Entdecken Sie eBooks
Kategorien
Entdecken Sie Hörbücher
Kategorien
Entdecken Sie Zeitschriften
Kategorien
Entdecken Sie Dokumente
Kategorien
^ WUWM .^ML!
von
27 ^ 7.
MÄNWM
. t s ' -
4
r
'v,
Ws !ic.>ö ^usMiNgök.
KM
-. . - )
l.xxxv.
Die Donau.
Gg 4 Lange
4/L
Lange arbeitet man schon Lurch theo¬
retische Spekulazionen und praktische. Ver¬
suche, an dem Prosekt, die DoNau auf¬
wärts zu schiffen . Emiger vortheilhaften
Unternehmungen im Kleinen ungeachtet,
wird es im Grossen schwerlich gelingen,
und dieß nicht darum , als ob es den An¬
wohnern der Donau an Kenntnissen, oder
Fleiß bei dieser Sache fehlte, sondern weil
es beinahe phisisch unmöglich bleibt. Der
Abfall des Flußes ist zu stark, als daß
Wind oder mechanische Kräfte ihn je über¬
wältigen könnten. Bloß vom Kahlenberg
bis an die Stadt beträgt der Abfall schon
i Fuß. Durch Ungarn hinunter ist e-
noch ungleich stärker , und ströhmt eben
dadurch reissender . Von Semlin bis Linz
segeln wollen, hieße wirklich einen Berg
Hinanschiffen.
Der durch die Eifersucht des Prinzen
von Baaden unbillig verfolgte Graf Mar-
slgli hat diesen Strthm durch eine gute und
prächtige Beschreibung genau kennen gelehrt.
I.XXXVI.
473
I^XXXVI.
Litteratur.
I .XXXVII.
Schriftsteller.
Ausser
Brofchüristen.
Wie ein Sturmwind aus Süden oft
in den öden Sandwästen des inneren
Afrikq ein Heuschrekenheer emporhebt,
Hh 3 und
486 o-sW -^ o
I.XXXIX,
49Z
I.XXXIX.
Geistlichkeit.
Reformiere.
Superintendenten u . Pfarrer . . . lgo»
Unitaxische
S t z (7X.
Zo»
xe.
Janseniste ».
Jl 4 Wie
Das
Si-S
xci.
KamMeriungfern.
Von den rigorösen Jansenisten zu den
koketten Kammrriungfern ists «in mächti¬
ger Schritt. Diese beiden Dinge find
Extremitäten in der Gesellschaft , weil es
eigends mit zu den auszeichnenden Din¬
gen der Jansenisten gehört, strenge Myso-
Ji 5 SY-
Zo6
gynen zu spielen . Indessen kenne ich doch
manch « Kammerjungfer , die vielleicht in
einer Stunde unter vier Augen die Frucht,
von vielen Bänden des Arnauld oder Ni¬
cole zernichten würde.
Der Orden der Kammerjungfern ist in
Wien von Wichtigkeit . Die Geheimnisse
der ganzen schönen Welt gehn durch ihre
Hände ; und wer die Welt nur ein bis¬
chen kennt , der weiß , welche unglaubliche
Dinge durch die Schöne Welt gewirkt wer¬
den . „ Die stehenden Heere haben
, , vielleicht unsere europäische Regierungen
, , nicht mehr umgeschaffen , als die von der
„ Anna von Bretagne zuerst eingeführten'
, , Friier eie reine " sagt Hr Schlözer : und
ich seze hinzu : die killes 6s reine thun
wenig merkbare Einwirkungen , wobei nicht
die Miller 6e ckambre den Knoten schüre
zen , oder austösen helfen , nicht um da-
Geheimniß wissen , nicht hinter der Kulisse
«itspielen.
De»
5°7
Den Dialog mancher Dame mit ihrer
Kammerjungfer Morgens an vertraulichen
Puztischen mit anhören können, wäre für
den Philosophen oft ein «interessanter Leker-
bissen, «ine Sache von Wichtigkeit, die
ihm Aufschlüsse über die größten Auftritte
des Tage^ geben würde. . . . In der Re¬
gel ist die Kammerjungfer stets die Ver¬
traute ihrer Dame , besonders wenn diese
noch jung ist. Indessen giebt es auch
welch«, die von ihren Frauen gleichgültig
behandelt , auch wohl recht teuflisch von
ihnen geplagt werden , besonders wenn sich
etwa Eifersucht einmengt. In diesem
Falle trennt man sich bald.
Die Wienerischen Kammerjungfern le¬
ben bequem. Die Intimitäten ihrer Da¬
men besorgen , und den Puz etwas in
Ordnung bringen helfen, dteß ist ihre gan¬
ze Beschäftigung. Alle übrige Zeit bleibt
ihnen , mit ihren Liebhabern zu tändeln,
und auf den Schmuk ihres Geistes und
Körpers zu wenden, Auch gibt es einige
unter
unter ihnen , die Geschmak , Wtj , Gra-
zie , Lektüre , Sentiments , sogar Philos » «
phie besizen , die ihren Wieland und Blum-
auer aus dem Kopfe hersagen , und Vol¬
taire , Petrarca und Pope in der Grund¬
xcn.
Stubenmädchen.
Wie sich in den Lrosscn Häusern die
Dame von der Kammerjungfer bedienen
läßt , so läßt sich diese wieder von den
Stubenmädchen bedienen . Bel den Weis
bern von minderer Bedeutung sind die
Stubenmädchen das , was die Kammerjuug-
fern in den Palästen vorstelle« .
Die
ZIO
vn-
XOIII.
R e d u t e.
Sie ist die Hauptbelustigung der Fast-
nachtszeit , für das bessere Publikum.
In einem Flügel der kaiserlichen Burg
find zwei ungeheure Säle , dem Comus
und Bachus geweiht. Sie *stehn vom 7ten
Januar bis zum lichten Aschermittwoch
offen; anfangs alle Wochen Einmal , spä¬
ter hin jede Woche zweimal, und die lez-
trn drei Fastuachtstage alle. Man steigt
an einem eisernen Gatter ab , gehet durch
eine Reihe von fünfzig schnurbärtigen Gre¬
nadiers , die mit ihren rauhen Bärnmä«
. NN
07^ 82^ - 0 5i5
nekt .'
xciv.
LustmädchkN.
Kk 4 die
§-c>
die im Verhältniß mit andern grvfftn
Städten wahrlich geringe ist.
