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Zusammenfassung Energiewirtschaft und

Energiepolitik
Newsticker: Aus allen Teilen
- 2017 wurde ein neuer Rekord für die weltweiten Investitionen in Erneuerbare Energien
aufgestellt. Dabei ist die Solarenergie (thermisch und elektrisch) der anteilsmäßig größte
Bestandteil (98GW von insgesamt 157GW).
- Die Preise je Leistung fallen weiterhin stark, sodass auch bei höheren GW Installationen z.T.
geringere Geldsummen aufgewendet werden.
- Neue Beschlüsse, Rahmen, Richtlinie und Gesetze auf globaler, europäischer und
Bundesebene. Darunter die „Governance-Verordnung“ mit europäischen Zielen für 2030 (32%
EE an Gesamtenergieverbrauch, 14% in Verkehr, 32,5% bessere Effizienz) und das
„Energiesammelgesetz“ des Bundes mit verschiedenen Gesetzesänderungen zum Thema
Energie (Sonderausschreibungen, Vorschriften, Einschränkungen).
- Agentur für Erneuerbare Energien: Energiewendeatlas Deutschland 2030 als Antwort auf
Kernfragen der Energiewende
- Ernest & Young (EY) veröffentlicht regelmäßig den RECAI = Renewable Energy Country
Attractiveness Index. Hier werden verschiedene Länder und Standorte nach ihrem Potential
für EE geordnet. EY ist eine Consulting Group und stellt nur begrenzt dar, wie die Ergebnisse
zustande kommen. Die vollen Datensätze sind kostenpflichtig.
- Rückkauf des Hamburger Stromnetzes durch die Stadtwerke Hamburg in Mitte 2018. 2014 war
es von Vattenfall übernommen worden.

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Contents
Newsticker: Aus allen Teilen ................................................................................................................... 1
1. Politikstrukturen ............................................................................................................................. 3
1.1. Europapolitik........................................................................................................................... 3
Aktuelle Probleme der „Energieunion“: ......................................................................................... 5
1.2. Bundespolitik .......................................................................................................................... 5
1.3. Politische Arbeit in einem Unternehmen ............................................................................... 6
2. Versorgungssicherheit .................................................................................................................... 6
2.1. Strukturen ............................................................................................................................... 6
2.2. Energiewirtschaftliches Dreieck.............................................................................................. 7
Versorgungssicherheit .................................................................................................................... 7
Wettbewerb ................................................................................................................................... 8
Klimaschutz ..................................................................................................................................... 8
2.3. Abhängigkeit von den Energieträgern Öl, Gas und Kohle ....................................................... 8
3. Wettbewerb und Preiswürdigkeit ................................................................................................ 10
3.1. Beeinflussung des Ölpreises durch den Staat ....................................................................... 10
3.2. Beeinflussung des Gaspreises durch den Staat .................................................................... 11
3.3. Beeinflussung des Strompreises durch den Staat................................................................. 12
Beeinflussungsmaßnahmen.......................................................................................................... 12
Zusammensetzung des Strompreises ........................................................................................... 12
Netzentgelte ................................................................................................................................. 13
Entlastungen ................................................................................................................................. 15
4. Strombörse: Aufbau des Energiegroßhandels .............................................................................. 18
4.1. Einflussgrößen auf den Strompreis ....................................................................................... 18
4.1. Aufbau des Handelsprozesses .............................................................................................. 18
4.2. Marktprinzip der Börse und des Terminmarktes .................................................................. 19
Funktionsprinzip der Börse ........................................................................................................... 19
OTC ............................................................................................................................................... 21
4.3. Einwirkungen auf den Börsenpreis durch EE ........................................................................ 21
4.4. Preisbildung einzelner Verbraucher ..................................................................................... 22

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1. Politikstrukturen
Energiepolitik hat globale, europäische, nationale, regionale und lokale Ebenen. Dabei wird die Politik
durch Stakeholder, also von der Sache betroffene Personen, vieler verschiedener Stellen beeinflusst.
Genehmigungen, Förderungen, Ausbauziele werden dabei häufig durch die Politik angegeben.
Insbesondere Bürgergruppen, Volksinitiativen, etc. sind dabei Größen, die nicht vernachlässigt werden
sollten und in jede Projektplanung einbezogen werden müssen. Gerade hier ist es wichtig zu betonen,
dass die technische Lösung nicht immer realisierbar ist und daher nicht die beste politische Lösung
darstellt. Beispiele für Stakeholder sind:

Abbildung 1-1 Beispiele für Stakeholder

1.1. Europapolitik
Die europäische Struktur besteht aus verschiedenen Organen, wobei für beschlossene Richtlinien
besonders die folgenden drei von Bedeutung sind („Institutionelles Dreieck der EU“):

- Ministerrat/Rat der europäischen Union (Rat): Stimme der Regierungen von EU-
Mitgliedsländern, die Gesetze annehmen und die EU-Politik koordinieren.
- Sitz: Brüssel, Belgien
- Aktueller Präsident: Jeppe Tranholm-Mikkelsen (DM)
- Rotierender Vorsitz, Wechsel jedes Halbjahr
- Fachminister aus jedem EU-Land finden sich hier in 9 Ministerräten zusammen
- Arbeiten des Rates durch Ausschuss der Ständigen Vertreter (AStV) koordiniert
- Aufgabe: Rechtsvorschriften diskutieren, ändern und annehmen
- Europäisches Parlament (EP)
- Sitz: Straßburg, Frankreich (Plenarsitzung) und Brüssel, Belgien (Ausschüsse und
Fraktionen)
- Aktueller Präsident: Antonio Tajani (Italien)
- Aktuell 751 Mitglieder aus 28 Staaten, 8 politische Fraktionen (je nach politischer
Richtung)
- Direktwahl alle 5 Jahre
- Sitzverteilung proportional stärker für kleine Staaten
- ITRE-Ausschuss: Industry, Transport, Research, Energy -> relevant für Energiepolitik
- Europäische Kommission (KOM) a.k.a. „Hüterin der Verträge“
- Sitz: Brüssel, Belgien
- Aktueller Präsident: Jean-Claude Juncker
- 20 Kommissare, 6 Vizepräsidenten, 1 Hohe Vertreter/in für Außen- und
Sicherheitspolitik -> Summe = 28
- Direktwahl alle 5 Jahre
- Besitzt alleiniges Initiativrecht, das heißt nur sie kann Rechtsakte vorschlagen

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KOM darf alle Initiativen ergreifen, um die Ziele der Verträge zu erreichen
-
(Richtlinienvorschläge, Vertragsverletzungsverfahren, Wettbewerbsrecht)
è Durchsetzung des EU-Rechts (zusammen mit EuGH)
- Verwaltung des EU-Haushaltsplans und Zuweisung von Finanzhilfen
- Vertretung der EU auf internationaler Ebene

Daneben sollte auch die Europäische Zentralbank, der Europäische Gerichtshof und der Europäische
Rat (nicht der Ministerrat!) erwähnt werden. Letzterer ist ein rein politisches Gremium bestehend aus
Staats- und Regierungschefs aller EU-Nationen (Vorsitz Anfang 2019: Donald Tusk (PL)). Seine Rolle ist
die „Bestimmung der allgemeinen politischen Zielvorstellungen und Prioritäten der Europäischen
Union“ (europa.eu à european-council).

Das Entscheidungsverfahren zum Beschluss neuer Rechtsakte (Richtlinien, etc.) folgt folgenden
Schritten:

Abbildung 1-2 Verfahren zum Beschluss eines Rechtakts in der EU

In Europa herrscht ein freier Markt nach dem Prinzip der Subsidiarität, wodurch Konkurrenz durch
viele verschiedene Anbieter aus ganz Europa möglich wird. Analog dazu ist durch den
Zusammenschluss auch ein Großteil der Gesetzgebung in den verschiedenen Ländern abhängig von
der europäischen Politik. 80% der wirtschaftlichen Gesetzgebung der europäischen Mitgliedsländer
wurde als EU-Richtlinie in Brüssel initiiert. Für die Energiepolitik ist dabei besonders das
Energiekapitel (Artikel 194) relevant. Hier werden Regelungen zur Sicherstellung der Funktionalität
des europäischen Energiemarkts getroffen, sowie auch Förderungs- und Entwicklungsziele für
Erneuerbare Energien und Energieeffizienz.

Der Verordnungsprozess, der durch die europäischen Organe initiiert wird, folgt dabei wie folgt ab:

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Abbildung 1-3 Umsetzung der EU-Richtlinien in nationales Gesetz

Aktuelle Probleme der „Energieunion“:


- Starke Abhängigkeit von Energieimporten: 53% der Energie eingeführt, jährliche Kosten von
ca. 400 Mrd. €
- Besonders bei Gasimporten besteht Abhängigkeit von Russland
- Gebäude sind zu 75% nicht energieeffizient, Verkehr zu 94% erdölabhängig (davon 90%
importiert)
- Hohe Investitionsgrößen in den kommenden Jahren notwendig

1.2. Bundespolitik

Abbildung 1-4 Beschluss eines Gesetzesvorschlags in der BRD

Es ist sehr schwierig, diesen Prozess von außen her zu beeinflussen. Die MdB sind zeitlich sehr
eingespannt und sind den Wünschen vieler verschiedener Interessensparteien ausgesetzt. Es sind also
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nicht nur die Institutionen des Bundes selbst, die eine Debatte notwendig machen, sondern sämtliche
Stakeholder beeinflussen die Entscheidungen der Parlamentarier. Insbesondere folgende
Gruppierungen nehmen äußeren Einfluss auf das politische Umfeld:

- Medien
- Gewerkschaftsverbände
- Unternehmen
- Umweltschutzbünde
- Technische Verbände
- Politische Verbände (z.B. BDEW, BEE, etc.)
- Sonstige Interessengemeinschaften auf Bundesebene

1.3. Politische Arbeit in einem Unternehmen


Die Elemente der politischen Arbeit in einem Unternehmen sind:

- Information
- Bewertung
- Position
- Verbändearbeit
- Lobbying à Erst hier wird Kontakt mit der Politik aufgenommen

Zur Behandlung dieser politischen Themen werden Experten der verschiedenen


Unternehmensbereiche einbezogen, sodass sich Gremien, Projektgruppen und Arbeitskreise bilden.
Diese sollen Politiker und ihre Mitarbeiter, sowie Ministerien und Verbände, etc. ansprechen,
informieren, beeinflussen. Dies kann in allen möglichen Formen der Außenarbeit geschehen, z.B.
parlamentarische Abende, Fachgespräche, Mitarbeit in Fachgremien der Verbände, etc. Ggf. werden
durch die Politik auch Studien und Gutachten spezifischer Themenfelder in Auftrag gegeben.

2. Versorgungssicherheit
2.1. Strukturen
Zur Unterscheidung der jeweiligen Nutzer der bezogenen Energie werden Energiesektoren benannt.

- Haushalt
- Gewerbe, Handel und Dienstleistungen (GHD-Sektor)
- Industrie
- Verkehr

Die Marktsegmente der Energiewirtschaft sind:


- Strom
- Wärme (und Kälte)
- Transport
Diese Sektoren konkurrieren, überschneiden und beeinflussen sich („Sektorenkopplung“).
Beispielsweise kann Strom zum Heizen eingesetzt werden oder für elektrische Mobilität (ÖPNV, E-
Mobility) eingesetzt werden. Diese elektrische Energie steht dafür dann nicht mehr für Nutzer des
Stromsektors selbst zur Verfügung (elektrische Verbraucher).
Energienetze können dabei verschiedenster Form sein, z.B.:
- Stromversorgung
o Stromerzeugung, Komponenten der Übertragungs-/Verteilungsinfrastruktur,
Stromspeicherung, Verbraucher
o Markt: Angebot & Nachfrage, Produkte, Akteure, Interessen, gesetzlicher Rahmen

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- Wärmeversorgung
o Wärmeerzeugung, Komponenten der Verteilungsinfrastruktur, Wärmespeicherung,
Verbraucher
o Markt: Angebot & Nachfrage, Produkte, Akteure, Interessen, gesetzlicher Rahmen
- Gasversorgung
o (Förderung), Übertragungs-/Verteilungsinfrastruktur, Gasspeicherung, Verbraucher
o Markt: Angebot & Nachfrage, Produkte, Akteure, Interessen, gesetzlicher Rahmen
- Versorgungsinfrastruktur für Mobilität
o Verteilung von Kraftstoff, Strom und Gas für Fahrzeuge

Die dafür relevanten Energieträger durchlaufen Wertschöpfungsketten, die jeweils die Schritte:

- Erzeugung
- Transport
- Vertrieb/Abgabe

behandeln. Beispielsweise umfasst die Wertschöpfungskette Strom: Förderung des Energieträgers à


Kraftwerk à Handel à Netz à Vertrieb à Verbraucher. Solche Unternehmen, die alle Schritte der
Wertschöpfungskette durchführen, werden „vertikal integrierte Unternehmen“ genannt.

