Beruflich Dokumente
Kultur Dokumente
^ WUWM .^ML!
von
27 ^ 7.
MÄNWM
. t s ' -
4
r
'v,
Ws !ic.>ö ^usMiNgök.
KM
-. . - )
l.xxxv.
Die Donau.
Gg 4 Lange
4/L
Lange arbeitet man schon Lurch theo¬
retische Spekulazionen und praktische. Ver¬
suche, an dem Prosekt, die DoNau auf¬
wärts zu schiffen . Emiger vortheilhaften
Unternehmungen im Kleinen ungeachtet,
wird es im Grossen schwerlich gelingen,
und dieß nicht darum , als ob es den An¬
wohnern der Donau an Kenntnissen, oder
Fleiß bei dieser Sache fehlte, sondern weil
es beinahe phisisch unmöglich bleibt. Der
Abfall des Flußes ist zu stark, als daß
Wind oder mechanische Kräfte ihn je über¬
wältigen könnten. Bloß vom Kahlenberg
bis an die Stadt beträgt der Abfall schon
i Fuß. Durch Ungarn hinunter ist e-
noch ungleich stärker , und ströhmt eben
dadurch reissender . Von Semlin bis Linz
segeln wollen, hieße wirklich einen Berg
Hinanschiffen.
Der durch die Eifersucht des Prinzen
von Baaden unbillig verfolgte Graf Mar-
slgli hat diesen Strthm durch eine gute und
prächtige Beschreibung genau kennen gelehrt.
I.XXXVI.
473
I^XXXVI.
Litteratur.
I .XXXVII.
Schriftsteller.
Ausser
Brofchüristen.
Wie ein Sturmwind aus Süden oft
in den öden Sandwästen des inneren
Afrikq ein Heuschrekenheer emporhebt,
Hh 3 und
486 o-sW -^ o
I.XXXIX,
49Z
I.XXXIX.
Geistlichkeit.
Reformiere.
Superintendenten u . Pfarrer . . . lgo»
Unitaxische
S t z (7X.
Zo»
xe.
Janseniste ».
Jl 4 Wie
Das
Si-S
xci.
KamMeriungfern.
Von den rigorösen Jansenisten zu den
koketten Kammrriungfern ists «in mächti¬
ger Schritt. Diese beiden Dinge find
Extremitäten in der Gesellschaft , weil es
eigends mit zu den auszeichnenden Din¬
gen der Jansenisten gehört, strenge Myso-
Ji 5 SY-
Zo6
gynen zu spielen . Indessen kenne ich doch
manch « Kammerjungfer , die vielleicht in
einer Stunde unter vier Augen die Frucht,
von vielen Bänden des Arnauld oder Ni¬
cole zernichten würde.
Der Orden der Kammerjungfern ist in
Wien von Wichtigkeit . Die Geheimnisse
der ganzen schönen Welt gehn durch ihre
Hände ; und wer die Welt nur ein bis¬
chen kennt , der weiß , welche unglaubliche
Dinge durch die Schöne Welt gewirkt wer¬
den . „ Die stehenden Heere haben
, , vielleicht unsere europäische Regierungen
, , nicht mehr umgeschaffen , als die von der
„ Anna von Bretagne zuerst eingeführten'
, , Friier eie reine " sagt Hr Schlözer : und
ich seze hinzu : die killes 6s reine thun
wenig merkbare Einwirkungen , wobei nicht
die Miller 6e ckambre den Knoten schüre
zen , oder austösen helfen , nicht um da-
Geheimniß wissen , nicht hinter der Kulisse
«itspielen.
De»
5°7
Den Dialog mancher Dame mit ihrer
Kammerjungfer Morgens an vertraulichen
Puztischen mit anhören können, wäre für
den Philosophen oft ein «interessanter Leker-
bissen, «ine Sache von Wichtigkeit, die
ihm Aufschlüsse über die größten Auftritte
des Tage^ geben würde. . . . In der Re¬
gel ist die Kammerjungfer stets die Ver¬
traute ihrer Dame , besonders wenn diese
noch jung ist. Indessen giebt es auch
welch«, die von ihren Frauen gleichgültig
behandelt , auch wohl recht teuflisch von
ihnen geplagt werden , besonders wenn sich
etwa Eifersucht einmengt. In diesem
Falle trennt man sich bald.
Die Wienerischen Kammerjungfern le¬
ben bequem. Die Intimitäten ihrer Da¬
men besorgen , und den Puz etwas in
Ordnung bringen helfen, dteß ist ihre gan¬
ze Beschäftigung. Alle übrige Zeit bleibt
ihnen , mit ihren Liebhabern zu tändeln,
und auf den Schmuk ihres Geistes und
Körpers zu wenden, Auch gibt es einige
unter
unter ihnen , die Geschmak , Wtj , Gra-
zie , Lektüre , Sentiments , sogar Philos » «
phie besizen , die ihren Wieland und Blum-
auer aus dem Kopfe hersagen , und Vol¬
taire , Petrarca und Pope in der Grund¬
xcn.
Stubenmädchen.
Wie sich in den Lrosscn Häusern die
Dame von der Kammerjungfer bedienen
läßt , so läßt sich diese wieder von den
Stubenmädchen bedienen . Bel den Weis
bern von minderer Bedeutung sind die
Stubenmädchen das , was die Kammerjuug-
fern in den Palästen vorstelle« .
Die
ZIO
vn-
XOIII.
R e d u t e.
Sie ist die Hauptbelustigung der Fast-
nachtszeit , für das bessere Publikum.
In einem Flügel der kaiserlichen Burg
find zwei ungeheure Säle , dem Comus
und Bachus geweiht. Sie *stehn vom 7ten
Januar bis zum lichten Aschermittwoch
offen; anfangs alle Wochen Einmal , spä¬
ter hin jede Woche zweimal, und die lez-
trn drei Fastuachtstage alle. Man steigt
an einem eisernen Gatter ab , gehet durch
eine Reihe von fünfzig schnurbärtigen Gre¬
nadiers , die mit ihren rauhen Bärnmä«
. NN
07^ 82^ - 0 5i5
nekt .'
xciv.
LustmädchkN.
Kk 4 die
§-c>
die im Verhältniß mit andern grvfftn
Städten wahrlich geringe ist.
Grösser ist die Zahl derjenigen, wel¬
che auf einem ganz artigen Fuß von rei¬
chen Liebhabern unterhalten werden; aber
nieistentheils in ihren Häusern versperrt
fizen, nie öffentlich mit ihren Liebhabern
erscheinen, und denselben jährlich zwetbiS
dreitausend Gulden kosten.
Noch grösser ist die Zahl derjenigen
die von minder reichen Leuten unterhalten
werden, zu zwei bis dreien bei einer gut¬
herzigen Matrone beisammen wohnen,
jährlich fünf bis sechshundert Gulden von
IhrenLiebhahern ziehen,und diesen, hei plözli-
cher günstiger Gelegenheit einige Dukaten
zu erhaschen, von Zeit zu Zeit auf eine
Viertelstunde untreu werden.
Alle dies« unterhaltenen Mädchen gehn
von Hand zu Hand, Es wird nach ei¬
niger Zeit entweder der Liebhaber ihrer
s<M; hder es bietet sich ein andrer an,
her
V-^ LS^ o ZLI
rustseuche.
XEVI.
zu erhalten.
xcvn.
Chirurgische Akademie.
. xcvm.
Die Nunziatuk.
XOIX.
Schneider.
Kleider machen Leute: und Schneider
machen Kleider; also folgt von selbst
M m daraus,
546
daraus , daß die Herren von der Nadel
Männer von der ersten Wichtigkeit im
Staate scyn.
Zwar trete ich nicht eben mit jener
tiefen Ehrfurcht und Hochachtung in mei¬
nes Schneiders Werksiätte, wie weiland
Freund Rabcner , spaßhaften Andenkens,
es von seiner Person versichert; indessen
fühle ich, daß es nicht eitel Lustigma¬
cherei sey , was er von der Wichtigkeit
der Kleider sagt. Zederman , der sich
eine Weile in der Welt herumgetrirben
hat , wird mir beistimmenr wird erfahren
haben, wie oft das Kleid zum Maßstabe
des Verdienstes genommen wird ; wie oft
ein schimmernder Anzug einen leeren Kopf
hob; wie oft ein faserichter Rok die
Brauchbarkeit eines Mannes verdunkel¬
te . . . . In den Hauptstädten, wo LuxuS
und Kleiderpracht so allgemein ausgebrei¬
tet sind, wo sie einen so wesentlichen
Lheil der guten Lebensart ausmachen,
kann
547
kann Man wenigstens mit halbem Ernste
fugen , daß Kleider Leute machen.
Herr de Luca behauptet , in Wien
sehen über dreitausend Meister Schneider.
Ich glaube , Hr » de Luca habe fich etwas
überzählt ; denn da Wien samt seinen
Vorstädten etwas über sechstausend Häu-
zer hat , so müßte nach seiner Liste in je¬
dem zweiten Hause Ein und ein Zwölf»
rheil Schneidermeister wohnen ; daß die¬
ses aber nicht so scy , steht jedcrman auf
den ersten Anblik . <— Meister , Gesellen,
und Lehrpursche zusammen genommen,
mögen einen Huufen von zc >oc > Schnei¬
derköpfen ausmachen»
Einige dieser Nadrlhetren verfertigen
bloß Mannskleider , andere bloß Weibs¬
kleider , noch andere den Hungarischen
Anzug»
Einige Schneider in Wien haben eine
sdnderbare Sitte eingeführt , von der mir
nicht bekannt ist , daß fie in irgend einer
«ndern Stadt gänge sey . Sie lassen
Mm » vr-
S48 o^-w - v
von allen Gattungen der
ordentliche Tariff
Kleider druken, die sie um einen so ge¬
Preis liefern, wie an andern Or¬
siezten
ten der Schlächter das Fleisch
, oder der
Wirth den Wein verkauft . Solche Ta¬
riff- Schneider sind Dero, Rarl , Rral-
lischek rc.
Der Seltenheit der Sache wegen ge¬
be ich einen kleinen Auszug aus einem sol¬
chen Tariff . Wenn er schon gegenwärtig
den Wienern gleichgültig ist, so isi er doch
dem Auslande etwas Neues; und viel¬
leicht ist er nach fünfzig Jahren auch für
die Wiener ein Stük, das zu einem in¬
teressanten Vergleich über den Werth der
Dinge in verschiednen Zeitpunkten dienen
kann.
N.
Ein ganzes tüchernes Mannskleid
von 8 Fl. Tuch mit Croisee ge¬
füttert, und mit gleich über¬
zogenen Knöpfen . . . . 42
Von
549
Fl.
Don 6 Fl. Tuch oder^ breiten2 Fl. ^
^cr Kr., Halbtuch . . . zz d
Don ^ breiten 4 Fl- Tuch . - « rg
Don L Ellen breitenz Fl. Halbtuch 2Z
- Rvk und Bernkleider, oder Rok
- und Veste.
Don F Fl. Tuch mit Crvisee gefüttert z»
Don 6 Fl. Tuch oder^ breiten2 Fl.
zo Kr. Halbtuch . . . , 26
Don 4 breiten 4 Fl. Tuch . . . 2A
Don r Ellen breitenz,Fl. Halbtuch 17
Rapotröke.
Don 6 Fl. Tuch mit Croifee gefüttert 28
Don 8 Fl. Tuch Wollblau . . . z6
Von 4 Fl. Tuch . 24
Veste und Beinkleider.
Von schweren Seidenzeugen zuz Fl.
zo Kr. die Ellen . . . . rF
Don mittelschweren. . . , . iz
Don gewirkten dreifädigen Säken . 8
Von Sommermanchester. . . . IZ
Don mittelschweren . . . io
Mnr z Som-
SS»
Fl.
