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Karl von Frisch t

11 Aus dem Leben


der Bienen
10. Auflage, ergänzt und bearbeitet
von Martin Lindauer

Springer-Verlag
Berlin Heidelberg New York
London Paris T okyo
Hong Kong Barcelona
Budapest
Mit 153 Abbildungen, davon 33 in Farbe

ISBN-13:978-3-540-56763-9 e-ISBN-13:978-3-642-61235-0
ooI: 10.1007/978-3-642-61235-0

Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York


10. Auflage
Die 1. Auflage erschien 1927 unter dem gleichen Titel
im Springer-Verlag

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründe-


ten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks,
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© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1927, 1948, 1953, 1959,


1964,1969,1977,1993

Redaktion: Ilse Wittig, Heidelberg


Umschlaggestaltung: Bayerl & Ost, Frankfurt, unter Verwendung
einer Illustration von H. Schmidbauer/Superbild
Innengestaltung: Andreas Gösling, Bärbel Wehner, Heidelberg
Herstellung: Andreas Gösling, Heidelberg
Satz: Ulrich Kunkel Textservice, Reichartshausen

67/3130 - 54 3 2 1 0 - Gedruckt auf säurefreiem Papier

IV
Inhaltsverzeichnis

1 Das Bienenvolk .............................................. 1

2 Die Bienenwohnung .... .... ........ .......... ........ .... 5

3 Die Ernährung des Bienenvolkes ................. 16


Was der Honig ist,
und wie ihn die Bienen herstellen ......................... 18
Der Blütenstaub
und die »Höschen« der Bienen ............................ 24
Was die Blumen gewinnen, wenn sie
von den Bienen geplündert werden ...................... 29

4 Die Bienenbrut ..... ........ ........ .... .......... ........ ... 33

_ 5 Der Bienenschwarm ..................................... 54

6 Die Drohnenschlacht ................ ..................... 62

7 Die Arbeitsteilung im Bienenstaat ............... 64


Der Beobachtungsstock
und das Numerieren der Bienen ........................... 64
Die Tätigkeit der Bienen
in verschiedenen Lebensaltern. ........ .......... ........ ... 66
Das Alter der Bienen ............................................ 71

v
Eingriff in die Lebensordnung -
ein Störungsversuch ohne Erfolg ........................ 72
Die Harmonie der Arbeit ................................... 74

8 Der Geruchs- und Geschmackssinn ........... 77


Von der Bedeutung des Blumenduftes ................ 78
Duftdressuren .................................................... 79
Wo haben die Bienen ihre Nase? ....................... 86
Über den Geschmack läßt sich nicht streiten ...... 93
Eine praktische Nutzanwendung ... ...... ........ ...... 97

9 Die Augen der Bienen und ihre Leistungen 100


Farbensehen ...................................................... 100
Bienenauge und Blumenfarben .......................... 107
Vom Bau der Augen .......................................... 117
Sehschärfe und Formensehen der Bienen ..... ...... 124
Die Wahrnehmung von polarisiertem Licht ....... 129

10 Das Orientierungsvermögen ................... 142


Die Bedeutung von Farbe und Duft
als Wegweiser für die heimkehrenden Bienen .... 144
Der Himmelskompaß ........................................ 150
Himmel und Erde in Konkurrenz ...................... 157
Orientierung nach dem Erdmagnetismus ........... 161

11 Wie die Bienen miteinander reden ......... 165


Ein Rundtanz als Verständigungsmittel ............. 167
Die biologische Bedeutung des Blütenduftes,
von einer neuen Seite betrachtet... .... ........ .......... 170
Wie die Bienen den Blütenduft
nach Hause tragen ............................................. 174
Die Regelung zwischen Angebot und Nachfrage 176
Das Duftfläschchen am Bienenkörper .. ........ ...... 179
Der Schwänzeltanz verkündet
die Entfernung der Futterquelle 182

VI
Der Schwänzeltanz weist auch
die Richtung zur Trachtquelle ............................ 193
Die Tänze der Pollensammler ............................ 204
Ein umlegbarer Bienenstock und vom Nachweis
der Wahrnehmung polarisierten Lichtes ............ 207
Tänze auf der Schwarmtraube ........................... 212
Ein künstliches Bienenmodell
alarmiert andere Volksgenossinnen ................... 218
Bienen tanzen im Dienste
der Imkerei und Landwirtschaft ......................... 223
Heilkraft aus dem Bienenvolk ................... .. ....... 226

12 Das Zeitgedächtnis der Bienen ................ 228


Dressur auf Futterstunden ................................. 228
Das Zusammenspiel von innerer Uhr
und äußeren Zeitgebern ..................................... 234
Die biologische Bedeutung des Zeitsinnes .......... 239

13 Feinde und Krankheiten der Bienen 241

14 Auf der Stufenleiter


zum Staat der Honigbienen .... ....................... 256
Einsiedlerbienen .................... ............................. 257
Der Hummelstaat .............................................. 264
Die stachellosen Bienen ...................................... 269
Bei den indischen Bienen .................................... 275

Bildnachweis .................................................... 283

_ Sachverzeichnis ............................................... 285

VII
Vorwort zur 10. Auflage

Auch in den 16 Jahren, die seit der 9. Auflage verstri-


chen sind, hat die Bienenforschung reichlich aus dem Zau-
berbrunnen des Bienenvolkes geschöpft. Um dieses Buch
von Karl v. Frisch, das beim Forscher sowohl wie beim
praktischen Imker, aber auch beim Laien gleichermaßen
Begeisterung geweckt hat, auf den modernsten Stand unse-
rer Kenntnisse zu bringen, habe ich gerne auf Wunsch des
Verlages eine Überarbeitung übernommen. Einige der
wichtigsten Ergänzungen seien genannt:

_ Die Brutammen haben uns ihr Geheimnis verraten,


wie sie durch spezielle Fütterung der weiblichen Lar-
ven die Weichen stellen, ob sich eine Königin oder
eine Arbeiterin entwickelt.
_ Wir erfahren Näheres über die Hygiene in der Bie-
nenwohnung und über die Heilkraft der Propolis.
_ Mit Überraschung nehmen wir zur Kenntnis, daß das
Alter einer Biene durch die absolute Arbeitsleistung,
also durch den Energieverbrauch bestimmt wird.
_ Die elegante Technik der Temperaturregulierung,
insbesondere dann, wenn an heißen Sommertagen die
Gefahr der Überhitzung droht, wird behandelt.
_ Wir müssen uns belehren lassen, daß die alte Lehr-
meinung, Bienen seien taub, falsch ist. Versuche aus

IX
neuester Zeit haben eindeutig ein echtes Hörvermö-
gen nachgewiesen, das vor allem bei der Verständi-
gung durch den Bienentanz wichtige Informationen
vermittelt.
_ Fragen, die zur Orientierung mit Hilfe des polarisier-
ten Lichtes offengeblieben sind, können jetzt endgül-
tig geklärt werden.
_ Lernen und Gedächtnis, diese Geheimkammer in un-
serm Gehirn, öffnet sich mehr und mehr - die Bienen
haben daran wesentlichen Anteil.
_ Die »Roboterbiene«, ein erfolgreich alarmierendes
Bienenmodell, bietet die Möglichkeit, den Bienentanz
nicht nur zu simulieren, sondern auch zu manipulie-
ren und zu demontieren, wobei die Funktion der ein-
zelnen T anzelelemente genau getestet werden kann.
_ Dem Imker, der z. Z. schwer gegen einen neu einge-
schleppten Parasiten, die Varroa-Milbe zu kämpfen
hat, wird mit einem Hinweis auf deren biologische
Bekämpfung Hoffnung für die Zukunft gegeben.

Neue Farbfotos, die der Verlag großzügig mit aufge-


nommen hat, vermitteln dem Leser ein aktuelles, realisti-
sches Bild aus dem Leben der Bienen.

Würzburg, Sommer 1993


Martin Lindauer

x
Vorwort :zur 9. Auflage

Die erste Auflage dieses Büchleins erschien 1927 als


Band 1 der Reihe »Verständliche Wissenschaft«. Aber
nicht das »Jubiläum« seines 50jährigen Bestehens, sondern
neue Erkenntnisse waren der Anlaß, die vorliegende neunte
Auflage gründlich zu überarbeiten.
Wir wußten schon, daß die Biene das polarisierte
Licht am blauen Himmel zur Orientierung benützt; aber
erst jetzt hat man tieferen Einblick gewonnen, wie sie es
fertig bringt, seine Schwingungs richtung wahrzunehmen.
Auch daß sie für die Ausrichtung ihres Wabenbaues sowie
für ihren, biologisch so bedeutsamen Zeitsinn vom Erdma-
gnetismus Gebrauch macht, haben uns die Forschungen
jüngst vergangener Jahre als Überraschung gebracht. Dar-
über hinaus war so viel Neues einzufügen, daß ich durch
Kürzungen an anderen Stellen versuchen mußte, den Um-
fang in Schranken zu halten. 5 Abbildungen sind neu hin-
zugekommen, sechs wurden verbessert, zwei ausgeschie-
den.
Wer sich inmitten der wuchernden Technik noch ei-
nen offenen Sinn für die Natur bewahrt hat, dem wird die
Einsicht in das Leben der Bienen zu einer Quelle der Freude
und des Staunens. Für den Imker bildet sie eine Grundlage
des Erfolges. Dem Lehrer, der Liebe zur belebten Welt in

XI
jugendliche Seelen pflanzen will, bietet sie den schönsten
Stoff.
Dem Verlag sage ich besten Dank dafür, daß er ge-
genüber meinen Wünschen ein offenes Ohr hatte.

München, Ostern 1977


K. v. Frisch

XII
Vorwort zur ersten Auflage

Wenn die Naturforschung allzu scharfe Gläser auf-


setzt, um einfache Dinge zu ergründen, dann kann es pas-
sieren, daß sie vor lauter Apparaten die Natur nicht mehr
sieht. So ist es vor nun bald zwanzig Jahren einem hoch ver-
dienten Gelehrten ergangen, als er in seinem Laboratorium
den Farbensinn der Tiere studierte und zu der felsenfesten
und scheinbar wohl begründeten Überzeugung kam, die
Bienen wären farbenblind. Dies gab mir den ersten Anlaß,
mich näher mit ihrem Leben zu beschäftigen. Denn wer die
Beziehungen der Bienen zu den farbenprächtigen Blumen
aus der Beobachtung im Freien kennt, der mochte eher an
einen Trugschluß des Naturforschers als an einen Wider-
sinn der Natur glauben. Seither hat mich das Bienenvolk
immer wieder zu sich zurückgezogen und immer von neu-
em gefesselt. Ihm verdanke ich, freilich sparsam gesät zwi-
schen Tagen und Wochen des Verzagens und vergeblichen
Bemühens, Stunden reinster Entdeckerfreude. Der Wunsch,
an selbst erlebter Freude andere teilnehmen zu lassen, war
ein Beweggrund zu diesem Büchlein. In ihm werden Beob-
achtungen anderer Forscher und früherer Generationen,
Entdeckungen meiner Mitarbeiter und eigene Befunde brü-
derlich beisammenstehen, ohne daß Namen genannt sind.
Es soll uns nur die Sache interessieren und nicht der Ent-
decker.

XIII
Aber gibt es nicht Bienenbücher mehr als genug? Da
ist das berühmte Werk von Maeterlinck: »Das Leben der
Bienen«, oder von Bonseis: »Die Biene Maja« - beide voll
vortrefflicher Naturbeobachtung, und für den Kundigen
ein Genuß; aber der unkundige Leser wird schwer die
Grenze finden, wo die Beobachtung aufhört und die dichte-
rische Phantasie beginnt. Wer aus dem Leben der Bienen
selbst Erbauung sucht, und nicht aus dem, was schöpferi-
sche Dichtergabe hineingelegt hat, mag sich an die Lehr-
oder Handbücher der Bienenkunde wenden. Aber diese
sind vor allem für den praktischen Imker geschrieben und
darum mit mancherlei Auseinandersetzungen beschwert,
die dem Naturfreund an sich fern liegen; und auch sie sind,
wenn auch frei vom Genius des Dichters, oft nicht frei von
Phantasie. Es bleiben noch die Werke der Wissenschaft.
Ich möchte dem Leser das Interessante aus dem Le-
ben der Bienen übermitteln ohne den Ballast von prakti-
schen Ratschlägen, wie ihn ein Handbuch bringen muß,
ohne den Ballast eines lehrbuchmäßigen Strebens nach
Vollständigkeit, ohne Beschwerung mit Zahlenmaterial,
Protokollen und Belegen, mit denen eine wissenschaftliche
Arbeit gewappnet sein muß, um überzeugen zu können,
aber auch ohne jeden Versuch, die Poesie der Wirklichkeit
phantastisch auszuschmücken.

Brunnwinkl, Ostern 1927


K. v. Frisch

XIV
1 Das Bienenvolk

Der Naturfreund hat zweifach Gelegenheit, mit den


Bienen unschwer eine Bekanntschaft anzuknüpfen: geht
er an einem warmen Frühlings- oder Sommertag einem
blühenden Obstgarten oder einer blumigen Wiese ent-
lang, so sieht er, wie sie sich an den Blüten zu schaffen
machen; und wenn er am Bienenstand eines Imkers vor-
beikommt, so sieht er sie dort an den Fluglöchern ihrer
Wohnungen aus und ein fliegen. Es mögen ein paar Dut-
zend oder mehr als hundert Bienenstöcke sein. Der Imker
kann sich auch, wenn er will, mit einem einzigen begnü-
gen. Aber er kann keine kleinere Einheit haben als einen
»Bienenstock«, ein »Bienenvolk«, dem viele tausend Bie-
nen angehören. Der Bauer kann eine einzelne Kuh, einen
Hund, wenn er will ein Huhn halten, aber er kann keine
einzelne Biene halten - sie würde in kurzer Zeit zugrunde
gehen. Das ist nicht selbstverständlich, es ist sogar sehr
merkwürdig. Denn wenn wir uns in der Sippe der ent-
fernteren Verwandtschaft unserer Bienen umsehen, bei
den anderen Insekten, so ist ein solches zuhauf Zusam-
menleben durchaus nicht allgemeiner Brauch. Bei den
Schmetterlingen, bei den Käfern, den Libellen usw. sehen
wir Männchen und Weibchen sich zur Paarung kurz
zusammenfinden, um sich rasch wieder zu trennen, und
jedes geht seinen eigenen Weg; das Weibchen legt seine

1
Eier ab an einer Stelle, wo die ausschlüpfenden jungen
Tiere Futter finden, aber es pflegt seine eigenen Jungen
nicht und lernt sie gar nicht kennen, denn es kümmert
sich nicht weiter um die abgelegten Eier, und bevor ihnen
die Brut entschlüpft, ist meist die Mutter schon tot. War-
um sind die Bienen voneinander so abhängig, daß sie für
sich allein nicht leben können? Und was ist überhaupt
das »Bienenvolk«?
Gesetzt den Fall, unser Naturfreund könnte des
Abends, wenn alle ausgeflogenen Bienen heimgekehrt
sind, einen Bienenstock aufmachen und seinen ganzen
Inhalt auf einen Tisch schütten - wieviel Bewohner wür-
den wohl zum Vorschein kommen? Nimmt er sich die
Mühe des Zählens und war das gewählte Volk kein
Schwächling, so findet er an die 40 000 bis 80 000 Bie-
nen, also etwa so viele Mitglieder des Volkes, wie der
Einwohnerzahl einer mittelgroßen Stadt - z. B. Aschaf-
fenburg oder Schweinfurt - entsprechen. Dabei hat er die
Bienenkinder noch gar nicht mitgezählt; diese sind nicht
ohne weiteres zu sehen, und so wollen wir vorerst bei den
Erwachsenen bleiben.
Sie schauen auf den ersten Blick alle untereinander
gleich aus. Jeder Bienenkörper ist deutlich in drei Teile
gegliedert: der Kopf trägt seitlich die großen Augen, un-
ten den Mund und vorne zwei Fühler (Abb. 1), die bei
allen Insekten zu finden und bei den Bockkäfern so rie-
senhaft entwickelt sind, daß wir schon als Buben unsere
Freude daran hatten; an der Brust sitzen seitlich zwei
Paar Flügel und unten drei Paar Beine; mit ihr durch eine
schlanke Taille verbunden ist der geringelte Hinterleib.
Bei genauem Zusehen bemerkt man aber doch Ver-
schiedenheiten zwischen den Tieren. Eine Biene ist dabei,
die sich durch ihren langen und schlanken Hinterleb von
allen übrigen Volksgenossen unterscheidet; die Imker be-
zeichnen sie als die Königin (Abb. 1a); an ihr in erster

2
F

,..,...____ ..,. ___ A

H -- -----J'--.:-1

Abb. 1. a Königin (vollentwickeltes Weibchen), b Arbeitsbie-


ne, c Drohne (männliche Biene). K Kopf, B Brust, H Hinterleib, A
Auge, F Fühler (zweifach vergrößert).

Linie hängt das Wohl und Wehe des Volkes, denn sie ist
das einzige vollentwickelte Weibchen im »Bienenstaat« ,
die alleinige Mutter der riesigen Familie.
In größerer Zahl findet man andere Bienen, die sich
durch einen dicken, plumpen Körper und besonders
große Augen auszeichnen; es sind die männlichen Tiere,
die Drohnen (Abb. lc); nur im Frühjahre und im begin-
nenden Sommer sind sie da, wo es darum geht, die jungen
Königinnen zu begatten (s. S. 62); später sind sie nutzlos,
und dann werden sie von den eigenen Volksgenossen
ausgehungert oder gewaltsam in der sog. Drohnen-
schlacht entfernt. Alle anderen Tiere sind Arbeitsbienen
(Arbeiterinnen, Abb. lb); sie bilden die große Masse des
Volkes; es sind Weibchen, doch legen sie unter normalen
Umständen keine Eier; gerade diese Fähigkeit, in der sich
bei der Bienenkönigin und bei anderen Insekten das
weibliche Geschlecht am deutlichsten offenbart, ist bei
der Arbeiterin verkümmert; dagegen sind bei ihr die müt-
terlichen Triebe der Fürsorge für die Nachkommenschaft
in einer bei Insekten unerhörten Weise entfaltet, und sie

3
nehmen der Königin, die dafür gar keinen Sinn hat, diese
Arbeit völlig ab. Also die Königin legt, die Arbeiterin
pflegt die Eier. Die Arbeitsbienen sorgen aber auch für
Reinlichkeit im Stock, sie entfernen Abfälle und Leichen;
vor allem halten sie die gesamte Bienenwohnung prak-
tisch keimfrei. Zu diesem Zweck tapezieren sie alle Wän-
de und auch alle Wabenzellen mit einem hauchdünnen
firnisartigen Belag, der aus Propolis besteht. Näheres
hierzu s. S. 226. Sie sind die Baumeister in der Bienen-
wohnung. Sie sorgen für die rechte Wärme im Stock,
schreiten zu seiner Verteidigung, wenn es not tut, schaf-
fen die Nahrung herbei und übernehmen ihre Verteilung
- alles Dinge, mit denen sich die Königin und die Droh-
nen nicht abgeben.
So sind im Bienenvolke alle aufeinander angewie-
sen und für sich allein nicht fähig, sich zu erhalten.

4
2 Die Bienenwohnung

Der Imker stellt jedem seiner Völker eine hölzerne


Kiste, die »Bienenbeute«, zur Verfügung (Abb. 7, S. 9).
An der Vorderseite ist ein Spalt angebracht, das Flugloch,
durch das die Bienen aus und ein gehen. Früher hatten die
Bienenzüchter statt der hölzernen Kiste Strohkörbe, und
mancherorts blieben sie bis heute in Brauch (Abb. 2).
Der Leser wird fragen: wo haben die Bienen ge-
wohnt, bevor sie der Mensch zu Haustieren gemacht hat?
Die Imkerei ist zwar sehr alt - schon vor 5000 Jahren
haben sich die Ägypter mit Bienenzucht befaßt, wie wir
aus bildlichen Darstellungen in Tempeln und Königsgrä-
bern wissen -, aber die Bienen selbst sind noch viel älter
und haben wild gelebt, bevor sie der Mensch in Pflege
nahm. Der älteste bisher bekannte Fund einer Biene wur-
de in Bernstein konserviert und geht auf ca. 40 Mio.
Jahre zurück (Abb. 3).
Es geschieht nicht selten, daß ein Bienenvolk dem
Züchter entkommt und sich im Walde in einem hohlen
Baum niederläßt. Dies ist die ursprüngliche Bienenwoh-
nung, und da es ehedem mehr hohle Bäume gab als in
unseren heutigen, so wohlgepflegten Wäldern, kannten
die Bienen auch keine Wohnungsnot. Gelegentlich findet
der aufmerksame Wanderer aber auch heute noch in
einem morschen hohlen Baum ein Bienenvolk, wo die

5
Abb. 2. Korbbienenstand an emem Bauernhaus m Übersee,
Oberbayern.

Abb. 3. Eine in Bernstein konservierte Biene, die vor etwa 40


Mil!. Jahren gelebt hat.

6
Abb. 4. Ein Bienenvolk
hat sich in einem hoh-
len Baumstumpf eingeni-
stet.

Bienen durch ein enges Flugloch eifrig aus und ein fliegen
(Abb.4).
Der Baum bildet aber, so wie der Strohkorb oder
der Bienenkasten, nur den äußeren Schutz für das Bienen-
heim; die Inneneinrichtung bauen sich die Bienen selbst,
indem sie einen Wabenbau aus Wachs aufführen
(Abb.5).
Manche Bienenzüchter verwenden als Behausung
für das Bienenvolk einen Holzklotz, der nichts anderes ist
als ein Stück eines hohlen Baumes (Abb. 6). Diese Art
von Bienennstöcken steht der ursprünglichen, natürli-
chen Bienenwohnung am nächsten. Die Strohkörbe bie-
ten in ihrem Inneren einen ähnlichen geschützten Hohl-
raum und haben den Vorzug, daß sie leichter und handli-
cher sind. Aber das Innere dieser alten Bienenwohnungen
ist dem Bienenzüchter schlecht zugänglich, wenn er ir-
gendwie eingreifen will. Es war darum ein großer Fort-
schritt in der Bienenzucht, als man um die Mitte des
vorigen Jahrhunderts auf den Gedanken kam, den Bienen
einen hölzernen Kasten als Wohnraum zu geben, dessen
Hinterwand oder Deckel abgenommen werden kann,

7
Abb. 5. Bienenkorb, umgelegt, so daß man von unten auf den
Wabenbau im Inneren sieht.
Abb. 6. Hohler Baumklotz als Bienenwohnung.

und in das Innere eine Anzahl Holzrähmchen zu hängen,


in welche die Bienen nun ihre Waben bauen (Abb. 7).
Jetzt läßt sich jede Wabe in ihrem Rähmchen einzeln
herausheben und wieder einfügen, wenn es etwas nach-
zusehen oder zu richten gibt, man kann auch einzelne,
mit Honig gefüllte Waben wegnehmen und durch leere
ersetzen, ohne daß das Volk nennenswert gestört wird,
während bei dem alten System die Honiggewinnung mit
einer Zerstörung des Baues und oft mit der Vernichtung
des Volkes verbunden war. So haben jetzt die Bienenkä-
sten mit »beweglichen Waben« weite Verbreitung gefun-
den.
Daß auch die Bienenwohnung als Ganzes beweg-
lich ist, hat für den Bienenzüchter noch einen besonderen
Vorteil. Der hohle Baum, die Urwohnung der Bienen, ist

8
Abb. 7. Der Imker ent-
nimmt eine Wabe aus
der Bienenbeute.

ortsgebunden; seine Kästen oder Körbe aber kann der


Imker auf einen Wagen laden und in eine andere Gegend
fahren, wenn zu gewisser Jahreszeit die Blumen, die Ho-
nigquellen der Bienen (vgl. S. 16ff.), an seinem Wohnort
abnehmen, während sie anderwärts noch reiche Einkünf-
te versprechen (Abb. 8). Diese Wanderbienenzucht ist in
vielen Gegenden ein ausgezeichnetes Mittel zur Steige-
rung des Honigertrages. Wo ausgedehnte Buchweizenfel-
der, wo weite Flächen mit Heidekrautbeständen in der
blumenarmen Spätsommerzeit für einige Wochen zu un-

Abb. 8. Bienenvölker nach einer Wanderung in eine Gegend mit


Obsttracht bzw. Waldtracht.

9
Abb. 9. a Wie das Wachs blättchen a von gewissen Borsten auf
dem Bürstengliede b des linken Hinterbeines der Arbeiterin erfaßt
wird; c Pollenschieber, d Pollenkamm, e Tibia. b Bauchansicht ei-
ner Arbeiterin, die im Begriffe ist, ein Wachsblättchen mit der
Bürste des linken Hinterbeines zu entfernen. c Seitenansicht einer
Arbeiterin, die ein Wachsblättchen zum Munde führt.

gezählten Millionen ihre honigreichen Blüten öffnen, da


kommen die Imker von allen Seiten herangewandert und
stellen ihre Völker auf, ähnlich wie der Bauer sein Vieh
auf die Almen bringt, um eine sonst ungenützte Weide zu
gegebener Zeit seinen Zwecken dienstbar zu machen.

10
Abb. 10. Im Bau begriffene Waben.

Den Bienenkasten und die Holzrähmchen zum Ein-


bau der Waben stellt der Imker seinen Bienen zur Verfü-
gung. Aber die Waben bauen sie sich selbst. Ja, auch der
Stoff, aus dem die Waben gebaut werden, das Wachs, ist
ihr eigenes Erzeugnis. Jede Arbeitsbiene trägt eine kleine
Wachs fabrik in sich.
Dies klingt sehr wunderbar und wird kaum besser
verständlich, wenn wir hören, daß die Wachs bereitung
kein Privilegium der Bienen ist. Man findet sie auch bei
anderen Insekten. So bemerkt man z. B. nicht selten im
Sommer kleine weiße Flöckchen, die wie winzige Schnee-
flocken durch die Luft segeln. Fängt man sie und sieht
genau zu, erkennt man eine Blattlaus, eingehüllt in einen
Pelz von feinsten weißen Wachsfäden, die sie aus Poren
ihrer Haut ausgeschwitzt hat. Die Bienen sondern das
Wachs, das in seiner chemischen Zusammensetzung dem
Fett ähnlich ist, an der Unterseite ihres Hinterleibes aus.
Hier erscheint es in Gestalt kleiner, dünner Schüppchen

11
Al

Al

Abb. 11 a,b. Zellenbau der Bienenwabe. Ein Stück einer Wabe:


a durchgeschnitten, b von der Fläche gesehen. M Mittelwand.

in der Tiefe der Hautfalten, welche die Hinterleibsringe


bilden (Abb. 9). Statt diese Wachsschüppchen als nutzlo-
se Ausscheidung fallen zu lassen, nehmen sie die Bienen
mit ihren Füßen ab, kneten sie mit den kräftigen Zangen,
die sie als gar brauchbares Werkzeug am Munde führen,
zu einem kleinen Wachsklümpchen, und aus solchen
bauen sie Stück für Stück die Wabe auf.
Nicht ständig wird im Bienenstock gebaut, aber
wenn es not tut, sehr rasch. Abbildung 10 zeigt, was die
kleinen Baumeister in einer Nacht zustande bringen. Wir
sehen an der Abbildung auch, daß der Bau der Wabe
oben beginnt und genau lotrecht nach unten fortschrei-
tet.
Jede Wabe besteht aus mehreren tausend kleinen
Wachskammern oder »Zellen«, die zwei verschiedenen
Aufgaben dienen: als Kinderstuben für die Brut und als
Vorratskammern zur Speicherung von Blütenstaub und
Honig. Sie sind überraschend zweckmäßig angelegt. Ein
Schnitt durch eine Wabe von oben nach unten (Abb. 11a)

12
h d

Abb. 12. (Erklärung im Text).

läßt eine Mittelwand (M) erkennen; sie bildet den ge-


meinsamen Boden für die nach bei den Seiten gerichteten
Zellen. Diese steigen nach außen etwas an, eben steil
genug, daß der zähflüssige Honig nicht heraustropft. Der
vertiefte Boden einer jeden Zelle besteht aus drei Wachs-
plättchen von der Gestalt gleichseitiger Rhomben
(Abb. Ilb). Wer zum erstenmal eine volle Wabe aus dem
Stock hebt, staunt über ihr hohes Gewicht. Eine Wabe im
Maße von 37 zu 22,5 cm kann 2 kg Honig aufnehmen,
ohne unter der Last zusammenzubrechen. Dabei brau-
chen die Bienen zu ihrer Herstellung nur 40 g Wachs. Als
sparsame Werkleute machen sie die Zellwände weniger
als 1110 Millimeter dick. Mit ihren Böden sind die bei-
derseitigen Zellen so ineinander verzahnt (Abb. lla),
daß ihre große Tragkraft verständlich wird. Am merk-
würdigsten aber ist, daß die Seitenwände der Zellen
Sechsecke bilden (Abb. llb). Von vornherein könnten ja
die Bienen ihre Kammern ebensogut mit runden Wänden
bauen, wie es die Hummeln tatsächlich tun, oder andere
Formen wählen (Abb. 12). Doch bei runden oder etwa
acht- oder fünfeckigen Zellen (Abb. 12 abis c) würden
zwischen ihnen ungenützte Räume bleiben (in der Abbil-
dung dunkel), das wäre Raumverschwendung; und jede
Zelle müßte ganz oder teilweise ihre eigene Wand haben,
das wäre Materialverschwendung. Bei drei-, vier- oder
sechseckigen Zellen (Abb. 12 d bis f) fallen beide Nach-
teile fort, da jede Wand in ganzer Ausdehnung zwei

13
Abb. 13 a-c. Das Sinnesorgan der Schwereempfindung an der
Verbindungsstelle von Kopf und Brust. Der Kopf ruht auf Chitin-
zapfen der Vorderbrust (2 in Bild a). Um sie sichtbar zu machen,
ist der Kopf etwas vorgezogen. Da sein Schwerpunkt (Ansatzstelle
der Pfeile in bund c) tiefer liegt, wird er bei Stellung nach oben
durch die Schwerkraft gegen die Brust bewegt (b), bei Stellung
nach unten gegen den Rücken (c). Dadurch werden die Sinnesbor-
sten S, die den Kopf berühren, in verschiedener Weise gereizt. -
Ein gleichartiges Sinnesorgan sitzt zwischen Brust und Hinterleib.

Nachbarzellen gemeinsam ist und keine Zwischenräume


bleiben. Die Dreiecke, Vierecke und Sechsecke unserer
Abb. 12 sind so gezeichnet, daß sie genau gleichgroße
Flächen umschließen. Solche Bienenzellen würden also,
bei gleicher Tiefe, gleichviel Honig fassen. Die Sechsecke
haben aber von diesen drei flächengleichen geometri-
schen Figuren den kleinsten Umfang. Zur Ausführung
der sechseckigen Zellen ist daher, bei gleichem Fassungs-
vermögen, am wenigsten Baumaterial nötig.

14
Die Bienen haben also mit ihren sechseckigen Zel-
len tatsächlich die beste und sparsamste Form gefunden,
die denkbar ist. Ein Maurer würde zur Ausführung eines
so regelmäßigen Bauwerks Lot und Winkelmaß brau-
chen. Die Winkel messen die Bienen wohl mit den vielen
T asthärchen an Kopf und Fühlern, doch ist Genaues
darüber nicht bekannt. Ein Pendel/at ist ihnen als leben-
der Bestandteil ihres Körpers mitgegeben. Der Kopf ruht
oberhalb seines Schwerpunktes auf zwei Chitinzapfen
der Brust (Z in Abb. 13a). Sitzt die Biene auf der Wabe
mit dem Kopf nach oben, so zieht die Schwerkraft dessen
gewichtigeren Unterteil gegen die Brust (Abb. 13b, Pfeil).
Ein Polster hochempfindlicher Tastsinneszellen (S) an der
Zapfenspitze dient der Wahrnehmung dieser Drehbewe-
gung. Bei Kopfunten erfolgt die Drehung im entgegenge-
setzten Sinn (Abb. 13c) und jede Schrägstellung bewirkt
eine andere, bezeichnende Druckverteilung auf dem Pol-
ster der Sinneszellen. So sind die Bienen imstande, ihre
eigene KörpersteIlung und zugleich die Stellung der Wa-
ben im Raum zu kontrollieren. Zerstört man das Organ
der Schwereempfindung, dann stellen sie ihre Bautätig-
keit ein und man findet ihre abgeschiedenen Wachs-
schüppchen in Mengen nutzlos am Boden verstreut.
Den zweifachen Zweck der Bienenzellen haben wir
schon kurz erwähnt; in ihnen werden Futtervorräte ge-
speichert, und es wächst in ihnen die Nachkommenschaft
heran. So werden wir uns jetzt mit der Art und Herkunft
des Futters und mit der Bienenbrut zu beschäftigen ha-
ben.

15
3 Die Ernährung
des Bienenvolkes

Drollige Ernährungssonderlinge gibt es unter den


Tieren wie unter den Menschen; nur bleibt beim Men-
schen der Laune des einzelnen ein weiterer Spielraum
überlassen, während jeder Tierart von der Natur strenger
vorgezeichnet ist, was sie annimmt oder ablehnt. Viele
Insekten sind Vegetarier, andere sind Fleischfresser.
Manche Schmetterlingsraupen lassen sich mit verschie-
denartigen Blättern füttern; es gibt aber eine Raupe, die
nur an der Salweide lebt und jede andere Nahrung ver-
schmäht, auch wenn sie Hungers sterben muß.
Solche Unterschiede sind sonderbar; denn im Grun-
de brauchen alle Menschen und alle Tiere die gleichen
Nährstoffe, und nehmen sie nur in etwas verschiedener
Form zu sich. Wir alle brauchen in der Nahrung Fett und
Zucker als Heizstoff für unsere Lebensmaschine, als
Kraftquelle für unsere Muskeln, so notwendig, wie das
Auto Benzin braucht, um fahren zu können; nur müssen
wir nicht durchaus Zuckersachen essen, auch Brot oder
Kartoffeln sind Zuckerquellen für unseren Körper, denn
ihr Hauptbestandteil, die »Stärke«, ist in chemischer
Hinsicht dem Zucker ähnlich und wird tatsächlich durch
unsere Verdauungsorgane in Zucker umgewandelt. Wir
brauchen aber auch Eiweiß, denn der tierische und
menschliche Körper besteht zum großen Teil aus Ei-

16
Abb. 14. Blumenwiese im Gebirge mit vielfältiger Blütenpracht.

Abb. 15. Löwenzahnwiese - ein Beispiel unserer Monokultur.

17
weißstoffen und kann nur wachsen, wenn ihm mit der
Nahrung solche zugeführt werden.
Auch unsere Bienen brauchen diese zweierlei Arten
von Nährstoffen, und selten sind sie so klar gesondert
wie gerade hier in den beiden Futtersorten, welche die
Sammlerinnen des Bienenvolkes als einzige Nahrung su-
chen und eintragen: Der zuckerreiche, fast eiweißfreie
Honig liefert dem Bienenkörper das Heiz- und Betriebs-
material, der eiweißreiche Blütenstaub daneben die für
den wachsenden Körper unentbehrlichen Baustoffe.
Beides finden die Bienen an den Blumen, und nichts
anderes suchen sie dort, wenn sie sich so eifrig an den
Blüten zu schaffen machen: Abbildung 14 und 15 zeigen
zwei verschiedene Trachtgebiete - eine artenreiche Blu-
menwiese in den Bergen und ein Feld mit Löwenzahn als
Ausdruck moderner Monokultur. Hungrige Mäuler gibt
es auch im Winter, aber Blumen gibt es dann nicht.
Darum sammeln die Bienen in den Frühjahrs- und Som-
mermonaten, solange alles blüht und die »Tracht« reich
ist, einen Honigvorrat im Überschuß, an dem sie im
Winter zehren. Die Aufzucht der jungen Bienen, für de-
ren heranwachsenden Körper das Eiweiß unentbehrlich
ist, ist auf die Zeit der Blüten, auf die Frühjahrs- und
Sommermonate beschränkt. Und so wird Blütenstaub
nur in dem Maße gespeichert, wie es für die Ernährung
der Brut erforderlich ist.

Was der Honip ist,


und wie ihn die Bienen herstellen
Wenn wir ein Blütenköpfchen des Wiesenklees ab-
reißen, vorsichtig einzelne Einzelblüten herauszupfen
und die inneren, röhrenförmig zulaufenden Enden zer-
kauen, bemerken wir einen süßen Geschmack. Haben die

18
Abb. 16. Eine Biene
saugt Nektar aus einer
Apfelblüte.

Bienen unsere Blüten nicht gar zu sehr ausgeplündert, so


können wir auch im Ende der Blumenröhre ein kleines,
wasserklares Tröpfchen erkennen, das nicht viel anderes
ist als Zuckerwasser. Die meisten Blüten scheiden in der
Tiefe ihres Blütengrundes solchen Zuckersaft aus (Abb.
16, 17). Die Botaniker nennen ihn Nektar - nicht mit
Unrecht. So hieß ja bei den alten Griechen der Götter-
trank. Er hatte einen wundervollen Duft und machte
unsterblich. Auch Honig hat einen unbestreitbaren
Wohlgeruch, und wenn er nicht unsterblich macht, so
gibt es doch viele hochbetagte Imker, die - wie auch
manche Ärzte - fest überzeugt sind, daß Honig essen
gesund ist und das Leben verlängert. Wie dies zugeht und

Abb. 17. Holunderblü-


ten als Beispiel für Flie-
genblumen.

19
Abb. 18. Blüte der
Weinraute (Ruta gra-
veolens). Die Nektar-
tröpfchen werden
von dem ringförmi-
gen Wulst (W) in der
Mitte der Blüte aus-
geschwitzt. St Staub-
gefäße (dreifach ver-
größert).

ob es überhaupt stimmt, das muß die Wissenschaft erst


noch genauer erforschen.
In manchen Blüten liegen die Nektartröpfchen frei
zutage (Abb. 18), und neben Bienen stellen sich dort
Fliegen und Käfer und allerhand andere Näscher aus der
Insektenwelt als Gäste ein; andere Blüten, wie unser Klee
oder die in Abb. 19 dargestellte Thermopsisblüte, son-
dern den Nektar im Grunde tiefer Blumenröhren ab, wo
er nur solchen Insekten erreichbar ist, die von der Natur
hierfür besonders ausgestattet sind: bei den Bienen,
Hummeln und Schmetterlingen erhebt sich um die Mun-
döffnung ein beweglicher, sinnreich gestalteter Saugrüs-
sel, durch den sie den Zuckersaft auch aus den tiefen
Blumenröhren in ihren Magen schlürfen können.

Abb. 19. Blüte von


Thermopsis montana,
längs durchgeschnitten.
Der Nektar (N) wird im
Grunde der tiefen Blu-
menrönre abgesondert.
St Staubgefäße (zwei-
fach vergrößert).

20
Abb.20. Die Verdauungsorgane der Biene. M Honigmagen, D
Darm, VVentilverschluß zwischen Honigmagen und Darm.

Was wir in unserem Magen haben, verfällt der


Verdauung und gehört unstreitig uns. Der Magen der
Biene aber (vgl. Abb. 20, M) ist einem Einkaufstäschchen
vergleichbar, sein Inhalt gehört der ganzen Familie, dem
ganzen Bienenvolk. Beim Blumenbesuch fließt ein Nek-
tartröpfchen nach dem anderen durch den Rüssel und die
lange Speiseröhre in diesen Honigmagen der Biene. Hat
sie Hunger, so öffnen sie ein wenig das ventil artige Ver-
bindungsstück (V in Abb. 20), das vom Gemeinschafts-
magen in den anschließenden Darm hinüberführt; nur
was hier durchgeflossen ist, wird verdaut und dient dem
Bedarf des eigenen Körpers. Zur Hauptsache wird der
Inhalt des Honigmagens nach der Rückkehr von einem
Sammelflug erbrochen und dient dem Bedarf der Ge-
meinschaft.
Wenn man sagt, die Bienen sammeln Honig, so ist
das nicht ganz richtig. Sie sammeln Nektar und machen

21
daraus den Honig. Frisch eingetragener Nektar wird an
zahlreiche Stockgenossen verteilt und von diesen durch
wiederholtes Auswürgen immer wieder in kleinen Trop-
fen vor dem Munde der warmen Stockluft ausgesetzt,
wobei viel Wasser verdunstet, und dann in offenen Zellen
weiter eingedickt. So wird binnen wenigen Tagen aus
dünnflüssigem Nektar haltbarer Honig. Gleichzeitig be-
wirkt die Beimischung eines Speichelenzyms der Bienen,
daß der im Nektar enthaltene Rohrzucker fast restlos in
seine beiden chemischen Bausteine Traubenzucker und
Fruchtzucker gespalten wird, die nach Honiggenuß so-
fort aus dem Darm ins Blut aufgenommen werden kön-
nen; die Verdauungsarbeit haben die kleinen Honigma-
cherinnen schon vorweg besorgt. Durch weitere Enzyme
aus dem Bienenspeichel gewinnt der Honig eine leicht
saure Reaktion. Spurweise finden sich im Honig auch
Mineralstoffe wie Eisen, Kupfer, Mangan, oft auch Ko-
balt, Kalzium, Kalium, Natrium, Sulfate, Phosphate. Sie
werden von unserem Körper zwar nur in kleinsten, aber
lebenswichtigen Mengen benötigt, an denen er zuweilen
Mangel hat.
In jüngster Zeit haben einige Ernährungswissen-
schaftier den Nährwert des Honigs in Zweifel gezogen,
indem sie behaupten, Honig sei eben nicht mehr und
nicht weniger als eine eingedickte Zuckerlösung. Das
mag, wenn man nur die Kalorien zählt, stimmen, aber ist
unsere Nahrung wirklich nur an der Zahl ihrer Kalorien
zu bewerten? Ist nicht der gute Geschmack, der den
Appetit anregt, Voraussetzung dafür, daß das gesamte
Verdauungssystem rechtzeitig seine volle Aktivität vorbe-
reitet? Da ist ein Honigaufstrich auf einem Butterbrot
einem Löffel Zuckerlösung wohl doch überlegen!
Wenn seit Jahrtausenden die Menschen den Honig
als Götterspeise angepriesen und in Liedern besungen
haben, dann ist dies ein historischer Beleg dafür, daß

22
Honig nicht nur wegen seines Geschmackes, sondern
auch aus gesundheitlichen Gründen immer höher einge-
schätzt wurde als eine Zuckerlösung.
Daß Bienen im Honig die einfachen »Monosaccha-
ride« Traubenzucker und Fruchtzucker als Energiedepot
anbieten, die sofort ins Blut aufgenommen werden, wis-
sen die Sportler und Rekonvaleszenten, aber auch die
schnell heranwachsenden Kinder zu schätzen. Sir Ed-
mund Hillary, der selbst Imker war, hatte bei der Erstbe-
steigung des Mount Everest 2 kg Honig in seinem Ge-
päck mitgenommen. Neben den genannten Mineralstof-
fen, die ihre Wirkung vor allem in der richtigen feinen
Dosierung zeigen, haben die modernen Analysen auch
einige Vitamine, vor allem Vitamin B nachgewiesen. Ein
besonders wirksamer, erst in jüngster Zeit entdeckter
Zauberstoff im Honig sind die sog. »Inhibine«, die Bak-
terien und andere Mikroorganismen abtöten. Welche
Wirkung sie im menschlichen Darm etwa bei Infektionen
haben, ist leider noch viel zu wenig erforscht.
Obwohl es die Bienen sind, die aus dem süßen Saft
der Blumen den haltbaren und bekömmlichen Honig be-
reiten, so sollten wir darob nicht vergessen, daß all sein
Zucker aus dem Nektar stammt und daß sein Aroma
nichts anderes ist als der dem Nektar anhaftende Blüten-
saft, mit einem Zusatz von Bienen- und Wachsgeruch. So
bleiben die Blumen im Grunde die Erzeuger dieses köstli-
chen Nahrungsmittels. Den Bienen verdanken wir seine
Veredelung - und daß der Honig auf unserem Speisezet-
tel steht. Denn keines Menschen Geduld könnte ausrei-
chen, die winzigen Nektartröpfchen aus den Blumen zu
sammeln. Die Menge, die eine Biene von einem Sammel-
flug heimbringt, ist nicht groß; ist doch ihr Honigmagen
kaum größer als ein Stecknadelkopf, und an die 60mal
müßte sie ihn aus den Blumen vollpumpen und wieder
entleeren, um einen Fingerhut zu füllen. Das Nektar-

23
tröpfchen, das die einzelne Blüte bietet, ist noch viel
kleiner, und unsere Sammlerin muß an die 1000 Einzel-
blüten des Klee befliegen, um ihren Magen einmal zu
füllen. Wenn trotzdem manches Bienenvolk zu günstigen
Zeiten mehr als 1 kg Honig an einem Tage aufspeichert,
so zeigt dies, wie emsig es am Werke ist. Aber der
Schlecker, der einen Löffel Honig wie einen Löffel Milch
hinunterschluckt, mag manchmal daran denken, durch
wieviel Arbeit er gewonnen wurde.
Um 1 Pfund Honig in den Waben zu speichern,
müssen die Bienen mehr als 2 Millionen Blüten besuchen;
um dem Laien eine Vorstellung der hierzu erforderlichen
Flugleistung zu geben: Um diese Menge einzusammeln,
müßte eine Biene 3mal um den Erdball fliegen!

_ Der Blütenstaub und die »Höschen«


der Bienen
Der Blütenstaub ist in den Blumen leichter zu sehen
als die oft so versteckten Nektartröpfchen. Die »Staubge-
fäße« oder »Pollenblätter« (den Blütenstaub nennen die
Botaniker auch den »Pollen« der Blumen) bringen ihn
hervor. Diese Staubgefäße (vgl. Abb. 18 und 19, St), je
nach der Pflanzenart in geringer Zahl oder zu vielen
Dutzenden in jeder Blüte vorhanden, entspringen als zar-
te Fäden im Blütengrunde und sind am freien Ende zu
kleinen Polstern verdickt; hier entsteht der Blütenstaub,
meist als ein gelbliches, bei anderen Blumen weißliches
oder rötliches Pulver, oft so reichlich, daß wir nur mit
dem Finger daran zu streifen brauchen, um ihn wie mit
Puder zu bedecken. Von diesen Staubgefäßen holen die
Bienen den Pollen.
Es sind in der Regel nicht dieselben Arbeitsbienen,
die den Nektar sammeln. Ähnlich wie in einer modernen

24
Abb. 21. Eine Pollen-
sammlerin auf Weiden-
kätzchen. Deutlich ist
das »Höschen« an ei-
nem Hinterbein zu se-
hen, das den gesammel-
ten Blütenstaub als
Klumpen gespeichert
hat.

Fabrik sind auch in der Werkstätte der Bienen die Arbei-


ten weitgehend aufgeteilt, so daß sogar von den Futter-
sammlerinnen oft die eine nur nach Nektar, die andere
nur nach Blütenstaub ausgeht, jede ganz ihrer Sache hin-
gegeben. Und es ist keine leichte Sache, das Pollensam-
meln. Auch ein vollendeter Taschenspieler wird vor die-
ser Fertigkeit der kleinen Beinchen alle Achtung haben.
Der Blütenstaub wird beim Einsammeln gehöselt,
d.h. zu Klumpen geballt, außen an die Hinterbeine ge-
klebt, und mit diesen Höschen an den Beinen, die wohl
jeder schon gesehen hat (Abb. 21), kehrt die Pollen-
sammler in nach Hause. Der Vorgang des Sammelns voll-
zieht sich mit so unglaublich raschen Bewegungen, daß es
kaum möglich ist, ihm mit den Augen zu folgen. Es hat
einigen Scharfsinn gebraucht, bis man ihn richtig erkannt
hat.
Zu guter Arbeit gehört ein gutes Werkzeug, und
mit solchem sind die Arbeitsbienen von Haus aus verse-
hen. Abbildung 22 zeigt, wie ihre Beine am Körper sitzen.
Sie bestehen, wie jedes Insektenbein, aus einigen gelenkig
miteinander verbundenen Teilen, von denen uns nur die

25
F 0 0 U F

Abb. 22. Honigbiene (Arbeiterin). A Auge, Fr Fühler, 0 Ober-


schenkel, U Unterschenkel, F Fuß (dreieinhalbfach vergrößert).

größten interessieren: der Oberschenkel, der Unterschen-


kel und der Fuß, der seinerseits wieder aus mehreren
Gliedern zusammengesetzt ist. An den Hinterbeinen
(Abb. 23), die beim Pollensammeln eine besondere Rolle
spielen, ist das erste Fußglied stark vergrößert und ver-
breitert und trägt an der Innenseite einen dichten Besatz
von steifen Haarborsten, das »Bürstchen«. Auch der Un-
terschenkel der Hinterbeine ist besonders gestaltet, er ist
an der Außenseite von langen Haaren umsäumt, die ein
glattes, teilweise schwach vertieftes Feld umgrenzen, das
»Körbchen«. In den Körbchen werden die Pollenklum-
pen heimgetragen. Und wie sie dorthin gelangen, das
vollzieht sich in der Hauptsache so:
Jede Biene, die ausfliegen will, um Pollen zu sam-
meln, nimmt zunächst in ihrem Honigmagen von daheim
ein bißchen Honig mit. An den Blüten setzt sie sich auf
die Staubgefäße, wie man das an den großen Mohnblüten
oder wilden Rosen so besonders schön sehen kann, kratzt
mit ihren Kiefern und Vorderbeinen den losen Blüten-
staub behende herunter und befeuchtet ihn zugleich mit
dem mitgebrachten Honig, um ihn klebrig zu machen. Ist
reichlich Pollen vorhanden, so bleibt er zwischen den
Haaren des ganzen Körpers hängen, wenn die Biene in

26
K

P
F
F
IJ

(I b
Abb. 23 (I,b. Ein Hinterbein der Arbeitsbiene: (I von außen, b
von innen gesehen. Das erste Fußglied ist stark vergrößert und
trägt innen das Bürstchen B. Aus dem Bürstchen wird der Blüten-
staub mit dem Pollenkamm (P) des anderen Hinterbeines heraus-
gekämmt. Ein Druck des Fersenspomes (F) schiebt den Pollen aus
dem Kamm durch die Spalte (Sp) auf die Außenseite des Unter-
schenkels in das Körbchen (K), eine von einem Haarkranz um-
säumte Vertiefung, in welcher der Blütenstaub heimgetragen
wird.

der Blüte herumarbeitet, und sie sieht dann bisweilen aus


wie mit Mehl bestäubt. Während sie zur nächsten Blüte
weiterfliegt, sind die Beine unter ihrem Bauch in fieber-
hafter Tätigkeit: Mit den Bürstchen der Hinterbeine bür-
stet sie den Blütenstaub aus ihrem Körperkleid und von
den anderen Beinen ab, dann kämmt sie mit einem steifen
Borstenkamm, der am Ende des Unterschenkels sitzt
(Abb. 23b, P), den Pollen aus dem Bürstchen des anderen
Beines heraus, abwechselnd rechts und links; nun hängt
der Blütenstaub im Kamm, aber nur für einen Augen-
blick, dann wird er durch einen geschickten Druck des
Fersenspornes (Abb. 23 a, F) durch die Spalte (Sp) hin-

27
F ·

Abb. 24 a-d. Ein Hinterbein einer pollensammelnden Arbeitsbie-


ne: a zu Beginn, d gegen Ende des Sammelfluges. Allmähliches
Anwachsen der Höschen. In bund d wird gerade durch Druck
des Fersenspornes (F) eine neue Ladung Blütenstaub von unten in
das Körbchen geschoben.

durch auf die andere Seite, die Außenseite des Unter-


schenkels, hinüber und ins Körbchen hinaufgeschoben.
Hier wird so von unten her Schub auf Schub nachge-
drückt, das Höschen wächst und wird immer weiter hin-
aufgeschoben (Abb. 24), bis es schließlich das Körbchen
ganz ausfüllen kann. Die Mittelbeine drücken und klop-
fen ab und zu darauf, daß der Ballen gut zusammenhält
und nicht verlorengeht.
Heimgekehrt, streift die Sammlerin die Höschen in
eine Vorrats zelle ab. Alsbald steckt eine junge, mit häus-
lichen Arbeiten beschäftigte Biene ihren Kopf hinein, zer-
drückt die beiden Pollenballen mit vorgestreckten Kie-
fern und preßt den neuen Blütenstaub mit Nachdruck an
den schon früher eingefüllten Vorrat.
Honig und Pollen werden in getrennten Zellen der
Waben gespeichert (Abb. 30-32) und dort bei Bedarf
geholt.

28
- Was die Blumen gewinnen,
wenn sie von den Bienen
geplündert werden
Daß sich die Bienen den Nektar und Blütenstaub
aus den Blumen holen, ist ihnen nicht zu verdenken; daß
ihnen die Pflanzen diese beiden nahrhaften Stoffe anbie-
ten, geschieht aber auch zu ihrem eigenen Nutzen.
Die Pollenkörner sind die männlichen Keime der
Blütenpflanzen, entsprechend den Samen der Tiere. Die
weiblichen Keime, entsprechend den Eiern der Tiere,
werden häufig - doch nicht immer - von den gleichen
Blüten hervorgebracht, die auch den Pollen erzeugen,
und liegen in einer Anschwellung des Blütengrundes, dem
Fruchtknoten (Abb. 25). Wie sich ein Hühnerei nur dann
zu einem Küken entwickeln kann, wenn es durch einen
Hahn befruchtet ist, so können sich die weiblichen Kei-
manlagen im Fruchtknoten der Blüte nur nach Vereini-
gung mit den männlichen Keimen, dem Blütenstaub, zu
reifen, entwicklungsfähigen Samenkörnern und aus die-
sen zu jungen Pflanzen weiterbilden.
P
1\
I ,
I ,

-SI

s-
Abb. 25. Eine Blüte mit-
ten durchgeschnitten. S Sa-
menanlage, Fr Fruchtkno-
ten, G Griffel, N Narbe, P
Pollen, St Staubgefäße, BI
Blumenblätter, K Kelch-
blätter, Ne Nektar.

29
Damit die Keimanlagen befruchtet werden, muß
etwas Blütenstaub auf die klebrige Narbe (N, Abb. 25)
gelangen, die Blüte muß »bestäubt« werden. Von der
Narbe wandert der Inhalt der Pollenkörner mit den aus-
keimenden Pollenschläuchen durch den Griffel (C) hinab
in den Fruchtknoten und verschmilzt mit den weiblichen
Anlagen. Gelangt kein Pollen auf die Narbe, so gibt es
keine Früchte. Die Blüte kann aber in der Regel den
Pollen nicht selbst aus den Staubgefäßen auf die Narbe
streuen; auch ist es gar nicht vorteilhaft, wenn der Blü-
tenstaub auf die Narbe derselben Blüte gelangt, wie ja
auch bei Tieren strenge Inzucht schädlich werden kann.
Es gibt gesündere Nachkommenschaft, wenn der Pollen
auf andere Blüten der gleichen Art gerät, und es finden
sich vielerlei Mittel, die solches begünstigen. Häufig sind
die Blüten für den Pollen, den sie selbst erzeugt haben,
gar nicht empfänglich, so daß Selbstbestäubung un-
fruchtbar bleibt.
Wenn nun eine pollensammelnde Biene von Mohn-
blume zu Mohnblume oder von Rose zu Rose fliegt, dann
trägt sie den Pollen von einer Blüte zur anderen und
streift, von ihrer Arbeit bestäubt wie ein Müllerknecht,
unfehlbar an der Narbe einige Pollenkörner ab und be-
wirkt so die Befruchtung. Aber auch die Nektarsammle-
rinnen streifen an Staubgefäßen und Narben an, wenn sie
sich um den süßen Saft im Blütengrunde bemühen, und
wirken so als unbewußte Züchter. Mit wie großem Er-
folg, das zeigen die beiden Photographien (Abb. 26, 27)
anschaulicher, als es sich in Worten sagen läßt. An einem
Apfelbaum wurden zur Blütezeit ein Ast mit Gaze einge-
bunden, so daß die Bienen an seine Blüten nicht heran
konnten. Aus den Blüten des Zweiges, der den Bienen
zugänglich war, entwickelten sich reichliche Früchte, an
dem mit Gaze abgebundenen Zweig entstand keine einzi-
ge Frucht.

30
Abb. 26. Ein Apfelblü-
tenzweig wurde mit
Gaze abgedeckt.

Auch andere Insekten wirken als Blütenbestäuber,


man kann ja an einem sonnigen Frühlingstage ein buntes
Volk von Hummeln, Schmetterlingen, Käfern, Fliegen an
den Blumen sich tummeln sehen. Aber die Bienen sind
doch die wichtigsten Pollenüberträger, wegen ihrer
großen Zahl, wegen ihres Sammeleifers, der nicht nur auf
die Stillung des augenblicklichen Hungers bedacht ist,
sondern auch auf die Anlage eines Wintervorrats, auch
wegen ihres guten Rüstzeuges, das sie zum Besuch man-

Abb. 27. Obstansatz


an zwei Apfelbaumzwei-
gen. Der rechte davon
war zur Blütezeit mit ei-
ner Gaze abgedeckt, so
daß die Bienen keinen
Zugang hatten.

31
cher Blumen befähigt, die von Insekten mit minder gutem
Werkzeug nicht ausgebeutet werden können. Der beson-
dere Nutzen aber, den unsere Bienen gegenüber den an-
deren blüten besuchenden Insekten haben, zeigt sich dar-
in, daß sie absolut blütenstet sind; damit ist gemeint, daß
jede Biene auf einem Sammelflug zuverlässig hintereinan-
der immer die Blüte ein und derselben Art besucht. Sie
bleibt bei den Apfelblüten und läßt sich nicht durch die
verlockende Blütenpracht der Löwenzahnwiese oder ei-
nes Birnbaumes daneben verleiten. Erst durch diese Blü-
tenstetigkeit ist eine gegenseitige Befruchtung gewährlei-
stet. Nur dann, wenn die Tracht versiegt, wechselt die
Biene zu einer neuen Blütenart. Andere Insekten, auch
unsere einheimischen Hummeln, nehmen es in diesem
Punkt nicht so genau. Wenn die Bienen nicht wären,
würden daher nicht nur unsere Obstbäume, sondern
auch Klee und Buchweizen, Bohnen und Gurken, Heidel-
und Preißelbeeren, unzählige Wiesenblumen und sonstige
Gewächse keine oder sehr viel weniger Früchte tragen.
Die Früchte von heute sind aber die Pflanzen von
morgen. Aus den Samen erwächst die nächste Generati-
on. Dadurch, daß die Blüten Nektar abscheiden, ziehen
sie die Insekten heran; diese finden den Köder, sie neh-
men auch vom Überfluß des Blütenstaubes. Aber sie spie-
len nicht die Plünderer, denn während sie nehmen, geben
sie auch, sie vollziehen die Bestäubung, sichern den Sa-
menansatz und hiermit die Erhaltung der Art. Ein schö-
nes Wechselverhältnis, und um so wunderbarer, als kei-
ner von beiden Partnern weiß, was er tut.

32
4 Die Bienenbrut

Das junge Hühnchen, das aus dem Ei schlüpft, ist in


mancher Hinsicht noch ein unentwickeltes Ding, aber im
großen ganzen gleicht es doch den Eltern und hat wie
diese schon seine Flügel, Beine und Augen. Aus dem
Bienenei aber kommt ein kleines weißes Würmchen, das
mit der Bienenmutter nicht die geringste Ähnlichkeit hat,
ohne Kopf und ohne Augen, ohne Flügel und ohne Beine.
Das ist bei anderen Insekten ähnlich. Jenen weißen
Maden, die bisweilen zum Schrecken der Hausfrau in
einem vergessenen, bereits übelriechenden Stück Fleisch
oder in allzu altem Käse auftauchen, sieht man es auch
nicht an, daß sie sich später in Fliegen verwandeln, und
wenn wir es nicht von Kind auf wüßten, könnten wir
nicht ahnen, daß aus den Raupen Schmetterlinge werden.
Daß zwar Vögel geflügelt aus dem Ei schlüpfen,
Insekten aber als ungeflügelte, oft wurmähnliche »Lar-
ven«, hat einen guten Grund. Insekten tragen keine Kno-
chen im Leib; sie besitzen statt dessen einen festen Haut-
panzer, der aus Chitin (einem zelluloseähnlichen Kohlen-
hydrat) und Eiweiß besteht. Er verbindet Festigkeit mit
großer Leichtigkeit. Beim Wachstum wird er von Zeit zu
Zeit gesprengt, die Tiere »häuten sich« und werden in
wenigen Stunden merklich größer, bis der neue Panzer
erhärtet ist. Eine Häutung ist keine Kleinigkeit, denn der

33
lebende Inhalt muß aus dem Panzerhemd heil hervorge-
zogen werden. Die flachen, breiten Flügel einer Biene
oder eines Schmetterlings würden diesem Vorgang un-
überwindliche Schwierigkeiten bereiten. Darum haben
Insekten, solange sie wachsen, keine Flügel oder nur kur-
ze Flügelstummel. Ist eine Bienenmade oder Schmetter-
lingsraupe herangewachsen, so wird sie zur Puppe. Dies
ist ein Ruhestadium nach außen, aber ein Stadium regen
Umbaues und der Umgestaltung im Innern, bis auch die
Puppe ihr Panzerhemd sprengt und das geflügelte Insekt
bei dieser letzten Häutung zum Vorschein kommt. Dieses
kann nicht mehr wachsen, denn es kann sich nicht mehr
häuten. Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, ein kleiner
Käfer sei ein junger Käfer. Ein junger Käfer sieht aus wie
ein gelber Wurm oder eine weißliche Made.
Doch, um nun bei den Bienen zu bleiben: Wenn
man zu günstiger Jahreszeit und in einem geeigneten
Beobachtungsbienenstock die Königin sucht, so findet
man sie in der Regel damit beschäftigt, langsam, fast
majestätisch auf den Waben herumzuspazieren und ihre
Eier abzusetzen. Im Frühjahre kann eine leistungsfähige
Königin in 24 Stunden etwa 1500 Eier legen, d.h. sie legt
durchschnittlich Tag und Nacht je Minute ein Ei. In
Wirklichkeit hat sie ihre Ruhepausen, legt aber in der
Zwischenzeit entsprechend rascher. Dabei sind die Bie-
neneier im Verhältnis gar nicht so sehr klein; jene 1500
an einem Tage abgelegten Eier haben, zusammengenom-
men, das gleiche Gewicht wie die ganze Königin. Man
versteht, daß sie für anderweitige Beschäftigung nicht zu
haben ist. Auf der anderen Seite hat sie Anspruch auf
reichliches, hochwertiges Futter, das ihr die nötige Ener-
gie zuführt. Dafür sorgt der »Hofstaat«: Tag und Nacht
ist die Königin von etwa 1 Dutzend Arbeitsbienen um-
ringt, die sich zum einen um ihre Körperpflege kümmern,
zum andern ständig Futterproben anbieten (Abb. 28).