Seit der Liberalisierung des Energiemarkts in 1998 sind Netzbetreiber aus der Wertschöpfungskette
Strom herausgelöst. Stromversorgungsunternehmen können also nicht vertikal orientierte
Unternehmen sein.

2.2. Energiewirtschaftliches Dreieck

Abbildung 2-1 Energiewirtschaftliches Dreieck

Das energiepolitische Dreieck beschreibt die benötigte Balance zwischen den Verschiedenen Facetten
der Energiepolitik. Jede Ecke des Dreiecks muss vertreten sein und keine darf vernachlässigt werden,
um ein nachhaltiges System zu garantieren.

Versorgungssicherheit
- Energieversorgung ist jederzeit und überall gesichert und verfügbar à gute Netzinfrastruktur
benötigt
- 2 Dimensionen:
o Sichere Versorgung mit Primärenergien (z.B. Öl, Gas)
o Zuverlässige Energieversorgung (keine Stromausfälle)

ð Energiepolitik: Diversifizierung der Energiequellen (technische Möglichkeiten, Handelspartner,


möglichst heimische Quellen)
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Wettbewerb
- Angemessene, möglichst kostengünstige Energiepreise
- Kostenreduktion durch Regulierung der Netze
- Wettbewerb auf Energiemarkt durch mehr Erzeuger und Anbieter

ð Energiepolitik: stärkere Regulierung, Zusammenschluss der europäischen Regionalmärkte, mehr


Wettbewerb

Klimaschutz
- Klimawandel aufgrund CO2-Emissionen begrenzen (2°C- Ziel)

ð Energiepolitik: Reduzierung der CO2-Emissionen durch Emissionshandel, Ausbau Erneuerbarer


Energien und Energieeffizienz

2.3. Abhängigkeit von den Energieträgern Öl, Gas und Kohle

Abbildung 2-2 Reserven und Ressourcen fossiler Energieträger

Zwar sind bis auf den Energieträger Öl noch große Ressourcenkapazitäten vorhanden, jedoch ist die
Nutzung dieser aufgrund Klimagaspotential und Importabhängigkeit kritisch anzusehen.
Beispielsweise wird mehr als 1/3 des deutschen Öls und Gases aus Russland importiert. Zwar besteht
von Seiten Russlands ebenfalls eine Abhängigkeit von der EU als Abnehmer, aber dennoch trägt diese
Konstellation internationale, politische Risiken.

Eine große Änderung des Gas- und Ölmarkts ist durch die Entwicklung des Frackings entstanden. Hier
werden Chemikalien in Gesteinsschichten gepumpt, um künstliche Risse zu erzeugen, Öl zu lösen und
dann anschließend wieder hochzupumpen. Innerhalb weniger Jahre wurde die USA so vom
Ölimporteur zum Ölexporteur. In Deutschland ist das Fracking aufgrund Wasserschutz jedoch keine
Option.

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Abbildung 2-3 Prinzip des Frackings sowie dessen primären Probleme

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3. Wettbewerb und Preiswürdigkeit
Preiswürdigkeit und Wettbewerb behandeln die Aspekte Wirtschaftlichkeit und Bezahlbarkein f.h.
welchen Preis Energie haben darf, damit:

- die Industrie im globalen Wettbewerb mithalten kann.


- Haushalte sich den Strom mit ihrem begrenzten Budget leisten können.

Insbesondere ist von Bedeutung, in welchem Maße der Staat auf die Energiebranche einwirken kann,
um die Energiepreise auf einem angemessenen Niveau zu halten. Der Schlüssel lautet dabei:
Wettbewerb unter den Anbietern.

Man unterscheidet unter den drei Marktformen

- Monopols: Beherrschung des Marktes durch Einen


- Oligopol: Beherrschung des Marktes durch Mehrere
- Polypol: Viele Anbieter und viele Nachfragende

Vor der Liberalisierung 1998 wurde eine Regulierung betrieben. Hier steuert der Staat den
Anbietermarkt und Preise werden von Regulierungsbehörden vorgegeben. Strombereitstellung wurde
damals noch als natürliches Monopol gehandelt.

In der Liberalisierung schafft der Staat günstige Umgebungsbedingungen für den Wettbewerb,
welcher dann den Preis durch Angebot und Nachfrage steuert, es herrscht also ein Polypol. Anders als
in anderen Ländern wird hier also keine Strompreisregulierung durchgeführt. Die Netze sind weiter als
natürliche Monopole geführt, ebenso wie die Wasserversorgung, Kommunalversorgungsbetriebe, etc.

3.1. Beeinflussung des Ölpreises durch den Staat


In Abbildung 3-1 ist die Zusammensetzung des Gaspreises dargestellt.

Abbildung 3-1 Zusammensetzung des mengengewichteten Gaspreises für Haushaltskunden über alle Vertragskategorien

Zur Änderung des Ölpreises sind dem deutschen Staat relativ wenige Möglichkeiten gegeben, da der
Großteil der Wertschöpfungskette im Ausland gelegen ist. Der Transport befindet sind im
nichtregulierten Bereich (das Öl wird nicht per Netz transportiert), lediglich eine Einflussnahme „an
der Zapfsäule“ ist möglich. Aufgeteilt in die verschiedenen Schritte der Wertschöpfungskette ergeben
sich folgende Maßnahmen:

1. Exploration/Förderung
- Verbesserung der Außenpolitik zu Lieferländern
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- International Energy Agency als Gegengewicht zur OPEC
- Diversifizierung der Bezugsquellen
- Forcierung der heimischen Quellen
- Entwicklung von Alternativen (Strom, Gas)
2. Transport (Pipelines und Tanker)
- Keine Optionen, da das Öl per Tanker und Pipelines, aber nicht mit regulierten Netzen
vertrieben wird
3. Vertrieb (Tankstellen und Tankwagen)
- Steuern und Abgaben (z.B. Ökosteuer)
- Steigerung des Wettbewerbs
- Kartellrechtliche Kontrollen und Maßnahmen

3.2. Beeinflussung des Gaspreises durch den Staat


Auch beim Gas ist ein Großteil der Wertschöpfungskette nicht im deutschen Kontrollgebiet, jedoch
gibt es hier mehr Möglichkeiten der Steuerung, als beim Öl, da der Transport über inländische Netze
geregelt wird und alternative, inländische Produktionswege bestehen.

1. Exploration/Förderung
- Verbesserung der Außenpolitik zu Lieferländern
- Diversifizierung der Bezugsquellen
2. Transport (Pipelines und LNG)
- Verbesserung der Außenpolitik zu Lieferländern
- Diversifizierung der Bezugsquellen und Transportwege
- Regulierung der Gasnetz-Entgelte EU und DE
3. Vertrieb (Gasanschluss der Kunden) -> Inländischer Markt
- Staatslast variieren: Steuern und Abgaben
- Förderung von Alternativen (z.B. PtG, Biogas)
- Steigerung des Wettbewerbs
- Kartellrechtliche Kontrollen und Maßnahmen

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3.3. Beeinflussung des Strompreises durch den Staat
Beeinflussungsmaßnahmen
Im Gegensatz zu den Energieträgern Öl und Gas kann der Strom sehr stark politisch beeinflusst werden.
Der Großteil der Wertschöpfungskette findet innerhalb Deutschlands statt. Analog zu den bisherigen
Auflistungen nach den Schritten der Wertschöpfungskette finden wir hier:

1. Erzeugung großteils im Inland


- Wenig Einfluss auf den Weltmarktpreis für Brennstoffe
- Auflagen für Kraftwerke
- Förderung/Subventionierung (KWK, Erneuerbare, Kohle)
2. Transport (Stromnetz)
- Regulierung der Netzentgelte durch Überwachung der BNetzA
- Kopplung der EU-Strommärkte im ENTSO-E Netz
3. Vertrieb (Gasanschluss der Kunden) -> Inländischer Markt
- Staatslast variieren: Steuern, Zusatzabgaben
- Steigerung des Wettbewerbs
- Kartellrechtliche Kontrollen und Maßnahmen
- Es liegt keine Alternative zur elektrischen Energieform vor

Zusammensetzung des Strompreises


In Deutschland wird im Vergleich zu anderen europäischen Ländern ein sehr hoher Anteil an Steuern
und Anteil an den Strompreis angeknüpft, sodass hier mit durchschnittlich 30 ct/kWh zusammen mit
Dänemark der höchste Arbeitspreise der EU aufkommt. In Abbildung 3-2 ist beispielhaft das Angebot
der Rheinischen Netzgesellschaft abgebildet. Hier kann für Kunden mit Lastgangzähler zwischen
Leistungspreis [€/(kW*a)] und Arbeitspreis [ct/kWh] und für Kunden ohne Lastgangzähler zwischen
Grundpreis [€/a] und Arbeitspreis [ct/kWh] unterschieden werden.

Abbildung 3-2 Strompreise der Rheinischen Netzgesellschaft – Stand Frühjahr 2019

Die genaue Zusammensetzung des Strompreises variiert stark nach Art des Kunden. Unten sind die
Zusammensetzungen für Haushaltskunden (Abbildung 3-3) und für die durchschnittliche Industrie
(Abbildung 3-4) aufgezeigt. Der Anteil für Steuern, Abgaben und Umlagen ist seit 1998, nicht zuletzt
aufgrund der EEG-Umlage, deutlich gestiegen.

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Abbildung 3-3 Zusammensetzung des Strompreises für Haushaltskunden

Abbildung 3-4 Durchschnittlicher Strompreis für die Industrie in ct/kWh (inkl. Stromsteuer)

Netzentgelte
Das Netzentgelt ist eine Gebühr, die jeder Netznutzer der Strom- und Gasnetze als Teil des
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Arbeitspreises an den Netzbetreiber zahlen muss (𝑁𝑒𝑡𝑧𝑒𝑛𝑡𝑔𝑒𝑙𝑡 = )($*+, ."$&/"("0 %1+). Dabei sind
die Strom- und Gasnetze, wie erwähnt, natürliche Monopole, wodurch sich die Höhe des Netzentgeltes
durch Regulierung (§20 EnWG und Strom- bzw. Gasnetzentgeltverordnung StromNEV und GasNEV)
ergibt und nicht durch Wettbewerb. Die Höhe des Netzentgeltes muss durch die Netzbetreiber
veröffentlicht werden und unterscheidet sich je nach Netzbetreiber. Erst seit dem 01.01.2019 wurde

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beschlossen, dass die Übertragungsnetzentgelte bis 01.01.2023 bundesweit angeglichen werden
sollen. In Abbildung 3-5 ist die Entwicklung der Netzentgelte für Haushaltskunden der letzten Jahre
dargestellt.

Abbildung 3-5 Entwicklung der Netzentgelte für Haushaltskunden im Bereich zwischen 2.500 kWh/Jahr bis 5.000 kWH/Jahr
(mengengewichtet) - Quelle: BNetzA

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Die Netzentgelte sind als spezifische Größe (𝑁𝑒𝑡𝑧𝑒𝑛𝑡𝑔𝑒𝑙𝑡 = ) stark von der
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Anzahl der Nutzer abhängig. Sie steigen insbesondere durch:

- Geringe Auslastung aufgrund fehlender Industrieproduktion oder Bevölkerungsrückgang


- Ansteigende Wind- und PV-Erzeugung in Verteilnetzen, da so weniger Strom aus den
Verteilnetzen bezogen wird
- Alter der Netze: Wartung, Neubau
- Qualität der vollzogenen Netzarbeiten (preislicher Aufwand)
- Integrationskosten Erneuerbare Energien
- Netzausbau zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit (Reservekraftwerke, Redispatch)
- Auftretende Kosten für „vermiedene Netzentgelte“ à In Praxis nicht wirklich effektiv
• Entgelt für die dezentrale Einspeisung, welche eine Einspeisung in höherer Netzebene
vermeidet

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Entlastungen
Für Industriekunden sind die Strompreise niedriger, als für Haushaltskunden. Dies ist darin begründet,
dass diese die Vorteile verschiedener gesetzlich geregelter Entlastungen nutzen können. Generell kann
gesagt werden, dass stromintensivere Unternehmen höhere Entlastungen gewährt bekommen, damit
ihr Geschäft weiterhin international wettbewerbsfähig sind. Zudem ist durch die Entnahme auf einer
höheren Netzebene (nicht NS wie bei Haushalten) nur ein geringerer Anteil der Kosten der
Netzarbeiten auf die Bedürfnisse der Industrie zurückzuführen.

Es können folgende zentrale Entlastungen aufgelistet werden. Dabei sind für die Anmeldung der
einzelnen Entlastung zumeist unterschiedliche Behörden zuständig:

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4. Strombörse: Aufbau des Energiegroßhandels
An den Handelsbörsen für Energie werden alltägliche Handelsgüter, sogenannte „Commodities“
gehandelt, bestehend aus Strom, Gas, Kohle, Öl und CO2-Zertifikaten. Als Beispiel kann die Börse EEX
(European Energy Exchange) in Leipzig dienen. Auf diesen Börsen wird, im Gegensatz zu Aktienbörsen
o.Ä., ein physischer Handel durchgeführt, d.h. eine real existierende Menge wird gekauft, für einen
Liefertermin terminiert und abgerechnet. Teilnehmer sind z.B. Kraftwerksbetreiber, Energieversorger,
Händler, Vermarkter und Banken.

