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2/2021
Grün ist
die Hoffnung
Ausflug in die wilde
Natur Costa Ricas
Digitale Kreide
für alle
Schulen stärken
im Libanon
Hüterinnen
der Naturschätze
Das Engagement der
algerischen Landfrauen
Bildung
Schlüssel für gesellschaftlichen Zusammenhalt
„Jetzt habe
ich eine Arbeit,
die ich liebe.“
Ragaa,
syrische Geschäftsinhaberin in Istanbul
Lernen Sie Ragaa und Die Türkei hat weltweit die größte Anzahl syrischer Flüchtlinge
andere Unternehmer*innen aufgenommen - mehr als 3,6 Millionen Menschen. Das Projekt
kennen:
„Förderung wirtschaftlicher Perspektiven für Flüchtlinge und auf-
nehmende Gemeinden in der Türkei (PEP)“ setzt sich dafür ein,
allen eine bessere Perspektive und neue Chancen zu eröffnen.
Editorial
LEARNING
BY DOING
Warum die Pandemie eine gute Gelegenheit ist, Bildungssysteme zu reformieren.
DIE SCHÜLERIN Lama Al Zein ist 14 Jahre haben wir jetzt noch einmal eindrücklich
alt und kommt aus dem Libanon. Wie Mil- erfahren, was es bedeutet, wenn Schulen die
lionen anderer Kinder und Jugendlicher Tore schließen und alles digital stattfindet.
konnte sie über lange Zeit nicht zur Schule
gehen. Genau genommen betraf es so viele, DAS SPÜREN AUCH DIE KINDER, die es
dass Expertinnen und Experten bereits von kaum erwarten können, wieder zurückzu-
der größten Bildungskrise seit dem Zweiten kehren, und zwar überall auf der Welt. Sie
Weltkrieg sprechen. Und so wie Lama sorg- brennen darauf, in die Schule zu dürfen, be-
ten und sorgen sich Eltern und Kinder rund richtet Alice Albright, Geschäftsführerin der
um den Globus, wie es für sie weitergeht, „Globalen Bildungspartnerschaft“, im In-
wie sie die Lücken schließen können und ob terview. Die Kinder hätten gelernt, wie
die Unterbrechung Folgen für ihr weiteres wichtig Bildung für ihre Zukunft sei. Es ist
Leben haben wird. „die klügste Investition der Welt“, schreibt
auch die in Südafrika lebende Journalistin
EINEN GUTEN AUSGANG nahm die Situati- Megan Lindow in einem Essay zu unserem
on für Lama und ihre Freunde im Libanon, Schwerpunktthema. Bildung bringt Men-
wie eine Reportage in diesem Heft zeigt. Sie schen individuell wie kollektiv voran und ist
konnte auf digitale Lernformate zugreifen der Motor für Fortschritt und gesellschaftli-
und bekam damit alles Wissen, das sie zum chen Zusammenhalt. Denn: Wer sein Bil-
Weiterlernen brauchte. Viele Länder stellten dungsniveau erhöht, entscheidet selbstbe- SABINE TONSCHEIDT,
nach Beginn der Pandemie rasch auf On- stimmter, schärft sein Urteilsvermögen, Leiterin Unternehmenskommunikation
linelernen um, aber das klappte nicht im- kann besser an gesellschaftlichen Prozessen sabine.tonscheidt@giz.de
mer so gut wie in Lamas Fall. Manchmal teilhaben und eher soziale Verantwortung
mangelte es an Internetanschlüssen – immer übernehmen. Damit werden Systeme lang-
noch gut ein Drittel der Weltbevölkerung fristig demokratischer. Und gerade deshalb
ist offline – oder es fehlten die passenden sind Investitionen in Bildung so wichtig, tig ist, was es dazu braucht und welchen Bei-
Lerninhalte. Und viele Kinder hatten auch angefangen von der Schule über berufliche trag die GIZ dazu leistet, lesen Sie in unse-
schlicht keine Zeit; sie mussten pandemie- Bildung bis hin zur universitären Bildung. rem Schwerpunkt Bildung.
bedingt arbeiten, um das Familienbudget
aufzubessern. DIE ZÄSUR durch die Pandemie gilt es des- Nun wünsche ich Ihnen eine spannende
halb für Reformen zu nutzen, die ohnehin Lektüre, bei der Sie möglicherweise auch
GERADE DER MANGEL an Bildung hat ihren überfällig waren. Schulen entsprechen viel- noch etwas dazulernen.
Wert vielleicht erst recht unterstrichen. fach nicht mehr den heutigen Erfordernis-
Durch die Unterbrechung wurde noch ein- sen: Sie versuchen mit einer Schularchitektur Ihre
FOTO: DIE HOFFOTOGRAFEN/MARIA VOGEL (S. 3)
mal überdeutlich, dass Schule so viel mehr aus dem 19. Jahrhundert und einer Pädago-
bietet, als ins Lehrbuch zu schauen und gik aus dem 20. Jahrhundert die Technologie
Wissen anzuhäufen. Sie hat einen unschätz- des 21. Jahrhunderts zu beherrschen. Da
baren sozialen Nutzen, indem sie das Mitei- passt manches nicht zueinander. Deshalb
nander im Klassenraum und in den Pausen sollte die internationale Politik die richtigen
stärkt. Und sie ist für viele Kinder der Ort, Lehren aus der Pandemie ziehen und Bil-
wo sie sicher und mit Essen versorgt sind. dung zu einem zentralen Element des „Buil-
All das wussten wir – irgendwie –, und doch ding Back Better“ machen. Warum das wich-
akzente 2/21 3
REP OR TAGE
Digitale Kreide für alle
Schulen stärken im Libanon S. 18
ÜBERBLICK
Mehr Wissen
Bildungsinitiativen im Blick S. 22
E S S AY
Auf dem Sprung
Richtung Zukunft
Von Megan Lindow S. 24
INF OGR AF IK
Licht und Schatten
Wissen über Wissen S. 30
IN T ER VIE W
„Sie wollen unbedingt
SCHWERPUNK T: BILDUNG in die Schule zurück“
Mit Alice Albright S. 32
Aufgezeigt
Gute Bildung für alle ist das Fundament für
ERKL ÄR T
Lernen aus der Pandemie
Von Michael Holländer S. 36
nachhaltige Entwicklung und gesellschaftlichen
Zusammenhalt. Sie eröffnet Gesellschaften die AUS DER ARBEI T DER GIZ
EDITORIAL
01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26
FOTO: GETTY IMAGES/DIGITAL VISION (S. 4, OBEN), ILLUSTRATION: JULIAN RENTZSCH (S. 4, LINKS)
MELDUNGEN
Was die Welt
bewegt
Neuigkeiten, Zahlen und REP ORTAGE
Fakten sowie die jüngsten
Aktivitäten der GIZ S. 6
Grün ist die Hoffnung
Ein Ausflug rund um die Ökolodge
„La Tigra“ in Costa Rica S. 10
4 akzente 2/21
Inhalt
PERSPEK TIVEN
Hüterinnen
SERVICE
27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52
VORGES T ELLT
Iakwe von den
Marshallinseln
Janina Marie Laurent
berät dort die Regierung
zu emissionsarmer
FOTOS: AXELLE DE RUSSÉ/LAIF (S. 5, OBEN LINKS), ARBËRI KRASNIQI (S. 5, UNTEN LINKS)
Schifffahrt. S. 50
AKZENTE DIGITAL
Hüterinnen
Schulen stärken
im Libanon
Nutzung. akzente.giz.de
der Naturschätze
akzente 2/21 5
Meldungen
IN ZAHLEN
89 Mio.
So viele Personen konnten 2020 mit
Hilfe der GIZ verbesserte Gesundheits-
leistungen nutzen. Insbesondere die
Corona-Sofortmaßnahmen der Bundes-
regierung trugen dazu bei. So haben
etwa 165 Millionen Menschen eine ver-
besserte Krankenversicherung erhalten.
12 Mio.
Darüber hinaus haben zwölf Millionen
Menschen 2020 eine bessere Schul-
bildung erhalten, 680.000 besuchten
eine berufliche Weiterbildung. Die GIZ
weitete im vergangenen Jahr vor allem
digitale Lehrangebote aus.
3 Mio.
Zudem konnten drei Millionen Mega-
Gewürze für Genießer
wattstunden Strom eingespart werden.
Das entspricht dem Verbrauch von rund
KAMBODSCHAPfeffer aus der Provinz Kampot ist wegen
einer Million deutscher Haushalte. seines besonderen Aromas weltweit begehrt.
Damit die Produzentinnen und Produzenten des
Gourmet-Gewürzes besseren Zugang zu euro
Auch in Zeiten der Corona-Pandemie päischen Märkten bekommen, unterstützt das
konnten die Leistungen der GIZ viele
Menschen erreichen, ihre Wirkung Programm Business Scouts for Development sie im
entfalten und somit zu den nachhalti-
gen Entwicklungszielen der Vereinten
Auftrag des BMZ in enger Zusammenarbeit mit
Nationen beitragen. Die GIZ erhebt
die Wirkungen ihrer Vorhaben regel-
dem Import Promotion Desk, einer deutschen
mäßig unternehmensweit, über Initiative zur Importförderung. Die Produzieren-
Projekt- und Ländergrenzen hinweg.
Die oben genannten Zahlen sind den lernen die Anforderungen des europäischen
ein Auszug aus der Erhebung 2020.
Quelle: www.giz.de/de/mediathek/96851.html
Marktes kennen und bekommen wertvollen Kon-
takt zu Importeur*innen.
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Meldungen
ABRHAME ENDRIAS
schreiben in nur zehn Tagen? Über 20 Schulen, Büchereien und Unterkünfte Brücke zwischen der Plattform und den Farmer*in-
Expertinnen und Experten der GIZ aus für Flüchtlinge dazu bei, Frieden zu nen, denen es an digitalen Kenntnissen fehlt. Sie
dem In- und Ausland ist dies gelungen. fördern. Ein weiteres Schlüsselelement nehmen den Bedarf auf, übernehmen die Registrie-
Das Ergebnis, „Concrete Solutions: für den Erfolg ist die Partizipation der rung auf der Plattform und machen die Bestellung
Construction and Peacebuilding“, stellt Menschen vor Ort. Herausforderun- bei einem Farm Service Centre oder Dienstleister.
