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Der Weg

zum Ziel
Eine Zeitschrift für Deutschlernende Ausgabe Nr. 27 2/3 - 99

Beethoven - ein Kämpfer mit Tönen ➁


Ludwig van Beetho- So verehrte diese Zeit
ven ist wohl der be- den Menschen und sei-
kannteste deutsche ne Leistung. Sie verehr-
Komponist und einer te besonders den gro-
der bekanntesten ßen Menschen, das Ge-
überhaupt. Seinen Na- nie3. Ein solches Genie
men kennen viele war für viele z.B. auch
Menschen auf unserer der damals die Welt er-
Erde, auch wenn sie obernde Napoleon.
von Musik nicht viel
verstehen. Schon zu
seinen Lebzeiten war Fleißig und
er sehr berühmt, was begabt
man nur von wenigen
Musikern sagen kann. Ludwig van Beethoven
wurde 1770 in dem
Denn Beethovens Mu- Städtchen Bonn am
sik wirkt gewaltig und mitreißend. Für man- Rhein geboren, der späteren Hauptstadt der Bun-
chen ist sie deshalb auch zu laut. Sie ist oft lei- desrepublik. Sein Vater war ein kleiner Musiker,
denschaftlich und heftig, sie hat mitunter et- der im Alter immer mehr dem Alkohol verfiel. Aber
was Gewaltsames. Man merkt an Beethovens er erkannte die musikalische Begabung seines
Musik, daß er ein Mensch war mit einem star- Sohnes und förderte sie durch strenges Üben.
ken Willen.
Mit 8 Jahren gab Ludwig bereits sein erstes öf-
Ein Klassiker fentliches Konzert in Köln. Mit 13 Jahren wurde
er Mitglied der Hofkapelle des Kurfürsten4 von
Das lag auch an Beethovens Zeit. Die Zeit um Köln. Er lernte fleißig weiter.
1800 war die Zeit der Klassik. In Deutschland
lebten die Dichter Goethe und Schiller. In die- Wien war damals die „Hauptstadt der Musik“.
ser Zeit begeisterte man sich für die Tugenden1 Mozart war hier kürzlich gestorben, Haydn lebte
des römischen und griechischen Altertums: für noch. So ging Beethoven mit 17 Jahren erstmals
Vaterlandsliebe, Opferbereitschaft, Treue in der für 14 Tage nach Wien, wohin er 1792 gänzlich
Ehe, Freiheitsliebe. Der Mensch sollte nach ethi- übersiedelte5, um seine Studien abzuschließen. Er
scher2 Vollkommenheit streben. Er sollte ein hatte inzwischen seine Mutter verloren - den ein-
Kämpfer für das Gute sein. Ein solcher Kämp- zigen Menschen, der ihm Liebe und Zärtlichkeit
fer wollte auch Beethoven sein. geschenkt hatte.
1
Aus der Redaktion Ein Genie mit Fehlern
Liebe Leserin, lieber Leser, In Wien wurde Beethoven bald bekannt und be-
willkommen zur ersten 32- rühmt. Damals gab es nur manchmal öffentliche
seitigen Ausgabe unserer Zeit- Konzerte. Aber in den Häusern und Palästen der
schrift „Der Weg“. Ich hoffe Adligen6 wurde viel musiziert. Dort hat Beetho-
sehr, daß sie Ihnen gefällt und
ven meist seine Werke gespielt. Einige musiklie-
Sie viel Freude haben werden
beim Lesen. bende Adlige hatten seine Genialität7 erkannt, und
Wie ich schon im letzten Heft
sie unterstützten Beethoven sein Leben lang in
erwähnte, ersetzt diese Dop- großer Treue und echter Freundschaft. Zu ihnen
pelnummer die bisherigen gehörten der Fürst Lichnowski, Graf Waldstein und
Ausgaben 2 und 3, die jeweils Erzherzog Rudolf, ein Bruder des Kaisers. Ihnen
sehr kurz nacheinander erschienen sind. Durch den erwei- hat Beethoven manches seiner Werke gewidmet.
terten Umfang dieser Doppelnummer können wir ein grö-
ßeres Spektrum von Themen abdecken, und ich hoffe sehr, Dabei war Beethoven äußerlich nicht sehr anzie-
daß Sie daran Gefallen haben. Teilen Sie uns Ihren Eindruck hend. Er war klein, hatte Pockennarben8 im Ge-
und Ihre Meinung doch bitte mit. Das erste und letzte Heft sicht und erschien oft etwas ungepflegt. Außer-
eines jeden Jahres wird jedoch weiterhin wie gewohnt als
16-seitige Ausgabe erscheinen.
dem war er stolz. Er wußte, daß er ein musikali-
sches Genie war. Als einmal von dem König von
Ab und zu kam von Ihrer Seite die Frage nach der neuen
Rechtschreibung auf. In früheren Heften hatten wir Ihnen Preußen gesprochen wurde, sagte er: „Auch ich
schon einmal eine Einführung gegeben; den „Weg“ haben bin ein König“.
