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Sorgfältige Auswahl
A ls Dr. Wilhelm Normann
1901 ein Verfahren erfand,
Fett zu härten, d. h. aus Öl ein der Zielgruppe
wenn ihn mehr als 98 Prozent der
Konsumenten auch wahrnehmen
können. Ende 1988 stellte Mazda
streichfähiges Produkt herzustellen, den MX 5 vor, ein Auto das
war der Grundstein der Margarine- Bei der Entwicklung eines neuen für 98 Prozent der Autofahrer
industrie gelegt. Produktes ist es nicht nur nicht nötig nicht „paßt“, das aber jeder
sondern teilweise sogar hinderlich, von der Einheitssuppe, der
In den Anfängen war Margarine daß die Techniker im eigenen sonst in dieser Preisklasse
einfach eine billige Kopie des Hause oder Brauwissenschaftler angebotenen Autos, unter-
Originals Butter. dieses Bier oder Biermischgetränk scheiden konnte.
besonders gut bewerten. Es ist viel
Durch ein geschicktes Marketing, wichtiger, daß die Zielgruppe(!) Üblicherweise wird bei Biermisch-
etwa vergleichbar mit der Aussage, das Bier besonders gut bewertet. getränken die Hauptbiersorte mit
durstige Menschen könnten ihren Die Zielgruppe sollte sorgfältig einer Limonade etwa im Verhältnis
Durst stillen indem sie ein Bad gewählt werden. Die Wettbewerber 1 : 1 gemischt. Die Limonade besteht
nähmen – besser bekannt auch lesen auch die Nachrichten- und neben Wasser aus
als „Cholesterinlüge“ – hat es die Wirtschaftsmagazine, so daß die dort
Margarine geschafft in den Kern- als besonders erstrebenswerten – einem Süßungsmittel, meist
markt des Originals Butter einzu- Zielgruppen bereits heiß umworben Zucker,
dringen. werden. Die Zielgruppe muß auch – Säure, meist Zitronensäure und
nicht in ein bereits bekanntes
Insbesondere Varianten, die – einem Limonadengrundstoff.
Schema passen. Personen, die
Versuchen eigenständig zu sein Weißwurst mit Pelle essen oder Vorherrschend ist hier klarer
und die behaupteten Nachteile Meerrettich auf ihr Käsebrötchen Limonadengrundstoff mit Zitronen-
der Butter auszugleichen, d. h. schmieren, kann man auch zu aroma. Die Verwendung von Cola-
sie sind rein pflanzlich, streich- einer Gruppe zusammen fassen. grundstoff wird bereits als hoch-
fähig, gelb wie Kuhblumen und Man muß diese Gruppe auch nicht innovativ vermarktet.
natürlich fettreduziert sowie mit „finden“ sondern es reicht, wenn
Vitaminen und ungesättigten man der Gruppe die Möglichkeit In jeder Berliner Eckkneipe
Fettsäuren gesegnet, verzeichnen gibt, das entsprechende Produkt serviert der Wirt auf Wunsch ein
einen beachtlichen Erfolg insbe- zu entdecken. „Gespritzes“, das heißt, ein Bier
sondere wenn man erwägt, daß entweder mit Faßbrause oder mit
das reduzierte Fett durch Wasser Das Marketing hat es viel einfacher, Malztrunk gemischt. Bis in die 70er
ersetzt wird. einen Unterschied zu erklären, Jahre hinein gab es eine Brauerei in
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Berlin, die sehr erfolgreich Malzbier Bei der Entwicklung eines neuen
mit Alkohol herstellte. Produktes sollte die Marketing-
abteilung eingebunden werden.
Offensichtlich gibt es nur noch Man hüte sich jedoch davor, die
sehr wenige Brauereien, die Malz- Marketingexperten nach dem
bier für Erwachsene mit Alkohol Wunschgeschmack oder Aussehen
produzieren. Wer jedoch einmal zu fragen. So wie jeder Braumeister
ein gutes Malzbier mit zwei bis glauben mag, er verstünde mehr
vier Prozent Alkohol probiert, von Werbung als die hochbezahlten
wird von dem Geschmack äußerst Fachleute der Agenturen, ist es auch
positiv überrascht sein. umgekehrt. Wie die Vergangenheit
gezeigt hat, liegen die Fachleute
zwar nicht immer richtig, die Laien
Geschmack landen aber äußerst selten einen
darf polarisieren wirklichen Volltreffer. Man hüte
sich also davor den Aussagen
Der Geschmack eines Getränks von Marketingprofis, ein Getränk
darf polarisieren. Je nach müsse süßer, süffiger oder öliger
Zielgruppe und Vermarktungsstra- werden, um erfolgreich zu sein,
tegie kann es vollkommen ausrei- zu befolgen. Vielmehr sollte ein
chend sein, wenn z. B. zehn Pro- Getränk eine Identität oder eine
zent der potentiellen Kunden das Geschichte haben.