Grösser ist die Zahl derjenigen, wel¬
che auf einem ganz artigen Fuß von rei¬
chen Liebhabern unterhalten werden; aber
nieistentheils in ihren Häusern versperrt
fizen, nie öffentlich mit ihren Liebhabern
erscheinen, und denselben jährlich zwetbiS
dreitausend Gulden kosten.
Noch grösser ist die Zahl derjenigen
die von minder reichen Leuten unterhalten
werden, zu zwei bis dreien bei einer gut¬
herzigen Matrone beisammen wohnen,
jährlich fünf bis sechshundert Gulden von
IhrenLiebhahern ziehen,und diesen, hei plözli-
cher günstiger Gelegenheit einige Dukaten
zu erhaschen, von Zeit zu Zeit auf eine
Viertelstunde untreu werden.
Alle dies« unterhaltenen Mädchen gehn
von Hand zu Hand, Es wird nach ei¬
niger Zeit entweder der Liebhaber ihrer
s<M; hder es bietet sich ein andrer an,
her
V-^ LS^ o ZLI
rustseuche.
XEVI.
zu erhalten.
xcvn.
Chirurgische Akademie.
. xcvm.
Die Nunziatuk.
XOIX.
Schneider.
Kleider machen Leute: und Schneider
machen Kleider; also folgt von selbst
M m daraus,
546
daraus , daß die Herren von der Nadel
Männer von der ersten Wichtigkeit im
Staate scyn.
Zwar trete ich nicht eben mit jener
tiefen Ehrfurcht und Hochachtung in mei¬
nes Schneiders Werksiätte, wie weiland
Freund Rabcner , spaßhaften Andenkens,
es von seiner Person versichert; indessen
fühle ich, daß es nicht eitel Lustigma¬
cherei sey , was er von der Wichtigkeit
der Kleider sagt. Zederman , der sich
eine Weile in der Welt herumgetrirben
hat , wird mir beistimmenr wird erfahren
haben, wie oft das Kleid zum Maßstabe
des Verdienstes genommen wird ; wie oft
ein schimmernder Anzug einen leeren Kopf
hob; wie oft ein faserichter Rok die
Brauchbarkeit eines Mannes verdunkel¬
te . . . . In den Hauptstädten, wo LuxuS
und Kleiderpracht so allgemein ausgebrei¬
tet sind, wo sie einen so wesentlichen
Lheil der guten Lebensart ausmachen,
kann
547
kann Man wenigstens mit halbem Ernste
fugen , daß Kleider Leute machen.
Herr de Luca behauptet , in Wien
sehen über dreitausend Meister Schneider.
Ich glaube , Hr » de Luca habe fich etwas
überzählt ; denn da Wien samt seinen
Vorstädten etwas über sechstausend Häu-
zer hat , so müßte nach seiner Liste in je¬
dem zweiten Hause Ein und ein Zwölf»
rheil Schneidermeister wohnen ; daß die¬
ses aber nicht so scy , steht jedcrman auf
den ersten Anblik . <— Meister , Gesellen,
und Lehrpursche zusammen genommen,
mögen einen Huufen von zc >oc > Schnei¬
derköpfen ausmachen»
Einige dieser Nadrlhetren verfertigen
bloß Mannskleider , andere bloß Weibs¬
kleider , noch andere den Hungarischen
Anzug»
Einige Schneider in Wien haben eine
sdnderbare Sitte eingeführt , von der mir
nicht bekannt ist , daß fie in irgend einer
«ndern Stadt gänge sey . Sie lassen
Mm » vr-
S48 o^-w - v
von allen Gattungen der
ordentliche Tariff
Kleider druken, die sie um einen so ge¬
Preis liefern, wie an andern Or¬
siezten
ten der Schlächter das Fleisch
, oder der
Wirth den Wein verkauft . Solche Ta¬
riff- Schneider sind Dero, Rarl , Rral-
lischek rc.
Der Seltenheit der Sache wegen ge¬
be ich einen kleinen Auszug aus einem sol¬
chen Tariff . Wenn er schon gegenwärtig
den Wienern gleichgültig ist, so isi er doch
dem Auslande etwas Neues; und viel¬
leicht ist er nach fünfzig Jahren auch für
die Wiener ein Stük, das zu einem in¬
teressanten Vergleich über den Werth der
Dinge in verschiednen Zeitpunkten dienen
kann.
N.
Ein ganzes tüchernes Mannskleid
von 8 Fl. Tuch mit Croisee ge¬
füttert, und mit gleich über¬
zogenen Knöpfen . . . . 42
Von
549
Fl.
Don 6 Fl. Tuch oder^ breiten2 Fl. ^
^cr Kr., Halbtuch . . . zz d
Don ^ breiten 4 Fl- Tuch . - « rg
Don L Ellen breitenz Fl. Halbtuch 2Z
- Rvk und Bernkleider, oder Rok
- und Veste.
Don F Fl. Tuch mit Crvisee gefüttert z»
Don 6 Fl. Tuch oder^ breiten2 Fl.
zo Kr. Halbtuch . . . , 26
Don 4 breiten 4 Fl. Tuch . . . 2A
Don r Ellen breitenz,Fl. Halbtuch 17
Rapotröke.
Don 6 Fl. Tuch mit Croifee gefüttert 28
Don 8 Fl. Tuch Wollblau . . . z6
Von 4 Fl. Tuch . 24
Veste und Beinkleider.
Von schweren Seidenzeugen zuz Fl.
zo Kr. die Ellen . . . . rF
Don mittelschweren. . . , . iz
Don gewirkten dreifädigen Säken . 8
Von Sommermanchester. . . . IZ
Don mittelschweren . . . io
Mnr z Som-
SS»
Fl.
Sommerkleider.
MGlatteF Mannskleid von feinen Ka-
' mclot ty't Lasset gefüttert . . Z8
Don feinen Haruwin zu » Fl . . . Lg
Don Dreydrath zu » 8 Groschen . r6
Don halbfeidnem Kamelot . . . sA
Don glattem Berkan , mit Kanne»
vasfutter . . lz
Livreien.
e.
Kaffeehäuser.
.Aisuäesu.
SZ4
fern ist das Billard , deren
immer zwet
bis drei vorhanden sind , und wovon je¬
des , wenn es fleißig benuzt wird , deS
Tags zwölf Gulden einbringen kann.