wir aber bisher noch nicht auf die neue Rechtschreibung
Beethoven konnte schnell zornig und sogar grob9
umgestellt. Der Grund dafür liegt darin, daß die Diskussi-
on hierüber in Deutschland noch nicht abgeschlossen ist. werden und dabei selbst seine besten Freunde
Auch alle großen Zeitschriften und Zeitungen erscheinen verletzen. Aber er war meist bald wieder versöhnt
noch in der alten Rechtschreibung. Beim praktischen Ge- und hatte auch Humor. Und er war hilfsbereit. Er
brauch in den Schulen stellt sich jetzt nämlich heraus, daß hat vielen seiner Freunde, aber auch Fremden,
durch die veränderte Schreibung einzelner Wörter neue Feh- großzügig geholfen. Dadurch hatte Beethoven, so
lerquellen entstehen. Außerdem ist die Schreibung in den
in Deutschland erschienenen neuen Wörterbüchern nicht
sehr er Menschen abstoßen konnte, doch sein Le-
einheitlich, wie das bisher im Duden der Fall war. Die Aus- ben lang eine Reihe treuer Freunde.
legung der neuen Regeln scheint also auch für Fachleute
nicht immer eindeutig zu sein. Ein Komponist großer Werke
Angesichts dieser Tatsache erschien uns eine Umstellung
noch nicht ratsam, da ja die meisten von Ihnen auch noch In Wien entstanden nun allmählich Beethovens
keine oder nur wenige Wörterbücher und Lehrbücher in große Werke: zahlreiche Klaviersonaten für einen
der neuen Rechtschreibung haben. Damit ist ein sicheres Einzelspieler, z. B. die bekannte „Mondschein-
Erlernen der neuen Regeln sehr schwierig. Obwohl die neue sonate“, Konzerte für Klavier und Orchester,
Rechtschreibung in fast allen deutschen Schulen bereits ver- Streichquartette und die neun Sinfonien. Viele
bindlich eingeführt ist, besteht dennoch eine Übergangs-
Melodien bei Beethoven sind energisch10 und kraft-
frist bis zum Jahre 2005. Darüber hinaus können Einzelper-
sonen - und natürlich auch Schulen im Ausland - nicht ver- voll - er war eben ein Willensmensch. Aber wir
pflichtet werden, die neue Schreibweise zu verwenden. Es hören bei ihm auch immer wieder weiche, lyri-
besteht also kein Anlaß zur Sorge. Wir werden die Situati- sche, wunderschöne Melodien, besonders in den
on weiterhin beobachten und zur entsprechenden Zeit auf 2. Sätzen seiner Werke.
die neue Rechtschreibung umstellen. Ich hoffe, Sie haben
dafür Verständnis. Die 3. Sinfonie, die „Eroica“, das heißt die “Heroi-
Von Herzen wünsche ich Ihnen eine schöne und erholsame sche“, “Heldenhafte“, wollte Beethoven ursprüng-
Sommerzeit und einen gelungenen Schul- und Studienan- lich Napoleon widmen. Aber als er erfuhr, daß die-
fang im September. Gott, der Schöpfer und Erhalter der Welt, ser sich in Frankreich zum Alleinherrscher ge-
segne Sie dabei. macht hatte, zerriß er die Widmung und rief: „Also
Ihr ist Napoleon auch nur ein gewöhnlicher Mensch!
Volker Schmidt Nun wird er nur für seinen Ehrgeiz11 leben und
ein Tyrann12 werden.“
2
Die 6. Sinfonie, die „Pastorale“, also die „Ländli- Melodien zu seinen Werken in den Sinn. Er arbei-
che“, ist auf dem Land entstanden. Man hört in tete sehr sorgfältig an jedem einzelnen seiner Werke.
ihr sogar die Nachtigall und den Kuckuck. Beet-
Mit den Frauen hatte Beethoven kein Glück. Er
hoven liebte die Natur sehr. Er zog fast jeden Som-
verliebte sich zwar oft heftig in junge adlige Da-
men. Häufig waren sie seine Klavierschülerinnen.
Er kämpfte um ein moralisch einwandfreies Ver-
halten den Frauen gegenüber. Mehrmals machte
er einer Frau einen Heiratsantrag. Aber keine
wollte sich an Beethoven binden. Damals heirate-
te eine Adlige für gewöhnlich keinen Nicht-Adli-
gen. Auch war es nicht leicht, mit dem Komponi-
sten und Musiker immer im Frieden zusammen-
zuleben.
Als Beethoven älter wurde, nahm er seinen Nef-
fen Karl zu sich. Er wollte dadurch wenigstens ein
Stück Familienleben haben. Aber dieser junge
Mann machte ihm wenig Freude. Das lag aller-
dings auch an Beethovens unvernünftigen Erzie-
hungsmethoden.