4.1. Einflussgrößen auf den Strompreis


Für die Marktteilnehmer besteht durch die Preisunterschiede zwischen Commodities, Lieferregionen,
Lieferzeitpunkten und besonders zugeschnittenen Produkten ein Potential für Profit/Margen.

In Anbetracht der Vielseitigen Aktoren im Energiemarkt bestehen auch zahlreiche Einflussfaktoren auf
Angebot und Nachfrage. Am Beispiel des Strommarktpreises sind in folgender Abbildung verschiedene
Einflussfaktoren dargestellt.

Abbildung 4-1 Einflussfaktoren auf den Strommarktpreis

Andere Faktoren sind beispielsweise alle Zusammenhänge mit Brennstoffen. Frachtraten der
Lieferschifffahrt, Treibstoffpreise für die Transportwege, Brennstoffpreise auf dem Weltmarkt,
Wechselkurse und mehr spielen alle in den auf der Strombörse bestimmenden Preis ein.

4.1. Aufbau des Handelsprozesses


Es gibt zwei Handelswege im Großhandel:

1. Börsenhandel: Ca. 30% des Handelsvolumens wird mittels Merit-Order Prinzip über anonymen
Handel vergeben
2. Over-the-counter-Handel (OTC): Ca. 70% des Handelsvolumens wird direkt zwischen zwei
Marktteilnehmern (bzw. mit Zwischenschaltung eines Vermittlers) vergeben.

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Abbildung 4-2 Darstellung der Teilbereiche des Strommarktes

4.2. Marktprinzip der Börse und des Terminmarktes


Bei der Bestimmung des angebotenen Preises wird eine Merit-Order gebildet, wobei Anbieter der
Elektrizität anhand ihres Angebotspreises geordnet werden, bis die Nachfrage am Markt gestillt ist.
Dabei erhalten alle an der jeweiligen Periode teilnehmenden Erzeuger den gleichen Arbeitspreis in
€/MWh, nämlich den Angebotspreis des teuersten, noch nachgefragten Erzeugers. Besteht eine
höhere Nachfrage werden folglich auch noch teurere Kraftwerke akzeptiert und entlohnt, wodurch der
Gesamtpreis steigt.

Es kann zwischen zwei Ansätzen unterschieden werden, wobei der erste zwar anfangs logischer
erscheint, marktwirtschaftlich jedoch weniger sinnvoll ist.

- Fundamentaler Ansatz: Selbstkostenbestimmung und ausgehend davon den notwendigen


Preis bestimmen, zuzüglich Gewinnmarge
- Marktgetriebener Ansatz: Hier wird der Angebotspreis anhand der Beschaffenheit des
Marktes bestimmt. Insbesondere bedeutet dies, dass als Angebot nicht die Selbstkosten
entscheiden sind, sondern nur die Grenzpreise (Brennstoffkosten + C02-Zertifikatskosten).
Somit wird sichergestellt, dass der Anbieter möglichst immer nachgefragt wird. Die Differenz
des angebotenen Preises bis zum Markthöchstpreis sind dann die Marge, die die Fixkosten
abzahlen müssen (Deckungsbeitragsprinzip).

Die Brennstoffgestehungskosten bestehen also wie gesagt aus Brennstoffkosten und CO2-
Zertifikatskosten. Zusätzlich besteht auch die Möglichkeit, nur die Brennstoffkosten selbst zu
betrachten (ohne Zertifikate). Die Differenz aus gewonnenem Strompreis – Brennstoffkosten heißen
dann Spark Spread (Gas) oder Dark Spread (Kohle). Sind die Spreads höher als die restlichen variablen
Kosten, dann ist das Kraftwerk rentabel einzusetzen.

Funktionsprinzip der Börse

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Als Teil der Börse funktioniert der Terminmarkt nach:

- Forwards: Physische Lieferung in längerfristiger Zukunft, z.B. in 5 Jahren am 25.03. Dadurch


entsteht klares Preisrisiko, da die Preise in dieser Zukunft stark vom jetzigen Preis abweichen
können. Maximalvorlaufzeit: 6 Jahre.
- Futures: Jetztzahlung eines zukünftig bezogenen Stroms. Dabei wird die Differenz von dem
heutigen Strompreis zum Strompreis am Bezugstag bar ausgeglichen.

Der Spotmarkt ist kurzfristig und trägt daher ein Volumenrisiko (Reicht die Angebotsmenge noch?). Er
teilt sich auf in:

- Day-Ahead: Handel am Vortag der Lieferung


- Intraday: Handel am gleichen Tag der Lieferung im Sinne des Redispatches. Vergabe in 15
min-Blöcken bis 45 Min vor der Lieferung
- Flexible Intraday Trading Scheme (FITS): Grenzüberschreitender Intraday-Handel zwischen
Frankreich, Deutschland, Österreich und Schweiz, dadurch größere Marktvolumen und
Flexibilität

Abbildung 4-3 Vergleich der Forwards im Terminmarkt und dem Spotmarkt

Zusätzlich beschreibt der sogenannte Phelix (Physical Electricity Index) den Börsenindex als
Durchschnitt aller gehandelten Stundenkontrakte des Tages. Dies hilft als Vergleichswert and der
normalen Börse.

Je nach angebotenem „Produkt“ gelten unterschiedliche Regularien. In folgender Grafik sind die
unterschiedlichen Fristen dargestellt, die relevant sind.

Abbildung 4-4 Fristen für verschiedene Produkte der Strombörse

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OTC
Ein Beispielhafter OTC-Kontrakt könnte wie folgt aussehen:
Tabelle 4-1 Beispielhafter OTC-Kontrakt

Käufer Firma A
Verkäufer Firma B
Preis 52,19€/MWh
Profil Grundlast 3. Quartal 2018 (Base)
Menge 100 MW
Zeitpunkt 1.7.2018 - 30.9.2018
Regelzone Amprion
Kontraktwert 100 MW × (744 + 744 + 720) h × 52,19 €/MWh =
11.523.552 €

4.3. Einwirkungen auf den Börsenpreis durch EE


Da Erneuerbare Energien mit dem Grenzpreis von 0€/MWh anbieten, verschiebt sich die gesamte
Merit Order nach rechts. Teurere Kraftwerke werden aus der Nachfrage verdrängt, genauso wird der
maximal vergütete Börsenpreis immer geringer.

Abbildung 4-5 Einwirkungen auf den Börsenpreis durch EE

Gleichzeitig ist durch die Erzeugung durch PV folgender Wandel am Strommarkt zu sehen: Die früheren
Höchstpreise waren am Mittag zu verzeichnen, da hier der höchste Bedarf besteht. Da nun mittags
jedoch auch häufig hohe Erzeugungsspitzen durch PV auftreten entsteht hier entgegen der
Vergangenheit ein Tiefpreis. Es entstehen sogenannte „Schultern“ der Strompreise, die vor und nach
dem Peak der PV-Einspeisung aufkommen.

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Abbildung 4-6 Peak Shaving PV

4.4. Preisbildung einzelner Verbraucher


Verbrauchsstellen ohne Leistungsmessung (Standardlastprofil) mit Jahresarbeit < 100 MWh/a (vgl.
Haushalte mit 1,5 – 5 MWh/a)

- rbeitspreis in ct/kWh
- Grundpreis in EUR/a (Messung, Abrechnung)

Verbrauchsstellen mit 1/4 h-Leistungsmessung (gemessener Lastgang):

- Leistungspreis in EUR/kW (Jahreshöchstleistung)


- Arbeitspreis in Ct/kWh
- Grundpreis in EUR/a
- gegebenenfalls auch ein Entgelt für Blindarbeit

Vermiedene Netznutzungsentgelte (vNNE): durch dezentrale Einspeisung und Verwendung von


Energie entfällt ein Teil der Netznutzung der vorgelagerten Netzebenen - Kostenersparnis wird den
Betreibern dezentraler Energieerzeugungsanlagen gutgeschrieben

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5. Umweltschutz und Klimaschutz mit Fokus auf den Emissionshandel
Umwelt- und Klimaschutz beschreibt die dritte Facette des energiepolitischen Dreiecks. Im Rahmen
des Klimaschutzes werden drei wesentliche Instrumente für den Umwelt- und Klimaschutz verwendet:

- Emissionshandel
• Reduktion der CO2-Emissionen von Kraftwerken und Industrieanlagen
• Abnahme konventioneller Erzeugung bzw. höhere Wirkungsgrade in Kraftwerken
- Ausbau der Erneuerbaren Energien
• Reduktion der CO2-Emissionen durch Stromerzeugung aus EE
• Zunehmender Anteil EE am Gesamtverbrauch
- Verbesserung der Energieeffizienz
• Reduktion der CO2-Emissionen durch Verringerung des Energiebedarfs
• Geringerer Verbrauch durch Energieeffizienzmaßnahmen
• Optimalerweise auch verändertes Nutzerverhalten (Reduktion)

In diesem Kapitel wird der erste Punkt besonders forciert, wobei zum Ende auch weitergehende
Maßnahmen zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen eingeführt werden.

Zuallererst muss der Unterschied zwischen Umwelt- und Klimaschutz definiert werden. Während
Umweltschutz die Minderung umweltschädlicher Schadstoffemissionen, z.B. Staub, NOx, Sox, etc.,
meint, bezieht sich der Klimaschutz auf die Minderung klimaschädlicher Treibausgasemissionen zur
Begrenzung des Klimawandels.

5.1. Umweltschutz
Die Reduktion der Schadstoffe in der Luft im Rahmen des Umweltschutzes hat in Deutschlands
Ruhrgebiet besondere historische Signifikanz. Aufgrund der Belastung der Luft kam es zu
Gesundheitsproblemen und Schäden an lokaler Flora und Fauna. Anpassungsmaßnahmen sind nun
weitläufig sichtbar. Unter anderem werden Schadstoffemissionen aus Verbrennungsprozessen in
Kraftwerken, Industrie und Verkehr gesetzlich begrenzt und am Ort der Entstehung vermindert. Die
Kette von Belastung zu Gegenmaßnahme kann in Abbildung 5-1 beispielhaft an den drei
hochrelevanten Schadstoffen NOx, Sox und Ruß gesehen werden.

Abbildung 5-1 Beispielhafte Auswirkungen und Gegenmaßnahmen der Schadstoffe NOX, SOx und Ruß

In Deutschland sind Grenzwerte für Schadstoffemissionen durch BImSchG und die entsprechenden
BImSchV (z.B. für Großfeuerungsanlagen) vorgegeben. Hier muss eine Überwachung der Abgase im
Kraftwerkskamin stattfinden. Währenddessen vermeiden Erneuerbare Energien größtenteils
Schadstoffemissionen. Nur Biomasse, Biogas und Biokraftstoffe im Verkehr können teilweise zu
ähnlichen Emissionen wie vergleichbare fossile Brennstoffe führen, wodurch hier ebenfalls eine
Beobachtung und Reinigung der Abgase stattfinden muss. Wichtig: CO2 gilt als global wirkendes
klimaschädliches Abgas, jedoch (noch) nicht als Luftschadstoff (außer in den USA).

5.2. Klimaschutz
Darstellung des Status Quo

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Beim Klimaschutz wird versucht, den anthropogenen Klimawandel, also die menschliche Verstärkung
des natürlichen Treibhauseffektes, einzugrenzen. Ein wichtiger Unterschied zum Umweltschutz ist,
dass der Klimaschutz nicht alleine national erreicht werden kann, sondern in jedem Falle einer
internationalen Bemühung bedarf. Demnach sind internationale Zusammenarbeit und Kompromisse
essentiell, was dieses Thema regelmäßig zu einem medienbestimmenden Fokus werden lässt.

Es können eine große Menge an Grafiken zum Vergleich der Treibhausgasemissionen und der
verschiedenen Länder aufgestellt werden. An dieser Stelle werden nun die wichtigsten Erkenntnisse
aufgelistet, die aus ihnen gezogen werden können. Für die Grafiken selbst wird auf die Dokumentation
des UNFCCC und des IPCC verwiesen.

