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Der gestiefelte Kater

Es war einmal ein Müller, der hatte drei Söhne, seine doch oft Langeweile, vielleicht macht ihm der Kater
Mühle, einen Esel und einen Kater; die Söhne mußten mit seinem Brummen und Spinnen Vergnügen." Als
mahlen, der Esel Getreide holen und Mehl forttragen, der Kater vor den König kam, machte er eine tiefe
die Katze dagegen die Mäuse wegfangen. Als der Verbeugung und sagte: "Mein Herr, der Graf" - dabei
Müller starb, teilten sich die drei Söhne in die nannte er einen langen und vornehmen Namen - "läßt
Erbschaft: der älteste bekam die Mühle, der zweite den sich dem Herrn König empfehlen und schickt ihm hier
Esel, der dritte den Kater; weiter blieb nichts für ihn Rebhühner"; wußte der sich vor Freude nicht zu fassen
übrig. Da war er traurig und sprach zu sich selbst: "Mir und befahl dem Kater, soviel Gold aus der
ist es doch recht schlimm ergangen, mein ältester Schatzkammer in seinen Sack zu tun, wie er nur tragen
Bruder kann mahlen, mein zweiter auf seinem Esel könne: "Das bringe deinem Herrn, und danke ihm
reiten - was kann ich mit dem Kater anfangen? Ich laß vielmals für sein Geschenk."
mir ein Paar Pelzhandschuhe aus seinem Fell machen, Der arme Müllersohn aber saß zu Haus am Fenster,
dann ist's vorbei." stützte den Kopf auf die Hand und dachte, daß er nun
"Hör," fing der Kater an, der alles verstanden hatte, sein letztes Geld für die Stiefel des Katers weggegeben
"du brauchst mich nicht zu töten, um ein Paar habe, und der ihm wohl nichts besseres dafür bringen
schlechte Handschuhe aus meinem Pelz zu kriegen; könne. Da trat der Kater herein, warf den Sack vom
laß mir nur ein Paar Stiefel machen, daß ich ausgehen Rücken, schnürte ihn auf und schüttete das Gold vor
und mich unter den Leuten sehen lassen kann, dann den Müller hin: "Da hast du etwas Gold vom König,
soll dir bald geholfen sein." Der Müllersohn der dich grüßen läßt und sich für die Rebhühner bei dir
verwunderte sich, daß der Kater so sprach, weil aber bedankt." Der Müller war froh über den Reichtum,
eben der Schuster vorbeiging, rief er ihn herein und ohne daß er noch recht begreifen konnte, wie es
ließ ihm die Stiefel anmessen. Als sie fertig waren, zog zugegangen war. Der Kater aber, während er seine
sie der Kater an, nahm einen Sack, machte dessen Stiefel auszog, erzählte ihm alles; dann sagte er: "Du
Boden voll Korn, band aber eine Schnur drum, womit hast jetzt zwar Geld genug, aber dabei soll es nicht
man ihn zuziehen konnte, dann warf er ihn über den bleiben; morgen ziehe ich meine Stiefel wieder an,
Rücken und ging auf zwei Beinen, wie ein Mensch, dann sollst du noch reicher werden; dem König habe
zur Tür hinaus. ich nämlich gesagt, daß du ein Graf bist." Am andern
Damals regierte ein König im Land, der aß so gerne Tag ging der Kater, wie er gesagt hatte, wohl
Rebhühner: es war aber eine Not, daß keine zu kriegen gestiefelt, wieder auf die Jagd, und brachte dem König
waren. Der ganze Wald war voll, aber sie waren so einen reichen Fang. So ging es alle Tage, und der
scheu, daß kein Jäger sie erreichen konnte. Das wußte Kater brachte alle Tage Gold heim und ward so beliebt
der Kater, und gedachte seine Sache besserzumachen; beim König, daß er im Schlosse ein- und ausgehen
als er in den Wald kam, machte er seinen Sack auf, durfte. Einmal stand der Kater in der Küche des
breitete das Korn auseinander, die Schnur aber legte er Schlosses beim Herd und wärmte sich, da kam der
ins Gras und leitete sie hinter eine Hecke. Da Kutscher und fluchte: "Ich wünsche, der König mit der
versteckte er sich selber, schlich herum und lauerte. Prinzessin wäre beim Henker! Ich wollte ins Wirtshaus
Die Rebhühner kamen bald gelaufen, fanden das Korn gehen, einmal einen trinken und Karten spielen, da
- und eins nach dem andern hüpfte in den Sack hinein. sollt ich sie spazierenfahren an den See." Wie der
Als eine gute Anzahl drinnen war, zog der Kater den Kater das hörte, schlich er nach Haus und sagte zu
Strick zu, lief herbei und drehte ihnen den Hals um; seinem Herrn: "Wenn du ein Graf und reich werden
dann warf er den Sack auf den Rücken und ging willst, so komm mit mir hinaus an den See und bade
geradewegs zum Schloß des Königs. Die Wache rief. darin." Der Müller wußte nicht, was er dazu sagen
"Halt! Wohin?" - "Zum König!" antwortete der Kater sollte, doch folgte er dem Kater, ging mit ihm, zog
kurzweg. "Bist du toll, ein Kater und zum König?" - sich splitternackt aus und sprang ins Wasser. Der
"Laß ihn nur gehen," sagte ein anderer, "der König hat Kater aber nahm seine Kleider, trug sie fort und