Beethovens Geburtshaus in Bonn
Ein Kämpfer für Freiheit
mer von der Stadt aufs Land in die schöne Umge-
bung Wiens mit ihren Wiesen und Feldern, Bächen Beethoven war kein Freund der Fürsten. Er
und Wäldern. Dort in der Natur schöpfte er neue wünschte, daß alle Menschen frei und gleich sei-
Kraft. Er sagte: „Ein Baum bedeutet mir mehr als en. Das waren damals auch die Gedanken der Fran-
ein Mensch.“ zösischen Revolution. 1812 lernte Beethoven in
einem Kurort den Dichterfürsten Goethe kennen,
Nur eine Oper hat Beethoven geschrieben:
den er verehrte. Eines Tages kamen den beiden
“Fidelio“. Darin befreit eine Frau in vorbildlicher
Gattentreue13 ihren zu Unrecht gefangenen Mann
aus der Hand eines Bösewichts14.

Verzweifelt und unglücklich


Beethoven hätte bei seiner Berühmtheit eigent-
lich ein glücklicher Mensch sein müssen. Doch er „Freude, schöner Götterfunken“,
bekam von seinem 30. Lebensjahr an eine beson- Skizze Beethovens zur 9. Sinfonie.
ders für einen Musiker schreckliche Krankheit: Er
verlor immer mehr sein Gehör. Er konnte seine bei einem gemeinsamen Spaziergang die Kaiserin
Musik nicht mehr hören. Er konnte sie nur noch und sehr vornehme Leute entgegen. Während
in sich selber wahrnehmen. Goethe höflich zur Seite trat und grüßte, machte
Beethoven ihnen nicht Platz, sondern ging mit-
Beethoven war verzweifelt15. Er dachte an Selbst- ten durch sie hindurch. Für Beethoven war man
mord. Aber mit seinem starken Willen bezwang nicht durch seine Geburt adelig und vornehm, son-
er seine Verzweiflung. Er stürzte sich noch mehr dern man wurde vornehm durch Tugend und Lei-
in seine Arbeit. Er wollte jetzt nur noch für seine stung im Leben.
Musik, für die Kunst leben. Durch seine Taubheit16
wurde er jedoch immer mißtrauischer und gereiz- Gegen Ende seines Lebens komponierte Beetho-
ter gegen andere Menschen. Er machte gern lan- ven noch eine große katholische Messe, die „Missa
ge, einsame Spaziergänge. Dabei kamen ihm die solemnis“ - er war ja katholisch - sowie die 9. Sin-
3
fonie. Sie war seine letzte Sinfonie und ist wohl Aber Jesus Christus, Gottes Sohn, hat durch sein
sein berühmtestes Werk. In ihrem 4. und letzten Sterben am Kreuz das Böse besiegt, das uns be-
Satz wagte er es, neben der Instrumentalmusik herrscht. Wenn wir zu ihm kommen, verwandelt
einen Chor die Vertonung von Schillers Gedicht er uns durch seinen Geist in neue Menschen.
„Ode an die Freude“ singen zu lassen.
Hans Misdorf
Persönlicher Gott oder Vorsehung? 1
die Tugend: gute moralische Eigenschaft 2ethisch han-
1827 starb Beethoven in Wien während eines hef- deln: moralisch sein; nach positiven Normen und
tigen Gewitters. Als ein Blitz mit anschließendem Grundsätzen handeln, damit eine Gemeinschaft oder
Donner niederfuhr, hob er noch einmal drohend Gesellschaft funktionieren kann 3das Genie [sche’ni:]:
die Faust, als wollte er zum letzten Mal mit dem ein Mensch mit ganz außergewöhnlicher Begabung
4
der Kurfürst: einer der Fürsten, die früher den deut-
Schicksal kämpfen. Dann sank er tot zurück. Tau-
schen Kaiser wählten 5 übersiedeln: an einen ande-
sende von Menschen folgten seinem Sarg. ren Ort gehen (ziehen), um dort zu wohnen 6
der
Beethoven sprach häufig von „Gott“. Er meinte, Adel: die Gruppe von Leuten, die einer hohen sozialen
Schicht angehören, die früher besondere Privilegien
in dem wunderbaren Aufbau der Welt zeige sich
hatte; Aristokratie [ad(e)lig = zum Adel gehörend; hier-
ein gewaltiger Geist. Aber ebenso oft redete Beet-
zu Ad(e)lige] 7 die Genialität: die hohe und außerge-
hoven von der „Gottheit“ oder der „Vorsehung17“. wöhnliche Begabung 8die Narbe: kleine Stelle auf der
Den lebendigen Gott, der die Menschen liebt, Haut, an der man sieht, daß dort einmal eine Wunde
kannte er nicht. Den Gott, der sich von jedem fin- war; die Pocken: gefährliche Krankheit, bei der man
den läßt, der ihn mit ganzem Herzen sucht, und Fieber hat und Hautblasen bekommt 9grob: rücksichts-