34
Abb. 28. Eine Königin
mit ihrem Hofstaat.

Als Gegengabe erbetteln sie - allerdings in minimaler


Menge - die sog. »Königinsubstanz«, über deren wichti-
ge Funktion im Bienenstaat in einem späteren Kapitel (s.
S. 53) berichtet wird.
Bei der Eiablage verfährt die Königin so, daß sie
zunächst ihren Kopf in eine Zelle steckt und sich über-
zeugt, daß sie leer und zur Aufnahme eines Eies geeignet
ist (Abb. 29a): Für Sauberkeit und Hygiene dieses Wie-
genbettes haben vorher die Arbeitsbienen vorbildlich ge-
sorgt. Die Zellwände werden mit einem feinen firnisarti-
gen Belag austapeziert, der aus Propolis (s. S. 226) be-
steht und als Antibiotikum gegen Bakterien- und
Pilzbefall schützt. Erst nach eingehender Prüfung senkt
die Königin den Hinterleib in eben diese Zelle (Abb.
29b), verweilt ein paar Sekunden ganz still, und wenn sie
ihn wieder hervorzieht, erkennt man am Grunde der
Zelle das längliche Ei. Die Königin aber ist schon auf der
Suche nach einer Zelle für das nächste.
Nun darf man sich nicht vorstellen, daß sie hierbei
wahllos auf allen Waben umherstreift und bald hier, bald
dort ein Ei hineinsetzt. Das wäre auch für den Imker

35
a b

Abb. 29. Die Königin bei der Eiablage. a Eine Zelle wird unter-
sucht, ob sie zur Aufnahme des Eies vorbereitet ist. b Die Königin
hat das längliche Ei soeben am Boden der Zelle ausgesetzt und ist
im Begriff, den Hinterleib wieder herauszuziehen.

bedauerlich, denn er würde dann mit jeder herausgenom-


menen Honigwabe einen Teil der Brut vernichten. Es
herrscht vielmehr eine bestimmte Ordnung, indem die
Königin nur die vorderen und mittleren Waben des Bie-
nenstocks und von diesen nur die mittleren Teile, nicht
die Randbezirke, mit Eiern besetzt. So entsteht das »Brut-
nest«, dessen ungefähre Ausdehnung in einem Bienen-
stock, z. Z. reichlichen Nachwuchses, in der Skizze
(Abb. 30) angegeben ist. Die schwarz ausgefüllten Zellen
enthalten die Eier und die Maden der Bienen. Heben wir
eine solche Wabe heraus, so finden wir also ihren mittle-
ren Teil mit Brut besetzt (Abb. 31, 32). In den angrenzen-
den Zellen speichern die Arbeitsbienen Blütenstaub, so
daß der Brutbereich gewöhnlich von einem Kranz von
Pollenzellen (in Abb. 30 punktiert, in Abb. 31 und 32 mit
P bezeichnet) umgeben ist; in den Randteilen der Brutwa-

36
F

Abb. 30. Längsschnitt durch eine Bienenbeute samt Waben, um


die Anordnung und Ausdehnung des Brutnestes zu zeigen;
schwarz die Zellen, welche die Brut enthalten; punktiert die Zel-
len, die mit Blütenstaub angefüllt sind; weiß die Honigzellen. F
Flugspalt.

ben, außerdem auch in den ganzen Waben, die vor und


hinter dem Brutnest, bei vielen Stöcken auch über ihm
gelegen sind, wird der Honig abgelagert (die weißen Zel-
len in Abb. 30). Die nur mit Honig gefüllten Waben sind
es, die der Imker bei der Honigernte seinen Bienen weg-
nehmen kann. Doch darf er ihnen nicht alles nehmen, er
muß abschätzen, was das Volk als Wintervorrat braucht,
und nur den Überschuß wird er sich zunutze machen. Die
moderne Bienenzucht kennt einen besonderen Trick, um
den Honig sauber getrennt von den Brutwaben ablagern
zu lassen, so daß man ihn später auch isoliert schleudern
kann. Auf eine untere Beute, dem Brutraum, der die
Königin beherbergt, wird eine zweite Beute als Ho-
nigraum aufgesetzt. Zwischen den beiden Beuten wird
ein sog. Absperrgitter eingeschoben, dessen Maschenwei-
te so bemessen ist, daß nur die Arbeitsbienen, nicht aber

37
Abb. 31. Brutwabe.
oB offene Brut, gb ge-
deckelte Brut, P Pollen-
kranz, H Honig.
H Bp 0 gB

die Königin mit ihrem breiteren Brustpanzer durch-


schlüpfen können. Im Honigraum kann daher keine Brut
aufgezogen werden.
Aus dem abgelagerten Ei schlüpft nach drei Tagen
die kleine weiße Made (Abb. 32). Sie wird sogleich in
ihrer Zelle von der Arbeitsbiene mit Futter versorgt (Abb.
33) und entfaltet einen solchen Appetit, daß sie binnen 6
Tagen ihr gesamtes Wachstum vollendet. Die Abb. 34

Abb. 32. Ausschnitt vom Rand eines Brutnestes. E Eier, M Ma-


den, gB gedeckelte Brut, P Pollen, H Honig.

38
Abb. 33. Eine Ammen-
biene füttert eine junge
Larve.

zeigt, genau dem wirklichen Größenverhältnis entspre-


chend, den Umfang des Bieneneies und der 6 Tage alten
Made. Ihr Gewicht nimmt in diesen 6 Tagen um mehr als
das 500fache zu. Das hieße, auf menschliche Verhältnisse
übertragen, ein neugeborenes Kind hätte nach 6 Tagen
ein Gewicht von 16 Doppelzentnern erreicht. Nun folgt
das Stadium der äußeren Ruhe, in dem sich die Verwand-
lung der Made in die fertige Biene vollzieht. Die Arbeits-
bienen bauen jetzt über die Zelle ein zartes, gewölbtes
Deckelchen aus Wachs, und gleichsam, als wollte sie
auch ihrerseits betonen, daß sie ungestörte Ruhe braucht,
webt die Made von innen her unter dieses Wachsdeckel-

Abb. 34. a Bienenei, b Bienenmade sechs Tage


nach dem Ausschlüpfen aus dem Ei. Beide Bilder
2fach vergrößert.
b

39
Abb. 35. Brutnest mit 4
bis 5 Tage alten Larven.

chen noch ein dichtes Gespinst, entsprechend dem Ko-


kon, den viele Schmetterlingsraupen vor ihrer Verpup-
pung anfertigen. Der Imker bezeichnet dieses Stadium,
im Gegensatz zur heranwachsenden »offenen Brut«, als
das der »gedeckelten Brut« (Abb. 31, 32). In der ge-
schlossenen Zelle verpuppt sich die Made (Abb. 36), und
12 Tage nach dem Beginn des Ruhestadiums, genau 3
Wochen nach der Ablage des Eies, wird der Deckel aufge-
brochen und die fertige, geflügelte Biene steigt aus der
Zelle heraus (Abb. 37).
Da die Königin vom zeitigsten Frühjahr bis zum
Spätherbst Eier legt, findet man etwa von Anfang März,
oft bis in den Oktober hinein, stets Brut in allen Alters-
stadien. Mehr als tausend junge Arbeiterinnen kommen
in den Sommermonaten täglich neu aus den Brutwaben
heraus, ebenso groß ist freilich der tägliche Abgang an
älteren Bienen, die ihre natürliche Lebensgrenze erreicht
haben oder auf einem Sammelflug vorzeitig verun-
glücken. Die Brutzellen, aus denen Bienen geschlüpft
sind, werden von der Königin bald wieder mit Eiern
hpschickt.

40
Abb. 36. Eine gedeckelte Brutzelle längs aufgeschnitten, um die
in ihr ruhende Puppe zu zeigen.
Abb. 37. Ausschlüpfende Bienen.

Wie alt werden unsere Bienen? Eine Frage, die ein


Geheimnis des Bienenstaates berührt, das unsere Bienen
erst teilweise freigegeben haben. Es gibt für sie nämlich
keine Norm der Lebenserwartung. Fest fixiert nach dem
Lebensalter ist lediglich ihre Jugendentwicklung: Dem-
nach dauert die Entwicklung im Ei 3 Tage, die frisch
geschlüpfte Larve braucht 6 Tage, um sich anschließend
zur Puppe entwickeln zu können; das Puppenstadium,
wo die Umwandlung zum fertigen geflügelten Tier von-
statten geht, dauert 12 Tage. Insgesamt muß der Imker
also 21 Tage warten, bis auf seinen Brutwaben nach der
Eiablage die jungen Bienen schlüpfen. Nebenbei sei be-
merkt, daß die Königin bereits nach 19 Tagen ihre volle
Entwicklung abgeschlossen hat, bei den Drohnen dauert
sie 24 Tage.

41
Was den menschlichen Beobachter aber in Erstau-
nen versetzt, ist die Tatsache, daß die nachfolgende Le-
bensspanne in weiten Bereichen schwanken kann, näm-
lich zwischen 3 Wochen und mehreren Monaten; sie ist
abhängig von der Jahreszeit, von der Beanspruchung
beim Ammendienst und bei der Bautätigkeit sowie bei
der Sammeltätigkeit als Trachtbiene. Generell läßt sich
sagen, daß bei Frühjahrsbienen im April, Mai, Juni, also
zur Zeit mächtiger Brutentwicklung und zur Zeit der
Haupttracht, die Lebensdauer nach dem Schlüpfen nach
etwa 3 Wochen schon zu Ende geht; sie verlängert sich im
August, September auf etwa 40 Tage; die Winterbienen,
die im September schlüpfen, können bis Februar/März
leben, sie sind dann bereits 6-7 Monate alt! Würden wir
die Frühjahrsbienen mit dem normalen Menschenalter
mit 60 Jahren gleichsetzen, dann wären die Winterbienen
Methusaleme, die ein Lebensalter von 600 Jahren errei-
chen! Kein Wunder, daß da die Bienenforscher mit
großer Energie danach gesucht haben, welches Lebense-
lexier denn die Bienen anwenden, um ihr Lebensalter so
variabel und anpassungsfähig zu gestalten. Soweit bisher
bekannt, sind es Maßnahmen, die ausschließlich durch
den Bedarf des gesamten Volkes bestimmt werden.

_ Die Frühjahrsbienen verbrauchen alle Zucker-, Fett-


und Eiweißreserven zur Ausbildung der Arnmendrü-
sen und der Wachsdrüsen, deren Sekret für die Brut-
pflege und die Bautätigkeit gebraucht wird. Solche
hohen Anforderungen an den Stoffwechsel müssen
sich durch eine Verkürzung der Lebensspanne aus-
wirken. Die langlebigen Winterbienen hingegen ha-
ben im Herbst, wo der Bruteinschlag stark einge-
schränkt und schließlich ganz unterbrochen wird, die
Möglichkeit, große Reserven an Fett und Eiweiß zu
speichern, die sparsam in den Wintermonaten abge-

42
baut werden. Diese Beobachtung stimmt mit entspre-
chenden Vorgängen in einem weisellosen Volk über-
ein: Die langlebigen weisellosen Bienen haben keine
Gelegenheit, ihre Energiereserven an die Larven und
an die Bautätigkeit abzugeben; das verlängert ihre
Lebenserwartung entsprechend.
_ Trachtbienen vollbringen auf ihren Sammelflügen
enorme Flugleistungen. In einem eigenen Versuch ha-
ben wir den höchstmöglichen Energieaufwand der
Sammelbienen gemessen. Sie durften in 1 km Entfer-
nung vom Mutterstock süßes Zuckerwasser eintra-
gen, solange, bis sie vor Erschöpfung starben. Im
Mittel sind sie diese weite Strecke im belasteten Flug
2500mal abgeflogen; belastet bedeutet, daß sie je-
weils mit etwa 55 mg Zuckerwasser in den Stock zu-
rückgeflogen sind. Umgerechnet auf den Menschen
würde das bedeuten, daß er mit einem Rucksackge-
wicht von 20 kg eine Strecke von 2500 km zu absol-
vieren hat, um es den Bienen gleichzutun.

Die Brutpflege der Arbeitsbienen beschränkt sich


nicht auf die 6 Tage des Wachstums, in denen die Bienen-
made gefüttert werden muß. Vom Ei bis zum Ausschlüp-
fen der Biene bedarf die Brut der Betreuung, denn sie
braucht zu ihrer normalen Entwicklung eine gleichmäßi-
ge Wärme von 35 oe, die im Bereich des Brutnestes von
den Arbeitsbienen recht genau hergestellt und aufrechter-
halten wird. Was das bedeutet, mag ein Seitenblick klar-
machen:
Der menschliche Körper behält seine normale Tem-
peratur von 37 oe, auf die alle seine Lebensvorgänge
eingestellt sind, mit unbedeutenden Schwankungen Tag
und Nacht, Sommer und Winter. Das ist nur durch eine
dauernde Temperaturregelung möglich, die ohne unseren
Willen und meist ohne unser Wissen in verwickelter Wei-

43
se vor sich geht. Steigt die Körpertemperatur nur um
Bruchteile eines Grades über das normale Maß, dann
wird zur Steigerung der Wärmeabgabe die Haut stärker
durchblutet - daher das rote Gesicht des Erhitzten -, die
innere Heizung wird zurückgeschraubt, und wir begin-
nen zu schwitzen; durch das Verdunsten des Schweißes
wird Wärme verbraucht und der Körper gekühlt. Sinkt
die Körpertemperatur zu sehr, so wird durch andere
Blutverteilung die Wärmeabgabe vermindert und die
Wärmeerzeugung durch vermehrte Verbrennung von
Fett und Zucker, den Heizstoffen des Körpers, gesteigert.
Wenn wir zu zittern beginnen, so ist das nichts anderes
als Muskelbewegung ohne Bewegungssinn, nur zur Er-
zeugung von Wärme.
Die Fähigkeit der Temperaturregelung haben wie
die Menschen nur die Säugetiere und Vögel. Eine Eidech-
se aber ist heißblütig und lebhaft in der warmen Sonne, in
der Kühle des Abends sinkt ihre Bluttemperatur und sie
wird schläfrig und faul. Auch Insekten sind »wechselwar-
me« Tiere, die auf das schroffste von der Temperatur der
Umgebung beeinflußt werden. Bienen nehmen eine ge-
wisse Sonderstellung ein. Durch aktives Zittern ihrer
Brustmuskulatur können sie ihren Körper sehr schnell
binnen weniger Minuten um einige Grade wärmer ma-
chen. Sie tun dies z. B. vor dem Ausfliegen. Freilich kön-
nen sie, auf sich allein gestellt, in kalter Luft einen ra-
schen Wärmeverlust nicht verhüten, und schon bei 8-
10 oe werden sie steif und unbeweglich, wenn sie ein
kühler Abend überrascht. Im Brutbezirk des Stockes
aber, wo sie zu Tausenden beisammen sind, halten sie
eine gleichmäßige Temperatur von fast genau 35 oe auf-
recht. Bei der geringsten Unterkühlung heizen sie ihren
Körper auf, wobei sie bisweilen um 10° wärmer werden
als ihre Umgebung und als lebendige Öfchen die erzeugte
Wärme an sie abgeben. Zudem drängen sie sich auf den

44
Abb. 38. Bei Überhitzungsge-
fahr werden Wassertröpfchen
in den Wabenzellen abgesetzt.

Brutwaben dicht aneinander und bedecken die Zellen mit


ihren Körpern wie mit Federbettchen. An heißen Tagen
aber lockert sich die Gesellschaft auf, und wenn die Wär-
me trotzdem zunimmt, tragen sie Wasser ein, denn
schwitzen können sie nicht. Das eingetragene Wasser
verteilen sie tröpfchenweise in den Zellen, vornehmlich in
den Brutzellen (Abb. 38). Das erinnert an unsere Haus-
frauen in alten Zeiten, die an heißen Sommertagen ihre
Wohnung durch Versprengen von Wasser zu kühlen ver-
suchten. Die Bienen verstärken diesen Kühleffekt noch
dadurch, daß sie durch heftiges Fächeln mit ihren Flügeln
eine Ventilation in Gang bringen und gleichzeitig die
erwärmte feuchte Luft beim Flugloch hinausjagen. In
neuerer Zeit hat man gefunden, daß den Bienen neben
dem Wasserspucken noch ein anderes Mittel zur Verfü-
gung steht, das nicht minder geeignet erscheint, Abküh-
lung durch Verdunstung zu schaffen. Während die einen
mit höchstem Eifer sich dem Wasserspucken hingeben,
andere dem Fächeln und in aller Eile das nötige Wasser
beitragen, sieht man einen großen Teil der Stockbienen
scheinbar völlig teilnahmslos und untätig dasitzen. Wenn
man aber sehr genau hinschaut, stellt man fest, daß auch
diese Bienen sich sehr aktiv an der Temperaturregelung

45
Abb. 39. Durch den
rhythmischen Rüsselaus-
schlag, bei dem ein Was-
sertröpfchen filmartig
ausgezogen wird, wird
die Wasserverdunstung
erheblich gesteigert.

beteiligen: Sie sind immerfort damit beschäftigt, ihren


Rüssel aus- und einzuklappen. Dabei lassen sie ein Was-
sertröpfchen aus ihrem Mund austreten, und dieses wird
mit jedem Rüsselausschlag mehr und mehr filmartig aus-
gezogen, so daß auch auf solche Weise eine große Ver-
dunstungsfläche geboten wird (Abb. 39). Ein sicheres
Empfinden für den gegebenen Wärmegrad und eine woh-
lorganisierte Zusammenarbeit im Volk sind die Voraus-
setzungen für diese wunderbare Leistung.
Wir haben bisher von der Bienenbrut schlechtweg
gesprochen und dabei nicht beachtet, daß ja die dreierlei
Wesen, die wir im Volk gefunden haben: Königin, Droh-
nen und Arbeiterinnen, aus der Brut hervorgehen müs-
sen. Die vorhin gemachten Angaben über die Entwick-
lungszeit gelten tatsächlich nur für die Arbeitsbienen. Die
Königin braucht etwa 5 Tage weniger, die Drohne etwa 5
Tage länger, um aus dem Ei zur fertigen Biene zu werden.

46
Abb. 40. Wabenausschnitt mit
zwei Weise/zellen, in welchen je
eine Königin herangezogen wird.

üb aus einem Ei eine Arbeitsbiene oder eine Köni-


gin wird, das bewirken die pflegenden Arbeiterinnen.
Ihresgleichen ziehen sie in den gewöhnlichen, engen Wa-
benzelIen heran; für jene wenigen Larven, die Königinnen
werden sollen, bauen sie viel geräumigere Zellen, die
Weiselwiegen (Abb. 40) - so genannt, weil die Königin in
der Imkersprache auch der »Weisel« heißt. Ausschlagge-
bend aber für das Schicksal der heranwachsenden weibli-
chen Made ist ihre Ernährung. Arbeiterinnen-Larven er-
halten in ihren ersten Lebenstagen »Futtersaft«, das ist
die nährstoffreiche Absonderung umgewandelter Spei-
cheldrüsen, die hier denselben Dienst tun wie die Milch-
drüsen bei den Säugetieren. Älter geworden, vertragen sie
eine gröbere Kost und bekommen zusätzlich auch Blüten-
staub und Honig. Die Larve, die zur Königin werden soll,
wird ausschließlich mit Futtersaft ernährt, der ihr reichli-
cher geboten wird als den anderen Maden. Jedoch nicht
die Menge des Futters ist dafür entscheidend, daß sich die
Larve zur Königin entwickelt, sondern ausschließlich ein
bestimmter Wirkstoff aus einer Drüse, den die brutpfle-
genden Bienen nur dem Weiselfuttersaft in wmzlger

47
Abb. 41. Künstliche Weiselnäpfchen wurden ausgebaut; eben
schlüpft eine junge Königin.

Menge zusetzen. Man wüßte gar zu gern die chemische


Natur dieses Zaubermittels. An einem kleinen Tröpfchen
Futtersaft kann man sie nicht erforschen. Die Imker ver-
stehen es aber, ein Bienenvolk durch geeignete Maßnah-
men dahin zu bringen, daß es an die 50 Weiselzellen
gleichzeitig anlegt und mit Futtersaft versorgt. Bei solcher
Massenzucht von Königinnen lassen sich aus einem Volk
etwa 25 Gramm Weiselfuttersaft gewinnen. Aus 5 Kilo-
gramm des kostbaren Saftes konnten etwa 5 Milligramm
(Stausendstel Gramm) des Wirkstoffs in gereinigter und
konzentrierter Form erhalten werden. Hiermit ließen sich
bei künstlicher Aufzucht junger Larven im Brutschrank -
unter vollem Verzicht auf pflegende Arbeitsbienen - mit
eigener Hand und ganz nach Wunsch vollwertige Köni-
ginnen oder Arbeiterinnen aus ihnen machen, indem man
eine Spur des Wirkstoffes entweder zusetze oder nicht
(Abb.41).
Inzwischen ist es den Bienenforschern in internatio-
naler Zusammenarbeit gelungen, den Mechanismus, der
die Weichen zur Entwicklung einer Königin oder Arbeite-

48
Abb. 42. Aus der Praxis der Königinnenzucht:» Begattungs-
kästchen« mit jungen Königinnen sind aufgestellt - in Erwartung
eines erfolgreichen Hochzeitsfluges.

rin stellt, aufzuklären. Entscheidend dafür sind.die ersten


3 Larventage. Zum einen wird der Titer des Juvenilhor-
mons, das die Brutammen aus einer Hirnanhangsdrüse
abgeben, um ein Quäntchen im Königinfuttersaft erhöht.
Allgemein ist dieses Juvenilhormon bei allen Insekten für
die Umwandlung der Larve in das geschlechtsreife Tier
beteiligt. Bei Bienen hat es eine Sonderstellung, indem es
auch für die Ausbildung der Kasten, also der Königin
oder der Arbeiterin, verwendet wird. Eine weitere
Maßnahme für die Königinentwicklung ist zu vermerken:
Die Brutammen geben dem Futter der Königinlarve einen
Anteil von 35 % an Zucker (Hexose), während das Lar-
venfutter nur 10 % davon enthält.

49
Abb. 43. Bienenkönigin, Hinterleib von oben geöffnet und die Ei-
erstöcke etwas seitlich auseinandergelegt. E Eierstöcke, LEileiter
(Ausführgang der Eierstöcke), S Samenbehälter, A Ausführgang
des Samenbehälters.
Abb. 44. Eierstöcke einer Königin. E Eierstöcke, Er Eiröhrchen, Ee
Eileiter, Sb Samenblase mit D Drüsenanhang, SI S2 Vagina, Schm
Schrnierdrüse, Gd Giftdrüse, Gb Giftblase, St Stachelapparat.

Da die Bienenkönigin 4-5 Jahre alt wird, während


das Leben der Arbeiterinnen nach Wochen, bestenfalls
nach Monaten zählt, so denken manche Menschen, sie
könnten durch den Genuß von Futtersaft aus Weiselwie-
gen vielleicht ihr Erdendasein um einiges verlängern. Ent-
sprechende Präparate sind heute als Königin-Futtersaft
(Gelee Royale) erhältlich - gewiß zum guten Nutzen für
die Hersteller und Verkäufer. Ob auch zum Nutzen der
Verbraucher, darüber sind die Ansichten noch geteilt.
Königin und Arbeiterin sind weibliche Wesen. Ob
ein solches oder eine männliche Biene (Drohne) aus ei-
nem Ei hervorgeht, das entscheidet die Königin im Au-
genblick der Eiablage. Hiermit hat es folgende Bewandt-
nIS:

50
In ihren ersten Lebenswochen wird die Königin auf
ihren »Hochzeitsflügen« von Drohnen begattet (Abb.
49a,b). Von da ab hat sie für ihr ganzes Leben in einem
Bläschen ihres Hinterleibes, dem Samenbehälter, männli-
che Keimzellen, die da mehrere Jahre lebendig und ge-
brauchsfähig bleiben. Die Blase steht durch einen dünnen
Kanal mit dem Gang in Verbindung, durch welchen die
Eier abgelegt werden (vgl. Abb. 43, 44). Durch einen
höchst genau arbeitenden Mechanismus kann nun die
Königin, wenn hier ein Ei vorbeigleitet, einige Samenfä-
den aus jener Blase austreten lassen, dann wird das Ei
befruchtet. Oder sie unterläßt dies, dann wird das Ei
unbefruchtet abgelegt. Aus den unbefruchteten Bienenei-
ern werden Männchen, aus den befruchteten aber weibli-
che Tiere, also Königinnen oder Arbeiterinnen (diese
merkwürdige Art der Geschlechtsbestimmung gibt es
auch bei einigen anderen Insekten). Nur ausnahmsweise,
bei starker Inzucht, kann sich auch ein Teil der befruch-
teten Eier zu Drohnen entwickeln. Das hat man lange
nicht bemerkt, bis man dahinter kam, daß die Arbeitsbie-
nen jene Larven, die sich regelwidrig zu Männchen ent-
wickeln, erkennen und kurzerhand auffressen.
Wenn auch die Entstehung von Drohnen auf die
Ablage unbefruchteter Eier durch die Königin zurückzu-
führen ist, so müssen für die Aufzucht der größeren
Drohnenlarven entsprechend große Zellen zur Verfügung
stehen (Abb. 45). Erst müssen solche Drohnenzellen ge-
baut sein, dann belegt sie die Königin mit unbefruchteten
Eiern - so haben auch hier die Arbeitsbienen die Füh-
rung. Es sei jedoch nicht verschwiegen, daß letztere, was
den Drohnenbau betrifft, in der Regel des Guten zuviel
tun. Der Imker ist jedoch dar an interessiert, nicht zuviele
Drohnen in seinem Volk zu haben, da diese sich ja nicht
am Arbeitsmarkt beteiligen (s. S. 62) und sich sogar von
den Arbeitsbienen füttern lassen.

51
Abb. 45. Eine Wabe
mit den 3 verschiedenen
Zelltypen: Drohnenzel-
len (rechts unten), Ar-
beiterinnenzellen (Mitte
".~~~~~~~~~i1~

und links), ein Weisel-
näpfchen (rechts oben).

Durch einen einfachen Trick zwingt er die Baubie-


nen beim Neubau der Waben, nur Arbeiterinnenzellen
anzulegen; das gelingt dadurch, daß er durch Einhängen
von sog. »Mittelwänden« ausschließlich das Grundrnu-
ster von Arbeiterinnenzellen anbietet; die Baubienen neh-
men diese Anweisung ohne Widerstand an; für Drohnen-
zellen ist dann am Wabenrand immer noch genügend
Raum.
Ein ernstes Problem ergibt sich für die Baubienen
jedes Jahr dadurch, daß der Zeitpunkt für den Bau von
Weisel- und Drohnenzellen richtig festzusetzen ist. Zur
Schwarmzeit, also im Mai/Juni, sollen die jungen Köni-
ginnen schlüpfen, um dann nach dem Auszug des
Schwarmes die alte Stockmutter zu ersetzen. Gleichzeitig
müssen aber die Drohnen zum Hochzeitsflug bereitste-
hen. Da die Entwicklung vom Ei zum schlüpfenden ge-
schlechtsreifen Tier 3 Wochen dauert, muß man bereits
vorausplanend Ende März, Anfang April mit dem Bau
von Weisel- und Drohnenzellen beginnen. Wie die Bau-
bienen diesen Zeitpunkt genau erkennen, ist der Wissen-
schaft noch ein Rätsel; erste Befunde deuten jedoch dar-
auf hin, daß die zunehmende Tageslänge nach der Tag-
Nacht-Gleiche im März das erste Signal gibt.

52
Die Anwesenheit der Königin ist für den Fortbe-
stand eines Volkes ohne Zweifel von elementarer Not-
wendigkeit. Und es ist dafür gesorgt, daß alle Stockge-
nossen stets wissen, ob sie da ist oder nicht. Diese Kennt-
nis verdanken sie der Königinnensubstanz«. Darunter
versteht man ein Duftstoffgemisch, das in der Oberkie-
ferdrüse der Königin erzeugt wird. Es besteht aus zwei
Fettsäuren, der 9-0xodecen-Säure und der 9-Hydroxy-
decen-Säure. Bei der Pflege der Königin durch die
Hofstaatbienen wird dieser Stoff in kleinen Portionen
von der Königin erbettelt und bei der ständigen wechsel-
seitigen Fütterung der Arbeitsbienen von Mund zu Mund
verteilt, so daß er schnell Gemeingut des Volkes wird.
Obwohl nur in Spuren vorhanden, hat er eine bedeutende
Wirkung: Die Königinnensubstanz fördert den Zusam-
menhalt des Volkes, unterdrückt zugleich die Eientwick-
lung der Arbeiterinnen und hemmt ihren Trieb, Weisel-
zellen zu bauen. Wenn ein Volk durch ein Mißgeschick
seine Königin verliert, wird das durch die Abnahme der
Königinnensubstanz oft schon binnen 5-6 Stunden der
Gesamtkeit »bekannt«. Dann fallen jene Hemmungen
weg, es werden Zellen mit jungen Arbeiterinnenlarven in
Weiselzellen umgebaut, und wenn alles gut geht, können
aus jenen rechtzeitig neue Königinnen herangezogen wer-
den. In der Regel übernimmt die zuerst geschlüpfte die
Nachfolge, die übrigen werden von ihr oder von den
Arbeiterinnen umgebracht.
Die Königinsubstanz hat in anderer Situation noch
eine weitere Funktion zu erfüllen: Beim Hochzeitsflug,
wo sich die jungen Königinnen in den Drohnenschwarm
stürzen (s. S. 59), geben sie aus der Oberkieferdrüse diese
Königinsubstanz als lockenden Duftstoff frei. Sie geben
sich damit den Drohnen zu erkennen und locken mehrere
von ihnen zur Begattung an.

53
5 Der Bienenschwarm

Das Frühjahr, die Zeit des Blühens und des reich-


sten Futtersegens, ist auch die Zeit des stärksten Brutan-
satzes. Bei der raschen Entwicklung der Maden führt das
eifrige Eierlegen der Königin zu einer schnellen Vermeh-
rung der Bienen und hierdurch zu einem raschen Erstar-
ken des Volkes, aber nicht unmittelbar zu einer Vermeh-
rung der Völker, denn jedes Bienenvolk ist ja mit seiner
Königin ein geschlossener »Staat« und aus der Brut
wächst nur die Zahl der Bürger.
Es müssen sich aber auch die Völker als solche
vermehren. Denn nicht selten geht eines durch Krankheit,
durch Hungersnot nach einem schlechten Sommer oder
durch sonstiges Mißgeschick zugrunde, und würden
nicht andererseits neue Völker entstehen, so gäbe es bald
keine Bienen mehr.
Ein neuer Stock braucht eine neue Königin; erst
wenn für diese gesorgt ist, kann sich das Volk als solches
vermehren, und dies vollzieht sich durch das »Schwär-
men« der Bienen.
Die Vorbereitung geschieht in aller Stille. Zumeist
im Mai legen die Arbeiterinnen einige Weiselzellen an
und züchten in diesen die jungen Königinnen heran (s.
S. 48). Eine würde zumeist genügen, aber es kann ihr ein
Unglück zustoßen. Die Natur kennt keine Zartfühligkeit.

54
Abb. 46. Ein Bienenschwarm sammelt sich um seine Königin.

So werden ein halbes Dutzend oder mehr Königinnen


herangezogen, von denen später die Überflüssigen ge-
waltsam entfernt werden.
Etwa eine Woche, bevor die erste junge Königin aus
ihrer Zelle schlüpft, schwärmt das Volk. Wieder geht der
Anstoß von den Arbeiterinnen aus. Schon seit einigen
Tagen hat ihre Tätigkeit etwas nachgelassen. Bei einem
starken Volk lagern sie in dicken Klumpen vor dem
Flugloch. Mit einem Male geraten sie in Aufregung, und
in einem tollen Wirbel durcheinander fliegend erhebt sich
eine Wolke von Bienen in die Lüfte. Etwa die Hälfte der
Stockbewohner, mit ihnen die alte Königin, verlassen
ihre Behausung.
Zunächst fliegen sie nicht weit. An einem Baumast
oder dergleichen sammelt sich. die Bienenwolke (Abb. 46)
und setzt sich um die Königin herum zu einer dichten
»Schwarmtraube« zusammen (Abb. 47). Jetzt ist der

55
Abb. 47. Die Bienen haben sich zu einer dichten Schwarmtraube
gesammelt. Sofort werden Quartiermacher auf Wohnungssuche
gehen.

Moment, wo der wachsame Imker den Schwarm mit


geringer Mühe in eine leere Bienenwohnung schüttelt
und sich ihn sichert. Zaudert er zu lange, dann ist der
Schwarm verloren. Denn während dieser in stiller Muße
am Ast hängt, sind Kundschafter (» Spurbienen «) eifrig
am Werk, um eine geeignete Unterkunft ausfindig zu
machen, etwa einen hohlen Baum oder einen leeren Bie-
nenkasten auf einem oft weit entfernten Stand. Sie ma-
chen jetzt den Schwarm mobil und schicken ihn von
seiner ersten Raststätte fort, die Schwarmtraube löst sich
auf und zieht wieder als Wolke dahin, von den Spurbie-
nen in ihr neues Heim gewiesen. Wie Abb. 48 zeigt, kann
sich der Schwarm ausnahmsweise auch an der ersten
Anlegestelle seßhaft machen.
Im alten Stock sind die zurückgebliebenen Bienen
nun ohne Oberhaupt. Aber nach wenigen Tagen schlüpft

56
Abb. 48. Wenn die Wohnungs-
suche - ausnahmsweise - er-
folglos bleibt, macht sich der
Schwarm an der ersten Anlege-
stelle seßhaft, indem er mehre-
re Waben ausbaut und Brut an-
setzt.

die erste von den jungen Königinnen aus. Jungfräulich


der Zelle entstiegen, bedarf sie der Begattung, bevor sie
mit der Eiablage beginnt. Drohnen sitzen zwar mehr als
genug für eine Königin auf den Waben herum, aber im
Inneren eines Bienenstockes interessieren sich beide über-
haupt nicht füreinander. Das ist gut so, denn es würde zu
schädlicher Inzucht führen. Eine Woche nach dem Ver-
lassen ihrer Brutzelle, bei schlechtem Wetter auch später,
unternimmt die Königin den Hochzeitsflug und vereint
sich in den Lüften mit einer Drohne, in der Regel sogar
mit mehreren nacheinander.
Dieses Schauspiel der Begattung zu beobachten,
blieb ein kaum erfüll barer Wunschtraum der Imker wie
der Gelehrten, bis ein solcher auf den Gedanken kam, die
heiratslustige Königin an einem Nylonfaden gefesselt flie-
gen zu lassen. Dann dauerte es manchmal nur Minuten,
bis eine Gruppe Drohnen angeflogen kam (Abb. 49a), ja
oft waren es deren Dutzende oder Hunderte, und wenn

57
Abb. 49 a. Drohnenflug gegen eine am Faden F befestigte flie-
gende Königin. Die Drohne am weitesten links kehrt den Rücken,
weil sie eben eine scharfe Kurve fliegt.

-
's •
B
-... ...
-
,
-
...
..
....

-
Abb. 49 b. Drohnenanflug gegen eine Königin im Käfig K; dieser
hängt an einem (im Bild nur teilweise sichtbaren) kleinen Fessel-
ballon B, der etwa 10 m über dem Boden schwebt. S Ballon-
schnur.

58
sie sich durch den Faden nicht stören ließen, vollzog sich
die Hochzeit vor den Augen des Beobachters.
Angelockt werden die Drohnen teils durch den An-
blick der Königin gegen den hellen Himmel, vor allem
aber durch einen Mundgeruch der Königin, der aus ihren
Kieferdrüsen stammt, und durch spezielle, nur der Köni-
gin eigene Duftdrüsen an ihrem Hinterleib. Die Drohnen
fallen auch über ein Wattebäuschchen her, wenn man es
mit den Duftstoffen tränkt und an einem Ballon hochstei-
gen läßt. In Abb. 49b fliegen sie den Käfig an, in dem eine
Königin sitzt.
Bei solchen Versuchen kommen die Drohnen an
gewissen Stellen schnell und regelmäßig, an anderen sel-
ten oder gar nicht. Sie sind nicht überall, sie haben ihre
Sammelplätze in der freien Luft, beschränkte Areale von
etwa 50-200 Meter im Durchmesser, oft 1-4 km weit,
selten bis 7 km vom nächsten Bienenstand entfernt und
jedes Jahr wieder an den gleichen Stellen, wo sie auf das
Eintreffen von Königinnen warten und diese sie auffin-
den. Übrigens wissen davon auch Hirten und anderes
Landvolk, denn alljährlich ist dort zur gegebenen Zeit
das Summen der kreisenden Drohnen auch am Boden gut
zu hören.
Beim Aufsuchen der Drohnensammelplätze richten
sich die Bienen nach gewissen Geländemarken; sie stre-
ben dahin, wo sich rundum am Horizont der tiefste
Einschnitt bietet. In flachem Gelände, ohne deutliche
Horizontmarken, scheinen aus diesem Grunde Sammel-
plätze zu fehlen.
Die Fähigkeit, die Lage der Drohnensammelplätze
nach Horizontmarken zu finden, ist den Bienen im Erb-
gut mitgegeben.
So etwas ist nicht ungewöhnlich. Auch viele andere
Tiere legen zur Fortpflanzungszeit weite Strecken zurück,

59
um an markanten Stellen, die sie nicht aus früherer Er-
fahrung kennen, die Geschlechtsgenossen zu treffen.
Die Königin kann an einem einzigen Hochzeitsflug
mehrfach begattet werden, und sie kann diesen Hoch-
zeitsflug an den folgenden Tagen wiederholen, wobei sie
insgesamt bis zu 17mal von verschiedenen Drohnen be-
gattet wird. Das hat man in jüngster Zeit mit einer mo-
dernen Nachweismethode, der sog. »fingerprint-Metho-
de« herausgefunden; mit ihrer Hilfe gewinnt man eine
genaue Kopie der Erbanlagen und damit einen exakten
Vaterschaftsnachweis.
Nach der Begattung wird die Königin die tugendsa-
me Bienenmutter, die nie mehr das Heim verläßt - es sei
denn, daß sie zu einem späteren Zeitpunkt, durch eine
junge Königin entthront, mit einem neuen Schwarm zum
Flugloch hinauseilt.
Und was ist aus den Königinnen in den anderen
Weiselzellen geworden? Wenn das Volk in diesem Jahr
nur einen Schwarm entläßt, dann leben sie nicht mehr.
Die zuerst geschlüpfte Königin hat alle anderen Weisel-
zellen aufgebissen und persönlich ihre Schwestern ersto-
chen, gleichgültig, ob sie schon geschlüpft oder noch als
Puppen in ihren Wiegen ruhten. Dann haben Arbeiterin-
nen die Weiselzellen abgetragen und die Leichen aus dem
Stock geschafft. Wenn die »Stimmung« des Volkes aber
einen weiteren Schwarm plant, dann schützen die Arbei-
terinnen die übrigen Weiselzellen vor den Angriffen der
Königin. Die zum Schlüpfen bereiten Jungköniginnen
verlassen ihre Weiselwiegen nicht. Denn die freie Königin
im Stock würde sofort über sie herfallen. Sie strecken nur
ihren Rüssel durch einen kleinen Schlitz ihrer Zellen und
werden so von den Arbeiterinnen gefüttert. Ein eigenarti-
ger Wechselgesang ertönt jetzt im Bienenstock. Die freie
Königin läßt ein »Tüten« hören, und auch die Einge-
schlossenen geben gleichartige Lautäußerungen von sich,

60
die aus ihrem Gefängnis wie ein dumpfes »Quak«,
»Quak« heraustönen. Der Imker sagt, die Quakerinnen
fragen an, und so lange sie ein Tüten zur Antwort be-
kommen, hüten sie sich, den Schutz ihrer Zellen zu ver-
lassen. Während man bis vor wenigen Jahren noch der
Überzeugung war, daß Bienen nicht hören können, ha-
ben neuere Untersuchungen erwiesen, daß sie durchaus
für bestimmte Schallsignale ein echtes Hörvermögen ha-
ben. So auch für die Frequenz des Tütens und Quakens,
wobei allerdings auch der fein entwickelte Taststinn un-
terstützend beteiligt ist.
Wenn man die Töne künstlich erzeugt, kann man
sich im Wechselgesang eines Frage- und Antwort-Spieles
mit einer Bienenkönigin unterhalten. Auch geruchliche
Reize sind wahrscheinlich daran beteiligt, daß die jungen
Königinnen vom vorzeitigen Schlüpfen abgehalten wer-
den. Jedenfalls merken sie es in ihren Zellen, wenn die
Rivalin mit einem neuen Schwarm davongezogen ist.
Dann schlüpfen sie aus ihren Wiegen. Eine bleibt als
Stockmutter im Volk, die anderen werden gemordet.
Bisweilen gehen noch mehr Schwärme ab, und ent-
sprechend mehr Königinnen treten in ihre Rechte. Ande-
rerseits kann ein Volk bei ungünstiger Witterung oder
schlechtem Ernährungszustand das Schwärmen ganz un-
terlassen.

61
6 Die Drohnenschlacht

Noch vor den Weiselzellen haben die Arbeiterinnen


Drohnenzellen gebaut, aus denen etwa Anfang Mai die
ersten Drohnen ausschlüpfen, ~>gefräßig, di~k und faul
und dumm« nach Wilhelm Busch. Sie beteiligen sich
nicht am Einsammeln der Nahrung; es fehlt ihnen der
Sammeltrieb wie auch das nötige Gerät, das Bürstchen
und Körbchen; sie lassen sich in aller Bequemlichkeit von
den Arbeiterinnen füttern. Ihr Gehirn ist kleiner als das
der Arbeiterin oder Königin, an der geistigen Minderwer-
tigkeit des männlichen Geschlechtes ist hier nicht zu
zweifeln. Der einzige Daseinszweck der Drohnen ist die
Begattung der Königin. Obwohl die Königin nur eine
oder wenige Drohnen braucht, erzeugt ein Volk viele
hundert, von denen fast alle ihr Lebensziel verfehlen -
wie die Natur so manches in verschwenderischer Fülle
schafft und dann verkommen läßt.
An schönen Tagen fliegen sie zu ihren Sammelplät-
zen und warten auf eine Königin. Oft finden sie nicht in
ihren Heimatstock zurück und kehren beim nächstbesten
Bienenvolke ein, überall gastlich aufgenommen, solange
es noch Schwärme gibt. Aber wenn die Zeit der jungen
Königinnen vorüber ist und mit dem Hochsommer die
Blumenquellen spärlicher zu fließen beginnen, ändert
sich die Einstellung der Arbeitsbienen gegen die überflüs-

62
sig gewordenen dicken Stockgenossen. Die sie bisher ge-
füttert und gepflegt, beginnen sie jetzt zu rupfen und zu
beißen, sie zwicken sie, wo sie ihrer habhaft werden, mit
ihren festen Kiefern, packen sie an Fühlern oder Beinen
und suchen sie von den Waben wegzuzerren, dem Aus-
gang des Stockes zu. Deutlicher kann man nicht sein.
Aber die Drohnen, unfähig, ihre Nahrung selbst zu fin-
den, sind dem Verhungern preisgegeben, wenn sie aus
dem Stock vertrieben werden. So suchen sie hartnäckig
immer wieder einzudringen, um mit neuen Bissen, ja mit
giftigen Stichen von seiten der Arbeiterinnen empfangen
zu werden, denen sie sich wehrlos hingeben; denn die
Drohnen haben weder einen Giftstachel noch die gering-
ste kriegerische Veranlagung. So finden sie eines Som-
mertages, vertrieben und verhungert oder erstochen, ein
unrühmliches Ende an den Pforten der Bienenwohnun-
gen. Das ist die »Drohnenschlacht «. Keine plötzliche
Aufwallung, keine Bartholomäusnacht, wie sie die Bie-
nenpoeten gerne schildern, sondern eine allmählich be-
ginnende Feindseligkeit der Arbeiterinnen, die sich durch
Wochen hinzieht und steigert, bis die letzte Drohne tot
ist.
Von da an bis zum nächsten Frühling sind die
Weiblein im Bienenvolk unter sich und halten einen un-
gestörten Frieden.

63
7 Die Arbeitsteilung
im Bienenstaat

Es war schon kurz davon die Rede, daß im Bienen-


volk eine Arbeitsteilung besteht. Die einen sorgen für
Sauberkeit, andere pflegen die Brut, wieder andere bauen
die Waben oder schaffen die Nahrung herbei. Man ist
versucht, Vergleiche anzustellen und denkt an Putzfrauen
und Kindermädchen, Baumeister und Landwirte in der
menschlichen Gesellschaft - doch besteht in der Art der
Arbeitsteilung ein wesentlicher Unterschied: Wer sich bei
uns zu einem Beruf entschließt, behält ihn in der Regel bis
an sein Lebensende bei. Arbeitsbienen aber pflegen ihre
Tätigkeit mit fortschreitendem Alter mehrmals zu wech-
seln.
Um das im einzelnen zu ergründen und den Lebens-
wandel bestimmter Individuen im Gewühl ihrer Stockge-
nossen zu verfolgen, braucht man neben einer guten Por-
tion Geduld auch einige technische Behelfe.

- Der Beobachtungsstock
und das Numerieren der Bienen

Ein Bienenstock ist eine finstere Kiste. Will man den


Einwohnern zusehen, so benützt man einen Beobach-
tungsstock, dessen Waben nicht wie üblich hintereinan-

64
Abb.50. Beobachtungsbienenstock, nach Entfernung des seitli-
chen Schutzdeckels. Man sieht durch die Glasfenster auf die ne-
beneinanderstehenden Waben. Die Bienen können unter den
Holzleisten, die als Fensterrahmen dienen, ungehindert von einer
Wabe zur anderen laufen.

der angeordnet sind, sondern nebeneinander, so daß man


durch Glasfenster die Bienen dauernd im Auge behalten
kann (Abb. 50). Ferner muß man die Tiere, deren Le-
benslauf man verfolgen will, eindeutig kennzeichnen, am
besten: numerieren. Das geschieht mit Malerfarben, die
mit alkoholischer Schellacklösung angerührt werden. Ein
weißer Fleck am Bienenrücken vorne bedeutet 1, ein
roter daselbst 2, ein blauer 3, ein gelber 4, ein grüner 5.
Die gleichen Farben am hinteren Ende des Bruststückes
bedeuten: weiß 6, rot 7, blau 8, gelb 9, grün O. Durch
Nebeneinandersetzen zweier Tupfen schreiben wir zwei-
stellige Zahlen, z. B. weiß-rot am Vorderrand der Brust
= 12, rot links vorne und gelb rechts hinten = 29 usw.
Farbtupfen auf dem Hinterleib geben die Hunderter an -
so kommen wir mit unseren fünf Farben schon bis 599
und können dieses Ziffernsystem bei Bedarf leicht noch
weiter ausgestalten (Abb. 51). Es hat den Vorteil, daß es

65
Abb. 51. a Eine Biene
wird - während sie am
Futterschälchen saugt -
mit Farbtupfen mar-
kiert und so individuell
gekennzeichnet. b Mar-
kiergerät: Pinsel mit
5 verschiedenen Farblö-
sungen (links) sowie
Schellacklösung und
lOO%iger Alkohol
(rechts). Davor saugt
eine Biene am Futter-
schälchen.

sich bei etwas Übung so sicher ablesen läßt wie geschrie-


bene Zahlen, wobei man die leuchtenden Farbenflecken
selbst an fliegenden Bienen schon aus einiger Entfernung
erkennen kann.
Was man auf solche Art in vielfältiger Beobachtung
gefunden hat, soll im folgenden kurz geschildert werden.

- Die Tätigkeit der Bienen


in verschiedenen Lebensaltern

Das Leben der Arbeitsbiene, vom Ausschlüpfen aus


der Zelle bis zu ihrem Tod, läßt sich in 3 Abschnitte
einteilen:

66
Im ersten Lebensabschnitt (vom 1. bis etwa 10.
Lebenstag) beschäftigt sie sich als Hausbiene im Inneren
des Stockes. Man sieht sie mit dem Kopf voran in Zellen
kriechen, die durch das Ausschlüpfen anderer Bienen frei
geworden sind; sie werden gereinigt und für die Aufnah-
me eines neuen Eies vorbereitet. Mit dem Saubermachen
der Brutzellen ist es aber nicht getan; diese werden zu-
sätzlich in vorbildlicher Weise gegen Pilz- und Bakterien-
infektion mit einem feinen Harzüberzug, dem sog. Pro-
polil überzogen. Die Kinderstube der Bienen wird damit
praktisch keimfrei gemacht; kein Kinderkrankenhaus
kann mit solcher Hygiene konkurrieren. Die Jungbienen
halten sich auch auf den Brutzellen auf, um sie vor Ab-
kühlung zu schützen, und verbringen im übrigen viel Zeit
untätig, indem sie still sitzen oder gemächlich auf den
Waben herumspazieren. Wir werden noch hören, daß
auch dieser Müßiggang zum Segen der Gesamtheit bei-
trägt.
Nach wenigen Tagen gelangt im Kopf der Biene
jene Futtersaftdrüse zu mächtiger Entfaltung, von der
schon auf S. 47 die Rede war. Hiermit wird sie für die
Hauptaufgabe ihres ersten Lebensabschnittes reif, für
ihre Tätigkeit als Brutamme. Die Eiweißstoffe der Nähr-
drüsen stammen aus den Pollenvorräten des Stockes, die
von den Brutammen zur Erzeugung der »Muttermilch«
in Menge verzehrt und verdaut werden.
Die Betreuung der Jugend macht nicht wenig Ar-
beit! Zur Aufzucht einer einzigen Larve erhält eine Brut-
zelle 2000 bis 3000 Besuche von seiten der pflegenden
Bienen. Wenn man zusammenzählt, wieviel Zeit eine ein-
zige Pflegerin hierbei aufzuwenden hat, so kommt her-
aus, daß die Dauer ihrer Tätigkeit als Brutamme eben
ausreicht, um 2 bis 3 Larven großzuziehen. Kein Wun-
der, daß die Bienenlarven unter solcher Pflege prächtig
gedeihen und schon nach 6 Tagen reif sind zur Verpup-

67
Hovs6iene

Abb. 52 a,b. Schema der Arbeitsteilung. a Biene im 1. Lebensab-


schnitt, Futtersaftdrüse (im Kopf) auf der Höhe der Entwicklung,
b im 2. Lebensabschnitt sind die Wachsdrüsen (am Bauch) auf
der Höhe der Entwicklung, c 3. Lebensabschnitt, Futtersaft- und
Wachsdrüsen rückgebildet.

pung. Würde ein menschlicher Säugling bei entsprechen-


der Pflege mit gleicher Geschwindigkeit heranwachsen,
so hätte er bei einem Anfangsgewicht von 6 Pfund in 6
Tagen ein Gesamtgewicht von mehr als 2 Zentnern er-
reicht.
Gegen das Ende dieses Lebensabschnittes verläßt
die Biene zum erstenmal den Stock und macht einen
Orientierungs(lug. Schon nach etwa 5 Minuten ist sie
wieder daheim. Aber sie hat sich in dieser Zeit gut umge-
sehen, hat sich die Umgebung eingeprägt und findet,
wenn man sie fängt und fortträgt, bereits aus Entfernun-
gen von mehreren hundert Metern nach Hause. In weite-
ren Orientierungsflügen verbessert sie ihre Ortskenntnis,
und so kann sie nun auch Verrichtungen übernehmen,
die außerhalb des Stockes liegen.

68
Im zweiten Lebensabschnitt (etwa 10. bis 20. Le-
benstag) findet mit der Rückbildung der Futtersaftdrüsen
die Ammentätigkeit ein Ende. Indessen pflegen nun die
Wachsdrüsen auf die Höhe ihrer Entfaltung zu kommen
(vgl. Abb. 52). Sie bilden die Grundlage für die Bautätig-
keit. Weitere Aufgaben dieser Altersstufen sind: den ein-
getragenen Nektar zu übernehmen, zu verarbeiten und in
die Vorratszellen zu füllen, oder die von den Pollen-
sammlerinnen in die Zellen abgestreiften Höschen mit
den Kiefern festzudrücken. Auch muß der Stock sauber
gehalten werden, und diese Arbeit führt hinaus ins Freie.
Abfälle aller Art, aber auch die Leichen gestorbener
Stockgenossen werden gepackt, im Flug eine Strecke weit
weggetragen und dann fallen gelassen.
Gegen das Ende dieses Lebensabschnittes widmen
sich manche Bienen dem Wächterdienst am Flugloch.
Aufmerksam prüfen sie die einpassierenden Bienen mit
ihren Fühlern, wehren die frechen Wespen und andere
Honigräuber ab und stürzen zu blitzartigem Angriff her-
vor, wenn etwa ein Mensch oder ein Pferd ihrer Siedlung
zu nahe kommt.
Der Giftstachel ist mit kleinen Widerhaken verse-
hen. Er kann daher nach dem Stich aus der Haut nicht
zurückgezogen werden und reißt ab, wobei das Hinter-
leibsende an ihm hängen bleibt; die Biene geht an der
Verletzung zugrunde. Das ist keine törichte Grausamkeit
der Natur, wie mancher denkt, sondern es hat einen
guten Sinn: In der abgerissenen Hinterleibsspitze ist der
Nervenknoten, der die Stechtätigkeit regelt, und ist auch
die Giftdrüse enthalten und mit dem Stachel in Verbin-
dung geblieben. Der Stechapparat ist daher auch abge-
trennt noch durchaus lebendig. Wenn man ihn nicht
sofort herauszieht, pumpt er noch geraume Zeit neues
Gift in die Wunde und wird so erst recht zu einer wirksa-
men Waffe gegen überlegene Feinde. Für den volkreichen

69
Bienenstaat bedeutet der Verlust von einigen unfruchtba-
ren Weibchen keinen merklichen Schaden.
Viel häufiger wird aber der Stachel gegen Artgenos-
sen oder andere Insekten gebraucht. Aus ihrem spröden
Chitinpanzer, der ihn nicht festhält wie die elastische
Haut der Wirbeltiere, kann er leicht wieder zurückgezo-
gen werden. Ein siegreicher Kampf gegen ihresgleichen
hat also für die Biene keine bösen Folgen. In jüngerer Zeit
sind einige Bienenforscher mit Erfolg der alten - schein-
bar unlösbaren - Frage nachgegangen: Wie erkennen
denn die Wächter am Flugloch die heimkehrenden Bie-
nen, ob sie zum eigenen Volk gehören oder ob sie als
Diebe sich einschmuggeln wollen? Man bedenke, da ste-
hen ein Dutzend oder mehrere Bienenstöcke nebeneinan-
der und übereinander, Hunderte von Bienen begehren
pro Minute Einlaß am Flugloch jedes Stockes; sie zeigen
alle ihre Kennkarte vor, und ohne jeglichen Stau - wie
das bei unseren Grenzstationen üblich ist - werden sie
von den Wächtern erkannt, eingelassen oder abgewehrt.
Es ist der jeweilige Stockduft, den jede Biene beim Verlas-
sen ihres Volkes als Kennkarte in ihrem Haarkleid mit
sich nimmt. Bislang hatte man angenommen, dieser
Stockduft setze sich zusammen aus dem eingetragenen
Pollen und Nektar, auch aus dem Wachs der Waben.
Neuerdings weiß man aus gezielten Züchtungsergebnis-
sen, daß die Königin eine wesentliche Komponente die-
sem Stockduft beigibt; er ist also vor allem durch sie
geprägt. Zusätzlich werden aber auch Umweltdüfte aus
der eingetragenen Tracht und dem Duft der Wachswaben
zugegeben. Daß die Wächterbienen aber aus diesem
Duftmuster den eigenen Volksduft erkennen, bleibt nach
wie vor eine erstaunliche Leistung.
In ihrem dritten Lebensabschnitt (etwa 20. Lebens-
tag bis zum Tode) ist die Biene Sammlerin. Sie fliegt auf
Tracht aus, um an den Blumen Nektar oder Blütenstaub

70
zu holen. Bei schlechtem Wetter, das ein Ausfliegen ver-
bietet, kehren die Sammlerinnen selten zu häuslicher Ar-
beit zurück. Sie warten lieber auf bessere Zeiten. Das
Sprichwort vom »Bienenfleiß« ist aufgekommen, weil
man gewöhnlich nur die sammelnden Bienen sieht. Wer
auch das Leben im Innern des Stockes beobachtet, wird
bald erkennen, wieviel Zeit dem Nichtstun gewidmet ist.

Das Alter der Bienen

Der Leser mag erwarten, daß der Biene, die in ihren


letzten Lebensabschnitt eingetreten ist, nun viele Wochen
des Sammelns und Blütenfluges bevorstehen. Aber das
Bienenleben ist kurz, und die Arbeiterin, die zu sammeln
beginnt, hat die größere Hälfte ihres Lebens hinter sich.
Im Frühling und Sommer werden die Arbeitsbienen sel-
ten älter als 4 bis 5 Wochen, vom Zeitpunkt des Aus-
schlüpfens aus der Brutzelle gerechnet. Viele gehen schon
früher zugrunde, denn auf ihren Sammelflügen sind sie
reichlichen Gefahren ausgesetzt, und nicht ohne tieferen
Sinn steht diese Periode am Ende ihrer Tätigkeit.
Die betagten Bienen ersparen dem Bienenvolk das
Abschleppen der Bienenleichen aus dem Stock: Wenn sie
merken, daß das Ende naht, schleppen sie sich mit letzter
Kraft aus dem Stock, fliegen noch einige Meter weg und
fallen dann tot zu Boden. Wenn man bedenkt, daß zur
Haupttrachtzeit im April-Mai-juni an die tausend Sam-
melbienen jeden Tag sterben, dann bedeutet diese
Maßnahme eine ganz erhebliche Arbeitsersparnis, abge-
sehen von ihrer hygienischen Bedeutung.
Anders ist es mit den Bienen, die im Spätsommer
und im Herbst ausschlüpfen. Diese Winterbienen errei-
chen ein Alter von mehreren Monaten. Sie verdanken die
Verlängerung ihrer Lebenszeit dem Umstand, daß sie sich

71
zwar im Herbst an den im Stock angesammelten Pollen-
vorräten mästen können, aber die in ihrem Körper ge-
speicherten Reserven nicht verbrauchen, weil sie zu die-
ser Jahreszeit keine Brut mehr zu pflegen haben. So über-
dauern sie den Winter wohlgenährt in stiller
Beschaulichkeit. Wenn das Frühjahr naht und die Köni-
gin mit neuer Eiablage beginnt, haben sie immer noch
ihren Fettwanst und sind mit entwickelten Futtersaftdrü-
sen zur Brutpflege bereit.
Am längsten lebt die Königin, die durch 4 bis 5
Jahre ihre Mutterpflicht erfüllen kann.
Über neuere Untersuchungen zum Lebensalter wur-
de bereits auf S. 40-43 berichtet.

EingriH in die Lebensordnung -


ein Störungsversuch ohne Erfolg

Der Wechsel in den Tätigkeiten der Arbeitsbiene im


Laufe ihres Lebens scheint in offensichtlichem Zusam-
menhang mit ihrem körperlichen Zustand zu stehen. Sie
wird Brutamme, wenn ihre Speicheldrüsen voll ent-
wickelt sind; sie wendet sich anderen Beschäftigungen zu,
sobald diese Drüsen sich zurückbilden und die » Mutter-
milch« versiegt; sie wird Baubiene, wenn die Wachsdrü-
sen auf der Höhe ihrer Ausbildung stehen. Ist hier tat-
sächlich die zeitlich festgelegte Entwicklung der Organe
der Anlaß für die Entfaltung der Triebe? Bleibt deren
Erfolg unabänderlich, auch wenn die Lage des Bienenvol-
kes etwas anderes erfordert?
Zur Entscheidung dieser Fragen kam ein kleines
Volk in einen Beobachtungskasten mit zwei Waben A
und B und mit zwei Fluglöchern, von denen eines vorerst
verschlossen blieb (oberes Bild in Abb. 53). Im Verlauf
von 8 Wochen wurden mehr als 1000 frisch geschlüpfte

72
Abb. 53. Drehbarer Beobachtungsstock zur Teilung eines Bienen-
volkes in junge und alte Tiere (horizontaler Längsschnitt in der
Höhe des Flugloches). Erklärung im Text.