- Ein Fortführen des Business as Usual wird eine Einhaltung des 2°C Ziels aus COP24 (Paris)
unmöglich machen. Es müssen Anpassungen erfolgen.
- Das wichtigste Treibhausgas ist CO2, allerdings sind auch CH4, N20 und HFCs + PFCs + SF6
relevante Größen (in absteigender Reihenfolge). Alle Treibhausgase werden zum Vergleich in
CO2-Äquivalente umgerechnet.
- Haupttreiber der Treibhausgase in Industriestaaten (Annex I Parties) ist der
Energieproduktion, gefolgt von Energieindustrien, Transport, Produktherstellung, der
Landwirtschaft (CH4), Industrieprozessen und Müllanlagen (Deponiegase/CH4).
- Der EU-Anteil an den globalen Treibhausgasemissionen ist unter 15% und fallend – Damit
kann auch die EU keinen vollständigen Klimaschutz alleine durchführen. Insbesondere
Schwellenländer wie Indien und China, sowie weitere Entwicklungsländer weisen hohe
Wachstumsraten im Bezug auf die Wirtschaftsleistung und die damit verbundenen
Emissionen auf.
- Der Per-Capita Austoß ist in westlichen Industrienationen immer noch höher, als die der
deutlich bevölkerungsreicheren asiatischen Länder, wie China und Indien. Die Lage in China
ist jedoch stark im Wandel. In Summe ist China, gefolgt von der USA, der größte Emittent.
- Es bestehen große Konflikte in der Auslotung, wo der Fokus der Treibhausgaseinsparungen
gesetzt werden soll. Der Per-Capita Ausstoß und die Betrachtung der historischen Emissionen
bieten dabei Argumente für erlaubte Emissionssteigerungen der Schwellen- und
Entwicklungsländer.

Internationale Organisationen
Da der Klimawandel bereits als globales Problem erkannt wurde, ist globale Zusammenarbeit
notwendig, um Ergebnisse zu erzielen. Da die Standpunkte der einzelnen Staaten aufgrund des
Entwicklungsstandes jedoch stark variieren, sind Kompromisse Konflikte durch verschiedene
Interessen ausgesetzt. Insbesondere können Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländer in ihrer
Position wie folgt skizziert werden:

Industrieländer (EU, USA, Kanada, Japan, Russland):

- „Traditionelle“ Emittenten, hohe Industrialisierung


- Hohe absolute und Pro-Kopf-Emissionen von Treibhausgasen (THG)
- EU Vorreiter mit EU-Emissionshandel; USA hat Angst um eigene Industrie und wartet auf
China und Indien

Schwellenländer (Brasilien, China, Indien):

- Starkes Wirtschaftswachstum – Nachholbedarf bei Energie


- Niedrige Pro-Kopf- aber hohe absolute THG-Emissionen (China No.1)
- Indien und China warten auf Zeichen der USA
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- Erwarten Zugeständnisse der Industrieländer (Finanzen, Technologietransfer)

Entwicklungsländer (Afrika, Asien):

- Geringes Wirtschaftswachstum
- Stark von Klimawandel betroffen (Überschwemmung, Dürren, sogar Verlust ganzer Regionen
durch steigenden Meeresspiegel (z.B. Malediven))
- Erwarten Zugeständnisse der Industrieländer (Finanzen, Technologietransfer)

Die United Nations Framework Convention on Climate Change (UNFCCC) stellt ein globales UN-
Rahmenabkommen über die Klimaveränderungen dar und zielt auf die Verhinderung der Zerstörung
des Klimasystems durch den Menschen ab. Sie wurde 1992 im Rahmen der Konferenz der Vereinten
Nationen für Umwelt und Entwicklung (UNCED) in Rio de Janeiro ins Leben gerufen. Das höchste
Entscheidungsgremium der UNFCCC ist die jährliche Conference of Parties (COP), auch genannt
Weltklimakonferenz. Hier werden die Leitlinien für jede globale Klimapolitik gesetzt.

Der erste große Beschluss, der auf den COP getroffen wurde, war das Kyoto Protokoll als Ergebnis der
COP 3 in Kyoto, Japan. Hier wurde das Ziel einer Limitierung auf 2°C Erderwärmung getroffen, sowie
auch der Wille für weniger CO-Emissionen durch Deckelung der Emissionen aus der Verbrennung
fossiler Brennstoffe und Industrieprozessen. Das Protokoll galt bis zum Zeitraum 2008-2012 und sollte
die Emissionen der 6 wichtigsten THG („Kyoto-Gase“) um insgesamt 5% im Vergleich zu 1990 senken.
Auch wurden hier die Umrechnungsfaktoren für die CO2-Äquivalente dieser Gase festgelegt:

- CO2: 1
- CH4: 23
- N20: 310
- HFKW (Hydrofluorkohlenwasserstoffe): 23900
- FKW (perfluorierte Kohlenwasserstoffe): 6500 bis 9200
- SF6: 140 bis 11700

Das Kyoto-Protokoll wurde international ratifiziert, jedoch nicht durch die USA.

Nach dem Kyoto-Protokoll war das Paris-Agreement von 2015 auf der COP21 der nächste proklamierte
„große Schritt“, siehe Abbildung 5-2. Es wurden Ziele gesetzt, sodass in der zweiten Hälfte des
Jahrhunderts eine ausgeglichene Bilanz zwischen Emission und Absorption der Treibhausgase besteht
– und das (wenn möglich) mit einer Begrenzung der Erderwärmung auf 1.5°C. Hierfür sollen die Staaten
ihre THG-Ziele alle 5 Jahre aktualisieren. Es werden besondere Berücksichtigungen für Schwellenländer
getroffen und ab 2020 (Auslauf des Kyoto Protokolls) 100 Mrd. US Dollar für Klimaschutz in
Entwicklungsländern bereitgestellt. Das Pariser Klimaabkommen wurde durch 110 Länder ratifiziert,
inklusive USA (dank Obama) und China.

Mit der COP24 in Katowice, Polen wurde in einem Regelwerk festgelegt, welche Rechte und Pflichten
die einzelnen Staaten haben, um das in Paris anvisierte 1,5°-Ziel zu erreichen. Dabei spielen
einheitliche oder zumindest vergleichbare Methoden für die Messung von Treibhausgasen eine
wesentliche Rolle – diese existieren bislang lediglich für die „Industrieländer“; die
„Entwicklungsländer“ müssen in diesem Zusammenhang noch Berichtssysteme aufbauen. Ein großer
Punkt ist die Ankündigung von 100 Mrd. €/Jahr für Klimaschutz in Entwicklungsländern.

Gleichzeitig hat die USA den Ausstieg aus dem Abkommen angekündigt, aktuell (2019) ist sie jedoch
noch Teil der Gruppe.

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Abbildung 5-2 Werdegang der COP

Emissionshandel – EU Emissions Trading System (ETS)


Obwohl das Konzept des Emissionshandels aus den USA kommt, hat die EU als erste Wirtschaftsregion
einen Emissionshandel als Teil des Green Package etabliert. Seit 2005 gelten neue Regeln in der CO2-
behafteten Industrie:

- CO2 hat einen Preis in Form eines CO2-Zertifikats, der bei Emission berücksichtigt werden
muss
• Zertifikatspflicht gilt nur für folgende Arten von Anlagen:
o Feuerungsanlagen mit Feuerungswärmeleistung > 20MW (ausgenommen
sind Biomasse und Müllverbrennungsanlagen)
o Kokereien und Mineralöl-Raffinerien
o Metall-, Eisen- und Stahlproduktion
o Zement-, Glas- Keramikproduktion
o Papier- und Zellstoffproduktion
• CO2 wird für fossile Kraftwerke zu einem Teil des Brennstoffpreises und damit
entscheidend für die Merit-Order an der Energiebörse
• Der Flugverkehr soll in Zukunft auch einbezogen werden
• Ca. 46% der CO2-Emissionen der EU sind so abgedeckt (Der Rest wird über andere
Instrumente abgedeckt)
- Jede Emission benötigt den Nachweis eines CO2-Zertifikats à Werden jeden 30.04.
gesammelt und geprüft
• Bei Nicht-Nachweis wird eine Pönale von 100€/tCO2 fällig
• Zertifikate sind nur im jeweiligen Handelszeitraum gültig
- Es werden EU-weite Emissionseinsparziele gesetzt (EU-weit und national) à Unter
Berücksichtigung benötigter Investitionen schwächerer Staaten in die Wirtschaft
• Phase I (2005-2007):

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o 100% kostenlose Zuteilung der CO2-Zertifikate an 25 EU-Mitgliedsstaaten
o Nationale Allokationspläne (NAP) geben unterschiedlichen Ländern
unterschiedlich viele CO2-Zertifikate
• Phase II (2008-2012):
o Bis zu 10% der Zertifikate versteigert, der Rest kostenlos verteilt
o Einführung der Reduktionen durch Investitionen in Drittländern
a. Joint Implementation (JI): Annex-I-Staat investiert in weiteren
Annex-I-Staat
b. Clean Development Mechanism (CDM): Annex-I-Staat investiert in
Klimaschutzprojekte in Land ohne Reduktionsverpflichtung (nicht
Annex-I-Staaten)
• Phase III (2013-2020):
o Keine NAPs mehr, sondern nur noch EU-weite Gesamtobergrenze
o Verstärkte Versteigerungen (20% in 2013 und 60% in 2020)
o Der Rest der Zertifikate gratis (nur auf Basis der „Best Available
Technology“)
o Kraftwerke müssen alle Zertifikate ersteigern
- Die gesamten Emissionen werden durch ein „CAP“ begrenzt und stetig weiter gesenkt
• Die Emissionsmenge wird auf einzelne Emittenten durch Versteigerung (und aktuell
noch Verschenkungen) aufgeteilt
• Reduktion jährlich um bestimmten %-Satz, ab 2021 um 2,2%/Jahr
- CO2-Emissionsrechte sind EU-weit als Commodity handelbar à „TRADE“
• Der Handel wird durch ein Monitoringsystem beobachtet
• Marktgesteuert

Wie oben geschrieben soll das EU-ETS eine marktwirtschaftliche Regelung bieten, die wirtschaftliches
Interesse an Klimaschutz koppelt. Abbildung 5-3 zeigt das Prinzip des Tauschs der Commodity eines
CO2-Zertifikats, dem sogenannten Cap and Trade. Sämtliche Erzeuger von Treibhausgasemissionen, die
in das EU-ETS fallen, müssen CO2-Zertifikate erhalten oder ersteigern, um das Recht zu besitzen, CO2-
Äquivalente auszustoßen. Dabei ist die maximale Anzahl der Zertifikate durch die EU-
Gesamtobergrenze limitiert. Sollte eine Firma nun keinen Bedarf an einem der Zertifikate haben, da
sie z.B. in modernere Technik investiert haben und so Energie sparen oder z.B. ein Kraftwerk keinen
Zuschlag an der Strombörse erhalten haben, dann kann das Unternehmen ihr Zertifikat an eine weitere
Firma verkaufen und so einen wirtschaftlichen Gewinn erzielen.

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Abbildung 5-3 Prinzip des Cap and Trade

Bei einem Blick auf die aktuellen Preise der Zertifikate an der EEX kann folgendes Bild beobachtet
werden:

Abbildung 5-4 Preisentwicklung der CO2 Allowance Certificates an der EEX

Die Preise je Zertifikat (entspricht 1t CO2-Äquivalent) sind von ca. 6€/tCO2 auf nun ca. 27€/tCO2
gestiegen. In den bisherigen Phasen des EU-ETS waren zu viele Zertifikate auf dem Markt vorhanden,
wodurch der Preis in einen Bereich gegangen ist, der für die Unternehmen nur selten eine
Anpassungsmaßnahme notwendig gemacht hat und das Ziel des Systems verfehlte. Der Grund der
Änderung ist, dass

1. Die Obergrenze/Cap weiter absinkt, ab 2021 jährlich um 2,2%


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2. Zum 1. Januar 2019 bis zu 25% aller Zertifikate aus dem Markt entfernt wurden, da diese als
nicht genutzt eingestuft wurden.

Maßnahmen zur CO2-Minderung für Aktoren außerhalb des ETS


Da für kleinere Nutzer eine Einbettung in das ETS viel zu aufwändig wäre, wird hier auf andere Mittel
zurückgegriffen. Es ist zu beachten, dass diese Kleinnutzer zu mehr als 50% für die
Treibhausgasaufkommen verantwortlich sind und daher unbedingt zu Sparmaßnahmen angeregt
werden müssen. Folgende Techniken werden verfolgt:

- CO2-Grenzwerte
• Feste Vorgaben, z.B. für PKW/LKW in g CO2/km
• Verbot veralteter Heizkessel in Deutschland
- CO2-Sonderabgaben
• In Deutschland wird derzeit eine Klimaschutzabgabe für Kraftwerke (älter als 20 Jahre)
diskutiert
- CO2-Steuer bzw. Steuerbefreiung für CO2-arme Brennstoffe
• Z.B. auf Kraftstoffe oder Strom
• In UK gibt es sogar eine zusätzliche, nationale CO2 Steuer bei der Erzeugung von Co2
als Zusatz zum ETS
- CO2-Minderungsverpflichtung für Non-ETS-Bereiche
• In UK sind z.B. Energieversorger verpflichtet, bei ihren Kunden eine CO2-Einsparung
zu erreichen – Energieeinsparmaßnahmen (Energiesparlampen, Dämmung etc.)
werden angerechnet

29
6. Klimaschutz: Energieeffizienz
Wie bekannt beschreibt die Umwelt- und Klimaschutz die dritte Facette des energiepolitischen
Dreiecks. In diesem Kapitel wird der dritte Punkt, die Effizienz, forciert.