Sommerkleider.
MGlatteF Mannskleid von feinen Ka-
' mclot ty't Lasset gefüttert . . Z8
Don feinen Haruwin zu » Fl . . . Lg
Don Dreydrath zu » 8 Groschen . r6
Don halbfeidnem Kamelot . . . sA
Don glattem Berkan , mit Kanne»
vasfutter . . lz
Livreien.
e.
Kaffeehäuser.
.Aisuäesu.
SZ4
fern ist das Billard , deren
immer zwet
bis drei vorhanden sind , und wovon je¬
des , wenn es fleißig benuzt wird , deS
Tags zwölf Gulden einbringen kann.
Das Kaffeetrinken , welches sich seit
Bekanntwerdung dieser Bohne in Europa
über , alle Stände verbreitet hat , wurde
vor kurzem in verschiedenen Gegenden von
Deutschland zu einer Art von politischen
Gravamen gemacht . Ein paar Fürsten
versuchten es , den Kaffee zu verbannen;
man hört aber nicht , daß es damit recht
Ernst werden wolle . Selbst dem vorigen
König von Preuffen , dem die Erinne¬
rung an fein jugendliches Biersuppen-
Frühstük wenigstens sehr spät -kam , war,
wie es scheint , mehr um das Monopol als
um die Vertilgung der verschrieenen Bohne
zu thun , und sein weiser Neffe hob die¬
sen zweideutigen Zwang wohlberathen
gänzlich wieder auf.
Auch in Wien ist der Durst nach Kaf¬
fee bis unter die Taglöhner und Markt-
wel-
555
ci.
Zeitungen.
Man streitet sich noch über den er¬
sten Erfinder der Zeitungen. Wer. er
auch seyn mag, ich schäze ihn so sehr als
den Erfinder irgend eines Dinges auf
der
SZ6
der Welt . . . . Welche Leere , welche
langweilige Stokung würde in unsrer Ge¬
sellschaft herrschen , wenn die Zeitungen
unsre Neugierde , unsre Plaudersucht
nicht täglich mit neuem Stof versähen!
Es ist eine unläugbare Wahrheit , daß
die Zeitungen vieles zur Verfeinerung-
zur Bildung eines Volks
beitragen . Ein
Mensch , der sich bloß auf sich selbst, oder
höchstens auf einen kleinen Zirkel ihn um¬
gebender Geschöpfe einschränkt , und sich
nichts um die ganze übrige Welt beküm¬
mert , wird immer ein mürrischer , stumpfer
unbehilflicher , kurzsichtiger Bürger blei¬
ben . Da hingegcld der andere , welcher
an dem Thun und Treiben , an dem Wohl
und Wehe , an den Narrenstreichen und
Edelthaten aller seiner Mitmenschen Theil
nimmt , seinen Verstand übt , seine Klug¬
heit schärft , sein Herz fühlbar , und sei¬
nen Umgang geselliger macht. Durch di«
Zeitungen wird jeder wichtiger Zufall,
jeder grosse Unglüksstreich , jede neue Er-
fin-
o-ü-W^ o 557
sindung, jeder gute oder bedenkliche Auf¬
tritt mit einer Schnelligkeit über alle Na¬
tionen verbreitet, von der die alte Welt
keinen Begriff hatte. Diese Flugblättchen
sind ein gleich grosses Bedürfniß und
Vorzug unsrer Zeiten: sie herrschen in
den Palästen und Buden, in den öffentli¬
chen uyd privat Häusern.
Kein Land von Europa hat wohl so
viele und vielerlei Zeitungen, wie unser
zerstüktes Deutschland . Es ist für alle
Gattungen von Lesern gesorgt. Politi¬
, ökonomi¬
sche, litterarische, militärische
sche, theatralische , geistli¬
, merkantilische
che rc. rc. Zeitungen füllen täglich von
allen Orten und Eken her die Felleisen der
Postillons. Ich glaube, es ist nicht zn
viel gesagt, wenn ich sechszig in Deutsch¬
land erscheinende Zeitungen annehme.
Wien hat seine politische Zeitung, mit
der eine Art von Intelligenzblatt verbun¬
den ist, die alle Wochen zweimal erscheint,
und I » Fl. kostet . Sie ist zwar keine
Hof-
553
Hofzeitung , unterliegt aber doch einer
strengen Zensur. Der Inhaber bezahlt
für das Privilegium derselben jährlich ge-
gen 9022 Fl.
Neben dieser erscheinen noch ein
paar Zcitungsähnliche politische Blättchen,
eine ökonomische Zeitung , eine Kirchen-
zeitung , eine Oa ^ettö äe Vienne , eine
Oa ^etta äi Vienna , Lxlieineriäea
Vinsobonentes ( eine lateinische Zeitung ) ,
eine ungarische Zeitung , eine <7vmxila -"
tion comxlette . . . . . Ein literarisches,
periodisches Blatt hat Wien nicht.
Von andern Zeitungen werden am
meisten gelesen die Brunner , Erlanger,
Hamburger , frankfurter , Augsburger,
Regensburger , die französische von Köln,
Leiden , <7ourrler <lu Vas Vliin ; die wäl-
sche von Floren ; , das ^-onäon Olironicle»
das politische Journal . . . . die allgemei¬
ne kitteraturzeitung.
Seit zwei Jahren drukt man hier
auswärtige Zeitungen nach. Ein gewisser
Fran-
S54
Franzos kam zuerst auf diesen ehrsamen
Einfall, errang sich ein Privilegium aus
den Nachdruk der damals eben sehr unbe¬
scheidenen keidner Zeitung, und lebt seit¬
dem regelmäßig auf Kosten des H. Stefan
Luzac . — Da es ohne Zweifel sehr be¬
quem ist, und weiter nichts als ein bis¬
chen harte Haut fodert, um auf Kosten
eines fremden Zeitungsschreibers zu le¬
ben: so fand der tndustriöse Franzmann
siraks Nachahmer . Man fiel über ver-
schiedne Zeitungen her; aber das Publi¬
kum griff nicht so gierig zu, als jene be¬
quemen Herren es wünschten; und ausser
der Leidncr, wovon das Original strenge
verbothen, und dem Erlanger, wird jezt
keine weiter nachgcdrukt.
Besser und verzeihlicher ist der Ein¬
fall , aus den beliebtesten Zeitungen vrr-
schiedner Sprachen, deutsche Auszüge zu
machen. Solcher Auszüge werden gegen¬
wärtig dreierlei gedrukt.
Vor
A6a o»7^52^ c»
eil.
Geschriebene Zeitungen.
M.
Mädchen-- Pensionat.
OIV.
Der Prater.
Der Name dieses Lustwalbes kommt
vermuthlkch von dem spanischen Uraclo,
aus dem der Wienerische Pöbel seinen
Prater machte, und durch seine Stimmen-
Mehrheit bewirkte , daß ihm auch die
Nn 5 grosse
57s
grosse und die gelehrte Welt in dieser Be¬
nennung folgt.
Dieser Lustwald , der von Hirschen,
Fasanen und Wildschweinen bewohnt ist,
dient bekanntlich den Wienern zu ihrem
allbeliebten Belusiigungsplaz . Man kömmt
durch die mit einer Kastanienallee besezte
Dorstadt Jägerzeil auf einen grossen,
freien Halbzirkel : von diesem führen fünf
Alleen in den Freudenhain . In dem
Mittlern Raum finden sich eine Menge
Wirthshäuser , Sommerhäuser , Tische,
Kegelbahnen , Karussel , und andere zur
keibesbewegung dienende Spiele.
„Mas ist heute Nachmittag zu ma-
„ chen ? " fragt der Handwerksmann
Sonntags nach der Kirche seine Hälfte:
Wir gehn
halt in den Prater , versezk
diese , und der ganze Haufe seiner Kin¬
der stimmt aus vollem Halse mit «in. —
Diese bei der ganzen bürgerlichen Klas¬
se gleichgestimmte Neigung für den Pra¬
ter , füllt ihn an Feiertagen mit einer un-
ge-
57l
Ts
87-
Es ist ein Jrrthum , wenn Hr . Rei¬
nhard in seinem Reisebuch * ) sagt , der
Prater und -Augarten seyn an Sonn - und
Feiertagen Morgens gesperrt . Der Ein¬
gang dazu steht immer offen.
Neben der Mittelallee links ist der
Feuerwerksplaz . Das grosse Gerüste zu
diesem Schauspiel bleibt das ganze Jahr
stehn . Herr Stuwer , aus Ingolstadt in
Baiern , ward nach verschiedenen Schik-
salen zum Feuerwerker . Man muß ge¬
stehn , daß er seiner Kunst Ehre macht.
Die Feuerwerkstage sind die schönsten
Tage des Praters . Der Eintritt kostet
20 Kreuzer ; dieß macht , daß bei diesem
Schauspiel der geringe Pöbel wegbleibt,
und dann nur das bessere Publikum er¬
scheint. . . . . Gegen fünf Uhr Abends
fängt der Zug dahin an . Alle Eingänge
find mit Kuirassiers besezt , die mit blan¬
kem
cv.
Egoismus.
cvj.
Britt ensucht.
So äberseze ich das Wort Angloma-
vie. Diese Sucht ist gegenwärtig bei der
feinen Welt in Wien sehr allherrschend.
Während des Amerikanischen Krieges fa߬
te sie die ersten Wurzeln. Man fieng
damals sehr allgemein an , Englisch zu
lernen , um die Zeitungen zu lesen:
dabei machte man sich mehr mit den
Engländern und ihren Sitten bekannt.
Es waren von jeher immer junge rei¬
sende Britten hier gewesen; unter
der jezigen Regierung vermehrte sich
ihre Zahl, mit dieser auch ihre Kleider-
Oo L kracht,
68o o-^W^ o
kracht, Ihre Thorheiten und ihre Vergnü¬
gungen. Die Sucht , sie nachzuahmen
wuchs und verbreitete sich immer mehr.
Die Wirkungen tiefer Brittensucht
sind Englische Sprache und Lektüre, runde
Hüte, grosse grobe Uiberrvke, dikbauschige
Halsbinden , dunkle Fraks mit hochstehen¬
den Halskragen , Stiefel und Sporn zu al¬
len Zeiten , ein n ichläßiger schwerfälliger
Gang , dike ästige Bengel statt der Spa-
z-erstöke, eine Art von .Rustizität in Stel¬
lung r nd Manieren , Kadogans , Punsch,
Iokeis , Wiski , Wettrennen re»
Bei den Weibern ist es die Lust zu
reiten , Thee, Hüte , Anglarsen, Sprache
und Lektüre, und ein allgemeines Vorur¬
teil für jeden jungen oder alten , hüb¬
schen oder häßlichen Knaben , der zwi¬
schen der Insel Wight und den Orkaden
zu Hause ist.
Was an diesen Dingen Gutes und
Schlimmes, Anständiges und Lächerliches
sey, sieht jeder von sebst.
Daß
O- ^xr- o L8r
cvil.
S8Z
cvn.
Prediger - Kritik.
cvm.
»— 537
cvur.
Moden.
cix.
Kirchen.
All
Sd5
All der alberne Bruderschaftsplunder
ist aus denselben weggeschqft ' ; den ver-
kleideten Statuen hat man ihre Perüken
und Mäntel abgenommen ; statt dem pro¬
fanen Geludle , das oft einen Chor aus
einer Opera Buffa in rin LanLtng ver¬
wandelt , und cs während den heiligsten
Rcligionshandlungen gar lüße hernnter-
gekräht hatte , ist der populäre deutsche
Kirchengefang eingeführt . Mit den Mes¬
sen , als dem wesentlichsten Stük des ka¬
tholischen Gottesdienstes ist die Ordnung
getroffen , daß von halbe Stunde zu hal¬
be Stunde immer nur Eine , und diese
auf dem Hauptaltar der Kirche gelesen
werde ; die übrigen Altäre stehn gegen¬
wärtig ungebraucht da , und werden
nur nicht wtggeriffen > um keine unsymetri-
sche Lüken in die Kirchen zu machen.