Einzelbienen numeriert. Ihr Alter war also genau be-


kannt. Eines Tages wurden alle Bienen, die sich auf der
Wabe B aufhielten, nach A hinübergetrieben. Darauf
wurde eine schon vorbereitete Trennungswand (T) zwi-
schen beiden Waben eingezogen, der Stock um 180 0
gedreht und das zweite Flugloch geöffnet (unteres Bild in
Abb. 53). Die jungen, noch nicht ausfliegenden Bienen
blieben natürlich in der Abteilung A, die Flugbienen aber
verließen den Stock im Laufe der nächsten Stunden des
sonnigen Vormittags und nahmen bei der Heimkehr den
altgewohnten Weg, der sie nun in die Abteilung B führte.
So vollzog sich in Kürze die Trennung in ein» Jungvolk«
in A und ein »Altvolk« in B. Das Jungvolk hatte keine
Trachtbienen. Niemand war da, um Futter herbeizu-
schaffen. Die geringen Vorräte waren rasch verbraucht.
Nach zwei Tagen bot sich ein trauriges Bild: Ein Teil der
Bienen lag verhungernd am Boden, ein Teil der Larven

73
wurde in der Not aus ihren Zellen gezerrt und ausgeso-
gen. Da kam am dritten Tag die überraschende Wen-
dung. Entgegen allem Brauch flogen jugendliche, nur 1
bis 2 Wochen alte Bienen auf Tracht und kehrten beladen
heim. Durch die volle Entwicklung der Speicheldrüsen
waren sie zu Brutammen gestempelt. Aber nicht ihre
körperliche Verfassung, sondern das Bedürfnis des Vol-
kes gab den Ausschlag; ihre Drüsen fügten sich und
verkümmerten in wenigen Tagen. Auf der anderen Seite,
im Altvolk, fehlte es an Brutammen. Hier trat in die
Bresche, wer noch einigermaßen jugendlich war, und
behielt voll entwickelte Speicheldrüsen weit über die üb-
liche Zeit.
Einem anderen Volk hat man durch einen einfa-
chen Eingriff den größten Teil seiner Baubienen genom-
men. Darauf wurde es in eine Lage versetzt, wo der Bau
neuer Waben dringend nötig war. Und es wurde gebaut.

Die Harmonie der Arbeit


Unter normalen Verhältnissen wird eine so schroffe
Störung der Lebensordnung, wie sie diese Versuche her-
beigeführt haben, kaum vorkommen. Aber in kleinerem
Ausmaße sind die Bedürfnisse des Volkes doch sehr
wechselnd. Der hungrigen Bienenkinder sind bald mehr,
bald weniger; nach einer Schlechtwetter-Periode kann
unvermittelt reiche Tracht einsetzen, zu deren Bewälti-
gung der Bedarf an Sammlerinnen sprunghaft in die
Höhe schnellt; eine reiche Ernte verlangt nach leeren
Zellen zu ihrer Unterbringung, und so kann von einem
Tag zum anderen ein Bedarf an Wachs und neuen Waben
brennend werden.
Diesen schwankenden Ansprüchen kommt das Bie-
nenvolk in einfacher Weise dadurch entgegen, daß die

74
Entwicklung der Futtersaft- und Wachsdrüsen nicht starr
nach dem Schema der Abb. 52 erfolgt, sondern eine ge-
wisse Veränderlichkeit zeigt. Außer den Bienen, die ei-
gentlich an der Reihe wären, einen bestimmten Beruf
auszuüben, gibt es daher immer noch andere, die auch
schon dafür zu haben sind, wenn es not tut. Bei den einen
sind die Kopfdrüsen, bei den anderen die wachs bereiten-
den Organe etwas früher entwickelt, als dem Durch-
schnitt entspricht, und auch die Neigung, dies oder jenes
zu tun, richtet sich weniger nach dem üblichen Arbeitska-
lender als nach dem Bedarf des Augenblicks. Diesen zu
erfassen, ist die Aufgabe der Müßiggänger, die scheinbar
nutzlos auf den Waben herumspazieren. Sie sehen sich
überall um, stecken ihren Kopf in diese und jene Zellen
und packen an, wo sich eine Arbeitslücke bemerkbar
macht. So ist die Harmonie der Arbeit im Bienenvolk
zum guten Teil den Faulen zu verdanken. Auch Müßig-
gang kann seine Berechtigung haben - solange er nicht
zum Lebensgrundsatz wird.
Forschungen aus jüngerer Zeit haben zur Regulati-
on der Arbeitsteilung im Bienenstaat einen überraschen-
den zusätzlichen Befund erbracht: Der altersgebundene
Arbeitskalender wird physiologisch durch ein Hormon,
das für die Insektenentwicklung wichtige Juvenilhormon,
geregelt. Zusammen mit dem sog. Häutungshormon,
dem Ecdyson, bestimmt es zunächst den Zeitpunkt und
die Art der Häutung bei den jungen Larven, wobei der
Titer, d.h. die Konzentration dieser beiden Hormone, in
der Blutlymphe genauestens aufeinander abgestimmt sein
muß. Auch bei der frischgeschlüpften Arbeiterin findet
sich dieses Juvenilhormon in der Blutlymphe, auch hier
ist es der genaue Titer, der regelnd in die altersgebundene
Arbeitsteilung eingreift; mit zunehmendem Alter nimmt
die Konzentration dieses Juvenilhormons zu; am ersten
Tag nach dem Schlüpfen mißt man 5 pmol pro 100 ml

75
Hämolymphe; nach 25 Tagen sind es bereits 20 pmol.
Mit dieser Zunahme der Konzentration des Juvenilhor-
mons ist eine gleichzeitige Vergrößerung der Drüsen,
nämlich der Corpora allata, die das Juvenilhormon pro-
duzieren, verbunden. Bietet man Jungbienen in ihrem
Futter künstlich synthetisiertes Juvenilhormon an, dann
wechseln sie vorzeitig zur nächstfolgenden Tätigkeit
über; Brutammen werden also frühzeitig zu Baubienen
und Wächterbienen, die Stockbienen, allgemein zu Sam-
melbienen. Sie alle haben einen echten Alterungsprozeß
durchgemacht, der streng mit der zuständigen Tätigkeit
verknüpft ist.

76
8 Der Geruchs-
und Geschmackssinn

Der Mensch spricht gerne von seinen » fünf Sin-


nen«, obwohl die Wissenschaft schon längst entdeckt
hat, daß es außer Gesicht, Gehör, Geruch, Geschmack
und Gefühl noch einige andere Sinne gibt, für die wir
unsere besonderen Organe haben: z.B. den Gleichge-
wichtssinn im Innenohr, oder, in der Haut, unsere mikro-
skopisch kleinen Wahrnehmungsorgane für Wärme und
Kälte. Es spielen diese Sinne in unserem Leben eine unter-
geordnete Rolle, sie sind deshalb bis heute nicht populär
geworden.
Aber auch die fünf altbekannten Sinne sind unter-
einander nicht gleichwertig. Wer sein Gesicht verliert, ist
schwer geschädigt, und wenn wir nur wenige Minuten
mit einem Blinden beisammen sind, kann es uns nicht
entgehen, wie sehr er behindert ist. Mit einem anderen
Mitmenschen verkehren wir vielleicht jahrelang, ohne zu
bemerken, daß er sein Geruchsvermögen vollständig ver-
loren hat - so wenig ist sein Leben durch den Verlust
gestört. Bei uns ist eben das Gesicht der führende Sinn.
Bei vielen Tieren ist es der Geruch. Für einen Hund oder
ein Pferd ist der Verlust des Geruchssinnes so katastro-
phal wie für den Menschen der Verlust des Augenlichtes.
Für die Biene sind der Gesichts- und der Geruchs-
sinn von größter Bedeutung. Ihr erster Lebensabschnitt

77
spielt sich ganz im finsteren Innenbau der Bienenbeute
ab. Hier helfen ihr die Augen nichts, hier ist es, neben
T asteindrücken, in erster Linie der Geruch, der siß bei
allen Verrichtungen leitet. Später, wenn sie als Trachtbie-
ne den Schwerpunkt ihrer Tätigkeit ins Freie verlegt,
wird der Gesichtssinn zum führenden Sinn. Ohne die
Augen ist die Biene im Freien verloren, weil sie sich nicht
mehr orientieren kann.

Von der Bedeutung des Blumenduftes


Sieht man auf einer blumenreichen Wiese den sam-
melnden Bienen zu, so kann man beobachten, daß die
eine von Kleeblüte zu Kleeblüte eilt und die übrigen
Blumen unbeachtet läßt; eine andere fliegt gleichzeitig
von Thymian zu Thymian, und eine dritte scheint aus-
schließlich an Vergißmeinnicht interessiert zu sein. Biolo-
gen bezeichnen solches Verhalten als »Blütenstetigkeit«.
Sie gilt natürlich nur für das Bienenindividuum, nicht für
das ganze Volk, und während eine Schar von Arbeitsbie-
nen an Klee sammelt, können gleichzeitig für andere
Arbeiterinnen aus demselben Bienenstock Vergißmein-
nicht, Thymian oder sonstige Blumen das Ziel ihrer Sam-
melflüge bilden.
Diese Blumenstetigkeit ist für die Bienen wie für die
Blüten von Vorteil. Für die Bienen, weil sie, einer be-
stimmten Sorte treu, überall die gleichen Verhältnisse
antreffen, mit denen sie vertraut sind; nur wer gesehen
hat, wie lange oft eine Biene, die zum erstenmal an eine
bestimmte Blume kommt, mit ihrem Rüssel darin herum-
stochert, bis sie die verborgenen Nektartröpfchen findet,
und wie flink sie späterhin zum Ziel kommt, kann beur-
teilen, welche Zeitersparnis dies bedeutet - wie ja jeder-
mann die gleiche Verrichtung um so geschickter ausführt,

78
je öfter er sie wiederholt. Doch von noch größerer Bedeu-
tung ist dieses Verhalten für die Blumen, deren rasche
und erfolgreiche Bestäubung daran hängt; denn mit Blü-
tenstaub vom Klee wäre dem Thymian nicht gedient.
Aber wie finden die Bienen auf der Wiese die gleich-
artigen Blumen so sicher heraus? An ihrer Farbe? Zum
Teil gewiß, nur gibt es mehr verschiedene Blumensorten
als Blütenfarben. Aber jede Blumenart hat ihren besonde-
ren, für sie bezeichnenden Geruch. Er muß ein vortreffli-
ches Merk- und Kennzeichen für jede Blütensorte abge-
ben - falls die Bienen ihn wahrnehmen können und sich
nach ihm richten. Wie können wir von ihnen erfahren, ob
sie das tun?

Duftdressuren

Zum Befragen der Bienen benützen wir ein Verfah-


ren, das sich zur Erforschung tierischer Sinnesleistungen
als sehr nützlich erwiesen hat: die Dressurmethode. Auf
einem im Freien aufgestellten Versuchstisch locken wir
einige Bienen in ein Kartonkästchen mit Flugloch und
aufklappbarem Deckel und legen eine duftende Blume, z.
B. eine Rose, hinein (Abb. 54, 55). Daneben stellen wir
leere Kästchen, ohne Futter und ohne Rose. Der Platz des
Futterkästchens in der Anordnung wird häufig gewech-
selt, so daß nicht sein Ort, sondern nur sein Duft die
Bienen zur rechten Stelle führen kann. Auch füttern wir
mit Zuckerwasser statt mit duftendem Honig. Bald läßt
sich der entscheidende Versuch machen, zu dem reine,
von Bienen noch nicht beflogene Kästchen verwendet
werden. In bezug auf Aussehen und Geruch sind sie alle
untereinander gleich. In eines geben wir eine duftende
Rose, aber kein Futter. Nach wenigen Sekunden ist das
Verhalten der Bienen klar: Sie fliegen, eine nach der

79
Abb. 54. Kartonkästchen für Dressurduft, Vorderansicht.
Abb. 55. Kartonkästchen. Deckel aufgeklappt. Einsicht von hin-
ten oben, auf dem Bänkchen eine Rose als Duftspenderin.

anderen, an das Flugloch des rosenduftenden Kästchens


an und kriechen hinein, in die duftlosen Kästchen gehen
sie nicht. Sie beweisen uns hierdurch, daß sie den Rosen-
duft wahrnehmen und daß sie ihn als Merkzeichen der
Fundstelle verwerten.
Dies ist nicht weiter überraschend. Aber wir kön-
nen diese Methode benützen, um über die Leistungsfä-
higkeit der Bienennase Genaueres zu erfahren. Mit Rück-
sicht auf die Blumenstetigkeit und die Unterscheidung
der Blumensorten interessiert zunächst, wie weit ihr Un-
terscheidungsvermögen für Düfte geht. Wir stellen den
Bienen die Aufgabe, den Dressurduft unter vielen, ver-
schiedenartigen Düften herauszufinden.
Es ist aber nicht zweckmäßig, hierbei mit Blumen
zu arbeiten. Sie duften manchmal stark und manchmal
schwach, auch hat man sie nicht immer in der gewünsch-
ten Auswahl zur Hand.
In Südfrankreich ist ein ausgezeichnetes Verfahren
in Brauch, um den Duft frischer Blüten zu konservieren:
Mit reinem, geruchlosem Paraffinöl durchtränkte Woll-
tücher werden zu wiederholten Malen z.B. mit frischen
Jasminblüten bestreut; das Öl nimmt den Blütenduft in

80
sich auf, wird dann aus den Tüchern ge preßt, in Flaschen
verfüllt und in alle Welt verschickt, um bei der Herstel-
lung von verschiedensten Erzeugnissen der Parfümindu-
strie verwendet zu werden. So kann man in einem Fläsch-
chen mit Öl den Duft von Jasmin, Rosen, Orangenblüten
usw. beziehen, und ein Tropfen davon erfüllt das Dres-
surkästchen mit einem Blütenduft von wunderbarer
Reinheit. Auch sonst gibt uns die Parfümindustrie mit
ihren »ätherischen Ölen« eine unübersehbare Auswahl
von Riechstoffen an die Hand.
Und nun ein Beispiel: Wir dressieren auf den Duft
eines ätherischen Öles, Pomeranzenschalenöl. Dann stel-
len wir mehrere Dutzend reine Kästchen auf, und diesmal
wird jedes Kästchen mit einem Duft versehen, eines mit
dem Dressurduft, die anderen mit den verschiedensten
Blumendüften und ätherischen Ölen; keines enthält Fut-
ter. Und die Bienen?
Sie fliegen an alle Fluglöcher heran und stecken
sozusagen überall ihre Nase hinein; bei dem Kästchen,
das den Dressurduft enthält, schlüpfen sie ins Innere und
suchen dort nach dem gewohnten Futter, vor den abwei-
chend duftenden Öffnungen wenden sie sich im Fluge
wieder ab. Nur wenn der Inhalt auch für unsere Nase
dem Dressurduft sehr ähnlich ist, kommen Verwechslun-
gen vor; so zwischen zwei Pomeranzenschalenölen, von
welchen das eine aus Spanien, das andere aus Messina
stammt. Für einen Menschen mit ungeschultem Geruch-
sorgan ist der Duft dieser beiden Pomeranzenöle kaum zu
unterscheiden. Aber was hier die Schulung ausmacht,
zeigen uns die Leute, bei denen die Pflege und Übung des
Geruchssinnes zum Lebensberuf gehört. Ein tüchtiger
Parfümsachverständiger wird bei einer geruchlichen Prü-
fung jener beiden Pomeranzenöle über ihre Herkunft
nicht im Zweifel sein. Die Bienen sind in ihrer Unterschei-
dung von ähnlicher Sicherheit und kümmern sich nur

81
wenig um das Kästchen mit dem spanischen Pomeran-
zenöl.
Im ganzen geht aus diesen und aus vielen anderen
Versuchen hervor, daß die Bienen den Dressurduft ausge-
zeichnet im Gedächtnis behalten und ihn von Düften, die
für die menschliche Nase deutlich von ihm verschieden
sind, mit großer Sicherheit unterscheiden. Da kaum zwei
Blumensorten einander im Duft gleichen, wird ihre Blu-
menstetigkeit verständlich.
Man kann das Riechorgan der Biene auch noch in
anderer Hinsicht auf seine Leistungsfähigkeit prüfen: Wir
dressieren auf einen bestimmten Blumenduft und bieten
dann in einer Reihe von Versuchen den Dressurduft in
immer weitergehender Verdünnung, bis die Tiere nicht
mehr imstande sind, das Duftkästchen unter duftlosen
Kästchen herauszufinden. Wir können mit der eigenen
Nase Vergleichsproben anstellen und erhalten so einen
Maßstab für die »Riechschärfe« der Bienen im Verhältnis
zu der des Menschen. Schon dieser einfache Versuch
offenbart eine überraschende Übereinstimmung der Lei-
stungsfähigkeit beim Menschen und bei der Biene. Ver-
feinerte Methoden deckten aber auch wichtige Unter-
schiede auf: Blumendüfte, die ja für Bienen biologisch
bedeutsam sind, werden im Vergleich mit dem Menschen
noch in etwa doppelt so starker Verdünnung wahrge-
nommen, der Lockduft ihrer eigenen Duftdrüse (S. 179f.)
sogar um ein Vielfaches besser, während sie für biolo-
gisch bedeutungslose Riechstoffe etwas weniger empfind-
lich sind als wir.
Wie nun beim Blumenbesuch Duft und Farbe zu-
sammenwirken, das wird im Einzelfall natürlich davon
abhängen, wie stark die betreffenden Blumen duften und
wie sie gefärbt sind. Aber im allgemeinen läßt sich doch
sagen, daß sich die Bienen aus der Entfernung nach der
Farbe richten und durch sie zum Standort der Blume

82
• ..
b

Abb.56. Versuchsanordnung, Erklärung 1m Text. Die graue


Punktierung bedeutet blaue Farbe.

geleitet werden, daß sie sich aber aus nächster Nähe


durch den Duft vergewissern, ob sie an der gesuchten
Sorte sind.
Man kann sich dies sehr anschaulich durch einen
Dressurversuch vor Augen führen, wenn man die Bienen
gleichzeitig auf einen Duft und eine Farbe dressiert und
ihnen dann Duft und Farbe getrennt bietet. Nach länge-
rer Fütterung in einem blauen Kästchen, das nach Jasmin
duftet (Abb. 56a Mitte), wird ihnen an dessen Stelle ein
leeres Kartonkästchen geboten, links davon ein blaues
Kästchen ohne Duft und rechts Jasminduft ohne Farbe
(Abb. 56b). Die wiederkehrenden Bienen fliegen aus ei-
nem Abstand von mehreren Metern zielsicher auf das
blaue Kästchen los, stutzen aber vor dem Flugloch,
schwärmen suchend herum, bis sie dem Duftkästchen
nahe kommen, und dort schlüpfen sie trotz der fehlenden
Farbe hinein. Entsprechendes läßt sich unter natürlichen
Verhältnissen im Freien beobachten. Oft kann man se-
hen, wie eine Biene, die auf ihrem Sammelflug eine be-

83
stimmte Blumensorte besucht, auch an andere Wiesen-
blumen heranfliegt, deren Farbe für das Bienenauge den
gesuchten Blüten gleicht; aber in unmittelbarer Nähe
wird sie durch den fremden Duft ihres Irrtums gewahr,
sie stutzt einen Augenblick, und ohne sich niederzulas-
sen, zieht sie dahin, wo der nächste Farbfleck winkt. Es
ist, als hätte der Duft die größere Überzeugungskraft.
In diesem Zusammenhang sind Erfahrungen über
das Lernvermögen der Biene von Interesse. Einen Blu-
menduft behält sie bei der Dressur - und gewiß auch
beim natürlichen Blütenbesuch - in der Regel nach dem
ersten Anflug im Gedächtnis, ein Farbmerkmal erst nach
3-5 Anflügen. Ihre Gestalt, etwa eine Sternform, sitzt erst
nach etwa 20 Anflügen. Diese abgestufte Lernfähigkeit
ist im Erbgut verankert. In ihr spiegelt sich die Erfahrung
ungezählter Generationen. Das kommt auch dadurch
zum Ausdruck, daß nur blumenhafte Düfte so schnell
und sicher erlernt werden. Gerüche, die den Bienenblu-
men fremd sind, wie der faulige Skatolduft oder jener von
Buttersäure, werden zwar wahrgenommen, aber die
Dressur gelingt nur langsam und unvollkommen.
Über Lernen und Gedächtnis der Bienen sind in den
letzten Jahren neue umfangreiche Untersuchungen ge-
macht worden, die uns einen ersten Zugang in diese
Geheimkammer auch beim Menschen öffnen. Wie das
Erlernte als Gedächtnis im Gehirn gespeichert wird, soll
im folgenden näher beschrieben werden.
Die erste Phase der Gedächtnisbildung führt ZU ei-
nem Kurzzeitgedächtnis, das die eingespeicherte Infor-
mation wenige Minuten bis einige Stunden fixieren kann.
Bei der Biene läßt sich dieser Zeitraum stark verkürzen,
wenn man die Belohnung mehrmals hintereinander bie-
tet. Das Erlernte wird dann schnell, nach etwa 6 Minuten
schon, ins Langzeitgedächtnis überführt. Man darf das
Kurzzeitgedächtnis nicht mit zuviel Merkzeichen bela-

84
den. Außerdem ist es sehr anfällig gegenüber einer neuen
Lernaufgabe. Bietet man innerhalb der ersten 3 Minuten
2mal eine Futterbelohnung, jedesmal mit einem anderen
Duft, dann wird der erste Duft durch das zweite Duftsi-
gnal ausgelöscht. Wartet man aber mit der 2. Belohnung
länger als 3 Minuten, dann ist bereits das 1. Duftsignal
ins Langzeitgedächtnis überführt worden. Allgemein darf
man sagen, daß für die Festlegung eines Langzeitgedächt-
nisses stets mehrere Lernakte erforderlich sind, dann aber
behält die Biene das Erlernte das ganze Leben lang im
Gedächtnis.
Wir hatten seinerzeit in München im September
eine Bienenschar vom Zoologischen Institut in der Lui-
senstraße etwa 400 m nach Norden dressiert und dort für
einige Tage mit Zuckerwasser belohnt. Die Bienen waren
individuell markiert; die gleichen Bienen kamen dann am
ersten warmen Märztag wieder an diese gleiche Futter-
stelle - sie hatten 5 1/2 Monate lang die Lage dieser
Futterstelle im Gedächtnis behalten.
Das Kurzzeitgedächtnis kann man durch Elektro-
schock, durch Narkose oder bestimmte Pharmaka lö-
schen, aber nur dann, wenn man diese Eingriffe unmittel-
bar nach den ersten Lernakten vornimmt - bei der Biene
muß diese Löschung spätestens 3 Minuten nach den er-
sten Belohnungen erfolgen. Auch beim Menschen ist die-
ses Phänomen bekannt: Nach einem Verkehrsunfall mit
einer Gehirnerschütterung kann man sich nicht mehr
erinnern, was kurz vorher passiert war.
Professor Menzel in Berlin hat es mit seinen Mitar-
beitern gewagt, nach dem Ort der Gedächtnisbildung im
Gehirn zu suchen. Erste Befunde deuten darauf hin, daß
das Kurzzeitgedächtnis in den peripheren, d.h. in äußeren
Gebieten des Gehirns lokalisiert ist; das stabile Langzeit-
gedächtnis hat seinen Sitz in den höheren Zentren, näm-
lich in den Pilzkörpern. Es blieb aber immer noch die

85
Frage, was denn in einer Nervenzelle verändert wird,
wenn eine vorher erlernte Aufgabe als Gedächtnisspur
niedergelegt werden soll. Die allgemeine Vorstellung war,
daß Gedächtnisspuren in Form von untereinander ver-
schalteten Nervennetzen zustande kämen. Dabei sollen
an den Schaltstellen zwischen den einzelnen Nervenzellen
bestimmte chemische Veränderungen ablaufen. Solche
Veränderung oder Plastizität hatte man bereits an der
Columbia-Universität durch Kandel an einer Meeres-
schnecke entdeckt. Auch Menzel fand im Bienengehirn
nach erfolgreicher Duftdressur solche Modulationen an
den Schaltstellen, den sog. Synapsen. Erst kürzlich ist der
Berliner Arbeitsgruppe ein Durchbruch insofern gelun-
gen, als sie eine >>lernende Nervenzelle« identifizieren
konnten; sie veränderte auf eine Duftdressur hin ihre
elektrische Aktivität ganz drastisch; eine zweite Nerven-
zelle wurde entdeckt, die den höheren Zentren eine wie-
derholte Belohnung meldet.
Es besteht berechtigte Hoffnung, daß auch die vie-
len noch offenen Fragen der Gedächtnisbildung in naher
Zukunft gelöst werden können. Solche Grundlagenfor-
schung wird auch von praktischer Auswirkung sein. So
mag der Befund, daß bestimmte Botenstoffe im Gehirn
wie Octopamin und Noradrenalin den Lernerfolg und
das Abrufen aus dem Gedächtnis fördern, Serotonin und
Dopamin im Gegensatz dazu die Gedächtnisbildung
hemmen, auch Interesse für die Neurobiologie und Hu-
manmedizin haben.

Wo haben die Bienen ihre Nase?


Man weiß schon lange, daß die meisten Insekten
auf Gerüche nicht mehr reagieren, wenn man ihre Fühler
abgeschnitten hat. Doch war dadurch nicht bewiesen,

86
Abb. 57. Eine Biene ist durch Fütterung mit Zuckerwasser auf
den Duft eines ätherischen Öles dressiert worden. Nach Amputa-
tion der Fühler ist sie nicht mehr fähig, die mit dem Dressurduft
be tropfte Platte von anders duftenden Flächen zu unterscheiden.
Die Photographie zeigt, wie die operierte Biene knapp über einer
Duftplatte schwebt. So fliegt sie von einer zur anderen und ver-
sucht erfolglos, sie zu beriechen.

daß die Geruchsorgane auf den Antennen sitzen. Die


Amputation dieser nervenreichen Organe konnte viel-
leicht eine allgemeine Schädigung bewirken und die Tiere
stumpf und gleichgültig machen. Daß diese Auffassung
unrichtig ist, zeigen zwei einfache Versuche:
Wir dressieren eine Biene auf Pfefferminzduft
durch Fütterung aus einem Glasschälchen, in dessen Um-
kreis dieser Riechstoff auf die graue Papierunterlage ge-
tropft ist. Daneben liegen drei andere graue Papiere mit
leeren Schälchen und Thymianduft. Wir überzeugen uns,
daß die Dressur gelungen ist, indem wir vier saubere
graue Platten mit leeren Schälchen bieten und zu einem
den Dressurduft (Pfefferminz) hinzufügen, zu den 3 ande-
ren den Gegenduft (Thymian). Die Biene sucht nur am
Pfefferminzschälchen nach Futter. Nun wiederholen wir
den Versuch, schneiden aber der Biene zuvor beide Füh-
ler ab. Die Operation macht ihr offenbar nicht viel Ein-

87
Abb. 58. Kontrollversuch: Eine auf blaue Farbe dressierte Biene
fliegt auch nach der Amputation beider Fühler zielsicher die blaue
Farbe an und sucht das leere Glasschälchen daselbst hartnäckig
nach dem Futter ab, während sie die Schälchen auf drei gelben
Papieren nicht beachtet.

druck, wie denn überhaupt den Insekten die Empfindung


des Schmerzes fremd zu sein scheint. Sie setzt ihre Suche
nach dem Futterschälchen fort, fliegt von Platte zu Platte,
hält über jeder schwebend an (Abb. 57), aber sie ist
außerstande, den Pfefferminzduft herauszufinden, und
setzt sich schließlich nach den Regeln des Zufalls hierhin
oder dorthin.
Ihr Benehmen macht nicht den Eindruck, als wenn
sie einen Schock erlitten hätte. Aber wir können es durch
einen zweiten Versuch beweisen, daß sie durch die Fühle-
ramputation nicht stumpf und gleichgültig wird: Wir
füttern eine Biene auf einer blauen Fläche und stellen
daneben leere Schälchen auf gelben Flächen auf. Wir
dressieren sie also auf die blaue Farbe. Und wiederholen
wir jetzt den Versuch in entsprechender Weise, so fliegt
die Biene trotz Fühleramputation sofort auf die blaue

88
Fläche los, setzt sich darauf und sucht das leere Schälchen
nach dem Futter ab (Abb. 58). Sie hat also durch das
Abschneiden der Fühler nicht ihre Reaktionsfähigkeit
überhaupt verloren, sondern nur die Fähigkeit eingebüßt,
sich nach dem Duft zu richten. Die Fühler sind die Träger
der Geruchsorgane.
Die Riechwerkzeuge der Bienen sind nach einem
anderen Bauplan gebaut als die unseren. Beim Menschen
liegt das Geruchsorgan in der Tiefe der Nasenhöhle, wo
zahllose Nervenfasern in der zarten Schleimhaut wur-
zeln. Hier wirken die Riechstoffe auf sie ein, die uns mit
der Atemluft zugetragen werden. Die Insekten haben kei-
ne solche Nase. Ihre Atmungsöffnungen liegen seitlich
am Körper und sind schon deshalb zum Riechen ungeeig-
net. Denn das Geruchsorgan als ein wichtiges und biswei-
len führendes Sinnesorgan hat seine zweckmäßigste Lage
vorne am Kopf. Da sitzen bei den Insekten die Fühler
(vgl. Abb. 22, Fr). Da die Oberfläche des Insektenkör-
pers, und so auch die Oberfläche der Fühler, von einem
festen Hautpanzer überzogen ist, muß der Panzerüberzug
der Fühler mit feinsten Porenkanälchen durchsetzt sein,
um den Riechstoffen den Zutritt zu den innen liegenden
Riechnervenfasern zu ermöglichen. Abb. 59 zeigt das
Aussehen eines Bienenfühlers bei etwa 20facher Ver-
größerung, Abb. 60 ein einziges Fühlerglied noch stärker
vergrößert. Die hellen, etwas längs gestreckten
Scheibchen sind »Riechporen«. Abbildung 61 zeigt, stark
verinfacht, wie ein Längsschnitt durch eine solche Pore
bei mikroskopischer Betrachtung aussieht. Der Chitin-
panzer ist an den Schnittflächen schwarz dargestellt. Er
bildet über dem Sinnesorgan nur ein dünnes Ver-
schlußhäutchen. Soweit gibt jedes gute Mikroskop Auf-
schluß. Aber erst die stärksten Vergrößerungen moderner
Elektronenmikroskope machten in der Ringfurche R
feinste Poren sichtbar, etwa 3000 an jeder Porenplatte,

89
Abb. 59. Ein Bienenfüh-
ler, etwa 20fach ver-
größert. Er ist aus zwölf
Gliedern beweglich zu-
sammengesetzt.

durch welche die Riechstoffmoleküle an die Endigungen


der Sinneszellen (S) unmittelbar herantreten können.
Drohnen, die zum Auffinden der Königin ein besonders
scharfes Riechvermögen brauchen, haben gegenüber den
Arbeiterinnen die siebenfache Zahl von Porenplatten an
den Fühlern.
Zwischen diesen Riechporen stehen zahlreiche
Tasthärchen, so daß der Fühler neben einem Geruchsor-
gan zugleich das wichtigste Tastorgan der Biene ist. Das
muß, wenn man sich's recht überlegt, eigenartige Folgen
haben. Für unsere Nase ist es gleichgültig, ob wir einen

Abb. 60. Ein Glied des Bienenfühlers sehr stark vergrößert. Die
hellen Flecken sind verdünnte Stellen des Chitinpanzers (»Poren-
platten«, Geruchssinnesorgane), dazwischen zahlreiche andere,
meist borstenförmige Sinnesorgane mit verschiedener Funktion.

90
Abb. 61. Einzelnes Geruchssinnes-
organ (Porenplatte) des Bienenfüh-
lers. Die Chitin bedeckung des Füh-
lers ist an der Schnittfläche schwarz
dargestellt. S Sinneszellen, P Poren-
platte, R Ringfurche.

runden oder eckigen duftenden Gegenstand beriechen.


Die Duftstoffe kommen in den Wirbel des eingeatmeten
Luftstromes, und bis sie in der Tiefe der Nasenhöhle ans
Geruchsorgan gelangen, besteht keinerlei Beziehung
mehr zwischen der Form des berochenen Körpers und
der Art und Weise, wie das Riechorgan von den Duftstof-
fen getroffen wird. Anders bei der Biene. Wenn sie im
Dunkel des Stockes mit ihren Fühlern die wachsduften-
den Zellen ihres Wabenbaues oder die Brutmaden beta-
stet, werden, da die Tast- und Geruchsorgane gemeinsam
über die Fühleroberfläche verstreut stehen, T ast- und
Geruchseindrücke in engster Verbindung und in strenger
Abhängigkeit von der Form des Gegenstandes wahrge-
nommen. Die Folge dürfte sein, daß die Bienen »pla-
stisch« riechen können, so wie wir die Gegenstände pla-

91
stisch sehen, indem wir von Jugend an gewöhnt sind, die
Gesichtseindrücke mit dem körperlichen Fühlen aufs
engste zu verquicken. Ob wir mit unserer Nase an den
sechseckigen Zellen einer Wabe oder an einer daraus
geformten Wachskugel riechen, es bleibt derselbe Ein-
druck, es riecht nach Wachs. Für die Biene aber ist wohl
der »sechseckige Wachsgeruch« vom »kugeligen Wachs-
geruch« ebenso verschieden wie für uns der Anblick einer
Wachswabe und einer Wachskugel. Für sie, die bei allen
Verrichtungen in ihrem dunklen Bau nur auf den Tast-
und Geruchssinn angewiesen ist, bedeutet solches eine
entscheidende Bereicherung ihres Sinneslebens.
Neben den Porenplatten und Tasthärchen lassen
sich nach ihrem Feinbau noch etwa acht andere Arten
von verschieden gestalteten Sinnesorganen unterschei-
den. Die Methoden der »Elektrophysiologie« haben erst
teilweise über ihre Bedeutung Aufschluß gebracht: Wenn
eine Sinneszelle durch einen Reiz, auf den sie abgestimmt
ist, in Erregung versetzt wird, also z. B. die Sinneszellen
einer Porenplatte (S in Abb. 61) von einem Riechstoff
erreicht werden, ist ihr Erregungszustand mit elektri-
schen Erscheinungen verbunden, die sich über die Ner-
venfasern zum Gehirn fortpflanzen und die Grundlage
aller Sinnesempfindungen bilden. Durch außerordentlich
feine Sonden (Elektroden) kann man von einer Poren-
platte diese elektrischen Signale ableiten, registrieren und
ihre Stärke messen. So hat man herausgefunden, daß am
Fühler der Biene nur die Porenplatten auf Riechstoffe
ansprechen, diese aber sehr deutlich und je nach der Art
der Riechstoffe in verschiedener Weise. Andere von den
mikroskopisch kleinen Fühlersinnesorganen dienen dem
Geschmackssinn; wieder andere sind auf Wärme oder
Kälte eingestellt, auf die Feuchtigkeit der Luft, auf ihren
Gehalt an Kohlendioxid - Faktoren, die für das Klima
des Bienenstockes und für das Gedeihen der Brut von

92
größter Wichtigkeit sind. Sie werden von den Arbeitsbie-
nen dauernd kontrolliert und geregelt.
So erweisen sich die dünnen, unscheinbaren Fühler
am Bienenkopf als gar vielseitige Werkzeuge, die dem
Forscher mehr Rätsel stellen, als er zeit seines Lebens
lösen kann.

Über den Geschmack


läßt sich nicht streiten

»De gustibus non est disputandum«, sagt ein alter


Spruch. Wenn zwei Gartenbesitzer verschiedener Mei-
nung sind, welcher von ihnen die größten Gurken gezo-
gen hat, so läßt sich darüber, notfalls unter Mitwirkung
eines Schiedsrichters, eine Entscheidung herbeiführen.
Aber wenn jemand eine Tasse Kaffee ungezuckert besser
findet als gezuckert, wird ihn niemand vom Gegenteil
überzeugen können. Nicht selten ist auch wissenschaft-
lich nachzuweisen, daß der gleiche Schmeckstoff auf der
Zunge verschiedener Menschen verschiedene Wirkung
hat. Unter solchen Umständen würden wir kaum erwar-
ten, daß zwischen Menschen und Insekten in Ge-
schmacksfragen Übereinstimmung herrscht. Und doch
besteht eine solche in wesentlichen Punkten.
Vor allem findet sich dieselbe Zweiteilung des »che-
mischen Sinnes« in Geruch und Geschmack. Der Ge-
ruchssinn ist durch seine außerordentliche Empfindlich-
keit ein Organ zur Fernwahrnehmung flüchtiger Stoffe.
Winzige Teilchen, die sich von den Riechstoffen ablösen,
werden durch die Luft herangetragen und erregen die
Riechnerven. Der Geschmackssinn aber ist verhältnis-
mäßig stumpf; seine Aufgabe ist es, die Nahrung bei ihrer
Aufnahme auf ihre chemische Beschaffenheit zu prüfen.
Eine weitere Beschränkung liegt, bei der Biene wie beim

93
Menschen, in der geringen Zahl der durch den Ge-
schmack vermittelten Empfindungen: süß, sauer, bitter,
salzig.
Im besonderen ist die Wertschätzung des Süßen im
gesamten Tierreich weit verbreitet. Doch unterliegt die
Schärfe des Geschmackssinnes erheblichen Schwankun-
gen. Ein kleiner Fisch, die Elritze, kann den Geschmack
einer Zuckerlösung noch in lOOmal größerer Verdün-
nung erkennen als wir. Gewisse Schmetterlinge, die mit
den Fußspitzen schmecken, übertreffen sogar die Emp-
findlichkeit der menschlichen Zunge um mehr als das
lOOOfache.
Bei den Bienen ist das Naschen sozusagen eine Le-
bensaufgabe. Denn der Blütennektar ist ja im wesentli-
chen Zuckersaft und wird von ihnen auf Grund seiner
Süße erkannt und aufgenommen. Wer nun meint, sie
müßten für diesen Geschmack besonders empfindlich
sein, ist allerdings im Irrtum. Das Gegenteil ist der Fall.
Eine Rohrzuckerlösung von etwa 2 %, die für uns noch
sehr deutlich süß schmeckt, können sie nicht von reinem
Wasser unterscheiden.
Um diese Gegensätze anschaulich zu machen, habe
ich in Abb. 62 eine Flasche mit 1 Liter Wasser und dane-
ben jene Zuckermengen Photographiert, die in der Was-
sermenge gelöst sein müssen, damit der geschmacksemp-
findlichste Schmetterling, den wir kennen, damit eine
Elritze, ein Mensch mit seiner Zunge und eine Biene mit
ihrem Rüssel das Wasser eben als süß erkennen. Ein
Schmetterling kann jede geringste Zucker menge für seine
Ernährung auswerten. Bienen sammeln aber Nektar als
Wintervorrat. Wie die Hausfrau beim Einkochen von
Früchten nicht mit Zucker sparen darf, weil sich sonst
Schimmel bildet, so darf die Biene keinen dünnen Honig
in ihren Zellen als Vorrat einlagern. Bei ihrer Stumpfheit
gegenüber dem Süßgeschmack kommt sie gar nicht in

94
Abb. 62. Die Flasche enthält 1 Liter Wasser. Daneben sind die
Zuckerhäufchen aufgeschüttet, die in dieser Wassermenge gelöst
sein müssen, damit für einen besonders empfindlichen Schmetter-
ling (a), für einen Fisch (Elritze b), für den Menschen (c) und für
die Biene (d) ein Süßgeschmack eben merklich wird.

Versuchung, durch Eintragen dünner Lösungen biolo-


gisch unzweckmäßig zu handeln. Die Pflanzen kommen
ihrem Bedürfnis nach haltbarer Nahrung entgegen, in-
dem sie im Nektar der Blüten einen Saft von erstaunlich
hohem Zuckergehalt (meist 40 bis 70 %) erzeugen.
Mit Saccharin und ähnlichen Ersatzstoffen, die für
den menschlichen Geschmack dem Zucker zum Ver-
wechseln ähnlich sind, ohne einen Nährwert zu haben,
lassen sich die Bienen nicht täuschen. Diese für uns sehr
süßen Ersatzstoffe sind für sie geschmacklos.
Kindern, die das Daumenlutschen nicht lassen wol-
len, hat man bisweilen ein wenig Chinin auf die Finger
gestrichen. Es schmeckt so bitter, daß sich dieses Erzie-
hungsmittel allen anderen überlegen zeigte. Bienen trin-
ken Zuckerlösungen mit einem Chininzusatz, der sie für

95
uns bereits völlig ungenießbar macht, noch mit bemer-
kenswertem Behagen. Auch für andere Bitterstoffe sind
sie weit weniger empfindlich als wir.
So ließen sich noch manche Abweichungen in ih-
rem Geschmack aufzählen. Doch da wir kein Kochbuch
für Bienen verfassen wollen, mag es hiermit sein Bewen-
den haben.
Es gibt aber noch eine Besonderheit der Ge-
schmacksempfindung bei Bienen, die unsere Bewunde-
rung verdient, da sie sich ausschließlich nach dem Be-
dürfnis des Volkes richtet. Die in Abb. 62 angedeutete
Schwelle für den Süßgeschmack gilt für die einzelne Biene
nur relativ. Bestimmt man die Annahmeschwelle das gan-
ze Jahr über, dann muß man im Mai/Juni, zur Haupt-
trachtzeit, wo Nektar in Hülle und Fülle auf den blühen-
den Wiesen und Gärten angeboten wird, eine hochkon-
zentrierte Zuckerlösung anbieten, nämlich 1 mol, wobei
man 34 g Zucker auf 100 ccm auffüllt. Ab Juli wird
unsere Biene am Futterschälchen immer anspruchsloser,
man darf jetzt bis September das Doppelte, das 4fache, ja
das 16fache an Wasser zufügen, so daß wir als Grenz-
schwelle 1/2 mol, 1/16 mol, 1/32 mol anbieten. Diese
wäßrige Lösung wird jetzt genau so gierig gesaugt wie die
1-mol-Lösung im Mai. Hier zeigen uns die Bienen eine
einzigartige soziale Anpassung an die jeweiligen Bedürf-
nisse des Volkes. Nicht das individuelle Geschmacksemp-
finden bestimmt, ob eine Futterlösung angenommen
wird, nein, der tägliche Speisezettel, ob reich oder mager,
gibt die Anweisung. Über dessen Qualität und Quantität
sind die Stockbienen untereinander orientiert, da sie beim
ständigen Futteraustausch die eingebrachten Nektarpro-
ben unter sich weitergeben. Im Mai/Juni kann eben unse-
re Zuckerlösung mit dem hochkonzentrierten reichen
Nektar der natürlichen Tracht nicht konkurrieren, daher
wird diese Zuckerlösung von den Stockbienen den Sam-

96
melbienen nur zögernd abgenommen. Im Herbst aber,
wo die Tracht immer mehr zurückgeht, ist auch eine
verdünnte Zuckerlösung noch willkommen; sie wird
nach Eindickung für die Speicherung des Wintervorrates
dringend benötigt.

Eine praktische Nutzanwendung

Die Bienenzucht ist eine sehr nützliche Betätigung.


Die gepflegten Wälder von heute, frei von hohlen Bäu-
men, bieten den Bienen keine ausreichende Unterkunft,
Ackerland und Kulturwiesen mit ihrer verarmten Flora
geben keine Gewähr für genügende Wintervorräte. Hätte
sie nicht der Mensch zu Haustieren gemacht, so würden
sie dahinschwinden und ungezählte Zentner köstlichen
Zuckersaftes in den Blüten bleiben oder nur in die Mägen
von Fliegen und Schmetterlingen wandern. Noch viel
höher als der Honiggewinn ist der mittelbare Nutzen der
Imkerei einzuschätzen. Denn die Mehrzahl unserer Kul-
turpflanzen wird überwiegend durch Bienen bestäubt
und würde ohne sie einen geringeren oder keinen Ertrag
an Samen und Früchten geben (vgl. S. 29-32).
Die Imker pflegen ihren Völkern soviel Honig zu
entnehmen, daß der Rest als Nahrungsvorrat für den
Winter nicht reicht. Sie füttern dafür jedem Volk im
Herbst 3 bis 5 kg Zucker in Form von Zuckerwasser in
den Stock ein. Das ist für den Imker vorteilhaft, weil
Honig wertvoller ist als Zucker. Dieser ist aber mit einer
Steuer belastet. Zur Förderung der Bienenzucht will man
den Imkern den Fütterungszucker steuerfrei überlassen.
Die Finanzbehörde hat jedoch den begreiflichen Wunsch,
daß dieser verbilligte Zucker auch wirklich den Bienen
zugute kommt und nicht der Hausfrau. Er soll durch eine

97
entsprechende Vergällung für den Menschen als Ge-
nußmittel unbrauchbar gemacht werden.
Man hat viele Vergällungsmittel versucht. Die mei-
sten erwiesen sich als ungeeignet. Erst eine genaue Kennt-
nis vom Geschmackssinn der Bienen führte einen Weg,
der eine gute Lösung dieses alten Problems bedeutet. Es
war naheliegend, sich die Unterempfindlichkeit der Bie-
nen für den Bittergeschmack zunutze zu machen. Unter
den geprüften Stoffen war einer dadurch aufgefallen, daß
er, für den Menschen schon in geringsten Spuren von
ekelerregender Bitterkeit, für die Bienen so gut wie ge-
schmacklos ist. Vom Standpunkt des Chemikers ist diese
Substanz (mit dem Namen Octoacetylsaccharose) nichts
anderes als Zucker, der sich mit Essigsäure verbunden
hat. Die Essigsäurebestandteile machen ihn für den Men-
schen bitter, für die Bienen geschmacklos. Seiner Ver-
wendung als Vergällungsmittel stand sein ho her Preis
entgegen. Doch gelang nach einem neuen Verfahren die
billige Herstellung dieses Stoffes. Er erhielt den Fabrikna-
men Oktosan.
Wenn man große Mengen Zucker auch nur mit
Spuren dieses Bitterzuckers vermischt, werden sie für den
menschlichen Genuß unbrauchbar. Die Bienen aber trin-
ken solches Zuckerwasser ohne jede Hemmung. Daß
weder sie noch ihre Brut dadurch Schaden nehmen wür-
den, war bei der chemischen Natur des Oktosans von
vornherein zu erwarten und hat sich in jahrelangen Ver-
suchen bestätigt. Auch für den Menschen ist es völlig
unschädlich. Das ist wichtig. Denn gelegentlich können
Reste des Fütterungszuckers in die Ware geraten, die zum
Verkauf bestimmt ist.
Verbitterten Honig würden die Kunden entrüstet
ablehnen. Doch zersetzt sich das Oktosan im Honig wie-
der in seine Bestandteile, in Zucker und unmerkliche
Spuren von Essigsäure, so daß es den bitteren Geschmack

98
verliert. Es ist, als wäre diese chemische Verbindung ei-
gens geschaffen, um die Steuerbehörde wie die Imker-
schaft in jeder Hinsicht zu befriedigen.
Bei seiner Harmlosigkeit wird heute auch von Ärz-
ten Oktosan statt Chinin empfohlen, um Kindern das
Daumenlutschen abzugewöhnen.

99
9 Die Augen der Bienen
und ihre Leistungen

_ Farbensehen

Wenn es bei einem ländlichen Frühstück im Freien


Honig gibt, so stellen sich bisweilen Bienen ein, durch
den Honiggeruch angelockt. Dann ist Gelegenheit zu ei-
nem einfachen Versuch, bei dem nichts weiter erforder-
lich ist als ein Stück rotes und zwei gleich große Stücke
blaues Papier und ein wenig Geduld.
Wir entfernen das Honiggefäß, geben nur ein paar
Honigtropfen auf ein blaues Papier und legen es auf den
Tisch. Die Bienen säumen nicht, die einträgliche Futter-
quelle auszubeuten. Nachdem sie ein paarmal heimgeflo-
gen und wiedergekommen sind, entfernen wir das mit
Honig betropfte Blau und legen das rote und das andere,
saubere Papier neben den bisherigen Futterplatz. Die Bie-
nen interessieren sich für das Rot nicht im mindesten, das
Blau aber umschwärmen sie und lassen sich auch darauf
nieder, obwohl diesmal kein Honigduft dort lockt
(Abb. 63). Sie haben sich also gemerkt, daß es auf dem
Blau Futter gab, und können Blau und Rot unterschei-
den.
Man darf aber daraus nicht schließen, daß Bienen
Farben sehen. Es gibt nicht selten Menschen, deren Far-
bensinn gegenüber dem des Normalsichtigen mehr oder

100
Abb. 63. Bienen, die zuvor auf einem blauen Papier bei " gefüt-
tert worden sind, suchen auf einem reinen blauen Papier (links)
nach dem Futter, während sie ein rotes Papier (rechts) unbeachtet
lassen.

weniger beschränkt ist; es gibt auch, freilich selten, Men-


schen, die überhaupt keine Farben sehen. Ein solcher
»total Farbenblinder« sieht die Welt etwa so, wie sie uns
Normalsichtigen in einer farblosen Photographie er-
scheint, alles grau in grau und die Abstufungen der Far-
ben nur als Abstufungen der Helligkeiten. Er könnte
zwar unser Blau und Rot sehr wohl unterscheiden, aber
nicht an den Farben, die ihm verschlossen sind, sondern
an ihrer Helligkeit, da ihm das Rot fast schwarz, das Blau
aber wie ein helles Grau erscheint; der Eindruck ist für
ihn ähnlich wie für uns auf der farblosen Photographie
(Abb. 63). So hat für ihn jede Farbe eine bestimmte Hel-
ligkeit.
Wir müssen den Versuch also anders anstellen und
dressieren die Bienen durch Fütterung auf Blau inmitten
einer schachbrettartigen Anordnung von Graupapieren
verschiedenster Helligkeit, auf denen kein Futter geboten
wird. Wie bei der Duftdressur verhindert ein häufiger
Ortswechsel des Blau mit dem Futterschälchen die Ge-
wöhnung an einen bestimmten Platz in der Ge-
samtanordnung. Auch wird nicht mit Honig, sondern mit
geruchlosem Zuckerwasser gefüttert. Für das entschei-

101
Abb. 64. Nachweis des Farbensehens. Ein Blaupapier zwischen
Graupapieren verschiedenster Helligkeit. Auf jedem Blatt steht ein
leeres Glasschälchen. Die auf Blau dressierten Bienen beweisen
durch ihr Verhalten, daß sie die Farbe von den Grauabstufungen
unterscheiden.

dende Experiment werden alle Papiere durch neue, sau-


bere ersetzt; auch auf dem Blau steht diesmal ein leeres,
reines Glasschälchen. Trotzdem fliegen die Bienen zielsi-
cher auf die blaue Fläche los und setzen sich auf ihr
nieder (Abb. 64). Sie können also das Blau von sämtli-
chen Grauabstufungen unterscheiden, und erst hierdurch
beweisen sie uns, daß sie es als Farbe sehen.
Sie befliegen das Blau auch dann, wenn man alle
Papiere mit einer Glasplatte bedeckt. Sie zeigen uns da-
durch, daß tatsächlich der Anblick des blauen Papiers
ausschlaggebend ist und nicht etwa ein für unsere Nase
nicht wahrnehmbarer Duft. Ein solcher könnte durch die
Glasplatte hindurch natürlich nicht zur Geltung kom-
men.

102
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Abb. 65. Entstehung des Spektrums durch Strahlenbrechung in


einem Prisma.

Führen wir genau denselben Versuch mit einem


gelben Papier aus, so gelingt er ebensogut; wählen wir
aber ein rotes Papier, so erleben wir eine Überraschung.
Die auf Rot dressierten Bienen befliegen in der schach-
brettartigen Anordnung (Abb. 64) nicht nur das rote,
sondern genauso die schwarzen und dunkelgrauen Blät-
ter. Rot und Schwarz wird von den Bienen verwechselt;
Rot ist für sie keine Farbe, sondern, wie für den Farben-
blinden, ein tiefdunkles Grau.
Aber in anderer Hinsicht ist das Bienenauge dem
normalen menschlichen Auge überlegen. Es kann die für
uns unsichtbaren »ultravioletten« Lichtstrahlen ausge-
zeichnet wahrnehmen. »Ultraviolett« bedeutet: »Über
das Violett hinaus.« Damit hat es folgende Bewandtnis:
Das weiße Sonnenlicht ist ein Gemisch von Licht-
strahlen verschiedener Wellenlänge. Schickt man es
durch ein Prisma, so werden die Strahlen, je nach ihrer
Wellenlänge, verschieden stark gebrochen, sie werden so
nach ihrer Wellenlänge geordnet und es erscheint das
farbige Band des Spektrums (Abb. 65), wie es uns die
Natur im Regenbogen so schön zeigt. Jeder Wellenlänge
entspricht eine bestimmte Farbempfindung. Die größten

103
Wellenlängen sehen wir rot. Absolut genommen sind
freilich auch diese »großen« Lichtwellen noch so klein,
daß man sie in nm l (= Millionstel Millimeter) mißt. Vom
Rot mit einer Wellenlänge von 800 nm reicht das farbige
Band bis zum Violett, wo bei einer Wellenlänge von
400 nm die Sichtbarkeit für unser Auge endet. Das Son-
nenlicht enthält aber noch kürzerwellige, eben die ultra-
violetten Strahlen. Für das Bienenauge wird das Licht erst
bei 300 nm unsichtbar. Das Ultraviolett erscheint ihm in
einem besonderen Farbton und ist für Bienen noch dazu
die hellste und leuchtendste Farbe des ganzen Spektrums.
Wenn man die durch Zerlegung weißen Lichtes
gewonnenen Farben wieder zusammenbringt, so entsteht
für unser Empfinden neuerdings weißes Licht. Der glei-
che Eindruck von Weiß läßt sich auch erzeugen, wenn
man nur die 3 »Grundfarben« Rot, Grün und Blau aus
dem Spektrum herausfängt und im richtigen Verhältnis
miteinander mischt2 , oder wenn man mit bestimmten
Farbpaaren (Komplementärfarben, z.B. Rot und Blau-
grün) ebenso verfährt.
Die Farben des Spektrums gehen von Rot über
Gelb, Grün, Blaugrün, Blau und Violett in feinen Abstu-
fungen allmählich ineinander über. Die Enden, Rot und
Violett, lassen sich auch anders herum durch Zwischen-
stufen verbinden, wenn man rote und violette Lichtstrah-
len zu verschiedenen Anteilen mischt. Es entstehen so die

1 n ist die Abkürzung für (griechisch) nannos ::: Zwerg, also


»Zwergmeter« .
2 Gemeint ist eine Mischung im Sinne gleichzeitiger Einwirkung
auf die Netzhaut (Mischung durch Addition der Farben). Wenn
der Maler auf der Palette zwei Farben mischt, so werden von bei-
den verschiedene Spekttalbereiche des Lichtes verschluckt, und es
entsteht durch Subtraktion eine ganz andere Farbe als bei additi-
ver Mischung.

104
Farbenkreis
des
Menschen

900nm
a
500 nm

Abb. 66. Farbenkreis


a des Menschen, b der
Biene (schematisch). Die
3 Grundfarben sind un-
terstrichen. Durch ihre 9/0

Mischung kann man die


dazwischenstehenden Far-
ben herstellen. Komple-
mentärfarben stehen im
Bild einander gegenüber. J90nm
m

Purpurtöne, die im Spektrum selbst nicht enthalten sind


und dieses zum Farbenkreis schließen (Abb. 66a).
Ganz entsprechende Gesetze der Farbenmischung
gelten auch für Bienen, obwohl doch ihre Augen anders
gebaut sind als die menschlichen (s. S. 117). Auch für sie
gibt es ein »Weiß«, das sich sowohl aus allen, für Bienen
sichtbaren Farben des Spektrums, wie auch aus den 3
Grundfarben der Bienen: Gelb, Blau und Ultraviolett
(oder aus 2 für Bienen komplementären Farben) durch

105
Mischung erzeugen läßt und mit keiner Farbe Ähnlich-
keit hat. Auch für sie entstehen neue, im Spektrum selbst
nicht enthaltene Farbtöne, wenn man Lichtstrahlen aus
den Endbezirken des Bienenspektrums (Gelb und Ultra-
violett) miteinander mischt; in Anlehnung an die mensch-
liche Farbenlehre kann man von »Bienenpurpur« spre-
chen (vgl. Abb. 66b). Orangerot, Gelb und Grün sind für
Bienen einander ähnlicher als für uns, desgleichen Blau
und Violett, während im Grenzbereich gegen das Ultra-
violett neue, uns fremde, für Bienen scharf abgehobene
Farbtöne entstehen (»Bienenviolett« ).
Daß sich durch Mischung von drei verschiedenen
Spektralfarben Weiß und Grau sowie sämtliche Farbtöne
erzeugen lassen, kann man durch die Annahme dreier
verschiedener Arten von Farbsinneszellen erklären. Diese
von Helmholtz für den Menschen angenommene Theorie
des Farbensehens hat sich jetzt, rund 100 Jahre später,
durch Versuche am Bienenauge als richtig erwiesen. Wie
bei den Fühlersinnesorganen (S. 89) war es mit einer
minutiös ausgearbeiteten elektrophysiologischen Tech-
nik auch am Auge möglich, die Erregungsvorgänge in
einzelnen Sinneszellen zu beobachten und zu messen. Es
gibt tatsächlich drei verschiedene Typen, deren größte
Empfindlichkeit entweder im Gelb oder im Blau oder im
Ultraviolett liegt. Auch für das menschliche Auge gelang
etwa gleichzeitig mit einer anderen Methode der gleiche
Nachweis.
Im Ganzen hat das Farbensehen der Bienen mehr
Ähnlichkeit mit dem unseren, als man dachte. Der Haup-
tunterschied liegt in ihrer Unempfindlichkeit für Rot und
ihrer außerordentlichen Empfindlichkeit für Ultraviolett.
Was sie beim Anblick der Farben wirklich wahrnehmen,
davon können wir uns freilich keine Vorstellung machen.
Kennen wir doch nicht einmal das innere Erlebnis unse-
res Nächsten, wenn er die Farben mit gleichen Namen

106
benennt wie wir. Denn keines Menschen Auge hat noch
je in die Seele eines anderen geschaut.

Bienenauge und Blumenfarben

Wer etwa meint, die ganze Blumenpracht der Erde


sei dem Menschen zur Augenweide geschaffen, der möge
den Farbensinn der geflügelten Blütengäste und die Be-
schaffenheit der Blumenfarben studieren, und er wird
ganz bescheiden werden.
Zunächst fällt auf, daß durchaus nicht alle Blüten-
pflanzen » Blumen « hervorbringen. Viele Gewächse, so
Gras und Getreide, die Nadelhölzer, die Ulmen, Pappeln
und andere haben kleine, unscheinbare und duftlose Blü-
ten, die keinen Nektar absondern und an denen sich auch
keine Insekten einstellen. Die Übertragung des Blüten-
staubes geschieht hier durch den Wind, wie es der Zufall
will, und ist nur dadurch gesichert, daß ein trockener,
leicht stäubender Pollen in außerordentlicher Menge er-
zeugt wird (Abb. 67, 68). Diesen» Windblütern« stehen

Abb. 67. Haselkätzchen als Windblütler. Sie sind der männliche


Blütenstand.

107
Abb. 68. Die unscheinbare
.....010..._ _ _ _;.--1 weibliche Blüte des Haselnuß.

die »Insektenblüter« gegenüber. Sie ziehen durch Nekta-


rabsonderung die Blütengäste heran, die den Pollen auf
kurzem und zuverlässigem Weg übertragen. Ihre Blüten
sind auffallend, sei es durch einen Duft, den sie erzeugen,
sei es durch bunte Farben oder durch bei des vereint: das
'lind die »Blumen«.
Es liegt nahe, hier einen tieferen Zusammenhang
anzunehmen: So wie der Wirt eine bunte Fahne aushängt,
um die Aufmerksamkeit des Wanderers zu erregen und
ihn dadurch vernlaßt, bei ihm einzukehren, sich selbst
zum Gewinn und jenem zur Stärkung, so hätten auch die
bunten Fähnlein der Blumen die Bedeutung, den Bienen
schon aus der Ferne den Ort zu weisen, wo für sie der
Nektar fließt und wo sie einkehren sollen, dem Wirt wie
dem Gast zum Nutzen. Wenn aber in diesem Sinne die

108
Farben der Blumen für das Auge ihrer Bestäuber berech-
net sind, dann darf man eine Beziehung zwischen den
Besonderheiten im Farbensinn der Blumengäste und der
Beschaffenheit der Blumenfarben erwarten. Das ist nun
auf das deutlichste verwirklicht.
Schon lange, bevor man über den Farbensinn der
Bienen etwas Näheres wußte, ist den Botanikern aufge-
fallen, wie selten rein rote Blumen in unserer Flora vor-
kommen. Das ist aber gerade die einzige Farbe, die auf
das Bienenauge nicht als Farbe wirkt und daher die Blu-
men für die Augen ihrer Bestäuber nicht auffällig machen
würde; die meisten sogenannten »roten« Blumen unserer
Flora, Heidekraut und Alpenrosen, roter Klee, Zyklamen
usw., haben nicht jenes reine Rot, von dem hier die Rede
ist, sondern ein mit Blau vermengtes Purpurrot.
Vielleicht ist es den Pflanzen schwer, eine schar-
lachrote Blütenfarbe zu erzeugen? Das kann nicht sein,
denn bei tropischen Gewächsen, die z. T. wegen ihrer
sonderlichen Blumenfarben in unseren Treibhäusern und
Gärten gerne als Zierpflanzen gehalten werden, sind
scharlachrote Blütenfarben ungemein häufig. Aber gera-
de jene leuchtend roten Blumen der Tropen werden - was
auch den Blütenbiologen schon lange bekannt war -
nicht durch Bienen, überhaupt nicht durch Insekten be-
stäubt, sondern durch kleine Vögel, durch die Kolibris
und Honigvögel, die im Fluge vor der Blüte schwebend
mit ihrem langen Schnabel den reichlich abgesonderten
Nektar saugen (Abb. 69); und es hat sich herausgestellt,
daß jenes Rot, für das die Bienenaugen blind sind, für das
Vogelauge eine leuchtende Farbe ist.
Eine weitere Beziehung zwischen Blumenfarben
und Blumengästen ist längst bekannt und viel besprochen
gewesen, bevor sie durch Versuche der vergangenen Jah-
re ihre Aufklärung gefunden hat: die wenigen Blumen,
die sich in unserer heimischen Flora einer rein roten

109
Abb. 69. Ein Kolibri besucht eine echt rote Vogelblume.

Blütenfarbe nähern, wie Steinnelken, Lichtnelken, sten-


gelloses Leimkraut, werden größtenteils nicht von Bie-
nen, sondern vorwiegend durch Tagschmetterlinge be-
stäubt, die mit ihren langen Rüsseln den Nektar vom
Grunde der hier besonders tiefen Blumenröhren heraus-
holen. Durch die Tiefe der Blumenröhren erscheinen die-
se Blüten an die Bestäubung durch die genannten lan-
grüsseligen Insekten speziell angepaßt. Und diese Tagfal-
ter sind im Gegensatz zu den Bienen und zu den meisten
anderen Insekten nicht rotblind.
Mehr konnte man wirklich nicht verlangen. Es ist,
als würde sich in den Farben der Blumen die Rotblindheit
und die Rotsichtigkeit ihrer Besucher widerspiegeln. Es

110
Abb. 70. Diese roten
Mohnblumen erscheinen
dem Bienenauge in ul-
travioletter Farbe.

war zu erwarten und hat sich bestätigt, daß auch die


Ultraviolettsichtigkeit des Bienenauges von seiten der
Blumenfarben eine Antwort gefunden hat. Doch liegen
diese Zusammenhänge für unsere eigenen, ultraviolett-
blinden Augen weniger offenkundig zutage. Die erste
Überraschung kam von den Mohnblüten (Abb. 70). Sie
gehören zu den wenigen, angenähert rein roten Blüten
unserer Heimat und werden trotzdem eifrig von Bienen
besucht. Wir sehen ihnen nicht an, daß ihre Blumenblät-
ter außer den roten Lichtstrahlen, die für die Bienen
bedeutungslos sind, auch die ultravioletten zurückwer-
fen. So ist der Mohn für uns eine rote, für die Bienen eine
»ultraviolette« Blume. Das gleiche gilt für die rot blühen-
den Bohnen. Den Erörterungen darüber, daß sich diese
Blüten in eine Farbe gekleidet hätten, die von ihren Besu-
chern nicht wahrgenommen werden kann, ist somit die
Grundlage entzogen. Auch die weißen Blumen erscheinen
den Bienen farbig. Es war nämlich die zweite überra-
schende Entdeckung auf diesem Gebiet, daß alle weißen
Blüten - von unseren Augen unbemerkt - die kurzwelli-

111
a

c
Abb. 71. Blüten von a Schotendotter (Erysimum helveticum), b
Raps (Brassica napus) und c Ackersenf (Sinapis arvensis), links in
gelbem Licht, rechts in ultraviolettem Licht photographiert. Die
verschieden starke Ultraviolett-Reflexion bewirkt für das Bienen-
auge deutlich verschiedene Farbänderungen der für uns gleichar-
tig gelben Blüten.