Eine Erhöhung der Effizienz der Nutzgeräte bei gleichbleibendem Verbrauch ist ein einfacher Schlüssel
zur schnellen und sinnvollen Reduktion der aufgewandten Primärenergien. Es kann das gleiche
Nutzerverhalten fortgeführt werden, das vorher stattfand, und dennoch wird den Verlusten im Laufe
der gesamten Wertschöpfungskette vorgebeugt. Wenn weniger verbraucht wird, geht im Prozess
weniger verloren und es muss deutlich weniger produziert werden.

Auf Seiten des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) wird aus diesem Zwecke viel
Werbung gemacht, da so ein Umstellen des Nutzerverhaltens vermieden werden kann. Letzteres ist in
Wahlen häufig unbeliebt und wird daher ungerne verfolgt. Allerdings ist die Resonanz auch für die rein
technische Effizienzsteigerung bislang noch sehr gering.

6.1. Energieeffizienz in der EU


In der EU wurden und werden verschiedene großangelegte Pläne gelegt, um dem Klimawandel
entgegenzuwirken. Die Folgenden sind die wichtigsten und werden kurz in Stichpunkten vorgestellt.

EU-Energiepaket (Green Package) 2010 – 2020: 20 20 20


- CO2-Minderung um 20% (max. 30%) gegenüber 1990 in der EU
• Weg: EU Emissionshandel
- Erneuerbare Energien zu 20% Anteil am Gesamtenergieverbrauch
• Weg: Nationale Aktionspläne (NAP)
- Energieeffizienz für 20% Energieeinsparung im Vergleich zu dem für 2020 prognostizierten
Business as Usual (BAU) Fall (DE Case wurde 2008 durch unabhängigen Dritten erstellt)
• Weg: EU-Energieeffizienz-Richtlinie

EU-Energieeffizienz Richtlinie 2012


- Festlegung nationaler Energieeffizienzziele für 2020 – EU-Richtlinie muss in nationales Recht
umgesetzt werden
- Sanierungsrate für Gebäude der Zentralregierung von 3 % pro Jahr
- Verpflichtende Energieeinsparung der Mitgliedstaaten im Zeitraum 2014 bis 2020 von jährlich
durchschnittlich 1,5 %
- Verpflichtende Durchführung regelmäßiger Energieaudits in großen Unternehmen.
Energieaudits sind Analysen und Empfehlungen durch dritte Beratungsinstitutionen. Die
Firma erhält durch die Durchführung dieser Steuervorteile, jedoch sind sie nicht an das
Realisieren der Empfehlungen gebunden.
- Kraft-Wärme-Kopplung: verpflichtende Durchführung einer Kosten-Nutzen-Analyse bei
Neubau oder Modernisierung von Kraftwerken und Industrieanlagen.

EU-Energieunion (Governance Verordnung) 2021 – 2030: 30 40 32


- CO2-Minderung um 40% gegenüber 1990 in der EU
• Weg: EU Emissionshandel
- Erneuerbare Energien zu 32% Anteil am Gesamtenergieverbrauch
• Weg: Nationale Aktionspläne
- Energieeffizienz für 32,5% Energieeinsparung im Vergleich zu dem für 2030 prognostizierten
Business as Usual (BAU) Fall (DE Case wurde 2008 durch unabhängigen Dritten erstellt)
30
• Weg: EU-Energieeffizienz-Richtlinie

Zusätzlich müssen die EU-Staaten bis Ende 2019 konkrete National Climate and Energy Plans (NCEP)
vorlegen. Diese sollen genaue Schritte vorstellen, die die Einhaltung der Ziele der Governance
Verordnung ermöglichen. In Deutschland können beispielsweise folgende Maßnahmenpakete genannt
werden:

6.2. Energieeffizienz in Deutschland


Die Bundesregierung hat am 28. September 2010 ein Energiekonzept vorgestellt, das auf die
Verringerung des Energieverbrauchs gegenüber dem Referenzjahr 2008 reduzieren soll. Dabei wird
insbesondere der Primärenergieverbrauch betrachtetet und es wird eine Reduktion um 20% bis 2020
und 50% bis 2050 angestrebt. In nachfolgender Tabelle sind Beispiele für Maßnahmen zur
Energieeffizienzsteigerung dargestellt, wobei zusätzlich in Strom, Wärme und Kälte, sowie Transport
unterschieden wird.
Tabelle 6-1 Umsetzung der Energieeffizienz in Deutschland

Privat Gewerbe/Industrie
Strom - Sparsamere Haushaltsgeräte - Beratung (dena, EVU,
(Energielabel, Top Runner) Dienstleister als
- Beratung (dena, EVU) Kundenbindungsservice
- Energiesparlampen - Verpflichtung zu
- Reduzierung Standby Energiemanagementsystemen
Verbräuche für Ökosteuerbefreiung
- Smart Meter – detaillierte - Industrie: Prozessoptimierung
Verbrauchsinformationen
Wärme und - Gebäudeeffizienzstandards - Gebäudeeffizienzstandards
Kälte (EnEV) (EnEV)
- KfW-Förderprogramme - KfW-Förderprogramme
- Lösung des Mieter-Vermieter- - Facility Management
Dilemmas* - Sparsame Klimatisierung
Transport - Verpflichtung der Hersteller zu - Verpflichtung der Hersteller zu
CO2-Grenzen für die Flotte CO2-Grenzen für die Flotte
- Ökosteuer (bislang zu gering, - Ökosteuer
um Auswirkung zu haben) - Tempolimit
- Tempolimit - Förderung Bahntransport,
Maut

* Mieter-Vermieter Dilemma: Renovierung durch den Mieter erhöht die Kaltmiete, die der Vermieter
verlangen könnte. Das ist wegen Mietpreisbremse ab einer bestimmten prozentualen Wertsteigerung
jedoch häufig nicht erlaubt, demnach muss der Vermieter die Wohnung unter dem neuen Wert
vermieten, oder kann die Renovierung nicht erlauben.

Wie zu Anfang bereits erläutert, ist die bisherige Resonanz auf die vorgestellten Programme eher
gering. Privathaushalte, Gewerbe/Industrie und Transport weisen jeweils Konflikte auf, die einer
Steigerung der Energieeffizienz entgegenwirken. Folgende Argumente sind für die einzelnen
Agierenden besonders entscheidend:

Privathaushalte:

- Fehlendes Verbrauchsbewusstsein und mangelndes Interesse


- Kein Budget für Anschaffung sparsamerer Geräte
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- Bei Anschaffung eines neuen Geräts wird Altgerät weiter genutzt
- Zunehmende Stromnutzung (IT, Klima, Komfort)
- Mieter-Vermieter-Dilemma: Vermieter dürfen Miete nach Sanierung trotz
„Warmmietenneutralität“ nicht anheben

Gewerbe/Industrie:

- Energiekosten sind nicht die entscheidenden Faktoren und werden daher selten beleuchtet
- Kein Budget für neue Investitionen, Budget wird lieber für andere Zwecke eingesetzt
(Produktentwicklung, Marketing, etc.)
- Neuanschaffungen rentieren sich häufig nicht, da alte Geräte noch vorhanden sind und
funktionieren

Transport

- Recht auf individuelle Route kann durch Schiene und ÖPNV nicht so gegeben werden, wie es
bei Individualverkehr der Fall ist

In Summe der Gründe, die eine Reduktion des Energiekonsums nach sich ziehen, sind die Ziele der
Bundesregierung nach aktuellem Stand nicht zu erreichen und es sind weitere Maßnahmen notwendig.
Aus diesem Grunde wurde am 03. Dezember 2014 der Nationale Aktionsplan Energieeffizienz (NAPE)
beschlossen, der erstmalig Maßnahmen bündeln und neue Wege anstoßen soll. Dieser basiert auf den
drei Hauptpfeilern:

- Informieren: Energieberater für Verbraucher


• Hier soll das Angebot weiter ausgebaut werden und so ein besserer Wissensstand in
der Bevölkerung angeregt werden, der in erhöhter Nutzung energiesparender
Technologien resultiert.
- Fördern: Finanzielle Förderung vom Staat
• CO2-Gebäudesanierungsprogramm mit vergünstigten Krediten durch die KfW-Bank für
private Wohneigentümer
• Förderprogramm für Neubau und Sanierung gewerblicher Gebäude
• Förderung von Maßnahmen zur Nutzung erneuerbarer Energien im Wärmemarkt
(MAP) für private und gewerbliche Investoren
• KWKG zur Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung
• Ausweitung des Gebäudesanierungsprogramms
• Einführung eines neuen Ausschreibemodells
• Etc.
- Fordern: Gesetzliche Vorgaben für Gebäude im Neu- oder Umbau*
• EnEV mit Vorgaben zur Gebäudeeffizienz
• EEWärmeG mit Vorgaben zur Nutzung Erneuerbarer Energien zur Bereitstellung von
Wärme und Kälte in Gebäuden
• Etc.

* Die Vorgaben können nur für Neubau oder Modernisierungen vorgeschrieben werden. Bestand kann
aufgrund des BGBs nicht nachträglich bemängelt werden.

Im Bereich Fördern und Fordern sind nun verschiedene Gesetze und Verordnungen entstanden. Diese
greifen dabei gegenseitig aufeinander zu und verweisen zum Teil auf weitere Richtlinien, DIN-Normen
und anerkannte Regeln der Technik. Abbildung 6-1 zeigt den Zusammenhang

32
Abbildung 6-1 Rechtliche Zusammenhänge der Gesetze, Verordnungen und Richtlinien zur Energieeffizienz

Die einzelnen Dokumente der EnEG, EnEV und das EEWärmeG sollten ursprünglich in einem
allumfassendes Gebäudeenergiegesetz (GEG) kombiniert werden. Dabei war besonders der
Niedrigstenergiegebäudestandard KfW-55-2019 für öffentliche Gebäude eingeführt werden. Das GEG
ist allerdings gescheitert, da die Unionsfraktion die zu lange Amortisationszeit der KfW-55 Häuser
bemängelt hat.

33
7. Erneuerbare Energien – Motivationen und Ziele
Der Ausbau der Erneuerbaren Energien stellt neben dem Emissionshandel und der Effizienzsteigerung
das dritte Instrument der Energiepolitik zum Klimaschutz dar. Hier ist es also darauf abgezielt, die
konventionelle Erzeugung durch nachhaltige Erzeugung ausgetauscht wird. Während für lange Zeit und
auch heute noch in vielen Ländern Subventionen notwendig waren, bzw. sind, erreichen die EE in mehr
und mehr Ländern die sogenannte „Grid Parity“. Dies bedeutet, dass die Levelized Costs of Energy
(LCOE) so weit gesunken sind, dass folgende zwei Zustände eintreten:

1. Der Stromhandelspreis der EE ist wettbewerbsfähig: Eine nicht subventionierte Vermarktung


des erneuerbaren Stroms ist möglich (LCOE der EE ist also gleich oder kleiner als die LCOE
konventioneller Kraftwerke).
2. Die LCOE der EE sind so niedrig, dass der normale Strombezugspreis darüber liegt und eine
Eigenversorgung sinnvoll wird.

Bei weitergehendem Interesse zu den Stromgestehungskosten, also den LCOE, kann auf die
regelmäßigen Studien des Fraunhofer ISE verwiesen werden
(https://www.ise.fraunhofer.de/content/dam/ise/de/docum
ents/publications/studies/DE2018_ISE_Studie_Stromge stehungskosten_Erneuerbare_Energien.pdf).

Die Motivationen für EE können sehr unterschiedlich sein und müssen noch lange nicht immer aus
einer ökologischen Motivation herrühren. Im Folgenden wird eine Reihe an Beispielen genannt,
ebenso wie die Instrumente, die zur Verwirklichung der Ziele eingeführt werden:

Motivation für Erneuerbare Energien

- Klimaschutz
• Vermeidung von CO2 und externen Kosten (Mitigation and Adaptioncosts, etc.)
- Umweltschutz
• Vermeidung von Schadstoffemissionen und daraus resultierenden Effekten und
Kosten (Luftverschmutzung, Gesundheits-/Naturschäden)
- Versorgungssicherheit
• Inländische Energiequelle als Ersatz für unsichere Energieimporte
- Wettbewerb
• Anreize für neue und alternative Anbieter im Erzeugungsmarkt à mehr Wettbewerb
- Wirtschaftliche Faktoren
• Schaffung von Exporttechnologien
• Schaffung von Arbeitsplätzen in Industrie und Gewerbe (besonders in
strukturschwachen Gebieten)
• Einflussnahme auf Stromhandelsmarkt (Merit Order, Peak Shaving)
• Vermeidung von Energieimporten
- Elektrifizierung entlegener Gebiete

Instrumente zur Verwirklichung der Ziele

- Ausbauziele: EU bis 2050 mit EE im Stromsektor komplett dekarbonisiert


- Finanzielle Förderung
- Vorrang im Netz
- Bereitstellung Flächen
- Erleichterte Genehmigung
- Breite Akzeptanz
- Erleichterte Finanzierung
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Heutzutage ist EE ein internationales Business. Die Branche wächst rasant mit bis zu 25% jährlich
(weltweit) und spricht Großkonzerne mit Milliardeninvestitionen in Projekte der GW-Klasse an. Der
Fokus liegt international besonders auf Wind und Solar, wobei - gemessen an den Ausbauzahlen - China
und die USA die weltweit größten Player-Nationen sind (EU entspricht zsm. Ungefähr der USA).