Bloß in einigen der größten Hauptkir¬
chen ist es erlaubt , neben der hohen Messe
noch rin paar stille zu lesen , um gewissen
Pp , Klas-
Z96 O--W --0
Klassen von beschäftigten Leuten ein Ge¬
nüge zu leisten.
Sv sehr auch einige eigennäzige Prie¬
ster gegen diese Einrichtung aufgebracht
seyn mögen , so gewiß ist es doch , daß
die Kirchen nach ihrer wesentlichen Be¬
stimmung dadurch sehr gewonnen haben.
Der vernünftige Krist besucht fie jejt mit
mehr Auferbauung und mehr gerührtem
Herzen , bethet vielleicht etwas weniger,
klopft minder oft an sein Herz , hört
wenigere Messen; verrichtet aber seine
Andacht mit mehr Ruhe , Salbung und
Würde.
s §97
Bader.
Man kennt die Träume des Franzosen
OeMaillet. Er studirte, während seiner
Konsulschaft in Aegypten, durch fleißige
Beschauung der Meeresbewegung, die
Hypothese aus , daß die ganze Erde ehe¬
dem ein Meer gewesen, und wir Men¬
schen in unserm ersten natürlichen Zustan¬
de die Gestalt gehabt, wie man die Tri-
tonen und Sirennen malt: oben Mensch,
unten doppelschwänziger Fisch. Darum
empfiehlt er uns das Element dieser
Thiere vorzüglich, und sagt: im Wasser
leben sey das wahre Athmen unsrer an-
gebornen Luft. *)
Ppz Mail-
Geschichtmalerei;
Bildhauerei,
, Architektur,
kandschaftmalerei,
Erzverschneiderei,
Kupferstecher
!.
—- - - ,- -
.* ) Ein alter lateinischer Reimer Hat auf
die wiederholten schreklichen
. Nieder¬
lagen des unglütlichen ÄarlS folgende
ziemlich lahm» Berse gemachti
cxllr.
6lA
cxm . .
i
6l4 0 - -LS - - 0
Die
o--W -^o 6l-
Die jungen Mediziner vom Auslande
besuchen dieseSchule sehr fleißig; auch
haben einige deutsche Fürsten schon ei-
gends Zöglinge, in dieses Institut hieher
geschikt; daß also vermuthlich bald ähn¬
liche Schulen nach dem Muster desselben
Der
6a«
Der Neujahrstag; die Ostevfeyer,
die Pfingstfeyer; die Weihnachtsfeyer;
der Geburtstag des Herrn vom Hause;
der Geburtstag der ' Frau vom Hause;
der Namenstag des Herrn; der Na¬
menstag der Frau ; die Eeburtstäge
vnd Namenstage aller Kinder, Schwe¬
stern, Tanten rc. rc. In einigen wohl¬
habenden Familien von Bürgern und
kleinern Beamten sogar die Iahrstage
der geschloffenen Ehe , des erhaltenen.
Amtes rc. rc. Alle diese Tage sezten den
iganzen Zirkel der Bekannten vom Hause
in Bewegung, daß sie sich in ihre Ga¬
lakleidung stekten, zu Wagen und zn
Fuß nach dem beglükten Hause eilten,
und ihren Krazfuß machten, sich zu ho¬
hen Gnaden oder alten Freundschaft em¬
pfehlend.
G
62z
Gaffen und Straffen find voll von hin und
herrennrnben Wagen , mit hochgepuzten
Herren und Frauen beladen.
In-
624 o
gurrst«
Vrcn uni» .
Är i»cn >^n«url?ilrij>n AurMnuiülMN
MM WWDDW
^ MIWWWWW
'.
WM
Ä4'T?.4?
'^ ^
'L*-^
Der Türkenkrieg.
cxvi.
ß
6g7
cxvi.
Das Schanzl.
Dieß ist der Haven von Wien. Alles,
was von Menschen , Waaren, Früchten re.
die Donau herunter schifft , kömmt hier
an das Ufer. Das sogenannte Echänzk
besteht aus dem schmalen Erdstrich, wel¬
cher zwischen den Festungswerken der ei¬
gentlichen Stadt und dem hier vorbei»
fliessenden Arm der Donau liegt.
Man fleht dort ein immerwährendes
Bild der Geschäftigkeit . Schiffe kommen,
Schiffe gehen. Ein Haufen nervigter
Männer Ist von Sonnen, Aufgang bis
Sonnen - Untergang ln voller Arbeit, die
tausenderlei Bedürfnisse der grossen Stadt
aus - und einzuladen . . . . Die aufge¬
blasenen Spitzkrämer von Brabant und
e Flandern , und ihre Sykophanten ln
Brüssel, haben weiter nichts als einen
neuen Beweis von lächerlichem Geldstolz
und
6z8
und Niederländischer national Unwissen- I
heit gegeben / da sie in ihren unbändigen *
Denkschriften von den Morasten der Do - 1
nau in den Tag hinein schwazten ; da
Eie -— welche die Donau nie anders als
auf der Landkarte gesehen hatten — be¬
haupteten , dieser Zluß sey nur durch
seine Iliberschvsemmungen in der Welt
bekannt . . . . Wer sich vom Gegentheil
solcher alberner Sprüche augenscheinlich
überzeugen will , der gehe an bas Schänzl,
und er wird sehen , daß man die freilich
manchmal ausrretcnde Donau auch zum
Vortheil Oestrelchs zu benutzen wisse.
Es ist ein Mauthhaus am Schänzl,
wo die Koffers der aukommenden Frem¬
den , und andere Sachen von minderer
Wichtigkeit , sogleich beim ausladen unter
die alles aufspürenden Finger und Augen
der Zollbeamten kommen. Neben demsel¬
ben stehen hölzerne Hütten , worin man §
kocht, barbirt , frisirt , ißt , trinkt , schläft,
ungefähr wie auf einer wüsten Insel,
wenn
6zy
wenn man durch Sturm dahtn verschla¬
fen würde.
In der Jahreszeit der reifenden Früch¬
te , ist auf dem Schänzl den ganzen Tag
über grosser Obstmarkt , wo man die
Geschenke PomonenS . ganz frisch , so wie
sie anlangrn , geniesten kann. Dabei hat
man nicht selten da- Schauspiel von den
wüthenden Fehden der Obstweiber , wie
sie sich Schürzen und Kappen vom Leibe
reisten , dichte Büschel Haare ausraufen,
und so derb mit Nägeln und Fäusten auf
Nasen , Augen und Wangen begrasten,
daß das Blut umhersprizt ,
unk der
Kampf selbst einem Haufen erboßter Ma¬
trosen itzhre machen würde . Dieses für
die Zuseher immer lächerliche Schauspiel,
die vollen Obstkörbe , und die Aussicht auf
den sehr lebhaften Fluß , macht das Cchänzl
zu einem vorzüglich beliebten Spaziergang
für die Handwerksbursche und ihre näschi-
gen Schönen . An Feyrrtagen besonder-
ist der Plaz den ganzen Tag mit einer
Men-
642
cxvli.
Vanko und Börse.
Die Wienersche Stadt - Bank hat ei¬
nen festen und wett ausgebreiteten Kredit.
Ihre Obligationen gehen nicht nur in den
östreichische
« Ländern, in Friedenszeiten,
mit drei bis z H Prozent Aufgeld; son¬
dern ihre Vaukzettel kursiren auch in frem¬
den Provinzen , wie z. B. in Holland,
statt baarcn Geldes. Dieses Kredit grün¬
det sich auf den unerschöpflichen natürli¬
chen Reichthum des östrcichischen Staats,
auf die gute Verwaltung dieses grossen
politischen Körpers , aiif die gewissenhafte
und genaue Ordnung , die Interessen zur
, E s Stun-
64 » 0Ü- W - -0
Juden-
cxix.
Nonnenklöster.
Die Einrichtung der kristlichen Non¬
nenklöster, so wie sic jezt noch in den
meisten katholischen Ländern bestehn' ist
vom Grunde aus schief und verkehrt. Ich
weiß nicht, in wie fern der Himmel an
diesen Anstalten Wohlgefallen haben mag;
aber so viel ist gewiß , daß die gesunde
Filosofie und Staatsku »st sie ganz unk
zwekmäßig, grausam und abentheuerlich
findet.
Therese ist ein gutes , munteres Mäd¬
chen. Sie hat eine lebhafte Einbil¬
dungskraft , aber sehr mittelmäßigen Ver¬
stand. Ihre Mutter ist ein frommes Weib,
die «ine weitläufige Verwandt« in einem
Tt » Non-
66o
Nonnenkloster der Stadt hat. Der Vater
gilt für einen vermögenden Mann. Mutter
und Tochter besuchen die verwandte Nonne
oft : man füllt dem Mädchen erst den
Magen mit Zukerpläzchen und anderm süssen
Nonnengebäcke , nach und nach den Kopf
mit andächtlerischen Grillen. Die geistli¬
che Muhme hat es der Abrissen gestekt,
daß Theresens Vater Dukaten besizt . Nun
wird mit dem Pater Beichtvater ein Plan
angelegt, das Goldfischchen einzuhaschen.
Die Versuche gelingen; das Mädchen wird
allmählig so sehr für den Schleier erhizt,
daß sie ihn selbst von ihren Aeltern ver¬
langt. Die Mutter ist zu fromm, sich
dem vermeintlichen Beruf zu widersezen;
der Vater steht unter dem Pantoffel; nach
sechs Monaten schleicht Thereschen in das
Kloster, und bringt ihr reiches Erbtheil
mit sich. . . . Rosine ist die jüngere Toch¬
ter eines armen Edclmannes. Um dem
Sohn , welcher Soldat ist , eine kleine
Unterstüznng neben seiner Gage zu ver-
schaf.
66r
Sei-
Sxo
Seine Eßgelage wären unvollkommen,
wenn nicht gute Weine den Kizel des Gau¬
mens vermehrten , und die Verdauung
der Mittagstafel für das Nachtmahl be¬
fördern hälfen.
Der patriotisch gesinnte Trinker schäzt
feinen alten Landsmann mehr als alle
jene Weine , welche in Frankreich und
Italien gekeltert werden . Die Gebürge
um Wien , Grinzing , Nußdorf , Bisam¬
berg , Brunn und Gumpoltskirchen , ver¬
sehen ihn mit Weinen , die in ihrem zehn¬
ten Jahre l4 bis iZ,und in ihrem zwan¬
zigsten zo und mehr Gulden , der Eimer,
gelten . In seinen spätern Jahren ver¬
gleicht man ihn mit Recht dem Rebensaft,
welcher am Rhein gepreßt wird . Aerzte
verordnen ihn schwächlichen Greisen , und
gegen Magenkrankheiten ; und selten ohne
Wirkung.
Oer Vorwurf , daß der Deutsche , und
vorzüglich der Oesircicher , ein Säufer sey,
ist alt , aber in » nsern Zeiten etwas über-
c-üW ^ o 67»
trieben . -Der Deutsche ißt mehr und ißt
besser , als feine Nachbarn : daher trinkt
er auch mehr. Laßt den Engländer sei¬
nen Cpleen mit seinem Porter , den Fran¬
zosen , wenn er welchen hat , mit einem
Gassenlted , den Italiener mit einer Be¬
schwörung der Heiligen verjagen . Warum
sollte der gastfreie Deutsche nicht mit ei¬
nem Glas alten Wein unter freundschaft¬
lichem Gespräche sich guten Muth und
gutes Blut schaffen ! . . . Wundert euch
daher nicht , wenn ihr biedre Wiener iy
einer Schenke bei einer Flasche mit schon
grünlichtcm Oestreicher gefüllt beisammen
seht- Ihr möget wohl eine halb « Stun¬
de horchen , und ihr hört nur Lobgesänge
auf den Gott des Weines . Anfangs wird
der Reihe nach gekostet. Jeder hat seine
eigne Art , die ersten Tropfen mittels sei¬
ner Zunge auf die Kapelle zu bringen.