der ein jedes Leben neu machen kann. los und ohne Gefühl 10energisch: voller Energie; nach
vorn drängend; mit Nachdruck 11
der Ehrgeíz: ein
Weil Beethoven den wahren Gott nicht kannte, starkes Streben nach Erfolg und Ruhm 12der Tyrann:
wollte er sich selber aus eigener Kraft zu einem ein grausamer Herrscher, der nur nach seinem Willen
guten, vorbildlichen Menschen machen. Auch heu- regiert; ein autoritärer Mensch, der andere zwingt, das
te meinen viele, ihr Leben sei in Ordnung, sie sei- zu tun, was er will 13der Gatte: der Ehemann 14der
en anständige Menschen. Bösewicht: ein böser Mensch 15verzweifeln: die Hoff-
nung darauf völlig verlieren, daß eine Sache oder Si-
Verglichen mit anderen machen wir vielleicht ei- tuation besser wird 16
die Taubheit: Unfähigkeit zu
nen guten Eindruck. Und doch wissen wir, wenn hören 17
die Vorsehung: eine höhere Macht, von der
wir ehrlich sind, daß wir oft egoistisch18, lieblos, man glaubt, daß sie das Schicksal der Menschen und
unsauber und unehrlich sind. der ganzen Welt lenke 18egoistisch: selbstüchtig

Gestiegene Portokosten?
Viele unserer Lesern klagen über gestiegene Aufkleber unter „Ihre letzte Ausgabe“ angegeben ist.
Portokosten. Vielleicht Sie auch. Bevor Sie uns Mengenbesteller bekommen von uns dazu einen besonderen
aber nun überhaupt nicht mehr schreiben, Zettel zugesandt, den Sie uns aber bitte baldmöglichst
weil es zu teuer geworden ist, geben wir Ihnen zurücksenden sollten. Und auch das ist noch wichtig: Sollten
hier einige Tips, wie Sie uns preiswerter schreiben können: Sie uns ohne direkte Bestellung schreiben, werden Sie trotzdem
Schreiben Sie doch Ihren Brief mit mehreren zusammen. in unserer Datei aktualisiert, und Sie bekommen die nächsten
Schreiben Sie uns eine Postkarte und benutzen Sie keine sechs Ausgaben kostenlos. Es genügt also schon ein kurzer Gruß
Luftpost. Leser in Rußland können auch unser Postfach in auf einer Postkarte. Aber vergessen Sie niemals, Ihre genaue,
Moskau benutzen, müssen aber damit rechnen, daß die Post gut leserliche Adresse und - wenn eben möglich - Ihre
erst mit einer Verspätung von mehreren Wochen bis zu Lesernummer anzugeben. Vielen Dank!
mehreren Monaten bei uns in der Redaktion ankommt. Wer die Schwierigkeitsgrade der Texte im „Weg“:
Möglichkeit hat, das Internet zu benutzen, kann uns gerne eine
E-Mail schicken (Adresse bitte in lateinischer Schrift angeben!) À = leicht (Grundwortschatz, ca. 2000 Wörter)
Á = mittelschwer (Grund- und Aufbauwortschatz)
Solange Sie uns nicht wegen anderer Dinge schreiben, denken
 = schwer (5000+ Wörter; für Fortgeschrittene)
Sie daran: Um den „Weg“ ohne Unterbrechung zu bekommen,
müssen Sie uns auf jeden Fall schreiben, wenn Sie die Ausgabe Auch die grammatische Struktur der Texte wird mit jedem
des „Weges“ in Händen halten, deren Nummer auf ihrem Schwierigkeitsgrad komplizierter.
4
Der Seiltänzer ➁
In einer Stadt führt Aber Gott will viel mehr als oberflächliche Zustimmung.
© Atelier Giebeler

ein Seiltänzer in Er sucht Glauben, der ihm völlig - ohne Angst - vertraut.
schwindelnder Höhe1 Davor schrecken aber viele zurück. Das Risiko scheint
seine Kunststücke vor. ihnen zu groß zu sein. Sie suchen Beweise und Sicherun-
Zum Schluß kommt gen. Das Wagnis wollen sie nicht eingehen.
die Hauptattraktion2: Aber wer die Aufforderung Jesu hört, muß sich entschei-
Er schiebt eine Schub- den. Er muß den Worten Jesu Glauben schenken. Es ge-
karre über das nügt nicht, nur Zuschauer bleiben zu wollen. Jesus geht
schwankende Seil. Als er sicher auf der anderen Sei- es nicht darum, ob wir die Bibel für wahr halten oder
te angekommen ist, fragt er die Zuschauer, ob sie es nicht oder ihn als einen guten Menschen betrachten. Ihm
ihm zutrauen, die Karre auch wieder zurückzuschie- geht es darum, daß wir unser Leben ganz in seine Hand
ben. Die Menge klatscht begeistert Beifall. Er fragt legen. Er möchte, daß wir allein an IHN glauben, an sonst
aber noch ein zweites Mal, und wieder erhält er zu- nichts. Sind Sie dazu bereit?
stimmenden Beifall.