112
gen, ultravioleggen Strahlen aus dem Sonnenlicht heraus-
filtern. Wir bemerken es nicht, ob ein für uns weißes
Licht Ultraviolett enthält oder nicht. Aber dem ultravio-
lettempfindlichen Bienenauge erscheint ein »Weiß«, aus
dem das Ultraviolett weggenommen ist, nach den Geset-
zen der Farbenmischung in der Komplementärfarbe des
Ultraviolett: »Blaugrün«. Das ist deshalb bedeutungsvoll,
weil für die Bienen »weißes« Licht, gemischt aus allen für
sie wahrnehmbaren Farben (also das Ultraviolett einge-
schlossen), weniger einprägsam ist als farbiges Licht.
Eine Dressur auf solches Weiß bereitet gewisse Schwie-
rigkeiten - und in der Blumenwelt suchen wir es vergeb-
lich. Wo für uns die weißen Sterne der Gänseblümchen in
der Wiese stehen, da leuchten den Bienen blaugrüne
Sternchen entgegen. Weiße Apfelblüten, weiße Glocken-
blumen, weiße Winden, weiße Rosen, sie alle haben für
ihre farbenfrohen Gäste ihr farbiges Wirtshausschild.
Verdanken hier die Blumenblätter ihr buntes Kleid
dem Fehlen von ultraviolettem Licht, so wird in anderen
Fällen sein Hinzutreten zum Anlaß eines Farbenzaubers,
der uns verborgen bleibt. So sind z.B. die gelben Blüten
des Schotendotters (Erysimun belveticum), des Raps
(Brassia napus) und des Ackersenf (Sinapis arven cis) für
uns kaum unterscheidbar nach Farbe und Gestalt. Die
Bienen könnten uns auslachen! Für sie ist nur der Scho-
tendotter »gelb«. Die Rapsblüten werfen auch ein wenig
Ultraviolett zurück und erhalten dadurch eine leichte
»Purpur«-Tönung (vgl. S. 105). Der Ackersenf, dessen
Blumenblätter viel Ultraviolett reflektieren, gewinnt da-
durch ein tiefes »Purpurrot« für das Bienenauge, dem die
Unterscheidung aller drei Arten nachweislich ein Leichtes
ist. Abbildung 71 zeigt die genannten drei Blüten links
durch einen Filter aufgenommen, das nur gelbes Licht
durchläßt, rechts durch ein Ultraviolettfilter. Man sieht,
daß gelbes Licht von allen drei Blüten gleichmäßig zu-

113
Abb. 72. Blüte der Primel (Primula acaulis) mit
Saftmal.

rückgeworfen wird, während sie das Ultraviolett, für un-


ser Auge nicht erkennbar, verschieden stark reflektieren.
Entsprechendes gilt für viele andere, uns gleichmäßig
gelb oder blau erscheinende Blumen.
Nicht selten hebt sich an einer Blüte die Stelle, wo
die Nahrung zu finden ist, durch eine auffällige
Farbzeichnung - ein »Saftmal« - ab. Jeder kennt im
blauen Vergißmeinnicht den gelben Ring, durch dessen
Zentrum die Biene ihren Rüssel einführen muß, um den
Nektar zu erreichen. Bei der Schlüsselblume (Abb. 72)
tragen die hellgelben Blüten ein dunkelgelbes Saftmal,
und wer sich ein wenig umsieht, wird viele weitere Bei-
spiele finden. Während die Farbe der ganzen Blume als
Wirtshausfahne in die Ferne winkt, zeigt das Saftmal dem
eintretenden Gast, wo er Labsal findet - in gefälligerer
Weise als unsere nüchterne Aufschrift: »Zur Gaststube«.
Die Markierung wird noch ansprechender dadurch, daß
das farbige Saftmal fast stets einen stärkeren, oft auch
andersartigen Geruch hat als die umgebenden Blütentei-
le. Das optische Saftmal ist für die Biene zugleich ein
»Duftmal« . Wir merken davon nichts, weil beim Einzie-
hen der Luft in die Nase die Duftstoffe durcheinander
gewirbelt werden. Für die Biene, die mit ihren vorge-
streckten Fühlern »plastisch riechen« kann (vgl. S. 92),
sind solche Duftmarken von großer Bedeutung.
Wer die Welt durch die Augen der Biene betrachten
könnte, wäre überrascht, mehr als doppelt so viele Blü-

114
a b

c
Abb. 73. Blüteund Blätter des kriechenden Fingerkrautes (Poten-
tilla reptans) a in gelbem, b in blauem, c in ultraviolettem Licht
photographiert. Die für uns rein gelbe Blüte reflektiert stark im
Gelb, nicht im Blau und - nur an den äußeren Teilen der Blumen-
blätter - stark im Ultraviolett. So entsteht ein für uns unsichtba-
res Saftmal, rein gelb in »purpur«-farbiger Umgebung. - Die
Laubblätter sind infolge gleichmäßiger, schwacher Reflexion in
den 3 Grundfarbbereichen der Bienen für diese fast farblos. - Die
mit photographierten Graustufen, im Bild unten, dienen zur pho-
tometrischen Bestimmung der Reflexion.

115
tensorten mit prachtvollen Saftmalen zu entdecken, als
deren unser ultraviolettblindes Auge ohne weiteres ge-
wahr wird. Den Anblick, der sich dem Bienenauge bietet,
kann man sich dadurch anschaulich machen, daß man
die Blüten durch drei Farbfilter photographiert, deren
Durchlässigkeit den drei Grundfarbbereichen des Bienen-
auges entspricht. So zeigt Abb. 73 die für uns einheitlich
gelbe Blüte des kriechenden Fingerkrautes (Potentilla
reptans): Die Helligkeit der Blumenblätter in der Aufnah-
me durch das Gelbfilter zeigt, daß das Gelb stark und
gleichmäßig zurückgeworfen wird; ihre Dunkelheit im
Bild rechts oben (Blaufilter) läßt erkennen, daß die blau-
en Lichtstrahlen verschluckt werden; die Aufnahme
durch das Ultraviolettfilter (unten) enthüllt die überra-
schende Erscheinung eines für uns unsichtbaren Saftma-
les: Die äußeren Teile der Blütenblätter reflektieren das
Ultraviolett, sie geben also die Mischfarbe von Gelb und
Ultraviolett, »Bienenpurpur« . Die inneren Teile ver-
schlucken das Ultraviolett, so daß für das Bienenauge ein
rein gelbes Saftmal in purpurfarbiger Umgebung ent-
steht. Wie wirksam auch solche, für uns verborgene Saft-
male sind, ließ sich durch Bienenversuche nachweisen.
An Abb. 73 kann man eine weitere Tatsache fest-
stellen, die eigentlich der ganzen Blumenpracht erst ihren
tieferen Sinn gibt. Mit der Blüte sind auch einige grüne
Blätter photographiert. Sie reflektieren das Licht in den 3
Grundfarbbereichen der Biene ziemlich gleichmäßig, nur
im Gelb ein klein wenig mehr. Das gilt auch für andere
Laubblätter und bedeutet, daß das uns grün erscheinende
Laub für die Biene fast farblos grau mit blaßgelblicher
Tönung ist. Aus diesem unbunten Hintergrund werden
für sie die bunten Blüten um so kräftiger herausleuchten.
Der Naturfreund wird sich die Freude an den Blu-
men nicht nehmen lassen, auch wenn er erkennt, daß sie
für andere Augen bestimmt sind.

116
Vom Bau der Augen
üb ein Auge farbenblind ist oder Farben sieht,
können wir ihm auch bei aufmerksamer Zergliederung
nicht ansehen. üb es aber die Formen der Gegenstände
scharf oder unscharf sieht, dies steht mit seinem gröberen
Bau in engem Zusammenhang und ermöglicht es dem
Anatomen, oft schon nach dem Äußeren eines Auges zu
beurteilen, ob es etwa von einem kurzsichtigen Menschen
stammt.
Wenn wir aber das Auge der Biene zergliedern in
der Erwartung, seine Leistungsfähigkeit an seinem Bau
zu erkennen, dann lassen uns alle am menschlichen Auge
gewonnenen Erfahrungen im Stich. Denn es ist völlig
anders gebaut. Für den Naturforscher liegt ein besonde-
rer Reiz darin, den Mitteln und Wegen nachzuspüren,
wie die Natur bei so grundverschiedenen Wesen, den
Bienen und Menschen, auf durchaus verschiedene Weise
doch dasselbe Ziel erreicht.
Die Feinheiten in der Konstruktion des Insektenau-
ges sind so mannigfach, daß sie den Bau des menschli-
chen Auges in den Schatten stellen. Ein genaues Ver-
ständnis ist nur durch ein ernstes Studium möglich und
hätte mancherlei Erörterungen, auch physikalischer Art,
zur Voraussetzung. Doch der grundlegende Gegensatz im
Bauplan der beiden Augen läßt sich mit einigen Worten
klarstellen.
Das Auge des Menschen ist einem photographi-
schen Apparat vergleichbar. Dem Loch in der Vorder-
wand der Kamera entspricht das Sehloch im menschli-
chen Auge, die Pupille. So wie der Photograph bei großer
Helligkeit durch Verengung der Irisblende das Übermaß
von Licht abdämpft, so zieht sich im Sonnenlicht die
Regenbogenhaut (die »Iris«) zusammen, verengt die Pu-
pille und schützt das Innere des Auges vor übergroßer

117
Abb. 74. Auge des Menschen. N Netzhaut, S Sehnerv (weitere
Erklärung im Text).

Helligkeit. Der Linse des Photoapparates entspricht die


Linse des menschlichen Auges. Sie hat die gleiche Gestalt
und die gleiche Wirkung. Blicken wir auf einen entfern-
ten leuchtenden Punkt (A in Abb. 74), der nach allen
Seiten Licht aussendet, so sammelt die Linse die Licht-
strahlen, die durch das Sehloch einfallen, und vereinigt
sie in einem Punkt des Augenhintergrundes (a). Die von
einem höher gelegenen Punkt (B) kommenden Strahlen
werden von der Linse auf einem tieferen Punkt (b), die
von einem tieferen Punkt (C) an einem höher liegenden
Punkt (c) gesammelt. Wir können uns jeden Gegenstand
in unserem Gesichtsfeld aus einer großen Zahl einzelner
Punkte zusammengesetzt denken, ob sie nun selbst leuch-
ten oder das auffallende Licht nur zurückwerfen; für
jeden von ihnen gilt, was wir für unsere drei Punkte A, B
und C abgeleitet haben, und so entwirft die Linse von
einem angeblickten Gegenstand ein verkehrtes, kleines,
naturgetreues Bild auf dem Augenhintergrund, wie die
Linse des photographischen Apparates auf der photogra-
phischen Platte.
Der wesentliche Unterschied zwischen der Kamera
und unserem Auge liegt in der Verwertung des so erzeug-
ten Bildes. Bei der Kamera wird das Bild eines Augen-

118
blickes auf der Platte festgehalten und sozusagen konser-
viert. Die Stelle der photographischen Platte nimmt in
unserem Auge die Netzhaut ein, durch deren Vermittlung
uns das Bild mit allen Verteilungen von Licht und Schat-
ten bewußt wird, in jedem Augenblick neu entstehend
und vergehend im Wechsel des Geschauten. Jene Netz-
haut besteht in ihrem wichtigsten Teil aus einem feinsten
Mosaik stäbchenfärmiger Elemente, deren jedes so
schmal ist, daß erst mehrere hundert nebeneinander die
Strecke eines Millimeters füllen; sie sind durch Nervenfa-
sern mit dem Gehirn in Verbindung. Die Summe dieser
Nervenfasern macht den starken Sehnerv aus, der vom
Auge zum Gehirn zieht. Erst in diesem entsteht die be-
wußte Empfindung - von einem einzelnen Punkt aus, der
aus dem nächtlichen Dunkel aufleuchtet, in gleicher Wei-
se wie von der unendlichen Zahl von Einzelpünktchen,
die in der Tageshelle unser Gesichtsfeld ausfüllen und zu
einem einheitlichen Bild des Gesehenen miteinander ver-
schwimmen. Zuweilen hat man sich gefragt, warum uns
die Welt nicht auf dem Kopf zu stehen scheint, da doch
ihr Bild auf unserer Netzhaut verkehrt ist; diese Frage hat
schon deshalb keinen Sinn, weil uns das Bild nicht in der
Netzhaut, sondern im Gehirn bewußt wird, wohin die
vielen Sehzellen ihre Meldung in Form von elektrischen
Potentialen liefern; dabei liegen die einzelnen Bildpunkte
längst wieder anders zueinander, wie es der Verlauf der
einzelnen Nervenfasern mit sich bringt.
Daß auch beim Menschen erst im Gehirn die Zu-
ordnung der einzelnen Bildpunkte sinngemäß erfolgt,
kann man überzeugend nachweisen, wenn man sich eine
sog. Umkehrbrille aufsetzt, die momentan unsere gesam-
te Umwelt auf den Kopf stellt. Nach wenigen Tagen wird
es gelingen - in Zusammenarbeit mit dem Gleichge-
wichtsorgan, das den aufrechten Gang überwacht -, die
verkehrte Umwelt umzustellen, so daß die Bäume und

119
--- -- -- -- ---
-----
ß ~.:.:.----
-------------~-- - ~~~~~~~

-K
-. H

Abb. 75. Facettenauge (Schema). H Hornhaut, K Kristallkegel, N


Sehstab, S Sehnerv. Den Punkte A, Bund C im Gesichtsfeld ent-
sprechen die Bildpunkte a, bund c in der Netzhaut, so entsteht
ein aufrechtes Bild.

Häuser wieder aufrecht stehen. Nimmt man dann die


Brille ab, stellen sich die Umweltgegenstände wieder auf
den Kopf und es braucht eine neuerliche Zeit der Anpas-
sung.
Das Auge der Biene - und ebenso das Auge der
anderen Insekten - hat keine Pupille, keine Regenbogen-
haut, keine Linse. Die Netzhaut im Augenhintergrund ist
der menschlichen Netzhaut vergleichbar. Aber das Bild
auf der Netzhaut entsteht in anderer Weise. Die stark
gewölbten Augen stehen seitlich am Kopf (vgl. Abb. 22,

120
Abb. 76. Schnitt durch das
Auge einer Biene. H Horn-
haut, K Kristallkegel,
N Netzhaut. Im oberen Au-
genbereich hat sich bei der
Konservierung an einer klei-
nen Stelle die Hornhaut von
der Schicht der Kristallkegel
etwas abgehoben.

S. 26). Ihre Oberfläche erscheint, durch eine scharfe Lupe


betrachtet, auf das zierlichste gefeldert, facettiert, daher
der Ausdruck Facettenauge für diese Sehorgane (vgl.
Abb. 75). So wird der abweichende innere Bau schon
äußerlich bemerkbar. Aber deutlich erkennt man ihn
erst, wenn man mit der nötigen Vorsicht das Auge durch-
schneidet (Abb. 75, 76). Die gefelderte Augenoberfläche
ist eine Bildung des Chitins, das als Hautpanzer den
ganzen Insektenkörper bekleidet, und entspricht als
äußerer Schutz der Hornhaut unseres Auges. An jedes
Hornhautfeldehen schließt sich ein kristallklares, kegel-
förmiges Gebilde an, der Kristallkegel (K in Abb. 75 und
76). Er sammelt die Lichtstrahlen, die in seiner Blickrich-
tung liegen, und leitet sie dem Netzhautstab N ZU; alle

121
Abb. 77. a Das
Auge einer Biene ist
aus ca. 5000 Augen-
keilen, sog. Ommati-
dien zusammenge-
setzt. bAusschnitt
aus einem Libellen-
auge. Hier sind die
einzelnen Ommatidi-
en deutlich erkenn-
a bar.

122
Netzhautstäbe zusammen bilden die Netzhaut. Ein sol-
ches Feldchen samt anschließendem Röhrchen und zuge-
hörigem Netzhautstab nennt man einen Augenkeil. Das
Auge einer Arbeitsbiene ist nun aus rund 5000 dicht
aneinanderliegenden Augenkeilen aufgebaut, die alle -
und das ist wichtig - in der Längsrichtung ein bißchen
nach innen gegeneinander geneigt verlaufen, so daß nicht
zwei von ihnen genau gleich gerichtet sind (Abb. 77).
Jedes dieser Röhrchen ist seitlich rundum mit einer
schwarzen, lichtundurchlässigen Schicht umgeben, so
wie ein Bein vom Strumpf umhüllt ist.
Denken wir uns wieder im Gesichtsfeld des Auges
einen leuchtenden Punkte (A), der nach allen Seiten
Lichtstrahlen aussendet, so werden diese Strahlen auch
auf die ganze Oberfläche des Auges treffen. Aber nur in
jenem Augenkeil, in dessen Richtung der Punkt liegt,
werden die Strahlen bis zum Sehstab gelangen (a). Die
anderen, etwas schräg getroffenen Augenkeile ver-
schlucken die Lichtstrahlen mit ihren schwarzen
Strumpfhüllen, bevor sie bis zur lichtempfindlichen Netz-
haut gekommen sind. Ein anderer, höhergelegener Punkt
B liegt in der Blickrichtung eines höherliegenden Augen-
keiles, ein tiefergelegener Punkt (C) wird durch einen
entsprechend tieferliegenden Augenkeil aufgefangen und
zur Netzhaut geleitet (Abb. 75). Dies gilt nun für die
zahllosen Punkte, aus denen ein Gegenstand zusammen-
gesetzt gedacht werden kann. Jeder Augenkeil sticht
gleichsam ein winziges Teilchen, das in seiner Blickrich-
tung liegt, aus dem gesamten Gesichtsfeld heraus. Wie
aus der Abbildung unmittelbar hervorgeht, entsteht in
solcher Art kein verkehrtes Netzhautbild wie im Linsen-
auge, sondern ein aufrechtes. Dieser Gegensatz ist viel
besprochen worden. Er hat aber an sich keine wesentli-
che Bedeutung; er ergibt sich daraus, daß bei der Biene
der Inhalt des ganzen Gesichtsfeldes schon an der Augen-

123
oberfläche in ein Mosaik kleinster Bildteilchen zerlegt
wird, die durch die Augenkeile einzeln den Netzhaut-
stäbchen und von hier dem Gehirn zugeleitet werden;
dagegen entwirft bei unserem Auge die Linse ein einheit-
liches, verkehrtes Bild, das erst durch die Netzhaut-
stäbchen selbst in ein Mosaik zerlegt und dem Gehirn
weitergegeben wird. Da wie dort ist es Aufgabe des Ge-
hirns, die Mosaiksteinehen des Netzhautbildes zum gei-
stigen Gesamtbild zusammenzufügen.
Die Zeichnung Abb. 75 ist vergrößert und verein-
facht, um die Bildentstehung deutlich zu machen. Wie
zahlreich, wie zierlich und regelmäßig die Augenkeile in
Wirklichkeit aneinandergefügt sind, davon mag Abb. 76
eine Vorstellung geben. Sie zeigt einen Schnitt durch das
Auge einer Biene durch ein Mikroskop photographisch
aufgenommen.

Sehschärfe und Formensehen


der Bienen

Nun möchten wir natürlich wissen, wie scharf ein


Insektenauge, das in seinem Bau von unseren so grundle-
gend abweicht, die Gegenstände seiner Umgebung wohl
sehen mag. Es gibt verschiedene Wege, um hierfür einige
Anhaltspunkte zu gewinnen.
Am anschaulichsten ist stets die unmittelbare Be-
trachtung. Es ist gelungen, ein Bild, wie es die Augenkeile
eines Leuchtkäferehens auf seiner Netzhaut entstehen
lassen, zu beobachten und, durch ein Mikroskop ver-
größert, im Lichtbild festzuhalten (Abb. 78). Die Auf-
nahme zeigt uns den Ausblick aus einem Fenster, und
man erkennt das Fensterkreuz, den Buchstaben R, der
auf einer Scheibe aufgeklebt ist, und einen Kirchturm in
weiterer Ferne - all dies gesehen durch das Auge eines

124
Abb. 78. Ausblick aus einem Fenster,
gesehen durch das Auge eines Leucht-
käferchens: Mikrophotographie des
Netzhautbildes im Auge eines Leucht-
käferchens (120fach vergrößert).
Durch das Bogenfenster ist eine Kir-
che zu sehen. Auf einer Fensterscheibe
ist ein aus schwarzem Papier geschnit-
tener Buchstabe Raufgeklebt.

Leuchtkäferchens. Der Grund, warum gerade dieses klei-


ne Insekt zu dem Versuch verwendet wurde, ist, daß bei
ihm die Augenkeile vorne an der Hornhaut festgewach-
sen sind und daher nicht in Unordnung geraten, wenn
man das Auge mit einem feinen Messerchen abkappt. Es
gelingt so, die Gesamtheit der Augenkeile von der Netz-
haut zu trennen und das von ihnen entworfene Bild durch
ein Mikroskop zu betrachten oder zu photographieren.
Im Vergleich mit den Wahrnehmungen eines normalen
menschlichen Auges erscheint es reichlich verschwom-
men.
Zu einem ganz entsprechenden Ergebnis führt die
anatomische Untersuchung. Eine einfache Überlegung
zeigt, daß das Netzhautbild eines Insektenauges um so
mehr Einzelheiten aus dem Gesichtsfeld enthalten, also
um so schärfer sein kann, je mehr Augenkeile für dieses
Feld zur Verfügung stehen - genauso wie ein Mosaikbild
eine um so getreuere Nachbildung eines Gegenstandes
mit allen Einzelheiten gestattet, je zahlreicher die Mo-
saiksteinchen sind, die zu seiner Darstellung verwendet

125
---- -- -- _.. - - .. .1-----=

Abb. 79. Abhängigkeit der Sehschärfe des Insektenauges von der


Zahl der Augenkeile.

werden. In Abb. 79 können vom Auge a die drei Punkte


nicht getrennt wahrgenommen werden, da sie in den
Sehbereich eines einzigen Augenkeiles fallen. Das Auge b
kann sie gesondert wahrnehmen, da sie hier in getrennten
Augenkeilen abgebildet werden. Man sieht: Je kleinere
Winkel die Einzelaugen einschließen, desto besser wird
das räumliche Auflösungsvermögen sein. Beim Bienenau-
ge haben diese Winkel angenähert die Größe eines Bo-
gengrades. Zwei Punkte, die unter einem kleineren Win-
kel erscheinen, können daher nicht mehr voneinander
unterschieden werden. Ein scharfes Menschenauge ver-
mag noch zwei Punkte getrennt wahrzunehmen, die nur
im Abstand einer Bogenminute (= 1/60 Grad) zu sehen
sind. Die Sehschärfe der Bienen muß also um ein Viel fa -
ches schlechter sein als die unsere.
Wie sich das bei der Formwahrnehmung auswirkt,
darüber können wir die Bienen selbst um Auskunft bit-
ten. So hat sich in Dressurversuchen gezeigt, daß sie die
zwei Blumenformen der Abb. 80 leicht und mit großer
Sicherheit voneinander unterscheiden lernen. Doch ist ihr
Formensehen mit dem unseren sehr schwer vergleichbar.
Denn für sie ist neben der Gestalt einer Figur der Grad
ihrer Gliederung in Einzelelemente ein bedeutungsvolles

126
Abb. 80. Figuren, die von den Bie-
nen leicht und sicher unterschieden
':' ~
werden.

Merkmal, das weitgehend für die Wirksamkeit einer


Form bestimmend ist (Abb. 81). Die Blumen kommen
dem vielfach durch starke Aufgliederung ihrer Kronen
entgegen.
Das mag sonderbar klingen. Man wird es besser
verstehen, wenn man bedenkt, daß die Sehorgane der
Biene unbeweglich sind. Sie kann nicht die Augen rollen
und kann nicht den Blick auf einen Gegenstand richten,
der gerade ihr Interesse erweckt. Ihre 10 000 Äuglein

'.•• •••--280
190
2••
3


• .:.:.:
••••
••
••.
•••• •••••

• ••••••
360
.: .....
• • 560

.1 B:

115

.. Figurale Jnlensilä' " •

Abb. 81. Für die Unterscheidung verschiedener Muster ist für das
Bienenauge nicht - wie beim Menschen - die figurale Qualität,
sondern die figurale Intensität wichtig.

127
sind rechts und links starr am Kopf festgewachsen und
nach allen Richtungen gestellt (vgl. Abb. 75, S. 120). Im
Flug wechseln fortwährend und sehr rasch die Eindrücke,
welche die Einzelaugen von den vorüberziehenden Ge-
genständen empfangen.
Wenn wir in einem finsteren Raum eine rasche
Folge Lichtblitze aufleuchten lassen, so haben wir den
Eindruck von flimmerndem Licht. Folgen mehr als 20
Lichtblitze im Zeitraum einer Sekunde aufeinander, so
kann sie unser Auge nicht mehr getrennt wahrnehmen,
sie verschmelzen zum Eindruck dauernder Helligkeit.
Das macht sich ja das Filmtheater zunutze, indem es in
jeder Sekunde 22 bis 25 Einzelbildchen des Filmstreifens
aufeinander folgen läßt und hiermit unserem Auge eine
ununterbrochene Bewegung vortäuscht; wir bemerken
nicht, daß jeweils für den Bruchteil einer Sekunde Dun-
kelheit herrscht, während das Band von einem Bild zum
nächsten weiter transportiert wird. Gäbe es im Bienen-
staat ein Kino, so müßte der Apparat den Bienen mehr als
200 Einzelbildchen in jeder Sekunde vorführen, damit sie
sich nicht über »Flimmern« beklagen. Ihr Auge kann in
der gleichen Zeit etwa 10mal so viele Einzelheiten ge-
trennt wahrnehmen als unser Auge. Es ist dadurch zum
Sehen von Bewegungen besonders tauglich und glänzend
geeignet, die rasch wechselnden Eindrücke zu erfassen,
wenn ruhende Dinge beim Flug vor ihren Augen vorüber-
ziehen. Das geringe räumliche Auflösungsvermögen (s.
S. 126) wird durch ein hervorragendes zeitliches Auflö-
sungsvermögen ausgeglichen. Es ist daher verständlich,
daß sie nicht so sehr auf ruhige Formen und geschlossene
Flächen achten wie auf die Änderungen im Sehfeld, und
daß ihnen reich gegliederte Licht- und Farbmuster vor
allem einprägsam sind.

128
Die Wahrnehmung
von polarisiertem Licht
Die meisten Menschen wissen nichts von »polari-
siertem Licht«. Sie interessieren sich auch nicht dafür,
weil wir es ohne besondere Hilfsmittel nicht wahrneh-
men.
In der Schule haben wir gelernt, daß man das Licht
als eine Wellenbewegung auffassen kann, die sich mit
ungeheurer Geschwindigkeit durch den Raum fort-
pflanzt, daß hierbei die Schwingungen quer zur Fort-
pflanzungsrichtung der Lichtstrahlen vor sich gehen
(transversale Wellen), und daß im natürlichen Licht der
Sonne die Schwingungsebene eine beliebige sein kann
und fortwährend rasch und in ungeordneter Weise wech-
selt. In Abb. 82a versinnbildlicht der Punkt einen gerade
auf uns zukommenden Lichtstrahl, die Striche deuten
einige der vorkommenden und einander ablösenden
Schwingungsrichtungen an. Bei polarisiertem Licht sind
die Schwingungen in bestimmter Weise ausgerichtet und
liegen alle in einer Ebene (Abb. 82b).
Polarisiertes Licht ist in der Natur durchaus nichts
Seltenes. Sonnenlicht, das von einem Spiegel, von einer
Wasserfläche oder von der nassen Straße zurückgewor-
fen wird, ist teilweise (unter Umständen sogar vollstän-
dig) polarisiert; der blaue Himmel ist reich an polarisier-
tem Licht; wir bemerken es nicht, weil für unser Auge
zwischen natürlichem und polarisiertem Licht kein Un-

" 1/
t •
Abb. 82. Schema zur Erklärung des
Unterschiedes zwischen a natürli-
chem und b polarisiertem Licht (vgl.
~*---
/ I '....
l
I
I
I
JI I
Text). t

129
Abb. 83. Polarisationsfolien, an welchen die Schwingungsrich-
tung durch die Doppelpfeile angegeben ist, werden in verschiede-
ner Stellung zur Deckung gebracht. Zunehmende Auslöschung
des Lichtes.

terschied besteht. Für die Augen der Insekten und ande-


rer Gliederfüßer ist aber polarisiertes Licht etwas Beson-
deres. Sie können seine Schwingungsrichtung erkennen
und benützen das für ihre Orientierung im Raum (s.
S. 150). Das gilt auch für Bienen. An ihnen hat man diese
Fähigkeit entdeckt.
Man kann polarisiertes Licht künstlich herstellen,
z.B. mit einem Nikolschen Prisma. Auch werden große,
durchsichtige Folien angefertigt, die das durchfallende
Licht vollständig polarisieren. Mit solchen läßt sich leicht
feststellen, ob ein Licht, von dessen Beschaffenheit wir
nichts wissen, polarisiert ist, und gegebenenfalls wie seine
Schwingungsrichtung liegt. Das mag Abb. 83 anschau-
lich machen. Aus einer Polarisationsfolie wurden längli-
che Streifen so ausgeschnitten, daß die Schwingungsrich-
tung des durchgelassenen Lichtes den Längsseiten der
Rechtecke parallel steht. Wir können nicht unmittelbar
wahrnehmen, daß das Licht in dieser Weise, und daß es
überhaupt polarisiert ist. Wir bemerken davon auch
nichts, wenn wir vor das erste Filter ein zweites in glei-

130
MN\~
a

Abb. 84. a Polarisationsfolie mit Schnittmuster zur Herstellung


der Sternfolie, b Sternfolie. Die Doppelpfeile geben die Schwin-
gungsrichtung des polarisierten Lichtes an.

eher Lage bringen, weil bei dieser Stellung das in der


ersten Folie polarisierte Licht die zweite ungehindert pas-
sieren kann. Die überdeckte Stelle erscheint nur etwas
weniger durchsichtig, weil die Folien einen leichten Farb-
ton haben und ihrer zwei natürlich mehr Licht ver-
schlucken als eine. Drehen wir aber die Folien gegenein-
ander, so wird das Licht immer dunkler und völlig ausge-
löscht, sobald sie zueinander senkrecht stehen. Denn bei
gekreuzter Stellung ist die zweite Folie für die Schwin-
gungsrichtung, die in der ersten entsteht, undurchlässig;
bei schräger Stellung wird nur ein Teil des Lichtes durch
die zweite Folie durchgelassen; seine Intensität wird um
so mehr geschwächt, je stärker die Schwingungsrichtun-
gen der beiden Folien voneinander abweichen.
Eine etwas andere Anordnung nähert sich den Ver-
hältnissen, wie sie bei den Sinneszellen von Insektenau-
gen vorkommen: Wir schneiden aus einer Polarisations-
folie gleichschenklige Dreiecke aus, und zwar derart, daß
die Schwingungsrichtung des durchgelassenen Lichtes je-
weils der Basis des Dreieckes parallel ist, und ordnen sie
sternförmig an (Abb. 84). Blickt man durch diese Stern-
folie gegen eine helle Fläche, die natürliches Licht aussen-
det, so erscheinen alle Dreiecke gleich hell (Abb. 85a).
Blickt man aber gegen eine Fläche, von der polarisiertes

131
a b
Abb. 85. Blick durch die Sternfolie: a gegen eine helle Fläche, die
natürliches Licht aussendet, b gegen eine helle Fläche, von der po-
larisiertes Licht kommt, dessen Schwingungsrichtung durch den
Doppelpfeil angegeben ist.

Licht kommt, so ergeben die Dreiecke ein Helligkeitsrnu-


ster (Abb. 85b), das sich mit wechselnder Schwingungs-
richtung des einfallenden Lichtes in bezeichnender Weise
ändert und dessen Entstehung durch Abb. 83 erklärt ist.
Mit einem solchen Modell läßt sich die Schwingungsrich-
tung polarisierten Lichtes erkennen.
Wir haben auf S. 123 dargestellt, wie das von den
Einzelaugen aufgenommene Licht den Netzhautstäbchen
zugeleitet wird. Bei sehr starker Vergrößerung sieht man
bei der Biene in jedem Einzelauge 8 radiär angeordnete
Sinneszellen (Abb. 86). Jede hat ihr Sehstäbchen, wie es
in Abb. 87 schematisch eingetragen ist. Unsere Sternfolie
(Abb. 84) ist diesem Querschnitt nachgebildet. Sie schien
ein gutes Modell für die Polarisationswahrnehmung zu
sein. Denn das Elektronenmikroskop enthüllte bei
25 OOOfacher Vergrößerung in den Sehstäbchen von In-
sekten eine Feinstruktur von Röhrchen, die mit größter
Genauigkeit parallel ausgerichtet sind und senkrecht zur
Richtung des Lichteinfalls stehen (Abb. 87); in diesen
Röhrchen sind die Moleküle des lichtempfindlichen Seh-
farbstoffs orientiert eingelagert. Dank ihrer speziellen
Anordnung ließe sich die Wahrnehmung der Schwin-

132
,,
- linse ! ~~~

,,
Kr istall - /
kegel ./

-------- -,

i.- Sehze ll e

_
Rhabdom

A~on

Abb. 86. Einzelauge aus dem mittleren Augenbereich (vgl.


Abb. 75), sehr stark vergrößert. Querschnitt in verschiedener
Höhe, um die Vertwistung der einzelnen Sehzellen zu zeigen.
Rhabdom Sehstab (innerste lichtempfindliche Teil der Sinneszel-
len). Weitere Erklärung im Text.

gungsrichtung polarisierten Lichtes erklären. Am wirk-


samsten absorbiert eine Sehzellle polarisiertes Licht, das
parallel zur Richtung des Röhrchens schwingt. So kann
bei sternförmiger Anordnung der Sinneszellen ein typi-
sches Helligkeitsmuster entstehen (Abb. 85b) und die
Analyse der Schwingungsrichtung vermitteln.

133
Abb. 87. a Ausgeschnittenes Querscheibchen aus den Sinneszel-
len entsprechend Abb. 86b, um die Feinstruktur der Sehstäbchen
zu zeigen; eine von den Sinneszellen ist bis auf ihr Sehstäbchen
entfernt. b Ausschnitt aus einem Sehstäbchen, noch stärker ver-
größert (87b nach Goldsmith u. Philpott).

Aber haben denn Bienen die Gelegenheit, eine sol-


che Fähigkeit nützlich anzuwenden? In ihrem finsteren
Heimatstock natürlich nicht. Aber beim Flug im Freien,
wenn sich i,iber ihnen der blaue Himmel wölbt, muß sich
für Augen, die imstande sind, es wahrzunehmen, ein
einzigartiges Himmelsmuster von strenger Ordnung bie-
ten. Denn das Licht, das vom blauen Himmel kommt, ist
zum großen Teil polarisiert. Der Prozentsatz polarisier-
ten Lichtes und seine Schwingungsrichtung sind über den
Himmel hin von Ort zu Ort verschieden (Abb. 88), und
sie ändern sich an derselben Stelle mit der Tageszeit, weil
sie mit dem Sonnenstand in gesetzmäßiger Beziehung
stehen(Abb. 89). Wenn man eine Sternfolie (Abb. 84 r.)
drehbar und kippbar montiert (Abb. 90) und durch sie
den blauen Himmel betrachtet, erhält man ein anschauli-
ches Bild von den Mustern, die in ihrer Anordnung und
Intensität für jede Himmelsstelle zu gegebener Zeit be-
zeichnend sind (Abb. 91).
Hier müssen wir aber zwei Fragen stellen: Erstens:
Ist es sicher, daß Insekten das polarisierte Licht wahrneh-
men und zu ihrer Orientierung benützen können? Die
Antwort ist: ja. Der Nachwies ist einfach. Um ihn zu

134
N

s
Abb. 88. Die Schwingungsrichtung des polarisierten Lichtes
(Doppelpfeile) am blauen Himmelsgewölbe. Die Sonne steht süd-
östlich 30° über dem Horizont. Zahlen: Polarisation des Lichtes
in Prozent. Die punktierten Linien verbinden Stellen gleichen Po-
larisa tionsgrades.

135
Abb. 89. Eine Biene blickt von der Erde aus (aus dem Feld n auf
das blaue Himmelsgewölbe. Richtung und Intensität der Polarisa-
tion (in Doppelpfeilen dargestellt) erscheinen als typisches Polari-
sationsmuster, das um die Sonne angeordnet ist. S Sonne, Ms
Sonnenmeridian, A Großkreis durch die Sonne, Ha Höhenkreis.

verstehen, muß man aber die »Tänze« der Bienen ken-


nen. Wir bringen ihn darum erst auf S. 207ff.
Zweitens: Gilt für den Mechanismus der Wahrneh-
mung polarisierten Lichtes unser Modell der achtstrahli-
gen Sternfolie, das unseren Augen über die Verteilung der
Schwingungsmuster am Himmel so rasch und sicher Aus-
kunft gibt? Die Antwort ist: nein. Das Modell gibt zwar
grundsätzlich die richtige Erklärung, ist aber in anderer
Weise verwirklicht. Weitere Untersuchungen führten zu-
nächst zu der Erkenntnis, daß bei den Bienen in je zwei
benachbarten Sinneszellen der Einzelaugen jene feinen
Röhrchen mit dem Sehstoff, die Mikrovilli, gleich ausge-
richtet sind (Abb. 92). Unsere Sternfolie müßte also vier-
strahlig sein und nicht achtstrahlig, um die Verhältnisse
richtig wiederzugeben. Da die Mikrovilli in einander ge-

136
Abb. 90. Die Sternfolie ist in einem Metallrahmen so montiert,
daß sie gegen jede Himmelsrichtung und auf jede Höhe eingestellt
werden kann. Himmelsrichtung und Neigung lassen sich an zwei
Teilkreisen ablesen.

genüberstehenden Sinneszellen gleich ausgerichtet sind,


stünden bei achtstrahliger Anordnung vier, bei der vier-
strahligen Anordnung aber nur zwei (zueinander senk-
rechte) Gruppen der Mikrovilli für die Analyse zur Ver-
fügung. Die Konsequenzen brauchen wir nicht zu disku-
tieren. Es muß allerdings, um alle Leistungen der Bienen
zu erklären, noch eine weitere Orientierungshilfe für sie
angenommen werden. Erfolgvetsprechende Untersu-
chungen darüber sind lebhaft im Gange, doch ist hier die
letzte Entscheidung noch nicht gefallen.
In den vergangenen 15 Jahren - seit der letzten
Auflage dieses Büchleins - haben unsere Bienenforscher,

137
,Yo,ti 'Yo,dosl O!I Siidosl

Abb. 91. Aufnahmen des blauen Himmels durch die Sternfolie,


45° über dem Horizont, in Abständen von je 20° von Nord bis
50° süd!. v. Ost. Bei München, 11. 9. 1964, 15.03 Uhr bis 15.11
Uhr.

allen voran R. Wehner in Zürich, die noch offenen Fra-


gen in einer geradezu abenteuerlichen Detektivarbeit klä-
ren können. Eine spezialisierte Augenregion am obersten
Augenrand mit ihren nachgeschalteten Nervenzentren
leistet die ganze Arbeit. Wird sie überlackiert, können die
Bienen das Polarisationsmuster am Himmel nicht mehr
erkennen. Während im übrigen Teil des Auges die Sehzel-
len vertwistet, d. h. um ihre Längsachse verdreht und
damit für polarisiertes Licht unempfindlich sind, liegen
sie in der oberen Spezialregion des Auges gestreckt vor.
Dieses anatomische Merkmal stellt sicher, daß jede Seh-
zelle der Spezialregion einen hochempfindlichen Detek-
tor für polarisiertes Himmelslicht bildet: jeder dieser De-
tektoren ist für eine ganz bestimmte Polarisationsrich-
tung am Himmel maximal empfindlich. Das
Gesamtmuster der Detektoren in der spezialisierten Au-

138
1/1 000 mm
Abb. 92. Querschnitt durch den Sehstab im Einzelauge einer Bie-
ne. Von den acht Sinneszellen (1-8) sind nur die innersten Teile
mit den Sehstäbchen sichtbar. Von diesen sind je zwei benachbar-
te miteinander verschmolzen, ihre feinen Röhrchen (als Streifung
erkennbar) gleich ausgerichtet. Elektronenmikroskopische Auf-
nahme, 29 OOOfache Vergrößerung.

genregion - der polarisationsempfindlichen POL-Region


- ähnelt in seinen geometrischen Eigenschaften dem Pola-
risationsmuster des Himmels. Die POL-Regionen beider
Augen dienen gewissermaßen als Polarisationsbrille,
durch die die Biene das Muster am Himmel betrachtet.
Bevor wir danach fragen, wie diese Polarisations-
brille als Kompaß funktioniert, sei noch eine weitere
Eigenschaft der einzelnen Detektoren nachgetragen. Sie
alle sind nur für ultraviolettes (UV) Licht empfindlich.
Daß die Evolution gerade UV-Zellen für die Wahrneh-
mung polarisierten Lichts entwickelt hat, ist physikalisch

139
sinnvoll;denn nur Himmelslicht, nicht aber das von der
Erde reflektierte Licht wnthält großflächig ultraviolette
Anteile.
Zur Funktion der Brille. Wenn die Biene mit ihrer
Längsachse parallel zum Sonnenmeridian (der Senkrech-
ten vom Zenit durch die Sonne auf den Horizont) ausge-
richtet ist, zeigt die Polarisationsbrille mit dem Muster
ihrer Detektoren die bestmögliche Übereinstimmung mit
dem Polarisationsmuster des Himmels. Die Brille wird
dann maximal gereizt, und die der Brille nachgeschalte-
ten Riesennervenzellen feuern maximal. Dreht sich die
Biene um einen bestimmten Winkelbetrag aus dieser ma-
ximalen Einstellung heraus, sinkt die Güte der Deckung
zwischen dem Muster der Detektoren und dem Muster
der Polarisationsrichungen am Himmel deutlich, und die
Nervenzellen hinter der Brille vermindern ihre Impulsra-
te. Sehr vereinfacht ausgedrückt, ist also jeder Kom-
paßrichtung ein bestimmter Erregungswert der Polarisa-
tionsbrille und ihrer nachfolgenden Nervenzellen zuge-
ordnet.
Durch Drehen um ihre Hochachse kann das Tier
also das Himmelsmuster »abscannen« und aus dem je-
weiligen Erregungswert der »Kompaßneuronen « die je-
weilige Himmelsrichtung bestimmen (in der Fachsprache
heißt das »Scanning-Methode«.
Um auch bei verdeckter Sonne den Winkel zwi-
schen Sonnenstand und Zielrichtung auszumachen, muß
der freie blaue Himmelsfleck mindestens eine Fläche von
über 10 0 sichtbar machen; ein kleinerer Ausschnitt würde
das gleiche Polarisationsmuster an einer anderen Him-
melsstelle, nämlich 180 0 gegenüber zeigen. An Hand von
bekannten Geländemarken könnte sich die Biene selber
durchaus zum Ziel hin orientieren, aber da sie hernach
im Stock bei ihren Tänzen den Winkel zwischen Sonne
und Ziel ins Schwerefeld transportieren muß, wären auch

140
unter diesen Umstnden ihre Richtungsangaben zweideu-
tig.
So ist im Bienenauge zur Analyse des polarisierten
Lichtes eine Apparatur von staunenswerter Vollkom-
menheit entwickelt.

141
10 Das Orientierungsvermögen

Wir stehen vor einem großen Bienenhaus. Zwanzig


Völker sind nebeneinander untergebracht, ein Stock sieht
aus wie der andere. Tausende von Arbeitsbienen fliegen
auf Tracht aus, pfeilschnell sausen sie davon, und die
Heimkehrenden sieht man zielsicher und ohne Zaudern
auf ihren Mutterstock zufliegen und im Flugspalt ver-
schwinden. Wir fangen eine Biene ab, die eben nach
Hause will, zeichnen sie durch einen Farbfleck, sperren
sie in ein kleines Kästchen und lassen sie 2 km vom
Bienenhaus entfernt fliegen. Ein Beobachter bleibt bei
den Stöcken zurück - und berichtet uns, daß die gezeich-
nete Biene in ihren Stock geflogen ist, wenige Minuten,
nachdem wir ihr die Freiheit wiedergegeben haben.
Man ist versucht, an eine unbekannte Kraft zu
denken, die über kilometerweite Strecken die Bienen so
sicher in ihren Heimatstock leitet. Aber eine junge Biene,
die noch als Brutamme Dienst macht und den Stock noch
nie verlassen hat, findet nicht heim, auch wenn wir sie
nur 50 m weit wegtragen und dort in Freiheit setzen. Sie
muß erst die Umgebung kennengelernt haben. Das ge-
schieht, sobald sie um ihren 10. Lebenstag den ersten
Ausflug macht (vgl. S. 68). Er dauert kaum 6 Minuten
und gilt ausschließlich dem Zweck, die Lage des Hei-
matstockes und seiner Umgebung zu erkunden. Bienen

142
sind geschwind. Sie brauchen nur 2 Minuten, um 1 km
weit zu fliegen. Und sie sind bei ihrem Orientierungsflug
sehr aufmerksam. Denn wenn man sie nach einem einzi-
gen Ausflug abfängt und irgendwo in der Umgebung
freiläßt, finden viele nun schon aus Abständen von meh-
reren hundert Metern nach Hause. Auf den ersten Orien-
tierungsflug folgen einige weitere, und so kennen sie bald
ihren ganzen Flugbereich, der mehrere Kilometer nach
allen Richtungen umfassen kann. An noch entlegenere
Punkte versetzt, finden auch die alten Trachtbienen nicht
zurück. Die Lage des Heimatstockes muß also erlernt
werden, so wie wir uns etwa in einer fremden Stadt beim
Verlassen unseres Gasthofes gut umsehen müssen, um
ihn wiederzufinden.
Ein weiterer Umstand paßt gleichfalls zu den Erfah-
rungen über unsere eigene Orientierungsgabe: Auch Bie-
nen können sich verirren. Wie oft es vorkommen mag,
daß solche, die noch mangelhaft orientiert sind, ihr Bie-
nenhaus überhaupt nicht wiederfinden und draußen zu-
grunde gehen, das wissen wir nicht. Aber daß sie an
einem großen Bienenhaus, dessen Stöcke ähnlich ausse-
hen, sehr oft in einen falschen Stock fliegen, das wissen
wir bestimmt. Es gibt ein einfaches Mittel, um sich davon
zu überzeugen. Wir öffnen einen Stock und zeichnen
einige hundert Insassen durch weiße Farbtupfen. Nach
wenigen Tagen kann man weißgezeichnete Tiere auch in
Nachbarstöcken und sogar noch bei recht abseits liegen-
den Völkern des Bienenhauses aus- und einfliegen sehen.
Manchen Imkern ist das bekannt und keineswegs
erwünscht. Denn nicht immer lassen die Wächter fremde
Bienen, die sie am Geruch als solche erkennen, unbehel-
ligt einziehen. Oft kommt es am Flugloch zur Beißerei
und Stecherei, es gibt tote Bienen, und es gibt zum minde-
sten verlorene Zeit, die der Imker lieber auf Honigsam-
mein verwendet sehen möchte. Ganz schlimm ist es aber,

143
wenn eine Königin bei der Rückkehr vom Hochzeitsflug
den eigenen Stock mit einem fremden verwechselt. Es ist
ihr sicherer Tod, und ihr ganzes Volk ist dem Untergang
verfallen, wenn es nicht gelingt, rasch eine Ersatzkönigin
zu schaffen.
Es ist darum ein alter Brauch vieler Bienenzüchter,
die Vorderfront der Stöcke in verschiedenen Farben an-
zustreichen, um so den Bienen das Wiedererkennen ihrer
Wohnung zu erleichtern. Das kann aber zu einem Mißer-
folg führen, wenn man mit den Augen des Menschen die
Farben auswählt, die für die Augen der Bienen bestimmt
sind. Stellt der Bienenzüchter einen gelben, grünen und
orangeroten Stock nebeneinander oder einen roten neben
einen schwarzen, dann kann er keinen Erfolg sehen, denn
für die Bienen sind solche Farben ähnlich oder gleich.

Die Bedeutung von Farbe


und Duft als Wegweiser
für die heimkehrenden Bienen
In welchem Maße bei zweckmäßiger Farbenwahl
dieses Erkennungszeichen des Heimatstockes zur Orien-
tierung verwertet wird, kann man durch einfache Versu-
che erfahren:
Ein großes Bienenhaus, dessen Stöcke alle das glei-
che Aussehen haben, ist hierzu geeignet. An einer Stelle
desselben sind nebeneinander einige leere Bienenwoh-
nungen untergebracht. Die Vorderwand einer solchen
behängen wir mit einem großen blauen Blechschild und
legen ein ebenso blaues Blech auf das Anflugbrettehen
(Abb. 93a, Stock Nr. 4). Den rechten Nachbarstock,
Nr. 5, versehen wir in gleicher Weise mit gelben Verklei-
dungen, der linke Nachbarstock (Nr. 3) bleibt unverklei-
det und zeigt einen weißen Anstrich, mit dem alle Kästen

144
a

b
Abb. 93 a,b. Nachweis, daß die Bienen die Farbe ihres Stockes
zur Orientierung benutzen. a Die normale Anordnung, an welche
die Bienen gewohnt sind. Stock Nr. 4 ist bevölkert und blau mar-
kiert, Nr. 5 ist leer und gelb markiert, Nr. 2 und 3 ohne Marken
(weiß) und leer. Die Blechmarken sind auf der Rückseite mit der
Gegenfarbe gestrichen. b Stock Nr. 4 wurde durch Umdrehen der
Marken gelb gemacht, die Marken von Nr. 5 wurden umgedreht
(blau) an Stock Nr. 3 angebracht. Alle heimkehrenden Bienen zie-
hen in den unbewohnten, jetzt blauen Stock Nr. 3 ein.

dieses Bienenstandes ausgestattet sind. Dann geben wir in


den blauen Stock ein Bienenvolk und warten einige Tage.
Blau, Gelb und Weiß kann das Bienenauge gut unter-
scheiden. Benützen die ausfliegenden Bienen die gebotene
blaue Farbe, um ihren Heimatstock zu erkennen, so kann
man erwarten, daß sie sich durch Vertauschen der Blech-
schilder in den falschen Stock verleiten lassen. Eine Vor-
sichtsmaßregel ist dabei zu beachten. Auf die blauen
Blechschilder des bewohnten Stockes, besonders auf das
kleine Blech des Anflugbrettchens, haben sich in diesen

145
Tagen zahllose Bienen gesetzt, als sie den Stock verließen
und als sie wiederkamen. Die Bleche haben daher einen
Bienengeruch angenommen, der auch für die menschliche
Nase deutlich wahrnehmbar ist. Würden wir die blauen
Bleche an den Nachbarstock geben und würden nun die
Bienen in den unbewohnten Stock fliegen, so wüßten wir
nicht, ob sie sich nach der blauen Farbe oder nach dem
Geruch der Bleche richten. Das haben wir uns schon
vorher überlegt, und wir haben darum die blauen Bleche
auf der Rückseite gelb, die gelben auf der Rückseite blau
gestrichen. Nun brauchen wir sie nicht auszutauschen,
sondern nur umzudrehen, um die Farbe zu ändern. Da
die anfliegenden Bienen auch auf die Nachbarstöcke ach-
ten, machen wir es so, daß die Lagebeziehung zu den
Nachbarfarben unverändert bleibt: Am bewohnten Stock
Nr. 4 drehen wir die Bleche um und verwandeln dadurch
seine blaue Farbe in Gelb. Die Bleche des rechten Nach-
barstockes nehmen wir ab und bringen sie umgedreht an
den linken Nachbarstock, der somit blau erscheint. Jetzt
bleibt die Farbenfolge erhalten, es steht links vom blauen
Stock ein weißer, rechts ein gelber, wie es die Bienen
gewohnt sind. Der Erfolg ist verblüffend: Der ganze
Schwall heimkehrender Bienen, der sich in der kurzen
Zeit, die zum Umhängen der Bleche erforderlich war, vor
dem Bienenhaus angesammelt hat, zieht, ohne einen Au-
genblick zu zögern, in den falschen Stock ein, durch die
blaue Farbe verführt, und so bleibt es auch in den folgen-
den Minuten (Abb. 93b); alle abfliegenden Bienen kom-
men aus dem gelben, alle heimkehrenden fliegen in den
blauen Kasten.
Es geht daraus klar hervor, welch entscheidender
Einfluß einem zweckentsprechenden farbigen Anstrich
für die Orientierung am Bienenstand zukommt. Was der
Versuch lehrt, bestätigt sich im großen. Streicht man auf
einem Bienenstand die Kästen in solchen Farben, daß sie

146
für das Bienenauge gut unterscheidbar sind, dann kommt
es nur mehr selten vor, daß eine Biene sich verirrt. Zeich-
net man wieder einige hundert Bewohner eines Stockes
mit Farbtupfen, so sieht man sie Tage und Wochen hin-
durch ausschließlich an ihrem Heimatstock verkehren.
Und entsprechend leicht fällt es auch der Königin, sich
beim Hochzeitsflug und bei den vorangehenden Orientie-
rungsflügen zurechtzufinden. Auf dem großen und mu-
stergültigen Bienenstand des oberbayerischen Klosters
St. Ottilien haben die Patres vom Jahr 1920 an über alle
Königinnen gewissenhaft Buch geführt. 1920 und 1921
waren die Bienenstöcke noch nicht farbig gestrichen. In
diesen beiden Jahren gingen von 21 jungen Königinnen
16 verloren. Nun wurden alle Bienenstöcke in zweck-
mäßiger, d.h. in einer dem Farbensinn der Bienen ent-
sprechenden Weise mit Farbanstrichen versehen. In den
darauffolgenden fünf Jahren kamen von 42 Jungkönigin-
nen nur mehr 3 zu Verlust.
Wenn der Imker diese Kenntnisse praktisch anwen-
den will, muß er folgendes beachten: Für die Bienen gut
unterscheidbar sind z.B. Blau, Gelb, Schwarz und Weiß.
Er muß sich auf gut unterscheidbare Farben beschränken
und muß dafür sorgen, daß zwischen zwei gleichfarbigen
Stöcken derselben Kastenreihe mindestens zwei anders-
farbige Stöcke stehen. Wo derselbe Anstrich wiederkehrt,
muß man vermeiden, daß sich auch die Farben des linken
und rechten Nachbarstockes in gleicher Anordnung wie-
derholen. Denn auch die Nachbarfarben und ihre Lage
zum Heimatstock sind Orientierungsmarken für die Bie-
nen (Abb. 94). Es ist unzweckmäßig, nur die Anflugbrett-
ehen zu streichen, vielmehr soll die ganze Vorderwand
der Bienenkästen farbig sein. Beachtet man die Bedeu-
tung des ultravioletten Lichts für den Farbensinn der
Bienen (S. 105ff.), so läßt sich die Zahl der für sie gut
unterscheidbaren Anstrichfarben von 4 auf 6 erhöhen.

147
·.
Abb. 94. Muster für zweckmäßige Farbenwahl und Farben-
anordnung, um den Bienen das Auffinden ihres Heimatstockes so
leicht wie möglich zu machen. Statt Schwarz kann auch Schar-
lachrot gewählt werden, das den Bienen schwarz erscheint.

Sachtolithweiß wirft das für uns unsichtbare Ultraviolett


zurück, ist also auch für Bienen weiß, während es von
Zinkweiß verschluckt wird; gen au wie die weißen Blu-
menfarben (S. 107) ist dieses daher für die Bienen blau-
grün. Kobaltblau 660 3 reflektiert auch Ultraviolett und
ist daher »bienenviolett«, während Echtlichtblau 821
RTLA3 auch für Bienen rein blau ist. Als Gelb ist Echt-
gelb 51 PN3 zu empfehlen. Benützt man Rot, so muß es
ein reines Rot sein, nicht rotgelb oder rotblau, und man
darf es statt Schwarz, aber nicht neben ihm verwenden,
weil für die Bienen Schwarz und Rot gleich aussehen.
Wer sich an diese Regeln hält, erleichtert den Bienen das
Heimfinden in ihre Wohnungen, soweit es nach unserem
Wissen möglich ist.

3 Pigment der Fa. BASF Farben + Fasern AG Unternehmens be-


reich Siegle, Postfach 300 620, 7000 Stuttgart 30 (Feuerbach),
Vertrieb über die Firma Si mon & Werner GmbH & Co. KG,
Postfach 22,6231 SchwalbachfTs.

148
Die Farbe ist nicht das einzige Orientierungsmerk-
mal für die Bienen. An unbemalten Bienenständen rich-
ten sie sich nach dem Abstand ihres Fluglochs von der
nächsten Ecke des Bienenhauses oder nach anderen opti-
schen Marken. So wird ihre optische Orientierung noch
wesentlich unterstützt, wenn man neben den Farbtafeln
schwarze Muster anbringt, z. B. eine Sternfigur, einen
Ring, ein Schachbrettmuster usw. Von großer Wichtig-
keit ist auch der Geruch, den die Arbeitsbienen in ihrem
Duftorgan erzeugen und dessen Bedeutung für die Ver-
ständigung über den Ort einer reichen Trachtquelle wir
noch kennenlernen (vgl. S. 179f.). Auch am Heimatstock
machen die Bienen von diesem Duftorgan auffälligen
Gebrauch, sobald eine Markierung ihrer Wohnung be-
sonders wichtig ist: so an den ersten Flugtagen im zeiti-
gen Frühjahr, wenn die Erinnerungsbilder über die Lage
des Stockes durch die lange Winterruhe verblaßt sind,
oder nach dem Einzug eines Schwarmes in sein neues
Heim. Im Flugspalt und auf den Anflugbrettchen sieht
man sie dann sitzen, den Kopf zum Flugloch gewandt,
den Hinterleib aufwärts gerichtet - so stülpen sie ihre
Duftfalte aus und fächeln mit schwirrender Flügelbewe-
gung den ankommenden Kameraden ihren Duft entgegen
(Abb. 95). Der Imker sagt, die Bienen »sterzeln«. Der
Sterzelduft ist bei verschiedenen Völkern derselbe, er sagt
also nur: »Hier sind Bienen« und nicht: »Hier ist dein
Volk«. Er war gewiß nützlicher bei der alten Siedlungs-
weise der Bienen, zerstreut in hohlen Bäumen des Wal-
des, als an den bei uns üblichen Bienenständen, wo die
Völker so unnatürlich zusammengepfercht sind wie die
Wohnungen der Menschen in einer Großstadt. Da kön-
nen sie sich nur - von optischen Marken abgesehen -
nach dem zwar schwächeren, aber spezifischen Geruch
ihres Stockes selbst vergewissern, ob sie an der rechten
Pforte sind. Wie schon auf Seite 70 erwähnt, hat dieser

149
Abb.95. »Sterzelnde« Bienen: In der Umgebung des Flugloches
sitzende Bienen markieren diese Stelle durch den Geruch ihres
ausgestülpten Duftorganes. Durch Flügelfächeln werfen sie den
heimkehrenden Stockgenossen den Duft entgegen.

Stockgeruch durch den eingetragenen Nektar und Pollen


vor allem durch die genetische Komponente von seiten
der Königin sein eigenes Gepräge, so etwa wie jede
menschliche Behausung für eine aufmerksame Nase.