Das Kaffeetrinken , welches sich seit
Bekanntwerdung dieser Bohne in Europa
über , alle Stände verbreitet hat , wurde
vor kurzem in verschiedenen Gegenden von
Deutschland zu einer Art von politischen
Gravamen gemacht . Ein paar Fürsten
versuchten es , den Kaffee zu verbannen;
man hört aber nicht , daß es damit recht
Ernst werden wolle . Selbst dem vorigen
König von Preuffen , dem die Erinne¬
rung an fein jugendliches Biersuppen-
Frühstük wenigstens sehr spät -kam , war,
wie es scheint , mehr um das Monopol als
um die Vertilgung der verschrieenen Bohne
zu thun , und sein weiser Neffe hob die¬
sen zweideutigen Zwang wohlberathen
gänzlich wieder auf.
Auch in Wien ist der Durst nach Kaf¬
fee bis unter die Taglöhner und Markt-
wel-
555
ci.
Zeitungen.
Man streitet sich noch über den er¬
sten Erfinder der Zeitungen. Wer. er
auch seyn mag, ich schäze ihn so sehr als
den Erfinder irgend eines Dinges auf
der
SZ6
der Welt . . . . Welche Leere , welche
langweilige Stokung würde in unsrer Ge¬
sellschaft herrschen , wenn die Zeitungen
unsre Neugierde , unsre Plaudersucht
nicht täglich mit neuem Stof versähen!
Es ist eine unläugbare Wahrheit , daß
die Zeitungen vieles zur Verfeinerung-
zur Bildung eines Volks
beitragen . Ein
Mensch , der sich bloß auf sich selbst, oder
höchstens auf einen kleinen Zirkel ihn um¬
gebender Geschöpfe einschränkt , und sich
nichts um die ganze übrige Welt beküm¬
mert , wird immer ein mürrischer , stumpfer
unbehilflicher , kurzsichtiger Bürger blei¬
ben . Da hingegcld der andere , welcher
an dem Thun und Treiben , an dem Wohl
und Wehe , an den Narrenstreichen und
Edelthaten aller seiner Mitmenschen Theil
nimmt , seinen Verstand übt , seine Klug¬
heit schärft , sein Herz fühlbar , und sei¬
nen Umgang geselliger macht. Durch di«
Zeitungen wird jeder wichtiger Zufall,
jeder grosse Unglüksstreich , jede neue Er-
fin-
o-ü-W^ o 557
sindung, jeder gute oder bedenkliche Auf¬
tritt mit einer Schnelligkeit über alle Na¬
tionen verbreitet, von der die alte Welt
keinen Begriff hatte. Diese Flugblättchen
sind ein gleich grosses Bedürfniß und
Vorzug unsrer Zeiten: sie herrschen in
den Palästen und Buden, in den öffentli¬
chen uyd privat Häusern.
Kein Land von Europa hat wohl so
viele und vielerlei Zeitungen, wie unser
zerstüktes Deutschland . Es ist für alle
Gattungen von Lesern gesorgt. Politi¬
, ökonomi¬
sche, litterarische, militärische
sche, theatralische , geistli¬
, merkantilische
che rc. rc. Zeitungen füllen täglich von
allen Orten und Eken her die Felleisen der
Postillons. Ich glaube, es ist nicht zn
viel gesagt, wenn ich sechszig in Deutsch¬
land erscheinende Zeitungen annehme.
Wien hat seine politische Zeitung, mit
der eine Art von Intelligenzblatt verbun¬
den ist, die alle Wochen zweimal erscheint,
und I » Fl. kostet . Sie ist zwar keine
Hof-
553
Hofzeitung , unterliegt aber doch einer
strengen Zensur. Der Inhaber bezahlt
für das Privilegium derselben jährlich ge-
gen 9022 Fl.
Neben dieser erscheinen noch ein
paar Zcitungsähnliche politische Blättchen,
eine ökonomische Zeitung , eine Kirchen-
zeitung , eine Oa ^ettö äe Vienne , eine
Oa ^etta äi Vienna , Lxlieineriäea
Vinsobonentes ( eine lateinische Zeitung ) ,
eine ungarische Zeitung , eine <7vmxila -"
tion comxlette . . . . . Ein literarisches,
periodisches Blatt hat Wien nicht.
Von andern Zeitungen werden am
meisten gelesen die Brunner , Erlanger,
Hamburger , frankfurter , Augsburger,
Regensburger , die französische von Köln,
Leiden , <7ourrler <lu Vas Vliin ; die wäl-
sche von Floren ; , das ^-onäon Olironicle»
das politische Journal . . . . die allgemei¬
ne kitteraturzeitung.
Seit zwei Jahren drukt man hier
auswärtige Zeitungen nach. Ein gewisser
Fran-
S54
Franzos kam zuerst auf diesen ehrsamen
Einfall, errang sich ein Privilegium aus
den Nachdruk der damals eben sehr unbe¬
scheidenen keidner Zeitung, und lebt seit¬
dem regelmäßig auf Kosten des H. Stefan
Luzac . — Da es ohne Zweifel sehr be¬
quem ist, und weiter nichts als ein bis¬
chen harte Haut fodert, um auf Kosten
eines fremden Zeitungsschreibers zu le¬
ben: so fand der tndustriöse Franzmann
siraks Nachahmer . Man fiel über ver-
schiedne Zeitungen her; aber das Publi¬
kum griff nicht so gierig zu, als jene be¬
quemen Herren es wünschten; und ausser
der Leidncr, wovon das Original strenge
verbothen, und dem Erlanger, wird jezt
keine weiter nachgcdrukt.
Besser und verzeihlicher ist der Ein¬
fall , aus den beliebtesten Zeitungen vrr-
schiedner Sprachen, deutsche Auszüge zu
machen. Solcher Auszüge werden gegen¬
wärtig dreierlei gedrukt.
Vor
A6a o»7^52^ c»
eil.
Geschriebene Zeitungen.
M.
Mädchen-- Pensionat.
OIV.
Der Prater.
Der Name dieses Lustwalbes kommt
vermuthlkch von dem spanischen Uraclo,
aus dem der Wienerische Pöbel seinen
Prater machte, und durch seine Stimmen-
Mehrheit bewirkte , daß ihm auch die
Nn 5 grosse
57s
grosse und die gelehrte Welt in dieser Be¬
nennung folgt.
Dieser Lustwald , der von Hirschen,
Fasanen und Wildschweinen bewohnt ist,
dient bekanntlich den Wienern zu ihrem
allbeliebten Belusiigungsplaz . Man kömmt
durch die mit einer Kastanienallee besezte
Dorstadt Jägerzeil auf einen grossen,
freien Halbzirkel : von diesem führen fünf
Alleen in den Freudenhain . In dem
Mittlern Raum finden sich eine Menge
Wirthshäuser , Sommerhäuser , Tische,
Kegelbahnen , Karussel , und andere zur
keibesbewegung dienende Spiele.