Lösungen für Friedensförderung durch gen bei der Arbeit sind beispielsweise Und wir liefern garantiert am selben Tag.
den Bau von Infrastruktur vor. Die Pu- zunehmend fragile Kontexte und Kor-
blikation enthält vier Fallstudien über ruption. Der Einsatz der Book-Sprint- Welche Vorteile bietet „Lersha“ in der aktuellen Lage?
Bauprojekte in Afghanistan, im Irak, Methode zeigt, wie gemeinsam, orts- Durch unseren Service vermeiden wir einerseits un-
in Nigeria und der Ukraine. Sie be- unabhängig und in kürzester Zeit ein nötige Wege und Kontakte. Außerdem erreichen wir
schreibt, wie die GIZ unter sehr digitales Produkt entstehen kann. Das Tausende Menschen im ländlichen Raum mit nur ei-
schwierigen Rahmenbedingungen wir- Buch finden Sie hier: nem Klick. 2020 konnte „Lersha“ in mehr als 27.100
kungsvolle Arbeit leistet und welche SMS wichtige Informationen zu Getreideschwarzrost
Erfahrungen aus den Beispielen mitge- https://bit.ly/3wSudp1 und Wanderheuschrecken mit Farmer*innen teilen.
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Meldungen
SÜDAMERIKA ASIEN
5,5 % 79,7 % unzureichend mit Personal und Kapazitä-
ten ausgestattet sind. Jetzt gilt es, die
Rollen der beiden Institutionen zu klären
AFRIKA
und sie für die Aufgaben der Zukunft zu
8,2 %
stärken. Die GIZ unterstützt bei der Pla-
nung der Entsalzungsanlagen und berät
die Betreibenden beim Management. Es
ist das erste bilaterale Projekt der GIZ
auf dem Gebiet der Entsalzung.
8 akzente 2/21
Meldungen
Biosphärenreservat GEORGIEN-WIKI
im Aufbau
Landessprache: Georgisch / Hauptstadt: Tiflis /
Regierungsform: Parlamentarische Demokratie /
Bevölkerung: 3,71 Mio. / Fläche: 69.700 km² (inklusive
Abchasien und Südossetien) / Rang im Human
GEORGIEN Die reiche Artenvielfalt des Landes erhalten: Dazu soll das geplante Development Index: 61 von 189
UNESCO-Biosphärenreservat „Three Alazani Rivers“ im georgischen Kachetien
beitragen. Voraussichtlich im Herbst werden der UNESCO-Kommission die Unter-
lagen übergeben werden, die für die Ausweisung des Reservats erforderlich sind.
Die GIZ unterstützt die Regierung im Auftrag des Bundesumweltministeriums bei
den Vorbereitungen. Wichtiger Partner vor Ort ist die gemeinnützige Succow Stif-
tung, gegründet von dem international renommierten, ostdeutschen Ökologen
und Naturschützer Michael Succow. Die Biodiversität im Kaukasus ist durch Aus-
laugen der Böden und voranschreitende Wüstenbildung gefährdet. Der Klima- GEORGIEN
wandel wird diese Prozesse beschleunigen. Ein Biosphärenreservat ermöglicht
das gezielte Management der Naturressourcen, ihren Schutz und die nachhaltige
Nutzung. Gleichzeitig arbeitet ein EU-finanziertes Projekt an der Ausweisung ei-
nes weiteren Biosphärenreservats in Kachetien. Die beiden Regionen werden seit
Jahrhunderten zur Transhumanz (Wanderschäferei) genutzt. Die Verwaltungen
beider geplanten Reservate werden eng zusammenarbeiten, um die historische
Kulturlandschaft und traditionelle Formen der Beweidung zu erhalten. Quellen: UN, Weltbank
FOTOS: 4MAKSYM/ISTOCKPHOTO (S. 8), ANDYPOTT/GETTY IMAGES (S. 9, LINKS), ANTWON MCMULLEN/STOCK.ADOBE.COM (S. 9, MITTE), HELLO AFRICA/GETTY IMAGES (S. 9, RECHTS)
NEUE PROJEKTE
akzente 2/21 9
GRÜN
IST DIE
HOFFNUNG
COSTA RICA
Hauptstadt: San José / Bevölkerung: 5 Millionen /
Rang im Human Development Index: 62 von 189
La Tigra
COSTA RICA
Quellen: Weltbank, UN
D
Der Lehrpfad hinter dem Haus von José Miguel Herrera
ist keine 50 Meter lang. Trotzdem kann man hier, in-
mitten des tropischen Regenwalds von Costa Rica,
leicht mehrere Stunden verbringen. Denn es blüht in
den buntesten Farben und Imker Herrera kann unge-
mein fesselnd über seine Bienen erzählen, während er
von Stock zu Stock geht und die Besucherinnen und
Besucher direkt daraus naschen lässt. Über 700 ver-
schiedene Bienenarten gibt es in seiner Heimat. Man-
che sind so klein wie Stecknadelköpfe, andere fast so
groß wie einer der Kolibris, mit denen sie sich die Blü-
ten in Herreras Garten teilen. „Viele sind vom Ausster-
ben bedroht“, sagt der 31-Jährige, während die Insekten
unentwegt ausschwärmen. Man hört sie allerdings
kaum. Die meisten costa-ricanischen Bienen sind leise,
friedfertig – und haben keinen Stachel. Ihr Honig, den
Herrera verkauft, schmeckt je nach Saison fruchtig bis
herb. Lange stand er im Schatten des Importhonigs.
Nun wird er bei Gästen und Einheimischen immer beliebter, weiß
Keine Angst vor Bienen: Bei José Miguel Herrera dürfen Gäste Herrera: „Honig und Naturheilmittel wie Pollen und Propolis habe
Honig direkt aus dem Bienenstock naschen. Die meisten ich während der Pandemie gut verkauft, direkt vom Hof und übers
Bienenarten Costa Ricas haben keinen Stachel. Der Imker hat im Internet.“
tropischen Regenwald einen Lehrpfad über die äußerst nützlichen Bis vor ein paar Jahren war der Costa-Ricaner aus der Ortschaft
Insekten angelegt. Mit seinem kleinen Unternehmen trägt Herrera Valle Azul noch Kellner. Jetzt hat er ein eigenes Kleinunternehmen
zur Erhaltung der Biodiversität in seiner Heimat bei. namens Euglossin – benannt nach einer Bienenart: mit Logo, Ver-
kaufsstand und Facebook-Auftritt. Seine Firma hat er im Zuge eines
Pilotprojekts der GIZ gestartet. Dabei gehen Umweltschutz und
nachhaltige Wirtschaftsförderung Hand in Hand.
Costa Rica gilt international als Vorzeigeland in Sachen Natur-
Zu folgenden Nachhaltigen Entwicklungszielen (SDGs) schutz und Ökotourismus. Bislang ist dies jedoch vor allem auf
der Vereinten Nationen trägt das Vorhaben bei: staatliche Initiativen zurückzuführen. Noch 2021 will das Land
CO2-neutral werden. 25 Prozent der Landesfläche stehen unter Na-
turschutz. Doch für den Staat ist das auch eine finanzielle Bürde. Die
Corona-Pandemie war zudem ein herber Rückschlag für das Land,
für das der Tourismus wichtigster Devisenbringer ist. Das Haus-
haltsdefizit wird größer, Costa Rica ist mit rund 30 Milliarden US-
Dollar im Ausland verschuldet. Das ist einer der Gründe dafür, dass
12 akzente 2/21
Grün ist die Hoffnung
die Regierung nun auch die Privatwirtschaft stärker in den Umwelt- nicht mehr vorhanden. Es wurde zunehmend einsam in der Gegend,
schutz mit einbeziehen will. weil die Bäuerinnen und Bauern ihr unproduktives Land verkauften
„Wir müssen umdenken“, fordert Vizeminister Franklin Pania- und in die Hauptstadt gingen. Diesen Teufelskreis brachen die bei-
gua, dessen Umweltministerium Partner der GIZ in dem Projekt ist: den umtriebigen Geschäftsleute auf. „Mit Wiederaufforstung und
„Früher ging es darum, einen Naturpark möglichst unberührt zu las- Ökotourismus zeigten wir, dass man von und mit der Natur leben
sen.“ Wirtschaftliche Aktivitäten und Umweltschutz standen schnell kann, ohne sie zu zerstören“, erzählt Valenciano. 33 Arbeitsplätze
im Konflikt. „Heute suchen wir Allianzen mit dem Privatsektor und entstanden in der Ökolodge.
versuchen, die ganze Ökonomie nachhaltig zu gestalten“, sagt Pania-
gua. „Green Recovery“, grüne Wirtschaftsbelebung, heißt der Regie- Forschungsstation soll mehr Wissen liefern
rungsplan für die Nach-Corona-Zeit. Doch wie gelingt ein nachhal-
tiger, klimaneutraler Umbau in der Landwirtschaft, im Tourismus, „62 Vogelarten, 17 Amphibien und 18 Reptilien leben hier“, sagt
im Transportwesen, in Bau- und Forstwirtschaft? „Das geht nur, Adolfo Quesada, der Manager der Lodge, bei der abendlichen
wenn Staat, Bürger und Privatwirtschaft an einem Strang ziehen“, Froschtour. Stars sind der rotäugige Baumfrosch und der blaurote
sagt Paniagua. „Und dafür brauchen wir erfolgreiche Beispiele.“ Pfeilgiftfrosch. Ihr Konzert zum Sonnenuntergang ist ohrenbetäu-
Ein solches ist die Entwicklungspartnerschaft „Reserva Bos- bend und mit Taschenlampen sind sie in den Teichen und Bächen
que La Tigra: Biodiversity in Action“ zwischen dem deutschen Rei- rund um die Lodge leicht zu entdecken. Hausgäste lieben die Frosch-
severanstalter travel-to-nature und der GIZ, die im Rahmen des tour, ebenso wie Schulklassen. Wer möchte, kann außerdem für 30
develoPPP-Programms des BMZ gefördert wird. Dreh- und Angel- US-Dollar einen Baumsetzling erwerben und selbst auf dem Gelän-
punkt dabei ist „La Tigra“, eine ehemalige Rinderfarm, die zweiein- de pflanzen – Urkunde und GPS-Daten inklusive. Die Gewinne aus
halb Fahrstunden nördlich der Hauptstadt San José liegt, auf 1.300 der Lodge werden reinvestiert, in den Ankauf benachbarter Grund-
Metern Höhe. 2003 kauften dort Rainer Stoll, Inhaber von travel- stücke, die ebenfalls aufgeforstet werden. 46 Hektar sind es bislang,
to-nature, und ein costa-ricanischer Geschäftsmann vier Hektar das entspricht etwa 64 Fußballfeldern.