Produkt für ausgezeichnet halten,
40 Prozent das Produkt nicht ab- Bier mit Ginsengextrakt
lehnen, ihm also eher neutral ge- Wenn dem Brauereibesitzer auf
genüber stehen, und 50 Prozent dem nächtlichen Heimweg ein
das Produkt nicht mögen. fremdländischer Prophet erscheint,
der ihm die Rezeptur eines Bieres
mit Ginsengextrakt ins Ohr flüstert,
mag die Geschichte originell bis
belustigend sein, aber sicherlich
ist sie nur sehr bedingt glaub-
würdig. Ginseng ist für europäische
Geschmacksknospen doch sehr
fremdartig. Auch eine logische Be-
ziehung zum Bier herzustellen ist
bei Ginseng nicht ganz einfach.
Wie gesagt, ist der Weg auf dem
alle laufen mit ziemlicher Sicherheit
nicht der profitabelste. Man muß
sich aber auch nicht den steinigsten
oder sumpfigsten Weg aussuchen,
um das Ziel besser, d. h.
profitabler zu erreichen.
Vor einigen Jahren wurde ein Misch-
getränk mit Tequilla und Zitrone
vorgestellt. Ein geschmacklich aus-
gezeichnetes Produkt, das aber
recht unbekannt blieb. Die Idee eine
Spirituose mit Bier zu mischen ist
verlockend. Man kann so z. B. ein
Starkbier herstellen, daß geschmack-
lich an ein Pils erinnert oder ein
Radler wieder auf den Alkohol-
gehalt bringen, den ein normales
Es ist möglicherweise schwierig Vollbier hat.
ein Produkt herzustellen, das na-
hezu 100 Prozent der Befragten Bier mit Ingwer
nicht ablehnen also neutral oder Wenn man hingegen ein Bier z. B.
positiv gegenüber stehen, es ist mit Ingwer herstellt, fallen einem
aber zweifellos sehr aufwendig, schnell Geschichten dazu ein,
über eine geeignete Werbung, die so echt klingen, daß sie einfach
dem Kunden dieses Produkt zu wahr sein müssen. Ingwer ist eine
verkaufen. Offensichtlich haben heimische Pflanze und war im Mittel-
nämlich fast alle Brauer dieses alter eine der gebräuchlichsten
eine Ziel, wodurch diese Produkte Würzpflanzen. Ingwer wurde im
untereinander austauschbar Mittelalter selbstverständlich neben
geworden sind. allerlei anderen, auch weniger
appetitlichen Zutaten, direkt mit den Rohstoffen und ihrer der maschinellen Ausrüstung plante,
ins Bier gegeben. Mit Verarbeitung im Sudhaus zusam- mußte bei der Inbetriebnahme
dem Reinheitsgebot menhängen, wie z. B. die Bittere feststellen, daß seine Würzepfanne
von 1516 war damit und Vollmundigkeit, können auch zum Kochen der Würze kaum
Schluß, aber Ingwer ist Gärungsnebenprodukte gezielt geeignet war und zum Überkochen
halt natürlich und paßt erzeugt werden. neigte. In Ermangelung der not-
zum Bier möglicher- wendigen Fachkenntnisse und
weise besser als finanziellen Mittel entschied er,
Zitronenlimonade? Hohe Diacethylgehalte von nun an Bier aus ungekochter,
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sein, das Produkt im Lohnverfahren
herstellen zu lassen. In diesem
Falle muß nur, wenn nicht bereits
vorhanden, eine Möglichkeit
geschaffen werden, Tankwagen
RECHTSFRAGEN
mit dem eigenen Bier zu befüllen.
Falls das Bier als angepaßter
AUS DER PRAXIS
Bestandteil eines neuen Produktes
verstanden wird und eigens dafür
eingebraut wird, kann es notwendig
sein die Möglichkeiten zu schaffen,
um z. B. Spezialmalze verarbeiten Beschädigung des Dienstwagens
zu können. Aber auch Pasteur-
kammern, wie sie für die Her- Häufig kommt es zum Streit über die Haftung eines Fahrzeug-
stellung von Malzbier üblich sind, schadens, wenn der Außendienstmitarbeiter den überlassenen
könnten für die Herstellung des Wagen beschädigt. Hin und wieder können sich Arbeitgeber
neuen Produktes sinnvoll sein. und Arbeitnehmer außergerichtlich – wie der folgende Fall unter
Beweis stellt – nicht über die Erledigung der finanziellen Folgen
aus dem Unfallereignis verständigen.
