, dafür men mit einer Freundin tippte sie die „Walküre“- Himmler exhumieren und im KZ Sachsenhausen vor
Attentat 1944 akribisch Abertausende Morde auf.   zu sorgen, dass zwei als Geschenk getarnte Minen mit Marschbefehle und -Einsatzpläne für Tag X, die ihr Mann den Augen seines Freundes Schlabrendorff verbrennen.
das Leben nahm. „Wir sind subalterne Erfüllungsgehilfen (...) im Dienst aktiviertem Zünder an Bord der „Führer-Condor“ ge- ausgearbeitet hatte. Ab September unterstützte ihn Stauf- Die damals 13-jährige Uta und ihre vierjährige Schwes-
„Ich habe ihn eines Kapitalverbrechers“, sagte er zum Ordonnanz­ nommen wurden. Doch im Flugzeug war es zu kalt, die fenberg. Die Treffen fanden im Grunewald statt, an wech- ter Adelheid kamen in ein Heim, ihre Mutter ins Ge-
unglaublich ver- offizier eines Feldmarschalls, den er für den Putsch Bombe explodierte nicht. Wenige Tage später entkam selnden Orten, unterbrochen von Bombenangriffen.  fängnis. Rüdiger, 16, blieb weiter bei der Marine, der
misst“, sagt sie
­gewinnen wollte. „Nach zuverlässigen Informationen
betreiben SS-Spezialkommandos Ausrottungen, die
Hitler in Berlin erneut einem Anschlag, bei dem sich
Gersdorff mit ihm in die Luft sprengen wollte. Und im
Als Tresckow im Oktober an die Ostfront nahe Weiß-
russland versetzt wurde, war alles bereit, nur fehlte noch
17-jährige Mark fiel im Januar 1945 in Polen. 2
jede Fantasie übersteigen.“  April ging die Gestapo gegen die Abteilung „Abwehr“ immer ein Attentäter, der Zugang zu Hitler hatte. Wo-
Ruth Hoffmann ist überzeugt, dass es zu kurz greift,
Als Generalstabsoffizier befolgte auch Tresckow im Kriegsministerium vor, wodurch die Verschwörung chen vergingen. „Ich mache dir gar nichts vor, Liebste (...), zuerst und vor allem nach der Verstrickung der
­Befehle, die aus heutiger Sicht verbrecherisch sind: „Es eins ihrer wichtigsten Zentren verlor. Wie lange würde wir müssen durch!“, schrieb Tresckow. „Vergib mir nur das Verschwörer vom 20. Juli 1944 in das NS-System zu
war allgemeine Überzeugung, dass der Krieg den Krieg es dauern, bis der Rest des Netzwerks aufflog? alles, was ich Dir an Belastung in dieser Zeit zumute.“ fragen. Das zeige gerade Tresckows Beispiel

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