Land. „Es war Weideland, ohne Wald, ohne Biodiversität, mit aus- Doch anfangs ging es langsam voran, zu wenig warfen die zehn
gelaugten Böden“, erzählt Paul Valenciano, der costa-ricanische Teil- Zimmer ab, erinnert sich Paul Valenciano. Der Quantensprung kam
haber. Raubkatzen, die der Farm den Namen gaben, waren längst 2017 mit der Einbindung der GIZ. Das gemeinsame Ziel ist es, die
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Jeder Baum zählt. Adolfo Quesada beim Einpflanzen
mit einer Touristin. Auch Maricel Vargas ist dabei.
Sie forstet den Regenwald rund um ihre kleine Pension
wieder auf. So bekommen Tiere wie der Halsbandarassari
mehr Lebensraum.
Grün ist die Hoffnung
nimmt alle mit und bringt der biologischen Vielfalt investiert. Hinzu kommen Beiträge
durch Zivilgesellschaft, Wissenschaft und öffentliche Geber.
nicht nur einigen wenigen Das Pilotprojekt „Reserva Bosque La Tigra: Biodiversity in
Action“ in Costa Rica ist ein Beispiel dafür, wie öffentlich-pri-
Investoren Gewinn.“ vate Investitionen ein Hebel für Umweltschutz und nachhaltigen
Ökotourismus sein können. Die Partnerschaft zwischen dem
deutschen Reiseveranstalter travel-to-nature und der GIZ wird
im Rahmen des develoPPP-Programms des BMZ gefördert. Wo-
ADOLFO QUESADA,
bei der private Geldgeber 50 Prozent der Gesamtausgaben von
Manager der „La Tigra“-Lodge
360.000 Euro übernahm. So können Umweltbildung gefördert,
Tropenwald in einem ökologischen Verbund wiederhergestellt
und die Menschen der Region durch nachhaltigen Tourismus
Ein paar hundert Meter von Herrera entfernt hat Maricel Vargas ihr gestärkt werden.
Haus in drei Ferienwohnungen umgewandelt. „2017 hatte ich mei-
nen Job verloren und brauchte ein neues wirtschaftliches Stand- Kontakt: Svenja Paulino, svenja.paulino@giz.de
bein“, erzählt sie. Eine Idee war bald gefunden: Auf ihrem liebevoll
gepflegten Anwesen gibt es eine Quelle – und entsprechend viele
Frösche. Ihre Kinder waren ausgezogen, das große Haus fast leer,
und mit seiner Lage nahe der Hauptstraße war es geradezu ideal als „Erste Aufnahmen aus versteckten Kameras sind vielversprechend“,
Touristenunterkunft. Vargas ist eine herzliche Gastgeberin. „Ich sagt Adolfo Quesada, „Pumas, Pekaris und Ozelote wurden schon
konnte nur die Hauptschule besuchen“, erzählt die 49-Jährige. wieder gesichtet.“ Affen und Faultiere fehlen dem Manager noch zu
„Ohne das Projekt hätte ich mir nie zugetraut, Unternehmerin zu seinem Glück. Aber die Hoffnung wächst mit jedem gespendeten
werden.“ Was ihr dabei besonders gefiel, war die Teamarbeit: „Wir Baum. So wie von einem Touristen aus Bad Urach: Gepflanzt wer-
schützen jetzt alle gemeinsam die Umwelt, denn sie sichert unseren den heute sogar gleich drei Bäume, darunter ein Lecythis ampla, der
Lebensunterhalt.“ Den Wald, den ihre Eltern einst für Bananenhai- in Costa Rica bedrohte Affentopfbaum. „Er bildet große, runde
ne und Viehweiden fällten, forstet sie nun wieder auf. Früchte, die die Affen lieben“, erklärt Quesada. Und der deutsche
„Wirklicher Fortschritt nimmt alle mit und bringt nicht nur ei- Besucher ist begeistert: „Ich freue mich, so einen Beitrag zum Um-
nigen wenigen Investoren Gewinn“, sagt Lodge-Manager Quesada. weltschutz und zur ganzheitlichen Entwicklung dieser Region zu
Vor allem die Sensibilisierung der Jugend und eine Allianz mit der leisten.“ —
Wissenschaft liegen ihm und der GIZ am Herzen. Deshalb wird un-
weit der Ökoherberge eine biologische Forschungsstation mit ange-
schlossenem Schulungszentrum gebaut. Denn „La Tigra“ ist auch
ein wissenschaftliches Experiment: Inwieweit gelingt es durch Wie- SANDRA WEISS lebt in Mexiko und berichtet
deraufforstung, die ursprüngliche Flora und Fauna wiederherzustel- seit 1999 aus Lateinamerika – unter anderem für
len, also den durch den Menschen angerichteten Schaden wieder Geo, die Deutsche Welle, Die Zeit, Die Welt und
rückgängig zu machen? Und ist es möglich, einen Korridor herzu- Neue Zürcher Zeitung. Die Journalistin gärtnert selbst
stellen, der das Tiefland mit dem benachbarten Naturschutzgebiet sehr gerne und legte in der „La Tigra“-Lodge beim
„Bosque Eterno de los Niños“ verbindet? Bäumepflanzen mit Hand an.
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SCHWERPUNKT
BILDUNG
Sie ist das Fundament für nachhaltige
Entwicklung und gesellschaftlichen Zusam-
menhalt und eröffnet Chancen auf
eine friedlichere Zukunft. Darum lohnt es
sich, gerade jetzt für gute Bildung für
alle zu kämpfen.
REPORTAGE
Digitale Kreide für alle
Was zu tun ist, damit Kinder und Jugendliche im
Libanon auch in Krisenzeiten lernen können. S. 18
ÜBERBLICK
Mehr Wissen
Fünf Bildungsinitiativen, die mit kreativen Mitteln
dort helfen, wo die Not am größten ist S. 22
ESSAY
Auf dem Sprung
Richtung Zukunft
Wissenschaftsautorin Megan Lindow erklärt, warum
Bildung die klügste Investition der Welt ist. S. 24
INFOGRAFIK
Licht und Schatten
Zahlen und Fakten über weltweite Fortschritte
im Bildungsbereich und was sie bedroht S. 30
INTERVIEW
„Sie wollen unbedingt
in die Schule zurück“
Alice Albright, Geschäftsführerin der „Globalen
Bildungspartnerschaft“, über die Bedeutung des
Lernens S. 32
ERKLÄRT
Lernen aus der Pandemie
Eine Analyse von Michael Holländer, Leiter des
Kompetenz-Centers Bildung der GIZ S. 36
18 akzente 2/21
Reportage
Digitale
Kreide für alle
Auch in Krisenzeiten sollen im Libanon Kinder
und Jugendliche lernen können. Dafür
stärkt Deutschland das öffentliche Bildungssystem.
L
ama Al Zein wurde schwer ums die Bildungschancen für alle im Libanon
Herz, als ihre Schule im vergan- und konnte auf die Vorkommnisse im ver- LIBANON
genen Jahr wegen der Corona- gangenen Jahr rasch und flexibel reagieren. Hauptstadt: Beirut /
Pandemie schließen musste. Schon vor der Pandemie hatte die GIZ die Bevölkerung: 6,9 Millionen /
„Ich hatte Angst, vor allem, Nichtregierungsorganisation „Lebanese Al- Jährliches Bevölkerungswachstum:
weil ich in Mathe schwach bin. Ich wusste ternative Learning“ (LAL) dabei unter- 0,5 Prozent / Rang im Human
nicht, wie ich lernen sollte“, erinnert sich stützt, den 25 Jahre alten libanesischen Development Index: 92 von 189
die 14-Jährige. Eltern, Kinder, Jugendliche Lehrplan zu aktualisieren und in ein digita-
und Pädagoginnen und Pädagogen in ganz les Format zu übersetzen. Als die Schulen
Libanon trieben ähnliche Sorgen um. Die im Lockdown geschlossen wurden, be-
libanesischen Bildungseinrichtungen ver- schleunigten und erweiterten LAL und GIZ LIBANON
suchten hastig, den plötzlichen Bedarf an die Arbeit daran: um E-Learning breiter zu-
Onlineunterricht zu decken. Manche gänglich zu machen und die Folgen der
Schulen richteten komplette E-Learning- Pandemie für die rund eine Million Schüle-
Programme ein, andere boten nur sporadi- rinnen und Schüler im Libanon abzufedern.
schen Onlineunterricht an, wieder andere
schlossen ganz. Düstere Bildungsaussich- Ein erschüttertes Land
ten für eine Generation junger Menschen Quelle: Weltbank
in einem Land, das zusätzlich zur Pande- Das war dringend nötig, denn bereits 2019
mie mit einer dramatischen Wirtschaftskri- und 2020 konnten viele Kinder wegen der Kein anderes Land weltweit hat in
se, einer politisch instabilen Lage, den zahl- anhaltenden Unruhen die Schule nicht oder Relation zur eigenen Bevölkerung mehr
reichen Flüchtlingen aus Syrien und der nur selten besuchen. Die Wirtschaftskrise Flüchtlinge aus dem benachbarten
Explosionskatastrophe von Beirut klar- setzte die öffentlichen Schulen zusätzlich Syrien aufgenommen als der Libanon.
kommen muss. unter Druck, denn Mittelschichtfamilien Aktuell leben dort rund 1,5 Millionen
Bereits seit 2019 stärkt die GIZ im verarmten und mussten ihre Kinder von Syrerinnen und Syrer, die vor dem
Auftrag des Bundesentwicklungsministeri- den Privatschulen nehmen. Die Gebühren gewaltsamen Konflikt in ihrer Heimat
ums das öffentliche Schulsystem und damit waren plötzlich unbezahlbar. Dann erschüt- seit 2011 geflohen sind.