In Deutschland wurde durch die Einführung des EEGs ein starker Ausbau bewirkt, welcher nach den
Plänen des EEGs auch so weiter gehen soll. So ist ein Fahrplan bis 2050 gesetzt, der einen 80% EE-
Anteil am Strommix vorsieht. Es ist wichtig, die Unterscheidung zwischen Strommix und Energiemix
zu betonen, da zwar ein großer Ausbau des Stromsektors zu verzeichnen ist, jedoch Wärme und
Mobilität quasi stagnieren und sich bislang nicht in eine nachhaltige Richtung entwickelt haben.

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8. Rahmenbedingungen für EE-Projekte
Für die Rahmenbedingungen genereller Projekte gibt es immer zwei Blickwinkel:

1. Den der Regierung, bzw. des Landes, welches Unternehmen zu sich holen möchte und daher
die politisch-rechtlichen Rahmenbedingungen schaffen möchte. Hier wird insbesondere
begutachtet, welche administrativen Probleme bestehen, was andere Länder in ihrer
Situation gemacht haben und wie ein Gesetzespaket im eigenen Land in Kraft gerufen
werden kann.
2. Den der Unternehmen, die den besten Standort für Projekte finden wollen, um dorthin zu
investieren. Hier soll entschieden werden, ob sich das Risiko des Investments lohnt, wie das
Potential aussieht und ob Erfahrungswerte bestehen. Dieser Punkt wird in diesem Kapitel
hervorgehoben.

Aus Unternehmenssicht wird beim Screening eines geeigneten Standortes für Projekte im Bereich der
Erneuerbaren Energien überprüft, wie geeignet ein bestimmter Standort für das Vorhaben ist. Dabei
sind neben länderspezifischen LCOE und der wirtschaftlichen Situation des Landes noch weitere,
verschiedene Faktoren entscheidend, zu sehen in Abbildung 8-1. In diesem Kapitel werden sie
Bedingungen vorgestellt und deren Best-Case und Worst-Case vorgestellt.

Abbildung 8-1 Erforderliche Rahmenbedingungen für EE-Projekte

8.1. Ausbauziele für EE


Ausbauziele verdeutlichen, wie ernst es ein Land mit dem Umstieg auf eine nachhaltige
Stromversorgung meint und damit auch, wie die zukünftigen Regierungen Förderungen,
Erleichterungen, etc. vorantreiben werden. Während sich also eine aktuelle Regierung sehr EE-positiv
zeigt, kann es sein, dass die nächste Regierung für eine Bremsung des Ausbaus sorgt. Mit Ausbauzielen
ist die Förderabsicht auf längere Zeit festgelegt und bietet daher mehr Sicherheit für Investitionen.
Gleichzeitig sind die Ziele aber auch nicht verpflichtend, sie stellen lediglich eine Absichtserklärung
dar.
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In der EU sind Beispiele für Ausbauziele z.B. das Green Package für 2010 bis 2020 oder die Governance
Verordnung für 2021 bis 2030. In Deutschland sind mit dem EEG sogar Ausbauziele bis 2050 gesetzt –
die weitläufigsten NAPs weltweit.

Bis Ziele oder sogar Gesetze realisiert werden können, benötigt es viele Schritte, bevor ein rechtlich
bindendes Gesetz in Kraft tritt. Diese sind in Abbildung 8-2 dargestellt.

Abbildung 8-2 Schritte zur Verwirklichung eines gesetzlich Fixierten Ausbauplans

Aus Sicht eines Unternehmens können mit Blick auf Ausbauziele daher folgende Worst-Cases und Best-
Cases eintreten:
Tabelle 8-1 Worst/Best Cases für die Investitionsrahmenbedingung der Ausbauziele

Worst case Best case


Ziele werden angekündigt, aber nicht umgesetzt
Realistische Ziele werden angesetzt
Ziele werden von Folgeregierung widerrufen Bestehende Ziele werden verschärft, d.h. höher
gesetzt
Ziele sind nur kurzfristig und bieten nicht Ziele werden von nächster Regierung erhöht
genügend Sicherheit für Firmeninvestitionen
Geringes Gesamtausbauvolumen (Mark zu Technologien werden neu in Zielerfüllung
schnell gesättigt) einbezogen
Technologien werden selektiv ausgeschlossen
(„Wir machen hier kein PV“)
Unternehmen werden selektiv ausgeschlossen
(„Wir nehmen keine deutschen Firmen“)

8.2. Netzzugang
Auch der Netzzugang ist ein entscheidender Faktor, der beachtet werden muss, bevor Investitionen
für Projekte an einem neuen Standort getätigt werden. Wird beispielsweise kein unverzüglicher
Netzanschluss genehmigt und es kann nicht genau gesagt werden, wann der Netzanschluss eintritt,
entstehen Probleme in der Zeitplanung. Diese Ungewissheiten werden i.d.R. „contingencies“ genannt.
Im Folgenden ist, analog zum vorherigen Kapitel, eine Darstellung der Worst und Best Cases gegeben.
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Tabelle 8-2 Worst/Best Cases für die Investitionsrahmenbedingung des Netzzuganges

Worst case Best case #EEG


Fehlende Netzkapazitäten zum Abtransport Unverzüglicher, vorrangiger Anschluss und
Abnahme
Diskriminierungen gegenüber anderen Netzbetreiber bei Netzengpässen unverzüglich
Marktteilnehmern zu NOVA verpflichtet
Lange Wartezeiten auf Netzanschluss Kompensation bei Einspeisemanagement
(Abschalten EE aufgrund Netzengpass)
Widerspruch zwischen Regulierung (übermäßige EE-Betreiber muss nur Anschluss bis an
Kostensenkung) und erforderlichem Netzausbau geeigneten Anknüpfungspunkt bezahlen
Zusatzkosten durch Netzanschluss durch Firma Unverzügliche Aktion des NB bei Anfrage des AB
getragen

8.3. Genehmigungen
Bei Genehmigungen ist insbesondere auf contingencies zu achten, die je nach lokaler Gesetzes- und
Behördenlage auftreten können. Gerade da es je nach lokaler Gesetzeslage eine Vielzahl an nötigen
Genehmigungen geben kann, entstehen hier viele Möglichkeiten, an denen Verspätungen auftreten
können oder auch Bürgergruppierungen einhaken können. Im Folgenden erneut die Tabelle zum
Vergleich guter und schlechter Genehmigungsvorschriften.
Tabelle 8-3 Worst/Best Cases für die Investitionsrahmenbedingung der Genehmigungen

Worst case Best case


„Red-Tape“: Umständliche Verfahren mit zu „One Stop Shop“: Eine zentrale Behörde für den
vielen Ansprechpartnern (Behörden, etc.) gesamten Genehmigungsprozess
Korruption notwendig à Zerstört Image/ Klare Vorgaben für Genehmigungen ohne
Corporate Social Responsibilty Auslegungsspielraum
Diskriminierung „Nur Kubaner dürfen hier Klar definierter Zeitrahmen
bauen“
Verschleppte Verfahren à Ausbremsung Klar definierte Stakeholder
Intransparenter, unsicherer bzw. schlecht Klar definierte Spielregeln
formulierter Gesetzesrahmen (mit
Auslegungsspielraum)
Widersprüchliche Interessen der Behörden (z.B.
Naturschutz vs. Klimaschutz)

8.4. Politische Unterstützung und Akzeptanz


Es wird immer passieren, dass eine Gruppierung gibt, die sich gegen das Projekt stellt. Innerhalb der
meisten Gesetzesrahmen müssen lokale Gruppen und/oder Behörden angehört werden und ihnen
werden Klagemöglichkeiten eingeräumt, um sich gegen den Bau zu wehren. Sollte dies auftreten, dann
müssen Kompromisse gefunden werden, die den Interessen aller gerecht werden. Analog zu vorher,
hier die Tabelle:
Tabelle 8-4 Worst/Best Cases für die Investitionsrahmenbedingung der Akzeptanz in der Bevölkerung

Worst case Best case


Übergeordnete Politik (NAP) finden keinen Gemeinschaftliches Interesse
Widerklang in lokaler Politik („Energiewende ist
mir egal, mir geht es um mein Geschäft“)
Gut platzierter Protest einzelner Gruppen kann Lokale Politik pro-aktiv und sehr unterstützend
das Projekt stoppen (z.B. durch Finden einer

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Lücke im Vertrag, wodurch das Projekt Großes Interesse der Bevölkerung an
abgebrochen) erfolgreichem Projekt
Kompromisslosigkeit Erfolgreiche Kompromisse
Angreifbare Genehmigungsverfahren Klar definierter Rahmen
Schlechtes Image und schlechte Kommunikation

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9. Fördersysteme
Zwar haben manche EE-Formen unter gegebenen Standortbedingungen bereits Grid Parity erreicht
und können auch ohne Förderung am Markt bestehen, allerdings gilt dies noch nicht für den Großteil
der Anwendungen. Diese müssen weiterhin finanziell unterstützt werden, wobei verschiedene
Methoden in unterschiedlichen Ländern verwendet werden. Die Förderung selbst wird, je nach Modell,
auf die Verbraucher umgelegt oder es wird vom Staatshaushalt gezahlt. Aus Sicht der Finanzierung sind
einige Modelle zu bevorzugen, da Kredite durch Banken Sicherheit verlangen, was nicht bei allen
Fördersystemen gleichermaßen gegeben ist.

9.1. Arten der Fördersysteme


Es bestehen verschiedene Faktoren, nach denen die Fördersysteme unterschieden werden können. Im
Folgenden werden diese aufgelistet, wobei je Kriterium verschiedene Ausprägungen vorkommen
können.
Tabelle 9-1 Mögliche Merkmale eines EE Fördersystems

Ausprägung der Kriterien Erläuterung


Fördergröße
Investitionsförderung Zahlung für installierte kW/investierte €, z.B.
KfW, Investment Tax Credit
Erzeugungsförderung Zahlung für gelieferte kWh, z.B.
Einspeisevergütungen, Prämien,
Grünstromzertifikate, Steuervorteile oder
reduzierte Strombezüge (Net Metering)
Finanzierungsherkunft
Umlage Umlegung auf Verbraucher der Energie
Staatshaushalt Bestandteil des Staatenhaushalts à
Regelmäßige Entscheidung über Fördermenge
(z.B. in USA)
Unternehmen Bei Grünstromzertifikatehandel
Zeit
Feste Förderdauer Unabhängig von Betrieb z.B. 20 Jahre
Feste Betriebsdauer Begrenzte Anzahl der Volllaststunden
Ertragsabhängigkeit Förderdauer abhängig von Ertrag, z.B.
Referenzertragssystem im EEG, Brennstoff, etc.
Abhängigkeit von Förderdauer abhängig von der Region, Küstendistanz,
geographischen Gegebenheiten etc.
Stauchung der Förderdauer Möglichkeit der Stauchung mit höherer Zahlung
Technologie und Größe
Technologie- und Größenneutral Alle EE-Träger gleichermaßen gefördert
Technologiedifferenzierung Unterschiedliche EE anders gefördert (Wind, Solar, etc.)
Größendifferenzierung Größenklassen unterschiedlich gefördert, z.B. bei
Biomasse
Zusatzkriterien z.B. Abgasaufbereitung, Innovation, CO2
Ausschlusskriterien Ausgrenzung versch. Technologien, z.B. Wasserkraft
>20MW, Anteilsgrenze für Mais-Biogas
Nebenklauseln
Local content Vorgeschriebener Anteil der Wertschöpfung „made in X“

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Local players Nur lokale Unternehmen gefördert, nur Joint Ventures,
etc., z.B. in China
Ausschluss spezieller Investoren Ausschluss von z.B. Monopolisten, große Firmen
CO2 Footprint für Anlagen Maximal XX tCO2 je kWh, ggf. Einbezug des
und/oder Brennstoffe Transportwegs
Etc. à Alles Mögliche

9.2. Beispiele für Fördersysteme


Net Metering
Das Net Metering basiert auf einer einfachen Bilanzrechnung mit Hilfe des Stromzählers. Bei Bezug von
Elektrizität aus dem Netz erhöht sich der Zählerstand und der Mehrbetrag muss mit dem
Strombezugspreis verrechnet werden. Bei Einspeisen ins Netz wird der Zähler zurückgedreht und der
zu zahlende Energiebetrag reduziert sich. Dabei sind häufig Beschränkungen angehängt, die z.B. ein
negatives Saldo auf einige Male im Monat beschränken. Ein Problem des Net Metering ist es, dass bei
negativem Saldo auch die Steuern innerhalb des Strombezugspreises zurückgezahlt werden, also mehr
verdient wird, obwohl der Staat Abgaben beziehen wollte. Zusätzlich ist hier mit einer hohen
Einspeisung ein möglichst teurer Anbieter von Vorteil, was gegen den normalen Marktdruck wirkt.