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versteckte sie. Kaum war er damit fertig, da kam der scheint mir ganz unmöglich, und deshalb bin ich
König dahergefahren; der Kater fing sogleich an, gekommen, um mich selbst zu überzeugen." Der
erbärmlich zu lamentieren: "Ach! Allergnädigster Zauberer sagte stolz: "Das ist für mich eine
König! Mein Herr, der hat sich hier im See zum Baden Kleinigkeit," und war in dem Augenblick in einen
begeben, da ist ein Dieb gekommen und hat ihm die Elefant verwandelt. "Das ist viel," sagte der Kater,
Kleider gestohlen, die am Ufer lagen; nun ist der Herr "aber auch in einen Löwen?" - "Das ist auch nichts,"
Graf im Wasser und kann nicht heraus, und wenn er sagte der Zauberer, dann stand er als Löwe vor dem
sich noch länger darin aufhält, wird er sich erkälten Kater. Der Kater stellte sich erschrocken und rief:
und sterben." Wie der König das hörte, ließ er anhalten "Das ist unglaublich und unerhört, dergleichen hätt ich
und einer seiner Leute mußte zurückjagen und von des mir nicht im Traume in die Gedanken kommen lassen;
Königs Kleider holen. Der Herr Graf zog dann auch aber noch mehr, als alles andere, wär es, wenn du dich
die prächtigen Kleider an, und weil ihm ohnehin der auch in ein so kleines Tier, wie eine Maus ist,
König wegen der Rebhühner, die er meinte, von ihm verwandeln könntest. Du kannst gewiß mehr, als
empfangen zu haben, gewogen war, so mußte er sich irgendein Zauberer auf der Welt, aber das wird dir
zu ihm in die Kutsche setzen. Die Prinzessin war auch doch zu hoch sein." Der Zauberer ward ganz
nicht bös darüber, denn der Graf war jung und schön, freundlich von den süßen Worten und sagte: "O ja,
und er gefiel ihr recht gut. liebes Kätzchen, das kann ich auch," und sprang als
Der Kater aber war vorausgegangen und zu einer eine Maus im Zimmer herum. Der Kater war hinter
großen Wiese gekommen, wo über hundert Leute ihm her, fing die Maus mit einem Satz und fraß sie
waren und Heu machten. "Wem ist die Wiese, ihr auf.
Leute?" fragte der Kater. "Dem großen Zauberer." - Der König aber war mit dem Grafen und der
"Hört, jetzt wird gleich der König vorbeifahren, wenn Prinzessin weiter spazierengefahren, und kam zu der
er wissen will, wem die Wiese gehört, so antwortet: großen Wiese. "Wem gehört das Heu?" fragte der
dem Grafen; und wenn ihr das nicht tut, so werdet ihr König. "Dem Herrn Grafen," riefen alle, wie der Kater
alle erschlagen." Darauf ging der Kater weiter und ihnen befohlen hatte. "Ihr habt da ein schön Stück
kam an ein Kornfeld, so groß, daß es niemand Land, Herr Graf," sagte der König. Danach kamen sie
übersehen konnte; da standen mehr als zweihundert an das große Kornfeld. "Wem gehört das Korn, ihr
Leute und schnitten das Korn. "Wem gehört das Korn, Leute?" - "Dem Herrn Grafen." - "Ei! Herr Graf!
ihr Leute?" - "Dem Zauberer." - "Hört, jetzt wird Große, schöne Ländereien!" - Darauf zu dem Wald:
gleich der König vorbeifahren, wenn er wissen will, "Wem gehört das Holz, ihr Leute?" - "Dem Herrn
wem das Korn gehört, so antwortet: dem Grafen; und Grafen." Der König verwunderte sich noch mehr und
wenn ihr das nicht tut, so werdet ihr alle erschlagen." sagte: "Ihr müßt ein reicher Mann sein, Herr Graf, ich
Endlich kam der Kater an einen prächtigen Wald, da glaube nicht, daß ich einen so prächtigen Wald habe."
standen mehr als dreihundert Leute, fällten die großen Endlich kamen sie an das Schloß, der Kater stand oben
Eichen und machten Holz. "Wem ist der Wald, ihr an der Treppe, und als der Wagen unten hielt, sprang
Leute?" - "Dem Zauberer." - "Hört, jetzt wird gleich er herab, machte die Türe auf und sagte: "Herr König,
der König vorbeifahren, wenn er wissen will, wem der Ihr gelangt hier in das Schloß meines Herrn, des
Wald gehört, so antwortet: dem Grafen; und wenn ihr Grafen, den diese Ehre für sein Lebtag glücklich
das nicht tut, so werdet ihr alle erschlagen." Der Kater machen wird." Der König stieg aus und verwunderte
ging noch weiter, die Leute sahen ihm alle nach, und sich über das prächtige Gebäude, das fast größer und
weil er so wunderlich aussah, und wie ein Mensch in schöner war als sein Schloß; der Graf aber führte die
Stiefeln daherging, fürchteten sie sich vor ihm. Er kam Prinzessin die Treppe hinauf in den Saal, der ganz von
bald an des Zauberers Schloß, trat keck hinein und vor Gold und Edelsteinen flimmerte.
diesen hin. Der Zauberer sah ihn verächtlich an, dann Da ward die Prinzessin mit dem Grafen versprochen,
fragte er ihn, was er wolle. Der Kater verbeugte sich und als der König starb, ward er König, der gestiefelte
tief und sagte: "Ich habe gehört, daß du dich in jedes Kater aber erster Minister.
Tier ganz nach deinem Belieben verwandeln könntest;
was einen Hund, Fuchs oder auch Wolf betrifft, da will ***
ich es wohl glauben, aber von einem Elefant, das

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