Auch der geübteste Kenner wagt es nicht
gleich mit seinem Urtheile hcrauszuplazen:
« prüft , überlegt , und sagt dann in fro¬
hem
6/L
hem Ton : der Wein ist gut ! ober r er ist
milde ! » . . Darauf folgt eine Litanei
von Lobsprüchen auf den Wirth . Oft
wird wohl so lange getrunken , bis man
den Werth des Weines nicht mehr be¬
stimmen könnte. Man geht unter Be¬
dauern , daß alles vergänglich sey , tau¬
melnd nach Hause , sich freuend auf den
künftigen Abend , um wieder von dem
Mutterfäßchen zu kosten.
Die Verschiedenheit der Stände ver¬
ursacht auch die Verschiedenheit des Ge¬
tränkes . Der Adel , der Bürger , der
Beamte , der gemeine Mann , trinkt un¬
gleiche Weine , und in ungleichem Maße.
Der hohe Adel , welcher sich des Ta-
ges wohl zehnmal auf das Einfuhrverboth
der fremden Erzeugnisse erinnert , fühlt
auch das Verboth der Weine mit grossem
Schmerz . Man erblikt jezt nur noch sel¬
ten auf den Tafeln der Grossen die Spa¬
nischen Weine , welche die schlappen Ner¬
ven durch ihre würzhafte Stärke aufrich¬
ten;
67z
ken ; selten den Burgunder , der , selbst
mit Uibermaß getrunken , dem Kopf nicht
schmerzhaft ward ; ttlteu den Schampag-
ner , der den Wtz gühren machte. Sechs-
zig Prozent , « nv >ie Eingabe des Na¬
mens bei Seiner Majestät , von dem , der
sie vom Auslände kommen läßt , haben ih¬
ren Gebrauch vermindert.
Ihren Plaz ersetzen nun Hungarische
Weiue , welche die Gebürge von Total,
Erlau , Schumlau , Nesmill , Stklos,
Szekszard , Et . Georg und Menisch erzeu¬
gen . Die Gaumen gewöhnen sich daran,
und man fängt an , vorzüglich den sogr-
nannten Ausbruch der zwey leztern gut zu
finden . . . . Die Ae rzte empfehlen beson¬
ders den Meiner Wein , ebenfalls ein
^ungarisches Gewächs : sein Saft verbin¬
det die Säure des Oestreichers mit dem
Feuer feines Vaterlandes in einem der
Gesundheit zuträglichen Grade . Die Da¬
men halten sich mit dem Tokaier schadlos,
den mau aber fast nirgend als bet Hofe,
»t u « ad
674
und in wenigen Herrschaftshäusern ächt
trinket. Für den Hof werden jährlich
Anthetlr *) geliefert ; und der Adel
zieht ihn auf seinen eignen Weinbergen.
Die Trautsohnsche Familie besaß die beß-
ten Gebürge : als diese erlosch, wurden
dieselben unter mehrere Besizer vertheilt.
Für Schwäche und Krämpfe des Magens
ist dieß der beßte Wein : sein Feuer ist
angenehm von seiner Süsse gemildert.
Im Auslände schäzt man ihn so hoch,
daß der k. k. Hof jedes Geschenk mit
nichts angenehmcrn zu erwiedern wüßte.
Der Rußische Hof hatte sogar eigne Wein-
gebürge . in der Nachbarschaft von Tokai
an sich gebracht, und , welches rin selt¬
nes Schauspiel ist, hielt daselbst, mitten
in Hungarn , eine Rußische Garnison von
Zv Mann samt einem Offizier, um die
kost-
Auch
o W —o 6»r
Auch auf Rechnung der kaiserlichen
Familie wird in deitr sogenannten Fami-
lirnhause am alten Fleischmarkt Wein ge»
schenkt. Er ist gut und wohlfeil, daher
auch der Absaz davon ausserordentlich
stark ist, und des Jahrs wohl zoovc»
Fl. einbringt.
Die gräflich SchönbornlscheFami¬
lie ließ ehedem auf ihre Rechnung Rhein¬
wein kommen . Wenn ich nicht irre,
so hat die erhöhte Mauthtaxe sie bewo¬
gen, gegenwärtig dieses Geschäft einzu¬
stellen: ein unangenehmer Umstand für
alle Liebhaber des Rheinweins , welcher-
-cht und gut dort zu haben war.
exxi.
- Stephans - Kirche.
Das
68Z
Die
o-üW- o 687
Die Stephanskirche steht auf einem
sehr günstigen Standpunkt : man könnte
rings um sie einen der angenehmsten und
regelmässlgsten Pläze von Wien Herstellen.
Auch sind dazu schon einigemal Vorschläge
gemacht worden . Es sollten vorne die
sechs oder sieben elenden Duden wegge-
rissen werden ; die im Quadrat herumlie¬
genden Gebäude sollten mit einer Art von
Bogengang verziert , und die äussere Seite
der Dvmkirche , gegen die Strasse zu , ei¬
ne ihrer würdige Verschönerung erhalten.
Dieß würde freilich der Stadt eine Be¬
quemlichkeit und Zierde mehr verschafft
haben ; da sich aber die Kosten der Unter¬
nehmung im Anschläge auf einige hun¬
derttausend Gulden beliefen : so fand man
schon damals , selbst in den Zeiten der frei¬
gebigen Maria Theresia , Schwierigkeiten;
und in der jezigen ökonomischen Epoche ist
es um so minder zu erwarten . Vielleicht
erleben unsere Urenkel einst noch die Freu¬
de , unter einer Kolonade oder Linden¬
allee
688
aller rings um die Stephanskirche spalte-
ren ju können.
cxxii.
Garnison.
Die Desazung von Wien besteht ge¬
wöhnlich aus » Bataillonen Grenadiers,
6 Bataillon Füselters , l Regiment Ar¬
tillerie , i Regiment Kavalerie . Die vier
Leibgarden , das Jngenieurkorps , das
Bombardierkorps , das Fuhrwesenkorps,
bas Invalidenkorps rc. machen ebenfalls
einen Theil des hier anwesenden Militär-
staube- aus . Die Kriegskanzlei , mit ih¬
rem Personale von ungefähr 700 Beam¬
ten , besorgt und leitet alles was Uniform
trägt.
Die Stadt Wien , samt ihren Vor¬
städten , ist dem InfanterieRegiment
Preiß alS Kanton , jur Rekrutirung an¬
gewiesen.
DaS
6öy
^ Das Spektakel einer Wachparade j
welches in Berlin , Dreßden , München,
Hannover , Brapnschweig , Kassel , Stutt-
gard, ' jä logär in den Residenzstädten ei¬
niger Deutschen Bischöfe , zum Theil die
tägliche Unterhaltung der Schönen Welt
macht , sieht man ln Wien nicht. Da
die öffentlichen Pläst dhnehtn nicht sehr
geräumig , uüd stets mit Menschen , Wä¬
gen und WaareN bevekt sind , st würde
der tägliche Aufmarsch vün Zc>6 bis 606
Mann , dtirch die um Mittagszeit wim¬
melnden Gaffen , das Gebräng nur noch
grösser machen. Uiberbletz ist der tzof>
der einzige allenfalls zu dieser Parade
taugliche Plaz den st unebnem Boden,
daß er die Truppen immer etwa - an der
UibereitistimmNng ded Manoeüvres hindern
würde . Um diesem Nuszuweichett , halt
Man die Wache einst einö ZcitlaNg auf der
grossen Bastion ausser der kaiserlichen Bürg,
«in andermal auf der Esplanade ln Para-
deform aufgeführt . Beides - ab Matt
X x Mir-
Lyo
wieder auf , vielleicht auch darum , weil
einige Divisione « des <^uf die Wache zie¬
henden Korps ohnehin von den Kaserne»
aus gegen drei viertel Stunden bis auf
ihre Posten zu marschiten haben , und
durch die Parade noch länger aufgehaltrn
würden.
cxxni.
Der Augarten,
(7XXIV,
*) Xexlixt.
7c>4
. . —A. -.'-^
. E a kL le n. .
7.1) -, . 1 r ». r'
. ,,-Nan fchäjt, hieAahl aller Dienstbothetk
lnÄ ^ n , sowohl weibliche Als männliche,
quf Mgc.Wr 4<rooc>Köpfx^ D^e Rech¬
nung mag dcr Wahrheit so ziemlich nah»
kommen . . Don Elises Summe mache, » di»
Kerls , welche matt eigentlich Bediente
oder Lakaien heißt, etwa gegen 6022
aus.
Unter diese Rubrik« gehören di« ei¬
gentlichen Lakaien , die Heidukett, die Läu¬
fer , die Jäger , die kelbhusaren, die
Uhlanen, die Jockeis, die Negers rc. Di«
Portiers , die Kutscher, Reitknechte , Po¬
stillons, Vorreiter rc. könnte man viel¬
leicht auch hieher zählen, weil fie eben»
falls einen Theil des Livereyvolks aus¬
machen . Ihre Summe mag etwas übe«
»002 betragen.
72Z
Die sogenannten
Bedienten sind die
häufigsten unter ihren ädrigen Mitbrü¬
dern . Man findet sie vom Hofe und
den ersten Fürstenhäusern an , durch alle
Mittelstände , bis zum vermögenden Bür¬
ger und subalternen KaNzleimann herun¬
ter . In den vornehmen Häusern will
lnan lauter grosse ,
riesenmässige Kerls
zu Lakaien . Um sie von den verbräm»
ten Bedienten der Mittelstände auszu-
zrichnen , gibt man ihnen eine massiv«
kiverey , mit Sammet - und Seiden - Bor¬
ten auf den Roknähten , und wie es
überall gewöhnlich von den Farben,
welche das Wappen des hohen Hauses in
sich faßt . An Besoldung haben sie mo¬
natlich t6 Fl . . . » Zn den Häusern
von der
zweiten und dritten Ordnung
kleidet man sie gewöhnlich etwa - leichter.
Weiter hinunter sind sie durch ein graues
Kleid mit einem farbigen Kragen kennt»
lich. Ihre Besoldung fällt bis auf 7 Fl,
des MonatS,
K y Hei»
/o6
Helduken sind beinahe ganz aus der
Mode gekommen . Nur einige alte Da¬
men halten sie noch, und lassen sich von
ihnen zur Kirche begleiten.
Läufer sind zahlreich
. Man braucht
sie hauptsächlich, Briefe und Nachrichten
in der Stadt herumzutragrn , und zu
Nachts mit einer Fakel vor dem Wagen
herzulaufen . . . . Jäger oder Büchsen-
spanner hält Man nur zur Parade, um
einen Kerl auf dem Wagen stehn zu ha¬
ben, der eine schöne grüne Livrey mit
breiten silbernen Tressen , das Hüfthorn
über die Schultern, und einen artigen
Hirschfänger an der Seite trägt. Die
meisten derselben thun das ganze Jahr
nicht einen Schuß . . . . Die Leibhusaren
sind mit den hungarischen Familien hte-
her gekommen , aber jezt auch in den
meisten deutschen Herrschaftshäusern
, wo
junge Kavaliers sind. Da der hungart-
fche M'lttäranzug besonders zu Pferde
schön läßt, so hält man einen als Husa-
727
den gekleideten Kerl , der seinen Herrn
beim Spazierritt begleitet , übrigens aber
die Dienste eines Lakaien . thut . . . . Als
das Uhlanenkorps errichtet wurde , fanden
einige Offiziers und dann auch andere Ka¬
valiers - Geschmack an der pohlnischenTcacht.