akzente 2/21 19
Schwerpunkt: Bildung
terte im August 2020 eine schwere Explosi- Die 14-jährige Lama ist eine der begeister- dung für syrische Mädchen und Jungen im
on den Hafen von Beirut. 200 Menschen ten Nutzerinnen. „Jetzt bin ich beruhigt. Alter zwischen vier und achtzehn Jahren an.
starben, Tausende wurden verletzt. Die Re- Wenn wir uns an das Onlinelernprogramm Viele der betreuten Kinder leben in Flücht-
gierung trat wegen Vernachlässigung ihrer halten, bekommen wir alles Wissen, das wir lingslagern, wo ein Internetzugang nicht
Pflichten zurück und eine Übergangsregie- brauchen“, sagt sie. Die Plattform ist visuell selbstverständlich ist. Hier, in einem der
rung führt das Land durch die Corona-Kri- ansprechend und bietet interaktive Aufga- ärmsten Landesteile, können sich viele Fa-
se. „Auf verschiedenen Ebenen war die Lage ben, um Lernen spannend zu gestalten. Sie milien keine eigenen Computer leisten und
2020 so verzweifelt, dass es zu einer völligen ermuntert Kinder und Jugendliche, selbst- teilen sich oft mit anderen ein einziges End-
Stagnation im öffentlichen Sektor geführt ständig zu arbeiten. Das Programm, inzwi- gerät. Unzureichende Technik und man-
hat“, sagt Ismael Nouns, GIZ-Projektleiter, schen anerkannt und empfohlen vom liba- gelnde Erfahrung mit Onlineumgebungen
„vor allem in den staatlichen Schulen.“ nesischen Bildungsministerium, fördert sind nicht die einzigen Hürden. „Die Kin-
spielerisches Lernen und kombiniert curri- der wollen lernen, aber ihre Eltern können
Lernplattform beliebt wie nie culare und außercurriculare Inhalte. Damit ihnen nicht helfen. Das macht es besonders
lässt sich „Tabshoura“ auf das Lernniveau für Jüngere schwierig, denn sie brauchen
Als ein Ausweg aus dieser schwierigen Situ- der Kinder anpassen und stellt eine ideale Unterstützung.“
ation hat sich „Tabshoura“ angeboten. Ergänzung zu Präsenzunterricht und ande- Und es gibt Befürchtungen, dass die
„Tabshoura“ ist arabisch für Malkreide. Ein ren E-Learning-Angeboten dar. Corona-Krise auch die Probleme älterer
mehr als 60-köpfiges Team von LAL und Schülerinnen und Schüler verstärken könn-
dem Illustratorenkollektiv „Waraq“ – auf Bildung für Mädchen sichern te. „Einige Eltern ermuntern ihre Kinder
Deutsch Papier – entwickelte diese digitale nicht, zu lernen oder zur Schule zu gehen,
Open-Source-Plattform. Plötzlich war die Diese Flexibilität ist besonders wertvoll, darum muss das Zentrum viel Überzeu-
Nachfrage immens. „Vor Covid hatten wir weiß Loreen Obeid. Sie ist Techniklehrerin gungsarbeit leisten“, sagt Obeid. „Das be-
8.000 User auf der Plattform, seitdem ist am Malaak Centre im nordlibanesischen trifft vor allem die Mädchen, die oft schon
die Frequenz auf 40.000 gestiegen, so viele Akkar, an der Grenze zu Syrien. Hier leben mit vierzehn die Schule abbrechen, manch-
Zugriffe hatten wir noch nie“, sagt Nayla viele der Flüchtlinge aus dem Nachbarland. mal zum Heiraten.“ Das Zentrum hat alle
Zreik Fahed, Geschäftsführerin von LAL. Das Zentrum bietet außerschulische Bil- 300 Schülerinnen und Schüler mit Tablets
20 akzente 2/21
Reportage
akzente 2/21 21
Schwerpunkt: Bildung
Mehr Wissen
Bildung ist der Schlüssel zu einem erfüllten Leben. Damit alle davon
profitieren, haben sich jenseits offizieller Einrichtungen kleine und größere
Initiativen gegründet. Sie helfen dort, wo die Not am größten ist –
oft mit kreativen Mitteln. Wir stellen einige vor.
Gehörlose
fördern und
integrieren
Ländliche Frauen DEAF LINK In Uganda sind Gehörlose vielen Vorurteilen
neelen umgeht. Denn Energie ist gerade auf dem Land immer noch Mangelware. besuch und regelmäßige Beratungsgespräche. Auch die
Sie erfahren aber auch etwas über sauberes Wasser oder neue Geschäftsmodel- Familien von Gehörlosen erhalten Unterstützung, unter
le. „Learning by doing – doing by learning“, heißt der Leitspruch. In 93 der ärms- anderem, damit sie die Gebärdensprache erlernen kön-
ten Länder ist „Barefoot“ heute mit seinen Fortbildungsprogrammen aktiv und nen. Auf diese Weise schenkt DLU den früher Diskrimi-
hat dabei schon zwei Millionen Mädchen und Frauen auf dem Land erreicht, die nierten gewissermaßen ein Ohr - und damit eine neue
dadurch zu Motoren des Wandels werden. — Lebensperspektive. —
22 akzente 2/21
Überblick
Mit dem
Handy
lernen
ENEZA EDUCATION Wissen spielerisch ver-
mitteln, so die Mission des digitalen Lern-
tools „Eneza Education“. Auf Kiswahili be-
deutet „eneza“ erreichen oder ausbreiten.
Und das ist das Ziel: Lernende zwischen
zehn und 18 Jahren erhalten durch kosten-
Vergessene Kinder
FOTOS: GETTY IMAGES/E+ (S. 23, RECHTS), PICTURE ALLIANCE/AP IMAGES (S. 23, OBEN)
erreichen
AMAL ALLIANCE Millionen von Menschen leben derzeit auf der Flucht oder sind vertrieben –
mehr als jemals zuvor seit dem Zweiten Weltkrieg. Zu ihnen gehören auch Kinder, die durch
das entwurzelte Leben emotional gefordert sind und zugleich wertvolle Bildungszeit verlieren.
Die „Amal Alliance“ setzt sich mit Kursen in Flüchtlingscamps und Übergangssiedlungen dafür
ein, dass keine verlorene Generation heranwächst. Sie vermittelt Wissen und stärkt Kompeten-
zen; zudem arbeitet die Allianz mit Kindern bis zu 16 Jahren auch emotionale Traumata auf,
unter denen gerade Flüchtlingskinder häufig leiden. Gegründet in den USA, arbeitet die Nicht-
regierungsorganisation mittlerweile in vielen Ländern mit großen Flüchtlingszahlen, wie
Bangladesch, dem Libanon oder der Türkei. „Amal“ heißt übrigens Hoffnung auf Arabisch – und
genau das ist der Anspruch: Perspektiven für eine bessere Zukunft schaffen. —
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Schwerpunkt: Bildung
24 akzente 2/21
Essay
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Schwerpunkt: Bildung
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Essay
Angaben der UNESCO wird eine ausgebil- schaften im Allgemeinen. Studien zeigen,
dete Frau ihre eigenen Kinder mit doppelter dass Diversität und Inklusion in der Lern
Wahrscheinlichkeit zur Schule schicken. umgebung bessere schulische Ergebnisse
„Aus Mädchen, die eine Schule besuchen, hervorbringen und zudem Kreativität, Zu-
werden selbstbewusste und anspruchsvolle
Frauen. Sie lassen sich nicht zu frühen Ehe-
„Inklusion macht sammenarbeit, soziale Kompetenzen, psy-
chische Gesundheit und Wohlbefinden för-
schließungen zwingen und haben meist ge-
sündere, kleinere Familien, was bis weit in
Bildungssysteme dern. Inklusion macht Bildungssysteme
auch flexibler und unterstützt lebenslanges
die Zukunft zur Reduktion von Emissionen
führt“, schreibt die jugendliche Klimaakti-
flexibler und Lernen. Minderjährige Mütter, Flüchtlinge,
Migrant*innen und andere ausgeschlossene
vistin Vanessa Nakate aus Uganda in einer
aktuellen Ausgabe des Time Magazine.
unterstützt lebens- Gruppen benötigen verschiedene Wege zu-
rück in die Schulen, wenn ihre Ausbildung
langes Lernen.“ unterbrochen wurde. Da Klimakrise, Kon-
flikte und Natur katastrophen Störungen
Radikale Inklusion
und Unterbrechungen wahrscheinlicher
Auch wenn viele Länder große Schritte in machen, werden robuste und flexible Bil-
Richtung gebührenfreier allgemeiner Schul- dungssysteme immer wichtiger.
bildung unternommen haben, ist der Zugang
für Mädchen und andere gefährdete Grup- Innovationen für Afrikas
pen immer noch schwierig. Aus diesem
Grund hat Sierra Leone vor kurzem eine neue
Jugend
Politik der radikalen Inklusion vorgestellt. Sie Für Subsahara-Afrika ist es besonders
stellt benachteiligte Mädchen, behinderte dringlich, in Bildung auf allen Ebenen zu
Kinder und die arme Landbevölkerung ins investieren. Die Region hat die jüngste
Zentrum der Bemühungen. „In der Praxis
bedeutet das, Kindern marginalisierter und
ausgeschlossener Gruppen aktiv zu ermög
lichen, in die Schule zu kommen und dort
zu bleiben, bis sie einen Abschluss erworben
haben. Es bedeutet, das Bildungssystem so
anzupassen, dass es ihren Lernbedürfnissen
entspricht. Und es bedeutet zu gewährleisten,
dass die Schule ein Ort der Würde, Sicherheit
und des Respekts für alle ist – und zugleich
systematisch kulturelle, politische und prakti-
sche Bildungshürden abzubauen“, schreibt
David Moinina Sengeh, Sierra Leones Schul-
minister.