Der Himmelskompaß
Die Wikinger kannten keinen Kompaß. Sie richte-
ten sich bei weiten Fahrten über den Ozean nach Sonne,
Mond und Sternen.
Man kann die Gestirne in zweifacher Weise zur
Orientierung benützen, je nachdem, ob es nur um eine
kurze Zeitspanne geht oder um eine längere Reise. Neh-
men wir an, wir wären in einer uns unbekannten Gegend
zu Gast in einem einsamen Landheim und wollen ein
anderes Haus aufsuchen, das 1/4 Wegstunde entfernt und

150
Abb. 96. Spiegelver-
such zum Nachweis der
Orientierung nach der
Sonne bei Ameisen. Ge- .,
jllllllill ~
IV
4.
strichelte Linie: Weg
c_ ~
-' 1I

der Ameise, während


sie die Sonne im Spiegel
sieht. N Nest (Santschi). J'pie!le/

von unserem Standort in der unebenen Landschaft nicht


sichtbar ist. Man zeigt uns die Richtung. Wenn wir sie
nicht verlieren wollen, brauchen wir nur darauf zu ach-
ten, daß wir bei der kurzen Wanderung stets die gleiche
Stellung zur Sonne beibehalten - dann bewegen wir uns
auf gerader Linie. Das ist ein Verfahren, das von Tieren
vielfach benützt wird. Man hat es zuerst bei manchen
Ameisen beobachtet. Wenn eine solche von ihrem Nest
aus eine Erkundungsreise unternimmt, bewegt sie sich in
bestimmtem Winkel zum Sonnenstand und infolgedessen
geradlinig. Um zurückzufinden, nimmt sie die spiegel-
bildliche Stellung zur Sonne ein. Daß sie wirklich nach
dem Himmelsgestirn durch die Gegend steuert, ergibt
sich aus einem ebenso einfachen wie überzeugenden Ver-
such: Wenn man die heimkehrende Ameise durch einen
Schirm beschattet und ihr gleichzeitig in einem Spiegel die
Sonne von der entgegengesetzten Seite zeigt, so ändert sie
augenblicklich die Richtung und schlägt den verkehrten
Weg ein (Abb. 96).
Für eine längere Wanderung ist diese Methode
nicht brauchbar, weil ja Sonne, Mond und Sterne ihre
Stellung ändern. Hätten die Wikinger nicht gewußt, daß
die Sonne am Morgen im Osten, mittags im Süden und

151
a

b
Abb. 97. a Die Umgebung des Bienenstockes im Versetzungsver-
such. Blick vom westlich gelegenen Futtertischchen (F) nach
Osten. Der Stock steht hinter Bäumen und Häusern, die große
Linde in der Mitte des Bildes liegt auf halbem Wege der flug-
strecke. b Die Umgebung des Bienenstockes im Versetzungsver-
such. Blick vom westlichen Futtertischchen (F) gegen den Stock
nach seiner Versetzung. Er steht inmitten einer freien Wiesenflä-
che hinter den beiden Gestalten, die sich im Bild rechts hell gegen
den dunklen Wald abheben.

152
abends im Westen steht, so wären sie auf hoher See im
Kreis gefahren. Es ist eine wahrhaft erstaunliche Sache,
daß auch Bienen die Sonne als zuverlässigen Kompaß zu
brauchen verstehen, indem sie ihren Standort beachten
und gleichzeitig die Tageszeit in Rechnung stellen. Sie
besitzen zwar keine Uhr, aber einen Zeitsinn, von dessen
Leistungsfähigkeit noch zu berichten sem wird
(S.228ff.).
Daß die Bienen wirklich in dieser Weise vom Son-
nenstand Gebrauch machen, ergibt sich zwingend aus
folgendem Versuch: Wir legen einen Futterplatz an, der
von unserem Beobachtungsstock in westlicher Richtung
200 m entfernt ist, und füttern daselbst 2 bis 3 Dutzend
numerierte Bienen von früh bis abends mit Zuckerwas-
ser. Der Unterlage ist ein wenig Duft (z.B. Lavendelöl)
beigegeben. Nach einigen Tagen verschließen wir früh-
morgens den Stock und versetzen ihn in eine viele Kilo-
meter weit entfernte, andersartige Landschaft. Je 200 m
vom Aufstellungsort entfernt nach Westen, Osten, Nor-
den und Süden werden 4 gleichartige Futtertischchen mit
Zuckerwasser und Lavendelduft aufgestellt. Bei jedem
sitzt ein Beobachter, der jede Biene, die sich am Schälchen
niederläßt, sofort abfängt. Die veränderte Gegend bietet
dem Auge keine brauchbaren Wegmarken, um die ge-
wohnte Himmelsrichtung zu erkennen (vgl. Abb. 97a
und b). Auch der Stock selbst bietet keine Anhaltspunkte,
denn wir haben ihm eine andere Orientierung gegeben,
und das früher nach Osten gerichtete Flugloch weist nun
nach Süden. Trotzdem stellen sich alsbald einige von
unseren numerierten Bienen und allmählich die große
Mehrzahl von ihnen am Beobachtungsplatz im Westen
ein, während sich nur wenige von ihnen zu den Futter-
plätzen verirren, die nach den drei anderen Himmelsrich-
tungen liegen. Sie müssen sich an den Sonnenstand gehal-
ten haben, als sie auf der Suche nach der erprobten

153
a

b
Abb.98. Ein anderer Versetzungsversuch. aDer Beobachtungs-
stock (St) vor der Versetzung. F der Futterplatz 180 m vom Stock.
b Der Bienenstock nach der Versetzung. 4 Futtertischchen in den
4 Himmelsrichtungen.

Gaststätte auch in der fremden Landschaft die gewohnte


Richtung einschlugen. Aber bei ihren letzten Sammelflü-
gen am Abend vorher war die Sonne im Westen zu sehen,
zur Zeit des Versuches stand sie am Osthimmel. Also
haben die Bienen ihren Tageslauf in Rechnung gestellt.
Man muß sie gar nicht tagelang an einen Futter-
platz gewöhnen, damit ein solches Experiment gelingt.
Ein Beobachtungsstock wurde an einem schönen Som-
mertag auf dem Land aufgestellt und erst mittags das
Flugloch geöffnet. Von 3 bis 4 Uhr nachmittags wurden
an einem nordwestlich vom Stock in 180 m Abstand
angelegten Futterplatz 42 Bienen numeriert und bis
8 Uhr abends daselbst gefüttert (Abb. 98a). Als dieses
Bienenvolk am nächsten Morgen zu neuem Flug erwach-
te, stand es von diesem Platz 23 km entfernt am Ufer
eines Baggersees in ganz anderer Landschaft. Und doch
kamen von den am Nachmittag gezeichneten und gefüt-
terten Bienen nun am Vormittag 15 an den westlichen
Futterplatz, je 2 an den nördlichen und südlichen und
keine an den östlichen (Abb. 98b). Die meisten stellten

154
sich schon am Morgen zwischen 7 und 8 Uhr ein. Sie
müssen also nicht erst die Erfahrung machen, daß sie
beim Fluge zu ihrem westlichen Futterplatz die Sonne
früh hinter sich und abends vor sich haben. Sie sind mit
der Stellung der Sonne zu jeder Stunde des Tages soweit
vertraut, daß sie die Richtung zum Futterplatz, die sie
sich abends nach dem Himmelskompaß eingeprägt ha-
ben, auch nach dem anderen morgendlichen Sonnen-
stand wiederfinden.
Ist ihnen dieses »Wissen« angeboren? Beruht das
Steuern nach dem Sonnenstand auf einer Jahrmillionen
alten, im Erbgut verankerten Tradition des Bienenge-
schlechtes? Nein - und ja:
Man kann die Bienen selbst dafür befragen. Wenn
man Jungbienen in einem Kellerraum hält, wo sie keine
Möglichkeit haben, den Sonnenstand zu beobachten, sie
dann ins Freie bringt, sogleich auf eine Himmelsrichtung
dressiert und am folgenden Tag in eine fremde Gegend
versetzt, so versagen sie und erweisen sich außerstande,
die andressierte Himmelsrichtung wiederzufinden. Sie
sind zu dieser Leistung erst befähigt, nachdem sie durch
mehrere Tage in freiem Flug den täglichen Sonnen lauf
kennengelernt haben. Das ist sehr weise eingerichtet.
Denn die Sonnenbahn ändert sich mit der Jahreszeit.
Auch bleibt sie in verschiedener geographischer Lage
nicht dieselbe. Beschwingte Wesen können sich verhält-
nismäßig rasch auf der Erde verbreiten. Da wäre eine
starre, erblich festgelegte Bindung an das für einen Ort
der Erde gültige Schema ungünstig. Gar wo der Mensch
heute seine Honiglieferanten mit leichter Hand von ei-
nem Erdteil nach einem anderen verfrachtet, müßte eine
heillose Verwirrung entstehen. Darum kann auch der
Imker zufrieden sein, daß jede Biene in ihren jungen
Tagen den Sonnenlauf nach den örtlich gegebenen Ver-
hältnissen erlernen muß.

155
Nun ist aber sehr merkwürdig, daß sich die kleinen
Astronomen dabei ganz hervorragend begabt zeigen und
die folgende schwierige Prüfung bestehen: Ein Bienen-
volk wird vormittags stets im Keller gehalten und darf
mehrere Tage lang nur nachmittags im Freien fliegen. Die
Jungbienen können nur den nachmittägigen Sonnenlauf
beobachten. Dann werden sie in einer fremden Gegend
am Nachmittag auf eine Kompaßrichtung dressiert und
am nächsten Morgen abermals in eine andere Landschaft
versetzt. Sie fliegen nach der andressierten Himmelsrich-
tung. Sie haben allein aus dem nachmittägigen Sonnentag
den vollen Tageslauf der Sonne erfaßt. Da Bienen sich in
anderen Lebenslagen keineswegs als scharfsinnige Den-
ker erweisen, sind sie wohl für diesen lebenswichtigen
Lernvorgang von Natur aus besonders veranlagt - und in
diesem Sinne hat doch wohl die erbliche Überlieferung
aus vergangenen Generationen bedeutsam ihre Finger im
Spiel.
Der Mond und die funkelnden Sternbilder, für die
alten Wikinger die Richtmarken am Nachthimmel, sagen
den Bienen nichts - die bleiben nachts daheim. Aber
unterm blauen Himmelszelt des Tages sind sie jedem
menschlichen Steuermann überlegen. Denn ihre Augen
erkennen ja polarisiertes Licht und seine Schwingungs-
richtung. Das für uns einförmige Himmelsblau ist für sie
übersät mit örtlichen Kennzeichen, den Schwingungsmu-
stern der Polarisation (s. Abb. 88, S. 135). Es ist also
nicht so, daß die fliegenden Bienen nur mit dem winzigen
Augenbezirk, der direkt nach der Sonne blickt, deren
Stellung erkennen. Sie nehmen zugleich mit Tausenden
von Einzelaugen das bezeichnende Polarisationsmuster
auf, das an den Sonnenstand gekoppelt ist. So sind sie an
einem weiten Himmelsbereich gleichsam optisch veran-
kert, und jede kleinste Abweichung von der Flugrichtung
wird vielfältig registriert. Die Biene wird dabei kaum die

156
Wahrnehmungen der Einzelaugen getrennt beobachten.
Wie für unser Bewußtsein die Empfindungen, die von den
einzelnen Sinneszellen der Netzhaut und von heiden Au-
gen geliefert werden, zu einem einheitlichen Raumbild
verschmelzen, so werden wohl auch die von den Bienen-
augen aufgenommenen Muster von ihrem Gehirn zu ei-
nem einheitlichen Gesamteindruck verarbeitet werden,
von dessen Art wir freilich keine Ahnung haben.
Steht die Sonne hinter einem Berg oder ist sie bereits
untergegangen, so können sich die Bienen allein nach der
Polarisation des blauen Himmelslichtes ebenso gut orien-
tieren wie nach der Sonne. Ist der Himmel dick bewölkt,
so genügt schon ein kleiner blauer Himmelsfleck zum
Erkennen der Kompaßrichtung. Bei völlig überzogenem
Himmel hilft ihnen die Polarisationswahrnehmung
nichts, denn Wolkenlicht ist nicht polarisiert. Aber auch
da sind sie uns überlegen, weil sie die Sonne bei zuneh-
mender Wolkendichte noch wesentlich länger sehen als
wir. So mancher Kapitän mag sie um diese Fähigkeit
beneiden. Erst dichte Regenwolken verhindern ihre Ori-
entierung am Himmel. Aber bei solchem Wetter bleiben
sie ohnehin daheim.

Himmel und Erde in Konkurrenz

Da sich die Bienen sowohl nach der Sonne und dem


von ihr abhängigen polarisierten Himmelslicht, wie auch
nach irdischen Landmarken richten, möchte man wissen,
welche von bei den Orientierungsweisen für sie die größe-
re Bedeutung hat. Man kann es erfahren, wenn man
Himmel und Erde miteinander in Konkurrenz setzt. Das
ist nicht schwer, wo sich für ein solches Vorhaben ein
geeignetes Gelände bietet:

157
Abb. 99. a Eine numerierte Bienenschar wurde daran gewöhnt,
vom Bienenstock St entlang dem von Nord nach Süd verlaufen-
den Waldrand zu dem Futtertischchen F zu fliegen. b Am folgen-
den Tag an einen anderen, ost-westlich verlaufenden Waldrand
versetzt, folgten die meisten Bienen dem Waldrand als Leitlinie
und nicht dem Himmelskompaß. FI bis F3 Futtertischchen. Die
Beigefügten Zahlen geben an, wie viele Bienen der numerierten
Schar bei jedem Tischchen erschienen sind.

158
Abb. 100. Blick vom Stock St nach dem 180 m entfernten Futter-
tischchen F2, nach der Versetzung an den west-östlich verlaufen-
den Waldrand.

Ein Bienenvolk wird an einem Waldrand aufge-


stellt, der an eine große freie Wiesenfläche grenzt, und
eine numerierte Bienenschar entlang dem Waldrand an
eine südlich gelegene Futterstelle gewöhnt (Abb. 99a).
Am nächsten Morgen wird das Volk in eine entfernte,
ihm unbekannte Gegend gebracht und an einem sehr
ähnlichen Waldrand aufgestellt, der aber in west-östli-
cher Richtung verläuft (Abb. 99b und 100). Werden die
Bienen nun, dem Himmelskompaß folgend, ins freie Feld
hinaus nach Süden fliegen oder den Waldrand als Leitli-
nie benützen, den sie tags zuvor bei ihren Flügen nach
dem Futterplatz stets zur rechten Seite gehabt haben, und
die Richtung nach Westen einhalten? Im Versuch folgte
die überwiegende Mehrheit dem Waldrand. Aus
Abb. 99b ersieht man die Lage der Futtertischehen und
die Zahl der Bienen unserer numerierten Schar, die dort
erschienen sind und bei ihrer Ankunft abgefangen wur-

159
Abb. 101. Blick vom Beobachtungsstock nach dem 210 m ent-
fernten Waldrand. Er ist in diesem Abstand schon zu unschein-
bar, um sich als Leitmarke gegen den Himmelskompaß durchzu-
setzen.

den. Im gleichen Sinne fiel ein zweites Experiment aus,


bei dem die Fluglinie in einem Abstand von 60 m parallel
zum Waldrand nach dem Futterplatz führte. Als aber in
einem dritten Versuch der Wald 210 m entfernt lag und
seine Höhe, vom Boden bis zu den Wipfeln, nur mehr
unter einem Winkel von 3-4° erschien (Abb. 101), da
war er als Landmarke zu unscheinbar. Er wurde in der
Konkurrenz vom Himmelskompaß ausgestochen, die
Bienen flogen im Versetzungsversuch ins freie Feld hin-
aus, nach Süden.
So kann man verschiedenartige Landmarken mit
dem Sonnenstand in Konflikt bringen und ihr Gewicht
daran messen, ob die irdische oder die himmlische Orien-
tierungsweise den Sieg davonträgt. Wie ein naher Wald,
so sind auch Straßen oder Flußufer vorzügliche Leitlini-
en, während ein einzelstehender Baum an der Fluglinie
gegen die Orientierung am Himmel nicht aufkommt.
Mit Versuchen von solcher Art in größerer Ab-
wandlung ließe sich die Bedeutung landschaftlicher Ori-

160
entierungsmarken für die Bienen noch viel genauer er-
kunden. Die Schwierigkeit liegt im erforderlichen Zeit-
aufwand. Denn die gewünschten Szenarien kann man
nicht schaffen, man muß suchen, wo die Natur sie bietet.

Orientierung
nach dem Erdmagnetismus

Mit der Wahrnehmung des polarisierten Himmels-


lichtes haben uns die Bienen eine Fähigkeit enthüllt, die
von keinem Lebewesen bekannt war. Von Wissenschaft-
lern wurde die Entdeckung gemacht, daß sie auch von
einer anderen, unseren Sinnen verschlossenen Erschei-
nung nützlichen Gebrauch machen können: vom Erdma-
gnetismus.
Man versteht darunter die Kraft, die ein beweglich
angebrachtes Magnetstäbchen, z. B. eine Kompaßnadel,
in die Richtung zum magnetischen Nordpol einstellt. Der
geographische Nordpol liegt etwas anders, die Abwei-
chung (» Mißweisung«) wird als Deklination bezeichnet.
Ein in seinem Schwerpunkt frei beweglich aufgehängtes
Magnetstäbchen wird durch den Erdmagnetismus auch
gegen das Innere der Erde in einem bestimmten Winkel
geneigt (Inklination). Deklination und Inklination haben
eine bestimmte Stärke (Intensität). Durch diese drei Ele-
mente ist die Wirkung des Magnetfeldes an jedem Ort
der Erde zu gegebener Zeit genau definiert.
Die Natur bietet im Erdmagnetismus eine Orientie-
rungshilfe, die wir nur indirekt, mit einem Kompaß, nüt-
zen können. Die Bienen können die Kompaßrichtung
selbst erkennen. Sie machen gelegentlich davon Ge-
brauch, wenn in ihrem dunklen Heim weder die Sonne
noch blauer Himmel für sie sichtbar ist. Das zeigte sich

161
Abb. 102. Kartonzylinder als
Bienenwohnung. Das Flugloch
liegt zentral im Boden. Für die
Ausrichtung der Waben bieten
sich keinerlei Marken.

im Verhalten eines Schwarmes bei der Anlage eines Wa-


benbaues.
In der Regel geht es dabei allerdings heutzutage
nicht ganz natürlich zu. Während der Bienenschwarm
zunächst an einem Ast hängt (Abb. 47, S. 56) und Kund-
schafter unterwegs sind, um eine geeignete Unterkunft zu
finden (S. 212), macht sich der Imker den Schwarm zu
eigen und bringt ihnen einen Kasten. Da bleibt den Bie-
nen keine Wahl, sie bauen die Waben in die eingehängten
Holzrähmchen (Abb. 7, S. 9). In früheren Zeiten, und
auch heute, wenn einem unaufmerksamen Imker sein
Schwarm entkommt, wird als natürliche Behausung etwa
eine Felshöhle oder ein hohler Baum bezogen. Hier ma-
chen sich die Baubienen sofort an die Arbeit und schaffen
schon am ersten Tag mehrere vertikal hängende, einan-
der parallele Waben. Ihre vertikale Stellung ist verständ-
lich, da jede Biene wohl entwickelte Schweresinnesorgane
hat (S. 15) und die Richtung nach unten kennt. Aber wie

162
a b
Abb. 103. a In einem Kartonzylinder errichtete Waben. Sie ha-
ben dieselbe Kompaßrichtung wie die Waben im Muttervolk. b In
einem zehnfach verstärkten und radiär verzerrten Magnetfeld
wurde diese zylindrische Wabe angelegt. Entgegen dem Brauch
wurde sie von unten nach oben gebaut.

einigen sich mehrere hundert Baubienen, die gleichzeitig


an verschiedenen Stellen arbeiten, über die Kompaßrich-
tung ihres gemeinsamen Werkes? Finden sie etwa an der
Gestalt der Höhle hierfür einen Anhaltspunkt?
Um diese Möglichkeit auszuschließen, wurde ein
Bienenschwarm in einen Kartonzylinder gesetzt. Das
Flugloch lag zentral im Boden (Abb. 102). Keine Him-
melsrichtung war irgendwie ausgezeichnet. Und doch
baute der Schwarm säuberlich ausgerichtete Waben
(Abb. 103a). Er überraschte die Beobachter, indem er
ihnen die Stellung im Raum gab, wie sie die Waben seines
Muttervolkes gehabt hatten. Somit war keine spezielle
Anweisung nötig. Nur mußten sie die Kompaßrichtung
erkennen. Der Schwarm wurde anschließend in einen
anderen Kartonzylinder versetzt. Die Richtung des Ma-
gnetfeldes im Bereich des Zylinders wurde künstlich um
40° verdreht. Darauf bauten die Bienen ihre Waben
gleichfalls um 40° gegenüber der früheren Richtung ver-
dreht. Hiermit ist ihre Orientierung nach dem Magnet-
feld klar erwiesen. In einem 10fach verstärkten, radiär
angelegten Magnetfeld wurden sie dieser verrückten Si-

163
tuation gerecht, indem sie eine zylindrische Wabe bauten
(Abb.l03b).
Man hat schon lange die Orientierung der Zugvö-
gel auf die Wahrnehmung magnetischer Kräfte zurück-
führen wollen. Diese Annahme wurde immer wieder be-
zweifelt, in neuerer Zeit aber durch Versuche gestützt.
Bei Bienen liegt bisher kein Hinweis vor, daß sie sich bei
ihren Flügen nach dem Magnetfeld der Erde orientieren.
Über die physiologischen Grundlagen der Wahr-
nehmung des Erdmagnetismus gibt es bisher nur unbe-
wiesene Vermutungen.

164
11 Wie die Bienen
miteinander reden

Es wurde in früheren Abschnitten von Dressurver-


suchen gesprochen, die uns über das Sinnesleben der
Bienen Aufschluß gaben. Für solche Experimente brau-
chen wir Bienen auf einem im Freien aufgestellten Ver-
suchstisch. Um sie anzulocken, wurde ein mit Honig
beträufelter Papierbogen auf den Tisch gelegt. Meist dau-
erte es einige Stunden, zuweilen mehrere Tage, bis eine
herumsuchende Biene den Honig entdeckte und sich an
der verschwenderischen Fülle gütlich tat. Jetzt hatten wir
gewonnenes Spiel und durften gleich unsere Vorbereitun-
gen treffen. Denn wir konnten sicher sein, daß nicht nur
diese eine wiederkehrt, sondern daß wir in Kürze Dutzen-
de, ja Hunderte von Bienen auf dem Tisch haben. Geht
man ihrer Herkunft nach, so findet man, daß sie fast
ausnahmslos dem gleichen Volk angehören wie die erste
Entdeckerin. Es scheint also, daß diese den reichen Fund
daheim verkündet und die anderen herbeiholt. Wie
macht sie das?
Wir müssen schauen, wie sich die Heimkehrende
benimmt und wie sich die anderen zu ihr verhalten. In
einem gewöhnlichen Bienenstock ist das nicht zu sehen,
wohl aber in unserem Beobachtungsstock (vgl. S. 64f.).
Wir stellen neben dem Stock ein Futterschälchen auf. Die
erste Besucherin wird gezeichnet (vgl. S. 65), so daß wir

165
Abb. 104. Heimgekehr-
te Sammlerin (im Bild
links unten), den Nektar
an drei andere Bienen
abgebend.

sie im Gewühl der Stockgenossen wiedererkennen. Dann


sieht man, wie sie zum Flugloch hereinkommt, auf den
Waben aufwärts läuft und zunächst inmitten ihrer Stock-
genossen still sitzen bleibt. Sie würgt den gesammelten
Nektar aus ihrem Magen hervor, er erscheint als glänzen-
der Tropfen vor ihrem Munde und wird sogleich von
zwei oder drei Stockgenossen aufgesogen, die ihr den
Rüssel entgegenstrecken (Abb. 104); diese sorgen für sei-
ne weitere Verwendung, füttern, je nach Bedarf, die
hungrigen Kameraden oder vermehren den Honigvorrat
in den Zellen - interne Angelegenheiten, mit denen sich
die Sammlerin selbst nicht aufhält. Inzwischen bietet sich
ein Schauspiel, wohl wert, von den großen Bienenpoeten
besungen zu werden. Aber diese haben es noch nicht
gekannt. Und so muß der Leser mit einer prosaischen
Schilderung vorlieb nehmen.

166
Ein Rundtanz
als Verständigungsmittel
Die Sammlerin, die sich ihrer Bürde entledigt hat,
beginnt eine Art Rundtanz. Sie läuft mit raschen, trip-
pelnden Schritten auf dem Fleck derWabe, wo sie gerade
sitzt, in engen Kreisen herum, den Sinn der Drehung
häufig ändernd, so daß sie einmal rechts herum, dann
wieder links herum rast und in ständigem Wechsel bald
so, dann wieder anders herum ein bis zwei Kreisbogen
beschreibt. Dieser Tanz vollzieht sich im dichtesten Ge-
dränge der Stockgenossen und wird dadurch besonders
auffallend und reizvoll, daß er die Umgebung ansteckt;
die Bienen, die der Tänzerin zunächst sitzen, trippeln
hinter ihr drein und versuchen durch die vorgestreckten

Abb. 105. Der Rundtanz einer Nektarsammlerin auf der Wabe.


Die Tänzerin wird von drei nachtrippelnden Bienen verfolgt, wel-
che die Nachricht aufnehmen.

167
Fühler mit ihrem Hinterleib Verbindung zu halten, ma-
chen auch alle Schwenkungen mit, so daß die Tänzerin
bei ihren tollen Bewegungen stets gleichsam ein Schwanz-
büschel von anderen Bienen hinter sich herführt
(Abb. 105). Ein paar Sekunden, eine halbe, eine volle
Minte kann dieser Wirbel dauern, dann hört die Tänzerin
unvermittelt auf, löst sich von ihrer Gefolgschaft, um
häufig noch an einer zweiten und dritten Stelle der Wa-
ben ein Nektartröpfchen hervorzuwürgen und den glei-
chen Tanz anzuschließen. Dann aber eilt sie plötzlich
wieder dem Flugloch zu und fliegt zum Futterplatz, um
eine neue Ladung einzubringen, und bei jeder Heimkehr
wiederholt sich das Schauspiel.
Der Tanz vollzieht sich unter normalen Umständen
in der Finsternis des geschlossenen Bienenstockes. Die
Tänzerin kann also von ihren Kameraden nicht gesehen
werden. Wenn diese ihr Treiben bemerken und ihr bei
allen Wendungen nachlaufen, so folgen sie hierbei ihren
Tast- und Geruchswahrnehmungen.
Was hat dieser Rundtanz zu bedeuten? Es ist offen-
sichtlich, daß er die nächsten Stockgenossen in helle Auf-
regung versetzt. Man kann auch beobachten, daß die eine
oder andere aus der Gefolgschaft der Tänzerin Vorberei-
tungen zum Ausflug trifft, sich rasch ein bißchen putzt,
dem Flugloch zustrebt und den Stock verläßt. Dann
dauert es nicht lange, und an unserer Futterstelle gesellen
sich zur ursprünglichen Entdeckerin die ersten Neulinge.
Auch sie tanzen, wenn sie beladen heimkehren, und je
mehr der Tänzerinnen werden, desto mehr Neulinge
drängen sich an den Futterplatz. Der Zusammenhang ist
nicht zu bezweifeln. Der Tanz verkündet im Stock die
gefundene reiche Tracht. Aber wie finden die verständig-
ten Bienen den Ort, wo das Futter zu holen ist?
Die nächstliegende Annahme ist, daß sie im Stock
nach der Beendigung des Tanzes mit der Tänzerin zum

168
Flugloch laufen und ihr nachfliegen, wenn sie den Futter-
platz wieder aufsucht. Sorgsame Beobachtung lehrt, daß
es so bestimmt nicht ist. Die Neulinge wissen offenbar
gar nicht, wo das Ziel liegt. Sie erfahren durch die sym-
bolische Geste des Rundtanzes nur, daß sie rund um den
Stock suchen sollen, und das tun sie auch. Man kann sich
davon durch einen einfachen Versuch überzeugen. Wir
füttern eine kleine, gezeichnete Bienenschar auf einem
Tischchen etwa 10 m südlich vom Stock. Dann stellen
wir in südlicher, westlicher, nördlicher und östlicher
Richtung Futterschälchen ins Gras. Wenige Minuten,
nachdem die Sammlerinnen vom Südplatz zu tanzen be-
gonnen haben, kommen Neulinge aus unserem Bienen-
stock bei allen Schälchen. Nehmen wir aber den sam-
melnden Bienen das Futter weg, dann benehmen sie sich
nicht anders, als wenn die natürliche Blumentracht bei
ungünstiger Witterung versiegt und die gewohnten Blü-
ten vorübergehend keinen Nektar spenden: Sie bleiben
daheim, die Tänze hören auf. Und jetzt können unsere
rundum aufgestellten Honigschälchen stunden- und tage-
lang im Gras stehen, ohne daß sie von einer einzigen
Biene aufgefunden werden.
Darüber wird man sich vielleicht wundern. Denn
die wenigen gezeichneten Bienen unserer Futterstelle sind
ja nicht die einzigen Sammlerinnen des Volkes; während
sie zum Zuckerwasserschälchen kamen, flogen gleichzei-
tig Hunderte ihrer Stockgenossen an verschiedene Blu-
men, um Blütenstaub und Nektar zu sammeln. Wenn wir
am künstlichen Futterplatz mit der Fütterung aussetzen,
so sammeln die anderen doch weiter.
Warum senden sie, die von der Blumentracht kom-
men, nicht die Kameraden durch Tänze nach allen Seiten
auf die Suche und so auch zu den Schälchen? Die Ant-
wort ist: Sie senden sie wohl aus, wenn sie reiche Tracht
fanden, aber nicht an die Zuckerwasserschälchen, son-

169
dem an jene Blütensorte, die sie selbst erfolgreich ausge-
beutet haben!

Die biologische Bedeutung


des Blütenduftes,
von einer neuen Seite betrachtet

Nicht Glasschälchen, sondern Blumen sind die na-


türlichen Trinkgefäße der Bienen. Wir handeln naturge-
mäß, wenn wir auf unserem Futterplatz statt des gefüll-
ten Zuckerwasserschälchens einen kleinen Blumenstrauß
aufstellen, z. B. Alpenveilchen. Um beliebige Blumen ver-
wenden zu können und um uns davon unabhängig zu
machen, ob sie gerade viel oder wenig Nektar absondern,
geben wir in jede Blüte einen Tropfen Zuckerwasser, das
wir in dem Maße ersetzen, wie es die Bienen davontra-
gen. Damit diese nur in den Blumen Nahrung finden und
nicht etwa herunterfallende Tropfen vom Tisch aufsam-
meln können, stellen wir die Blumenvase in eine größere

Abb. 106. Alpenveil-


chen als Futterplatz für
eine Bienenschar.

170
Abb. 107. Eine Schale
mit Alpenveilchen und
eine Schale mit Phlox-
blüten in der Wiese
nicht weit vom Futter-
platz (Abb. 106). Die
ausschwärmenden Neu-
linge interessieren sich
nur für die Alpenveil-
chen.

Schüssel mit Wasser (Abb. 106). Die gezeichneten Bienen


finden also an Alpenveilchen reiche Tracht und tanzen
auf den Waben.
Abseits, an einer beliebigen Stelle, setzen wir ins
Gras eine Schale mit Alpenveilchen, die nicht mit Zucker-
wasser beschickt sind, und daneben eine Schale mit ande-
ren Blumen, z. B. mit Phlox (Abb. 107). Der Alarm
wirkt, und bald sieht man allerorten Bienen suchend über
die Wiese schwärmen. Sie kommen auch an unsere Blu-
menschalen, sie fliegen an die Alpenveilchen und wühlen
in den Blüten mit einer Ausdauer herum, als wären sie
fest davon überzeugt, hier müsse etwas zu finden sein.

Abb. 108. Fütterung


der Bienenschar auf
Phloxblüten.

171
Aber an der Schale mit den Phloxblüten fliegen sie gänz-
lich uninteressiert vorüber.
Jetzt entfernen wir am Futterplatz die Alpenveil-
chen und ersetzen sie durch Phloxblüten, die in gleicher
Weise mit Zuckerwasser reich versehen sind. Es sammeln
dieselben Bienen wie bisher, aber sie sammeln nicht mehr
an Alpenveilchen, sondern an Phloxblüten (Abb. 108).
Auf dem Wiesenplatz bleibt alles stehen, wie es war. Und
schon nach wenigen Minuten ändert sich dort das Bild.
Das Interesse an den Alpenveilchen läßt nach, die neu
herankommenden Bienen befliegen die Phloxblüten, ja,
überall im benachbarten Garten, wo Phloxstauden zu
finden sind, sehen wir die Bienen emsig an den Blüten
sich bemühen - ein kurioser Anblick für jeden, der weiß,
daß die tiefen Blumenröhren dieser Blüten nur dem lan-
gen Rüssel der Schmetterlinge zugänglich sind, und daß
die Bienen den tief geborgenen Nektar hier gar nicht
erreichen können und daher unter normalen Umständen
auch niemals an Phlox gesehen werden. Es ist ganz offen-
kundig, daß die suchenden Bienen wissen, wonach sie zu
suchen haben, und daß die Tänzerinnen daheim verkün-
det haben, welche Blumensorte die Spenderin der reichen
Tracht ist!
Der Versuch gelingt stets mit gutem Erfolg, ob wir
an Alpenveilchen oder Phlox, an Enzian oder Wicken,
Distelblüten oder Hahnenfuß, Bohnen oder Immortellen
das Futter bieten. Die Zweckmäßigkeit leuchtet ein, so-
bald wir uns die natürlichen Verhältnisse vorstellen.
Wenn eine neu erblühte Pflanzenart von suchenden Bie-
nen entdeckt wird, so verkünden diese den Fund durch
ihre Tänze im Stock; darauf fliegen die alarmierten Stock-
genossen zielsicher jene Blütenart an, die durch reiche
Nektarabsonderung die Tänze veranlaßt hat, anstatt ihre
Zeit mit unnützem Herumsuchen an Blumen zu verlieren,
die nichts zu bieten haben. Aber wie ist das zu erklären?

172
Unmöglich können wir glauben, daß die Bienensprache
für jede Blumenart ihren Ausdruck hat.
Und doch ist es so. Eine Blumensprache enthüllt
sich hier, im wahren Sinne, unglaublich einfach, zweck-
mäßig und reizvoll. Während die Sammlerin den süßen
Saft aus den Blumen saugt, bleibt etwas von dem Blüten-
duft an ihrem Körper haften. Sie duftet noch nach diesen
Blumen, wenn sie nach der Heimkehr tanzt. Die Kamera-
den, die hinter ihr hertrippeln und sie dabei so lebhaft mit
ihren Fühlern (den Geruchswerkzeugen) untersuchen,
nehmen diesen Duft wahr, prägen ihn dem Gedächtnis
ein, und nach diesem Duft suchen sie, wenn sie daraufhin
durch die Gegend schwärmen.
Dieser Zusammenhang wird überzeugend deutlich,
wenn man statt Blumen ätherische Öle oder künstliche
Riechstoffe anwendet: Wir füttern gezeichnete Bienen
aus einem Glasschälchen auf einer Unterlage, die nach
Pfefferminz duftet. Nach dem Einsetzen der Tänze beflie-
gen die ausschwärmenden Neulinge alle Gegenstände,
wie immer sie aussehen, wenn wir ihnen durch eine Spur
von Pfefferminzöl dessen Geruch verleihen. Andere Düfte
beachten sie nicht. Wir brauchen nur den Riechstoff am
Futterplatz zu wechseln, und mit dem dort gebotenen
Duft ändert sich stets in entsprechender Weise das Ziel
der suchenden Bienen.
Bei der ursprünglichen Anordnung aber, von der
wir ausgegangen sind, bei der Fütterung an einem duftlo-
sen Schälchen, vermißt die Gefolgschaft der Tänzerinnen
an diesen einen spezifischen Duft. Auch jetzt ziehen sie
nicht ohne jeden Anhaltspunkt in die Welt hinaus: Sie
wissen, daß alle die duftenden Blumen, denen sie auf
ihrer Streife nahekommen, nicht die gesuchten sind, und
verlieren an ihnen keine Zeit.
Einst sahen die Blütenbiologen im Duft der Blumen
nur ein Mittel, die nach Nahrung suchenden Insekten

173
anzulocken. Für die Bienen ist er überdies ein Merkzei-
chen, an dem sie die einmal beflogene Blütensorte wieder-
erkennen und von anderen, ähnlich gefärbten Blumen
mit Sicherheit unterscheiden - die unerläßliche Voraus-
setzung ihrer Blütenstetigkeit (S. 78ff.). Aber seine Be-
deutung geht weit darüber hinaus. Wie die prägnanten
Ausdrücke einer Wortsprache vermittelt der heimgetra-
gene spezifische Blütenduft den Stockgenossen so einfach
wie eindeutig das Ziel der Suchflüge, zu denen sie der
Tanz auffordert.

Wie die Bienen den Blütenduft


nach Hause tragen

Ein flüchtiger Betrachter mag leicht geneigt sein, so


manche Blumen als »geruchlos« anzusehen. Der gelbe
Hahnenfuß, der blaue Schwalbenwurz-Enzian, die roten
Feuerbohnen leuchten uns von weitem entgegen, aber sie
erfüllen unser Zimmer nicht mit Wohlgeruch. Und doch
- wer nicht durch übermäßiges Rauchen sein Geruchsor-
gan abgestumpft hat, wird an ihnen einen zarten und für
jede Sorte eigentümlichen Duft wahrnehmen, zumindest
dann, wenn er ein Dutzend solcher Blüten zusammenfaßt
und unmittelbar an die Nase hält. Nur als seltene Aus-
nahmen kommen bei insektenblütigen Pflanzen solche
mit völlig duftlosen Blüten vor, so die Heidelbeeren oder
der wilde Wein. Bei ihnen versagt tatsächlich, wie zu
erwarten ist, jene Verständigung im Volk über das Ziel
der Suchflüge. Erstaunlich ist nur, daß schon der
Schwächste für uns wahrnehmbare Blütenduft hinreicht,
um den Kameraden im Stock die Herkunft der Tänzerin
zu verraten. Wie kommt es, daß diese einen so zarten
Geruch der besuchten Blumen erkennbar bis nach Hause
trägt?

174
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Abb. 109. Die Biene saugt nach Phlox duftendes Zuckerwasser


aus dem Spalt, während ihr Körper den Duft von Alpenveilchen
annimmt. G Glasschale mit Wasser, darüber ein Drahtnetz.

Die Erklärung liegt zum Teil darin, daß Duftstoffe


am Körper der Bienen sehr nachhaltig haften. Ihr äußeres
Kleid ist von der Natur in besonderer Weise durch das
Haarkleid und einen Wachsüberzug ausgestattet, um
Duftstoffe an sich zu binden. Doch kommt noch etwas
weiteres hinzu: Der im Blütengrund abgesonderte Nektar
(Abb. 19, S. 20) ruht in einem duftenden Kelch und ist
daher mit dem spezifischen Blütenduft beladen. Die
Sammlerin, die ihn aufschlürft, trägt in ihrer Honigblase
mit diesem Nektar eine Duftprobe heim, die sie beim
Verfüttern des Tropfens den umgebenden Bienen zur
Kenntnis bringt. Darunter sind auch jene, die ihr beim
Tanzen nachtrippeln und auf Suche fliegen, nachdem sie
sich an ihrem Mund die Duftparole geholt haben. Wir
wüßten gerne, was wirksamer ist: der äußerlich anhaften-
de oder der im Honigmagen eingetragene Duft? Das
kann man erfahren, wenn man beide miteinander in Wi-
derstreit bringt. Wir betropfen Phloxblüten mit Zucker-
wasser, bis dieses nach etwa 1 Stunde mit dem Blütenduft
geschwängert ist. Dann lassen wir einige Bienen das

175
phloxduftende Zuckerwasser aus einem engen Spalt sau-
gen, während sie gleichzeitig auf Zyklamenblüten sitzen
(Abb. 109). Wenn sie dann daheim tanzen, duften sie
äußerlich nach Zyklamen und verfüttern nach Phlox duf-
tendes Zuckerwasser. Um den Erfolg zu sehen, beobach-
ten wir wieder eine Phlox- und Zyklamenschale, die in
der Nähe des Futterplatzes im Gras stehen (Abb. 107, S.
171). Beide werden von den Neulingen beflogen. Aber
der im Magen eingetragene Duft gewinnt den Wettbe-
werb, wenn sich die Futterquelle in großer Entfernung
vom Bienenstock befindet: Die weite Flugstrecke bedeu-
tet eine ausgiebige Lüftung des Körpers. Dadurch verliert
der äußerlich anhaftende Duft an Intensität. Dann rich-
ten sich die ausschwärmenden Neulinge überwiegend
nach dem im Magen eingetragenen Blütenduft.
Wir erkennen daraus die große biologische Bedeu-
tung des vom Nektar angenommenen Blumenduftes, den
die Bienen in ihrer Honigblase wie in einem wohlver-
korkten Fläschchen heimtragen und im Stock zur Gel-
tung bringen.

Die Regelung
zwischen Angebot und Nachfrage

Die Tänze der Bienen erhalten ihren vollen biologi-


schen Sinn erst durch den Umstand, daß sie nur durch
gute, ergiebige Futterquellen ausgelöst werden. Bei einer
Tracht, die ein großes Aufgebot nicht lohnt, wird nicht
getanzt.
Schneiden wir z. B. einige blühende Robinienzwei-
ge ab, stecken sie in ein Gefäß mit Wasser und bewahren
sie an einem vor Insekten geschützten Ort auf, so hat sich
nach einigen Stunden reichlich Nektar an ihren Blüten
angesammelt. Nun bieten wir einer Bienenschar, die an

176
einem künstlichen Futterplatz Zuckerwasser sammelt,
den Robinienstrauß an. Sobald sie diese natürliche
Trachtquelle ausbeuten, tanzen sie daheim und holen
sich rasch Verstärkung herbei. Aber bald sind ihrer so
viele, daß sie den Nektar rascher davontragen, als er von
den Blüten gebildet wird. Aus dem Übermaß wird eine
spärliche Tracht, das Sammeln geht zwar mit Ausdauer
weiter, aber die Tänze hören nun auf, und die Sammler-
schar erhält keinen neuen Zuwachs aus dem Hei-
matstock.
Neben der Menge ist die Süßigkeit des abgesonder-
ten Nektars von entscheidender Bedeutung für die Ergie-
bigkeit der Tracht. Der Nektar mancher Blüten ist eine
dickflüssige, »gesättigte« Zuckerlösung. Da lohnt es sich
wahrlich, einzuheimsen, was der Magen faßt, und alle
Kräfte aufzurufen. Andere Pflanzenarten bilden zur sel-
ben Zeit einen dünneren, weniger süßen Nektar. Mit der
gleichen Menge Flüssigkeit tragen die Bienen weniger
Zucker nach Hause. Für diesen Fundplatz ebenso lebhaft
zur Mitarbeit aufzurufen, wäre nicht sinnvoll und tat-
sächlich geschieht es nicht. Damit die Bienen lebhaft und
ausdauernd tanzen, muß der Zuckersaft nicht nur reich-
lich fließen, er muß auch sehr süß sein. Je weniger süß er
ist, desto matter werden die Tänze; und je lässiger der
Tanz, desto geringer wird seine werbende Kraft. Sinkt
der Zuckergehalt unter einen gewissen Grad, so unter-
bleiben die Tänze ganz, auch wenn Nektar im Überfluß
vorhanden ist.
So regelt sich in einfachster Weise die Größe des
Aufgebotes von sammelnden Bienen nach der Ergiebig-
keit der Trachtquelle.
Bei gleichzeitigem Erblühen mehrerer Pflanzen ar-
ten wird die Blütensorte, die nach Menge und Süße den
besten Nektar führt, am stärksten beflogen. Denn die
Bienen, die diese Blüten finden, tanzen lebhafter als ande-

177
re, die zu gleicher Zeit eine weniger lohnende Trachtquel-
le entdeckt haben. Der spezifische Duft, den die tanzen-
den Bienen nach Hause bringen, bürgt für den richtigen
Erfolg der abgestuften Werbung. Mit eindringlicher
Deutlichkeit kann gemeldet werden, daß heute beim Duft
der Pflaumenblüten am meisten zu holen ist. So wird der
Nektarstrom aus jenen Quellen, die es am meisten verdie-
nen, bevorzugt in die Honigkämmerlein der Bienen gelei-
tet. Zugleich sichern sich die Blüten, die den meisten und
süßesten Nektar zustande bringen, den regsten Bienenbe-
such und auf diese Art die beste Bestäubung und den
reichsten Samenansatz.
Man wird sich fragen, wie denn die einzelne Sam-
melbiene erfährt, welche Trachtplätze jeweils in Konkur-
renz stehen. Sie kennt ja nur ihre eigene Futterquelle. Es
ist eine denkbar einfache, aber absolut sichere Methode,
durch die die Sammelbienen jeden Tag über die jeweili-
gen Trachtverhältnisse draußen auf den Feldern und Gär-
ten informiert werden. Der Nektar, der von den Stock-
bienen abgenommen wird, wird sofort in lebhaftem ge-
genseitigem Futteraustausch verteilt. Alle Bienen im
Stock, vor allem aber jene, die in der Nähe des Flugloches
den Sammelbienen den Nektar abnehmen, sind dadurch
informiert, welche Tracht den besten Nektar einbringt;
sie werden demzufolge den süßesten Nektar, der ihnen
angeboten wird, gierig abnehmen, während minderwerti-
ges Angebot zögernd abgenommen wird. In gleicher Wei-
se wird auch die Tanzstimmung reguliert - nur hochwer-
tiges Futter wird lebhafte Tänze auslösen.
Dies ist aber nur die eine Seite: Wenn nach der
Haupttrachtzeit ab Juli die Tracht hierzulande immer
spärlicher wird, dann ist auch weniger konzentrierter
Nektar willkommen. Qualität des Futters und Bedarf des
Volkes regeln somit eine jahreszeitlich abhängige Sam-
meltätigkeit. Für die Sammelbiene selbst ist dabei die

178
Abgabezeit, die sie braucht, um ihren Nektar im Stock
loszubringen, das maßgebende Signal, um anschließend
durch Tänze für ihre Futterquelle zu werben. Ist die
Abgabezeit mit 20-30 s schon beendet, dann werden
praktisch in jedem Fall Tänze ausgelöst. Hat die Bienen
aber Mühe, ihren Honigmagen innerhalb 1 min zu lee-
ren, dann wird sie wieder ohne Tanz den Stock verlassen.

Das Duftfläschchen
am Bienenkörper

Jede Arbeitsbiene trägt ein »Duftfläschchen« ge-


brauchsfertig bei sich - eigentlich eine kleine Duftfabrik.
Sie ist nahe der Hinterleibsspitze in einer Hautfalte gele-
gen, die für gewöhnlich nach innen eingeschlagen und
daher unsichtbar ist, aber als ein feuchtglänzender Wulst
vorgestülpt werden kann (Abb. 11 0, 111). Dann ent-
weicht ein Riechstoff, der von mikroskopisch kleinen
Drüsen in diese Hauttasche abgeschieden wird, frei nach
außen. Er ist auch für uns als melissenartiger Geruch
bemerkbar, für die Biene ist er ein intensiver, mehrere

Abb. 110. Drei Bienen am Futterschälchen; das links sitzende


Tier stülpt das Duftorgan aus, welches als schmaler, glänzender
Wulst knapp vor der Hinterleibsspitze (unter dem x) erkennbar
ist. Die rechts sitzende Biene hat das Duftorgan eingezogen.

179
Abb. 111. Sterzelnde Bienen am Flugloch.

Meter weit wahrnehmbarer Lockduft. Es war schon da-


von die Rede, wie beim »Sterzeln« durch diesen Duft der
Weg zum Flugloch angezeigt wird (S. l49f.). Auch
Sammlerinnen benützen das Duftorgan beim Blütenbe-
flug, wenn lohnende Tracht die Mitwirkung weiterer
Hilfskräfte erwünscht macht. Sie erleichtern den Kame-
raden, die sich durch ihre Tänze alarmiert und zum Aus-
flug veranlaßt haben, durch den Lockduft das Auffinden
des Zieles.
Davon kann man sich durch ein eindrucksvolles
Experiment überzeugen: Wir stellen in der Nähe eines
Beobachtungsstockes zwei Zuckerwasserschälchen auf
und lassen an jedem 1 Dutzend Bienen sammeln. Sie
kommen aus demselben Stock, aber jede Schar kennt nur
ihr Schälchen. Wir bieten nun an einem Schälchen »gute
Tracht« (reichlich Zuckerwasser), am anderen »spärliche
Tracht« (Fließpapier, mit Zuckerwasser so durchfeuch-
tet, daß eben noch weiter gesammelt wird). Die Sammle-
rinnen von der üppigen Tracht tanzen, die anderen nicht.
Zur ersteren Schar gesellen sich in der gleichen Zeit etwa
lOmal so viele Neulinge als zu der anderen. Das ist sehr

180
sinnvoll- doch wie kommt es dazu? Die Kameraden auf
der Wabe können nicht wissen, von wo die Tänzerinnen
kommen, denn ein Blütenduft war keinem der beiden
Futterplätze beigegeben. Sie suchen ohne klares Ziel in
der Umgebung herum. Aber wenn sie sich der reichen
Futterquelle nähern, werden sie durch den Lockduft der
anfliegenden Sammlerinnen angezogen, während sie am
spärlich bedachten Schälchen, wo die Sammlerinnen ihr
Duftorgan nicht betätigen, oft nahe vorüberfliegen, ohne
es zu bemerken.
Daß es wirklich so ist, zeigt ein Kontrollversuch:
Man kann das Duftfläschchen der Bienen gleichsam ver-
stoppeln, indem man die Hautstelle mit einer zarten
Schellack-Kappe überzieht. Sie können dann die Duftfal-
te nicht mehr ausstülpen. Das stört die Sammlerinnen
nicht bei ihrer Tätigkeit, sie tanzen bei reicher Tracht
genauso lebhaft wie zuvor. Diesmal wird an beiden Plät-
zen ein volles Zuckerwasserschälchen geboten. Beide
Gruppen tanzen begeistert. Aber die Schar, die keinen
Lockduft aussenden kann, erhält an Zuwachs nur den
zehnten Teil der Bienen, die sich bei der anderen einfin-
den.
Die gleiche Rolle wie an den Glasschälchen spielt
das Duftorgan beim natürlichen Blumenbesuch. Auch
hier wird es nur betätigt, wenn genügend süßer Nektar
reichlich abgeschieden wird.
Und dieselbe Bedeutung als Hinweis auf die Fund-
stelle hat es beim Eintragen von Wasser, das zeitweise -
etwa zur Kühlung des Stockes (S. 45) - in Menge benö-
tigt wird. Auch da fliegen Kundschafter aus, und wenn
sie an einer Uferstelle, an einem Brunnen, oft auch an
einer künstlichen Tränke des vorsorglichen Imkers eine
geeignete Quelle entdeckt haben, alarmieren sie die Ka-
meraden im Stock genauso durch Tänze, wie sie es viel-
leicht selbst noch kürzlich zugunsten einer Nektarquelle

181
getan haben, und lenken die Neulinge mit allen Mitteln
ans Ziel.
Wie genau die Bienen den Fundort einer nützlichen
Entdeckung bekanntgeben können, werden erst die fol-
genden Seiten zeigen.

_ Der Schwänzeltanz verkündet


die Entfernung der Futterquelle

Viele Jahre hindurch wurde bei unseren Versuchen


der Futterplatz stets in unmittelbarer Nähe des Bienen-
stockes angelegt. Neulinge fanden sich in der Umgebung
des Stockes rasch und zahlreich ein. Wenn Probe-
schälchen in größerer Entfernung aufgestellt wurden,
während der Futterplatz in der Nähe des Stockes blieb, so
kamen Neulinge um so später und spärlicher, je größer
der Abstand war. Das erschien nicht auffällig. Es war ja
einleuchtend, daß die alarmierten Bienen erst in der Nähe
herumsuchten, und wenn sie da nichts fanden, immer
weitere Kreise zogen. Doch als eines Tages der Futter-
platz in einem Abstand von mehreren hundert Metern
eingerichtet wurde, da suchten in der nahen Umgebung
des Stockes nur wenige Neulinge, während sie in der weit
abgelegenen Gegend der Futterstelle in hellen Scharen
angeflogen kamen. Es erwachte der Verdacht, daß der
Tanz auch ansagt, wie weit man fliegen muß.
Richtet man es nun so ein, daß numerierte Bienen
aus einem Beobachtungsstock in dessen Nähe, andere
gezeichnete Tiere aus demselben Volk gleichzeitig an ei-
nem entfernten Futterplatz sammeln, so bietet sich auf
den Waben ein überraschendes Bild: Alle Nahsammler
machen Rundtänze (Abb. 105, S. 167), alle Fernsammler
dagegen führen Schwänzeltänze auf. Die Biene läuft hier-
bei eine Strecke geradeaus, kehrt in einem Halbkreis zum

182
Abb. 112. Der Schwänze/tanz.

Ausgangspunkt zurück, läuft wieder geradlinig, be-


schreibt einen Halbkreis nach der anderen Seite, und so
kann es minutenlang am selben Fleck fortgehen
(Abb. 112). Was diesen Tanz am auffälligsten vom
Rundtanz unterscheidet, ist eine rasche Schwänzelbewe-
gung mit dem Hinterleib, die stets während der geradlini-
gen Laufstrecke ausgeführt wird (Schwänzellauf). Zu-
gleich gibt die Tänzerin ein Geräusch von sich, das auch
für den Menschen wahrnehmbar ist, wenn man das eine

183
I ,t. ,
AA,t . , ,,'V\.Ji." '""",-"",' .t'\J"'\" .."....,. ~: ~,. ' ~\

Q,1sec

Abb. 113. Die Schallpulse während des Schwänzellaufes, aku-


stisch aufgenommen.

Ende eines Plastikschlauches ins Ohr steckt und das an-


dere Ende nahe an die tanzende Biene heranbringt. Die
Schallerzeugung konnte mit Hilfe eines Mikrophones re-
gistriert werden. Die Schwingungen werden als wieder-
holte, sehr kurze Schallpulse hervorgebracht (Abb. 113).
Jeder einzelne Schallpuls währt nur einen Bruchteil einer
Sekunde (1511000 s), eine etwa ebenso kurze Pause
trennt ihn vom nächsten. Die Schwingungsfrequenz der
Einzeltäne liegt mit etwa 250 Hz angenähert um eine
Oktave unter dem Kammerton a' und entspricht der
Schlagfrequenz der Flügelschwingungen, es sind also
kurz angedeutete Schwirrgeräusche, durch die Flugmus-
kulatur in der Brust erzeugt, ohne daß es zum Ausschla-
gen der Flügel kommt. Rund 30 solche Schallpulse folgen
einander im Laufe einer Sekunde. Diese letztere Frequenz
ist es, die unser Ohr als schnarrendes Geräusch wahr-
nimmt. Durch Aufkleben eines winzigen Magneten auf
den Rücken der Tänzerin ließen sich die Schwingungen
auch elektromagnetisch auf Tonband aufnehmen, wobei
die Schwänzelbewegungen des Hinterleibes mit aufge-
zeichnet wurden (Abb. 114). Man sieht, daß die kurzen
Schallpulse unabhängig von der Schwänzelbewegung die-
se überlagern, also nicht an bestimmte Stellen der
Schwänzelausschläge gebunden sind. Jedoch entspricht

184
-
Pi~sen Ausschnilf mgl A6tJA1f.

a
SdJwiinze/6ewegung
SchaJ/-
puls

Abb. 114 a, b. Elektromagnetische Aufnahme der Schwänzelbe-


wegungen mit den überlagerten Schallpulsen_ Die in a bezeichne-
ten drei Schwänzelbewegungen sind in b vergrößert wiedergege-
ben_

die Dauer der Lautproduktion genau der Dauer des


Schwänzellaufes, der also nicht nur durch die Schwänzel-
bewegung, sondern zugleich durch die Schallproduktion
im wahren Sinne des Wortes »betont« wird.
Auf Grund neuerer Untersuchungen, die auf einer
mustergültigen internationalen und interdisziplinären
Zusammenarbeit beruhen, müssen die früheren Befunde
in einigen Punkten korrigiert werden. Gemeinsam mit
Axel Michelsen aus Dänemark, dem derzeit führenden

185
Bioakustiker, haben wir mit einer modernen, hochemp-
findlichen Technik vergeblich danach gesucht, ob durch
die Tanzlaute Vibrationen auf die Waben übertragen
werden, die dann die Nichttänzerinnen mit Hilfe ihrer
hochempfindlichen Vibrationssinnesorgane, die sog.
Subgenualorgane, wahrnehmen. Bei dieser Technik wird
die sog. »Laser-Doppler-Vibrometrie« angewandt, wobei
ein Laserstrahl über die vibrierende Oberfläche geschickt
wird; auch die kleinste Vibrationswelle reflektiert diesen
Strahl; dabei gibt es eine Dopplerverschiebung, d. h. eine
Frequenzänderung, die der Computer präzise ausrechnen
kann.
Es gab keinen Zweifel mehr, daß die Tanzlaute
ausschließlich als luftgetragener Schall mit einer Fre-
quenz von 240-260 Hz an die Umgebung abgestrahlt
werden. Zu unserer großen Überraschung war die Inten-
sität dieser Tanzlaute erstaunlich hoch, nämlich 90-
110 dB, was etwa dem Lärm eines startenden Düsenflug-
zeuges entspricht. Da fragt man sich, ob denn auf dem
Tanzboden, wenn da bei guter Tracht bis zu einem Dut-
zend Sammlerinnen gleichzeitig tanzen, nicht ein unge-
heurer Lärm sich ausbreitet, der jede individuelle Ver-
ständigung unmöglich macht. Für unsere lärmgeplagte
Welt zeigen unsere Bienen in beneidenswerter, geradezu
genialer Weise, wie man seine Umgebung von dem
selbsterzeugten Lärm abschirmen kann: Die Tanzlaute
werden über die Flügel nicht horizontal, sondern vertikal
abgestrahlt. Dies hat zur Folge, daß der Schallpegel in der
Horizontalen sehr rasch abnimmt (der Phsysiker sagt:
mit der 3. Potenz), so daß schon in 2 1/2 Zentimeter
Entfernung absolute Stille herrscht. Nur das engere Tanz-
gefolge wird also von der Schallglocke erfaßt.
In anderem Zusammenhang werden Vibrationssi-
gnale bei der Alarmierung durch Tänze durchaus ver-
wendet; sie werden aber nicht von den Tänzerinnen sel-

186
ber, sondern von den Nachtänzerinnen ausgesandt. Diese
pressen zwischendurch ihren Körper auf die Wabe und
erzeugen dabei einen kurzen Pieplaut, der sich dann als
Vibration auf der Wabe ausbreitet. Das sind Bettellaute,
die an die Tänzerin gerichtet sind und sie auffordern,
momentan ihren Tanz zu unterbrechen und eine Kost-
probe des gesammelten Nektars aus ihrem Honigmagen
zu erbrechen. Das Tanzgefolge saugt gierig dieses ange-
botene Futter ab und erfährt dabei Näheres über die
Qualität des eingebrachten Nektars.
Der eindeutige Nachweis, daß die Tanzlaute nicht
als Vibration, sondern als luftgetragener Schall an das
Tanzgefolge weitergegeben werden, brachte uns in ein
schwieriges Dilemma: Seit eh und je wurde ja von den
Bienenforschern die Meinung vertreten, daß Bienen völ-
lig taub seien. Wiederholt hatte man versucht, Bienen auf
ein Schallsignal kombiniert mit einer Futterbelohnung zu
dressieren, aber immer ohne Erfolg. Der Fehler war, daß
man bei diesen Versuchen immer nur Töne aus unserem
menschlichen Schallbereich verwendete, die aber im Le-
ben der Bienen keine Rolle spielen. Immerhin war be-
kannt, daß es bei Insekten zwei verschiedene Arten von
Hörorganen gibt. Heuschrecken, Grillen und Zikaden
haben ein sog. Tympanalorgan, das auf Schalldruck an-
spricht so wie auch unser menschliches Innenohr; bei
Mücken hingegen ist das Hörorgan so konstruiert, daß es
nur auf Schallschnelle anspricht; Schallschnelle meint die
Geschwindigkeit der Oszillation der Moleküle in der
Luft.
Die genaue Kenntnis der Schallsignale beim Bie-
nentanz bot die Möglichkeit, nochmal eine Untersuchung
über das Hörvermögen der Bienen zu wagen, wobei Töne
als Futtersignal angeboten wurden, wie sie im Tanz regi-
striert wurden. In dem einen Schenkel eines Y-Rohres
wurde ein Ton von 250 Hz geboten; er leitete zum Futter,

187
im anderen Schenkel war ein anderer Ton mit anderer
Frequenz zu hören, bei ihm gab es keine Belohnung. Es
zeigte sich, daß die Bienen für eine Frequenz von 250-
280 Hz am empfindlichsten ansprechen; das entspricht
genau jener Frequenz, die die Tänzerinnen erzeugen. Alle
bisherigen Versuche deuten darauf hin, daß wie bei
Mücken das Hörorgan der Bienen an der Basis der An-
tenne sitzt; es ist das sog. Johnstonsche Organ. Die oszil-
lierenden Luftpartikelchen bringen die Fühler in Mit-
schwingung und übertragen diese auf die Basis, wo sie
vom Johnstonschen Organ in ein sog. Rezeptorpotential,
d.h. ein elektrisches Signal, umgeformt werden.
So hat sich in jüngster Zeit wieder eine neue Welt
der Bienen aufgetan - neben ihrem hochempfindlichen
Vibrationssinn können sie auch luftgetragenen Schall
durch echtes Hören wahrnehmen. Damit ist für die ge-
genseitige Verständigung eine entscheidende Orientie-
rungshilfe geboten.
Zurück zu den Tänzen: Verlegt man den nahen
Futterplatz stufenweise in größere Entfernung, so gehen
die Rundtänze der Sammlerinnen zwischen 50 und
100 m allmählich in Schwänzeltänze über. Rundtanz und
Schwänzeltanz sind zwei verschiedene Ausdrücke der
Bienensprache, die auf nahe gelegene und ferne Futter-
quellen hinweisen und, wie sich zeigen läßt, von den
Stockgenossen in diesem Sinne verstanden werden.
Nur mit der Angabe: »näher« oder »weiter als
100 m« wäre aber den Bienen, die ausfliegen und die
Futterquelle finden sollen, wenig gedient. Denn ihr Flug-
bereich erstreckt sich auf mehrere Kilometer nach allen
Seiten vom Heimatstock. Bei stufenweiser Verlagerung
des Futterplatzes bis an die Grenzen des Flugbereiches
offenbarte sich denn auch eine Gesetzmäßigkeit im Ver-
lauf des Schwänzeltanzes, die den Bienen im Stock wie
dem menschlichen Beobachter über die Entfernung der

188
Trachtquelle noch viel genauere Kunde gibt. Bei einem
Abstand von 100 m folgen die Wendungen (Abb. 112)
rasch aufeinander, die Tänze sind hastig. Je größer die
Entfernung, desto gemessener werden sie, desto langsa-
mer folgen einander die Wendungen, desto länger und
nachdrücklicher aber wird der geradlinige Schwänzel-
Iauf. Mit der Uhr in der Hand kann man feststellen, daß
die Biene bei einer Entfernung der Futterquelle von
100 m die geradlinige Strecke der Tanzkurve in einer
Viertelminute etwa 9 bis 10mal durchläuft, bei 500 m
etwa 6mal, bei 1000 m 4 bis 5mal, bei 5000 m 2mal und
bei 10 000 m nur noch etwas mehr als 1mal in der ge-
nannten Zeitspanne (Abb. 115)4. Nach unseren heutigen
Kenntnissen liegt hierbei das maßgebende Signal für die
Entfernung in der Zeitdauer des Schwänzellaufes, in der
»Schwänzelzeit«, die durch die Schwänzelbewegungen
und durch die Schallerzeugung so scharf betont wird. Die
Bienen müssen ein feines Zeitgefühl besitzen, welches die
Tänzerin befähigt, sich im angemessenen Rhythmus zu
bewegen, und zugleich ihre Stockgenossen instand setzt,
ihn richtig aufzufassen und auszuwerten.
Können sie das wirklich? Und mit welcher Genau-
igkeit halten sich die ausschwärmenden Neulinge an die
Entfernung, die ihnen der Schwänzeltanz angezeigt hat?
Um das zu erfahren, füttern wir einige numerierte Bienen
in bestimmtem Abstand vom Stock auf einer Unterlage,
der ein wenig Orangenblütenöl beigegeben ist, mit
Zuckerwasser und legen Duftköder der gleichen Art,
aber ohne Futter, in verschiedenen Entfernungen aus. Die
sammelnden Bienen tanzen auf den Waben und schicken
ihre Kameraden auf die Suche nach der orangenduften-

4 Nach so entlegenen Weideplätzen fliegen die Bienen nur, wenn


sie sehr verlockend sind und an näher gelegenen Stellen nichts
Rechtes zu finden ist.