„Mas ist heute Nachmittag zu ma-
„ chen ? " fragt der Handwerksmann
Sonntags nach der Kirche seine Hälfte:
Wir gehn
halt in den Prater , versezk
diese , und der ganze Haufe seiner Kin¬
der stimmt aus vollem Halse mit «in. —
Diese bei der ganzen bürgerlichen Klas¬
se gleichgestimmte Neigung für den Pra¬
ter , füllt ihn an Feiertagen mit einer un-
ge-
57l
Ts
87-
Es ist ein Jrrthum , wenn Hr . Rei¬
nhard in seinem Reisebuch * ) sagt , der
Prater und -Augarten seyn an Sonn - und
Feiertagen Morgens gesperrt . Der Ein¬
gang dazu steht immer offen.
Neben der Mittelallee links ist der
Feuerwerksplaz . Das grosse Gerüste zu
diesem Schauspiel bleibt das ganze Jahr
stehn . Herr Stuwer , aus Ingolstadt in
Baiern , ward nach verschiedenen Schik-
salen zum Feuerwerker . Man muß ge¬
stehn , daß er seiner Kunst Ehre macht.
Die Feuerwerkstage sind die schönsten
Tage des Praters . Der Eintritt kostet
20 Kreuzer ; dieß macht , daß bei diesem
Schauspiel der geringe Pöbel wegbleibt,
und dann nur das bessere Publikum er¬
scheint. . . . . Gegen fünf Uhr Abends
fängt der Zug dahin an . Alle Eingänge
find mit Kuirassiers besezt , die mit blan¬
kem
cv.
Egoismus.
cvj.
Britt ensucht.
So äberseze ich das Wort Angloma-
vie. Diese Sucht ist gegenwärtig bei der
feinen Welt in Wien sehr allherrschend.
Während des Amerikanischen Krieges fa߬
te sie die ersten Wurzeln. Man fieng
damals sehr allgemein an , Englisch zu
lernen , um die Zeitungen zu lesen:
dabei machte man sich mehr mit den
Engländern und ihren Sitten bekannt.
Es waren von jeher immer junge rei¬
sende Britten hier gewesen; unter
der jezigen Regierung vermehrte sich
ihre Zahl, mit dieser auch ihre Kleider-
Oo L kracht,
68o o-^W^ o
kracht, Ihre Thorheiten und ihre Vergnü¬
gungen. Die Sucht , sie nachzuahmen
wuchs und verbreitete sich immer mehr.
Die Wirkungen tiefer Brittensucht
sind Englische Sprache und Lektüre, runde
Hüte, grosse grobe Uiberrvke, dikbauschige
Halsbinden , dunkle Fraks mit hochstehen¬
den Halskragen , Stiefel und Sporn zu al¬
len Zeiten , ein n ichläßiger schwerfälliger
Gang , dike ästige Bengel statt der Spa-
z-erstöke, eine Art von .Rustizität in Stel¬
lung r nd Manieren , Kadogans , Punsch,
Iokeis , Wiski , Wettrennen re»
Bei den Weibern ist es die Lust zu
reiten , Thee, Hüte , Anglarsen, Sprache
und Lektüre, und ein allgemeines Vorur¬
teil für jeden jungen oder alten , hüb¬
schen oder häßlichen Knaben , der zwi¬
schen der Insel Wight und den Orkaden
zu Hause ist.
Was an diesen Dingen Gutes und
Schlimmes, Anständiges und Lächerliches
sey, sieht jeder von sebst.
Daß
O- ^xr- o L8r
cvil.
S8Z
cvn.
Prediger - Kritik.
cvm.
»— 537
cvur.
Moden.
cix.
Kirchen.
All
Sd5
All der alberne Bruderschaftsplunder
ist aus denselben weggeschqft ' ; den ver-
kleideten Statuen hat man ihre Perüken
und Mäntel abgenommen ; statt dem pro¬
fanen Geludle , das oft einen Chor aus
einer Opera Buffa in rin LanLtng ver¬
wandelt , und cs während den heiligsten
Rcligionshandlungen gar lüße hernnter-
gekräht hatte , ist der populäre deutsche
Kirchengefang eingeführt . Mit den Mes¬
sen , als dem wesentlichsten Stük des ka¬
tholischen Gottesdienstes ist die Ordnung
getroffen , daß von halbe Stunde zu hal¬
be Stunde immer nur Eine , und diese
auf dem Hauptaltar der Kirche gelesen
werde ; die übrigen Altäre stehn gegen¬
wärtig ungebraucht da , und werden
nur nicht wtggeriffen > um keine unsymetri-
sche Lüken in die Kirchen zu machen.
Bloß in einigen der größten Hauptkir¬
chen ist es erlaubt , neben der hohen Messe
noch rin paar stille zu lesen , um gewissen
Pp , Klas-
Z96 O--W --0
Klassen von beschäftigten Leuten ein Ge¬
nüge zu leisten.
Sv sehr auch einige eigennäzige Prie¬
ster gegen diese Einrichtung aufgebracht
seyn mögen , so gewiß ist es doch , daß
die Kirchen nach ihrer wesentlichen Be¬
stimmung dadurch sehr gewonnen haben.
Der vernünftige Krist besucht fie jejt mit
mehr Auferbauung und mehr gerührtem
Herzen , bethet vielleicht etwas weniger,
klopft minder oft an sein Herz , hört
wenigere Messen; verrichtet aber seine
Andacht mit mehr Ruhe , Salbung und
Würde.
s §97
Bader.
Man kennt die Träume des Franzosen
OeMaillet. Er studirte, während seiner
Konsulschaft in Aegypten, durch fleißige
Beschauung der Meeresbewegung, die
Hypothese aus , daß die ganze Erde ehe¬
dem ein Meer gewesen, und wir Men¬
schen in unserm ersten natürlichen Zustan¬
de die Gestalt gehabt, wie man die Tri-
tonen und Sirennen malt: oben Mensch,
unten doppelschwänziger Fisch. Darum
empfiehlt er uns das Element dieser
Thiere vorzüglich, und sagt: im Wasser
leben sey das wahre Athmen unsrer an-
gebornen Luft. *)
Ppz Mail-
Geschichtmalerei;
Bildhauerei,
, Architektur,
kandschaftmalerei,
Erzverschneiderei,
Kupferstecher
!.