Von inklusiven Maßnah-
men profitieren auch Gesell-
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Schwerpunkt: Bildung
und am schnellsten wachsende Bevölke- damit sie auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen
rung überhaupt. Das stellt Institutionen können und man den demografischen
vor ungeahnte neue Anforderungen. Da- Boom wirklich nutzen kann. Das gelingt
bei platzen sie schon jetzt aus allen Näh-
ten. So sollen sich die Anmeldungen für
„Einsichten aus aber nicht, wenn bestehende Lernmoda
litäten nur fortgeführt werden. Rasche
weiterführende Schulen bis 2030 verdop-
peln – während bereits heute nur für jede
der Corona-Krise Innovationen sind ebenso vonnöten wie
ein frischer Ansatz zur Entwicklung der
dritte Schülerin und jeden dritten Schüler
ein Platz in einer Sekundarschule zur Ver-
könnten genutzt technischen, praktischen und kritischen In-
telligenz von Jugendlichen sowie ihrer kreati-
fügung steht. Schätzungen zufolge fehlen
90 Prozent aller Jugendlichen in einkom-
werden, um das ven, sozialen und emotionalen Kompe-
tenzen, die auf dem
mensschwachen Ländern grundlegende
Kenntnisse der Sekundarstufe, wohinge-
Bildungswesen Arbeitsmarkt verlangt
werden.
gen das nur bei 30 Prozent der Jugendli-
chen in wohlhabenderen Ländern der Fall
insgesamt zu Educate!, so heißt
eine ugandische Nichtre-
ist. Die mangelnden Schulplätze sind ein verbessern.“ gierungsorganisation, die
Grund für dieses schwache Ergebnis, aber direkt in weiterführenden
es zeigt auch, wie wichtig es ist, die Lehr- Schulen in Kenia, Ruanda
pläne und den Unterricht zu verbessern. und Uganda gearbeitet und
Derzeit befinden sich etwa 75 Prozent 470.000 Jugendlichen gehol-
der afrikanischen Beschäftigten in prekären fen hat, solche Fähigkeiten
Arbeitsverhältnissen. Afrika muss seine jun- zu entwickeln. Als Covid-19
gen Menschen dringend besser ausbilden, zuschlug, musste die Organisa-
tion eine schnelle
Kehrtwende hinbe-
kommen: von direk-
ter, persönlicher An-
sprache zum Lernen
auf Distanz. Während die
Organisation neue Lernfor-
men einführte, darunter Radiounter-
richt, Telefonkonferenzen und SMS-
Versand, analysierte sie zugleich die Wirk-
samkeit solcher Maßnahmen.
Der Prozess zeigte, dass ergänzender Dis-
tanzunterricht zwar den Präsenzunterricht
nicht ersetzen kann, wohl aber – wenn er ver-
nünftig und angemessen konzipiert ist – be-
lastbare und fl exible Möglichkeiten bietet,
Jugendlichen (besonders marginalisierten)
zu helfen, ihren Lernschwung auch unter
schwierigen Umständen beizubehalten,
schreiben Hawah Nabbuye und Sarah Kay-
ondo aus dem Leitungsgremium der Orga-
nisation.
Einsichten aus der Corona-Krise könn-
ten genutzt werden, um das Bildungswesen
insgesamt zu verbessern. Stärkere Lerner-
gebnisse lassen sich demnach durch einige
wenige Faktoren erzielen: Die Qualität der
Vermittlung muss stimmen und Kinder
sollten nach ihren Fähigkeiten und nicht
nach ihrem Alter unterrichtet werden. Digi-
28 akzente 2/21
Essay
tale Lösungen können solche grundlegen- Zusammenhalt. Hier lernen Kinder und
den Mängel nicht ausgleichen, aber sie kön- Jugendliche aus verschiedenen Kulturen,
nen angepasst und eingesetzt werden, um unterschiedlicher Herkunft, ethnischer
beispielsweise das Lernen in überfüllten Zugehörigkeit und Nationalität, einander
und schlecht ausgestatteten Klassenzim- zu begegnen, miteinander zu arbeiten und
mern zu verbessern. In Burkina Faso, wo ei- gemeinsame Werte wie Gleichberechtigung,
ne von 20 Personen wegen bewaffneter Menschenrechte, Respekt und Freiheit zu
Konflikte vertrieben oder auf der Flucht ist, entwickeln.
hat die Regierung Distanzunterricht ein In einem Artikel der Brookings Insti
geführt und plant ihn auch fortzusetzen,
um Kinder zu erreichen, die keine regu
„In Schulen tution hieß es vor kurzem, Bildung zur
Nachhaltigkeit sei ein wirkungsvolles Mit-
läre Schule besuchen können. „Für uns
ist das ein unumkehrbarer Prozess“,
können junge tel sowohl zum Lernen als auch, um Klima
bewusstsein und Klimagerechtigkeit zu
sagte Bildungsminister Stanislas Oua-
ro der Nachrichtenagentur Thomson
Menschen lernen, schaffen. Es gibt deutliche Hinweise, dass
Lernen durch Erfahrung – konzeptionelles
Reuters. engagierte Lernen in Verbindung mit konkreten,
praktischen Echtweltereignissen – bei Kin-
Kompetenzen für Bürgerinnen und dern zu tieferen und dauerhafteren Ergeb-
nissen führt. Die Autorinnen und Autoren
Herausforderungen
entwickeln Bürger ihrer weisen darauf hin, dass sich auf dem Feld
des Klimawandels überall auf der Welt
Die Pandemie hat gezeigt, wie Gemeinschaft zu zahllose Möglichkeiten zum erfahrungsbe-
tiefgreifend und verknüpft die zogenen Lernen bieten. Dabei kann es sich
Umwälzungen sind, die unse- werden.“ um wassersparende Landwirtschaft in Sim-
re Welt erfassen und neu babwe handeln oder um die Beobachtung
ordnen: Klimakrise, globale menschlicher Einwirkung auf Meeres-
Ungleichheit, wirtschaftli- schutzgebiete in Mosambik. „Wird die
che Globalisierung, eine Kreativität von Lernenden und Lehrenden
vierte industrielle Revolution, genutzt, kann jede Lehrerin Klimaschüt-
künstliche Intelligenz. Sie hat auch offenge- zerin werden, jeder Schulclubsprecher Ak-
legt, wie wichtig Bildung ist, um die nötige tivist, und jede Unterrichtsstunde kann
Widerstandskraft zu schaffen und das Wis- dazu beitragen, eine Dimension der Klima-
sen zu erlangen, mit dem Gesellschaften krise und ihre zugrundeliegenden Ursachen
auf Krisen, Katastrophen und Konflikte re- anzugehen und/oder sich an ihre Aus
agieren und Frieden schaffen können. wirkungen anzupassen“, schreiben die
Zum Teil als Reaktion auf die globalen Autor*innen.
Herausforderungen wenden Lehrende pä- Durch solche Möglichkeiten lassen sich
dagogische Methoden des erfahrungsbezo- nicht nur Fähigkeiten für eine unsichere
genen Lernens an, die Schüler und Schüle- Zukunft entwickeln – sondern auch für
rinnen mit Themen der realen Welt kon- eine aktive Rolle bei der Gestaltung dieser
frontieren und agiles, partnerschaftliches, Zukunft. —
flexibles, technisch versiertes, emotional
intelligentes und eigenmotiviertes Lernen
fördern. Einheitslösungen in der Bildung
weichen allmählich diversen, komplexen MEGAN LINDOW
und vernetzten Ansätzen, die auch ökolo- forscht, schreibt und
gische Intelligenz, Zielsetzungen, soziale berät zur Komplexität,
Gerechtigkeit und radikale Inklusion mit zu Neuerungen und
einbeziehen. Veränderungsprozes-
In Schulen können junge Menschen sen in den Bereichen
lernen, engagierte Bürgerinnen und Bürger Hochschulbildung,
ihrer Gemeinschaft zu werden – sie sind da- Wissen, Technologie, Umwelt und soziale
her wichtige Orte für den gesellschaftlichen Innovation in Afrika.
akzente 2/21 29
Schwerpunkt: Bildung
Licht und
Schatten
Die Weltgemeinschaft hat in den Jahren vor
Corona große Fortschritte in der Bildung gemacht.
Einige sind nun bedroht. Ein Überblick.
Große Unterschiede
bei der Berufsbildung
Die Zahl der Berufsschüler*innen weltweit
variiert stark. Während in Ozeanien,
Zentralasien, Nordamerika und Europa
mehr als 10 Prozent aller Jugendlichen
zwischen 15 und 24 Jahren an einer
qualifizierenden Berufsbildung teilnehmen,
sind es in Südasien und Subsahara-Afrika
nur ein Prozent. Quellen: ILO, Weltbank
Die Corona-Pandemie hat der Bildung ei- Bis zu 20 Millionen Mädchen brechen we- nes Landes ist, desto mehr lernen seine Kin-
nen Rückschlag versetzt. Was sind die gen einer frühen Heirat oder Teenager- der heute und desto mehr verdienen sie in
schwerwiegendsten Folgen? Schwangerschaft womöglich die Schule ab. der Zukunft. Für viele Kinder ist Schule
Die Pandemie hat die größte Unterbre- Zudem könnten Millionen in Kinderarbeit mehr als ein Ort des Lernens. Schulen sind
chung von Schulbildung verursacht, die wir gezwungen werden, um ihre Familien zu Lebensadern, die Mahlzeiten, Gesundheits-
je erlebt haben. Auf dem Höhepunkt waren unterstützen. dienste, Sicherheit – und die Hoffnung auf
1,6 Milliarden Kinder nicht in der Schule, eine bessere Zukunft bieten.
fast die Hälfte davon in Ländern mit niedri- Was bedeutet das für den sozialen Zusam-
gem Einkommen. Am härtesten davon ge- menhalt von Gesellschaften? Lässt sich das vierte Nachhaltige Entwick-
troffen wurden die verletzlichsten Kinder Schulen bieten nicht nur eine sichere, für- lungsziel (SDG) überhaupt noch erreichen?