Dann wendet er sich an einen einzelnen, der unten Was es heißt, Jesus zu folgen
am Mast3 steht und heftig zustimmt: „Sie, trauen Sie
es mir auch zu, daß ich die Karre wieder zurück- Danach wandte sich Jesus an alle: „Wer mir folgen
schiebe?“ „Aber sicher!“ ruft der zurück und klatscht. will, darf nicht mehr an sich selber denken; er muß
„Dann“, sagt der Akrobat, „dann kommen Sie doch sein Kreuz willig auf sich nehmen und mir nachfol-
herauf und steigen Sie ein, dann schiebe ich Sie hin- gen. Wer sein Leben um jeden Preis erhalten will,
über!“ - Da lief der Mann so schnell er konnte weg. der wird es verlieren. Wer aber sein Leben für mich
einsetzt, der wird es für immer gewinnen. Denn
Nanu! Warum denn plötzlich so unsicher? Eben waren was hat ein Mensch davon, wenn er die ganze Welt
doch noch alle fest überzeugt, daß dies Kunststück auf gewinnt, aber dabei das ewige Leben verliert? Das
dem Seil klappen wird. Doch jetzt hatte einer große Zwei-
steht fest: Wer sich schämt, sich zu mir und mei-
fel bekommen. Für ihn war das kein Kinderspiel4 mehr.
nen Worten zu bekennen, für den wird auch der
Er sollte selbst einsteigen und seinen Kopf riskieren5.
Menschensohn6 nicht eintreten, wenn er in seiner
Dazu hatte er keinen Mut.
Macht und in der Herrlichkeit des Vaters und der
Aber das ist ja auch verständlich. Es könnte ja irgend- heiligen Engel wiederkommen wird.
etwas schiefgehen. Wer garantiert denn, daß kein Feh-
ler passiert? Darum Vorsicht! Und man lehnt dankend
(Lukas 9, 23 - 26)
ab. Nein, ohne mich! 1
die schwindelnde Höhe: sehr große Höhe (in der man Schwindel fühlt)
Das ist auch im Glauben der schwierigste Schritt. Wenn
2
die Attraktion: jmd./etw. von besonderem Interesse 3 der Mast: eine
hohe senkrechte Stange (für Fahnen etc.) 4 etw. ist ein Kinderspiel:
man religiöse Meinungen aus der Ferne betrachtet, mag
etwas ist sehr einfach, kein Problem für jmdn. 5 seinen Kopf riskie-
man staunend zustimmen. Wer denkt nicht groß über ren: sein Leben oder seine (berufliche, finanzielle) Existenz riskieren
Gott! Wer traut ihm nicht machtvolle Wunder zu! 6
der Menschensohn: Selbstbezeichnung von Jesus Christus

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Falls Sie es wünschen, senden wir Ihnen gerne einen oder Wollen Sie uns zu einem Thema der Zeitschrift einmal Ihre
zwei Titel der folgenden Schriften kostenlos zu: Meinung mitteilen? Oder leben Sie als Christ und möchten
· ein christliches Taschenbuch (verschiedene Titel), an andere Lesern weitergeben, wie Sie Jesus Christus ken-
· Geschichten aus dem ersten Buch der Bibel in nengelernt haben und welche Erfahrungen Sie in Ihrem
Leben mit Ihm gemacht haben? Dann schreiben Sie uns
elementarem Deutsch oder
doch einfach. Wir werden versuchen, Ihre Meinung oder
· die Broschüre „Ehe und Familie in biblischer Sicht“. Ihren Lebensbericht in einem der nächsten Weg-Hefte zu
Schreiben Sie uns bitte, welche dieser Schriften (höchstens veröffentlichen. Vielleicht entsteht so ja eine rege Leser-
zwei) Sie haben möchten. Diskussion. Wir würden uns darüber freuen. Geben Sie aber
Wir werden Sie Ihnen so schnell wie möglich zusenden. Die bitte deutlich an, ob es sich um einen Leserbrief oder um
Bestelladresse finden Sie auf der Rückseite. einen Lebensbericht für die Zeitschrift handelt. Vielen Dank!