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EntFernung des Fullerplolzes yom StOCK in Kilometern

Abb. 115. Die Kurve macht anschaulich, wie das Tanztempo mit
zunehmender Entfernung abnimmt. Links: die Zahl der Schwän-
zelläufe je 1/4 Minute, unten: die Entfernung des Futterplatzes
vom Stock in Kilometern.

den Gaststätte. Bei einem solchen Versuch war der Fut-


terplatz 450 m vom Stock, und Duftplatten ohne Futter
waren in der gleichen Richtung in Abständen von 100,
250,400,500,650,900 und 1200 m ausgelegt. Bei jeder
saß ein Beobachter und verzeichnete durch 2 Stunden
jede anfliegende Biene. In Abb. 116a ist die Anzahl der
Neulinge angegeben, die an den verschiedenen Platten
erschienen sind, und die Kurve macht das Ergebnis au-
genfällig. Bei einem anderen Versuch befand sich der

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Abb. 116 a, b. Ergebnis von zwei »Stufenversuchen«. Ein Fut-


terplatz mit einigen numerischen Bienen war im 1. Versuch (a)
450 m vom Stock, im 2. Versuch (b) 2 km vom Stock eingerich-
tet. Die Zahlen bei den Kurvenpunkten geben die Anzahl der zu-
geflogenen Neulinge an den betreffenden Beobachtungsplätzen
an, wo es kein Futter gab.

Futterplatz 2000 m vom Stock, die Duftköder (Laven-


delöl) lagen in Entfernungen von 10, 100, 400, 800,
1200,1600, 1950,2050,2400,3000,4000 und 5000 m
(Abb. 116b). Die alarmierten Bienen haben über Erwar-
ten streng die Tanzanweisung befolgt und die Nachbar-
schaft der richtigen Entfernung stundenlang hartnäckig
abgesucht.

191
Woher wissen sie überhaupt, wie weit sie geflogen
sind und welche Entfernung sie also zu melden haben?
Wir verständigen uns über Entfernungen nach Metern,
zuweilen auch nach dem Zeitaufwand: »Der Ort liegt
eine Wegstunde von hier.« Bienen benützen ein völlig
anderes Maß: den benötigten Kraftaufwand. Bei unver-
ändertem Abstand des Zieles zeigen die Tänzerinnen eine
größere Entfernung an, wenn sie beim Hinflug Gegen-
wind haben, oder wenn sie einen Steilhang hinanfliegen
müssen, oder wenn sie mit einem Gewichtchen belastet
sind oder auf andere Weise eine vermehrte Arbeitslei-
stung gefordert wird. Besonders deutlich wird dieser Zu-
sammenhang durch folgenden Versuch: Man kann Bie-
nen zwingen, den Weg vom Stock zum Futterplatz zu Fuß
zurückzulegen, indem man knapp über einem Laufbrett
eine Glasplatte anbringt, die sie am Auffliegen hindert.
Auch Fußgängerinnen tanzen nach der Heimkehr. Aber
während frei fliegende Bienen bei einer Entfernung von
60-80 m vom Rundtanz zum Schwänzeltanz übergingen,
geschah dasselbe bei Fußgängerinnen schon bei einem
Zielabstand von 3--4 m. Wie steht es in beiden Fällen mit
dem Kraftaufwand? Er läßt sich an ihrem Zuckerver-
brauch messen. Und dieser lag bei einem Fußmarsch von
3--4 m gleich hoch wie bei einem Flug von 60-80 m.
Mit dieser wichtigen Erkenntnis ist aber - streng
genommen - das Problem der Entfernungsmessung nur
auf ein anderes Niveau gehoben. Es bleibt die schwierige
Frage, wie denn der Kraftaufwand während des Fluges so
genau gemessen werden kann. V. Neese hat in den letzten
Jahren die Lösung gefunden; es ist ein denkbar einfaches,
aber absolut zuverlässiges Prinzip, das die Bienen hierbei
anwenden: Vor jedem Ausflug füllt die Sammelbiene ih-
ren Honigmagen mit Reiseproviant, d.h. mit süßer Fut-
terlösung, die sie sich von den Stock bienen erbettelt.
Dabei wird die Wand der Honigblase gedehnt, also unter

192
eine gewisse Spannung gesetzt. Dieser Spannungs druck
nimmt während des Fluges dank der raschen Resorption,
d. h. dem raschen Verbrauch während des Fluges (wo-
durch die nötige Energie geliefert wird) sehr rasch ab. In
der Honigblasenwand sitzen hochempfindliche Sinnes-
zellen als Druckmesser, die die abnehmende Spannung
genau registrieren und über einen eigenen Nervenstrang,
den "Nervus recurrens«, dem Zentralnervensystem mel-
den. Die Anfangsspannung bei Beginn des Fluges wird
mit jener bei Ankunft des Zieles verrechnet; das Ergebnis
entspricht dem gelieferten Kraftaufwand.

Der Schwänzeltanz weist auch


die Richtung zur Trachtquelle

Es würde dem Bienenvolk wenig nützen, zu erfah-


ren, daß 2 km vom Stock eine Linde in Blüte steht, wenn
nicht zugleich die Richtung übermittelt würde, in der sie
zu suchen ist. Tatsächlich enthält der Schwänzeltanz
auch diesbezüglich eine Meldung. Sie ist durch die Rich-
tung des geradlinigen Schwänzellaufes gegeben.
Die Bienen gebrauchen bei der Richtungsweisung
zwei verschiedene Methoden, je nachdem, ob der Tanz-
wie es gewöhnlich zutrifft - auf der vertikalen Wabenflä-
che im Bienenstock oder aber auf einer horizontalen Flä-
che, z. B. auf dem Anflugbrettchen vor dem Stock statt-
findet. Die Richtungsweisung auf horizontaler Fläche ist
als die stammesgeschichtlich ältere zu betrachten. Sie ist
auch leichter verständlich, und so beginnen wir mit ihr.
Wir wollen uns daran erinnern, daß die Sonne als Kom-
paß benützt wird (5. 150ff.). Wenn die Sammlerin beim
Flug vom Stock zum Futterplatz die Sonne z. B. unter
einem Winkel von 40° links vor sich hatte, so hält sie nun
hernach beim Schwänzellauf diesen selben Winkel zur

193
Abb. 117. Richtungsweisung nach dem Sonnenstand beim Tanz
auf horizontaler Fläche. Links: St Stock, F Futterplatz, ----- Flug-
richtung zum Sammelplatz, rechts: Schwänzeltanz auf horizonta-
ler Fläche.

Sonne em und weist direkt nach dem Futterplatz


(Abb. 117). Die nachtrippelnden Kameraden erfassen
diesen Winkel zum Sonnenstand und, indem sie ihn bei
ihrem eigenen Ausflug einhalten, haben sie die Richtung
zur Futterquelle. Das geht aber nur, wenn die Tänzerin
die Sonne - oder wenigstens blauen Himmel (vgl.
S. 150ff. und 207ff.) - sieht, z.B. bei Tänzen auf dem
Flugbrettchen, die nicht selten vorkommen, wenn bei
warmer Witterung ein Teil der Insassen die heimkehren-
den Sammlerinnen schon vor dem Flugspalt erwartet.
Man kann auch eine Wabe aus dem Stock herausheben
und unter freiem Himmel horizontal halten. Die tanzen-
den Bienen sind nicht so leicht aus der Fassung zu brin-
gen. Sie weisen nach der Himmelsrichtung, in der sie
gesammelt haben, und versetzen wir die liegende Wabe in
Drehung, wie die Drehscheibe einer Eisenbahn, so lassen
sie sich den Tanzboden unter den Füßen wegdrehen und
halten ihre Richtung wie Kompaßnadeln. Sowie wir aber
den Himmel für ihre Augen abdecken, tanzen sie wirr
und völlig desorientiert.
Im Inneren des Bienenstockes ist es finster, vom
Himmel ist nichts zu sehen; überdies stehen die Waben-
flächen aufrecht und machen auch dadurch eine Rich-

194
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Abb. 118. Richtungsweisung nach dem Sonnenstand beim Tanz


auf der vertikalen Wabenfläche. Links ist jeweils dargestellt, wie
bei der gegebenen Lage des Futterplatzes der Schwänzeltanz auf
der vertikalen Wabe orientiert ist.

tungsweisung, wie wir sie eben kennengelernt, unmög-


lich. Unter diesen Umständen gebrauchen die Bienen die
zweite, sehr merkwürdige Methode. Sie übertragen den
Winkel zur Sonne, den sie beim Flug zum Futterplatz
einzuhalten hatten, auf die Richtung zur Schwerkraft,
wobei sie sich des folgenden Schlüssels bedienen:
Schwänzelläufe nach oben bedeuten, daß der Futterplatz
in der Richtung zur Sonne liegt; Schwänzelläufe nach
unten sagen die entgegengesetzte Richtung an; solche z.B.
60° nach links von der Richtung nach oben weisen auf
eine Futterquelle 60° nach links von der Richtung zur
Sonne hin (Abb. 118) usw. Was die Neulinge auf diese
Weise im finsteren Stock durch ihr feines Empfinden für

195
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Abb. 119. Ergebnis eines »Fächerversuchs«. St Bienenstock, F
Futterplatz. Die kleinen Quadrate bedeuten ausgelegte Duftköder
ohne Futter, die beigefügten Zahlen bedeuten den Beflug durch
Neulinge binnen 50 Minuten ab Versuchsbeginn.

die Richtung der Schwerkraft erfahren, übertragen sie


beim Ausfliegen auf die Richtung zur Sonne.
Wie wir bei der Entfernungsmeldung durch einen
»Stufenversuch« geprüft haben, ob die Weisung befolgt
wird, so machen wir nun einen »Fächerversuch«, um zu
erfahren, ob die alarmierten Tiere wirklich nach der ge-
meldeten Richtung fliegen. Als Beispiel zeigt Abb. 119
das Ergebnis eines solchen Experimentes. Beim Futter-
platz F, 600 m vom Stock, wurden einige numeri er te
Bienen auf einer duftenden Unterlage gefüttert. 550 m
vom Stock waren Duftplatten ohne Futter in Winkelab-
ständen von 15 fächerförmig ausgelegt. Die beigefügten
Zahlen geben an, wieviel Neulinge sich ab Versuchs be-
ginn binnen 50 Minuten an den Beobachtungsstellen ein-
fanden. Nur wenige sind vom rechten Weg abgewichen.
In den Tropen steht die Sonne zweimal in jedem
Jahr mittags im Zenit, also in keiner bestimmten Him-

196
melsrichtung, und es ist unmöglich, die Richtung nach
dem Ziel auf die Himmelsrichtung der Sonne zu bezie-
hen. Was machen dann die Bienen? Sie haben für das
Problem eine überraschend einfache Lösung gefunden:
Sie bleiben mittags zu Hause. Während sie sich sonst
durch die Tropenhitze nicht abhalten lassen, eine lohnen-
de Nahrungsquelle auszubeuten, legen sie eine Mittags-
pause ein, sobald sich die Sonne dem Zenitstand nähert.
Nur durch besondere Kunstgriffe lassen sie sich bewegen,
doch an den Futterplatz zu kommen - und tanzen dann
nach ihrer Rückkehr wirr nach allen Richtungen. Das
war zu erwarten und ist eine Bestätigung ihrer Orientie-
rung nach der Sonne. Unerwartet kam, daß ein Win-
kelabstand um 2-3 0 vom Zenit den Bienen bereits ge-
nügt, um die Richtung des Sonnenstandes zu erkennen
und beim Tanz korrekt anzugeben. Die Facettenaugen,
starr in der Kopfkapsel befestigt und aus Tausenden
leicht divergierender Einzelaugen aufgebaut (Abb. 75,
76,), sind als Winkelmesser hervorragend geeignet.
Im Gebirge können auch geflügelte Wesen nicht
immer auf geradem Weg ihr Ziel erreichen. Welche Geste
würden die Bienen wohl gebrauchen, um ihre Stockge-
nossen auf einem Umweg zur Futterquelle zu weisen?
Gelegenheit, um dieser Frage nachzugehen, bietet die
bucklige Gegend um den Wolfgangsee in reicher Aus-
wahl. Eines Tages wurde unser Beobachtungsstock auf
dem Schafberg hinter einem Felsengrat aufgestellt und
ein rasch angelegter Futterplatz mit gezeichneten Bienen
um die Absturzkante herum nach der Stelle geführt, die
in Abb. 120 durch ein Kreuzchen bezeichnet ist. Die Skiz-
ze Abb. 121 zeigt einen Lageplan und die Entfernung im
Versuchsgelände. Die Sammlerinnen flogen den einge-
zeichneten spitzwinkeligen Umweg hin und her, aber bei
ihren Tänzen wiesen sie nicht die Richtung ihres tatsäch-
lichen Abfluges vom Stock, auch nicht den zweiten

197
Abb. 120. Gelände des Umwegversuchs auf dem Schafberg. x
Lage des Futterplatzes. Der Beobachtungsstock stand auf der an-
deren Seite des Felsgrates in angenähert gleicher Höhe.

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\ Abb. 121. Skizze des
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\ Versuchsgeländes, auf
\ dem Schafberg. St Bie-
\ nenstock, F Futterplatz,
--------.$'"---___
--- \
\
\ ----- geflogener Umweg,
..... Luftlinie zum Ziel.

198
Schenkel der Flugstrecke - beides hätte die Kameraden in
die Irre geführt; ihr Schwänzellauf zeigte vielmehr die
Richtung der Luftlinie zum Futterplatz an, die sie niemals
geflogen waren. Nur auf solche Weise konnten sie ihre
Stockgenossen zur richtigen Stelle leiten; diese suchten in
der angegebenen Richtung und gelangten so über das
Hindernis ans Ziel. Nachdem sie dieses kennengelernt
hatten, fanden sie auch den kürzeren Weg außen um den
Grat herum. Das Verhalten der richtungsweisenden Bie-
nen war durchaus sinnvoll. Aber daß sie imstande sind,
aus dem geflogenen Umweg die wirkliche Richtung so
genau zu konstruieren, ohne Winkelmesser, Lineal und
Reißbrett, das gehört in dem an Wundern reichen Bie-
nenleben wohl zu den wunderbarsten Dingen.
Fast sah es aus, als fänden sie für jede noch so
schwere Aufgabe eine Lösung. Doch einmal wußten sie
sich nicht zu helfen. Der Stock stand unten im Inneren
des luftigen Gitterwerkes eines Funkturmes (Abb. 122).
Der Futterplatz war mit Hilfe einer Winde und eines am
Seil schwebenden Futtertischchens an die Spitze des Tur-
mes gelegt worden, genau über dem Flugloch des Hei-
matstockes. Ein Ausdruck für die Richtung »nach oben«
ist im Lexikon der Bienensprache nicht vorgesehen. In
den Wolken blühen keine Blumen. Die Sammlerinnen
von der Turmspitze wußten keine Richtung zu melden
und machten Rundtänze, die alarmierten Kameraden
suchten unten nach allen Seiten die Wiesen ab, und nicht
einer von ihnen fand hinauf an die Quelle. Als der Futter-
platz in einer Entfernung vom Stock, die der Höhe des
Turmes entsprach, auf den Wiesenboden gelegt wurde,
funktionierte die Richtungsweisung tadellos.
Bestätigt wurden diese Ergebnisse durch Versuche
an der Echelsbacher Brücke, die in einer romantischen
Schlucht sich 76 m hoch über die Ammer erhebt. Der
Bienenstock war im Gegenversuch zum Funkturm oben

199
Abb. 122. Versuch über die
Höhenweisung. St der Beob-
achtungsstock im Inneren des
Gitterwerkes eines Funkturms.
Der Futterplatz befand sich in
der Plattform an der Spitze des
Turmes.

auf dem Brückengeländer aufgestellt, unten am Ufer der


wilden Ammer sammelten die Bienen süßes Zuckerwas-
ser (Abb. 123). Ausnahmslos sahen wir oben auf der
Brücke im Stock nur Rundtänze, was bedeutete, »gleich
in der Nähe rund um den Stock werdet ihr Futter fin-
den«, aber keine der alarmierten Neulinge suchte oben
auf der Brücke, sie kamen alle nach unten und suchten

200
Abb. 123. Versuch an
der Echelsbacher
Brücke.

auf dem soliden Untergrund nach dem angekündigten


Ziel.
Das entsprechende Ergebnis hatten wir, wenn wir
den Stock unten am Ufer der wilden Ammer aufstellten;
in mühevoller, schrittweiser Kletterwanderung lockten
wir eine kleine Schar oben auf das Brückengeländer.
Auch nach stundenlanger Fütterung hier oben konnten
wir keine Neulinge registrieren, aber unten am Ufer rund
um den Stock kamen sie scharenweise. Das alles hat
seinen Sinn, denn für natürliche Trachtplätze ist eine
Weisung »oben« oder »unten« überflüssig.
Der Schwänzeltanz mit seinem gradlinig verstoßen-
den Schwänzellauf und andererseits der Rundtanz mit
seinen kreisenden Läufen scheinen mit überraschend
sinnbildlicher Deutlichkeit zur Tat aufzurufen: der eine
zum Vorstoß in die Weite, der andere zum Suchen rund
um den Heimatstock. Nach einem wohlgeregelten Sy-
stem erhalten jene, die in die Ferne sollen, genaue Anga-

201
ben über das Ziel der Reise. Aber wenn Hunderte von
Neulingen sich aufmachen und der Weisung folgen, dann
sind meistens auch einzelne da, die es anders machen;
einzelne, die bei Rundtänzen in der Ferne suchen oder bei
Schwänzeltänzen in der Nähe oder in falscher Richtung.
Ob sie die Sprache nicht verstanden haben? Oder sind es
Querköpfchen, die lieber ihre eigenen Wege gehen? Was
immer der Anlaß dieser »falschen« Handlungsweise sei,
im Geiste des Ganzen gesehen sind es recht nützliche
Sonderlinge. Denn wenn im Süden etwa ein Rapsfeld
aufblüht, dann ist es zwar gut, die Stockgenossen in
hellen Scharen rasch dorthin zu schicken, es lohnt sich
aber, gleichzeitig zu erkunden, ob nicht auch anderwärts
ein Rapsfeld seine Knospen öffnet. Jenen Sonderlingen,
die nicht dem Schema folgen, ist es zu danken, wenn alle
aufspringenden Nahrungsquellen im gesamten Flugbe-
reich dem Bienenvolk so rasch erschlossen werden.
Die Honigbiene (Apis mellifica) hat sich in ihrem
Verbreitungsgebiet in eine Anzahl geographischer Rassen
aufgegliedert. Wir haben für unsere Versuche hauptsäch-
lich die Krainer Rasse (A. m. carnica) benützt. Nur bei
dieser vollzieht sich der Übergang vom Rundtanz zum
Schwänzeltanz, wie oben angegeben, erst in einem Ab-
stand von 50 bis 100 m vom Stock, dagegen zum Beispiel
bei der italienischen Rasse (A. m. ligustica) schon bei
10-20 m Abstand. In dieser und auch in anderer Hinsicht
gibt es rassenmäßige Varianten, sozusagen Dialekte der
Bienensprache. Wenn man etwa ein Mischvolk aus Krai-
ner und Italiener Bienen zusammensetzt, so kommt es bei
den alarmierten Neulingen zu Mißverständnissen über
die angekündigte Entfernung.
Es sei aber erwähnt, daß sich die einzelnen Rassen
auch in anderer Hinsicht voneinander unterscheiden: in
ihrer Färbung, in kleinen gestaltlichen Besonderheiten, in
ihrem Sammeleifer, in der Erregbarkeit und Stechlust und

202
anderen Eigenschaften. Die in Afrika heimische Rasse
A. m. adansonii wurde wegen ihres hervorragenden Sam-
meleifers nach Südamerika eingeführt, aber wegen ihrer
Aggressivität mit sanftmütigen Rassen gekreuzt und hat
sich als Mischrasse bewährt. Im Jahr 1957 sind leider 26
reinrassige importierte Afrikaner Völker in Südamerika
entkommen und verwildert. Bei ihrem starken Schwarm-
trieb haben sie sich rasch vermehrt und bereits fast über
ganz Südamerika verbreitet. Sie sind unbeliebt, denn als
Draufgänger berauben sie die bodenständigen Völker der
Imker, töten auch deren Königinnen und besetzen die
Beuten, sind aber wegen ihrer Stechlust unerwünscht. In
Schlagzeilen der Zeitungen werden sie als »Mörderbie-
nen« gebrandmarkt.
Dies ist zweifellos stark übertrieben. Man bedenke,
daß die Afrikaner mit »ihrer« Biene seit mehr als 1 Mil-
lion Jahren friedlich zusammenleben. Sie züchten sie als
Hausbiene und vertragen sich mit ihr, weil sie eben ihre
Lebensweise also auch ihre Stechlust kennen und sich
danach richten. Sie sind besonders vorsichtig in der Nähe
ihrer Bienenstöcke, schützen sich mit Rauch und Schutz-
kleidung und stellen die Völker nicht an Orten auf, wo
viel Verkehr von Mensch und Tier sie belästigen würde.
Ohne Zweifel haben die afrikanischen Bienen in Brasilien
eine neue ökologische Nische entdeckt, die ihrer Lebens-
weise besonders zusagt und ihre Ausbreitung fördert. Sie
besiedeln vor allem die zahlreichen natürlichen Nistplät-
ze in den Galeriewäldern und in Erdhöhlen, so daß man
ihrer raschen Ausbreitung keine Grenzen setzen kann. Es
besteht aber gute Hoffnung, daß diese Bienenvölker, je
weiter sie nach Norden wandern, ihre Vitalität mehr und
mehr mindern; die strengen Winter Nordamerikas wer-
den sie in ihre Schranken weisen und ihre weitere Aus-
breitung unterbinden.

203
Die Tänze der Pollensammler
Neben dem Honig wird als zweites unentbehrliches
Nahrungsmittel Blütenstaub vom Bienenvolk gesammelt.
Auch die Pollensammler verständigen sich untereinander
über ergiebige Fundplätze, und sie tun es in derselben
Weise wie die Nektarsammler. Auch sie machen Rund-
tänze bei nahen und Schwänzeltänze bei fernen Tracht-
quellen, es gelten dieselben Regeln für die Mitteilung von
Abstand und Richtung.
Aber ein kleiner Unterschied besteht doch: Bei den
Nektarsammlern erfolgt die Verständigung über die Blu-
mensorte durch den am Körper haftenden und den in der
Honigblase eingetragenen Blütenduft (S. 174ff.). Die Pol-
lensammler tragen keinen duftenden Nektar nach Hause,
aber sie bringen im Blütenstaub einen Bestandteil der
beflogenen Blumen mit. Der Blütenstaub hat seinen spe-
zifischen Duft, deutlich verschieden vom Duft der Blu-
mensorten, und auch wieder verschieden bei jeder Blü-
tensorte. So sind die Pollenhöschen hier die duftenden
Boten. Das ergibt sich mit Gewißheit aus dem folgenden
Versuch:
Wir richten für die Pollensammler unseres Stockes
zwei Futterplätze ein; am einen Platz (R, Abb. 124) sam-
melt eine gezeichnete Schar an wilden Rosen, am anderen
Platz (G) sammelt eine zweite Schar an großen Glocken-
blumen Blütenstaub. Entfernen wir an beiden Plätzen die
Blumen und lassen eine Futterpause eintreten, so bleiben

..0
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Abb. 124. St Bienenstock,


R Futterplatz mit Rosen, G Fut-
\1 terplatz mit Glockenblumen
Ist (nähere Erklärung im Text).

204
die Sammlerinnen, nachdem sie eine Weile vergeblich
gesucht haben, daheim im Stock, und nur ab und zu
kommt eine von ihnen als Kundschafterin heraus, um zu
sehen, ob es wieder etwas gibt. Stellen wir am Glocken-
blumenplatz frische Glockenblumen auf, so macht sich
eine solche Kundschafterin sogleich ans Höseln, fliegt
heim und tanzt. Als erste reagieren auf ihren Tanz nach
einer Futterpause die Kameraden, die schon vorher an
den Glockenblumen gesammelt haben, denn der vertrau-
te Duft sagt ihnen, daß ihre Blüten wieder Pollen spen-
den; sie eilen sofort zu neuer Tätigkeit an die Glockenblu-
men, wo sich bei andauernden Tänzen dann bald auch
Neulinge einstellen. Aber die Rosensammler bleiben im
Stock, sie wissen, daß sie der Glockenblumenduft nichts
angeht.
Daraus ist noch nicht zu entnehmen, ob der Duft
der Blumenblätter oder der Pollenduft maßgebend ist.
Aber nun machen wir den Versuch anders. Wir schalten
wieder an beiden Futterplätzen eine Pause ein, dann stel-
len wir am Glockenblumenplatz Glockenblumen auf, de-
ren Staubgefäße wir entfernt und durch die Staubgefäße
von Rosen ersetzt haben (Abb. 125b). Eine Kundschafte-
rin kommt, findet am gewohnten Platz die gewohnten
Glockenblumen, schlüpft in die Blüten hinein und höselt.
Eine Biene der Glockenblumenschar höselt also am
Glockenblumenplatz in Glockenblumen Blütenstaub von
Rosen. Sie fliegt nach Hause, tanzt - und all die Kamera-
den, die seit Stunden und Tagen an den gleichen
Glockenblumen mit ihr gesammelt haben, schenken ih-
rem lebhaften Geschwänzel nicht die geringste Aufmerk-
samkeit; die Rosensammler dagegen, ihr persönlich
fremd, eilen auf sie los, beriechen ihre Höschen und
stürzen zum Flugloch hinaus, an den Rosenplatz, wo sie
zu sammeln gewohnt waren und wo sie jetzt vergeblich
nach Blüten suchen. Die Bienen haben sich narren lassen,

205
a

c
Abb. 125. a Blüte einer Glockenblume (Campanula medium),
ein Teil der Blumenkrone entfernt, um das Innere zu zeigen; der
Blütenstaub von den zurückgekrümmten Staubgefäßen bleibt
größtenteils am Griffel hängen. b Blüte der Glockenblume, die
Blütenstaub tragenden Teile entfernt und durch die Staubgefäße
einer Rose ersetzt. c Rosenblüte (Rosa moschata). d Rosenblüte,
nach Entfernung der eigenen Staubgefäße mit zwei Griffeln samt
anhaftendem Blütenstaub aus Glockenblumen versehen. st Staub-
gefäße, g Griffel.

wir aber wissen, daß nicht der Duft der Glockenblumen,


in die die Sammlerin hineingekrochen ist, sondern der
Duft des mitgebrachten Blütenstaubes, der von Rosen
stammte, entscheidend war.
Die Umkehrung des Versuches hat den entspre-
chenden Erfolg. Eine Kundschafterin, die in Rosen Pollen
von Glockenblumen sammelt, alarmiert durch ihre Tänze
die Glockenblumensammler (vgl. Abb. 125d).

206
_ Ein umlegbarer Bienenstock und
vom Nachweis der Wahrnehmung
polarisierten Lichtes
Um das Verhalten der Bienen auf horizontalem
Tanzboden genauer zu studieren, kann man einen Beob-
achtungsstock benützen, der sich umkippen läßt. Durch
Anziehen einer Flügelschraube läßt er sich auch in jeder
beliebigen Schräglage feststellen. Hat die Wabenfläche
eine Neigung von nur etwa 15° (Abb. 126), so können
die Tänzerinnen die Richtung zur Sonne durch Schwän-
zelläufe nach aufwärts und jeden gegebenen Winkel zwi-
schen Futterplatz und Sonnenstand durch einen entspre-
chenden Winkel zur steilsten Richtung nach oben auf der
schiefen Fläche noch richtig angeben. Wohlentwickelte
Sinnesorgane befähigen sie dazu, die Richtung der
Schwerkraft so genau wahrzunehmen (s. S. 14, 15).
Liegt aber die Wabe genau horizontal, so kann man
auf ihr nicht aufwärts laufen; dann versagt also die auf
S. 195 (Abb. 118) besprochene Richtungsweisung nach
der Schwerkraft. Es ist ein drolliger Anblick, wie die
Bienen unter solchen Umständen mit unvermindertem

Abb. 126. Der umleg-


bare Beobachtungsstock
in Schräglage. Selbst bei
so geringer Neigung
können die Bienen noch
nach der Richtung der
Schwerkraft tanzen.

207
Eifer weitertanzen, aber - sofern der Himmel für sie
unsichtbar ist - ohne jede Orientierung des Schwänzel-
laufes; er wechselt fortwährend und ganz ungeordnet
seine Richtung. Sobald man den Tänzerinnen die Sinne
oder ein Stück blauen Himmels sichtbar macht, sind die
Tänze orientiert und weisen direkt nach dem Futterplatz
(vgl. S. 193ff.).
Es war schon davon die Rede, daß die überraschen-
de Einstellung nach dem blauen Himmel auf die Polarisa-
tion des Himmelslichtes zurückzuführen ist (S. 135ff.).
Wir wollen noch berichten, auf welche Art man das
beweisen kann.
Abbildung 127 zeigt den Beobachtungsstock in ho-
rizontaler Lage. Die Glasscheibe über der Wabe ist mit
einem Brett bedeckt, in das ein viereckiges Fenster ge-
schnitten ist; darüber liegt in einem kreisrunden, drehba-
ren Rahmen eine große Polarisationsfolie (S. 130f.). Beim
Versuch ist der Stock von drei Seiten umbaut, die Tänze-
rinnen sehen von der Wabe aus durch das Fenster im
Brett und durch die Folie nur ein begrenztes Stück blauen
Himmels. Das polarisierte Himmelslicht hat, wie uns
bereits bekannt ist, an jeder Stelle eine bestimmte Schwin-
gungsrichtung (Abb. 88, S. 135). Diese kann man durch

Abb. 127. Der Beob-


achtungs stock horizon-
tal gelegt und mit der
drehbaren Polarisations-
folie bedeckt.

208
eine Polarisationsfolie ändern, da diese allen Lichtstrah-
len, die durch sie hindurchgehen, eine bestimmte Schwin-
gungsrichtung aufzwingt. Stellen wir nun die drehbare
Folie über den tanzenden Bienen so ein, daß die hin-
durchgehenden Lichtstrahlen die Schwingungsrichtung
des gezeigten Himmelsortes beibehalten, so tanzen die
Bienen richtig weiter und weisen nach dem Futterplatz.
Drehen wir aber die Folie und ändern hiermit die Schwin-
gungsrichtung des polarisierten Lichtes, so weichen die
Bienen im Sinne der Drehung ab und weisen nach einer
falschen Richtung.
Um diesen Zusammenhang genauer zu prüfen, neh-
men wir die Sternfolie zu Hilfe (S. 136, Abb. 90). Be-
trachten wir durch sie den blauen Himmel, so erhalten
wir rasch und eindrucksvoll Aufschluß über die Schwin-
gungsrichtung des polarisierten Lichtes an den verschie-
denen Himmelsstellen (Abb. 91, S. 137). Ein Beispiel
mag das Prinzip der Versuche klarmachen; zum leichte-
ren Verständnis wählen wir möglichst einfache Verhält-
msse:
Der Futterplatz lag im Westen, 200 m vom Stock.
Die Tänzerinnen hatten durch das Fenster Ausblick nach
blauem Himmel im Westen, also in der Richtung zum
Futterplatz. Neben dem Beobachtungsstock wurde eine
Sternfolie aufgestellt und mit einem Winkel von 45°
schräg nach oben gegen den Westhimmel gerichtet, wie
diesen auch die Bienen durch das Fenster sahen. In der
Sternfolie zeigt sich daselbst das Muster M1 (Abb. 128).
An keiner anderen Stelle bot sich in der Sternfolie dassel-
be Muster. Unterwegs zum Futterplatz hatten die Bienen
also vor sich die Schwingungsrichtung polarisierten Lich-
tes, welche diesem Muster entsprach. Gleichzeitig sahen
sie natürlich am übrigen Himmel andere Schwingungs-
richtungen verwirklicht. Beim Tanz orientierten sie die
Schwänzelläufe korrekt in der Richtung auf das Polarisa-

209
.sI
... Fvllerplalz
Tanz

tf,

... Fullerplalz
-----

.------
Full8rplatz c

Abb. 128 a - c. Versuchsbeispiel zum Nachweis der Orientierung


nach der Polarisation am blauen Himmel: a Beim Flug vom Stock
zum westlich gelegenen Futterplatz sehen die Bienen vor sich po-
larisiertes Licht, das in der Sternfolie das Muster Ml erzeugt.
Beim Tanz auf der horizontalen Wabe haben sie freien Blick nur
nach Westen und weisen zutreffend in diese Richtung. b Durch
eine Polarisationsfolie über der Wabe wird die Schwingungsrich-
tung für die Tänzerinnen entsprechend dem Muster M2 in der
Sternfolie geändert, womit die Tanzrichtung um 350 nach links
umschlägt. cDieses Muster wird beim Absuchen des Himmels mit
der Sternfolie nur 34 0 nördlich von West gefunden. Als den Tän-
zerinnen die entsprechende Schwingungsrichtung im Westen ge-
zeigt wurde, wiesen sie 35 0 südlich von West, also mit einem Feh-
ler von nur 1 richtig mit Bezug auf die verlagerte
0

Schwingungsrichtung.

210
tionsmuster im Westen, das sie auch beim Flug zum
Futterplatz vor sich gesehen hatten. Sie tanzten ebenso
richtig, als die große runde Polarisationsfolie in solcher
Stellung über die Wabe gelegt war, daß die Schwingungs-
richtung des polarisierten Lichtes unverändert blieb. Die-
se Stellung ließ sich vermittels der Sternfolie leicht finden,
wenn man auf sie eine zweite, drehbare Folie (Deckfolie)
auflegte.
Nun wurde die Folie über dem Beobachtungsstock
um 30° entgegen dem Uhrzeigersinn gedreht. Sofort än-
derte sich die Tanzrichtung der Bienen und wies 35°
südlich von West. Wenn vor der Sternfolie die Deckfolie
in die gleiche Stellung gebracht wurde wie die Folie über
dem Bienenstock, zeigte sich im Westen das Muster M2-
(Abb. 128b). Beim Absuchen des blauen Himmels mit
der Sternfolie (jetzt ohne Deckfolie) fand sich dieses Mu-
ster nur 34° nördlich von West (Abb. 128c). Beim freien
Flug zum Futterplatz hatten sich die Bienen angesichts
des ganzen Himmelszeltes 34° nach links von diesem
Schwingungsmuster zu halten. Als es nun bei beschränk-
tem Ausblick für die Tänzerinnen der einzige Anhalts-
punkt war, lag der Durchschnittswert der gemessenen
Tänze mit 35° fast genau richtig (mit einer Abweichung
von 1°), wobei offen bleibt, wie weit die Ungenauigkeit
der Bienen oder der Messung zuzuschreiben ist.
Durch künstliche Verlagerung des Polarisationsmu-
sters am Himmel läßt sich also die Richtungsweisung der
Bienen entsprechend ändern. Nachdem sich in nahezu
100 mannigfaltig abgeänderten Versuchen grundsätzlich
immer dasselbe gezeigt hat, war nicht mehr daran zu
zweifeln, daß sich die Bienen nach dem polarisierten
Himmelslicht orientieren können.

211
- Tänze auf der Schwarmtraube
Bienen können durch ihre Tänze auch andere Ziele
bekanntgeben als Nektar- und Pollenquellen: z.B. eine
geeignete Pfütze zur Beschaffung von Wasser (S. 45) oder
einen Platz, wo man an Baumknospen Kittharz sammeln
kann, um das Innere des Stockes abzudichten und zugige
Spalten zu verschließen. Von besonderem Interesse sind
die Tänze von Bienen, die auf Wohnungssuche waren
und dem Bienenschwarm die Lage einer Niststätte be-
kanntgeben.
Diese Wohnungssuche eines Bienenschwarmes ha-
ben wir genauer untersucht und sind dabei den Bienen
auf ein Geheimnis gestoßen, das für das harmonische
Zusammenleben einer Tiergemeinschaft (und auch für
den Menschen) von höchstem, ja lebenswichtigem Inter-
esse ist. Jene Spurbienen, die eine günstige Niststätte
gefunden haben, melden diese auf der Schwarmtraube
durch die gleichen Tänze an wie erfolgreiche Sammelbie-
nen. Andere Bienen in der Schwarmtraube lassen sich
durch diese Tänze alarmieren, fliegen ab und inspizieren
die angekündigte Niststätte. Wenn sie ihnen geeignet er-
scheint, fliegen sie zur Traube zurück und werben eben-
falls durch ihre Tänze für diesen Nistplatz. Wir haben
diese Tänzerinnen mit einem Farbtupfen markiert und
machten dabei eine sehr überraschende Feststellung: Da
wird nicht nur ein einziger Nistplatz von den Spurbienen
vermeldet, vielmehr gehen hintereinander Meldungen
von verschiedenen Entfernungen und Richtungen ein.
Abbildung 129 bringt ein Beispiel: Der Schwarm war am
26. Juni 13.35 Uhr aus dem Mutterstock ausgezogen; bis
15 Uhr konnten wir zwei Tänze von Spurbienen registrie-
ren, der eine zeigte einen Nistplatz in 300 Meter im
Südosten an, ein zweiter Tanz wies 1400 Meter nach
Norden. Der Schwarm zog aber nicht gleich ab, sondern

212
l 4. Y/ lJ l1.

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Abb. 129. Protokoll über die Einigung auf der Schwarmtraube


über einen der angebotenen Nistplätze. Die Pfeile geben maßstab-
gerecht Richtung und Entfernung an, die Zahl über dem Pfeil
nach Ost-Süd-Ost entspricht der Anzahl der tanzenen Spurbienen
für diesen Nistplatz.

213
blieb über Nacht an der alten Stelle hängen. Von 12 Uhr
bis 17 Uhr wurden 6 weitere Niststätten durch Tänze
angekündigt; am 28. Juni war das Wetter sehr regne-
risch, aber der Schwarm blieb an der alten Stelle hängen,
wobei die Außen bienen sich wie Dachziegel übereinander
legten und das Regenwasser abtropfen ließen. Der
29. Juni brachte wiederum neue Medungen von anderen
Nistplätzen; insgesamt waren es in den 5 Tagen, die der
Schwarm an der ersten Anlegestelle verbrachte, 21 ver-
schiedene Angebote, die als neuer Wohnsitz zur Wahl
standen. Daß sich ihre Tänze auch wirklich auf Nistplät-
ze bezogen und nicht auf eine gute Blütentracht, konnte
man ohne weiteres dadurch feststellen, daß die Tänzerin-
nen oft mit allerlei Staub bedeckt zurückkamen, die einen
von einer Erdhöhle, die anderen von einem Mauerloch
einer Ruine - sie waren mit rotem Ziegelstaub bedeckt; in
einem Fall kam die Spurbiene offenbar aus einem leeren
Kamin zurück, der im Sommer nicht benutzt wurde, sie
war um und um mit Ruß eingestaubt.
Damit kommen wir zu der sehr ernsten und schwie-
rigen Frage: Welcher von den angebotenen Nistplätzen
soll ausgewählt werden? Der Schwarm muß ja als Ganzes
umziehen und kann sich nicht in einzelne kleine Gruppen
aufteilen, weil ja nur eine Königin zur Verfügung steht.
Zunächst werden wir fragen, ob eine Einigung
überhaupt zustandekommt: Da waren wir immer wieder
erstaunt, daß der Schwarm oft tagelang, in einigen Fällen
sogar bis 2 Wochen, an seinem ersten Anlegeplatz ver-
blieb; auch ein Gewittersturm oder eine längere Regenpe-
riode konnte ihn nicht zum Umzug veranlassen. Es mußte
in der Tat zunächst Einigung über einen der angebotenen
Nistplätze zustandekommen. Wie Abb. 129 zeigt, melde-
ten die tanzenden Spur bienen in den ersten Stunden und
Tagen Nistplätze in verschiedener Richtung und Entfer-
nung an, nach und nach konzentrierte sich aber die Zahl

214
der Tänze auf einen bestimmten Nistplatz, während die
Meldungen für andere Entfernungen und Richtungen im-
mer mehr abnahmen. Am Ende konnten wir für den
bevorzugten Nistplatz ein Dutzend Bienen oder gar mehr
registrieren, die immer in die gleiche Richtung und Ent-
fernung zeigten. Erst nachdem diese Einigung eindeutig
war, wurde durch aufgeregte Schwirrläufe das Zeichen
zum Abflug gegeben. Die Schwarmtraube löste sich in-
nerhalb von wenigen Sekunden auf und flog in die Rich-
tung, wie die Tänzerinnen dies angezeigt hatten.
Ehrlicherweise müssen wir aber zugestehen, daß
diese Einigung in einigen - wenigen - Fällen große
Schwierigkeiten bereitete: Dies war dann der Fall, wenn
das Interesse der Spur bienen sich gleichmäßig auf 2
Nistplätze konzentrierte; da war es dann offenbar beson-
ders schwierig, eine der Gruppen zum Nachgeben zu
zwingen. Aber auch in diesen Fällen mußte die Einigung
zustandekommen, ehe der Schwarm aufflog.
Es soll nicht unerwähnt bleiben, daß in jenen Fäl-
len, wo die Einigung sehr lang andauerte - mehr als eine
Woche -, der Schwarm Anstalten machte, sich an der
ersten Anlegestelle seßhaft zu machen. Wie Abb. 48
zeigt, wurden dann im Zentrum der Schwarmtraube erste
Waben angelegt, in denen wir bereits abgelegte Eier fest-
stellen konnten. Damit übernehmen unsere Bienen offen-
bar eine Gewohnheit ihrer Schwesterarten in Südostasi-
en, wo die Zwerghonigbiene und die Riesenhonigbiene
unter den günstigen klimatischen Verhältnissen ständig
im Freien nisten.
Nun bleibt aber noch die Frage zu beantworten,
wie denn im Normalfall die Einigung unter den angebo-
tenen Nistplätzen erfolgt. Wer trifft da die Wahl? Um es
gleich vorwegzunehmen: Die Königin hat kein Stimm-
recht in dieser Angelegenheit. Man kann sie ohne weite-
res während der Debatte um die Nistplätze in einen Käfig

215
sperren, so daß sie keinen Kontakt mit den tanzenden
Spurbienen hat; die Einigung kommt auch in diesen Fäl-
len zustande. Um es kurz zu sagen: Die Entscheidung
wird ausschließlich von den Spurbienen selbst getroffen,
und zwar fällt sie immer auf den besten der angebotenen
Nistplätze. Wir haben einen Schwarm auf einer kleinen
Insel in der Nordsee ausgesetzt und ihm künstliche
Nistplätze angeboten. Da zeigte sich, daß die Spurbienen
die Qualität eines Nistplatzes nach verschiedenen Fakto-
ren beurteilen: Er soll wind geschützt sein, darf bei Regen
nicht durchnäßt werden, er soll gut gegen Temperatur-
wechsel isoliert sein - Bauten aus Holz oder eine Baum-
höhle werden da bevorzugt -. Die Raumgröße sollte der
Stärke des Schwarmes angepaßt sein - das Optimum für
einen normalen Schwarm lag bei etwa 25 Liter Raumin-
halt; auch die Entfernung des zukünftigen Nistplatzes
vom Mutterstock spielt eine Rolle, er soll nicht zu nahe
liegen, dadurch wird die Konkurrenz mit dem Mutter-
volk ausgeschaltet. Eine zu weite Reise würde anderer-
seits der Königin beim Umzug Schwierigkeiten bereiten.
In etwa liegt das Optimum bei 300 bis 500 Meter Entfer-
nung. In minutenlangen Inspektionen am zukünftigen
Nistplatz werden alle diese Faktoren geprüft; je nach der
Güte dieses Nistplatzes werden dann die Tänze auf der
Schwarmtraube entsprechend intensiv und ausdauernd
sein. Ganz im Gegensatz zu Trachtbienen kann ein Tanz
der Spurbienen nicht nur einige Minuten, sondern sogar
Stunden dauern. Was besonders eindrucksvoll war: Jene
Spurbienen, die mittelmäßige oder minderwertige
Nistplätze anzukündigen hatten, interessierten sich auch
für die lebhaften Tänze ihrer anderen Gruppe, inspizier-
ten auch diese anderen Nistplätze und ließen sich - in
vorbildlicher demokratischer Einstellung - für diesen
besseren Nistplatz umstimmen. Nur auf solche Weise
war ja eine Einigung möglich.

216
Abb. 130. Der
Nistplatz Ost-Süd-Ost
in 300 m Entferung.
Wir hatten ihn auf-
grund der Meldungen
der Spurbienen bereits
vor Einzug des Schwar-
mes entdeckt.

Diese Fähigkeit der Bienen, einen Nistplatz nach


seiner Qualität sicher zu beurteilen, ist den Bienen voll
und ganz angeboren. Was dabei unsere besondere Be-
wunderung verdient, ist die Tatsache, daß - ohne jede
vorherige Erfahrung - eine Trachtbiene, die vorher die
Qualität des eingetragenen Nektars zu beurteilen hatte,
über Nacht zur Spurbiene wird und jetzt völlig andere
Kriterien für die Auslösung ihrer Tänze zu übernehmen
hat. Der Sozialverband fordert mit dem Auszug des
Schwarmes aus dem Mutterstock eine radikale Umstim-
mung in dem komplizierten Verständigungssystem durch
die Tänze: Richtungs- und Entfernungsangaben für die
Lage eines Zieles bleiben zwar die gleichen. Aber daß sich
eine Spurbiene über Nacht vom Besuch der sonnenbe-
schienenen Apfelblüten auf die Inspektion einer finsteren

217
Erdhöhle umstellen kann, ist eine erstaunliche soziale
Leistung.
Die Untersuchungen mit den Schwarmbienen ha-
ben uns nebenher ein Erlebnis geschenkt, das überzeu-
gend nachweist, daß wir die Information, die durch den
Bienentanz abgegeben wird, richtig interpretieren. In 4
Fällen war es nämlich möglich, den Nistplatz, den die
Spurbienen durch ihre Tänze angekündigt hatten, schon
vor Umzug des Schwarmes aufzufinden. Wir hatten die
Entfernungs- und Richtungsangabe der Spurbienen in ein
Meßtischblatt eingetragen, und nachdem die tanzenden
Bienen auf der Schwarmtraube mit Farbtupfen markiert
waren, gingen wir auf Suche nach dem angekündigten
Ziel. Wir sahen die markierten Spurbienen dann am
Nistplatz aus- und einfliegen. Als dann der Schwarm die
ersten Anzeichen zum Aufbruch gab, liefen wir schnell zu
dem angekündigten Nistplatz und waren schon da, um
den Schwarm zu empfangen und seinen Einzug in den
Nistplatz mitzuerleben (Abb. 130).

Ein künstliches Bienenmodell


alarmiert andere Volksgenossinnen

Dies war ein Wunschtraum seit vielen Jahrzehnten


für die Bienenforscher: Sollte es gelingen, mit einem
künstlichen Bienenmodell den Schwänzeltanz zu simulie-
ren und erfolgreich auf das angekündigte Ziel hin hinaus-
zuschicken, dann ließe sich in allen Einzelheiten prüfen,
welche Komponenten des Schwänzeltanzes von den
Nachtänzerinnen für die Richtungs- und Entfernungs-
weisung genutzt werden. Auch mußte sich zeigen, ob die
These von unseren amerikanischen Kollegen Wenner und
Johnson zu Recht besteht, daß die Richtungs- und Entfer-

218
nungsweisung im Schwänzeltanz vom Gefolge nicht be-
folgt wird, sondern nur Duft für die Zielfindung gilt.
Daß frühere Versuche ohne Erfolg geblieben wa-
ren, lag vor allem daran, daß das Bienenmodell die
Schallsignale, wie wir sie in den letzten Jahren in allen
Feinheiten analysiert hatten, nicht ausstrahlte. Es war die
enge Zusammenarbeit mit dem Arbeitsteam von Axel
Michelsen in Dänemark, wobei der Bioakustiker, der
Computerfachmann, der Elektroingenieur und der Biolo-
ge jeweils ihre Kenntnisse einbrachten, was schließlich
zum Erfolg führte.
Die künstliche Biene, ein Messingklümpchen, kaum
größer als eine normale Biene, ist am Ende einer dünnen
Metallstange aufgehängt und wird von einem Hilfsmotor
in eine 8-Figur (wie bei einem normalen Schwänzeltanz)
gedreht. Dieser Tanzfigur muß dann noch die horizontale
Schwänzelbewegung während der Schwänzelphase auf-
gelagert werden: dies kontrolliert ein x-y-Schreiber. Um
auch die richtigen Tanzlaute in der rechten Phase des
Schwänzeltanzes an der richtigen Stelle einzufügen, wur-
de als Flügelersatz ein winziges Stück einer Rasierklinge
eingesetzt. Es ruht auf einem Diamantlager und wird von
einem Elektromagneten über einen zweiten Hilfsmotor
so in Schwingung versetzt, daß es wie eine echte Tänzerin
Laute von 260 Hz nach hinten und zu den Seiten in
entsprechender Intensität abstrahlt. Ein Computer über-
wacht laufend diese Flügelbewegungen - eine Meisterlei-
stung der Ingenieure in Dänemark!
Um den Tanzablauf möglichst naturgetreu zu simu-
lieren, war aber noch eine weitere Einrichtung zu ergän-
zen: Wie schon erwähnt, fordern die Nachtänzerinnen
durch Bettellaute die tanzende Biene zwischendurch auf,
Nektarproben abzugeben. Diese Kostproben werden von
unserem Roboter an seinem Vorderende in einer feinen
Spritze angeboten, die durch einen Kolben tröpfchenwei-

219
se Zuckerwasser, dem ein spezifischer Blütenduft beige-
geben war, jede Minute an das Tanzgefolge abgibt.
Dann war noch eine weitere Maßnahme zu beach-
ten: Das Modell muß laufend und peinlich genau so
justiert werden, daß die Schwänzelachse dem jeweiligen
Sonnenstand entsprechend winkelgetreu im Schwerefeld
eingestellt wird. Dabei muß der Winkel zwischen Flug-
bahn und dem jeweiligen Sonnenstand ins Schwerefeld
transportiert werden.
Um ehrlich zu sein: Auch unsere Versuche mit die-
ser Modellbiene brachten zunächst große Enttäuschung.
Zwar interessierten sich einige Bienen auf der Wabe für
das tanzende Modell, sie verfolgten es auch kurz, dann
aber attackierten sie es beißend und knäuelten es ein.
Unsere Roboterbiene war ein fremder Eindringling, der
wie üblich aus dem Stock gejagt werden mußte.
Erst als wir dieses Messingklümpchen mit einer
Schicht Bienenwachs überzogen und dann noch über
Nacht im Versuchsvolk unterbrachten - so daß es den
Stockduft annehmen konnte -, war der Bann gebrochen:
Wir konnten mit Erstaunen und Erleichterung feststellen,
daß jeweils 2 bis 5 Bienen interessiert und ausdauernd
den Tanzfiguren folgten. Eine Alarmierung schien also
gesichert. Würden die Nachtänzerinnen auch die Anwei-
sung dieser künstlichen Biene befolgen?
Wir simulierten mit unserem Bienenmodell einen
Tanz, der ein Ziel in 370 m Entfernung im Süden anzeig-
te. Draußen im freien Gelände saß bei 370 m ein Beob-
achter; neben ihm am Boden war ein Holzbrettehen aus-
gelegt, 10 x 10 cm, das mit Filterpapier überzogen war;
es war mit einem Tropfen Pfefferminzöl getränkt, zeigte
also den Duft an, den unser Bienenmodell während der
Tanzpausen in den abgegebenen Zuckerwassertropfen
anbot. Um herauszufinden, ob wirklich die Richtung an-
gezeigt wurde, waren in sieben weiteren Richtungen, also

220
im SO, 5, SW, W, NW ebenfalls Beobachter aufgestellt,
auch hier konnte das beduftete Holzbrettchen die Neu-
linge anlocken. Der Erfolg der Richtungsweisung durch
die Roboterbienen war eindeutig und überzeugend: In 2
Versuchen von jeweils 3 Stunden Dauer kamen insgesamt
55 Bienen an unsere 8 Duftplatten; davon registrierten
wir 42 in der richtigen Richtung. nämlich im 5, nur 13
verteilten sich auf die sieben übrigen Duftplatten, die
Mehrzahl davon an den benachbarten Platten S0, SW
undW.
Um die Entfernungsweisung durch das Bienenmo-
dell zu testen, wurde auf 250 m alarmiert, Kontrollplat-
ten lagen dann bei 50, 100,500,1000 und 1500 m. Auch
hier war eindeutig, daß die Nachtänzerinnen die Infor-
mation über die Entfernungsangabe befolgten.
Wir sollten aber in aller Bescheidenheit zugeben,
daß der gesamte Alarmierungserfolg unseres Bienenmo-
dells mit jenem einer normalen Tänzerin nicht konkurrie-
ren kann. Wir erreichten bis jetzt bestenfalls 10 % an
erfolgreich alarmierten Neulingen. Offenbar bedarf es
noch erheblicher Verbesserungen: Die Tanzbewegungen
sind noch zu grobschlächtig, was zur Folge hat, daß die
Nachfolgerinnen immer wieder recht unsanft zur Seite
gestoßen werden. Diese verlieren dabei den Kontakt mit
der Tänzerin; eine genaue Informationsübermittlung
wird dadurch natürlich unmöglich. Vor allem bei der
Entfernungsweisung scheinen noch Verbesserungen nötig
zu sein. Vielleicht ist der Schnarrlaut noch nicht exakt
genug mit den Schwänzelbewegungen synchronisiert. Es
ist auch nicht ausgeschlossen, daß das Modell durch
seine kühle Temperatur abschreckt; eine Arbeitsgruppe
in Graz teilt mit, daß die Tänzerin eine um 5° erhöhte
Körpertemperatur zeigt; es ist nicht auszuschließen, daß
eine aufgewärmte Tänzerin die umstehenden Bienen bes-
ser zur Nachfolge stimuliert.

221
Das eigentliche Ziel unserer Untersuchungen ist
aber nicht eine gen aue Simulation einer natürlichen Tän-
zerin dergestalt, daß wir mit ihr in jeder Hinsicht konkur-
rieren können. Unser Anliegen ist letztlich, daß wir durch
Manipulation an unserem Modell die verschiedenen Pa-
rameter des Bienentanzes in ihrer Funktion und Gewich-
tung besser verstehen lernen. Erste aufschlußreiche
Schritte in dieser Richtung sind gemacht: Wenn während
des Schwänzellaufes entweder der Schnarrlaut weggelas-
sen wurde oder das Schwänzeln unterblieb, dann blieb
der Rekrutierungserfolg der Tänze aus. Wenn der
Schnarrlaut nicht pulsartig geboten wurde, sondern als
Dauersignal, hatten wir ebenfalls keinen Erfolg in der
Alarmierung.
In einem weiteren Versuch zeigte unser Modell
250 m durch die Dauer des Schwänzellaufes an, aber
1500 m durch die gesamte Umlaufzeit gemeinsam mit
dem Rundbogen. Im Gegenversuch war der Schwänzel-
Iauf auf 1500 m, die gesamte Umlaufzeit aber auf 250 m
eingestellt. In bei den Fällen suchten die alarmierten Neu-
linge jene Entfernung auf, die durch den Schwänzellauf
angezeigt worden war. Damit ist gezeigt, daß dem
Schwänzellauf das Hauptgewicht für die Entfernungs-
weisung zukommt.
Aber auch der Schwänzellauf allein ist ein sehr
komplexes Signalgefüge. Man kann sich fragen, ob die
Nachfolgerinnen die Dauer der Schwänzelbewegung
oder die Dauer der Schallproduktion messen. Wir haben
diese Frage gesondert geprüft, indem wir vom Modell
durch die Dauer des Schwänzellaufes 1500 m anzeigen
ließen, die Schallproduktion wurde aber so weit verkürzt,
daß sie nur 250 m anzeigte; im Gegenexperiment wurde
entsprechend eine verkürzte Schwänzelbewegung gebo-
ten, so daß nun die Schwänzelbewegung 250 m, die
Tanztöne 1500 m Entfernung anzeigten. Zu unserer

222
großen Überraschung suchten in beiden Fällen die Bienen
in der größeren Entfernung nach Futter. Offenbar sind
beide Signale, nämlich das Schwänzeln und die Schall-
produktion, für eine exakte Entfernungsweisung nötig;
stumme Tänze haben überhaupt keine Alarmwirkung,
genauso wie jene Tänze ohne Schwänzelausschläge. Man
darf aus diesen Untersuchungen schließen, daß nicht ein-
zelne Parameter des Schwänzeltanzes für die Richtungs-
und Entfernungsweisung maßgebend sind, sondern daß
der gesamte Komplex der beschriebenen Signale als Ein-
heit geboten werden muß. Ein verstümmelter Tanz wird
von den Nachfolgerinnen nicht mehr verstanden.
Unsere Hoffnung ist, daß wir durch weitere Varia-
tion, also durch Verstärkung oder Minderung der einzel-
nen Signale, über die Gewichtung der einzelnen Parame-
ter genaueres herausfinden können; vielleicht gelingt es
auch, durch unsere Roboterbiene etwa über die Rentabi-
lität der aufgefundenen Futterstelle eine Information zu
vermitteln.