—- - - ,- -
.* ) Ein alter lateinischer Reimer Hat auf
die wiederholten schreklichen
. Nieder¬
lagen des unglütlichen ÄarlS folgende
ziemlich lahm» Berse gemachti
cxllr.
6lA
cxm . .
i
6l4 0 - -LS - - 0
Die
o--W -^o 6l-
Die jungen Mediziner vom Auslande
besuchen dieseSchule sehr fleißig; auch
haben einige deutsche Fürsten schon ei-
gends Zöglinge, in dieses Institut hieher
geschikt; daß also vermuthlich bald ähn¬
liche Schulen nach dem Muster desselben
Der
6a«
Der Neujahrstag; die Ostevfeyer,
die Pfingstfeyer; die Weihnachtsfeyer;
der Geburtstag des Herrn vom Hause;
der Geburtstag der ' Frau vom Hause;
der Namenstag des Herrn; der Na¬
menstag der Frau ; die Eeburtstäge
vnd Namenstage aller Kinder, Schwe¬
stern, Tanten rc. rc. In einigen wohl¬
habenden Familien von Bürgern und
kleinern Beamten sogar die Iahrstage
der geschloffenen Ehe , des erhaltenen.
Amtes rc. rc. Alle diese Tage sezten den
iganzen Zirkel der Bekannten vom Hause
in Bewegung, daß sie sich in ihre Ga¬
lakleidung stekten, zu Wagen und zn
Fuß nach dem beglükten Hause eilten,
und ihren Krazfuß machten, sich zu ho¬
hen Gnaden oder alten Freundschaft em¬
pfehlend.
G
62z
Gaffen und Straffen find voll von hin und
herrennrnben Wagen , mit hochgepuzten
Herren und Frauen beladen.
In-
624 o
gurrst«
Vrcn uni» .
Är i»cn >^n«url?ilrij>n AurMnuiülMN
MM WWDDW
^ MIWWWWW
'.
WM
Ä4'T?.4?
'^ ^
'L*-^
Der Türkenkrieg.
cxvi.
ß
6g7
cxvi.
Das Schanzl.
Dieß ist der Haven von Wien. Alles,
was von Menschen , Waaren, Früchten re.
die Donau herunter schifft , kömmt hier
an das Ufer. Das sogenannte Echänzk
besteht aus dem schmalen Erdstrich, wel¬
cher zwischen den Festungswerken der ei¬
gentlichen Stadt und dem hier vorbei»
fliessenden Arm der Donau liegt.
Man fleht dort ein immerwährendes
Bild der Geschäftigkeit . Schiffe kommen,
Schiffe gehen. Ein Haufen nervigter
Männer Ist von Sonnen, Aufgang bis
Sonnen - Untergang ln voller Arbeit, die
tausenderlei Bedürfnisse der grossen Stadt
aus - und einzuladen . . . . Die aufge¬
blasenen Spitzkrämer von Brabant und
e Flandern , und ihre Sykophanten ln
Brüssel, haben weiter nichts als einen
neuen Beweis von lächerlichem Geldstolz
und
6z8
und Niederländischer national Unwissen- I
heit gegeben / da sie in ihren unbändigen *
Denkschriften von den Morasten der Do - 1
nau in den Tag hinein schwazten ; da
Eie -— welche die Donau nie anders als
auf der Landkarte gesehen hatten — be¬
haupteten , dieser Zluß sey nur durch
seine Iliberschvsemmungen in der Welt
bekannt . . . . Wer sich vom Gegentheil
solcher alberner Sprüche augenscheinlich
überzeugen will , der gehe an bas Schänzl,
und er wird sehen , daß man die freilich
manchmal ausrretcnde Donau auch zum
Vortheil Oestrelchs zu benutzen wisse.
Es ist ein Mauthhaus am Schänzl,
wo die Koffers der aukommenden Frem¬
den , und andere Sachen von minderer
Wichtigkeit , sogleich beim ausladen unter
die alles aufspürenden Finger und Augen
der Zollbeamten kommen. Neben demsel¬
ben stehen hölzerne Hütten , worin man §
kocht, barbirt , frisirt , ißt , trinkt , schläft,
ungefähr wie auf einer wüsten Insel,
wenn
6zy
wenn man durch Sturm dahtn verschla¬
fen würde.
In der Jahreszeit der reifenden Früch¬
te , ist auf dem Schänzl den ganzen Tag
über grosser Obstmarkt , wo man die
Geschenke PomonenS . ganz frisch , so wie
sie anlangrn , geniesten kann. Dabei hat
man nicht selten da- Schauspiel von den
wüthenden Fehden der Obstweiber , wie
sie sich Schürzen und Kappen vom Leibe
reisten , dichte Büschel Haare ausraufen,
und so derb mit Nägeln und Fäusten auf
Nasen , Augen und Wangen begrasten,
daß das Blut umhersprizt ,
unk der
Kampf selbst einem Haufen erboßter Ma¬
trosen itzhre machen würde . Dieses für
die Zuseher immer lächerliche Schauspiel,
die vollen Obstkörbe , und die Aussicht auf
den sehr lebhaften Fluß , macht das Cchänzl
zu einem vorzüglich beliebten Spaziergang
für die Handwerksbursche und ihre näschi-
gen Schönen . An Feyrrtagen besonder-
ist der Plaz den ganzen Tag mit einer
Men-
642
cxvli.
Vanko und Börse.
Die Wienersche Stadt - Bank hat ei¬
nen festen und wett ausgebreiteten Kredit.
Ihre Obligationen gehen nicht nur in den
östreichische
« Ländern, in Friedenszeiten,
mit drei bis z H Prozent Aufgeld; son¬
dern ihre Vaukzettel kursiren auch in frem¬
den Provinzen , wie z. B. in Holland,
statt baarcn Geldes. Dieses Kredit grün¬
det sich auf den unerschöpflichen natürli¬
chen Reichthum des östrcichischen Staats,
auf die gute Verwaltung dieses grossen
politischen Körpers , aiif die gewissenhafte
und genaue Ordnung , die Interessen zur
, E s Stun-
64 » 0Ü- W - -0
Juden-
cxix.
Nonnenklöster.
Die Einrichtung der kristlichen Non¬
nenklöster, so wie sic jezt noch in den
meisten katholischen Ländern bestehn' ist
vom Grunde aus schief und verkehrt. Ich
weiß nicht, in wie fern der Himmel an
diesen Anstalten Wohlgefallen haben mag;
aber so viel ist gewiß , daß die gesunde
Filosofie und Staatsku »st sie ganz unk
zwekmäßig, grausam und abentheuerlich
findet.