5
Deutsche Bundesländer: Niedersachsen ➁/➂

„Von der Weser bis zur Elbe, von dem Harz bis an das Region und verbindet sie mit ihrem umgebenden
Meer ...“ so heißt es im Text der Hymne des mit Hinterland. Für Niedersachsens Offenheit zur Welt
mehr als 47.348 Quadratkilometern Fläche zweit- stehen die beiden bereits genannten Häfen und der
größten deutschen Bundeslandes. Seitdem am 1. Flughafen Hannover, der einer der größten der
November 1946 das Bundesrepublik ist. Natürlich muß man hier auch
Land durch eine Ver- die Häfen von Bremen und Bremerhaven nennen
ordnung der briti- und den von Hamburg, dazu die Flughäfen Bremen
schen Militärregie- und Hamburg, auch wenn sie alle nicht zum Land
rung seine heutige Niedersachsen gehören, aber eben doch mitten
Ausdehnung erhal- drin oder dicht dran liegen.
ten hat - die frühere
preußische Provinz Hannover und die Regionen
Hannover wurde ver-
Regiert werden die ca. 7,5 Millionen Niedersach-
einigt mit den Län-
sen von der Landeshauptstadt Hannover aus, die
dern Oldenburg, Braunschweig und Schaumburg-
als Messestadt wenigstens zweimal im Jahr im
Lippe -, stimmt diese Aussage allerdings nicht
Blickpunkt der Welt liegt und die durch die Aus-
mehr. Denn nicht mehr die Weser begrenzt das
Land im Westen, sondern die Ems. Jenseits dieses
Flusses ist man sehr bald in den Niederlanden.
Nach Norden hin reicht das Land bis an die Nord-
see und bis an den Stadtstaat Hamburg bzw. das
Bundesland Schleswig-Holstein.
Nachbarländer Niedersachsens sind im Süden und
Osten Nordrhein-Westfalen, Hessen, Thüringen,
Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern.
Die beiden Regionen des Stadtstaates Bremen an
der Wesermündung im Norden des Landes (Bremen
und Bremerhaven) werden von Niedersachsen re-
gelrecht eingeschlossen.

Gute Verkehrsanbindung
Neben den drei genannten großen Wasserstraßen
(Ems, Weser, Elbe) durchziehen kleinere und eine
Reihe bedeutender Kanäle1 das Land. Der Mittel- richtung der EXPO 20004 neue Berühmtheit erlangt.
landkanal könnte auch Ems-Weser-Elbe-Kanal hei- Hier residiert5 Ministerpräsident Glogowski (SPD)
ßen; dann wüßte man sofort, welche Flüsse er in als Nachfolger des bisherigen Ministerpräsidenten
West-Ost-Richtung miteinander verbindet. Der Gerhard Schröder, der jetzt der neue deutsche Bun-
Elbe-Seiten-Kanal wurde gebaut, um den Mittel- deskanzler ist.
landkanal mit der Unterelbe zu verbinden, ohne Andere regionale Zentren sind die Hauptstädte der
daß man Territorium2 der damaligen DDR berühr- Regierungsbezirke Hildesheim, Lüneburg, Stade,
te. Der Küstenkanal verbindet die Ems mit der Osnabrück und Aurich mit gleichem Namen, dazu
Weser bei Bremen; der Ems-Jade-Kanal die Hafen- Braunschweig und Oldenburg als Zentren6 zweier
städte Emden an der Emsmündung und Wilhelms- besonderer Verwaltungsbezirke. Aus der Fülle der
haven am Jadebusen3. sonstigen bekannten Städte Niedersachsens seien
Als bedeutende ,Landstraßen‘ erschließt ein dich- noch die alte Kaiserstadt Goslar im Harz, die VW-
tes Netz von Autobahnen und Bundesstraßen die Stadt Wolfsburg, die Stahlstadt Salzgitter und die

6
Universitätsstadt Göttingen genannt. Cuxhaven an In diesem Frühjahr machten besonders die Men-
der Elbmündung sollte wohl auch noch erwähnt schen in großen Demonstrationen12 auf sich auf-
werden. merksam, die in den Werftanlagen13 von Papenburg
an der Ems und in den zugeordneten Zulieferungs-
Ein Flug über Niedersachsen betrieben arbeiten. Weil die dort gebauten Groß-
schiffe nur über die Ems die Nordsee erreichen
An dieser Stelle nun wollen wir einen Flug über
können, ist an der Emsmündung ein großes Stau-
das Land Niedersachsen unternehmen, um so die
werk im Bau, das die Fahrt von der Werft ins offe-
unterschiedlichen Landschaften und einige ihrer
ne Meer erleichtern oder auch für noch größere
Besonderheiten besser sehen und beschreiben zu
Schiffe erst ermöglichen soll. Der Weiterbau die-
können. Es wäre gut, Sie als Leser könnten jetzt
eine Atlaskarte vor sich haben, um unsere Flug-
route darauf verfolgen zu können.