und Jugendlichen der Welt. Bereits jetzt sorgliche und förderliche Lernumgebung. Tatsächlich hat die Corona-Pandemie welt-
können wir beobachten, dass Corona die Kinder können dort auch besondere Fähig- weit große Auswirkungen, die alle SDGs ge-
Ungleichheit verschärft hat. Hunderte Mil- keiten erwerben, wie kritisches Denken, fährden. Daher arbeiten wir mit unseren
lionen Kinder, die auf Schulessen angewie- Zusammenarbeit mit anderen und Proble- Partnerländern zusammen, um deren Bil-
FOTO: BRITTA PEDERSEN/DPA (S. 32)
sen sind, hatten keine verlässliche Mahlzeit me lösen. All das sind wichtige Werkzeuge, dungssysteme zu reformieren und einen
mehr am Tag. Auch könnte die Pandemie um in einer zunehmend globalisierten Welt dauerhaften Wandel für die Kinder zu be-
mehr als 100 Millionen Menschen in extre- zu bestehen. Langfristig gesehen unterstüt- wirken. Wenn zum Beispiel alle Mädchen
me Armut treiben. Je länger Schulunterbre- zen Investitionen in Bildung den Aufbau und Jungen eine Grund- und Oberschule
chungen dauern, desto wahrscheinlicher ist friedlicher und inklusiver Gesellschaften. Je besuchen können sollen, brauchen Regie-
es, dass Kinder nie wieder zurückkehren. stärker und gerechter das Bildungssystem ei- rungen umfassende und inklusive Pläne für
akzente 2/21 33
Schwerpunkt: Bildung
34 akzente 2/21
Interview
Entwicklungszusammenarbeit ist entschei- klar, wie wichtig Bildung für ihre Zukunft
dend dafür, dass Länder effektive und effizi- ist. Sie kann sie aus der Armut befreien, ih-
ente Bildungssysteme aufbauen können. nen zu einem Job verhelfen und sie befähi-
Durch besser koordinierte Anstrengungen im gen, aktive und engagierte Mitglieder der
Bildungssektor können Geber dazu beitra- Gesellschaft zu werden. Jedes Kind verdient
gen, allen Kindern schneller eine hochwertige die Möglichkeit, zu lernen und die notwen-
Bildung zu ermöglichen. Gleichzeitig müssen digen Fähigkeiten zu erlangen, damit es sei-
nationale Regierungen echte Veränderungen ne Träume verwirklichen kann. —
akzente 2/21 35
Schwerpunkt: Bildung
D
ie weit verbreiteten Schulschlie- statten, ist ein weiteres Ziel der GIZ in ihrer
ßungen durch Covid-19 haben Beratung. Aber Technologien müssen pas-
deutliche Spuren hinterlassen: ver- sen. Um jeden Preis Tablets auszuteilen, oh-
passter Lernstoff, mangelnde soziale Kon- ne das Umfeld vorher ergründet zu haben,
takte und fehlendes Schulessen sind nur ein ergibt wenig Sinn, zum Beispiel weil Strom
Teil der Folgen. Nachwirkungen bleiben oder digitale Kompetenzen fehlen. Schließ-
auch, weil viele Kinder, vor allem Mädchen, lich gilt es, die Beziehung zwischen der
erst gar nicht in die Schulen zurückkehren, Wirtschaft und den Bildungsverantwortli-
wenn diese eines Tages wieder voll geöffnet chen zu stärken und die Basis für eine ver-
sind. Weil Bildungsabschlüsse und damit trauensvolle Zusammenarbeit zu legen. In
Zukunftschancen verpasst werden, der Un- der Pandemie haben sich vor allem Tech-Un-
terrichtsausfall zu psychischen und physi- ternehmen und Schulbuchverlage für den
schen Belastungen führt oder weil Kinder MICHAEL HOLLÄNDER Distanzunterricht engagiert; diese Verbindun-
zu Hause nicht ausreichend geschützt sind. leitet das Kompetenz-Center Bildung gen sollen erhalten und ausgebaut werden.
Es sind viele Faktoren, die eine „verlo- der GIZ. michael.hollaender@giz.de Die GIZ wird in diesem Sinne ihren
rene Generation“ hervorbringen könnten, Beitrag leisten und weiter gegen die Bil-
wenn nicht massiv eingegriffen und umge- dungskrise arbeiten. Wir waren schon vor
steuert wird. Dabei hatte sich in den vergan- nem festen Bestandteil des nachhaltigen den coronabedingten Schulschließungen vor
genen Jahren in der Bildung vieles verbes- Wiederaufbaus werden. Aus GIZ-Sicht sind allem in der Stärkung von Bildungssyste-
sert: So stieg die Einschulungsrate in den vor allem fünf Punkte zentral: Öffentliche men, in der Grundbildung, aber auch in der
Entwicklungsländern von durchschnittlich Schulen müssen weiter im Mittelpunkt ste- Berufs- und Hochschulbildung engagiert.
83 Prozent im Jahr 2000 auf 91 Prozent im hen. Sie resilient und krisenfest zu machen, Wie zum Beispiel in Tunesien, wo wir die
Jahr 2015. Mit den Nachhaltigen Entwick- ist eine große Aufgabe für die Nach-Corona- überbetriebliche Ausbildung mit der Privat-
lungszielen (SDGs) weitete die internationale Zeit. Denn Privatschulen, die in Entwick- wirtschaft vorantreiben. Oder in Malawi, wo
Staatengemeinschaft den Bildungsanspruch lungsländern stark für sich werben, erreichen wir das Schulsystem insgesamt fördern, etwa
dann noch weiter aus. Jetzt sind neben dem oft nur die Privilegierten. Bildung muss in durch neue Lehrpläne, Lernmaterialien,
Zugang die „inklusive, gleichberechtigte die Breite gehen und alle Kinder und Jugend- Lehrkräfteausbildung und Schulspeisungen.
und hochwertige Bildung“ sowie „Möglich- lichen mitnehmen, wie es auch die Men- Oder mit dem Programm „Fit for School“,
keiten lebenslangen Lernens für alle“ als schenrechtserklärung vorsieht. Deshalb setzt das wir in diversen Ländern Asiens umset-
Ziel ausgegeben. Auch die Maßnahmen sich die GIZ für starke öffentliche Schulsys- zen. Dabei geht es um die Einführung von
nach Verabschiedung der SDGs hatten teme ein und fördert sie nicht nur durch Be- Hygienestandards an Schulen, die schon vor
Wirkung gezeigt und in vielen Ländern wei- ratung und Ausbildung, sondern auch durch der Pandemie wichtig waren, durch Corona
tere Fortschritte entlang der gesamten Bil- gezielte Investitionen in Schulgebäude sowie aber neue Bedeutung erlangten.
dungskette hervorgebracht. Doch seit gut in zeitgemäße Lehr- und Lernmaterialien. Dass Bildung zu jedem Wiederaufbau-
einem Jahr hat sich die (Bildungs-)Welt dra- Außerdem ist Schulhygiene ein wichti- programm als wichtiger Bestandteil zwin-
matisch verändert. Ein Teil des Unterrichts ger Faktor. Ohne sie bleibt die Wiedereröff- gend dazugehören muss, steht für uns au-
ILLUSTRATION: JULIAN RENTZSCH (S. 36)
verlagerte sich ins Internet, aber davon nung von Schulen ein Risiko – nicht nur in ßer Frage. Gelingt das in möglichst vielen
konnten nicht alle Kinder und Jugendlichen Pandemiezeiten. Gut qualifizierte Lehrkräf- Ländern, dann wäre Corona eine perfekte
gleichermaßen profitieren. Nach UN-Anga- te sind ebenfalls entscheidend und bilden Gelegenheit, um die längst überfällige Mo-
ben blieb das digitale Lernen für mindestens das Herzstück jeder Bildungsanstrengung. dernisierung von Bildungssystemen voran-
500 Millionen Kinder ein ferner Wunsch. Sie zu befähigen und mit dem nötigen Rüst zutreiben und sie damit wirklich ins
Damit sich die Krise nicht so entwickelt zeug für einen hochwertigen und immer 21. Jahrhundert zu katapultieren – diese
wie derzeit befürchtet, muss Bildung zu ei- häufiger auch digitalen Unterricht auszu- Chance sollte nicht ungenutzt bleiben. —
36 akzente 2/21
Aus der Arbeit der GIZ
Vorrang Weiterdenken
für Schule FÖRDERN Frühkindliche Bildung bietet
wichtige Chancen, gesellschaftliche und
TECHNISCH VORANKOMMEN Im Senegal
gibt es großes Potenzial für erneuerbare
Energien, das noch nicht annähernd
Covid-19 hat fast überall auf sozioökonomische Unterschiede auszuglei- ausgeschöpft ist. Um es besser zu nutzen,
chen. Das HEROES-Projekt unterstützt das unterstützt die GIZ im Auftrag des BMZ
der Welt Spuren in der Bil- jordanische Bildungsministerium im Auftrag einen Masterstudiengang für erneuerbare
dungslandschaft hinterlassen: des BMZ, den Zugang zu frühkindlicher Energien und Energieeffizienz an drei
geschlossene Schulen, ver Bildung zu erhöhen. Bis Ende 2021 werden Universitäten des Landes. Dazu gehören
u. a. für 3.000 Kinder Räume und Spielplät- die Beratung zu Studieninhalten, das
hinderte Abschlüsse, verpasste ze neu gestaltet. Diese animieren nach den Knüpfen von Kontakten zur privaten
Chancen. In der Folge hat die Lockdowns zu mehr Spiel und Bewegung. Wirtschaft und die Ausbildung des
Krise Ungleichheit vergrößert Besonders im Fokus stehen Flüchtlinge und Lehrpersonals. Bildung zur Nachhaltigkeit,
und Zukunftsperspektiven Kinder mit Behinderungen. — lautet die Devise. —
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Jung im Herzen
FILMREIF Priscille „Gogo“ Sitieni aus Kenia ist 94 Jahre alt. Sie hat drei Kinder, 22 Enkel
und 54 Urenkel. Mit stolzen 90 Jahren verwirklichte sie sich ihren Traum und startete
die Grundschule, um endlich lesen und schreiben zu lernen. Als Kind musste sie sich dem
Willen ihres Vaters beugen und sich um die Farm der Familie kümmern. Der französische
Drehbuchautor und Dokumentarfilmer Pascal Plisson begleitete die betagte Grundschülerin
auf ihrem außergewöhnlichen Weg. Daraus entstand der Dokumentarfilm „Gogo“. Ihre
Geschichte beweist: Es ist nie zu spät, etwas Neues zu lernen! Foto: Axelle de Russé/laif
YMER BERISHA
Stolz kann der Chef der
kosovarischen Molkerei Bylmeti
auf seine Lebensleistung sein.