Therese ist ein gutes , munteres Mäd¬
chen. Sie hat eine lebhafte Einbil¬
dungskraft , aber sehr mittelmäßigen Ver¬
stand. Ihre Mutter ist ein frommes Weib,
die «ine weitläufige Verwandt« in einem
Tt » Non-
66o
Nonnenkloster der Stadt hat. Der Vater
gilt für einen vermögenden Mann. Mutter
und Tochter besuchen die verwandte Nonne
oft : man füllt dem Mädchen erst den
Magen mit Zukerpläzchen und anderm süssen
Nonnengebäcke , nach und nach den Kopf
mit andächtlerischen Grillen. Die geistli¬
che Muhme hat es der Abrissen gestekt,
daß Theresens Vater Dukaten besizt . Nun
wird mit dem Pater Beichtvater ein Plan
angelegt, das Goldfischchen einzuhaschen.
Die Versuche gelingen; das Mädchen wird
allmählig so sehr für den Schleier erhizt,
daß sie ihn selbst von ihren Aeltern ver¬
langt. Die Mutter ist zu fromm, sich
dem vermeintlichen Beruf zu widersezen;
der Vater steht unter dem Pantoffel; nach
sechs Monaten schleicht Thereschen in das
Kloster, und bringt ihr reiches Erbtheil
mit sich. . . . Rosine ist die jüngere Toch¬
ter eines armen Edclmannes. Um dem
Sohn , welcher Soldat ist , eine kleine
Unterstüznng neben seiner Gage zu ver-
schaf.
66r
Sei-
Sxo
Seine Eßgelage wären unvollkommen,
wenn nicht gute Weine den Kizel des Gau¬
mens vermehrten , und die Verdauung
der Mittagstafel für das Nachtmahl be¬
fördern hälfen.
Der patriotisch gesinnte Trinker schäzt
feinen alten Landsmann mehr als alle
jene Weine , welche in Frankreich und
Italien gekeltert werden . Die Gebürge
um Wien , Grinzing , Nußdorf , Bisam¬
berg , Brunn und Gumpoltskirchen , ver¬
sehen ihn mit Weinen , die in ihrem zehn¬
ten Jahre l4 bis iZ,und in ihrem zwan¬
zigsten zo und mehr Gulden , der Eimer,
gelten . In seinen spätern Jahren ver¬
gleicht man ihn mit Recht dem Rebensaft,
welcher am Rhein gepreßt wird . Aerzte
verordnen ihn schwächlichen Greisen , und
gegen Magenkrankheiten ; und selten ohne
Wirkung.
Oer Vorwurf , daß der Deutsche , und
vorzüglich der Oesircicher , ein Säufer sey,
ist alt , aber in » nsern Zeiten etwas über-
c-üW ^ o 67»
trieben . -Der Deutsche ißt mehr und ißt
besser , als feine Nachbarn : daher trinkt
er auch mehr. Laßt den Engländer sei¬
nen Cpleen mit seinem Porter , den Fran¬
zosen , wenn er welchen hat , mit einem
Gassenlted , den Italiener mit einer Be¬
schwörung der Heiligen verjagen . Warum
sollte der gastfreie Deutsche nicht mit ei¬
nem Glas alten Wein unter freundschaft¬
lichem Gespräche sich guten Muth und
gutes Blut schaffen ! . . . Wundert euch
daher nicht , wenn ihr biedre Wiener iy
einer Schenke bei einer Flasche mit schon
grünlichtcm Oestreicher gefüllt beisammen
seht- Ihr möget wohl eine halb « Stun¬
de horchen , und ihr hört nur Lobgesänge
auf den Gott des Weines . Anfangs wird
der Reihe nach gekostet. Jeder hat seine
eigne Art , die ersten Tropfen mittels sei¬
ner Zunge auf die Kapelle zu bringen.
Auch der geübteste Kenner wagt es nicht
gleich mit seinem Urtheile hcrauszuplazen:
« prüft , überlegt , und sagt dann in fro¬
hem
6/L
hem Ton : der Wein ist gut ! ober r er ist
milde ! » . . Darauf folgt eine Litanei
von Lobsprüchen auf den Wirth . Oft
wird wohl so lange getrunken , bis man
den Werth des Weines nicht mehr be¬
stimmen könnte. Man geht unter Be¬
dauern , daß alles vergänglich sey , tau¬
melnd nach Hause , sich freuend auf den
künftigen Abend , um wieder von dem
Mutterfäßchen zu kosten.
Die Verschiedenheit der Stände ver¬
ursacht auch die Verschiedenheit des Ge¬
tränkes . Der Adel , der Bürger , der
Beamte , der gemeine Mann , trinkt un¬
gleiche Weine , und in ungleichem Maße.
Der hohe Adel , welcher sich des Ta-
ges wohl zehnmal auf das Einfuhrverboth
der fremden Erzeugnisse erinnert , fühlt
auch das Verboth der Weine mit grossem
Schmerz . Man erblikt jezt nur noch sel¬
ten auf den Tafeln der Grossen die Spa¬
nischen Weine , welche die schlappen Ner¬
ven durch ihre würzhafte Stärke aufrich¬
ten;
67z
ken ; selten den Burgunder , der , selbst
mit Uibermaß getrunken , dem Kopf nicht
schmerzhaft ward ; ttlteu den Schampag-
ner , der den Wtz gühren machte. Sechs-
zig Prozent , « nv >ie Eingabe des Na¬
mens bei Seiner Majestät , von dem , der
sie vom Auslände kommen läßt , haben ih¬
ren Gebrauch vermindert.
Ihren Plaz ersetzen nun Hungarische
Weiue , welche die Gebürge von Total,
Erlau , Schumlau , Nesmill , Stklos,
Szekszard , Et . Georg und Menisch erzeu¬
gen . Die Gaumen gewöhnen sich daran,
und man fängt an , vorzüglich den sogr-
nannten Ausbruch der zwey leztern gut zu
finden . . . . Die Ae rzte empfehlen beson¬
ders den Meiner Wein , ebenfalls ein
^ungarisches Gewächs : sein Saft verbin¬
det die Säure des Oestreichers mit dem
Feuer feines Vaterlandes in einem der
Gesundheit zuträglichen Grade . Die Da¬
men halten sich mit dem Tokaier schadlos,
den mau aber fast nirgend als bet Hofe,
»t u « ad
674
und in wenigen Herrschaftshäusern ächt
trinket. Für den Hof werden jährlich
Anthetlr *) geliefert ; und der Adel
zieht ihn auf seinen eignen Weinbergen.