Wir starten mit unserem Kleinflugzeug auf der
Insel Borkum. Borkum ist die westlichste der Ost-
friesischen Inseln. Bei unserem Flug in nord-östli-
cher Richtung sehen wir unter uns Juist, Norder-
ney, Baltrum, Langeoog, Spiekeroog und Wanger-
ooge, alles dem Festland vorgelagerte Ferieninseln.
Manche von ihnen sind zugleich besonders ge-
schützte Vogelparadiese. Bei Ebbe7 sind viele von
ihnen auf besonders gekennzeichneten Wegen
Stall für Heidschnucken in der Lüneburger Heide
durch das Wattenmeer zu Fuß zu erreichen. Wehe
dem Menschen, der den Weg durch das Watt8 auf ses Stauwerkes ist nun durch einen Baustopp in
eigene Faust9 unternimmt, vielleicht sogar zur fal- Frage gestellt. Tausende von Menschen würden ar-
schen Zeit und dann auch noch auf eigenen We- beitslos, sollte der Schiffsbau in Papenburg dadurch
gen. Schon mancher ist dabei von der Flut10 über- zum Erliegen kommen. Wie der Streit um das Stau-
rascht worden und hat seinen Ausflug mit dem werk ausgeht, wird die nächste Zeit zeigen.
Leben bezahlt.

Ostfriesland und Ems Wiehengebirge und Heidelandschaft


Unser Flugzeug Südlich des Küstenkanals wendet sich unser Flug
wendet sich nach nach Osten. Unter uns sehen wir rechts und links
Süden. Unter uns der Hunte14 Bohrtürme und Pumpanlagen für die
Förderung von Erdöl und Erdgas, das hier in rela-
liegt Ostfriesland,
tiv geringen Mengen gefun-
ein flaches Land
den wird. Am rechten Hori-
mit sehr wenigen
zont erkennen wir die Höhen-
niedrigen Erhe-
züge des Wiehengebirges, die
bungen. Die Men-
das Land nach Süden gegen
schen dort unten Westfalen abgrenzen. Weiter
leben von der nach Osten fliegend überque-
Landwirtschaft, ren wir die Weser, sehen, wie
vom Torfabbau11, sich die Sonne im Wasser des
vom Fremdenver- Steinhuder Meeres15 spiegelt, Heidschnucke
kehr an der Küste und befinden uns dann bald jenseits von Leine und
und im Binnen- Aller16 über dem Gebiet der Lüneburger Heide17 mit
land und von den dem Wilseder Berg als höchstem Punkt (169 m).
Industrien in den Auf dem sandigen und weitgehend unfruchtbaren
Windmühle in Ostfriesland Hafenstädten. Boden dieser Region zwischen Unterelbe und Al-
7
ler wachsen hauptsächlich Wacholder18, Birken, reichen Bergrücken und die von der Landwirtschaft
Kiefern, Ginster19 und natürlich das Heidekraut (= genutzten Täler des niedersächsischen Weser-
Erika), das besonders während seiner Blüte im berglandes zu erkennen mit vielen hübschen klei-
August dem Land eine besondere Schönheit ver- nen und größeren Ortschaften. Nachdem wir dann
leiht und Hunderttausende von Touristen anzieht. die ebenfalls sehr alte Stadt Hildesheim überflo-
Berühmt sind auch die Heidschnucken, eine genüg- gen haben, liegt die große Weite des norddeut-
same Schafsrasse, die in großen Herden geweidet schen Tieflandes wieder vor uns. Auf dem Rollfeld
werden. Nicht weniger berühmt ist auch der aro- des Flughafens in Hannover-Langenhagen hat die
matische Heidehonig, der in ungezählten Imkerei- Erde uns wieder nach einem interessanten Flug
en20 der Region gewonnen wird. über eine wunderschöne und abwechslungsreiche
Region Norddeutschlands.
Im Osten bis an den Harz Lothar von Seltmann
Unser Flug wendet sich wieder nach Süden und 1
der Kanal: künstlich angelegte Wasserstraße 2das Ter-
führt uns über Celle, eine der schönsten Fachwerk- ritorium: Land, Gelände, Gebiet 3der Jadebusen: eine
städte 21 Deutschlands, über die Industriezone tief ins Land hineinreichende Bucht vor Wilhelmshaven
Braunschweig- an der Mündung des Flüßchens Jade 4
EXPO 2000:
Salzgitter in Name der Weltausstellung im Jahr 2000, in der sich die
Richtung Harz. Staaten der Welt präsentieren 5residieren: herrschen,
regieren 6das Zentrum: Mittelpunkt; pl.: Zentren 7die
Rechts am Hori-
Ebbe: das Zurückweichen des Wassers in die offene See;
zont sehen wir das regelmäßige Absinken des Meeresspiegels an der
dabei Hannover Nordsee und an anderen Meeren. 8das Watt(enmeer):
im Dunst 22 lie- Der flache Nordseestreifen zwischen dem Festland und
gen und links die den vorgelagerten Inseln; liegt zur Zeit der Ebbe frei; das
VW-Stadt Wolfs- Wasser läuft durch teilweise tiefe Furchen (=Priele) ab
burg. Der Harz bzw. bei Flut wieder zu. 9 auf eigene Faust: selbst, ohne
ist das nördlich- die Hilfe anderer 10die Flut: regelmäßiger Rücklauf des
Wassers nach der Ebbe 11der Torf: Gemisch aus zersetz-
ste der hohen
ten und unter Luftabschluß bereits zum Teil verkohlten
deutschen Mit- Moosen, Gräsern, Heidekraut u.a.m. in den Torfmooren
telgebirge mit z.B. Norddeutschlands; wird verwendet als Brennstoff,
dem Brocken als als Kälteschutz, als Bodenverbesserer im Garten etc.