Direktvermarktung
Bei der Direktvermarktung verkauft der Anlagenbetreiber seinen Strom an einen Händler, welcher die
Energie am Stromhandelsmarkt vertreibt. Auch sind Power Purchase Agreements (PPA) möglich, also
die Direktabnahme des Stromes durch einen Energienutzer. Der Anlagenbetreiber erhält den
Handelspreis. Die Direktvermarktung ist keine Förderung, allerdings die Basis für das Prämienmodell
und den Grünstromzertifikatehandel. Das Funktionsschema ist in unterer Abbildung dargestellt.

Abbildung 9-1 Prinzip Direktvermarktung

Der Stromanbieter muss am Strommarkt garantieren, dass die verkaufte Menge geliefert wird. Dies ist
bei volatilen Energieträgern schwierig, daher müssen Händler bspw. für Reservekapazitäten sorgen
oder andere Erzeugungsanlagen, welche steuerbar sind, bereithalten. Dieser Service wird durch
verschiedene Direktvermarkter auch gegen Provision angeboten, sodass z.B. Statkraft für einen EE-
Erzeuger Vermarktung und Ausgleich am Liefertag übernimmt.

Die direkte Abhängigkeit des Einkommens vom Marktpreis erzeugt das sogenannte
Gleichzeitigkeitsproblem. Durch die gleichzeitig erhöhte Einspeisung durch z.B. PV oder Windanlagen
fällt der Verkaufspreis am Markt. Damit reduzieren sich diese Energieträger effektiv das eigene

41
Einkommen. Insbesondere die nachmittägliche Lastspitze wird durch hohen EE-Anteil ausgeglichen,
sodass hier mitunter relativ niedrige Verkaufspreise auftreten. Durch die Gleichzeitigkeit werden
Einkommensreduktionen von über 10% prognostiziert.

Einspeisevergütung/Feed-in tariffs (FIT)


Beim FIT erhält der Anlagenbetreiber einen festen Abnahmepreis über die Förderdauer vom
zuständigen Netzbetreiber. Nach Ende der Förderdauer wird häufig nur noch Direktvermarktung
betrieben. Dieses Fördersystem erlaubt eine sehr einfache Abrechnung und wird daher im Großteil der
Länder für solche EE-Anlagen genutzt, die zu klein sind, um sie in aufwändigere Systeme einzubetten,
z.B. kleine PV. In manchen Ländern wird bei der Einspeisevergütung auch die Inflationsrate
miteinbezogen, sodass sich der ausgezahlte Geldbetrag/kWh mit der Zeit ändert. Das
Funktionsschema ist in unterer Abbildung dargestellt.

Abbildung 9-2 Prinzip Einspeisevergütung

Eine besondere Form der Einspeisevergütung ist der britische Contract for Difference (CfD), welcher
für EE und Low Carbon Kraftwerke eingesetzt wird (auch Kernkraft). Hier wird die Differenz vom
selbstvermarkteten Einkommen zu einem Fixpreis/kWh (sogenannter Strike Price SP) gezahlt.
Allerdings muss in dem Fall, dass der Marktpreis den Fixpreis übersteigt, die Differenz zum Strike Price
zurückgezahlt werden. Probleme treten hier vor allem bei negativen Strompreisen auf, da die
Förderung, dann immer noch zum SP aufrundet und so hohe Kosten aufkommt und der Preis durch
anhaltende Einspeisung weiterhin fällt. Zusätzlich regeln beim CfD viele Anlagenbetreiber eher ab, als
den zusätzlich erwirtschafteten Betrag zurückzuzahlen.

Prämien-/Bonussystem
Beim Prämienmodell nutzt der Anlagenbetreiber die Direktvermarktung und ergänzt ihn durch einen
Bonus für seine „grüne“ Stromerzeugung. Dabei kann dieser Bonus so gestaltet sein, dass er fix ist oder
in der Summe mit dem Direktvermarktungserlös einen fixen Betrag ergibt (wie beim CfD). Je nach Land
können hier auch jährliche Anpassungen der Bonushöhe oder eine Anpassung an die auftreten.
Manche Länder, z.B. Spanien, bieten auch eine Wahlmöglichkeit zwischen FIT und Bonus. Das
Prämiensystem findet bspw. in Spanien, Norwegen und Dänemark Anwendung. Nachfolgend ist das
Schema des Prämiensystems noch einmal aufgeführt.

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Abbildung 9-3 Prinzip Prämienmodell

Grünstromzertifikatehandel/Quotenmodell – Green certificate trading/Quota model


Das Quotenmodell basiert auf der Verpflichtung der Unternehmen, dass sie eine bestimmte
Grünstromquote erreichen, also mindestens XX% des bezogenen Stroms grün erzeugt wurde. Bei
Nichterfüllung muss Strafe gezahlt werden und die Einhaltung wird mittels Vorweisung von
Grünstromzertifikaten nachgewiesen. Anders als beim Emissionspapierhandel verfällt die
Nachweispflicht nach der Strafzahlung und es muss nicht noch weiterhin ein Zertifikat vorgewiesen
werden.

Grünstromzertifikate erhalten EE-Anlagenbetreiber für erzeugte MWh (ggf. erhalten manche


Energieformen mehr Zertifikate je MWh, als Andere). Die Zertifikate können unabhängig vom
generierten EE-Strom gehandelt werden, es entsteht also ein externer GSZ-Handelsmarkt, der zum
Teil länderübergreifend ist. Die Zertifikate besitzen Herkunftsnachweise, welche international
standardisiert sind (Renewable Energy Vertificate System RECS à Guarantees of Origin). Für die
Zertifikate ist ein Höchstpreis festgelegt, der am Markt verlangt werden kann. Solange nicht zu viele
Zertifikate am Markt vorhanden sind, liegt der Handelspreis daher meist knapp unter dem Höchstpreis.
Das Schema des GSZ ist unten dargestellt. Das GSZ-System wird innerhalb der EU in UK, SE, I und PO
angewandt. In der USA nutzen 29 Staaten den analogen Renewables Portfolio Standard (RPS).

Abbildung 9-4 Prinzip Grünstromzertifikatehandel

Im GSZ wird die Förderung der EE also durch Unternehmen gezahlt, anstatt durch Verbraucherumlagen
oder den Staatshaushalt. Dabei stellen viele Firmen die Grünstromzertifikate so dar, als würden sie
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durch Erwerb dieser „Grünstrom“ beziehen, also Strom aus EE. Dies ist nicht der Fall. Sie zahlen zwar
dafür, dass EE gefördert werden, allerdings ist der Zertifikatemarkt vom physischen Strommarkt
getrennt.

Die Strafzahlungen werden in manchen Staaten durch den Staat eingesammelt (Sv, It), in anderen
werden sie anteilsmäßig an solche Unternehmen ausgezahlt, die ihre Quoten erfüllen (UK).

Ausschreibungen – Tender/Auctioning
Bei dem Ausschreibungsmodell ist die Idee, dass der Wettbewerbsdruck die Bieter zu den
geringstmöglichen Preisen anleitet und so zur Grid Parity führt. Hier wird, wie zu sehen in Abbildung
9-5, eine Leistungs-, Erzeugungs-, oder Vergütungsmenge ausgeschrieben und verschiedene Bewerber
nehmen am Wettbewerb teil. Der günstigste Bieter erhält die Förderung und erhält entweder sein
eigenes Angebot oder den höchsten noch bewilligten Zuschlag.

Abbildung 9-5 Mögliche Zusammensetzung des Ausschreibungsmodells

Vor- und Nachteile des Ausschreibungssystems sind:


Tabelle 9-2 Vor- und Nachteile des Ausschreibungsmodells

Vorteil Nachteile
Senkung der Kosten Aufwändige Bürokratie
Kapazitäts- und Kostenentwicklung wird leichter
Anfällig für „Bieterkartell“ à
planbar Kontrollmechanismen nötig
Längerfristige Planung erleichtert simultanen
Nichtrealisierung zugeschlagener Projekte
Infrastrukturausbau und erhöht
möglich
Planungssicherheit für Investoren è Zubaupflicht und Pönalen notwendig
è Genehmigungen müssen vereinfacht und
beschleunigt werden
Ggf. können Standorte mit Garantien für Bei Ausschreibung von erzeugter Arbeit ist das
Genehmigungen und Baubeginn versteigert Ergebnis unsicher, da Prognose nur bedingt
werden genau

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9.3. System der USA
Die verwendeten Fördersysteme unterscheiden sich in der USA, so wie auch in der EU, zwischen den
einzelnen Staaten. Dabei haben auch die einzelnen Staaten unterschiedliche Renewables Goals als
Absichtserklärungen. Diese sind häufig jedoch so gering, dass sie kaum zum EE Ausbau anregen.
Zusätzlich kommt es auch vor, dass die Strafzahlung für die Nichteinhaltung einer Quote (bei
Grünstromzertifikatehandel = Renewables Portfolio Standards RPS) so gering sind, dass sie kaum
Macht besitzen.

Im Gegensatz zu den europäischen Systemen basiert das Einkommen der Anlagenbetreiber in der USA
stark auf Steuererleichterungen. Abbildung 9-6 zeigt die verschiedenen Komponenten, aus denen sich
das Einkommen zusammensetzt. So Addieren sich Einträge durch den Stromverkauf (Power), die
Steuererleichterung der gesamten USA, den Grünstromzertifikateverkauf innerhalb des Bundesstaates
(sofern hier angewandt) und weitere Steuervorteilen.

Abbildung 9-6 Komponenten des Einkommens der EE Anlagen in den USA

Die Fokussierung auf Steuererleichterungen macht das System vor allem für Unternehmen interessant,
die ein hohes Steueraufkommen haben. Für solche Teilnehmer, die keine hohen Vorteile aus
Rückzahlungen aus dem Steuersystem erhalten, bleiben daher nur geringe Fördersummen.

45
9.4. Worst case und Best Case

46
10. Stadtwerke
10.1. Das Geschäftsfeld der Stadtwerke
In Deutschland sind fast 800 Stadtwerke im Energiemarkt tätig. Stadtwerke zeichnen sich dadurch aus,
dass Städte und Kommunen Mehrheitseigner oder vollständiger Besitzer des EVU sind. So besitzt die
Stadt Köln bspw. ca. 80% der Anteile am Unternehmen Rheinenergie. Ähnlich sieht es bei RWE und
Innogy aus. Erwirtschaftete Überschüsse werden häufig zur Quersubventionierung verwendet, also
der Zahlung des ÖPNV oder auch kommunaler Kultur- und insbesondere Sportangebote. Durch die
zunehmende Entwicklung privater EVU nehmen die Stadtwerke mittlerweile weniger Gelder ein, was
bedeutet, dass diese Quersubventionierung weniger Mittel zur Verfügung hat.

Bei der Betrachtung der Wertschöpfungskette können Stadtwerke verschiedene Punkte anbieten, die
private EVU nicht oder nur beschränkt aufweisen. Unten stehende Abbildung zeigt die Schritte
Erzeugung, Handel, Netz und Vertrieb und wie sich Stadtwerke (blau) von normalen EVU (schwarz)
abheben können. Dabei liegt insbesondere in Monopolstellungen wie dem
Telefonnetz/Telekommunikation, dem Abfall und der Wasserversorgung Potential vor, da Stadtwerke
hier quasi-Monopole darstellen. Mittels Contracting können unter Einbezug dieser dann Angebote
gemacht werden, zu denen nur die Stadtwerke die Möglichkeit haben.