Die Trautsohnsche Familie besaß die beß-
ten Gebürge : als diese erlosch, wurden
dieselben unter mehrere Besizer vertheilt.
Für Schwäche und Krämpfe des Magens
ist dieß der beßte Wein : sein Feuer ist
angenehm von seiner Süsse gemildert.
Im Auslände schäzt man ihn so hoch,
daß der k. k. Hof jedes Geschenk mit
nichts angenehmcrn zu erwiedern wüßte.
Der Rußische Hof hatte sogar eigne Wein-
gebürge . in der Nachbarschaft von Tokai
an sich gebracht, und , welches rin selt¬
nes Schauspiel ist, hielt daselbst, mitten
in Hungarn , eine Rußische Garnison von
Zv Mann samt einem Offizier, um die
kost-
Auch
o W —o 6»r
Auch auf Rechnung der kaiserlichen
Familie wird in deitr sogenannten Fami-
lirnhause am alten Fleischmarkt Wein ge»
schenkt. Er ist gut und wohlfeil, daher
auch der Absaz davon ausserordentlich
stark ist, und des Jahrs wohl zoovc»
Fl. einbringt.
Die gräflich SchönbornlscheFami¬
lie ließ ehedem auf ihre Rechnung Rhein¬
wein kommen . Wenn ich nicht irre,
so hat die erhöhte Mauthtaxe sie bewo¬
gen, gegenwärtig dieses Geschäft einzu¬
stellen: ein unangenehmer Umstand für
alle Liebhaber des Rheinweins , welcher-
-cht und gut dort zu haben war.
exxi.
- Stephans - Kirche.
Das
68Z
Die
o-üW- o 687
Die Stephanskirche steht auf einem
sehr günstigen Standpunkt : man könnte
rings um sie einen der angenehmsten und
regelmässlgsten Pläze von Wien Herstellen.
Auch sind dazu schon einigemal Vorschläge
gemacht worden . Es sollten vorne die
sechs oder sieben elenden Duden wegge-
rissen werden ; die im Quadrat herumlie¬
genden Gebäude sollten mit einer Art von
Bogengang verziert , und die äussere Seite
der Dvmkirche , gegen die Strasse zu , ei¬
ne ihrer würdige Verschönerung erhalten.
Dieß würde freilich der Stadt eine Be¬
quemlichkeit und Zierde mehr verschafft
haben ; da sich aber die Kosten der Unter¬
nehmung im Anschläge auf einige hun¬
derttausend Gulden beliefen : so fand man
schon damals , selbst in den Zeiten der frei¬
gebigen Maria Theresia , Schwierigkeiten;
und in der jezigen ökonomischen Epoche ist
es um so minder zu erwarten . Vielleicht
erleben unsere Urenkel einst noch die Freu¬
de , unter einer Kolonade oder Linden¬
allee
688
aller rings um die Stephanskirche spalte-
ren ju können.
cxxii.
Garnison.
Die Desazung von Wien besteht ge¬
wöhnlich aus » Bataillonen Grenadiers,
6 Bataillon Füselters , l Regiment Ar¬
tillerie , i Regiment Kavalerie . Die vier
Leibgarden , das Jngenieurkorps , das
Bombardierkorps , das Fuhrwesenkorps,
bas Invalidenkorps rc. machen ebenfalls
einen Theil des hier anwesenden Militär-
staube- aus . Die Kriegskanzlei , mit ih¬
rem Personale von ungefähr 700 Beam¬
ten , besorgt und leitet alles was Uniform
trägt.
Die Stadt Wien , samt ihren Vor¬
städten , ist dem InfanterieRegiment
Preiß alS Kanton , jur Rekrutirung an¬
gewiesen.
DaS
6öy
^ Das Spektakel einer Wachparade j
welches in Berlin , Dreßden , München,
Hannover , Brapnschweig , Kassel , Stutt-
gard, ' jä logär in den Residenzstädten ei¬
niger Deutschen Bischöfe , zum Theil die
tägliche Unterhaltung der Schönen Welt
macht , sieht man ln Wien nicht. Da
die öffentlichen Pläst dhnehtn nicht sehr
geräumig , uüd stets mit Menschen , Wä¬
gen und WaareN bevekt sind , st würde
der tägliche Aufmarsch vün Zc>6 bis 606
Mann , dtirch die um Mittagszeit wim¬
melnden Gaffen , das Gebräng nur noch
grösser machen. Uiberbletz ist der tzof>
der einzige allenfalls zu dieser Parade
taugliche Plaz den st unebnem Boden,
daß er die Truppen immer etwa - an der
UibereitistimmNng ded Manoeüvres hindern
würde . Um diesem Nuszuweichett , halt
Man die Wache einst einö ZcitlaNg auf der
grossen Bastion ausser der kaiserlichen Bürg,
«in andermal auf der Esplanade ln Para-
deform aufgeführt . Beides - ab Matt
X x Mir-
Lyo
wieder auf , vielleicht auch darum , weil
einige Divisione « des <^uf die Wache zie¬
henden Korps ohnehin von den Kaserne»
aus gegen drei viertel Stunden bis auf
ihre Posten zu marschiten haben , und
durch die Parade noch länger aufgehaltrn
würden.
cxxni.
Der Augarten,
(7XXIV,
*) Xexlixt.
7c>4
. . —A. -.'-^
. E a kL le n. .
7.1) -, . 1 r ». r'
. ,,-Nan fchäjt, hieAahl aller Dienstbothetk
lnÄ ^ n , sowohl weibliche Als männliche,
quf Mgc.Wr 4<rooc>Köpfx^ D^e Rech¬
nung mag dcr Wahrheit so ziemlich nah»
kommen . . Don Elises Summe mache, » di»
Kerls , welche matt eigentlich Bediente
oder Lakaien heißt, etwa gegen 6022
aus.
Unter diese Rubrik« gehören di« ei¬
gentlichen Lakaien , die Heidukett, die Läu¬
fer , die Jäger , die kelbhusaren, die
Uhlanen, die Jockeis, die Negers rc. Di«
Portiers , die Kutscher, Reitknechte , Po¬
stillons, Vorreiter rc. könnte man viel¬
leicht auch hieher zählen, weil fie eben»
falls einen Theil des Livereyvolks aus¬
machen . Ihre Summe mag etwas übe«
»002 betragen.