Dank einer soliden Ausbildung,
reichlich Tatkraft und etwas
Unterstützung in schwierigen
Zeiten hat er eine prosperierende
Firma aufgebaut.
MIT EINEM
KOCHTOPF ZUM
MOLKEREI-CHEF
Aufgeben gibt es nicht für Ymer Berisha. Trotz vieler Hürden hat er in den
letzten 20 Jahren eines der erfolgreichsten milchverarbeitenden Unternehmen
Kosovos aufgebaut. Dabei wurde er auch aus Deutschland unterstützt.
E
s war in gewisser Weise ein Zufall, der Ymer Berishas Er- kurz darauf zwang der Kosovokrieg auch Familie Berisha in die
folgsgeschichte auslöste. Die Familie lebte Mitte der 1970er Flucht. Ihr Haus war niedergebrannt und die gesamte Molkereiaus-
Jahre in dem malerischen Dorf Miradi e Epërme im Zen- stattung gestohlen.
trum Kosovos, damals Bestandteil der Sozialistischen Föde-
rativen Republik Jugoslawien. Sein Vater war Hausmeister Wieder bei null anfangen
in der örtlichen Molkerei. Eines Tages kam Berisha senior von der
Arbeit nach Hause und fragte seine sieben Kinder: „Wer von euch ist Als im Juni 1999 der Krieg zu Ende war, kehrte Ymer Berisha in sein
demnächst mit der Volksschule fertig?“ Es war der 14-jährige Ymer, zerstörtes Dorf zurück. „Es war ein schlimmerer Anfang als 1990“,
der kurz vor dem Schulabschluss stand. sagt er. „Diesmal fing ich nicht nur mit wenig Geld an, ich hatte so-
Der Vater hatte erfahren, dass die Molkerei ein Stipendium für gar Schulden.“ Zuvor war sein Unternehmen stetig gewachsen und
eine Fachschule in der 300 Kilometer entfernten serbischen Stadt Pi- hatte noch zu Beginn des Krieges täglich bis zu 2.500 Liter Milch
rot vergab. Nach Gesprächen mit seinen Eltern entschloss sich Ymer, verarbeitet. Doch von einem zum anderen Augenblick war alles weg.
die Molkereischule zu besuchen, obwohl er noch so jung war und es Englische Truppen der KFOR-NATO-Mission kreuzten in die-
die Trennung von seiner Familie bedeutete. Schon damals konnte sem Sommer den Weg von Ymer Berisha und ermöglichten ihm den
man die Entschlossenheit und den Mut von Ymer Berisha erahnen. ersten Wiederaufbau seiner Produktionsstätten. Der Betrieb konnte
Eigenschaften, die ihn Jahrzehnte später an die Spitze eines der er- mit einer Kapazität von 200 Litern am Tag starten. Auch die GIZ-
folgreichsten milchverarbeitenden Unternehmen Kosovos brachten. Vorgängerorganisation, die GTZ, förderte im Auftrag der Bundesre-
Trotz vieler Hürden. gierung kleine kosovarische Unternehmen wie das von Ymer Beri
sha. Binnen kürzester Zeit organisierte die GTZ damals die dringend
Überleben durch Joghurt benötigten Milchkannen für die kleinen Milchproduzenten in den
Dörfern sowie kleine Lastwagen und Verarbeitungsanlagen, um die
Nachdem Ymer Berisha 1980 mit dem Abschluss von der Fachschu- Produktion anzukurbeln. Mit dieser Unterstützung gelang es dem
le in Serbien zurückgekehrt war, arbeitete er als Molkereitechniker in Familienbetrieb nach und nach, die Kapazität zu steigern. Inzwi-
seiner Heimat. Dann wurde er entlassen. Im Jahr 1989, kurz bevor schen arbeiten 72 Menschen direkt in dem Unternehmen, das 30
das Blutvergießen begann, in dem sich das frühere Jugoslawien auf- verschiedene Milchprodukte herstellt – auch für den Export. Bis zu
lösen sollte, entzog der damalige serbische Präsident Kosovo alle Au- 400 bäuerliche Betriebe beliefern Bylmeti. Eine beeindruckende Er-
tonomierechte. Daraufhin folgten unter anderem Massenentlassun- folgsgeschichte.
gen albanischer Beschäftigter und in den Schulen wurden Kinder Wenn Ymer Berisha vor seinem Unternehmen in seinem Hei-
nach Ethnien getrennt. Es waren unruhige Zeiten. Damals ersuch- matdorf steht und über sein Leben nachdenkt, kehrt der 60-Jährige
ten Tausende Kosovo-Albanerinnen und -Albaner über Nacht in an- gerne zu den Anfängen zurück: „Viele Menschen fragen: ,Wie soll
deren europäischen Ländern um Asyl. Dort hofften sie auf ein siche- man denn etwas starten, wenn man kein Geld hat?‘ Für mich war es
res und besseres Leben. Die kosovarische Diaspora übernahm die genau umgekehrt. Die Not hat mich gezwungen, nachzudenken
Versorgung vieler in der alten Heimat. und das alles hier anzufangen.“ —
Ymer Berisha jedoch folgte einem anderen Drehbuch. Gerade
mal eine Woche nach der Entlassung aus der Molkerei nahm er sich
einen großen Kochtopf, füllte ihn mit der Milch der Familienkühe Joghurtdip zur Blätterteigpastete Burek - auf diese leckere
und begann, Joghurt daraus herzustellen. „Angefangen habe ich mit Kombination setzte Ymer Berisha, als er seine Firma startete.
dreißig Litern Milch“, sagt er. „Ich war arbeitslos, kannte mich aber
mit der Molkerei aus – was hätte ich sonst machen sollen?“ Er erinnert
sich noch genau, wie er zwei Nächte lang grübelte, wie es weitergehen
sollte. Dann wusste er es: Er goss den Joghurt in kleine Becher und
fuhr nach Pristina, in die Hauptstadt Kosovos, wo er sein Produkt dem
Besitzer eines bekannten Burek-Imbisses anbot. Bureks sind beliebte
Blätterteigpasteten, die gerne mit einem Joghurtdip gegessen werden.
Ymer Berishas Joghurt kam sofort gut an und die Nachfrage
auch bei anderen Imbissständen sowie auf lokalen Märkten stieg.
Nach und nach fing der Jungunternehmer an, weitere Familienan-
gehörige in der Produktion zu beschäftigen und Milch von Ver-
wandten und Nachbarn dazuzukaufen. Doch sein Unternehmen
war zunächst nicht offiziell registriert und wurde mehrmals von der
serbischen Polizei geschlossen. 1997 erhielt er endlich eine Lizenz:
Bylmeti, übersetzt „Milcherzeugnisse“, wurde offiziell als Unterneh-
men gegründet – in einem Zimmer seines Wohnhauses. Doch schon
akzente 2/21 41
Perspektiven
HÜTERINNEN
DER NATURSCHÄTZE
ALGERIEN
Hauptstadt: Algier / Bevölkerung: 43,05 Millionen /
Rang im Human Development Index: 91 von 189
Algier Edough-Nationalparkprojekt
El-Kala-Nationalpark
ALGERIEN
„Früher war ich immer nur zu Hause, habe mich um die Familie und den Haushalt gekümmert. Für uns Landfrauen interessierte sich nie-
mand. Das Leben war sehr eingeschränkt. Wenn ich Frauen gesehen habe, die zur Arbeit gingen, habe ich mich gefragt, warum ich das nicht
auch kann. Schließlich hat sich mir mit dem Projekt diese einmalige Chance geboten. Die Leute von der GIZ sind in unsere Gemeinde ge-
kommen, haben erklärt, worum es geht, und gefragt, ob ich mitmachen möchte. Mit ihnen haben wir gelernt, wie man die Natur schützt,
nachhaltig anbaut und erntet, eine Kooperative führt und die Produkte vermarktet. Wir waren uns nicht bewusst, welch tolle Schätze es in
unseren Wäldern gibt. Jetzt stellen wir aus Wildpistazien, Rosmarin, Lorbeer und Eukalyptus ätherische Öle her. Wir produzieren Wässer,
Seifen und Hautcremes. Unser Einkommen macht uns finanziell unabhängig und wir müssen nicht immer unsere Männer um Geld bitten.
Das gibt uns einen ganz anderen sozialen Status. Anfangs haben die Leute geredet: Warum erlaubt mir mein Mann, dass ich den ganzen Tag
aus dem Haus bin und wegfahre. Aber er und meine Familie haben mir immer mehr vertraut und mich dann sogar zu dieser Arbeit ermutigt.
Schließlich sind wir sogar zu Messen nach Tunesien und Deutschland gereist. Jetzt habe ich die Verantwortung für das Haus, die Arbeit und
die Frauen in der Kooperative. Ich muss für sie da sein, sie motivieren, mich um das Marketing kümmern. Wir wollen, dass unsere Produkte
die besten sind, und sie hier und im Ausland verkaufen. Ja, wir haben Träume. Wenn die Frau Hilfe und Unterstützung bekommt, kann sie
für sich und andere gute Sachen machen. Wenn du die Frauen dann so siehst, spürst du, dass du ein Ziel im Leben hast.“ —
44 akzente 2/21
INTERVIEW FRAUENKOOPERATIVEN
SETZEN ZEICHEN
Seit jeher werden in Algerien einheimi-
sche Pflanzen und Früchte in der tradi-
tionellen Medizin und Kosmetik genutzt.