Bienen tanzen im Dienste


der Imkerei und Landwirtschaft

Wer fremde Länder und Völker besucht und deren


Sprache beherrscht, wird besser fahren und mehr errei-
chen als ein der Landessprache unkundiger Begleiter.
Nicht anders ergeht es dem Imker im Verkehr mit seinen
Bienenvölkern. Die Kenntnis ihrer »Sprache« bietet ihm
die Möglichkeit, sie seinen Absichten besser dienstbar zu
machen.
Wenn der Sommer kommt, ist die Zeit der üppigen
Trachten vorbei. Wohl blüht noch mancherlei, aber die
Nektarbrünnlein fließen nicht mehr so reich wie einige
Wochen zuvor. Der erfahrene Imker weiß, daß ihm etwa

223
die Kohldisteln, die jetzt auf vielen Wiesen zu Hundert-
tausenden ihre hohen, von grünen Hüllblättern umgebe-
nen Blütenköpfchen zum Himmel strecken, noch man-
ches Pfund Honig einbringen könnten. Doch ist kein
rechter Zug mehr in der Sammeltätigkeit der Völker.
Man sieht vorwiegend Hummeln an den Distelköpfen
beschäftigt. Sie sind durch ihren längeren Rüssel gegen-
über den Bienen im Vorteil, und diesen ist der Nektar
nicht reichlich genug, um durch Tänze Verstärkung her-
beizuholen. Der Bienenvater sieht mißfällig zu - wie
könnte er seinen Immen sagen, daß sie nicht untätig
daheim sitzen sollen, und daß es immerhin noch loh-
nend wäre, aus den Distelköpfen herauszuholen, was da
ist?!
Er kann es ihnen sagen, wenn er mit ihnen zu reden
versteht. Er braucht nur einige Bienen seiner Völker mit
etwas Honig und Zuckerwasser an einen Distelstrauß zu
locken und auf den Distelblüten mit aufgetropftem
Zuckerwasser zu füttern, so tanzen sie daheim und ver-
künden zugleich durch den mitgebrachten Blütenduft die
Quelle ihres Erfolges und das Ziel ihres alarmierenden
Aufrufes. Bald fliegen die Kameradinnen aus und suchen
den verheißungsvollen Distelduft. Der Beflug der Kohldi-
steln läßt sich so auf ein Vielfaches steigern.
Für die Praxis hat man das Verfahren in verschiede-
ner Weise abgeändert und einfacher gestaltet. Statt die
Bienen auf Distelblüten zu füttern, kann man ihnen im
Stock eine nach Disteln duftende Zuckerlösung reichen.
Eine solche erhält man, wenn man Distelblüten für einige
Stunden in Zuckerwasser legt. Andere Blütensorten, de-
ren Duft durch das Bad im Zuckerwasser verändert wird
und dann seinen Zweck nicht mehr erfüllt, bringt man
trocken in ein Futterkästchen mit etwas Zuckerwasser
vor den Flugspalt des Bienenvolkes. Fortschrittliche Im-
ker konnten so mit geringer Mühe bei Disteln wie bei

224
anderen Trachtpflanzen noch erhebliche Honigernten er-
zielen, zu Zeiten, da ihre Nachbarn leer ausgingen.
Auch der Landwirt hat nicht selten den Wunsch,
die Bienen auf eine bestimmte Trachtpflanze hinzulen-
ken, um deren Bestäubung und Samenansatz zu verbes-
sern. So ist bei einer unserer wichtigsten Futterpflanze,
dem Rotklee, die Gewinnung des für den Anbau notwen-
digen Samens eine unzuverlässige Sache. Der Nektar die-
ser Hummelblumen ist für Bienen nicht voll auszuschöp-
fen, weil ihr Rüssel zu kurz ist, um bis auf den Grund der
Blumenröhrchen vorzudringen. Wo der Rotklee feld-
mäßig angebaut wird, ist die Zahl der Hummeln zu ge-
ring, um die Millionen von Einzelblüten zu bestäuben.
Die Bienen zeigen keine Lust, die für sie wenig ergiebigen
Kleefelder zu befliegen, und wenden sich lieber besseren
Trachtquellen zu. Die Folge ist eine schlechte Samenern-
te, wenn nicht - in seltenen Jahren - der Rotklee über-
reich Nektar absondert und dann auch von Bienen ent-
sprechend beflogen wird. Diesem Übelstand kann abge-
holfen werden. Man stellt Bienenvölker an den
Rotklee feld ern auf, alarmiert sie in der geschilderten
Weise auf Rotkleeduft und erreicht dadurch eine derarti-
ge Steigerung des Befluges, daß die Samenerträge durch-
schnittlich um 40% höher geworden sind. Die nunmehr
zuverlässigen Ernten haben erfahrene Samenbauer in
Rotkleegebieten rasch für das neue Verfahren der »Duft-
lenkung« erwärmt. Heute erst an wenigen Stellen geübt,
wird es größere Verbreitung finden, wenn die Not zu
intensiver Ausnutzung des Bodens zwingt. Denn die ge-
ringe Mühe, die Bienen in ihrer eigenen »Sprache« zur
Arbeit anzuweisen, hilft dem Imker seine Honigeimer
füllen und bringt dem Landwirt reichen Gewinn.

225
_ Heilkraft aus dem Bienenvolk
In den letzten Jahren mehren sich Angaben über
überraschende Heilerfolge durch das sog. Propolis, das
sich als wirksames Antibiotikum erweist. Eine Bienen-
wohnung, in der auf engstem Raum 60000 bis 100000
Individuen zusammenleben, ist ein idealer Nährboden
für Pilze und Bakterien, die sich bei der Stockwärme von
35°C und geregelter Feuchte wohlfühlen müßten. Mit
der Hygiene im Haushalt der Bienen kann jedoch keine
Wohnung, nicht einmal eine moderne Klinik konkurrie-
ren: Wände, Bodenbrett, sogar alle Wabenzellen werden
- wie schon auf S. 4 erwähnt - mit einem firnisartigen
Belag, der Propolis, überzogen. Propolis ist eine harzige
Masse, die die Bienen von den Blattknospen und der
Rinde von Bäumen abnagen, mühsam in ihren Pollen-
körbchen stauen und dann noch mit allerlei noch weitge-
hend unbekannten Drüsensekreten vermengen. Mit die-
ser Propolis wird also der ganze Stock austapeziert. Auch
Ritzen und Löcher werden damit abgedichtet und so der
Wärmeverlust durch Zugluft verhindert.
Der Name Propolis ist aus dem Griechischen über-
nommen und bedeutet »vor der Stadt«; der Name ist
wohl geprägt von den Imkern, die feststellten, daß bei
den altertümlichen Bienenstöcken das Flugloch regel-
mäßig mit einem Wall von Kittharz eingeengt wurde; die
Bienen schützten sich dadurch mit einer » Verteidigungs-
mauer«, die sie »vor der Stadt« aufrichteten.
Die antibiotischen Eigenschaften sollen durch Fla-
vonoide, vor allem Galangin und Citrin bewirkt werden;
daneben hat man auch Sorbinsäure, Quercetin, Vanadin
u.a. gefunden.
Bereits bei Plinius und in alten Kräuterbüchern
wird auf die Heilwirkung durch Propolis bei Entzündun-
gen aller Art hingewiesen. Russische Ärzte haben im

226
Zweiten Weltkrieg - in Ermangelung anderer Medika-
mente - mit Erfolg schwerheilende Wunden mit Propolis-
salbe behandelt. Es liegen aus neuerer Zeit durchaus
ernstzunehmende Heilerfolge beim Menschen vor: Der
Däne Aargard meldet überraschende Heilungen bei Bak-
terien-, Virus- und Pilzinfektionen, bei Erkältungser-
scheinungen der Atmungsorgane, bei Wund- und Zahn-
fleischbehandlung. Aus dem Wiener Rudolfinerhaus wer-
den überzeugende Heilungserfolge mit Propolis
gemeldet. Praktische Anwendung findet Propolis als Pul-
ver, als alkoholische Tinktur und als Salbe.
Man wird von diesem Zauberstoff - mit dem die
Bienen eine vorbildliche Hygiene und wirksame Prophy-
laxe gegen Bakterien-, Pilz- und Virusinfektion betreiben,
und dessen Anwendung beim Menschen keinerlei schäd-
liche Nebenwirkung befürchten läßt, in Zukunft noch
allerlei Überraschungen erwarten dürfen.

227
12 Das Zeitgedächtnis
der Bienen

Jeder von uns kennt ein Zeitgefühl aus eigener Er-


fahrung. Es läßt sich bei Tieren gleichfalls beobachten.
Ein Hund oder ein Sittich merkt sich recht gut die Stunde
freudiger Ereignisse, wenn sie sich regelmäßig wiederho-
len. Um zu sehen, ob es auch bei Insekten so etwas gibt,
locken wir Bienen auf einem Tisch im Freien an em
Zuckerwasserschälchen als künstlichen Futterplatz.

_ Dressur auf FuHerstunden

Wir bieten einer Gruppe numerierter Bienen (vgl.


S. 65f.) durch einige Tage nur zu bestimmter Zeit, z.B.
nachmittags von 4 bis 6 Uhr Zuckerwasser. Dann ma-
chen wir das folgende Experiment: Das Futterschälchen
bleibt den ganzen Tag leer, und von 6 Uhr früh bis 8 Uhr
abends sitzt unausgesetzt ein Beobachter dort und ver-
zeichnet jede Biene, die zum Schälchen kommt. Es ist eine
langweilige Aufgabe. Denn von den 6 Bienen, die an den
Tagen vorher noch am Schälchen verkehrt haben, er-
scheint von 6 Uhr früh bis 1/24 nachmittags nur eine, die
Biene Nr. 11, um Nachschau zu halten. Sie kommt zwi-
schen 7 und 1/2 8 morgens und bald darauf noch ein
zweites Mal. Sonst herrscht absolute Stille am Futter-

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Abb. 131. Ergebnis eines Versuches über das Zeitgedächtnis. Ei-


nige numerierte Bienen hatten an einem künstlichen Futterplatz
täglich von 16 bis 18 Uhr Zuckerwasser bekommen. Am Ver-
suchstag (20. Juli 1927) blieb das Futterschälchen den ganzen
Tag, auch zur Dressurzeit, leer. Unten sind die Tagesstunden ver-
zeichnet. Über jeder halben Stunde sind die Bienen aufgetragen,
die in dieser Zeit zum Schälchen geflogen kamen. Jedes Quadrat
bedeutet eine Biene mit ihrer Kenn-Nummer, manche kamen
mehrmals.

platz. Aber wie die übliche Futterzeit heranrückt, wird es


lebhaft, und in den zwei Stunden zwischen 4 und 6 Uhr
hat das Schälchen 38 Besuche aufzuweisen, an denen sich
5 von den 6 numerierten Bienen beteiligten. Obwohl sie
umsonst gekommen sind, kehren sie in kurzen Abständen
wieder und untersuchen das leere Schälchen so hart-
näckig, als müßte hier jetzt etwas zu finden sein. Gegen
Ablauf der üblichen Futterstunden läßt der Verkehr rasch
nach, und bald ist es wieder still am Platz. Der Versuch ist
über alles Erwarten gut gelungen. Besser als in Worten
läßt sich der Erfolg durch die Darstellung in Abb. 131
anschaulich machen. Unten sind die Tagesstunden aufge-
tragen. Die Dressurzeit von 4 bis 6 (16 bis 18) Uhr, zu der

229
an den vorangehenden Tagen Futter gegeben wurde, ist
durch Umrahmung hervorgehoben. Die ganze Zeitspan-
ne ist durch kleine Striche in halbe Stunden eingeteilt,
und über jeder halben Stunde sind die Bienen, die in
dieser Zeit zum Schälchen kamen, mit ihrer Kenn-Num-
mer aufgetragen.
Der Versuch ist mit anderen Bienen oftmals und zu
allen Tageszeiten wiederholt worden. Das Ergebnis ließ
keinen Zweifel, daß sich die Bienen jede Futterstunde
überraschend genau merken. Der Erfolg verlockte dazu,
das Zeitgedächtnis der Bienen auf schwierigere Proben zu
stellen. Alle Erwartungen wurden übertroffen. Es gelang
auch eine Dressur auf 2 oder 3, ja auf 5 verschiedene
Futterstunden gleichzeitig.
Abbildung 132 bringt ein Beispiel für eine Drei-
Zeiten-Dressur. Obwohl sie an jenem 13. August von
früh bis abends am Versuchstisch keinen Tropfen
Zuckerwasser fanden, kamen sie zu den drei Dressurzei-
ten - nur jedesmal etwas zu früh, eine Erscheinung, die
man auch schon bei Dressur auf eine Tageszeit häufig
bemerken kann. Das ist ja auch durchaus nicht unzweck-
mäßig. Besser zu früh gekommen als zu spät, wo die
Natur voll hungriger Mäuler ist und nur zu gerne einer
dem anderen die Nahrung wegschnappt.
Nach diesen Erfahrungen ist die nächstliegende
Frage: Wo hat die Biene ihre Uhr? Ist es ihr Magen, der
sie zum Futterschälchen treibt? Das kann schon deshalb
nicht gut sein, weil sie nicht ausfliegt, um sich satt zu
trinken, sondern um Vorrat einzuheimsen und im Stock
aufzuspeichern; und dort kann sie jederzeit ihren Hunger
stillen. Völlig widerlegt wird eine solche Vorstellung
durch folgenden Versuch: Wir bieten einer Bienenschar
durch mehrere Tage von früh bis abends Zuckerwasser,
welches aber zu bestimmten Tagesstunden reichlicher
vorhanden oder süßer ist als sonst. Sie sammeln ohne

230
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Abb. 132. Drei-Zeiten-Dressur. Dressurdauer sechs Tage. Am


Versuchstag, dem 13. August 1928, kamen - obwohl den ganzen
Tag kein Futter gereicht wurde - von den 19 numerierten Bienen
alle, und zwar zu den hier verzeichneten Zeiten, zum Futterplatz.

Unterbrechung, ihr Magen bleibt zu keiner Stunde leer,


und doch stellen sie sich am Beobachtungstag zur ge-
wohnten »Bestzeit« mit überragendem Eifer am nunmehr
leeren Schälchen ein. - Liest die Biene wie der Wanders-
mann die Tageszeit am Sonnenstand ab? Das müssen wir
durch einen neuen Versuch prüfen.

231
Man kann ein ganzes Bienenvolk in eine Dunkel-
kammer versetzen. Wenn dieses Gefängnis dauernd
warmgehalten (25 bis 28 0c) und durch Lampen hell
beleuchtet wird, wenn man den Bienen an künstlichen
Futterplätzen ausreichend Nahrung bietet, dann bleibt
ein kleines Volk auch in so unnatürlicher Lage mehrere
Jahre lang gesund. Es kennt nun keine Jahreszeiten und
hat Sommer und Winter Brut in seinen Waben. Bei
gleichmäßiger Beleuchtung fehlt der Biene jede Möglich-
keit, die Zeit am Stand der Sonne oder an der Helligkeit
abzulesen. Trotzdem gelingen die Zeitdressuren auch un-
ter solchen Bedingungen. Ja, wir können bei der künstli-
chen Beleuchtung die Versuche auch in der Nacht mit
Erfolg durchführen.
Es bestehen offenbar zwei Möglichkeiten: Entwe-
der richten sie sich nach tages periodischen Einflüssen, die
sich unserer Wahrnehmung entziehen. Oder sie tragen
ihre Uhr in sich und haben sie im Stoffwechselgetriebe
ihres Körpers.
Die klare Entscheidung sollte ein Transozeanver-
such bringen. Es wurden in München zwei genau gleiche,
zerlegbare Dunkelräume gebaut und einer nach Paris, der
andere nach N ew York verfrachtet. Wenn in Paris um
12 Uhr mittags die Sonne am höchsten steht, so scheint
sie den Bürgern von New York als Morgensonne, denn
dort ist es erst 7 Uhr (Abb. 133). Richten sich die Bienen
nach dem örtlichen Sonnenstand, den sie etwa in einer
durchdringenden Strahlung oder auf andere uns unbe-
kannte Weise auch in der Dunkelkammer wahrnehmen,
so müssen sie nach einer Zeitdressur in Paris und rascher
Versetzung über den Ozean, in New York nach dortiger
Ortszeit am Futterschälchen erscheinen. Das geschah
aber nicht. In der Pariser Dunkelkammer auf eine be-
stimmte Fütterungszeit dressiert, im Flugzeug nach New
York versetzt und in der gleichartigen Dunkelkammer

232
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Abb. 133. Ein Transozeanversuch zum Zeitsinn der Bienen. In


Paris auf eine bestimmte Futterstunde dressierte Bienen wurden
nach New Y ork geflogen und dort geprüft.

untergebracht, kamen die kleinen Weltreisenden auch


dort nach Pariser Zeit zu Tisch. Sie verhielten sich so, als
trügen sie eine Uhr in sich.
Daß sie eine »innere Uhr« besitzen, schienen sie
auch auf andere Weise eindrucksvoll zu demonstrieren:
Spurbienen eines schwarmlustigen Volkes, die eine geeig-
nete Wohnung erkundet haben, geben deren Lage den
Kameraden durch Tänze bekannt (S. 212f.), wobei sie die
Richtung zum Ziel nach dem Sonnenstand weisen
(S. 193ff.). Manchmal bleiben sie viele Stunden zu Hause
und machen während dieser Zeit durch wiederholte Tän-
ze immer wieder auf die von ihnen entdeckte Nistgelegen-
heit aufmerksam. Daß die Sonne inzwischen am Himmel
weiter wandert, können sie nicht sehen, da sie im Stock
sind. Trotzdem ändern sie bei ihren Dauertänzen den
Winkel zur Schwerkraftrichtung kontinuierlich genau
um den Betrag, um den sich in gleicher Zeit der Winkel
zwischen Ziel und Sonnenstand geändert hat. Sie tun es
auch dann, wenn man den Stock verschlossen in einem
Keller aufstellt, von dem aus weder Sonne noch Himmel
zu sehen sind. Eine verblüffende Leistung, die erneut ihre

233
Vertrautheit mit dem Tageslauf der Sonne zeigt und ein
weiterer Beweis für ihre »innere Uhr« zu sein scheint.
Die Suche nach einer »biologischen Uhr« hat sich
in den letzten Jahrzehnten zu einer eigenen Disziplin in
der Biologie und der Medizin ausgeweitet, die »Chrono-
biologie«. Sie hat unser Verständnis über die zeitliche
Organisation aller Lebensvorgänge wesentlich gefördert.
»Der rechte Stoff in der richtigen Menge an den richtigen
Ort, zur rechten Zeit.« Dies ist eine Grundregel allen
Lebens auf dieser Erde.

_ Das Zusammenspiel von


innerer Uhr und äußeren Zeitgebern

Unsere Beiträge über die Orientierung der Bienen in


der Zeit haben diesen Forschungen von Anfang an
großen Auftrieb gegeben; aber wir müssen offen geste-
hen, daß wir in der letzten Frage, wo denn das Räder-
werk der biologischen Uhr seinen Sitz hat und wie es im
Grunde funktioniert, noch keine endgültige Antwort ha-
ben. Man ist sich vor allem noch immer nicht ganz einig,
inwieweit die genannte zeitliche Organisation der Le-
bensabläufe durch eine »innere Uhr« bestimmt sind oder
durch äußere Zeitgeber, d. h. durch physikalische Fakto-
ren, die mit der Erdumdrehung gekoppelt sind. Die be-
schriebenen Versuche in der Klimakammer bei Dauer-
licht haben erwiesen, daß der Licht-Dunkel-Wechsel al-
lein nicht für eine Zeit bestimmung nach der Tageszeit
ausreicht. Verschiedentlich wurde das Erdmagnetfeld,
das ja in seiner Intensität kleine tagesperiodische
Schwankungen aufweist, ernsthaft als Zeitgeber in Be-
tracht gezogen. Daß verschiedene Tiergruppen für solche
tagesperiodischen Schwankungen empfindlich sind, wur-
de bei Schnecken, bei Würmern, bei Fischen, bei Vögeln

234
nachgewiesen; in den Millionen von Jahren der Evoluti-
onsgeschichte könnten sich durchaus diese Tiergruppen
solche tagesperiodische Schwankungen des Erdmagnet-
feldes als Zeitgeber angeeignet haben.
Leider haben die Versuche an Bienen noch nicht die
eindeutigen Ergebnisse gebracht, wie wir sie erhofft hat-
ten: Kompensiert man das Erdmagnetfeld, d. h. schaltet
man es unter Helmholtz-Spulen aus, dann gelingt eine
Zeitdressur immer noch - wenn auch mit großer Streu-
ung. In einem künstich gestörten Erdmagnetfeld, das ums
Doppelte verstärkt und in seiner Periodizität abgewan-
delt ist, sind die Bienen in der Zeit, aber desorientiert.
Offenbar wirken innere Uhren und exogene Zeitgeber
unter normalen, natürlichen Verhältnissen sinnvoll zu-
sammen; im künstlich gestörten Feld ergibt sich ein Kon-
kurrenzfall; ehe wir in dieser Frage auf die Bienen zurück-
kommen, sollten wir zum besseren Verständnis da einen
Blick auf andere Tiergruppen werfen.
Man setzt einen Buchfink, der bekanntlich tagaktiv
ist, in einen Käfig, in dem er seine Aktivität dadurch
zeigt, daß er lebhaft von einer Stange zur anderen hüpft;
jeder Hüpfer wird über Kontakt elektronisch registriert.
Auch bei Dauerlicht zeigt der Vogel eine Tag-Nacht-
Rhythmik; eine genaue Prüfung der Hüpf- und Ruhepau-
sen ergibt aber eine Überraschung: Die sog. »freilaufende
Rhythmik« wird zwar tage-, ja wochenlang beibehalten,
aber sie weicht von Tag zu Tag immer um einen kleinen
Betrag vom 24-Stunden-Rhythmus ab; mit anderen Wor-
ten: Es wird unter diesen sog. konstanten Bedingungen
nicht ein genauer 24-Stunden-Tag eingehalten, sondern
ein »zirkadianer« Rhythmus, der sich jeden Tag um 1/2
Stunde etwa verlängert. Auch bei anderen Tiergruppen
hat man einen solchen zirkadianen Rhythmus festgestellt;
bei Bienen und anderen Insekten beispielsweise ist es
durch die Bank ein verkürzter Tag von etwa 23 Stunden.

235
Diese Befunde sind ein schlagender Beweis für die Exi-
stenz einer inneren Uhr: Sie kann ja nicht allein durch
Zeitgeber eingestellt werden, die mit der Erdumdrehung
gekoppelt sind; es ist die artspezifische, angeborene inne-
re Uhr, die hier als ein selbsttätiges Uhrwerk zum Aus-
druck kommt.
Ihre Existenz wurde auch für den Menschen nach-
gewiesen: Man hat Studenten isoliert mehrere Wochen in
einem unterirdischen Bunker gehalten; sie durften völlig
frei und nach Belieben ihren Tag einteilen, d. h. die Zeit,
wann sie zu Bett gingen, wann sie die täglichen Mahlzei-
ten festlegten usw. Im Schnitt wählten die Studenten
einen 25-Stunden-Tag, einige wenige stellten sich auf
einen verkürzten Tag-Nacht-Wechsel ein - so wie ihre
innere Uhr genetisch festgelegt war.
Um nun die Rolle der exogenen Zeitgeber richtig zu
verstehen, ist zu bedenken, daß neben dem Schlaf-Wach-
Rhythmus noch viele andere Oszillatoren im Organismus
tätig sind; beim Menschen kennt man über 150 solcher
Oszillatoren, die für sich allein eine eigene freilaufende
Rhythmik aufweisen. Das ist nun die Rolle der exogenen
Zeitgeber: Sie haben die einzelnen Oszillatoren zu koor-
dinieren, der Fachmann sagt: zu synchronisieren, und
dem lokalen und jahreszeitlichen Tag-Nacht-Wechsel an-
zupassen. Diese Fähigkeit zur Anpassung an wechselnde
örtliche Zeitfaktoren ist ein wesentliches Merkmal der
biologischen Uhr. Nicht nur lokale Schwankungen der
Photoperiode, die mit der Jahreszeit oder mit dem Wetter
in Verbindung stehen, werden kompensiert; man darf es
auch wagen, Wanderungen in einen anderen Kontinent
mit anderer Zeitphase zu unternehmen, wie das die Zug-
vögel Jahr für Jahr tun. Wir selbst dürfen sogar mit dem
Jetflugzeug von Frankfurt nach Chicago fliegen - unser
Tag-Nacht-Rhythmus wird sich umstellen. Unsere innere
Uhr macht uns dabei zwar zu Anfang allerlei Schwierig-

236
keiten, aber nach einigen Tagen oder Wochen ist trotz-
dem eine Anpassung erfolgt. Das gleiche gilt für Schicht-
arbeiter, die ihre Aktivitätsperiode auf die Nachtstunden
verlegen, d.h. alle ihre innere Uhren auf eine neue Phase
umstellen müssen.
Was gäbe das für ein Durcheinander, wenn die
frisch aus Europa eingeflogenen Geschäftsleute und Poli-
tiker in Chicago starr auf ihren heimatlichen Tag-Nacht-
Rhythmus bestünden: In Chicago würden sie kurz nach
Mitternacht ihre Kollegen aus dem Bett jagen, weil ihre
innere Uhr bereits 9 Uhr - ihre produktivste Tageszeit-
anzeigt. In den Nachmittagsstunden würden sie hoff-
nungslos mit ihrem Nickerchen abschalten, ihre innere
Uhr zeigt bereits 11 Uhr nachts an.
Eingehende Untersuchungen aus jüngerer Zeit ha-
ben gezeigt, daß diese Umstellung dem Organismus des-
wegen erhebliche Schwierigkeiten bereitet, weil die ein-
zelnen Oszillatoren beim Menschen sich nicht alle ge-
meinsam umstellen lassen; vielmehr passen sich einige
von ihnen sehr schnell an die neue Zeitphase an, z.B. die
Körpertemperatur und der Pulsschlag, andere bleiben
zäh, sogar wochenlang, am alten Rhythmus hängen wie
z.B. die Kaliumausscheidung in der Niere. Dies muß na-
türlich zu einer Disharmonie im gesamten Uhrwerk füh-
ren; Müdigkeit, Abgeschlagenheit sind die bekannten
Folgen der sog. Jet-Krankheit. Ungeklärt ist bis heute
noch, warum diese Umstellung bei einem Flug West-Ost,
also Chicago-Frankfurt, wesentlich langsamer und
schwieriger vor sich geht wie bei einem Ost-West-Flug.
Am Rande sei auf neueste Untersuchungen hinge-
wiesen, die zeigen, daß eine Umstellung nach einem Jet-
flug leichter vor sich geht, wenn man sich am Verset-
zungsort sofort in die dortige Gesellschaft begibt; der
soziale Zeitgeber erleichtert die Synchronisation.

237
Zunehmendes Interesse findet das Problem der
Schichtarbeit in der Medizin. Es überrascht nicht, daß die
Leistungsfähigkeit eines Schichtarbeiters wesentlich ge-
ringer ist als die eines normalen Tagarbeiters. Es gibt
neuere Befunde, daß man die Umstellung erleichtern und
beschleunigen kann, wenn man dem Nachtarbeiter ein
intensives künstliches Licht anbietet, das in seiner spek-
tralen Zusammensetzung dem natürlichen Tageslicht
gleicht.
Äußere Zeitgeber können noch in anderer Weise
sehr drastisch in das Uhrwerk der inneren Uhr eingreifen:
Sie können sie mit einem anderen als mit einem 24-Stun-
den-Tag synchronisieren; damit kommen wir nochmal
auf die Bienen zurück: Wir füttern eine Bienenschar in
der ständig erleuchteten Klimakammer alle 22 Stunden;
die Bienen akzeptieren diese 22-Stunden-Rhythmik und
kommen am Testtag nicht nach 24 Stunden, sondern 22
Stunden nach der letzten Fütterung. Auch auf einen 26-
Stunden-Tag kann man sie umstimmen. Der gleiche Er-
folg wird auch bei anderen Tiergruppen vermeldet. Die-
ser sog. »Mitnahmebereich« hat aber enge Grenzen: Man
kann die Bienen wochenlang auf einen 19-5tunden-Tag
dressieren, hat aber damit keinen Erfolg; sie sind bei ihrer
Sammelaktivität in der Zeit völlig desorientiert. Auch
eine 48-Stunden-Dressur wird nicht akzeptiert; sie reagie-
ren so, daß sie immer 24 Stunden nach der letzten -
2tägigen - Fütterung am Futterplatz erscheinen.
Im Lauf der Jahrmillionen hat sich demnach die
innere biologische Uhr dem Rhythmus der Erdumdre-
hung angepaßt, allerdings nur in Annäherung, also zirka-
dian; das ist aber sinnvoll; diese Periode soll ja eine
angeborene »Reaktionsnorm« darstellen; die jeweiligen
ortsgemäßen und jahreszeitlichen Schwankungen können
ohne weiteres als exogene Zeitgeber die Zeiger dieser
inneren Uhr nachstellen.

238
_ Die biologische Bedeutung
des Zeitsinnes
Die Dressur von Bienen auf ein nur zeitweise gefüll-
tes Schälchen ist kein so unnatürlicher Versuch, wie es
manchem scheinen mag. Denn viele Blumensorten bieten
Nektar oder Blütenstaub nur zu bestimmten Stunden des
Tages. Das kann am Morgen, am späteren Vormittag
oder erst am Nachmittag sein. In anderen Fällen erfolgt
die Nektarabsonderung zwar über den ganzen Tag, aber
zu gewissen Zeiten wesentlich reichlicher. Auch diese
»Bestzeit« liegt bei verschiedenen Pflanzenarten in ver-
schiedenen Tagesstunden. Bei der großen Blütenstetigkeit
der Bienen bedeutet das für eine Sammelschar, daß sie zu
bestimmten Stunden viel, zu anderen nichts zu tun hat. Es
ist biologisch sinnvoll, daß müßige Bienen daheim blei-
ben. Denn draußen drohen ihnen vielerlei Gefahren.
Tatsächlich bleibt eine Schar von Sammlerinnen in
der Regel im Stock, wenn ihre Trachtquelle vorüberge-
hend versiegt. Nur einzelne aus der Gruppe fliegen ab
und zu aus, um Nachschau zu halten. Haben sie Erfolg,
so tanzen sie auf den Waben genauso wie bei der ersten
Entdeckung einer Trachtquelle (S. 167ff.) und rufen da-
durch die ganze Sammelschar erneut auf den Plan. Bei
streng zeitgebundener Blütentracht unterbleiben aber
bald auch die Kundschafterflüge zu den Stunden, wo sie
doch aussichtslos wären.
Dann pflegt sich die ganze Schar der Sammlerinnen
aus dem unruhigen Getriebe des Tanzbodens in Randbe-
zirke der Waben zurückzuziehen und an stillen Plätzchen
dahinzudäsen. Hat man die Mitglieder der Schar etwa
durch rote Tupfen kenntlich gemacht, so bietet sich dem
Beobachter beim Herannahen der Futterstunde ein anzie-
hendes Schauspiel. Sei es, daß eine »innere Uhr« ihren
Gang geht, oder daß äußere Zeitgeber sie aufrütteln, als

239
wäre ein Wecker gestellt, so kommt Leben in die schein-
bar verschlafene Gesellschaft, und von allen Seiten krab-
beln die rot punktierten Tiere langsam auf den Wabenbe-
reich zu, wo die Tänze vor sich gehen. Wenn sie nicht
gleich aus eigenem Antrieb dem Flugloch zustreben, wer-
den sie hier bald von Kameraden alarmiert, die bereits
erfolgreich an die Arbeit gegangen sind.
So findet ein aufmerksames Auge so manche be-
deutsamen Vorgänge im Bienenvolk zu dessen Vorteil
nach der Uhr geregelt.
Von elementarer Wichtigkeit ist der Zeitsinn für die
Bienen bei ihrer Außentätigkeit. Denn nur durch die
Kenntnis und Beobachtung der Tageszeit sind sie imstan-
de, zu jeder Stunde die Sonne als Kompaß zu benützen.

240
13 Feinde und Krankheiten
der Bienen

Wohlstand kann Gefahren bringen. Denn leicht er-


weckt er die Habsucht der Besitzlosen. Die Bienenvölker
wären allesamt schon längst vom Erdboden verschwun-
den, wenn sie ihre süßen Wintervorräte nicht mit so
giftiger Waffe verteidigen würden. In ihrer alten Heimat,
im Urwald vergangener Zeiten, waren es vor allem die
großen Leckmäuler, die Bären, die so manches Volk aus-
geplündert haben. Als der Bär seltener wurde, besorgte
der Mensch um so gründlicher die Honigräuberei. Der
Zuckerüberfluß unserer Tage, aus den Rüben heimischen
Bodens gewonnen, ist eine junge Errungenschaft. Vor-
dem kam dieser Süßstoff, vom Zuckerrohr geliefert, aus
dem Fernen Osten und später aus Amerika zu uns. Bis
heute verrät in manchem Haushalt eine silberne Zucker-
dose durch ihr Schloß mit längst verlorenem Schlüssel,
wie kostbar ihr Inhalt noch zu Urgroßmutters Zeiten
gewesen ist. Damals war der Honig in ganz anderem
Maße als heute ein begehrtes Süßungsmittel, und wenige
hundert Jahre früher gab es für den Europäer überhaupt
keinen Zucker außer dem, den die Bienen aus den Blüten-
kelchen gesammelt hatten. Kein Wunder, daß der
Mensch der ärgste Feind der Bienen war. Das Verhältnis
hat sich gewandelt. Jetzt sind sie ihm lieb gewordene
Haustiere, die er pflegt, um nur ihren Überfluß zu nützen.

241
Abb. 134. Ein Bienen-
wolf versetzt einer
Honigbiene den
lähmenden Stich.

Auch die Romantik der Bären ist dahin. Und das honiglü-
sterne Kleinvolk, wie Ameisen, Wespen oder ab und zu
ein Mäuslein, kann lästig sein, aber kaum ernsthaften
Schaden anrichten.
Doch wäre es ein Irrtum zu glauben, daß die Bienen
nun in ungestörtem Frieden dahinleben können. Es blei-
ben ihnen noch der Feinde so viele, daß man über sie
allein ein Buch schreiben könnte. Das ist auch wiederholt
geschehen, und ein solches Buch mag der Imker zu Rate
ziehen, der sie alle kennenlernen und die Mittel zu ihrer
Abwehr erfahren möchte. Hier wollen wir nur wenige
besprechen, die sich durch ihre Bedeutung und Lebens-
weise herausheben.
Da ist z. B. der Bienenwolf Er ist kein Wolf, son-
dern eine Grabwespe, die den Namen nur ihrer Raubgier
verdankt. Die Grabwespen stehen den staatenbildenden
Wespen nahe, sie leben aber als Einsiedler und machen
Jagd auf Insekten, die sie ihrer Brut als Nahrung hinle-
gen. Dabei hat es jede Grabwespenart auf eine bestimmte
Beute abgesehen und versteht es meisterhaft, sie aufzu-
spüren und zu überwältigen. Der Bienenwolf hat sich
ausgerechnet die wehrhafte Honigbiene auserwählt.
Kaum größer, aber gewandter als sie, fällt er beim Blüten-

242
Abb. 135. Eine der zahlreichen Nisthöhlen in der Nestanlage des
Bienenwolfes. E das abgelegte Ei der Grabwespe.

besuch über sie her und versetzt ihr einen Stich in das
weichhäutige Gelenk hinter den Vorderbeinen (Abb.
134). Dann umarmt er die Stelle ihres Hinterleibes, wo
die Honigblase sitzt, und preßt ihr zur eigenen Labung
den Nektar durch den Mund heraus, den sie zu anderem
Zwecke an den Blumen gesammelt hat. Hernach trägt er
sie im Flug unter seinem Bauch zu einem schon vorher
gegrabenen Loch in sandigem Boden, das durch einen
tiefen Gang zur Bruthöhle führt. Nachdem er hier meist 3
bis 4 derart erlegte Bienen säuberlich in Reih und Glied
nebeneinander hinge breitet hat, legt er an eine derselben
ein Ei und setzt darauf in einer anderen Bruthöhle der
Neströhre seine Tätigkeit fort. Aus dem Ei schlüpft eine
Larve, einer Fliegenmade ähnlich, die sich unverzüglich
daranmacht, die bereitliegenden Bienen eine nach der
anderen aufzufressen (Abb. 135). Da sie durch den Stich
der Wespe gelähmt, aber nicht getötet sind, bleiben sie
frisch wie ein wohlkonservierter Fleischvorrat und sind
doch der trägen Made wehrlos preisgegeben. Herange-
wachsen, verpuppt sich diese in der Bruthöhle, um im
nächsten Sommer auszuschlüpfen und das Handwerk
ihrer Mutter fortzusetzen.

243
In manchen Gegenden, wo der Bienenwolf günstige
Nistgelegenheit findet, kann es zu einer solchen Massen-
vermehrung der Wespe kommen, daß die Imkerei durch
die Verluste an Bienen ernstlich bedroht wird. In einigen
Ländern, z. B. Israel und Japan, machen Hornissen, die
dort massenhaft auftreten, den Bienenvölkern schwer zu
schaffen. Die riesenhaften Wespen fangen die Bienen im
Flug vor ihrem Flugloch ab, lähmen oder töten sie durch
einen schnellen Stich, schneiden ihnen anschließend die
Flügel und Beine ab und tragen die gelähmte oder tote
Beute als Larvenfutter ins Nest.
Die im übrigen als sanfte und friedliche Art be-
kannte Apis cerana, die in Südostasien und Japan hei-
misch ist, weiß sich den Angriffen der Hornisse mit einem
geradezu genialen Trick zu wehren:
Sobald eine Hornisse sich dem Bienenstock nähert,
wird sofort der gesamte Flugbetrieb eingestellt; nach ei-
ner Weile vergeblichen Suchens wird sich die Hornisse
am Flugbrett niederlassen. Das ist das Zeichen zum ge-
meinsamen Angriff der Cerana: Mehrere Dutzend Bienen
stürzen aus dem Flugloch heraus und knäueln die Hor-
nisse ein. Merkwürdigerweise suchen sie dabei gar nicht
die Wespe zu stechen; vielmehr wird durch energisches
Zittern der Flugmuskulatur eine Hitze erzeugt, die im
Zentrum bis zu 45°C erreicht. Nach wenigen Minuten
löst sich der Knäuel auf; die Hornisse liegt jetzt tot am
Flugbrett - sie hat einen Hitzeschock erlitten.
In wärmeren Gegenden ist sogar ein Schmetterling
bei den Imkern als listiger Räuber in Verruf geraten: Der
Totenkopfschwärmer (Acheronita atropus) schmuggelt
sich mit einer chemischen Tarnkappe in einen Bienen-
stock ein, saugt sich dort mit Honig voll und verschwin-
det - meist unbehelligt (Abb. 136).
Das Geheimnis, wie man sich als wehrloser Schmet-
terling in die stachelbewehrte Bienengemeinschaft ein-

244
Abb. 136. Der Toten-
kopfschwärmer, ein
Schmetterling, der sich
mit einer »Duft-Tarn-
kappe« ins Bienenvolk
einschmuggelt.

schmuggeln kann, wurde erst kürzlich entdeckt: Der T 0-


tenkopfschwärmer scheidet aus seiner Körperbedeckung
ein Duftbouquett aus Palmitin-, Olein- und Stearinsäure
ab, das ziemlich genau dem Körperparfüm der Bienen
entspricht. Es bleiben freilich noch einige Fragen offen:
Da wir wissen, daß jede Biene neben ihrem körpereigenen
Parfüm noch eine spezifische Volksduftkomponente mit
sich trägt, ist man überrascht, daß der Totenkopf mit der
genannten Grundausstattung von Duftkomponenten un-
behelligt bleibt. Es ist jedoch seit langem bekannt, daß
dieser Schmetterling zusätzlich, wenn er in den Stock
einmarschiert, bestimmte Laute von sich gibt, die dem
Quaken und Tüten der Königin weitgehend entsprechen.
Kein Wunder, wenn da das Völkchen in Verwirrung
gerät.
Ist der Bienenwolf ein wehrhafter Raubritter, so ist
die Bienenlaus von ziemlich gegenteiliger Natur. Zu-
nächst muß festgestellt werden, daß sie so wenig eine
Laus ist wie der erstere ein Wolf. Sie gehört vielmehr zur
Sippe der Fliegen, nur haben diese Tiere als Folge ihrer
schmarotzerischen Lebensweise Flugvermögen und Flü-
gel verloren. Die Bezeichnung verdanken sie dem Um-
stand, daß sie sich nach Läuseart in der Behaarung des
Bienenkörpers herumtreiben, wobei ihnen die krallenbe-
wehrten Fußspitzen ein sicheres Festhalten ermöglichen.

245
Abb. 137. Arbeitsbiene
mit zwei Bienenläusen,
eine von ihnen am
Mund der Bienen um
Futter bettelnd.

Sie bevorzugen die Königin, auf der man sie in befallenen


Stöcken mitunter dutzendweise antrifft, sie sind aber in
geringerer Zahl auch auf den Arbeitsbienen zu finden.
Haben sie Hunger, so laufen sie auf den Kopf der Biene,
klammern sich neben ihrem Mund fest und klopfen mit
den Beinen auf die Lippe (Abb. 137). Das Kitzeln an
dieser Stelle bedeutet in der Fühlersprache unter Bienen,
daß die Kameradin Hunger hat. Tatsächlich öffnet die
Angebettelte den Mund und läßt ein Tröpfchen Honig
austreten. Das ist harmlos, aber bei starkem Befall wird
die Königin doch beunruhigt und legt weniger Eier, als
sie sollte. Ein wachsamer Imker fängt sie heraus und
befreit sie durch Anrauchen in der hohlen Hand von den
unerwünschten Gästen.
Der räuberischen Wespe, der naschhaften Fliege
und dem schmarotzenden Totenkopfschwärmer schließt
sich als weitverbreiteter und besonders schädlicher Bie-
nenfeind ein Schmetterling an, die Wachsmotte. Sie ist
der allbekannten Kleidermotte verwandt. Beide haben
mancherlei gemein. Beide sind kleine Schmetterlinge. Wie
es bei diesen üblich ist, schlüpfen sie als Raupen aus dem
Ei, mästen sich tüchtig heran und verwandeln sich so-
dann in eine Puppe, um nach längerer Ruhezeit die Pup-
penhaut zu sprengen und als Falter in Erscheinung zu
treten. Beide sind außerstande, als fertig entwickelte

246
Schmetterlinge uns oder den Bienen irgend etwas wegzu-
fressen, denn ihre Mundteile sind verkümmert. Sie kön-
nen überhaupt keine Nahrung aufnehmen und zehren die
kurzen Wochen ihres Falterdaseins von dem Fett, das sie
in ihrer Raupenzeit aufgespeichert haben. In beiden Fäl-
len sind die Schädlinge die Raupen, und in beiden Fällen
steht diesen der Sinn nach einem Stoff, der für unseren
Magen ganz und gar unverdaulich ist. Sowohl die Woll-
haare, die den Larven der Kleidermotte zum Opfer fallen,
wie auch das Wachs der Bienenwaben, das von den Lar-
ven der Wachsmotte verzehrt wird, sind an sich hochwer-
tig, aber schwer angreifbare Nährstoffe. Daß sich die
genannten Raupen diese Nahrungsquelle erschließen
können, verdanken sie ihren spezialisierten Verdauungs-
säften. Die Hornrnasse, aus der ein Haar besteht, ist ein
Eiweißstoff und enthält alles, was zum Aufbau des Kör-
pers nötig ist. Das Wachs ist eine eiweißfreie, dem Fett
nahestehende Verbindung. Die Wachsmotten gedeihen
daher nicht, wenn man sie mit reinem Bienenwachs füt-
tert. Sie sind auf eine eiweißhaltige Beikost angewiesen
und finden sie in den Waben reichlich in Form von
Blütenstaub und anderen Resten und Abfällen ihrer
rechtmäßigen Bewohner.
Eine Wabe, in der sich Wachsmotten angesiedelt
haben, bietet einen traurigen Anblick. Nach allen Seiten
wird sie durchzogen von den Fraßgängen der Raupen
und verunreinigt durch ihren Kot und durch die Ge-
spinstfäden, mit denen sie ihre Gänge zu schützen su-
chen. Jede Raupe wohnt in einem selbstgefertigten seide-
nen Tunnel - auch dies haben sie mit den Larven der
Kleiderklamotten gemein. In einem gesunden und star-
ken Bienenvolk hilft ihnen dies freilich nicht viel, aber ein
schwaches Volk wird mit den Eindringlingen nicht fertig.
Den ärgsten Schaden pflegen sie bei einem achtlosen
Imker außerhalb der Stöcke in seinen Wabenvorräten

247
Abb. 138. Atemröhre aus der Brust einer Biene, die von der Mil-
benkrankheit befallen ist. Zwischen den Milben sieht man von ih-
nen abgelegte Eier, die fast so groß sind wie die Muttermilben
(stark vergrößert).

anzurichten, die sie, ungestört von Bienen, oft in kurzer


Zeit völlig verwüsten.
Bisher war von Räubern und Schmarotzern die
Rede. Wenn solche so klein sind, daß sie sich im Innern
des Bienenkörpers häuslich einrichten, dann werden die
Schmarotzer zu Krankheitserregern. Zu Beginn unseres
Jahrhunderts trat zuerst auf der Insel Wight, dann in
England selbst eine bis dahin unbekannte, verheerende
Bienenseuche auf, die sich in folgenden Jahren leider
auch über ganz Europa verbreitet hat. Die erkrankten
Bienen fallen durch ihren trägen Flug auf, sie können sich
nicht mehr in der Luft halten, gleiten zu Boden und gehen
oft in kurzer Zeit zugrunde. In schweren Fällen kommt es
zur Verödung ganzer Bienenstände. Erst im Jahre 1920
erkannte man die Ursache in winzig kleinen Milben, die
durch die Atemlöcher der Vorderbrust in die dort gelege-
nen Luftröhren der Bienen eindringen und sich darin
vermehren. Milben sind kleine Spinnen. Sie kommen in
zahlreichen Arten vor, von denen sich manche auch in
anderer Weise unliebsam bemerkbar machen: als Verder-

248
ber von Mehlvorräten, als Käsemilben, als Krätzmilben
in der Haut unsauberer Menschen und dergleichen mehr.
Auch die Biene hat ihre Liebhaber unter den Milben
gefunden. In ihren röhrenförmigen Luftwegen haben sie
einen geschützten Wohnsitz, dessen Wand sie nur anzu-
stechen brauchen, um nahrhaftes Bienenblut zu saugen.
Mit ihren Leibern, mit ihren großen Eiern und durch
Blutreste und Kot verstopfen sie bei starker Vermehrung
die Atemwege (Abb. 138). Schädliche Absonderungen
mögen noch das ihre dazu beitragen, um den Bienen den
Lebensfaden abzuschneiden. Ein schwacher Befall kann
harmlos sein und bleibt oft unbemerkt. Um so gefährli-
cher kann er sich für die Weiterverbreitung der Seuche
auswirken.
Vor etwa 10 Jahren wurde eine andere Milbenart,
Varroa jacobsoni, aus Südostasien nach Europa einge-
schleppt, die sich als außerordentlich gefährlicher Parasit
in unseren heimischen Bienenvölkern auswirkt. In weni-
gen Jahren sind Tausende von Völkern vernichtet wor-
den.
Diese Milbe befällt nicht nur die erwachsenen Bie-
nen, sondern auch die Brut und saugt ihnen die Blutlym-
phe ab. Dies führt dann häufig noch über die Saugwunde
zu bakteriellen und viralen Sekundärinfektionen; bei
starkem Befall gehen die Völker ein (Abb. 139).
Es gibt zwar einige chemische Bekämpfungsmittel,
die allesamt aber nicht 100 %ig wirken, so daß immer
wieder eine Neuübertragung auf andere Bienen und Völ-
ker unvermeidlich ist. Außerdem ist zu befürchten, daß
mit der Zeit die Milben resistent gegen die chemische
Keule werden. Da ist es sehr zu begrüßen, daß die Bienen-
forscher hier in Europa mit großem Eifer dabei sind,
durch eine echte biologische Schädlingsbekämpfung dem
Parasiten Herr zu werden. Grundlage für einen Erfolg ist
eine genaue Kenntnis der Lebensgewohnheiten der Mil-

249
Abb. 139. Die Varroamilbe auf einer Puppe sowie auf erwachse-
nen Bienen, denen sie die Blutlymphe absaugt.

250
be. Da ist als erstes zu bemerken, daß der Parasit in seiner
Urheimat Südostasien mit der dort heimischen Apis cera-
na seit Millionen von Jahren in einem sog. Stillhalteab-
kommen, d. h. in einem Gleichgewichtszustand zusam-
menlebt, wobei die Vermehrung der Milbe so in Grenzen
gehalten wird, daß der Wirt kaum Schaden leidet. Im
wesentlichen gibt es dafür 2 Gründe:
1. Bei Apis cerana legt das Milbenweibchen aus-
schließlich seine Eier in die Zellen mit Drohnenlarven.
Damit ist von vornherein der Befall der Völker begrenzt.
Bei unserer Biene Apis mellifica hat die Varroa offenbar
eine neue, besonders günstige ökologische Nische gefun-
den: Hier wird von den Milbenweibchen zwar auch be-
vorzugt die Drohnenbrut mit Eiern belegt; aber mit zu-
nehmender Befallsstärke wird auch die Arbeiterinnen-
brut heimgesucht. Daraus folgt dann eine lawinen artig
ansteigende Vermehrung des Parasiten, was letztlich zum
Absterben der Völker führt. Untersuchungen aus jünge-
rer Zeit haben ergeben, daß die Milbenweibchen durch
einen Lockstoff im Larvenfutter, das Juvenilhormon, an-
gelockt werden; es ist bei Apis cerana in Drohnenbrutzel-
len in höherer Konzentration als bei der Arbeiterbrut
vorhanden; bei Apis mellifica sind die Unterschiede ge-
ringer. Vielleicht lassen sich in Zukunft die Milben-
weibchen durch Zugabe von Juvenilhormon in die fal-
schen Wabenbezirke lock.en, die man dann als »Fangwa-
ben « ausmerzen kann.
2. Interessanter und aussichtsreicher dürfte die
Auslese bestimmter resistenter Stämme sein, die in ihren
Erbanlagen versteckt ein Abwehrverhalten bereithalten,
das sie mit der Apis cerana gemeinsam haben: Apis cera-
na hält nämlich seine Parasiten dadurch in Schach, daß
sie bei der intensiven gegenseitigen Körperpflege die Mil-
ben von einer Partnerin abkratzen und ihnen die Beine
stutzen. Damit können sich die Milben nicht mehr an der

251
Wirtsbiene festhalten und fallen zu Boden. Erste Meldun-
gen von Großimkern, die sehr viele Völker an einem
Stand haben, geben an, daß bei einigen wenigen Völkern
im Gemüll des Bodenbrettes tatsächlich tote Milben mit
amputierten Beinen oder mit durchgebissenem Panzer
gefunden wurden. Wenn es gelingt, solche »hygienische«
Stämme auszulesen und durch geschickte Nachzucht zu
vermehren, läßt sich vielleicht in naher Zukunft auch
hierzulande die Milbe in Schranken halten.
Daß unsere Imker trotz der harten Rückschläge in
den letzten Jahren im Kampf gegen die Varroa nicht
resignieren und in vorbildlicher Zusammenarbeit mit der
Bienenforschung eine biologische Kontrolle suchen, läßt
auf eine Lösung hoffen.
Neben einem krankhaften Befall der Atemwege
bleibt die Biene auch von Darmkrankheiten nicht ver-
schont. Wohl am bösartigsten ist die Nosemaseuche, so
genannt nach ihrem Erreger: Nosema apis. Der Nosema-
schmarotzer gehört zu den nur im Mikroskop erkennba-
ren einzelligen Lebewesen. Er hat Ähnlichkeit mit einer
Amöbe, dem vielgenannten Wechseltierchen, das aus-
sieht wie ein winziges Schleimklümpchen, und mit träge
fließenden Bewegungen am Grunde von Tümpeln umher-
kriecht. Die »Sporentierchen« aber, zu denen der Nose-
maparasit zählt, sind durchwegs Schmarotzer und haben
ihren Wohnsitz in den Zellen und Organen anderer Tie-
re, sie leben auf deren Kosten, schädigen sie durch ihre
Anwesenheit und können sie bei massenhafter Vermeh-
rung trotz ihrer Kleinheit sogar umbringen. Damit neh-
men sie sich freilich die Grundlage für ihr eigenes Dasein.
Doch die Natur hat vorgesorgt, daß das Geschlecht die-
ser kleinen Unholde trotzdem nicht ausstirbt. Während
sie im Überfluß leben, bilden sie in ihrem Inneren an
pflanzliche Sporen erinnernde, derbwandige Kapseln
(darum »Sporentierchen«), die einen jungen Keim um-

252
a b

Abb. 140. a Längsschnitt durch die Darmwand einer gesunden


Biene. K Kerne der Darmwandzellen. ] Innenraum des Darmroh-
res. b Längsschnitt durch die Darmwand einer nosemakranken
Biene. Die Darmzellen sind von zahllosen Sporen erfüllt. Sie wur-
den dunkel gefärbt, um sie deutlicher hervortreten zu lassen. Zum
Teil (bei A) sind sie schon in den Innenraum des Darmes ausge-
stoßen, womit sie in den Kot gelangen (stark vergrößert).

schließen (Abb. 140a und b). Die Sporen sind außeror-


dentlich widerstandsfähig und können jahrelang lebens-
fähig bleiben. Durch sie wird die Seuche weiter und wei-
ter übertragen. Die Schmarotzer haben ihren Sitz in den
Zellen der Darmschleimhaut, die durch sie zerstört wer-
den. Bei starker Erkrankung ist bald der Darm mit zahl-
losen Sporen erfüllt, die mit dem Kot nach außen gelan-
gen und den gesunden Bienen zum Verderben werden.
Die Krankheit kann zwar auch milde verlaufen und ist in
dieser Form weit verbreitet, sie tritt aber nicht selten in
einer Weise auf, die den Bienenwirten schwere Sorge
macht. Man hat allerdings heute in einem Antibiotikum,
im »Fumidil«, ein wirksames Bekämpfungsmittel.

253
Auch von »Kinderkrankheiten« bleibt das Volk der
Bienen nicht verschont. Indem wir mit einer solchen diese
kleine Übersicht beschließen, lernen wir eine andere
Gruppe von Krankheitserregern kennen, die einen weite-
ren Schritt gegen die Grenze der mikroskopischen Sicht-
barkeit bedeuten.
Die Erreger vieler menschlicher Seuchen sind nied-
rig stehende kleinste pflanzliche Lebewesen, Spaltpilze
oder Bakterien genannt. Typhus, Cholera, Diphtherie,
Tuberkulose und andere Plagen werden durch solche
unscheinbare Schmarotzer hervorgerufen. Obwohl ihre
Körperlänge nur nach Tausendsteln eines Millimeters
zählt, können sie durch ihre ungeheuerliche Vermehrung
und durch die Absonderung schädlicher Stoffe schwere
Krankheit bewirken. Aber eine derart stürmische Über-
rumpelung und Vernichtung des ganzen Körpers, wie sie
bei der bösartigen Faulbrut der Bienen in der Regel ein-
tritt, ist in der menschlichen Seuchengeschichte doch un-
bekannt. Die Krankheit erfaßt nur die Bienenbrut, also
die Larven während ihrer Entwicklung in den Brutzellen.
Als Erreger hat man eine bestimmte Bakterienart er-
kannt, die sich in der befallenen Larve meist um die Zeit,
da sie sich zur Verpuppung anschickt, so rasch vermehrt,
daß binnen kaum 24 Stunden der ganze Leib durchsetzt
und zerstört wird. Die Larven verfärben sich und ver-
wandeln sich später in eine schleimige, fadenziehende
Masse. Es gibt zwar Bienenvölker mit so fanatischem
Reinigungstrieb, daß sie jede Larve schon zu Beginn der
Erkrankung aus dem Stock tragen und so eine schwere
Infektion des ganzen Volkes verhüten. In der Regel aber
wird die Brutpflege der jungen Arbeitsbienen den noch
gesunden Larven zum Verhängnis. Wenn sie die Zellen
von den Resten der zersetzten Leichen säubern, um sie
zur Aufnahme neuer Eier bereitzumachen, besudeln sie
sich mit den Keimen, und bei ihrer darauffolgenden Tä-

254
tigkeit als Brutammen (vgl. S. 38) bringen sie ihren Zög-
lingen die Ansteckung.
So bleibt auch im vielgepriesenen Staatswesen der
Bienen nicht immer alles in Ordnung - wie denn nichts
auf dieser Erde ohne Fehl und Tadel ist.

255
14 Auf der Stufenleiter
zum Staat der Honigbienen

Obwohl kein Menschenauge zusehen konnte, sind


die Naturforscher überzeugt, daß im Lauf der Erdge-
schichte die hochorganisierten Tiere aus niedrigeren For-
men hervorgegangen sind. So muß auch der Bienenstaat
etwas allmählich Gewordenes sein. Wir kennen keine
heute lebenden staatenbildenden Insekten, die wir als
unmittelbare Vorfahren der Honigbiene betrachten
könnten. Aber es gibt in ihrem Verwandtschaftskreis
auch einsam lebende Arten, manche mit ersten Andeu-
tungen sozialer Instinkte und ferner kolonie bildende For-
men auf verschiedener Höhe der staatlichen Organis'ati-
on. Diese Zwischenstufen sind, so wie sie heute leben,
gewiß nicht Sprossen jener erdgeschichtlichen Leiter, die
unsere Bienen emporgeklommen sind. Auch sie haben
sich in langen Zeiträumen gewandelt. Aber es handelt
sich um Seitenlinien von geringerer Vollkommenheit, die
uns nur ahnen lassen, aufweIchen Wegen die Honigbiene
zu ihrer überragenden Entwicklung gekommen sein
kann.

256
_ Einsiedlerbienen

Es wird den meisten überraschend sein, daß Staa-


tenbildung bei den Bienen durchaus nicht die Regel, son-
dern eine Ausnahme darstellt. Wir kennen mehrere tau-
send Bienenarten, die ihr Leben als Einsiedler verbringen.
Manche sehen den Honigbienen täuschend ähnlich, man-
che sind noch größer und kräftiger, andere wieder so
klein und schlank, daß sie vom Laien eher für geflügelte
Ameisen gehalten werden. Sie alle bauen Zellen, sie sam-
meln Honig und Blütenstaub für ihre Brut, aber jedes
Weibchen schafft für sich, einsam und ohne Unterstüt-
zung durch »Arbeiterinnen«. Jedes dieser Wesen hat sei-
ne besondere Art der Brutversorgung. Oft ist sie so eigen-
artig, daß die Lebensweise der Einsiedlerbienen zu den
reizvollsten Kapiteln der Insektenbiologie gehört.
Da gibt es z.B. eine Biene, die in einem Holzgang ihr
Nest anlegt. In das Ende des Ganges trägt sie Blütenstaub
und Nektar, formt aus beidem einen Honigkuchen und
setzt ein Ei darauf. In einem gewissen Abstand, so daß die
heranwachsende Made genügend Raum hat, führt sie aus
Harz eine quer verlaufende Schutzwand auf. Eine zweite,
eine dritte und vierte Kammer schließt sie an, jede mit
ihrem Honigkuchen, mit ihrem Ei und der schützenden
Harzwand (Abb. 141). Zum Schluß verkittet sie das Ein-
gangsloch mit Harz und kümmert sich nicht weiter um
ihre Kinder. Jede ausschlüpfende Larve findet soviel
Nahrung vor, wie sie zu ihrer Entwicklung braucht, sie
verpuppt sich dann in ihrem Häuschen aus Holz und
Harz, und wenn sie zur fertigen Biene geworden ist,
wühlt sie sich durch den Gang ins Freie. Die Männchen
gehen bald zugrunde, die begatteten Weibchen bauen die
Wiegen für ihre Kinder, wie es die Mutter getan hat - aus
einem inneren Drang, ohne es bei jener gesehen zu haben
und ohne je die eigenen Kinder zu erblicken.

257
Abb. 141. Die soeben vollen-
dete Nestanlage einer Löcher-
biene (Eriades). Die älteste Lar-
ve, am blind geschlossenen
Ende des Ganges, hat ihren
Futtervorrat fast aufgezehrt
und ist nahezu erwachsen. In
den jüngeren Zellen sind die
Maden entsprechend kleiner.
Jede Larvenkammer hat ihren
Honigkuchen und ist durch
Harzwände von den Nachbar-
kammern getrennt. Die Mut-
ter sitzt noch im Flugkanal.
Natürliche Größe.

Oder die Blattschneiderbiene! Sie schafft emen


Gang, z. B. in morschem Holz, fliegt dann an die Blätter
eines Rosen- oder Fliederstrauches oder an eine Himbeer-
staude und dergleichen, schneidet mit der scharfen Schere
ihrer Kiefer aus einem Blatt ein Stück heraus und trägt es
zusammengerollt in ihre Wohnröhre. Sie schneidet ihr
Baumaterial nach zweierlei Schnittmuster, oval oder
kreisrund. Aus ovalen Blattstücken formt sie eine Hülle
von der Gestalt eines Fingerhutes. In diesen bringt sie als
Nahrungsvorrat ein Gemisch aus Nektar und Blüten-
staub. Nachdem sie ein Ei auf den Futterkuchen gelegt
hat, verschließt sie den Fingerhut mit kreisrunden Blatt-
stücken (Abb. 142). Je nach den Raumverhältnissen fügt
sie nur wenige oder auch etwa ein Dutzend solche Einzel-
nester der Reihe nach aneinander. Schon mancher hat
nachdenklich die eigenartigen Defekte an seinen Rosen-

258
Abb. 142. a Eine Ein-
siedlerbiene (Megachi-
le) hat teils ovale, teils
kreisrunde Blattstücke
mit ihren Kiefern ausge-
schnitten und, einzeln
zusammengerollt, in
ihre Wohnröhre getra-
gen (Bild rechts oben).
b Ein einzelnes Nest:
Die Seitenwände und
der Boden sind aus den
ovalen, unten umge-
schlagenen Blatt-
stücken geformt, der
Verschlußdeckel
(rechts) aus den kreis-
runden. Innen befindet
sich der Futterkuchen
mit einem Ei. Natürli-
che Größe.

blättern betrachtet, ohne zu ahnen, daß sich Einsiedler-


bienen hier das Material zum Bau ihrer Kinderwiegen
geholt haben.
Wohl zu den wunderbarsten Nestern gehört das
einer gewissen Mauerbiene. Sie sucht für jedes Ei ein
leeres Schneckenhaus, bringt tief im Inneren den Futter-
kuchen für die Larve unter und auf diesem ihr Ei (Abb.
143). In einigem Abstand errichtet sie aus zerkauten Blät-
tern eine Querwand, verstopft den ganzen Rest der inne-
ren Schneckenwindung mit kleinen Steinchen und sichert
sie durch eine zweite Querwand aus erhärtendem Blatt-
mus vor dem Herausfallen. Noch nicht genug des Schut-
zes für ihr Kind, das ja den Nachstellungen durch vieler-
lei Feinde ausgesetzt ist, holt sie in mühsamem Flug Halm
für Halm herbei und baut aus vertrockneten Gräsern, aus

259
f

Abb. 143. Nestanlage einer


Mauerbiene in einem leeren
Schneckenhaus. F Futterku-
chen, E Ei, L Luftkammer,
S Scheidewände aus zerkau-
tem Blattwerk, St Steinehen.
L
Zweifach vergrößert.

leichten dürren Ästchen, anderwärts aus Kiefernadeln ein


zeltförmiges Schutzdach (Abb. 144), unter dem das
Schneckenhaus schließlich völlig verschwindet.
So ließe sich noch lange erzählen. Doch wenden wir
uns jenen Formen zu, bei denen erste Ansätze zu einer
Gesellschaftsbildung zu erkennen sind.