Sie kleideten ihre Kerls pohlnisch ; und
seitdem steht man Uhlanrn zu Pferde und
auf det» Kutschen stehtt. . . . Die vie¬
len sich hier aufhaltenden Engländer ha¬
ben auch ihre Reitknechte mltgebracht,
und die Wiener haben sie nachgeahmt.
Ein solcher Jockei ist ein junger Bursche
in etiiem Reitvestchen , mit rings um den
Kopf abgeschnitkenen Haaren , einem run¬
den Hut , eine breite Binde um den Leib
und Stiefeln . Sie reiten mit ihren Her¬
ren , stehn auf den Kutschen , und die-
« nen bei der Tafel . . . » Der Hang zu
dem Ausserordentlichen macht , daß sich
einige Männer und Weiber auch Negers
halten , welche nach ostindischem Kostüme
Ny , ge-
728
gekleidet find , und Lakaiendlenste thun.
Ihre Zahl ist sehr gering.
Im Ganzen genommen , Ist bas La¬
kaienvolk eine unverschämte Menschenbrut.
Je vornehmer das Haus ist , desto ben-
gelhafter sind gewöhnlich die Bedienten.
Dn es meist junge , gesunde , knochen¬
feste Kerls sind, die sich gut nähren , durch
mancherlei Acctdenzien sich ihre Besoldung
zu vermehren wissen , sich unter eitel vor¬
nehmen Herren und Damen Herumtrei¬
ben , bei dem Tafeldienst Anekdoten auf-
zuhaschen , und die Manieren ihrer Ge¬
bieter nachzuäffen trachten : so stellen sie
die unausstehlichsten Figuren dar, die
man in gesellschaftlichen Leben finden
kann . Ihre Karakterzüge find eine Mi¬
schung von Stolz , Grobheit , Spottsucht,
Naseweisheit , Verleumdung , Unwissen - >
heit , Prahlerei , Faulheit , Affektation
und Pöbrlhaftigkeit.
Man
/oy
Man klagt darüber , daß bei den heu¬
tigen Bedienten keine Treue , keine Ord¬
nung , keine Anhänglichkeit an ihre Her¬
ren mehr zu finden sey . Dieß alles ist
wahr . Aber die Herren sind meist selbst
Schuld daran . Ein kolossalijcher junger
Bursch mit halbpfündigen silbernen Schnal¬
len , feidnen Strümpfen , zwei Sakuhren,
sechs Seitenloken , und einem setdnen Re¬
genschirm — alles « och unbezahlt — auf
der Kutsche , ist ihnen werther , als der
gesezte , bescheidne Mann , der treu und
fieijsig seine Dienste verrichtet.
So übermäthig diese müssigen Ben¬
gel in den Häusern und Vorzimmern sich
gebehrden , wofie anzumelben haben : so
verachtet sind sie doch im bürgerlichen Le¬
ben . Die Wirthe , welche ihre Tanzsäle
in Anfehn erhalten wollen , setzen allzeit
in ihre Ankündigungen : „ die Liverep
„ ist ausyrfchloffen . " Aber was ge¬
schieht ! die eleganten Lakaien halten dop¬
pelte Garderobe . Sobald sie ihre Herr-
V p Z schaft
fio
schaft aus der Abendgesellschaft nach Hau¬
fe gebracht habe« , werfen sie ihren bun¬
ten Knechtschaftsrok weg , ziehn einen
modefarbigen Frak an, setzen einen engli¬
schen Hut auf, treten mit nachgeäfftem
Adelsstolz in den Saal , und wenn sie
zum Uiberfiuß etwas französisch plappern
können, so spielen sie den jungen Kava¬
lier so n- tärlich, daß manchem Bürgers¬
mädchen, welches sie mit ihren Galante¬
rien beehren, der Kopf darüber schwind«
ltg wird.
cxxv.
cxxvi.
Plätze.
Wien ist «ine alte Stadt . Dieser
Umstand macht, daß sie die Vorthetle
und Nachtheile aller Städte ihreS gleichen
hat. Die Häuser sind maßiv, dauerhaft,
hoch; dafür ist ihre Anlage unregelmä¬
ßig, ihre Gassen find enge, ihre meisten
öffentlichen Pläze klein, ekig, ohne Plan,
' oh-
c>- W - o 7'»
ohne Perfektive , ohne ^ Majestät und
Pracht . . . . Leider , daß die Erbauer
Vindobonens nicht vorhersehen konnten,
daß der Ort einst jur Hauptstadt einr<
der ersten Europäischen Staaten werden,
daß in den Gassen derselben Tag und
Nacht bei viertausend Kutschen herum-
rollen , daß ihre Pläze bei gewissen An¬
lässen mit hundcrttausenden von Mensche»
bedekt seyn würden!
Der Hof ist ein Plaz , welcher aller»
Lings einer ansehnlichen Stadt Ehre macht.
Er ist der geräumigste von allen , bildet
beinahe ein förmliches Vierek , ist rings¬
herum mit ansehnlichen Gebäuden besezt,
und hat ein Monument von Erz nebst
zwei Brunnen . Papst Pius der VI . gab
178 » am Ostertag von der Altane der
hier stehenden Kirche seinen Segen über
die andächtigen Oestreicher. . . . Der
Neumarkt ist ebenfalls ziemlich geräumig,
bildet ein länglichtes Vierek , und hat
guf einem Röhrbrunnen eine schöne me-
tal»
fl6 o^ W--o
tallene Statuengruppe von Gabriel Don¬
ner . . . . Der Hohe Markt , ebenfalls
«in länglichtes ziemlich geräumiges Vterek,
mlt einem steinernen Monument und zwei
Springbrunnen . Seine Erdfläche ist sehr
abhängig . Hier werden , neben dem
Stadtgerichtshause die öffentliche» Exeku¬
tionen der Justiz , welche nicht das Leben
gelten , auf der Schandbähne vollstrekt. . .
Der Graben , kleiner als die vorigen;
eigentlich nur eine lange und breite Straffe,
aber doch mit der steinernen Dreifaltig --
keitssäule und zwei Röhrbrunnen befezt. . .
Der I »sefoplaz , vor der k. Bibliothek/
regelmäßig , aber nicht sehr groß . . . Der
Lurgplaz , ebenfalls nicht besonders groß,
eigentlich nur eine Gattung von Haus-
Hof , zwischen der Burg und der Reichs¬
kanzlei.
Es sind noch einige Winkeleien vor¬
handen , welche die Namen von Plätzen
führen , als : der Michaelsplatz , derSpi,
talplatz , der Minoritenplatz , der Stok - im
Ei-
717
Eisenplatz, der Judenplatz, der Domini¬
kanerplatz rc. sie verdienen aber , für eine
Stadt wie Wien , «ine so ehrenvolle Be»
nennung keineswegs.
Der Graben ist ^as für Wien , was
der 8aa IVlarco in Venedig. Er wird den
ganjen Tag über nicht von Menschen leer.
Wer eine überflüßige halbe Stunde hat,
wo er gern etwas Bewegung machen möch¬
te , spaziert ein paarmal den Graben auf
und nieder. Von n bis l Uhr Mittags
besonders, und Abends in der Dämme¬
rung , wimmelt es hier zu allen Jahrs¬
zeiten von Mannsleuten. Da über den
Graben der Weg nach der Burg , nach
dem Theater , nach der Michaeler-Kirche
aufwärts , und nach der Stephans -Kirche
abwärts fährt , so steht man hier stets
vornehme und schön geputzte Leute bei¬
derlei Geschlechts in Wagen , zu Pferde
und zu Fuß vorüber gehen, auch ist man
sicher, täglich, ja beinahe stündlich, eini¬
ge seiner Bekannten zü treffen. . . . In
den
7iS
den Sommermonaten ist die ganze unter*
Seite des Grabens von sieben UhcAbends
bis Mitternacht mit Stühlen brsezt,
worauf man aus den benachbarten zwei
Kaffeehäusern mit,Gefrornem — einer
Lieblingsleckerei der Wiener — und an¬
dern Erfrischungen bedient wird.
Oer schon gewohnte allgemeine Zusam¬
menfluß von Menschen auf diesem Plaz,
macht, daß die gutwilligen Mädchen ihn
vorzüglich besuche» , um dort ihre Neye
auszuwerfen : darum sind die Wort«
Graben - Nymphe , *) Graben Mädchen
und Lustmädchen von Einerlei Bedeutung.
Der Kos dient ebenfalls zum öffentli¬
chen Spaziergang , wird aber nur in den
Sommer - Abenden besucht. Gewöhnlich
wird
cxxvrl.
V nr gwa ch e.
Bey denjenigen welchen der Anbllk
eines alten, gothischen Gebäudes, wie
der schwarze Wohnsitz des Deutschen Kai¬
sers ist, eine Art von Ehrfurcht eiriflöffet,
Muß diese Empfindung durch die Schnur¬
bärte mit den Därenmüzen ungemein be¬
stärket und erhöhet werden.
Es ist billig, daß die Person Sr . Ma¬
jestät, die kaiserliche Familie und deren
Pallast, von dem Kern der Truppen be-
wacht werde. * Die Grenadiers haben
von jeher ein ausschlicssendes Vorrecht
auf die Durgwache . Wenn wegen ge¬
haltenen Musterungen , Lagern, oder in
den Kriegszetten keine Grenadiers in Wien
sind,
7- r
sind , so zieh«» Kavalerksten ln der Burg
auf die Wache.
Die Burgwache , welche ln die inne¬
re / mittlere , und in die Schlagbaumwa¬
che abgethetlt ist , besteht wenn keine
fremden Gäste hier find — aus i Haupt-
' mann , t Ober - und i Unter -Lieutenant,
t Kadetten mit der Fahne , l Fourier,
l Unter - Chirurg , L Feldwebel , i Füh¬
rer , z Korporals , Z Spielleuten , und
70 Gemeinen . Wenn fremde Herrschaf¬
ten den Amaltenhof beziehn , so wird sie
um einige Köpfe verstärkt.
Vormals beneideten die Fäseliers die
Grenadiers , nicht um die Bärenmüzen,
nicht um den täglichen Kreuzer , den sie
mehr an Löhnung geniesten , nicht um die
ruhigern Tage , die ste verlebten , weil
sie sonst fast keine Wache versahen ; son»
der » um die besondere Zuneigung der
grossen Therese . Denn selten fuhr die
wohlthätige Monarchin bei einer Wach»
vorbei , daß sie nicht mehrere , eigens zu
Z, die»
7- L
dieser Bestimmung in Papierchen gewtkelte
Dukaten hervorlangte , urch mit einem
Daumrnschneller sie der dastehenden Mauer
von Männern hinwarf . Cie zogen dann
mit Freuden ihr Gewehr an , und auf den
braunen Gesichtern las man deutlich den
Wunsch , ihr im Felde die Wohlthaten
aus den Tagen des Friedens vergelten zu
können. Zu den Zeiten der Monarchin,
wenn sich der Hof den Sommer über in
Schönbrunp befand , war der ganze Weg
von der Linie an bis zum Lustschloss« mit
Grenadiers besezt. Freigebigkeit bezeich»
netc dann auch jedesmal die Strasse.
Auch den Offizieren brachte diese Wa¬
che grossen Vortheil . Sie genossen die
Tafel mit den Hofdamen und den Kam¬
merherren . Jede Geburt eines Enkels der
grossen Therese , jedes gewonnene Treffen,
und manch« andere Feierlichkeit , wuK >«
ihnen jedesmal durch ein Röllchen Duka¬
ten avgekändiget.