Lydia Nait Kaci war im algerischen
In den nordöstlichen Küstenregionen
Umweltministerium für das Projekt
von El Kala und des Edough-Massivs
„Umweltgovernance und Biodiversität“ haben Hüterinnen dieses Wissens da
(Gouvernance environnementale et raus ein Geschäftsmodell entwickelt. Auf
biodiversité, GENBI) verantwortlich und Initiative der GIZ haben sie sich 2018
arbeitet dort jetzt im Folgevorhaben in den ersten privaten Frauenkooperati-
„Schutz der Umwelt und Biodiversität in ven des Landes zusammengeschlossen.
den Küstenregionen Algeriens“ mit. Die GIZ hat sie dabei im Auftrag des
BMZ mit Know-how und Material unter-
stützt. Inzwischen sind 95 Frauen in
fünf Genossenschaften dieser Art orga-
nisiert. Früher haben sie gar nicht oder
jede für sich allein gearbeitet. Jetzt
akzente 2/21 45
Perspektiven
„Genossenschaften
sind der Motor
der Agrarwirtschaft
Algeriens.“
DJAMEL CHAÏB (40), Inhaber der algerischen Firma Biosource, die Pflanzenöle,
ätherische Öle und Hydrolate (aromatische Wässer) im In- und Ausland vertreibt
„Mich hat die Rührigkeit der Landfrauen begeistert – und der Gedanke, etwas für die Entwicklung dieser vernachlässigten, verarmten Re-
gionen zu tun. Das hat mich ungemein motiviert, ein Glied in dieser Kette zu werden. Ich bin fest davon überzeugt, dass Genossenschaften
der Motor der Agrarwirtschaft sind. Deshalb unterstütze ich die Kooperativen mit meinem Fachwissen und technischer Ausrüstung, wie
zum Beispiel einem Destillator. Außerdem habe ich mit ihnen einen Fair-Trade-Vertrag abgeschlossen, den ersten dieser Art überhaupt in
Algerien. Für mich ist diese Zusammenarbeit wirtschaftlich sehr interessant. Ich weiß um den hohen Wert ihrer Produkte und bin bereit, für
diese hohe Qualität auch einen entsprechend hohen Preis zu bezahlen. Ich fand das Projekt auch deshalb von Anfang an gut, weil ihm ein
gewisser ethischer Geist zugrunde liegt. Das ist etwas, was schon immer mein Ziel war: die Ethik in der Arbeit. Es liegt mir am Herzen, al-
les, was selten und endemisch ist, zu erhalten und ihm den gebührenden Wert zurückzugeben. Die Frauen ernten mit viel Liebe und Sorg-
falt. Sie wissen, dass sie es mit der Seele der Pflanzen zu tun haben. Deshalb verbreite ich ihre Artikel auch als die exklusivsten in meinem
ganzen Sortiment und lege ihre Geschichte kurz erzählt bei. Dieses ,Storytelling‘ macht sie so noch hochwertiger und spricht vor allem jene
meiner Kundinnen und Kunden an, die auf ein ethisch sauberes Produkt Wert legen. Und nicht zuletzt trage ich mit dazu bei, den Lebens-
standard der Frauen zu verbessern.“ —
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Hüterinnen der Naturschätze
„Eigentlich habe ich einen Fachschulabschluss als Bautechnikerin. Aber ich habe in diesem Beruf nie Geld verdient, weil es keine Stellen gibt.
Die Kooperative bot daher eine gute Gelegenheit für mich, zu arbeiten. Das GIZ-Team hat Frauen hier in der Region direkt angesprochen.
Anfangs dachte ich: Das ist besser als nichts. Aber inzwischen bin ich schon zwei Jahre dabei und die Arbeit ist mir richtig ans Herz gewach-
sen. Ich habe an allen Weiterbildungen zu Heilpflanzen, nachhaltiger Entwicklung, Marketing, Finanzwesen und Management teilgenom-
men. Als wir von der GIZ einen Destillator zur Verfügung gestellt bekamen, um unsere Produktpalette zu erweitern, habe ich mich aufs Des-
tillieren spezialisiert. Die anderen Frauen sind älter und haben sich davor gescheut, dieses Gerät anzufassen. Sie hatten Angst, dass es explo-
diert. Na ja, zuerst habe auch ich befürchtet, dass mir das alles um die Ohren fliegt. Aber jetzt macht es mir richtig Spaß. Es ist gar nicht so
kompliziert. Früher haben wir Pflanzen nur getrocknet. Jetzt stellen wir ätherische Öle und Wässer her und haben unsere Produktpalette um
Seifen und Cremes erweitert. Es wäre gut, wenn wir die Pflanzen auch selbst in Gewächshäusern anbauen könnten. Wir müssten weniger in
den Transport investieren. Bis jetzt müssen wir ein Fahrzeug mieten, um in die Berge zu fahren. Mit dem Eigenanbau dagegen könnten wir
die Erträge steigern und die Kosten senken. Außerdem wollen wir unsere Produkte zertifizieren lassen, um sie auch an Apotheken verkaufen
zu können. Das bringt mehr Gewinne und wir können mehr in Material wie Schläuche, Pumpen, Verpackung oder Etiketten investieren. Ich
denke, dass unsere Kooperative wirklich eine Zukunft hat. Wir müssen uns eben anstrengen.“ —
akzente 2/21 47
Service
DIGITALTIPPS
der Redaktion
Starke Stimmen
für Bildung
KAMPAGNE Die „Global Campaign for Education“
fördert und verteidigt Bildung als grundle-
gendes Menschenrecht. In großen Kampagnen
adressiert sie drängende Missstände, in
ihrem Blog stellt sie Menschen und ihre
Bildungsgeschichte vor. Das Ziel: kostenlose,
qualitativ hochwertige, öffentliche Bildung für
alle Menschen dieser Welt erreichen. —
campaignforeducation.org
www.worldbank.org/en/topic/girlseducation
48 akzente 2/21
Service
KINDERLITERATUR
aus aller Welt
MALALA – FÜR
DIE RECHTE
DER MÄDCHEN
AKISSI – AUF Dieses Buch erzählt die
DIE KATZEN, Geschichte des Mädchens
FERTIG, LOS! Malala, das im Oktober 2014 für
MIGRANDO
seinen mutigen Einsatz für
Akissi lebt mit ihren Eltern, Bildung als Menschenrecht aller Ein Werk über Migration ohne
FOTOS: CAMPAIGNFOREDUCATION.ORG (S. 48, OBEN), OECD TOPCLASS PODCAST/SOUNDCLOUD (S. 48, MITTE), GETTY IMAGES/E+ (S. 48, UNTEN)
ihrem großen Bruder Fofana und Kinder den Friedensnobelpreis Worte und mit zwei Titelbildern,
ihrer großen Schwester Victorine
GOOD NIGHT zuerkannt bekam. Mit ganzseiti- vorn und hinten. Die Autorin
in der ivorischen Metropole gen und oft farbenfrohen Bildern erzählt zwei Geschichten von
Abidjan. Was sie hier alles erlebt, STORIES FOR vermittelt das Buch, dass Malala Migration aus unterschiedlichen
wird in 14 kurzen Comic REBEL GIRLS in Pakistan eine schöne Kindheit Zeiten: 1920 und heute. Dem
geschichten erzählt. Kreativ und hatte. Mit ihrem weltweiten Buch gelingt es, das Thema
unerschrocken meistert Akissi Besondere Gutenachtgeschichten Einsatz macht Malala deutlich, Migration für alle Kinder greifbar
ihren Alltag und gewährt einen in Form von 100 außergewöhnli- dass vor allem Kinder unter zu gestalten — für die Kinder, die
Einblick in das Leben einer chen Frauenporträts. Die Krieg und Gewalt leiden. Sie selbst oder in ihrer Familie
ivorischen Mittelschichtsfamilie. — Autorinnen greifen hundert macht Kindern Mut, sich für Erfahrungen mit Migration
Lebenswerke von starken Frauen mehr Gerechtigkeit einzusetzen. — gemacht haben, und für die, in
Marguerite Abouet, Mathieu Sapin, auf, die Geschichte geschrieben deren Welt das bislang nicht
Reprodukt, 96 Seiten, ab 6 Jahren haben oder immer noch Raphaële Frier, Aurélia Fronty, vorgekommen ist. —
schreiben. Vergessene Frauen Knesebeck Verlag, 48 Seiten,
und Pionierinnen werden wieder ab 8 Jahren Mariana Chiesa Mateos,
ins Rampenlicht gerückt. — Orecchio Acerbo, 64 Seiten,
ab 6 Jahren
Die ausgewählten Bücher Elena Favilli und Francesca
stammen aus den Empfehlungen Cavallo, Hanser Verlag,
der „Fachstelle Kinderwelten für 224 Seiten, ab 10 Jahren
Vorurteilsbewusste Bildung und
Erziehung“. Eine ausführliche
Liste, gegliedert nach Themen
und Altersstufen, finden Sie auf
www.kinderwelten.net
akzente 2/21 49
Vorgestellt
Von: Jan
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NACHGEHALTEN IMPRESSUM
Herausgeberin: Deutsche Gesellschaft für
Ein Blick zurück auf ein Projekt und seine Wirkung Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH
Sabine Tonscheidt,
Leiterin Unternehmenskommunikation (GIZ)
sehr wichtig ist, mehr Menschen Zugang zu dazu bei, dass während seiner Laufzeit etwa Wir nutzen neutrale Bezeichnungen, die männliche und
weibliche Form nebeneinander sowie den Genderstern, um
Elektrizität zu verschaffen und vermehrt auf 70.000 Haushalte Zugang zu Elektrizität aus auch das dritte Geschlecht einzuschließen.
erneuerbare Energiequellen zu setzen. Sie erneuerbaren Energiequellen erhielten. Inzwi-
akzente wurde für seine journalis-
möchte daher ihre Energiepolitik umgestal- schen haben elf Prozent der Menschen auf tische Qualität und die Gestaltung
ten. Das Projekt unterstützt dabei und rich- dem Land Zugang zu Elektrizität. mehrfach ausgezeichnet, zuletzt 2018
mit dem Best of Content Marketing
tet sich sowohl an staatliche als auch an Award in Silber in den Kategorien
private Akteure. https://mia.giz.de/qlink/ID=246990000 Crossmedia und Website.
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Bildung [ˈbɪldʊŋ] ist ein Menschenrecht und
der Schlüssel zu individueller und gesellschaftlicher
Entwicklung. Sie befähigt Menschen dazu, ihre
Persönlichkeit zu entfalten und ein erfülltes Leben
zu führen. Bildung stärkt Demokratie, fördert
Toleranz und eine weltbürgerliche Haltung. Zugleich
ist sie Voraussetzung für Nachhaltigkeit. Damit
Bildung ihr Potenzial entfalten kann, muss sie
hochwertig, inklusiv und chancengerecht sein.
Quelle: UNESCO