Abb. 144. Das Schneckenhaus mit dem Bienenei wird unter ei-
nem Dach aus Halmen verborgen.

260
Manche Arten legen ihre Nester in enger Nachbar-
schaft an, wo eine gute Nistgelegenheit sich bietet. Wäh-
rend sie ganz harmlos sind, wo sie einzeln oder in gerin-
ger Zahl bauen, scheint mit ihrer Siedlungsdichte zu-
gleich ihr Mut zu wachsen. Sie schreiten zur
Verteidigung, wenn es Not tut, und fallen im Schwarm
über einen Störenfried her. Einige Arten suchen im
Herbst Erdhöhlen auf, um da in größerer Gesellschaft zu
überwintern. Mag in solchen Fällen eine günstige Nistge-
legenheit oder ein verlockender Unterschlupf für die An-
sammlung mitbestimmend sein, so erkennt man doch
einen gewissen Gemeinschaftssinn.
Vielleicht in seiner ursprünglichen Art kommt er da
zum Vorschein, wo er sich nur in einer Neigung zum
Beisammensein äußert, ohne anderen Sinn und Zweck.
Abbildung 145 zeigt das obere Ende eines verdorrten
Blütenstengels, auf dem sich einige Männchen einer be-
stimmten Art von Einsiedlerbienen (Gattung: Halictus)
als Schlafgesellschaft zusammengefunden haben. Am Tag
zerstreuen sie sich bei schöner Witterung in alle Him-
melsrichtungen, aber sobald Regenwolken aufziehen,
und allabendlich beim Anbruch der Dämmerung, kehren
sie genau an diese Stelle zurück, um gemeinsam zu ruhen.
Nichts zeichnet diesen Stengel vor zahllosen ebensolchen
Blütenstielen der nächsten Umgebung aus. Die Bienen
finden keinen Wärmeschutz daselbst, in jedem Blüten-
köpfchen wären sie besser vor Kälte bewahrt als an dem
im Wind schwankenden Stengel. Sie finden keine
Deckung vor Regen, sie finden keine Nahrung dort, und
die Weibchen ihrer Art treiben sich ganz anderswo her-
um. Nur ihre eigene Gesellschaft treffen sie an diesem
Stelldichein und scheinen ein Bedürfnis danach zu haben.
Das ist noch keine Staatenbildung. Aber wenn sol-
cher Gemeinschaftssinn die weiblichen Tiere und ihre
Tätigkeit ergreift, dann kann er zur Staatenbildung füh-

261
Abb. 145. Sechs Männchen einer Einsiedlerbiene (Furchenbiene,
Halictus), die sich bei schlechtem Wetter und abends zum Schlaf
stets auf einer bestimmten Stelle eines verdorrten Blütenstengels
zusammenfinden. Natürliche Größe.
Abb. 146. Lehmwabe der Furchenbiene Halictus quadricinctus in
einer Lehmwand, Zugangsschacht und Nesthöhle von vorn frei-
gelegt, links eine Zelle aufgebrochen. Auf die Hälfte verkleinert.

ren. Wir kennen eine Bienenart, die in Lehmboden einen


Schacht gräbt und aus dem fügsamen Material eine Höh-
le mit einer zierlichen Lehmwabe herausmodelliert
(Abb. 146). In deren Zellen legt sie ihre Eier, sie pflegt
und füttert die heranwachsenden Larven, bewacht das
Nest und ist so langlebig, daß sie ihre Kinder kennen-
lernt. Bei einer nahe verwandten Art bleiben die aus-

262
schlüpfenden Jungbienen an Ort und Stelle, statt sich in
alle Winde zu zerstreuen, bauen gemeinsam an der von
der Mutter begonnenen Wabe weiter, legen ihre Eier in
dasselbe Nest und betreuen gemeinsam die Brut. Wer
Futter bringt, der bringt es für die Kolonie und nicht
allein für die eigenen Nachkommen. Erst der Herbst
zerstört das Gemeinwesen. Im nächsten Frühjahr fängt
jede Mutter von vorne an, beginnt als Einsiedlerin und ist
doch die Gründerin eines kleinen Staates.
Bei einer anderen Art (Halictus marginatus) ist die
Bezeichnung »Einsiedlerbiene« nicht mehr passend. Hier
erreicht die Gründerin des Nestes ein Alter von 4-5 Jah-
ren, wie die Königin der Honigbiene. Sie bleibt ihr Leben
lang ihrer Niststätte treu. Von Jahr zu Jahr vermehrt sich
die Zahl ihrer Töchter, die an derselben Siedlung weiter-
bauen und sie vergrößern. So entwickelt sich eine kinder-
reiche Familie mit mehr als hundert Mitgliedern,
durchwegs Weibchen, die aber fast alle jungfräulich blei-
ben und sich nur der Futterbeschaffung, der Pflege der
Brut und der Bautätigkeit widmen. Die Gründerin des
Nestes, solcherart entlastet, bleibt zu Hause und wird zur
»Königin« des Gemeinwesens. Am Ende dieses mehrjäh-
rigen Zyklus treten Männchen auf, junge Weibchen wer-
den begattet und gründen neue Kolonien, während die
alte zerfällt.
Sind hier die unbegatteten Weibchen nur dadurch
von der Königin verschieden, daß ihre Eierstöcke sich
nicht zur vollen Reife entwickeln, so sind sie bei einer
weiteren Art dieser vielseitigen Gattung (bei Halictus
malachurus) von geringerer Größe als jene und dadurch
schon äußerlich als »Arbeiterinnen« gekennzeichnet.
Hiermit ist der Übergang zum Staatswesen der Hummeln
vollzogen.

263
_ Der Hummelstaat

Trotz ihres klobigen Aussehens haben die Hum-


meln in ihrem äußeren und inneren Bauplan soviel mit
den Bienen gemein, daß sie die Tierkunde in derselben
»Familie« (Apidae) eingereiht hat. In ihrer Lebensweise
schließen sie sich eng an die zuletzt besprochenen Formen
an und bilden ein weiteres Bindeglied zwischen einsiedle-
rischen und sozialen Bienen. Das klingt vielleicht verwun-
derlich für einen, der unsere Hummelnester kennt und
deren Königin inmitten eines wehrhaften und emsigen
Völkchens gewiß nicht als Einsiedlerin gelten läßt. Aber
sehen wir näher zu.
Im dichten Moospolster am Waldrand, zwischen
Grasbüscheln mitten in einer Wiese, in einem verlassenen
Mausloch und an mannigfachen anderen Örtlichkeiten
kann man ein Hummelnest finden. Eine handtellergroße
Wabe (Abb. 147), von einer Wachsschicht oder auch von
einer lockeren Hülle aus Moos oder dergleichen umge-
ben, dazu ein paar Dutzend bis zu ein paar hundert
Insassen, das ist die Hummelwohnung und das Hummel-
volk.
Von der Natur mit einem langen Saugrüssel, mit
Bürstchen und Körbchen ausgerüstet, wie die Honigbie-
nen, sammeln die Hummeln Nektar und Blütenstaub als
einzige Nahrung, ziehen von Blume zu Blume und zählen
zu deren wichtigsten Bestäubern. Sie verwenden ausge-
schwitztes Wachs bei ihrem Wabenbau, das sie aber mit
Harz und Blütenstaub vermengen und zu plumpen, rund-
lichen Zellen formen. Der sparsame Bau sechseckiger
Zellen ist ihnen fremd. Kein Hummelstaat hält in unseren
Breiten der Wintersnot stand. Die im Herbst begatteten
Weibchen verbringen den Winter schlafend in Schlupf-
winkeln, und im folgenden Jahr gründet jedes eine neue
Kolonie.

264
Abb. 147. Unterirdisches Nest der Steinhummel; die Wachshülle
wurde teilweise entfernt, um die Wabe freizulegen. Rechts die Kö-
nigin. Auf 2/3 verkleinert.

Schon im zeitigen Frühling sieht man sie am Boden


herumsuchen, um einen geeigneten Nistplatz aufzuspü-
ren, oder an Blüten bereits mit dem Einsammeln der
ersten Vorräte beschäftigt. In diesem Stadium ist die
Hummel, genau wie die Einsiedlerbiene, ganz auf sich
selbst gestellt. Sie schafft ein zierliches kleines Nest, all-
seits geschlossen, nur mit einem Loch zum Heraus- und
Hineinschlüpfen. Innen baut sie einen runden Wachsbe-
hälter für die erste Brut und daneben einen Topf, wie eine
bauchige Flasche gestaltet, den sie als Vorratskrug mit
Honig füllt für kalte Regentage (Abb. 148). Bei manchen
Arten, die aus Moos oder anderen lockeren Stoffen ihre

265
Abb. 148. Junges Nest der Ackerhummel, Mooshülle durch-
schnitten und aufgeklappt. Das Nest ist bis auf das Flugloch (F)
allseits geschlossen. Die Königin ist noch allein. In der kleinen
Wabe werden die ersten Arbeiterinnen herangezogen. Rechts der
Honigtopf. Natürliche Größe.

Nesthülle bauen, bringt die Königin über der jungen


Wabe eine originelle Schutzkappe an. Sie spuckt Honig in
das Nestdach, der bald zu einer festen Zuckerkruste ein-
dickt. Wenn später Arbeiterinnen geschlüpft sind und die
Wabe heranwächst, übernehmen jene als lebende Öfchen
die Warmhaltung der Brut. Ein solcher Wetterschutz aus
Zucker wäre sinnlos, wo der Regen auf das Nest prasseln
kann, und scheint auch nur an gedeckten Bauplätzen
vorzukommen.
In die erste Zelle legt die Königin etwa ein halbes
Dutzend Eier, die sie mit einem Vorrat an Honig und
Blütenstaub versorgt. Sie verschließt die Öffnung, um sie

266
später gelegentlich wieder aufzubeißen und den heran-
wachsenden Maden neues Futter zu reichen. Aber diese
beengen sich gegenseitig in der gemeinsamen Zelle, und
das Futter ist knapp für die Zahl hungriger Mäuler. So
bleibt der Erstlingsnachwuchs unterernährt und klein.
Nach einer gewissen Zeit spinnt jede Made einen Kokon
und wird darin zur Puppe. Die sparsame Mutter nagt das
unnötig gewordene Wachsmaterial der Zelle ab, um es
anderweitig zu verwenden, so daß die Kokons frei liegen.
Die ausschlüpfenden, in ihrer Größe zurückgebliebenen
Hummeln haben infolge der knappen Ernährung ver-
kümmerte Eierstöcke. So sind Arbeitstiere entstanden,
die selbst keine Nachkommenschaft erzeugen, aber als
»Hilfsweibchen« beim Zellenbau und bei der Pflege der
Brut der Gründerin des Nestes zur Seite stehen. Diese
hebt sich nun als »Königin« heraus. Sie wird um so mehr
entlastet, je mehr geschäftige Gehilfinnen dazu kommen,
und kann sich bald allein der Eiablage widmen. Die
Wabe wächst nun rascher, die Zellen werden geräumiger,
die Nahrung wird reichlicher eingetragen, und dement-
sprechend werden die Larven größer und besser ent-
wickelt. So entstehen im Laufe des Frühlings und Som-
mers alle Übergänge von jenen ersten kümmerlichen
Hungertieren bis zu voll entwickelten Weibchen
(Abb. 149), neben denen im Sommer auch Männchen
herangezogen werden. Sie schwärmen aus und machen
sich auf die Suche nach jungen Weibchen. Im Spätherbst
sterben sie ab, wie auch die alte Königin und das ganze
Arbeitsvolk. Die gesammelten Vorräte reichen wohl über
kurze Zeitspannen ungünstiger Witterung, aber nicht
durch die lange Winterzeit, und das lockere Nest schützt
nicht vor den Frösten. Die begatteten Weibchen aber
verkriechen sich an geeigneten Stellen, verbringen den
Winter in Kältestarre und sind die Königinnen des kom-
menden Jahres.

267
Abb. 149. Größenstufen der Ackerhummel, sämtlich aus einem
Nest, 2. 9. 1935. Neben den voll entwickelten Weibchen, den Kö-
niginnen für das folgende Jahr, waren noch winzige Hilfs-
weibchen aus der Gründungszeit des Nestes zu finden. Natürliche
Größe.

Die Arbeiterinnen der Honigbiene unterscheiden


sich von ihrer Königin durch mancherlei körperliche
Merkmale und stellen so eine eigene »Kaste« dar. Die
Hilfsweibchen der Hummeln sind nur verkümmerte Kö-
niginnen. Aber man kann sich wohl vorstellen, daß in der
Entwicklung des Staatenlebens der einfache Weg, auf
dem - sozusagen durch schlechte Behandlung - diese
nicht fortpflanzungsfähigen, aber arbeitsamen Gehilfen
zustande kamen, der erste Schritt zur Ausbildung einer
echten Arbeiterkaste gewesen ist.
Die Hummelkönigin beginnt also im Frühjahr ihre
Tätigkeit wie eine Einsiedlerbiene. Sie gleicht aber einer
solchen völlig im hohen Norden, wo der kurze Sommer
keine Zeit läßt für die Entwicklung mehrerer Generatio-
nen. Da kommt es überhaupt nicht zur Ausbildung von
Hilfsweibchen, da bleibt der Königin allein die ganze
Arbeit des Nestbaues und der Brutpflege überlassen, ge-
nau wie bei einer Einsiedlerbiene, und sie muß zufrieden
sein, wenn sie in den wenigen warmen Sommerwochen

268
einIge Nachkommen so weit bringt, daß Sie ihr Ge-
schlecht in das nächste Jahr hinüber retten.

Die stachellosen Bienen

Bienen, die nicht stechen? Ja, das gibt es! Es gibt


deren sogar mehrere hundert verschiedene Arten - aber
nicht bei uns. Sie sind in den Tropen der alten und neuen
Welt zu Hause. Man hat sich einmal bemüht, sie bei uns
heimisch zu machen, denn wer möchte nicht »Rosen
ohne Dornen«! Es war ein doppelter Fehlgriff. Erstens
taugen sie nicht für unser Klima, und zweitens ist zwar
ihr Giftstachel verkümmert, aber sie zwicken um so kräf-
tiger, und wenn sie bei der Verteidigung ihres Heimes in
Masse über einen herfallen und sich an empfindlichen
Hautstellen, in der Achselhöhle, in den Augenwinkeln,
derart festbeißen, daß beim Versuch, sie abzustreifen,
eher ihr Kopf abreißt, als daß sie loslassen, dann scheint
einem der Stich unserer Bienen ganz sympathisch.
Wegen ihrer vielen Besonderheiten hat man die sta-
chellosen Bienen als eine eigene Unterfamilie (Meliponi-
nen) den Honigbienen (Apinen) gegenübergestellt. Sie
sind in mancher Hinsicht primitiver als diese; ihre Ar-
beitsteilung ist nicht so weitgehend differenziert; auch
haben sie eine einfachere Brutpflege. Während die Larven
der Honigbiene mit unausgesetzter Aufmerksamkeit ge-
atzt und betreut werden, versorgen die Meliponinen, wie
Einsiedlerbienen, die abgelegten Eier mit einem Vorrats-
kuchen aus Blütenstaub und Honig, verschließen die Zel-
len und kümmern sich nicht weiter um die heranwach-
sende Jugend. Für den Wabenbau verwenden sie selbst-
bereitetes Wachs, vermischt mit Erde, Lehm oder Stoffen
aus dem Pflanzenbereich. Viele Arten beherrschen die
Kunst, sechseckige Zellen herzustellen. In ihrer staatli-

269
a

Abb. 150. a Einfache Nestanlage einer stachellosen Biene (Trigo-


na iridipennis). Links Brutzellen, rechts die größeren Vorratstöp-
fe. b Die Biene, 2fach vergrößert.

chen Organisation sind sie den Hummeln weit überlegen.


Manche leben in volkreichen Kolonien, die sich in ähnli-
cher Weise wie unsere Bienen durch Schwärme vermeh-
ren.
Die zahlreichen Arten stehen aber keineswegs alle
auf gleicher Höhe. Da gibt es Bienen mit einer Körperlän-
ge von kaum 2 mm, wahre Zwerge in ihrer Sippschaft,
deren Wabe mit ihren runden, schlampig aneinander ge-
bauten Brutzellen und größeren Honigtöpfen ganz an ein
Hummelnest erinnern (Abb. 150), und andererseits statt-
liche Formen mit regelmäßigen Wachswaben, die im Ge-
gensatz zu unseren senkrecht hängenden Bienenwaben
horizontal angeordnet sind und nur einseitig die nach

270
a

Abb. 151. a Nest einer stachellosen Biene (Melipona), Hülle ent-


fernt, um die horizontal angelegten Waben mit den nach oben of-
fenen Zellen und darunter die Honigtöpfe zu zeigen. Stark ver-
kleinert. b die Biene, 2fach vergrößert.

271
oben offenen Brutzellen tragen. Als Honigtöpfe dienen
auch hier bauchige Behälter, ähnlich wie bei den Hum-
meln (Abb. 151). Sie sind bei manchen Arten so groß wie
Hühnereier.
Verschiedenheiten, wie in der Bauweise, treten auch
in der gesamten sozialen Organisation hervor. So lag es
nahe, in dieser artenreichen Gesellschaft nach einfache-
ren Vorstufen der wechselseitigen Verständigung zu su-
chen. Wie sind die Honigbienen zu ihrer hochdifferen-
zierten Sprache gekommen? Können Nachforschungen in
ihrem Verwandtschaftskreis zur Beantwortung dieser
Frage einige Anhaltspunkte geben? Die Hummeln sagen
uns dazu nichts. Bei ihnen hat man vergeblich nach einem
Mitteilungsvermögen geahndet.
Dagegen steht man bei jenen kleinen stachellosen
Bienen, deren Bauten wie Hummelnester aussehen, tat-
sächlich wohl an der Wurzel der Bienensprache. Wenn
diese Tiere eine gute Futterquelle entdeckt haben, alar-
mieren sie ihre Kameraden auf denkbar einfachste Art:
Nach der Heimkehr läuft eine erfolgreiche Sammlerin
erregt auf der Wabe herum, rempelt die müßig dasitzen-
den Genossen an, erweckt so ihre Aufmerksamkeit und
rennt dann plötzlich mit betonten Schüttelbewegungen
ihres Körpers ihnen voran nach dem Flugloch. Da aber
macht sie kehrt, um in gleicher Weise ein neues kleines
Gefolge nach dem Ausgang zu weisen. Darauf be-
schränkt sich ihre Tätigkeit. Und doch erhalten die alar-
mierten Kameraden einen eindeutigen Hinweis auf die
Herkunft des Fundes. Er ist durch den spezifischen Duft
der Blüten gegeben, die von der Sammlerin beflogen wur-
den. Er haftet nach der Heimkehr noch an ihrem Körper.
Ohne über die Lage der Futterquelle etwas erfahren zu
haben, suchen die Neulinge nach allen Seiten und in
verschiedenen Entfernungen nach diesem Duft und kom-
men dadurch an die richtigen Blüten. Das ist durch Ver-

272
suche folgender Art nachgewiesen: Eine Gruppe solcher
Bienen (z. B. Trigona droryana) erhielt Futter an einem
mit Duft versehenen Schälchen. Es stellten sich da selbst
Neulinge ein, solche erschienen aber etwa in gleicher
Zahl auch an Kontrollschälchen mit demselben Duft in
der entgegengesetzten Richtung oder in anderer Entfer-
nung. Ein solches Verhalten ist un's von der Honigbiene
seit mehr als 50 Jahren bekannt: Wenn sie nahe vom
Stock einen Futterplatz entdeckt, verkündet sie daheim
den Fund und seinen spezifischen Duft durch Rundtänze,
ohne Lagebeschreibung (S. 167ff.).
Höher stehende Vertreter der gleichen Gattung Tri-
gona haben eine leistungsfähigere Verständigungsweise.
Wenn eine solche Biene in einiger Entfernung von ihrem
Heim ergiebige Nahrung findet, so wimmelt es da bereits
nach 1 Stunde derart von eifrigen Sammlerinnen, als
wenn es Honigbienen wären, die durch Schwänzeltänze
die Richtung und Entfernung des Zieles erfahren hatten.
Aber diese stachellosen Bienen, z. B. Trigona postica
(Brasilien), haben eine andere Methode erfunden: Die
Entdeckerin alarmiert nur durch Herumrennen auf der
Wabe und durch stoßweises Summen die Kameraden,
von denen daraufhin mehrere das Nest verlassen und
abwartend vor ihrem Heim herumschwärmen. Die Fin-
derin aber macht zunächst noch einige Sammelflüge und
schickt nach jeder Heimkehr weitere Bienen zum Flug-
loch hinaus. Dann ändert sie plötzlich ihr Verhalten: Sie
läßt sich beim Heimfliegen wiederholt auf einem Gras-
halm oder einem Stein nieder und setzt auf ihn aus ihrer
Kieferdrüse eine Duftmarke ab. Vor ihrem Nest ange-
kommen, stürzt sie sich in den wartenden Schwarm der
Neulinge und veranlaßt diese durch Zickzackflüge dazu,
nun aufzubrechen und ihr entlang der Duftspur, die auch
für unsere Nase gut wahrnehmbar ist, zu folgen. So lotst
sie die Gruppe ans Ziel, wo sie gemeinsam mit den ande-

273
ren eintrifft. Dieses Verfahren ist erfolgreich bei der Mas-
senalarmierung auf ein bestimmtes Ziel. Aber man ver-
mißt die abgestufte Werbung für ungleich lohnende Nah-
rungsquellen, wie sie bei der Honigbiene verwirklicht ist.
Diese haben es ja dazu gebracht, durch ihre Tänze die
Stockgenossen ohne Geleit zu den Fundstellen zu
schicken und zugleich durch verschiedene Intensität der
Werbung in Verbindung mit dem bezeichnenden Blüten-
duft die Größe der ausgesandten Arbeitsgruppen an die
Rentabilität der einzelnen Blütensorten sinnvoll anzupas-
sen.
Bei einer anderen Gattung der stachellosen Bienen,
bei Melipona-Arten (Abb. 151), findet sich ein erster
Schritt zu einer Lagebeschreibung des Zieles: Wie auch
Trigona-Arten, summen sie nach der Heimkehr von einer
ergiebigen Nahrungsquelle, aber nicht regellos, wie diese.
Je weiter der Weg zur Fundstelle, desto länger sind die
einzelnen, durch kurze Pausen unterbrochenen Tonstöße,
z. B. je 1/2 Sekunde bei einem Futterplatz unmittelbar
neben dem Nest, aber 1 1/2 Sekunden bei einem Abstand
von 700 m. Es liegt also eine Entfernungsmeldung in
diesen Summtönen. Beobachtungen sprechen dafür, daß
die Nestgenossen auf diese Signale achten. Auch eine
Richtungsweisung besteht, ist aber primitiv und be-
schränkt sich darauf, daß die erfahrenen Sammlerinnen
den alarmierten Neulingen beim Ausflug eine Strecke
weit das Geleit geben und sie in der Richtung zum Ziel
auf den Weg bringen, den sie dann selbst zu Ende finden
müssen - wobei der Erfolg weit hinter dem der spurenle-
genden TrigonaArten zurückbleibt.
Übergangsformen von solchen Ansätzen zu den
Tänzen der Bienen mit ihrer vollendeten Lagebeschrei-
bung des Zieles kennen wir nicht. Sie sind wohl mit den
direkten Vorfahren der Gattung Apis verschwunden.
Von dieser gibt es heute außer unserer Honigbiene nur

274
noch drei Arten, die auf ihre Urheimat im südlichen
Asien beschränkt geblieben sind. Die Hoffnung, bei ih-
nen doch noch Hinweise wenigstens auf die letzten Ent-
wicklungsstufen der Bienensprache zu finden, gab Anlaß
zu einer Studienreise M. Lindauers in ihr Heimatgebiet.
Sie brachte keine Enttäuschung.

Bei den indischen Bienen


Unsere Honigbiene (Apis mellifica) hat drei tropi-
sche Vettern: die Zwerghonigbiene (Apis f!orea), die Rie-
sen honigbiene (Apis dorsata) und die indische Biene
(Apis cerana). Ihre ungleiche Größe ist der augenfälligste
Unterschied. Aber sie stehen auch in ihrer staatlichen
Organisation nicht auf gleicher Höhe.
Die indische Biene vertritt dort zu Lande die Stelle
unserer Biene als Haustier und Honiglieferantin. Sie ist
weniger seßhaft als diese. Wenn ihr etwas nicht paßt, sei
es daß in der Umgebung die Tracht spärlich wird oder
daß Ameisen sie in ihrer Wohnung belästigen, so zieht sie
einfach um, verläßt ihren Bau und legt irgendwo weit
entfernt im Wald einen neuen an. Dadurch hat es der
indische Imker ein wenig unbequem. Nicht selten muß er
sich aufmachen und sehen, ob er in hohlen Bäumen des
Waldes Ersatz für seine Ausreißer findet. Im übrigen sind
die indischen Bienen in ihrer Lebensweise den unseren
sehr ähnlich. Auch ihre Tanzsprache ist im wesentlichen
dieselbe.
Am ursprünglichsten und hiermit am interessante-
sten ist die Zwerghonigbiene. Sie ist ein entzückender
Zwerg: kaum größer als eine Stubenfliege, am Hinterleib
ziegelrot gezeichnet und mit silberweißen Filzbinden ge-
schmückt. Sie baut nur eine einzige Wabe, etwa so groß
wie ein Handteller, stets unter freiem Himmel an einem

275
L

117

Abb. 152. Das Nest der Zwerghonigbiene (Apis f/orea) besteht


aus einer handtellergroßen, an einen Zweig gebauten Wabe, von
deren unterem Teil hier die Bienen verjagt wurden, um das Brut-
nest sichtbar zu machen. A Arbeiterinnenbrut, D Drohnenbrut,
W Weiselzellen. - Gegen Honigraub durch Ameisen schützen sich
diese Bienen durch klebrige »Leimringe« (L), die sie am tragenden
Ast aus einer harzigen, an Pflanzen gesammelten Masse anbrin-
gen.

276
Zweig in lichtem Gebüsch (Abb. 152). Der oberste Teil
der Wabe umgreift den Zweig, an dem sie hängt, und ist
etwas verbreitert, so daß obenauf ein horizontales Pla-
teau entsteht - der Tanzboden der kleinen Gemeinde!
Hier landen die heimkehrenden Sammlerinnen, und hier
verbreiten sie ihre Nachrichten. Alle drei indischen Apis-
Arten haben dieselbe Verständigungsweise wie unsere
Bienen: Rundtänze bei nahen Zielen und Schwänzeltänze
mit ihrer Entfernungs- und Richtungsweisung bei größe-
rem Abstand. Aber die Zwerghonigbienen tanzen aus-
schließlich auf der oberen Plattform ihrer Wabe, auf
horizontaler Fläche, angesichts der Sonne und des blauen
Himmels. Zwingt man die Sammlerinnen durch Be-
decken der Plattform auf die seitliche, vertikale Waben-
fläche, so tanzen sie wirr und ungerichtet. Sie sind nicht
imstande, den Winkel zur Sonne in den Schwerkraftwin-
kel zu übersetzen. Sie können die Richtung zur Futter-
quelle nur anzeigen, indem sie sich beim Schwänzellauf
auf horizontalem Tanzboden in jenen Winkel zur Sonne
einstellen, den sie beim Flug zum Ziel eingehalten hatten.
So macht es ja ausnahmsweise auch unsere Biene, und
wir haben dieses Verhalten als das einfachere und ur-
sprünglichere aufgefaßt (S. 193f.). Die Zwerghonigbiene
bestätigt es, indem sie als primitivste unter den heutigen
Apis-Arten nur auf diese Weise tanzt.
Die Riesenhonigbienen sind größer als unsere Hor-
nissen und ihre Stiche sind ebenso gefürchtet. Auch sie
bauen eine einzige Wabe, die einen Durchmesser von 1 m
erreichen kann und· gleichfalls stets im Freien angelegt
wird, an den Ästen schütter belaubter Bäume hängend
(Abb. 153), oft auch unter einer vorspringenden Felskan-
te. Sie ist um einen Schritt weiter gekommen als die
Zwerghonigbiene, indem sie auf der vertikalen Waben-
fläche den Winkel zur Sonne auf den Winkel zur Schwer-
kraft transportiert. Das ist für sie eine Notwendigkeit,

277
Abb. 153. » Bienenbaum « im Botanischen Garten zu Peradeniya
(Sri Lanka). Das Volk der indischen Riesenhonigbiene (Apis dor-
sata) baut seine große, frei hängende Wabe unter freiem Himmel,
an Bäumen mit lichter Belaubung.

weil sie keinen horizontalen Tanzboden besitzt; die


Oberkante ihrer Wabe ist an einem Ast oder Felsen fest-
gekittet. Aber sie tanzt nur an solchen Stellen der vertika-
len Wabenflächen, wo sie freien Ausblick nach der Sonne
oder blauem Himmel hat. Warum das so ist, wissen wir
bisher nicht. Es scheint, daß sie den Sonnenwinkel auf
den Winkel zum Lot nur transportieren kann, wenn sie
beides gleichzeitig wahrnimmt, und daß die Neulinge, die
ihren Tanz verfolgen, die Richtungsweisung nur unter
dieser Voraussetzung verstehen.
Nur die indischen Bienen und unsere Honigbiene
haben es dazu gebracht, sich den Sonnenwinkel zu mer-
ken und aus dem Gedächtnis in den Schwerkraftwinkel

278
zu übersetzen. Das war die Voraussetzung für ihr Woh-
nen in hohlen Bäumen oder Erdlöchern, die vor Feinden
und Unbilden der Witterung besseren Schutz gewähren.
Erst dadurch wurde ihnen auch die Besiedelung von Ge-
bieten möglich, in denen - wie bei uns - frei nistende
Völker einen strengen Winter nicht überstehen können.
Nach diesen Ergebnissen einer »vergleichenden
Sprachforschung« an Bienen scheint die folgende Vor-
stellung von der Entwicklung der Bienensprache begrün-
det:
Der Anfang war, daß erfolgreich heimkehrende
Sammlerinnen durch erregtes Herumrennen und durch
ein summendes Vibrieren der Flugmuskeln die Aufmerk-
samkeit der Nestgenossen auf sich lenkten. Das Vibrieren
der Flugmuskeln ist bei Insekten ein verbreiteter Brauch
zum Aufwärmen des Körpers vor dem Abflug und dient
zwischen zwei Ausflügen dem Warmhalten. Am Blüten-
duft, der am Körper der geschäftigen Kameraden haftete,
erkannten die Nestgenossen die Duftmarke der Futter-
quelle und machten sich nach allen Seiten auf die Suche.
Ein Schritt zu einer Entfernungsmeldung im Nest war
gegeben, wenn mit wachsender Entfernung des Zieles das
Summen in zunehmend längeren Tonstößen hervorge-
bracht wurde, wie das bei manchen stachellosen Bienen
zutrifft. Eine Richtungsweisung begann damit, daß die
erfahrenen Sammlerinnen die alarmierten Neulinge beim
Ausfliegen ein Stück weit mit auf den Weg nahmen.
Im Tanz der Honigbienen sind Entfernungs- und
Richtungsweisung im Schwänzellauf miteinander gekop-
pelt. Die zunehmende Länge der Summtöne und als zu-
sätzliche Ausdrucksbewegung ein gleichzeitiges Schwän-
zeln markieren scharf die Schwänzelzeit als Symbol der
Entfernung. Die Richtungsweisung ist nun bei der
Zwerghonigbiene durch die Richtung des Schwänzellaufs
mit Bezug auf den Sonnenstand gegeben. Auch das ist ein

279
verständlicher Schritt: An die Stelle der Geleitflüge traten
»Intentionsbewegungen«, wiederholte Ansätze zum Ab-
flug in der angestrebten Richtung, wie man sie ähnlich
bei Vogel scharen vor dem gemeinsamen Aufbruch zum
Schlafplatz oder zu gewohnten Weideplätzen beobachten
kann.
Aber wie kamen die Bienen schließlich dazu, im
finsteren Stock den Sonnenwinkel durch den Schwer-
kraftwinkel zum Ausdruck zu bringen? Haben sich die
Bienenvölker eines Tages versammelt und den Überset-
zungsschlüssel vereinbart: Richtung nach oben auf der
Wabe = Richtung zur Sonne beim Flug usw.?
Die geistigen Fähigkeiten der Bienen schließen eine
solche Annahme aus. Für verständige Überlegungen sind
in ihrem Gehirn, so groß wie ein Stecknadelkopf, die
Voraussetzungen nicht gegeben. Ihre Handlungsweisen,
so verwickelt sie uns erscheinen, sind erblich festgelegte,
nur wenig wandlungsfähige Instinkte und halten sich in
den engen Grenzen dessen, was unter natürlichen Um-
ständen für sie Bedeutung hat.
Erfahrungen an anderen Insekten haben aber auch
diesen letzten Schritt in der Entwicklung der Bienenspra-
che dem Verständnis etwas nähergebracht. Auch ein
Mistkäfer bedient sich unter Umständen der Sonne, um
den geraden Weg nicht zu verlieren. Er macht es einfach
so, daß er beim Kriechen auf dem Boden einen bestimm-
ten Winkel zur Sonne beibehält - oder zu einer künstli-
chen Lichtquelle, wenn er als Versuchstier in den Dienst
der Wissenschaft gespannt ist. Versetzt man ihn nun
plötzlich in Dunkelheit und kippt gleichzeitig seine Lauf-
fläche hoch, so daß sie vertikal steht, so schlägt er den
Winkel zur Schwerkraft ein, den er vorher zum Licht
eingehalten hatte. Das hat für ihn keinerlei biologische
Bedeutung. Er bleibt nur, vielleicht aus einer Art geistiger
Trägheit, bei seinem Orientierungswinkel; wenn das

280
Licht versagt, hält er sich an einen anderen brauchbaren
Orientierungs reiz, in unserem Fall an die Schwerkraft.
Ganz Entsprechendes hat man bei anderen Insektenarten
beobachtet. Bei jenem Transponieren der Bienen, das so
schwer zu begreifen schien, handelt es sich also offenbar
um eine weitverbreitete primäre Eigentümlichkeit nervö-
ser Zentren. Es kam nur darauf an, diese angeborene
Verschlüsselung sinnvoll zur Anwendung zu bringen, um
eine durch Erfahrung bekannt gewordene Richtung an-
deren zu übermitteln und so in einzigartiger Weise in den
Dienst einer biologischen Aufgabe zu stellen.
Das klingt ganz einleuchtend - und bleibt doch
rätselhaft genug, um das Staunen nicht zu verlernen.

281
Bildnachweis

1,59 Foto Dr. Leuenberger


2,6 Foto Dr. Wohlgemuth
3,4,7,8,14-17,21,26-28,31-33,35,40-42,45-48,51,67,68,
70,77,106-108, 136, 139 Foto D. Kaltenberger
5 Foto Prof. Dr. Zander
9 nach CasteIl
10, 32, 36, 95 Foto E. Schuhmacher
13 nach Lindauer und Nedel
49a Foto Norman E. Gary
49b nach F. Ruttner
53 nach G. A. Rösch
61, 134, 135 Zeichnung von T. Hölldobler
66, 71, 73 nach Daumer
69 aus Kar! von Frisch, Biologie, Bayerischer Schulbuchver!ag,
~ünchen31967,S. 147
76,140 Foto A. Langwald
78 nach S. Exner
88 nach Stockhammer
91 Foto ~. Renner
92 nach Goldsmith
102 nach~. G. Oehmke
103 Foto ~. G. Oehmke
113,114 nach H. Esch
131,132 nach Ingeborg Beling
133 nach ~. Renner
134, 135 Foto W. Rathmayer
138 nach ~orgenthaler

283
140 Präparate von G. Reng
141-145,148,149 Sammlung K. v. Frisch, Brunnwinkl
147 nach v. Buttel-Reepen
150, 152, 153 nach M. Lindauer
151 nach Doflein und Lindauer

284
Sachverzeichnis

A Arbeitskalender 75
A. m. adansonii 203 Arbeitsleistung 192
Aargand 227 Arbeitsmarkt 51
Abgabezeit 179 Arbeitsteilung 64,68, 75, 269
Absperrgitter 37 Aroma 23
Abwehrverhalten 251 ätherisches Öl 81,87
Ackerhummel 266 Augenhintergrund 118, 120
Ackersenf 113 Augenkeile 123-126
Aggressivität 203 Augenlicht 77
Ägypter 5 äußere Zeitgeber 234, 238
Alarm 171
Alarmierungserfolg 221 B
Alarmierung 220 Baggersee 154
Alarmwirkung 223 Bären 241
Alpenrosen 109 Baubiene 52, 72, 74, 76,
Alpenveilchen 170-172, 175 162-163
Alter der Bienen 71-72, 75 Baumklotz 8
Alterungsprozeß 76 Bautätigkeit 15,42,69
Altvolk 73-74 Bedürfnisse des Volkes 74
Ameisen 242,257,275 Befruchtung 30, 32
Ammendrüse 42 Begattung 56-57, 62
Amputation 87-88 Begattungskästchen 49
Anstrichfarben 147 Beobachtungsbienenstock 34
Antennen 87 Beobachtungskasten 72
Antibiotikum 35, 226,253 Beobachtungsstock 64, 73,
Apfelbüte 19,32, 113 153-154, 160, 165, 180,
Apis cerana 244,251 207
Apis dorsata 275,278 Bernstein 5-6
Apis florea 275-276 Bestäubung 79,178
Arbeiterin 46,48, 50,251 Bestzeit 231,239
Arbeiterinnenzellen 51-52 Bettellaute 187,219

285
Bienen Blütenart 172
- auge 84,103-104, Blütenbiologen 173
106-107,109,111-112, Blütenduft 80-81,173-175,
126-127, 147 181,204,220,279
- baum 278 Blütenfarbe 79,109-110
- besuch 178 Blütennektar 94
- beute 5 Blütensorte 170, 174
- brut 46,254 Blütenstaub 12, 18,24-25,
- fleiß 71 27,29,32,36,47,70,79,
- fühler 89, 90-91 107,169,204,247
- geruch 146 Blutlymphe 75,249-250
- korb 8 Bluttemperatur 44
- larven 67 Bohnen 32,111,172
- laus 245 Borstenkamm 27
- leichen 71 Botenstoff 86
- made 39 Brut 36,38,40,54,72
- modell 218-221 Brutamme 67,72, 74, 76,
- purpur 106, 116 142,255
- schwarm 55, 163,212 Brutbereich 36
- sprache 173, 188,275,279 Brutbezirk 44
- sprektrum 106 Bruthöhle 243
- staat 3 Brutmaden 91
- stock 1 Brutnest 36-37
- violett 106 Brutpflege 43, 72, 269
- volk 1 Brutwaben 37,40-41,44
- waben 247 Brutzelle 45, 67, 71
- wolf 242-245 Buchfink 235
- zucht 5, 7, 37 Buchweizen 32
- züchter 5, 7 Buchweizenfelder 9
Bildpunkte 119 Bürstchen 27
biologische Schädlings- Buttersäure 84
bekämpfung 249
biologische Uhr 234,238 C
Birnbaum 32 Chinin 95, 99
Bittergeschmack 98 Chitin 33
Bitterstoffe 96 Chitinpanzer 70
Bitterzucker 98 Cholera 254
Blattknospen 226 Chronobiologie 234
Blattlaus 11 Citrin 226
Blattschneiderbiene 258 Corpora allata 76
Blaufilter 116
Blaupapier 102 D
Blumenduft 78,81-82 Darmkrankheit 252
Blumenfarben 107, 109, 111 Darmschleimhaut 253
Blumenwiese 17-18 Dauerlicht 235

286
Dauertänze 233 Eiablage 35,50,57, 72
Deklination 161 Eidechse 44
Dialekte der Bienensprache Eierstöcke 50, 267
202 Eileiter 50
Diphterie 254 Einigung im Schwarm
Disharmonie 237 214-216
Distelblüten 172 Einsiedlerbiene 257,259,
Distelduft 224 261,268-269
Drei-Zeiten-Dressur 230-231 Eiröhrchen 50
Dressurduft 80-82, 87 Eisen 22
Dressurmethode 79 Eiweißreserven 42
Dressurversuch 83, 165 Eiweiß 18,33
Dressurzeit 229 elektrisches Potential 119
Drohnen 3, 24, 46, 50-52, Elektroden 92
57-59,60,62-63 Elektronenmikroskop 90, 132
- bau 51 Elektrophysiologie 92
- brut 251 Elektroschock 85
- flug 58 Elritze 94
- sammelplätze 59 Entfernungsmeldung 196,
- schlacht 3, 63 274,279
- schwarm 53 Entfernungsmessung 192
- zellen 51-52,62 Entfernungsweisung 218,
Druckmesser 193 221-222
Duft 80,83-85,108 Enzian 172
- bouquett 245 Enzyme 22
- dressur 86, 101 Erdmagnetfeld 234-235
- drüse 59, 82 Erdmagnetismus 161, 164
- kästchen 83 Erdumdrehung 234, 236, 238
- lenkung 225 Ergiebigkeit der Tracht 177
- mal 114 Ersatzkönigin 144
- marke 114,273,279 exogene Zeitgeber 235-236,
- muster 70 238
- organ 149-150, 180-181
- parole 175 F
- platten 190,221 Facettenauge 120-121,197
- signal 85 Fächeln 45
- stoffe 91,114,175 Fächerversuch 196
- Tarnkappe 245 Fangwaben 251
duftlose Blüten 174 Farbanstriche 147
Farbe 83, 102
E Farbempfindung 103
Ecdyson 75 Farben 100,108,117
Echelsbacher Brücke 199 Farbenblinder 101
Echtlichtblau 148 Farbenkreis 105
Ei 34-35,38,46,50-51 Farbenmischung 105,113

287
Farbensehen 100, 102, 106 Futterkuchen 258, 260
Farbensinn 100, 107, 109, Futterproben 34
147 Futterquelle 178-179,181,
Farbfilter 116 188
Farbmerkmal 84 Futtersaftdrüse 67-68, 72
Farbton 104, 106 Futtersaft 47, 74
Faulbrut 254 Futterzeit 229
Felsgrat 198
Fernsammler 182 G
Fersensporn 27-28 Galangin 226
Fett 16,42 Gänseblümchen 113
Feuerbohnen 174 Gedächtnis 82, 84-86, 173
figurale Intensität 127 Gedächtnisbildung 85-86
figurale Qualität 127 Gedächtnisspur 86
Fingerkraut 15 Gefühl 77
fingerprint-Methode 60 Gegenwind 192
Fische 234 Gehirn 85
Flavonoide 226 Gehör 77
Fleischfresser 16 Geländemarken 141
Fliegen 31 gelber Hahnenfuß 174
Fliegenblumen 19 Gelbfilter 116
Flimmern 128 Gelee Royale 49
Flugbereich 143, 188 Gemeinschaftssinn 261
Flugbienen 73 Geruch 77,79,93,149
Flügelfächeln 150 Geruchsorgane 87, 89
Flugleistung 24, 43 Geruchssinn 77, 81, 92-93
Flugloch 5, 7 Geruchsvermögen 77
Flußufer 160 Geruchswerkzeuge 173
Formensehen 124, 126 Geschlechtsbestimmung 51
Formwahrnehmung 126 Geschmacksempfindung 96
freilaufende Rhythmik 235 Geschmackssinn 92-94, 98
Frequenz 188 Geschmack 77,93
Fruchtknoten 29, 30 Gesicht 77
Fruchtzucker 22-23 Gesichtsfeld 118-120,123,
Frühjahrsbienen 42 125
Fühler 87-89 Gesichtssinn 78
Fühleramputation 88-89 Gestalt 84
Fühlersprache 246 Getreide 107
Fumidil 253 Gift 69
Funkturm 199-200 Giftblase 50
Furchenbiene 262 Giftdrüse 50,69
Fußgängerinnen 192 Giftstachel 63,69
Fußmarsch 192 Gleichgewichtsorgan 119
Futteraustausch 96, 178 Gleichgewichtssinn 77
Futterbelohnung 85 Glockenblume 113, 204-206

288
Grabwespe 242 Himmelsrichtung 153-156,
Gras 107 163, 194, 197
Grauabstufungen 102 Hitzeschock 244
Graupapier 101-102 Hochzeitsflug 49-50,52-53,
Graustufen 115 57,59,144,147
Grenzschwelle 96 Hofstaat 34
Griffel 30 - bienen 53
Grillen 187 Höhenkreis 134
Großkreis 134 Holunderblüten 19
Gründerin des Nests 263, 267 Holzrähmchen 8,10
Grundfarbbereiche 115-116 Honig
Grundfarben 104-105 - blase 176, 192,243
Grundlagenforschung 86 - blasenwand 193
Gurken 32 - duft 100
- ertrag 9
H - gewinnung 8
Hahnenfuß 172 - kuchen 257-258
Halictus 261 - magen 21,23,26,175,
Halictus malachurus 263 179,187,192
Halictus marginatus 263 - raum 37-38
Halictus quadricinctus 262 - töpfe 270-272
Harmonie der Arbeit 75 - vögel 109
Harzüberzug 67 - vorrat 166
Haselkätzchen 107 - wabe 36
Haselnuß 108 Hören 188
Haupttracht 42 horizontaler Tanzboden 278
- zeit 178 Horizontmarken 59
Hausbiene 67 Hormon 75
Häutung 75 Hornhaut 120-121
Häutungshormon 75 Hornissen 244
Heidekraut 109 Hörorgane 187
- bestände 9 Hörvermögen 61, 187
Heidelbeeren 32, 174 Höschen 25, 28
Heimatstock 143-145,147- Hummel 20,31-32,224,
149 263-265,267,270,272
Heimfinden 148 - blumen 225
Helligkeitsmuster 132-133 - königin 268
Helmholtz-Spulen 235 - nest 264,270
Heuschrecken 187 - staat 264
Hexose 49 Hygiene 35,67,226-227
Hilfsweibchen 267-268
Himmelsblau 156
Himmelskompaß 155, Immortellen 172
158-160 indische Biene 275
Himmelsmuster 135 Inhibine 23

289
Inklination 161 Kohlendioxid 93
Innenohr 77, 187 Kolibri 109-110
innere Uhr 233-234, 236- Kompaß 153, 161,240
237,239 Kompaßrichtung 156-157,
Insektenblüter 108 161, 163
Insel Wight 248 Komplementärfarbe
Inspektionen 216 104-105,113
Intentionsbewegung 280 Königin 2-3, 34-36, 38,
Inzucht 30,51,57 40-41,46-48,50-55,57,
Irisblende 117 59-60, 70, 72, 144, 147,
Israel 244 150,214-215,246,263
italienische Rasse Königinfuttersaft 48
(A. m. ligustica) 202 Königinnensubstanz 35,53
Konkurrenz 178
J Kontrollversuch 88
Japan 244 Korbbienenstand 6
Jasmin 81,83 Körbchen 26-28
Jasminblüten 80 Körperpflege 34,251
Jet-Krankheit 237 Körpertemperatur 43-44,
Johnstonsche Organ 188 221,237
Jungbienen 67, 156 Kostprobe 187
Jungköniginnen 60 Kraftaufwand 192
Jungvolk 73 Krainer Rasse
Juvenilhormon 48, 75-76, (A. m. carnica) 202
251 Krätzmilben 249
kriechendes Fingerkraut 116
K Kristallkegel 120-121
Käfer 31,34 Kulturpflanzen 97
Kalium 22 Kundschafter 181,205
Kaliumausscheidung 237 Kundschafterflüge 239
Kalorien 22 Kupfer 22
Kältestarre 267 Kurzzeitgedächtnis 84-85
Kalzium 22
Käsemilben 249 L
Kaste 268 Lagebeschreibung 273-274
Keimanlage 30 Lagebeziehung 146
Kieferdrüse 59,273 Landessprache 223
Kinderstube 67 Landmarke 157, 160
Kittharz 212,226 Langzeitgedächtnis 84-85
Klee 32 Larve 33,47-48,51,67,
Kleeblüte 78 73, 75
Kleidermotte 246-247 Larvenfutter 49
Kobalt 22 Laser-Doppler-Vibrometrie
Kobaltblau 148 186
Kohldistel 224 Laserstrahl 186

290
Lautproduktion 184 Mischfarbe 116
Lavendelöl 153, 191 Mischvolk 202
Lebensalter 41 Mistkäfer 280
Lebensdauer 42 Mißweisung 161
Lebenserwartung 41 Mitnahmebereich 238
Lebensspanne 42 Mittagspause 197
Leimringe 276 Mittelwand 12,51,
Leitlinie 158-159 Modellbiene 220
Lernakte 8, 85 Modulationen 86
Lernaufgabe 85 Mohnblume 30, 111
Lernen 84 Mohnblüten 26, 111
lernende Nervenzelle 86 Mond 156
Lernerfolg 86 Monokultur 17-18
Lernfähigkeit 84 Monosaccharide 23
Lernvermögen 84 Mörderbienen 203
Lernvorgang 156 Mosaikbild 125
Leuchtkäferchen 124-125 Mücken 187-188
Libellenauge 122 Müßiggang 67
Lichtnelke 110 Müßiggänger 75
Lichtwellen 104 Mutterstock 142,212
Linse 118, 120, 124 Muttervolk 163
Linsenauge 123
Löcherbiene 258 N
Lockduft 180-181 Nachtänzerinnen 187,
Lot 15 219-221
Löwenzahn 18 Nachtarbeiter 238
- wiese 17 Nachthimmel 156
luftgetragener Schall 186 Nadelhölzer 107
Nahsammler 182
M Narbe 30
Magnetfeld 161,163-164 Narkose 85
Mangan 22 Natrium 22
Manipulation 222 Nektarabsonderung 239
Massenaiarmierung 274 Nektarsammler 204
Mauerbiene 259-260 Nektarstrom 178
Meeresschnecke 86 Nektartröpfchen 78
Melipona 271,274 Nervenfasern 92,119
Meliponinen 269 Nervennetze 86
Menschenauge 126 Nervenzelle 86
Merkzeichen 84 Nervus recurrens 193
Mikrovilli 137 Nestanlage 243, 270
Milbe 248-249 Nesthülle 266
Milbenkrankheit 248 Netzhaut 118-119,121,
Milbenweibchen 251 123-125, 157
Mineralstoffe 22 Netzhautbild 123-125

291
Netzhautstäbchen 124, 132 Pfefferminzduft 87-88
Neulinge 168-169,171,173, Pfefferminzöl 220
176,180,182,189-191, Pferd 77
195-196,200-202,221 Pharmaka 85
Neurobiologie 86 Phlox 171,172,175-176
Nikolsches Prisma 130 Phloxblüten 171-172
Nistgelegenheit 260 Phosphate 22
Nistplatz 212-216,218, Pieplaut 187
Niststätte 212 Pilzkörper 85
Noradrenalin 86 plastisch riechen 92
Nordamerika 203 Plastizität 86
Normalsichtige 101 Plinius 226
Nosema apis 252 Polarisation 157
Nosemaseuche 252 Polarisationsfolie 130-131,
numeneren 65 208-211
Polarisationsmuster 134,
o 141,156,209,211
Oberkieferdrüse 53 Polarisationswahr-
Obstbäume 32 nehmung 157
Octopamin 86 polarisiertes Himmels-
ökologische Nische 251 licht 157, 161,211
Oktosan 98-99 polarisiertes Licht 129-130,
Oleinsäure 245 132-133,135-136,141
Ommatidien 122 Pollen
Orangenblüten 81 - ballen 28
- öl 189 - duft 205
Orientierungsflug 68,143, - höschen 204
147 - kamm 10,27
Orientierungsmarken 147 - körbchen 226
Orientierungsmerkmal 149 - körner 30
Orientierungswinkel 280 - sammler 25,69,204
örtliche Zeitfaktoren 236 - schieber 10
Ortskenntnis 68 - schläuche 30
Oszillatoren 236-237 - vorräte 67, 72
9-0xodecen-Säure 53 - zellen 36
Pomeranzenöl 82
p Pomeranzenschalenöl 81
Palmitinsäure 245 Porenkanälchen 89
Pappeln 107 Porenplatte 90-92
Paraffinöl 80 Preißelbeeren 32
Parasiten 251 Primel 114
Parfümindustrie 81 Prisma 103
Paris 232 Prophylaxe 227
Pendellot 15 Propolis 4,35, 67, 226
Pfefferminz 87, 173 - salbe 227

292
Pulsschlag 237 Robinien 176-177
Pupille 117, 120 Roboterbiene 220-221, 223
Puppe 34,41,60 Roboter 219
Puppenstadium 41 Rohrzucker 22
Purpurrot 109, 113 Rohrzuckerlösung 94
Purpurtöne 105 Rose 26,30, 79, 80-81,
204-206
Q Rosenblüte 206
Quaken 61,245 Rosenduft 80
Quakerinnen 60 Rosensammler 205
Quartiermacher 56 Rotblindheit 110
Quercetin 226 roter Klee 109,225
Rotsichtigkeit 11 0
R Rudolfinerhaus 227
Raps 112-113 Rundtanz 167-169,
Rapsblüten 113 182-183,188, 199-202,
Rapsfeld 202 204,273,277
Räuber 248 Rüsselausschlag 46
Raumbild 157
räumliches Auflösungs- 5
vermögen 126, 128 Saccharin 95
Raupenzeit 247 Sachtolithweiß 148
Reaktionsnorm 238 Saftmal 114-116
Regenbogen 103 Samenanlage 29
Regenbogenhaut 117, 120 Samenansatz 178, 225
Reinigungstrieb 254 Samenbehälter 50
Reiseproviant 192 Samenblase 50
Rekrutierungserfolg 222 Samenernte 225
Rentabilität 223 Sammelbienen 76, 97
resistente Stämme 251 Sammeleifer 202
Resorption 193 Sammlerin 74, 166, 169
Rezeptorpotential 188 Sammelflug 21,23,28,40,
Rhabdom 133 43,71,83,273
Richtungsweisung 193-195, Sammelplätze 59,62
199,207,211,221,274,279 Sammeltätigkeit 42
Riechnerven 93 Sammeltrieb 62
Riechorgan 82 Santschi 151
Riechporen 89 Schachbrettmuster 149
Riechschärfe 82 Schafberg 197-198
Riechstoff 82, 89, 92-93, Schalldruck 187
173,179 Schallerzeugung 184
Riechstoffmolekül 90 Schallglocke 186
Riechwerkzeuge 89 Schallpegel 186
Riesenhonigbiene 215,275, Schallproduktion 185,222
277 Schallschnelle 187

293
Schallsignale 61,187,219 Schwirrläufe 215
Schellacklösung 65 Sehbereich 126
Schichtarbeit 237-238 Sehnerv 118, 120
Schlafgesellschaft 261 Sehschärfe 124, 126
Schlaf-Wach-Rhythmus 236 Sehstäbchen 132, 134, 138
Schlüsselblume 114 Sehstab 120, 123
Schmarotzer 248 Sehstoff 137
Schmeckstoff 93 Sehzellen 119
Schmerz 88 Selbstbestäubung 30
Schmetterling 20,31,33-34, Serotonin 86
94,172,244,246-247 Sinnesempfindung 92
Schmetterlingsraupen 39 Sittich 228
Schnarrlaut 221-222 Skatolduft 84
Schnecken 234 Sonderlinge 202
Schoten dotter 112-113 Sonne als Kompaß 193
Schüttelbewegung 272 Sonnenbahn 155
Schutzkleidung 203 Sonnenlauf 155-156
Schwalbenwurz-Enzian 174 Sonnenlicht 103-104,129
Schwänzelachse 220 Sonnenmeridian 134
Schwänzelbewegung 183- Sonnenstand 141,151,153,
185,219 155-156, 194-195, 197,
Schwänzellauf 183,189-190, 207,220,231-233
193,199,207,222,279 Sonnenwinkel 280
Schwänzelphase 219 Sorbinsäure 226
Schwänzeltanz 182-183, soziale Instinkte 256
188-189,193-195, soziale Zeitgeber 237
201-202,204,218-219, Spannungsdruck 193
273,277 Speicheldrüse 47,72,74
Schwänzelzeit 189,279 Speichelenzym 22
Schwarm 52, 56-57, 60, Spektrum 103-105
149, 162 spezialisierte Verdauungs-
- traube 55-56,212-213,215 säfte 247
- trieb 203 Spiegelversuch 151
- zeit 52 Sporen 253
Schwärmen 54 Sporentierchen 252
Schwereempfindung 14-15 Spurbiene 56,212-217
Schwerefeld 141,220 Staatenbildung 261
Schweresinnesorgan 162 Stachel 70
Schwerkraft 195,207 Stachelapparat 50
- richtung 233 stachellose Biene 269-271,
- winkel 278,280 273
Schwingungsfrequenz 184 Staubgefäße 20,24, 26, 30,
Schwingungsmuster 137,211 205
Schwingungsrichtung 130- Stearinsäure 245
133,135,156,208-209 Stechapparat 69

294
Stechlust 203 Tanzsprache 275
Stechtätigkeit 69 Tanzstimmung 178
Steinhummel 265 Tanztempo 190
Steinnelke 110 Tarnkappe 244
Stelldichein 261 Tasthärchen 90,92
stengelloses Leimkraut 110 Tastsinn 61,92
Sternbilder 156 Tastsinneszellen 15
Sternfigur 149 Temperatur 43
Sternfolie 131-132,136-137, Temperaturregelung
209-211 43-45
Sternform 84 Thymian 78, 87
Sterzelduft 149 Thymianduft 87
Sterzeln 149,150, 180 Tonstöße 274,279
Stillhalteabkommen 251 Totenkopfschwärmer
Stockbienen 76, 97 244-246
Stockduft 70, 220 Tracht 18,70,74,171,
Stockgeruch 150 176-178
Strahlenbrechung 103 - biene 42-43, 73, 78, 143,
Strohkorb 5,7 217
Stufenversuch 191, 196 - gebiete 18
Subgenualorgane 186 - quelle 189
Suchflüge 174 - verhältnis 178
Südamerika 203 Tradition 155
Südostasien 251 Transozeanversuch 232
Sulfate 22 Transponieren 281
Summtöne 279 Traubenzucker 22-23
Süßgeschmack 95 Trigona 273
Synapsen 86 - Arten 274
- droryana 273
T - iridipennis 270
Tagarbeiter 238 - postica 273
Tageslänge 52 Tuberkulose 254
Tagfalter 11 0 Tüten 60-61,245
Tag-Nacht-Rhythmik 235 Tympanalorgan 187
Tagschmetterlinge 110 Typhus 254
Tanzanweisung 191
Tanzboden 194,207,277 U
Tänze 169,172,177,186, Überhitzungsgefahr 45
189 Ulmen 107
Tänzerinnen 167-169,172, Ultraviolett 103-105,
174,181,187,188 113-116,148
Tanzgefolge 186-187,220 - filter 113, 116
Tanzkurve 189 - Reflexion 112
Tanzlaute 186-187,219 - sichtigkeit 111
Tanzrichtung 210 Umkehrbrille 119

295
Umlaufzeit 222 - motte 246-247
Umwegversuch 198 - plättchen 10, 13
Umweltdüfte 70 - schüppchen 11, 15
Unterempfindlichkeit 98 - überzug 175
Unterkühlung 44 - waben 70
Wächter 70
V - bienen 76
Vanadin 226 - dienst 69
Varroa jacobsoni 249 Waldrand 158-160
Varroamilbe 250 Wanderbienenzucht 9
Vaterschaftsnachweis 60 Wärmeabgabe 43-44
Vegetarier 16 Wärmeerzeugung 44
Ventilverschluß 21 Wärmeverlust 226
Verdauungsorgane 21 Wasserspucken 45
Verdunstungsfläche 46 Wechselgesang 60-61
Vergällungsmittel 98 Wegmarken 153
Vergißmeinnicht 78, 143 Weidenkätzchen 25
vergleichende Sprach- Weinraute 20
forschung 278 Weisel 47
Verpuppung 39,67 Weiselfuttersaft 47-48
Versetzungsversuch 152, weiselloses Volk 42
154, 160 Weiselnäpfchen 48,52
Verteidigung 261 Weiselwiegen 47,49,60
Vibrationssignale 186 Weiselzellen 47,52-53,60,
Vibrationssinn 188 62
Vögel 33,234 weiße Rosen 113
Vogel auge 109 weiße Winden 113
Vogelblume 110 Wellenlänge 103-104
Volksduftkomponente 245 Wespen 69,242
Vorratskammern 12 Wicken 172
Vorratskuchen 269 Wiesenblumen 84
Vorratszellen 69 Wiesenklee 18
Wikinger 56,150-151
W wilder Wein 174
Waben 8,34-35, 37, 57, Wind 107
64-65, 70, 74-75, Windblüten 107
162-163,166,215,247 Windblütler 107
- bau 7,91, 162 Winkelmaß 15
- vorräte 247 Winkelmesser 197
Wachs 11,70,74,92,247 Winterbienen 42, 71
- bereitung 11 Winterruhe 149
- drüse 42,68-69, 72, 74 Wintervorrat 31,37,97,241
- geruch 92 Wohnröhre 259
- kammern 12 Wohnungssuche 56-57,212
- klümpchen 12 Wolfgangsee 197

296
Wolkendichte 157 Zenit 196
Würmer 234 Zenitstand 197
Wurzel der Bienen- Zierpflanzen 109
sprache 272 Ziffernsystem 65
Zikaden 187
z Zinkweiß 148
Zeit zirkadianer Rhythmus 235
- dressur 232, 235 Zucker 16,42
- geber 235 - rohr 241
- gedächtnis 228-230 - wasser 79, 85, 87, 101
- gefühl 189,228 Zugvögel 164,236
- phase 237 Zwerghonigbiene 215,
- sinn 153,239,240 275-277
Zellenbau 12 Zyklamen 109, 176
Zellwände 13 - blüte 176

297

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