7-3
Gegenwärtig, da der Kaiser die Ta¬
feln, welche bei Hofe so häufig waren»
daß die vielen Küchen und Köche kaum
hinreichten, meistens abgestellt hat, er- ,
hält der Wachhabende Hauptmann z Fl.
der Ober- und Unter- Lieutenant jeder» Fl»
der Fahnenkadctl Fsi zv Kr» Jeder Ge¬
meiner, vom Feldwebel abwärts bekommt
ein P 'unb Rindfleisch- eine Porjion Wein
und Brod; an Fasttagen kein Fleisch, aber
doppelte Porjion Brod unb Weim
Wer die Menge der Mannschaft auf
der Burgwache bet sich abzähit, könnte
vielleicht glauben, daß die Person Sr.
Majestät mit einem ganzen Kommando
von Grenadiers bewacht sey, daß alle-
welche sich zu ihm Hindrängeft wollen,
durch eine doppelte Reihe von Bajonetten
gehen müssen . Eine solche Mcynur^g ist
Irrig. Auf dem Kontrollorgange , dem
eigentlichen Aufgange zu den inner»
Wohnzimmern des Kaisers, ist eine einzi¬
ge Schildwache, die mehr jur Bewachung
3, » »et ,
724
cxxvm
0' O 7- 5
exxvm.
d
F i n - e l h a u s.
»
7- 8
Plazes , wo sie gefunden werden , l»
Fl . an das Fiudelhaus.
Durch diese Dertheilung der Kinder
unter die kandleute und Handwerker , ge¬
winne der Staat ohne Zweifel . Die va¬
terlosen Geschöpfe werden ehrliche , ar¬
beitsame Bauern oder nüzliche Handar¬
beiter . Wachsen sie in einer tauglichen
Gestalt heran ', so kommen sie auf die
militärischen Konskripzionslisten , und wer¬
den , im Nothfall , gemeine Soldaten.
In dieser Rüksicht sind sie nicht übler
daran , als die ehelichen Kinder auch,
weil dies« eben so unausbleiblich auf die
Regimentsliste des KantonS geschrieben
werde « , wie jene. ^
So gleicht sich in dieser beßten Welt
alles gegen einander aus l . . . Heute
wird dieser »der jener Bürgerlicher zum
Edelmann , zum Baron , zum Grafen er¬
hoben ; und morgen wandern ein halb
Duzend heimliche Kinder von Grafen*
Baronen , und Edelleutea au < dem Fin¬
del-
o- W^ o 7»4
delhaufe auf das Dorf, um dort mit de«
Pflug , der Sense , dem Dreschpklegel
, die
Einkünfte des gnädigen Herrn Papa i«
der Stadt vermehren zu helfen.
cxxix.
Stän-elwei
-er.
3 t S Ließ
7ze» a- M - o
Dteß ist L^r Fall in Wien! . . .
-Hier lebt «ine Gattung frecher, unver¬
schämter , zudringlicher, betrügerischer,
zrober, lästersüchtiger Weiber, welche
alle Gassen und Straffen , alle Pläze,
alle Winkel und Zugänge zu den Kirchen,
Häusern rc. Jahr aus Jahr ein belagert
haben- Man nennt sie hier Ständelwei,
her , Fratschlerweiber und im gewöhnli¬
chen Deutschen Hökerinnen . Eie haben
alle nur gedenkbare Kleinigkeiten zum
Kauf, hauptsächlich trokne kalte Eßwaa-
reu , Obst, Gemüse, und geringere Klei-
Lungsbedürfnisse.
Jede derselben bezahlt für die Er.-
laubniß, ein solches Kausständchen hal¬
ten zu dürfen, jährlich drei Gulden an
den Magistrat. Man kann ihrer in der
Stadt und allen Vorstädten wohl übe«
Zvoo rechnen . Sie sizen vorzüglich auf
den gangbarsten Gassen und Pläzen, vnd
het den Thoren.
Be-
Bekanntlich hat Wien für feine vie¬
len Leute und Fuhrwerke ohnehin allzu
enge Gaffen und Pläze . Nun werden
diese täglich mit noch mehr solchem Trö-
delgefinbe besezt ; und so wird man am
Ende wohl gar nicht mehr durchkommen
können , wie dteß auf dem Kohlmarkt,
in der Kärnthnerstrasse , Dognergaffe , schon
wirklich manchmal nur mit größter Mühe
geschieht . Diese unverschämten Weiber
glauben für ihre z Fl . bas ganze Publi¬
kum kühn belästigen zu dürfen , und die
Polizei bestärkt sie in diesem Wahn , da
man sie unaufhörlich yych mehr anwach-
srn läßt.
Es ist ein äufferst widerlicher Anblik-
welchen diese lumpigen Hüttchen und
Ständchen in der Hauptstadt verursachen r
wo nur immer ein freier Winkel ist, selbst
an die schönsten Paläste , wird fiugs «in
solches Nest hingeklebt . Wien muß auf
-lese Art , ungeachtet seiner viele » herrli¬
cher? Gebäude « allmählig einem wahre«
7S» o-üM -!-«
Jude « - Trödelmarkt ähnlich werben. Die
löbliche Oekonomiesucht, bork und da von
einem Kipf.' lweib, von einer Tabakskrä¬
merin » z Gulden zu erschnappen, macht,
Laß man über alle Begriffe von Anstand
und Zierde einer Hauptstadt hinaus
ist. . . . In Paris und Berlin, in welcher
lezter Stadt es doch am Platze niHt man¬
gelt , hat man vor kurzem eine Menge
solcher Bude« abgeschaft, um die Verun¬
staltung der Stadt , und die Belästigung
des Publikums zu verhüten ; bet uns aber
»ermeho« man sie noch. Ich vermuthe,
es werden wohl am Ende die Burg , das
Landhaus und das Rathhaus rings mit
Etändelweibern umfezt werden: wenigst
würde das manche Z Guldentaxe «tn-
bringen.
Nebst dem, daß diese Weiber die Stadt
verunstalten, daß sie die öffentlichen Wege
versperren , thun sie dem Publikum auch
einen wesentlichen Schaden. Kaum tritt
Pn Landmann mit Obst, mit Gemüse rc.
733
ln die Stadt , und macht Mine , es selbst
zu verkaufen : so umringt ihn dieses Wet-
bergepak , nektthn , schimpft ihn , ver¬
lästert seine Waare , und läßt nicht nach,
bis es ihn dahin gebracht hat , aus Ver¬
druß dieselbe att die Ständelfurien ab¬
zugeben . Diese nehmen es ihm um klei¬
ne , erpreßte Preise ab , und ver-
. kaufen es der Stadt um gedoppelt ho¬
hes Ge ^d.
Man sagt , daß die Pariser Härings-
weiber in der Kunst zu schimpfen Mei¬
sterinnen seyn . Ich zweifle , ob ihnen
die Wiener Fratschlerwetber nicht den
Rang ablaufen würden . Man darf ihre
sehr reizbar ? Zunge nur ein wenig in
Bewegung bringen, , so bricht ein gan¬
zer Strohm von Schmähungen los . Ein
solches Weib ist ein lebendiges Wörter^
buch aller östretchischen provinzial Schimpf-
tz Wörter.
Unter
7S4
Unter die Rübrike der Fratschlekwel»
brr gehören auch die Mandoletttkrämer»
Nor sechs Jahren waren ihrer nur zwei
bis drei solcher wälscher Schlekeret - Tröd¬
ler» Heute sind ihrer wohl vierzig,
Wälfcht Und Deutsche . Sie rennen
allenthalben mit ihren Körben herum,
besezen alle Straffenekett
, öffentliche Spa¬
ziergänge, Gärten » Schauspielhäuser,
und überhaupt jeden Plaz, wo ffe viele
Menschen beisammen sehen oder vermu-
theru Ihre süssen Näschereien sind
wie man behauptet — nicht selten auS
verdorbnem Zukrr, Mehl und andern
unsauber» Ingredienzien gebaken; sie
können also den zarten Mägen der Kin¬
der, für welche sie häufig gekauft wer¬
den, gefährliche Umstände zujiehn. » . .
Unter Ludwig dem XIV. wurden einst
ebenfalls solche Zukergebäke öffentlich aus¬
gerufen, und auf den Strassen herum¬
getragen. Der KanzlerL* Hopital ver-
bvth es , und führte zum Grund in dech
De-
735
Befehl an , baß dadurch kekcrei und Mü-
ßigang begünstiget werden.
Man könnte diesen Mandoletti .- Han¬
del in Wien aus ähnlichen Gründen , uiid
auch ans Sorge für die Gesundheit, ganz
füglich abstellen, oder doch'.sehr ein-
schränken. ^
cxxx.
(7XXXI.
Universität.
Es gibt einige Universitäten in Deutsch¬
land , bei deren Einrichtungen und Ver¬
besserungen man es auch mit unter zu ei¬
nem Hauptgegenstand zu machen scheint,
ihnen eine solche Gestalt zu geben, daß
sie schon von aussen hochstrahlend glänzen,
und viele Fremde anlöcken sollen, um dem
oft unbedeutenden Ort ihres Sizes neue
Geldzuflüffe zu verschaffen. Vor kurzem
sagte ein Deutscher Schriftsteller: mancher
Lektionskatalog solcher Universitäten sey
mit einer ziemlichen Dosis litterarischer
Scharlatanerie versezt. Ganz Unrecht mag
der Mann hie und da nicht haben.
74Z
In Wien , und auf den Oestreichische«
Universitäten überhaupt , hat man keines¬
wegs zur Absicht , Fremde Studierende
herbey zu ziehen . Die einheimische Ju¬
gend so zu bilden , und mit jenen Kennt¬
nissen zu versehn , daß der Staat seine
Aemter damit brauchbar besetzen, und sei«
Volk in einer zwekmäßigen Kultur und
Erleuchtung erhalten könne : dieß ist sein
Augenmerk ; und wenn er dasselbe er¬
zielt , so kann er mit seinen Lchr- Anstalte«
zufrieden seyn . Man weiß ja allgemein,
daß die Universitäts - Studien gewöhnlich
keine grosse Männer bilden . Den Jüng¬
ling an die Quelle der Wissenschaften zu
führen , dieß ist ihr Amt - Das wahre
Genie entwikelt sich immer ausser der
Schule, in den einsamen Stunden des
Selbstdenkens , durch den Feuerstrohm des
höheren Geistes.
Indessen sey es ferne von mir , zu
behaupten , die hiesige Universität sey 1»
ihrer Art vollkommen , oder so vortrefflich,
A a a Z alS
746
als keine andere . Nein ! sie hat ihre
Mängel , und wird derer immer einige
haben.
Sie war ehemals ganz in den Hä »,
den der Jesuiten . Im I . 1756 erhielt
sie schon einige Verbesserungen und einige
» »jesuitische Professoren.
Nach Aufhebung jenes Ordens hat man
wieder neue gedeihlichere Anstalten ge¬
macht ; und seitdem hat sie noch manches
zum Vortheil brr Wissenschaften erhalten.
Der Professors » , find acht und dreyßig ,
worunter z. B . «in Barth , Eckhel , Gru-
ber , Hell , Jacquin , Leber , Mastalier,
Sonnrnfels rc. rühmlich in der litterari-
sichen Welt bekannt sind.
Die neuesten Veränderungen bei dieser
Universität sind , daß schon in dem fünf»
ten Jahre über alle Wissenschaften in
Deutscher Sprache gelesen wird , die Kölle-
gien der hochheiligen Theologie , und deS
kanonischen Rechts ausgenommen . Auch
von diesen wird hie Pastsral - Theologie
Deutsch
747
OXXXII.