Abbildung 10-1 Wertschöpfungskette Energie für Stadtwerke

10.2. Gruppierungen und Verbände für Stadtwerke


Die Interessen der Stadtwerke und Kommunen werden, genauso wie auch für normale Unternehmen,
durch Verbände und Gruppierungen vertreten. Folgende seien an dieser Stelle hervorgehoben:

- Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW)


- Vertritt über 1800 Unternehmen aus den Bereichen Erdgas, Strom, Fernwärme,
Wasser, Abwasser
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- Deckt den Großteil dieser Branchen ab (nur bei Abwasser nur 1/3 abgedeckt)
- Aufgabe: Beratung, Analyse, Lobbying, Entwicklung von Branchenpositionen – keine
technischen Standards
- Verband kommunaler Unternehmen e.V. (VKU)
- Vertritt über 1400 kommunalwirtschaftliche Unternehmen aus den Bereichen Energie,
Wasser, Abwasser, Abfallwirtschaft, Telekommunikation
- Hohe Deckungsquoten in Deutschland, besonders im Bereich Trinkwasser (80%)
- Trianel GmbH
- Führendes wirtschaftliches Netzwerk für Stadtwerke in Deutschland
- Über 100 Gesellschafter und Partner à Stadtwerke sind Anteilseigner
- Aktivitäten: Energieerzeugung, Energiehandel und Unterstützung von
- Organisation gemeinsamer Großinvestitionen sowie Betrieb der Anlagen (EE,
Pumpspeicher, Gasspeicher, Kohle, Gas)
- Thüga-Gruppe
- Umgedrehtes Geschäftsprinzip wie Trianel
- Kapitalpartner und Minderheitsgesellschafter in verschiedenen Städten und
Gemeinden
- Umfasst 560 Städte und Gemeinden mit ca. 100 kommunalen Energie- und
Wasserdienstleistern

Stadtwerke versuchen in der Regel eigene Entwicklungsarbeit und das damit verbundene Risiko für
Technologielösungen zu vermeiden und nutzen dafür sogenannte White Label Lösungen (WLL). Dies
sind angebotene Dienstleistungen durch externe Anbieter, welche ohne Marke (ungelabelt) verkauft
werden. Der Kunde, in diesem Fall die Stadtwerke, wenden dann ihr spezielles Branding an.

10.3. Geschäftsfeld für Stadtwerke im Energiemarkt


Konventionelle Energieversorgung insbesondere mit Gaskraftwerken
Die Haupteinnahmequelle für Stadtwerke besteht heute noch beim Energy Only – Markt, also dem
Nutzen des Arbeitspreises nach dem Merit Order Prinzip. Wie viele andere EVU, die einen hohen Anteil
an konventioneller Energieerzeugung aufweisen, besteht das Problem, dass die Grenzkosten und die
Reduktion des höchstvergüteten Satzes häufig zu einer wirtschaftlichen Abschaltung führen (Merit
Order-Effekt). Weitere Gründe für die fehlende Wirtschaftlichkeit der vielen Gaskraftwerke ist der
Vorrang der EE, sowie niedrige CO2 und Kohle Preise und damit mehr Konkurrenz durch Kohle.

Eine Alternative soll der Kapazitätsmarkt liefern. Hier wird ein Leistungspreis gezahlt, wodurch die
Anlagen für das Angebot ihrer Leistung bezahlt werden, auch wenn sie nichts liefern. Dies ist
insbesondere dafür wichtig, um eine Netzwerkstabilität zu erhalten, solange Erneuerbare Energien und
Energiespeicher dies nicht alleine können. Solche Kraftwerke, die nur für den Stabilisierungsfall laufen,
werden auch „Must-run Kraftwerke“ genannt.

Im Folgenden werden für andere Felder die Chancen und Risiken aufgelistet. Diese sind nicht
exklusiv, sondern stellen lediglich Beispiele dar.

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Kraft-Wärme-Kopplung KWK
Ein häufig genutztes Geschäftsfeld der Stadtwerke sind KWK Anlagen, bei denen sowohl Elektrizität als
auch thermische Energie z.B. in Form von Heißdampf für kommunale Chemieanlagen generiert wird.
Folgende Tabelle zeigt Chancen und Risiken für zukünftige Investitionen in KWK durch Stadtwerke (in
Anlehnung an die Opportunities and Threats einer SWOT Analyse).
Tabelle 10-1 Chancen und Risiken für Stadtwerke im KWK Markt

Chancen Risiken
Förderung von Infrastruktur und Geringere Volllaststundenzahl der Anlagen
Wärmespeichern über das KWKG durch Merit Order
Erschließung von Gewerbe- und Wechsel von wärmegeführtem zu
Industriekunden (z.B. Heißdampf für Chemie) stromgeführtem Betrieb
Neue KWK-Förderung durch Bundesregierung Geringerer Fernwärmeabsatz
Dezentrale KWK-Lösungen und Contracting Zwang zur Investition in Heizkessel oder
Angebote Wärmespeicher aufgrund neuer Standards
EEG-Umlage auf Eigenerzeugung

Fernwärme und Nahwärme


Fernwärmenetze sind ein klassisches Geschäftsfeld der Stadtwerke. Diese bauen und betreiben Netze,
die in kommunaler Umgebung platziert sind und so für die Verbindung mit KWK u.Ä. geeignet sind.
Tabelle 10-2 Chancen und Risiken für Stadtwerke im Fern- und Nahwärmemarkt

Chancen Risiken
Ausweitung der belieferten Gewerbe und Hoher Investitionsbedarf, insbesondere wenn
Industrie regionaler Anschlusszwang herrscht
Aufbau neuer Nahwärmesysteme mit EE Neuerschließung nicht mehr rentabel
Kalte Nahwärme mittels Wärmepumpen Milderes Klima und höhere Energieeffizienz
senkt den Raumwärmebedarf der Nutzer
Wärmecontracting

Erneuerbare Energien
Auch Stadtwerke versuchen an dem Ausbau der EE teilzuhaben.
Tabelle 10-3 Chancen und Risiken für Stadtwerke im Markt der EE

Chancen Risiken
Ausweitung der eigenen Stromerzeugung Teure Zukäufe auch aufgrund des fehlendem
Know How
Bürgerbeteiligungsprojekte Bürgerprojekte laufen ggf. auch eigenständig
und ohne Einbindung der Stadtwerke
Ökostromvermarktung aus eigenen Anlagen Ausschreibungsrisiko: Förderung geht an
bessere Standorte, als in eigener Region
verfügbar
Grüneres Image Fehlende Akzeptanz in eigener Region
Lokale Wertschöpfung Gute Projekte ggf. weit entfernt und mit Bedarf
für Netzausbau

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Netze
Regionale und kommunale Betreiber versorgen vor allem die Verteilnetzebene (60% aller Verteilnetze
durch kommunale Netzbetreiber), allerdings auch einen Teil der Hochspannung.
Höchstspannungsnetze werden nicht durch sie betrieben. Da EE hauptsächlich in der Verteilnetzebene
angeschlossen werden, ist der Netzausbau für die kommunalen VNBs von hoher Bedeutung.
Tabelle 10-4 Chancen und Risiken für Stadtwerke beim Betreiben von Netzen

Chancen Risiken
Rekommunalisierung im Auftrend: lokale Verschärfte Netzregulierung durch
Unternehmen und Initiativen übernehmen Bundesregierung à Renditen werden kleiner
Netzinfrastruktur
Netze sind Cash Cows, da sie benötigt werden Auslaufende Konzessionen werden neu
und sie ihre Marktposition durch vergeben und dabei ggf. nicht an die bisherigen
Konzessionsrecht fest geregelt haben VNB
Stabiles Geschäftsmodell Investitionszwang durch EE Netzausbau und
Ausbaubedarf
Lokale Gebundenheit

Vertrieb Strom und Gas


Beim Vertrieb von Strom und Gas wird es, wie auch für private EVU, immer komplexer und kurzfristiger
auf dem Markt. Anstatt langfristige Absicherungen im Forward-Markt über Jahre zu verkaufen werden
vermehrt Intraday-Trading und kurzfristige Geschäfte bestimmend. Dies liegt, wie bereits einige Male
erläutert, an der Volatilität im Rahmen von Dispatch und Redispatch durch EE. So können z.B. negative
Börsenpreise entstehen oder die Mittagsspitze fällt durch die PV Einspeisung weg.

Beim Verkauf an den Verbraucher stellt sich zusätzlich das Problem, dass Strompreisvergleichsportale
die Verkaufspreise zunehmend reduzieren. Um sich nun noch von der Konkurrenz abzuheben, sind
zusätzliche Anreize nötig, bspw. spezielle Energiedienstleistungen, Contracting oder lokale
Bekanntheit.
Tabelle 10-5 Chancen und Risiken für Stadtwerke beim Vertrieb von Strom und Gas

Chancen Risiken
Ausweitung des überregionalen Geschäfts Wettbewerb mit Konkurrenz reduziert
Verkaufspreis
Verbesserung des regionalen Kundenkontakts Milderes Klima senkt Nachfrage nach Gas und
zum Abheben von der Konkurrenz Strom für thermische Nutzung
Energiedienstleistungen Energieeffizienz senkt Nachfrage
Verknüpfung der Tarife mit anderen Produkten Betreuung der Key Accounts zunehmend
à Contracting schwierig, da mehr Konkurrenz
Angebot neuer Produkte

Elektromobilität
Tabelle 10-6 Chancen und Risiken für Stadtwerke und Kommunen in der Elektromobilität

Chancen Risiken
Ausweiten des Produktportfolios Technische Probleme bei fehlendem Know How
möglich

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Erhöhter Strombedarf à Mehr Erlöse durch Aufbau der Ladeinfrastruktur aufwändig und
Stromangebot teuer
Innovatives Image Invest in Ladeinfrastruktur notwendig, bevor
Abnehmer vorhanden sind, da diese im
Umkehrschluss nur kommen, wenn es
Lademöglichkeiten gibt
Neue Geschäftsmodelle (Carsharing,
Bikesharing, etc.)
Kooperation mit neuen Partnern und damit neue
Betriebe in Kommunen
Zuschüsse von Bund und Ländern
White Label Solutions vorhanden

Telekommunikation
Viele Stadtwerke erweitern mittlerweile ihre Aktivitäten im Bereich kabelgebundene
Telekommunikation

- Nutzung des Knowhows im Bereich Kabelverlegung und Netzbetrieb


- Nutzung des lokalen Footprints • Kopplung mit Stromprodukten (z.B. Ermäßigung des
Internettarifs bei Strombezug)
- Kopplung mit TV-Produkten (vgl. Kabelanschuss)

Insbesondere bei der Telekommunikation ist es möglich, Angebote in Verbindung mit anderem Service
anzubieten, bspw. ein Rabatt auf den Internettarif, wenn gleichzeitig der Strom vom Stadtwerk
bezogen wird.

Contracting
Das Contracting beschreibt ein Geschäftsmodell bestehend aus dem Contracting-Geber, welcher Know
How, Investmittel und Baukompetenz hat, und einem Contracting-Nehmer, welcher Interesse an einer
kostengünstigen Neuanlage hat, allerdings keine Investmittel und kein Know-How hat.

Funktionsweise: Der Contracting-Geber investiert, baut und betreibt die vom Contracting-Nehmer
gewünschte Anlage. Dafür erhält er die Rendite beim Verkauf von Strom und Wärme und eventuellen
Einsparungen. Der Contracting-Nehmer verpflichtet sich für eine bestimmte Laufzeit zur Abnahme
von Strom und Wärme beim Contracting-Geber. Der Abnahmepreis liegt dabei unter dem normalen
Bezugspreis. Bei einer Erneuerung einer Anlage kommen zudem die Einsparungen dazu, die im
Vergleich zwischen alter und neuer Anlage auftreten.

In Kurz: C-Geber erhält Rendite aus Investition, C-Nehmer profitiert von neuer Anlagentechnik und
günstigeren Preisen. Beispiele für Contracting Modelle sind:

- BHKW-Contracting: Betrieb kleinerer KWK-Anlagen z.B. für Industriebetriebe


- KWK-Contracting: Lieferung von Strom und Wärme aus großen KWK-Industriekraftwerken an
Industriebetriebe
- Heizungscontracting: Wärmeversorgung für Gewerbe und Privatkunden (MFH)
- Licht-Contracting: Bau neuer, effizienterer Straßenbeleuchtung für Kommunen, Ersparnisse
werden aufgeteilt
- Druckluft-Contracting: Versorgung von Industriebetrieben mit Druckluft

Hindernisse bei diesem Geschäftsmodell können gesetzliche Einschränkungen (KWKG, EEG


Eigenversorgungsumlage) sein, sowie auch die „Trägheit“ und das Misstrauen auf Kundenseite.
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Mieterstrom
Mieterstrom beschreibt das Modell, in dem ein Mehrfamilienhaus oder eine Gebäudegruppe durch
geteilte Erzeugung durch PV und BHKWs versorgt wird. Es ist also eine Form der Eigenversorgung mit
geringeren Stromgestehungskosten als Netzbezugskosten. Dabei wird die Messstelle für das
öffentliche Netz nicht mehr für jedes Haus einzeln installiert, sondern für die Gruppe der Häuser bzw.
Wohnungen. Bei der Versorgung innerhalb des Quartiers entfallen die Netzentgelte, netzseitige
Umlagen, Stromsteuer, Konzessionsabgabe. Die EEG-Umlage fällt noch anteilig an
(Eigenverbrauchsumlage).

Die Idee des Mieterstromkonzepts wurde initiiert, durch Bau- und Wohngenossenschaften. Dies wurde
auch durch die Bundesregierung in Form des „Gesetzes zur Förderung des Mieterstroms“ aus April
2017 unterstützt (Förderung = normale EEG-Vergütung – 8,5ct/kWh). Damit soll auch den
Mehrfamilienhäusern die Teilnahme an der Energiewende ermöglicht werden.

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