72Z
Die sogenannten
Bedienten sind die
häufigsten unter ihren ädrigen Mitbrü¬
dern . Man findet sie vom Hofe und
den ersten Fürstenhäusern an , durch alle
Mittelstände , bis zum vermögenden Bür¬
ger und subalternen KaNzleimann herun¬
ter . In den vornehmen Häusern will
lnan lauter grosse ,
riesenmässige Kerls
zu Lakaien . Um sie von den verbräm»
ten Bedienten der Mittelstände auszu-
zrichnen , gibt man ihnen eine massiv«
kiverey , mit Sammet - und Seiden - Bor¬
ten auf den Roknähten , und wie es
überall gewöhnlich von den Farben,
welche das Wappen des hohen Hauses in
sich faßt . An Besoldung haben sie mo¬
natlich t6 Fl . . . » Zn den Häusern
von der
zweiten und dritten Ordnung
kleidet man sie gewöhnlich etwa - leichter.
Weiter hinunter sind sie durch ein graues
Kleid mit einem farbigen Kragen kennt»
lich. Ihre Besoldung fällt bis auf 7 Fl,
des MonatS,
K y Hei»
/o6
Helduken sind beinahe ganz aus der
Mode gekommen . Nur einige alte Da¬
men halten sie noch, und lassen sich von
ihnen zur Kirche begleiten.
Läufer sind zahlreich
. Man braucht
sie hauptsächlich, Briefe und Nachrichten
in der Stadt herumzutragrn , und zu
Nachts mit einer Fakel vor dem Wagen
herzulaufen . . . . Jäger oder Büchsen-
spanner hält Man nur zur Parade, um
einen Kerl auf dem Wagen stehn zu ha¬
ben, der eine schöne grüne Livrey mit
breiten silbernen Tressen , das Hüfthorn
über die Schultern, und einen artigen
Hirschfänger an der Seite trägt. Die
meisten derselben thun das ganze Jahr
nicht einen Schuß . . . . Die Leibhusaren
sind mit den hungarischen Familien hte-
her gekommen , aber jezt auch in den
meisten deutschen Herrschaftshäusern
, wo
junge Kavaliers sind. Da der hungart-
fche M'lttäranzug besonders zu Pferde
schön läßt, so hält man einen als Husa-
727
den gekleideten Kerl , der seinen Herrn
beim Spazierritt begleitet , übrigens aber
die Dienste eines Lakaien . thut . . . . Als
das Uhlanenkorps errichtet wurde , fanden
einige Offiziers und dann auch andere Ka¬
valiers - Geschmack an der pohlnischenTcacht.
Sie kleideten ihre Kerls pohlnisch ; und
seitdem steht man Uhlanrn zu Pferde und
auf det» Kutschen stehtt. . . . Die vie¬
len sich hier aufhaltenden Engländer ha¬
ben auch ihre Reitknechte mltgebracht,
und die Wiener haben sie nachgeahmt.
Ein solcher Jockei ist ein junger Bursche
in etiiem Reitvestchen , mit rings um den
Kopf abgeschnitkenen Haaren , einem run¬
den Hut , eine breite Binde um den Leib
und Stiefeln . Sie reiten mit ihren Her¬
ren , stehn auf den Kutschen , und die-
« nen bei der Tafel . . . » Der Hang zu
dem Ausserordentlichen macht , daß sich
einige Männer und Weiber auch Negers
halten , welche nach ostindischem Kostüme
Ny , ge-
728
gekleidet find , und Lakaiendlenste thun.
Ihre Zahl ist sehr gering.
Im Ganzen genommen , Ist bas La¬
kaienvolk eine unverschämte Menschenbrut.
Je vornehmer das Haus ist , desto ben-
gelhafter sind gewöhnlich die Bedienten.
Dn es meist junge , gesunde , knochen¬
feste Kerls sind, die sich gut nähren , durch
mancherlei Acctdenzien sich ihre Besoldung
zu vermehren wissen , sich unter eitel vor¬
nehmen Herren und Damen Herumtrei¬
ben , bei dem Tafeldienst Anekdoten auf-
zuhaschen , und die Manieren ihrer Ge¬
bieter nachzuäffen trachten : so stellen sie
die unausstehlichsten Figuren dar, die
man in gesellschaftlichen Leben finden
kann . Ihre Karakterzüge find eine Mi¬
schung von Stolz , Grobheit , Spottsucht,
Naseweisheit , Verleumdung , Unwissen - >
heit , Prahlerei , Faulheit , Affektation
und Pöbrlhaftigkeit.
Man
/oy
Man klagt darüber , daß bei den heu¬
tigen Bedienten keine Treue , keine Ord¬
nung , keine Anhänglichkeit an ihre Her¬
ren mehr zu finden sey . Dieß alles ist
wahr . Aber die Herren sind meist selbst
Schuld daran . Ein kolossalijcher junger
Bursch mit halbpfündigen silbernen Schnal¬
len , feidnen Strümpfen , zwei Sakuhren,
sechs Seitenloken , und einem setdnen Re¬
genschirm — alles « och unbezahlt — auf
der Kutsche , ist ihnen werther , als der
gesezte , bescheidne Mann , der treu und
fieijsig seine Dienste verrichtet.
So übermäthig diese müssigen Ben¬
gel in den Häusern und Vorzimmern sich
gebehrden , wofie anzumelben haben : so
verachtet sind sie doch im bürgerlichen Le¬
ben . Die Wirthe , welche ihre Tanzsäle
in Anfehn erhalten wollen , setzen allzeit
in ihre Ankündigungen : „ die Liverep
„ ist ausyrfchloffen . " Aber was ge¬
schieht ! die eleganten Lakaien halten dop¬
pelte Garderobe . Sobald sie ihre Herr-
V p Z schaft
fio
schaft aus der Abendgesellschaft nach Hau¬
fe gebracht habe« , werfen sie ihren bun¬
ten Knechtschaftsrok weg , ziehn einen
modefarbigen Frak an, setzen einen engli¬
schen Hut auf, treten mit nachgeäfftem
Adelsstolz in den Saal , und wenn sie
zum Uiberfiuß etwas französisch plappern
können, so spielen sie den jungen Kava¬
lier so n- tärlich, daß manchem Bürgers¬
mädchen, welches sie mit ihren Galante¬
rien beehren, der Kopf darüber schwind«
ltg wird.
cxxv.