Mönche»
We sehr hat sich— nur seit zwan¬
zig Jahren — das Schiksal dieser Men-
scheagattung im ganzen südlichen Deutsch¬
land geändert ! Einige Schriftsteller thaten
die ersten Schritte , und bereiteten das
Publikum vor : der Koloß des Mönch»
thums ward erschüttert. Die jetzige Re¬
gierung in Oestreich vollendete den Schlag,
und stürzte dieses Idol der finstern Jahr¬
hunderte nieder. Noch stehn zwar besten
Brüder in den benachbarten Provinze»
aufrecht, aber das Beispiel ist zu hin-
reis-
75r S--W - -0
Summe » l6z
Im I . 177z erloschen die Ordens¬
häuser der Jesuiten , 139 an der Zahl.
Dom Jahre 1782 bis zur Hälfte des
Jahrs 1786 sind aufgehoben worden.
Mannsklöster — — 41z
Frauenklöster — — an
Summe. 624
Seitdem ist noch aufgehoben worden
der ganze Pauliner - Orden in Ungarn ,
VNd «ine beträchtliche Zahl einzelner Klö¬
ster auS allen übrigen Orden. Die Klo¬
sterleute beiderlei Geschlechts, welche sich
im J . 1770 auf ungefähr 64892 Köpfe
beliefen, mögen jczt etwanu noch »722»
«uSmachen.
Da
7S3
Da allen Klöstern überhaupt verbv-
then ist, Novitzen anzunehmen, so sieht
man wohl , daß ihre baldige gänzliche Er¬
löschung bcvorstche . Der Orden der
Barmherzigen Brüder allein hat vor den
Augen des Thrones Barmherzigkeit ge¬
funden , und darf sich fortpflanzen, weil
er ein für die Menschheit heilsames In¬
stitut ist.
Indessen sah man sich grnöthiget,
noch einen guten Theil der Klöster eins¬
weilen bestehen zu lassen, theils , weil
man mit einer solchen Menge von Gä¬
tern , Gebäuden und Personen nicht au-
genbliklich alles abändern konnte; theils,
weil man wenigstens einen grossen Theil
der Mönche zu den Verrichtungen tauglich
fand und machte, welche sonst die
Weltpciester bei den Pfarren über sich
haben.
Die Aufhebung der Klöster machte
auf die Mönche im Ganzen, sehr verschie¬
denen EtNdruk. Dt« Prälaten , Prio-
Bbb ren,
7S4
ren,Guardianen,überhaupt alleSuperioren
und di« Alten, sahn mit Wuth und Ver«
zweiflung den landesherrlichen Kommissär
mit dem Zerstörungsdekret an der Pforte
absteigen; weil er ihren grossen Ein¬
künften, ihrer Herrschaft, und ihrem
frommen Müßiggang ein Ende machte«
Die jungen Mönche hingegen empfiengen
ihn mit Jubel als ihren Messias, welcher
die Fesseln des Zwanges, der Tyrannei
und der stumpfen Unthättgkeit zerspreng¬
te ; welcher ihnen das höchste Gut der
Sterblichen, die Freiheit und sie selbst der
Menschengesellschaft, wieder schenkte.
In Wien bestehen gegenwärtig noch
LZ Mönchsklöster , welche nun mit der
Seelsorge beschäftiget sind, jene Indivi¬
duen nämlich , di« man nach vorgenomnrt-
»er Prüfung dazu tauglich befunden hat.
Auch ist beinahe allenthalben der Pfarrer
selbst ein Weltprtester, «nd hat die Mön¬
che des nahen Klosters nur alS Gehil»
fen ln seinem Amte.
0' 0 755
Ein paar Klöster haben aus beson¬
der» Ursachen auf einige Zeit Erlaubnis
erhalten, Kandidaten aufzunehmrn; aber
sie fanden nicht einen einzigen, der sich
dazu bereden ließ. Dieß ist ein merk¬
würdiges Beispiel von dem Umschwung
der Denkart in der heutigen Welt. . . .
Auch die noch bestehenden Mönche haben
viele Ausnahmen von ihrer vorigen skla¬
vischen Lebensart erhalten : sie fingen
keinen Chor mehr ; fie find in ihrer Fa¬
sten dispenstrt, sie tragen Schuhe, Strümps«
und Unterkleider; fie dürfen mehr in Ge¬
sellschaft gehn , und wenn fie auf dem
Lande als Kapiäne ungestillt sind, ihren
Ordenshabit ganz oblegen; die jungen
besuchen die Kollegien auf der Universi¬
tät , wo sie statt dem scholastischen Wust
ihrer Ordenspatronen , gesunoe Nahrung
für ihren Kopf erhalten. Indessen sehnen
sich alle noch hier in Klöitern le¬
bende feurig nach einer gänzlichen Auflö¬
sung.
B b b » Da
756 oüüW -- o
Da es so selten geschieht, daß ein
Mönch etwas für die Litteratur Wichtiges,
und für die Welt Gedeihliches ausbrü¬
tet : so.kann ich nicht umhin, eines hie¬
sigen Franziskaners zu erwähnen , der
durch eine wichtige gelehrte Unternehmung
die Verdienste seiner Mitbrüder weit zu-
rükläßt. Er heißt Stulli und arbei¬
tet an einem allgemeinen Wörterbuch der
Slavischen Sprachen , das für den östrei-
chischen Staat von wichtigem Nutzen ist,
da wenigst ein Drittheil seiner Untertha-
nen noch in verschiedenen slavischen Mund¬
arten spricht. Der Verfasser wird durch
eine Pension unterstützt, und jezt ist ihm
auf sein Verlangen ein anderer Franzis¬
kaner, Namens Lanassovich als Gehilfe,
ebenfalls mit einer Pension zugegeben
worden.
exxx
75?
cxxx.
Agenten.
Nebst
759
Nebst diesen Rapports * Pflichten ist
der eigentliche Beruf der Agenten , die
politischen Geschäfte ihrer Klienten zu be¬
treib n. Für die Rechtssachen sind die
Advokaten.
Ausser den feierlichen Geschäften in
Len Rachssälen, sorgen sie auch für die
häuslichen Angelegenheiten ihrer Kom¬
mittenten , . « » Das Reichsstäbtchen
braucht einen Stadtphysikus : es gibt
den Auftrag seinem Agenten ; der Reichs¬
prälat will sechs Eimer Tokaier : er
fordert ihn von seinem Agenten ; der Bi¬
schof hat seinen Zukerbäker verloren , er
perschreibt einen andern durch den Agen¬
ten . Der Graf sucht einen Hofmeister
für seine Kinder , braucht einen Kut-
scher , «ine Garnitur neue Knöpfe , und
ein paar englische Stiefel : der Agent
muß ihm mit erstem Postwagen alle diese
Requisiten in die Provinz spediren - Die
Baronesse hat sich mit ihrer Kammer¬
jungfer überworfen , hört von den neuen
B b b 4 Hü-
76s
Hüten ^ I- ^ ola rars : und «st mit ihren
Schminkbückschen zu Rande : das alles
ist ein Geschäft für den Agenten ; er
wohnt in der Hauptstadt , er ist an der
Quelle ; ein sehr unortographischer Brief
bringt ihm Befehl , Kammerjungfer,
Hut und Schminke einzuhandeln : in
acht Tagen ist alles auf dem Schloß der
Baronesse.
Die Herren Agenten befinden sich,
soviel man aus ihrer grossen Zahl , und
aus ihrem Acuffcrn schlicssen kann , bet
ihrem Berufe ganz wohl . Es sind wel¬
che darunter , die wahrhaft auf dem Fuß
der grossen Welt leben : sie erwerben sich
jährlich 9 bis rooc >Q Fl . , halten Equi¬
pagen , Tafeln , Gesellschaften , Konzer¬
te rc. haben ihre Sekretäre , und noch
obendrein ein halbduzend Federfuchser,
die unter dsm Namen der Kanzellisten,
Praktikanten , Kopisten , in ihren Schreib¬
stuben tagwerken , und das Mechanische
der Geschäfte aus dem Wege räumen
76 r
cxxxlV.
Buchdrukereien.
Oft nur gehüllt in Blätter , Bast und Rinde,
Oft auch geäjt in Holz , und Wachs undBley,
Ward doch dieWeisheit bald ein Spiel derWinde,
Und bald ein Spiel derMenschentyranney.
Ein Deutscher war der schönsten Kunst Erfinder,
Die für die Weisheit je ein Geist ersann. *)
*) Die Buchdrukerkunst
. Von Blumauer.
' - 6z
EXXXV.
Buchhandel.
Seit
o-^ Lk'- o 76-
Seit der jetzigen Regierung hat sich
die Cache um vieles geändert . Die Bry-
schürenschreibrrei brachte eine ungewöhn»
liche Lebhaftigkeit in den kleinen Lokal-
Buchhandel - Diese Aufwallung war aber
nur ephemerisch , und hat nun größten,
theils wieder ihr Ende . Indessen ward
auch der eigentliche Buchhandel etwas
thätiger und ausgebreiteter , weil dir Le¬
se - und Schreib - Freiheit weitere Grän¬
zen bekam.
Die bekannteren Buchhandlungen füh¬
ren Rudolph Gräffer und Kompagnie,
Krauß , Kurzbek , Wappler , Stahe ! ,
Hörling , Mößle . Sie tauschen auf dem
allgemcMcn Bücherumschlag zu Leipzig,
mit den norddeutschen Buchhändlern , und
verlegen selbst Bücher aus allen Fächern.
Trattner handelt meist im Lande und in
die Provinzen mit sclbstgcdrukten Sachen
mancherlei Art . Hartl war in der allge¬
meinen Schreibepoche der gesuchteste Bro --
schürenvater , und verlegt nun dauerhaft
Ccc tere
770
OXXXVl.
Kunsthandlungen.
»
. cxxxvn.
Lichtensteinische Gallerie . .
cxxxvili.
Kalender.
cxxxix.
784
cxxxix.
Pensionen.
Wer dem Staat dient , muß vom
Staat leben : und nicht nur so lange da¬
von leben, als er wirklich dient , sondern,
wenn er in diesem Dienste seine Kräfte
erschöpft, wenn er durch einen unverschul¬
deten Zufall unfähig geworden ist , muß
ihm seine Existenz gesichert ftyn. Stirbt
er nach einer Reihe langer treu durchge¬
arbeiteter Jahre , so hat seine Wittwe , so
haben seine minderjährigen Kinder gleiche
Ansprüche auf eine Derhältnißmässige Un¬
terstützung des Staats , um nicht im Elend
zu verschmachte « . Wollte man von diesen
geheiligten Grundsäzen abgehn, so wäre
es ein sehr wirksamer Schritt , ein Volk
wieder in die Barbarei zurük zu stürzen.
Was in diesem Fall vom Staat selbst
gefordert werden kann , das gilt zum
Theil auch von den Grossen und Reichen
des
7»5
de- Staats . Es ist von Seite eines
Herrn großmüthige Billigkeit, daß er ei¬
nem Diener , der ihm Jahre lang mit
Treue , Anhänglichkeit, und Aufopferung
seiner Jugendkräfte gedient hat , im Al¬
ter ein Loos mache, welches ihn vor Dürf¬
tigkeit und Elend bewahre. . . . Es ist
für den Diener ein tröstlicher Gedanke,
wenn er ein vor Mangel gesichertes Al¬
ter hoffen darf ; dteß wird ihn anfeuer» ,
seine Pflichten genau, gutwillig und un¬
verdrossen zu erfüllen, keste , die im
Uilberfluß und in Unabhängigkeit geboren
sind , haben selten deutliche Begriffe da¬
von , waS es heiße, des andern Diener
seyn.