Sachverhalt: Am 5. April 2001 verursachte ein Fahrer mit seinem
Dienstwagen einen Verkehrsunfall. Arbeitgeber und Arbeitneh-
mer hatten schriftlich vereinbart, daß der Beschäftigte, der seit
dem 15. September 1995 mit einem damaligen Bruttogehalt von
2 262,98 Euro im Betrieb angestellt war, den Selbstbehalt bei
einem fahrlässig verschuldeten Unfall zu tragen hat. In diesem
Fall betrug der Eigenanteil 1 022,58 Euro pro Schaden. Es kam
wie es kommen mußte beim Ausparken aus einer Parklücke zur
Kollision mit einem anderen ausparkenden Pkw. Die Reparatur-
kosten am Fortbewegungsmittel beliefen sich auf 1 752,50 Euro.
Letztlich gingen die beteiligten Versicherungen von einem Ver-
schulden beider Fahrzeugführer in gleicher Höhe aus. Der Chef
des Beschäftigten zog exakt die Hälfte, also 876,25 Euro vom
Gehalt ab.
Urteil: Am 5. Februar 2004 urteilten die Richter des BAG
(Bundesarbeitsgerichtes), Erfurt, daß der Abzug unzulässig sei.
Entscheidungsbegründung: Ein Vertrag der Parteien, wonach
der Fahrzeuglenker für alle von ihm fahrlässig verursachten Un-
fallschäden am Dienstfahrzeug bis zur Höhe einer mit dem Kas-
koversicherer getroffene Selbstbeteiligung hafte, sei unwirksam.
Die Grundsätze über die Beschränkung der Haftung des
abhängig Beschäftigten bei betrieblich veranlaßten Aufgaben
sind einseitig zwingendes Arbeitnehmerschutzrecht. Von ihnen
Zusammenfassung könne weder „einzelvertraglich“ noch „kollektivvertraglich“
zu Lasten des Mitarbeitenden abweichendes geregelt werden.
Es gibt weniger langweilige und
Eine Verschärfung der Haftung sei auch dann nicht gerecht-
viel erfolgversprechendere Möglich-
fertigt, wenn das Auto auch für Privatzwecke genutzt werden
keiten neue Produkte zu kreieren,
als seine Hauptbiersorte mit dürfe. (AZ: 8 AZR 91/03 – rechtskräftig).
Zitronenlimonade zu mischen. Kommentar: In vielen Unternehmen werden die Spielregeln
Die Produktentwicklung sollte bei Firmenfahrzeugen, die dem Mitarbeiter beispielsweise auch
professionell durchgeführt und zur (uneingeschränkten oder eingeschränkten) privaten Nutzung
vom Marketing begleitet werden. zur Verfügung gestellt werden, im Rahmen der „Car policy“
Wenn das Ziel ist, nicht möglichst fixiert. Es ist empfehlenswert, sollten Fahrzeugvereinbarungen
viele Konsumenten zu erreichen zwischen dem Arbeitgeber und Arbeitnehmer getroffen werden,
sondern möglichst hohe Profite diese vor Zeichnung einem Fachanwalt für Arbeits- oder Ver-
zu erzielen, ist es hierfür empfeh- tragsrecht zur Prüfung zu geben. Denn es nützt zum Beispiel
lenswert die ausgetretenen Wege, einem Getränkemanager letztlich sehr wenig, eine Haftung im
auf denen alle gehen, zu verlassen Schadenfall mit seinem Vertriebsmann zu vereinbaren, die nicht
und seinen eigenen Weg zu finden. gerichtsfest ist. Ein anwaltlicher Check hilft dem Manager auch
Nischen erfolgreich mit Produkten Gerichts- und Anwaltskosten zu vermeiden, weil er gemäß
besetzen, die polarisieren, war in dieser Entscheidung den Prozeß verlieren würde, wenn er den
anderen Branchen bereits sehr Selbstbehalt vom Gehalt des Außendienstmitarbeiters abzöge.
erfolgreich. Es gibt keine vernünftige
Erklärung, warum dies nicht auch Eckhard Boecker
in der Brauindustrie so sein könnte.
Raimund Kalinowski
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