Die Kaiserin Theresia theilte mit un-
begränjter Freigebig eit Pensionen zu tau¬
senden aus . Der berühmte Kammer¬
beutel war eine wahrhaft unversiegbare
Quelle für alle Dürftige. Indessen , da
jedes Ding zwei Seiten hat , so kann
man auch die Freigebigkeit übertreiben,
D d d wel-
786 -
welches damals häufig geschah . Nebett
vielen würdigen und verdienten Leuten
drang sich ein Schwarm von Schmeich¬
lern , Heuchlern , Taugenichtsen , rc. zur
Spende der mildherzigen Landcsmutter,
und misbrauchte die Wohlthätigkeit der¬
selben . Es war eigentlich kein Pensions¬
system : wer durch äußere Zeichen der
Frömmigkeit sich zn empfehlen , wer sich
«ine Fürsprecherin » bei Hofe zu erwer¬
ben wußte , der konnte auf den Kammer¬
beutel rechnen.
Durch diese Umstände fand sich der
Kaiser beim Antritt seiner Regierung
veranlaßt , ein ordentliches und festgefez-
tes Pensionssystem einzuführen ; theils
um die viele » Unwürdigen auszuschliessen;
theils um den Staats - nnd Hofbedien-
ten «ine bleibende Klassifikation anzu¬
zeigen , auf die sie nach ihren persön¬
lichen Rang - und Dirnfljahren zählen
könnten.
Unter
787
Unter zehn Jahre Dienstzeit wird kei¬
ne Pension ertheilt . Mit zehn Jahren
erhält der unbrauchbar gewordene Mann
den dritten Theil seines Gehalts ; mit
fünf und zwanzig Jahren die Hälfte ; mit
dreyßig , zwetDrittheile ; mit vierzig de«
ganzen Gehalt . ^ .. . Für die Wtttwe«
und Kinder sind keine Stufenjahre be¬
stimmt , sondern di« Pensionen werde«
ihnen nach dem Rang ihres verstorbenen
Gemahls und Vaters zugetheilt . So hat
z. B . die Wittwe eines Hofraths , die
Wittwe eines Generals , 6sc > Fl . Pen-
ston .. Doch muß eine Wtttwe um Pen¬
sion zu erhalten , wenigst vier Jahre mit
ihrem Manne verheirathet gewesen seyn.
Sonderbar ! die Professoren bei de«
Universitäten und andern Lehranstalten,
waren ehedem samt ihre « Familien von
d u Pensionen ausgeschlossen . Erst vor
kurzem hat sie der Kaiser nach dem Sy¬
stem aller übrigen Staatsbeamten zu Pen¬
sionen berechtiget . . . . Eben so sind auch
L d d u die
788
die Schauspieler des NationaltheatrrS in
das Pensionssystem neuerlich eingerükt
worden.
Bet der Armee geht eS etwa - stren¬
ger . Die subalternen Offiziers , welche
sich verheirathen wollen , mästen entweder
«in Kapital als Kaution für die Pension
ihrer Wittwen anwrtsen , oder ihre Frauen
müssen Reverfalien von sich geben , daß
sie auf keine Pension Anspruch machen
wollen . . . . Bei dem gegenwärtigen Tür-
kenkrieg hat Se . Majestät hierinn eine
Ausnahme gemacht . Um die im Felde ste¬
henden Offiziers über das Schiksal ihrer
Weiber und Kinder zu beruhigen , ist im
Lager und im ganzen Lande publizirt wor¬
den : „ daß die Familien aller jener Offi¬
ziers , welche im Kriege bleiben würden,
Pensionen haben sollten , wenn auch schon
die Frauen bei ihrer Heirath feierlich Ver¬
zicht darauf gethan haben . "
* *
*
Dem
789
Dem Beispiel des Hofes haben auch
die edeln Familien Wiens von jeher ge¬
folgt. Sie versorgten ihre veralteten
Diener und derer Familien großmäthtg.
Bet dem Tode eines vermöglichen.Majorat-
Herrns, einer Dame rc. wurde gewöhnlich
jedermann , der um die Person derselben
Dienste zu verrichten gehabt, mit anstän¬
diger Pension in Ruhe gesezt . Diese
großmüthigen Belohnungen werden zwar
aus bekannten Ursachen allmählig etwa-
seltner; aber es gibt troz der leichtferti¬
gen Denkart manches jungen Nachwuchses
noch Männer von grossem Herzen; und
wir haben erst vor kurzem zwei sehr er¬
habne Beispiele dieser Art gesehen.
Dbdz cxxxx.
792^
cxxxx.
Schulden
- Gefangmß.
Keine mißlichere Sache in Wie» , als
Geld borgen; sep es nun, daß man «S
auf Borg nehme, oder gebe. Jedermann,
bet dem es nicht die Beschaffenheit seiner
Geschäfte unvermeidlich mit sich bringt,
Kredit ju machen oder zu geben, soll sich
hier besonders nach der bekannten heilsa¬
men Regel einrichten: Setze dich auf den
Fuß, daß du weder Geld auslehnest noch
zu leihen nehmest.
Ich glaube, daß in Wien jährlich
wenigstens eine halbe Million an schuldi¬
gen Geldern verloren geht, wenn man
nämlich alles zusammen rechnet, was
von den grossen öffentlichen Bankerotten
an , bis auf die kleinsten Summen, un¬
ter sogenannten guten Freunden geborgt,
nicht wieder zurükbezahlt wird.
Da-
7Yi
Daher ist cs auch sehr schwer, baa- -
res Geld aufzutreiben, und wird von
Jahr zu Jahr schwerer . Ein allgemeines
Mistrauen über diesen Punkt hat sich des
Publikums bemächtiget; und dieß mit
gutem Grunde. Man verliert sein Geld,
hat Verdrießlichkeiten und Weitläufigkei¬
ten, und macht sich durch ein ernstliches
Zuräkfordern diejenigenz» erklärten Fein¬
den, , welche sich Brüder und Herzens¬
freunde nannten, so lange man gutwillig
und thöricht genug war, mit offnem
Beutel ihren höflichen Forderungen entge¬
gen zu kommen . Viel besser ist es , die
mit zehn Komplimenten und zehn heili¬
gen Versicherungen der schleunigen und
genaue« Zurükzahlung begehrt« Summe
auf ,das erste Wort rund abzuschlagen.
Wenigstens verliert man in diesem Fall
bloß di« eigennützige Freundschaft des
Schnldenmachers, da im Gegentheil,
durch unüberlegte Dienstfettigkeit, ge-
Ddd 4 - wöhn-
79»
cxxxxr.
Der Kasperl.
Ma-
cxxxxn.
^ -« rsrjsk
^ st VircHAmöü
«^
KM--EMKE
TM
cxxxx m«
Siegesfeste.
LXXXXIV.
o 82t
LXXXX1V.
Hof - Feste.
cxxxxv.
exxxxvi.
Fremde.
LXXXXVIl.
Gesellschaften.
LXXXX vm.
Konversation . ,
Mit
845
Mit welcher Leichtigkeit werde» bei
einer Tafel, in einem Adendkränzchen die
wichtigsten Dinge verhandelt. Während
ryan eine Arlischoke abblättert, wird
«in ganzes sehr ernsthaftes Lehrgebäude
zertrümmert; bei einem Becher Gefrornem
ist ein Staatsgeheimniß enträthsclt. Ehe
eine Austernfchüssel herum ist, sind drei
Lheaterstäkke , und zehn neue Schriften
abgeurtheilt; und nicht selten besser, als
in manchem berühmten Journal.
Wie plötzlich springt man von ei¬
nem Gegenstand auf den andernl Welch
manchfaltigen Stoff berührt man in ei¬
ner einzigen Stunde ! . , . Kaum be¬
greift es sich« durch welchen schnellen
Uibergang die Rede von einer neuen
Oper auf den Tärkenkrieg kommt; wie
«an zugleich von einem Modehut und
von Belgrad, vom Feldmarschall koudon
und vom ewigen Frieden spricht. Der
Kqde« des Gespräches scheint abgerissen,
-brr ein feiner Beobachter sieht, wie
Hhh Z eine
-46 s -- W - -c>
§ hh 4 0XXXW,
«4S
cxxxxix.
Fromleichnams- Tag.
LL..
Straf - Gesetze.
! SS
862 5 >'
864
§. ry . u . f. Unterdie politischen
Verbrechen gehören Beschädigungen der
Menschen durch verfälschte Arzneien , Fah¬
ren , Reiten ; Uiberschreitung derGesund-
heits - Kordons , Beschleichung der kand-
sirassen rc. kleinere Diebstähle und Betrü¬
gereien aller Art ;falsches Spiel ; ver-
bothenes Spiel ; falsches Mast und Ge¬
wicht ; Uiberschreitung der Taxen ; Ehe¬
bruch ; unberechtigte und erzwungene
Ehe ; Vergehungen der Dienstleute gegen
ehre Herren ; Verbreitung von Schmäh¬
schriften und Schandbaren ; unvorfich-
Nge
!
o 86§
dr.
Heirathen.
Kk k 2 Kön-
S7§
Auf
O^ w --0 877
ciui.
Limonade - Hütten.
dm.
Caflnen.
ci.iv.
Zeughäuser.
Inländische Maaren.
dvn.
Verschöneruttgen^
Lorsuu^
«97
<LVM.
-' EaKhöfe.
Wa--
-25
Botanische Gärten.
Glükßkinver.
LL.XH.
^ o 92!
ci,xli.
Schulen.-
cr.xm.
Versteigerungen.
CI . X1V.
* *
dXV.
Zerstreute Bemerkungen.
Am
« o 943
Nichts
V7- M - -0 248
r^ xvi. ?
— — kroxenism negaioren » —
Das
-48 M -?cr
Das Alte Wien.'
Mät-
949
Aür-
Das Alte Wien.
Ein
9Sr
Das Neue Wie «.
YZL
Schlecht
dsr
Das Neue Wien.
Ern Armen- Institut — und keine«
wahrhaft versorgte Armen.
Pp» Gute
SZ4
DaS Alte Wien.
zu häufiges Purgiren.
Strenge Gerechtigkeit.
Dat
X
457
Ppp 3 Das
YZS
„ Jede-
-o9
Das Neue Wien.
Ppp 4 „ Jedes
, Topographier§.
Geschichte
* *
lUXVlLl.
Gegend um Wien.
» *
«
* *
O .XlX.
Schluß.
§o»-
Larminati ' s therapeutische Abhind»
tun gen aus dem Lat. lter Band,
gr . 8 - Wien 1789 . »8gr- . oder l,
fl. 8. kr.
Haquets Or^ ktogrspdia «srniolica , oder
physikalische Erdbeschreibung des Her¬
zogthums Krain , Istrien , und zum
Theil der benachbarten Länder 4ter,
oder letzter Theil mit Kupf. gr. 4-
1789 - r . Rthlr . t6 ggr. oder s . fl. za.
kr. alle 4 Theile l l . fl.
Vtlüxkelii (^ ngelberti) Inüitutiones Ikeo-
logi» Oogmatic« , sä u5um suäila.
rum , T'omi II . 8- maj. s Rthlr . 12-
ggr. oder z . fl. 4Z kr.
Deluccs geographisches Handbuch von
den östretchischen Staaten iter . Band
8 . Wien 1792 . 14 ggr. oder Zi . kr.
Niklas Zrint , oder die Belagerung von
Stgekh , ein historisches Trauerspiel
tu z Aufzügen von Fr . Aug. Cle¬
mens Werthes 8. Wien 1792 5 ggr.
»der so kr.
Prandau 's ( Fr . Freyherrn von ) kritische
Geschichte Wiens in genauer Verbin¬
dung mit der Geschichte des Landes
Ober - Pannonien , worin es lag,
vom Jahre n . >Ehr. acht bis zum
Tode Karls des Groffsen , nebst
einem Abrisse der Ursachen welche
die römischen Provinzen den Einfällen
der Barbaren Preiß gaben ,
lter Theil
mit einer Landkarte gr. 8 - Wien 1789
12 ggr . oder 45 kr.
Inhalt.