höchstem Gipfel 12
die Demonstration: öffentliche Protestkundgebung; Be-
Historische Fachwerk- (1142 m). Der al- zeugung des Unwillens über eine Sache oder Entschei-
bauten in Celle lerdings liegt im dung 13die Werft: Fabrikanlage zum Bau von Schiffen
Bundesland Sachsen-Anhalt und ist seit der Wie- (auch von Flugzeugen) 14die Hunte: Nebenfluß der Un-
terweser 15das Steinhuder Meer: 32 qkm großer, dabei
dervereinigung endlich auch wieder für Menschen
nur 3 m tiefer See südwestlich von Hannover 16die
aus den westlichen Bundesländern erreichbar. Frü- Leine: Nebenfluß der Aller, die ein Nebenfluß der Weser
her hatte dieses Waldgebirge große Bedeutung im ist 17
die Lüneburger Heide: benannt nach der alten
Erzbergbau. Davon übriggeblieben ist heute nur Hansestadt Lüneburg am Ostrand der Heide 18der Wa-
noch die Bergakademie23 in Clausthal-Zellerfeld. cholder: ein (Nadel)Baum oder Strauch, dessen Beeren
Heute ist der Harz ein vielbesuchtes Reisegebiet als Gewürz oder zur Herstellung von Schnaps verwen-
mit guten Möglichkeiten für den Wintersport. det werden 19der Ginster: ein relativ kleiner Strauch
Holz- und Viehwirtschaft sind weitere Erwerbs- mit vielen grünen Zweigen, kleinen Blättern und vielen
gelben Blüten 20die Imkerei: Betrieb, in dem ein Imker
quellen der Bewohner.
Bienenvölker hält, um Honig zu gewinnen 21das Fach-
werk: eine Art zu bauen, bei der die Wände von vielen
Zurück ins norddeutsche Tiefland Holzbalken gegliedert werden, die von außen sichtbar
Unser Flugzeug macht einen großen Rechtsbogen, sind 22
der Dunst: eine Art dünner, leichter Nebel bes.
überfliegt dabei die alte Universitätsstadt Göttin- aus Wasserdampf oder Abgasen 23
die Bergakademie:
Ausbildungsstätte für Fachleute in den Bereichen des
gen und wendet sich über dem Tal der Leine wie-
Kohle- und Erzbergbaus 24
lieblich: so, daß sie sanft
der nach Norden. Links sind die lieblichen24 wald- und schön wirken
8
Was die Bibel lehrt ➀/➁➁
Menschen brauchen Gesetze In den Geboten zeigt Gott seine Forderungen an den
Menschen. Er möchte, daß die Menschen ihn an erste
Was passiert, wenn es keine Gesetze gibt oder wenn Stelle setzen. Niemand sonst soll die Stelle Gottes
es welche gibt, aber niemand sie befolgt? Manche einnehmen. Aber er wünscht sich auch eine per-
von Ihnen kennen vielleicht diese Situation. Dann sönliche Beziehung zu jedem einzelnen: „Ich bin der
macht jeder, was er will. Und langsam aber sicher Herr, dein Gott!“ Gott sucht den Menschen, weil er
brechen die Grundlagen für ein gutes Zusammen- ihn lieb hat.
leben weg. Das Chaos1 herrscht.
Aber Gott interessiert sich nicht nur für die
Gott, der die Menschen geschaffen hat, weiß sehr Beziehung des Menschen zu ihm. Er will sich um
genau, daß der Mensch ohne Regeln nicht leben das ganze Leben kümmern. Er stellt Normen2 auf,
kann. Denn seitdem der Mensch sich von Gott die Familienleben, Ehe, Eigentum, Reden, Denken
getrennt hat und seinen eigenen Weg geht, tut er und Handeln bestimmen sollen. Somit haben die
nicht mehr das Richtige, er kann es nicht. Im Gebote auch eine wichtige Schutzfunktion für die
Gegenteil, jetzt entscheidet er sich am liebsten für Menschen.
das Böse. Und darunter haben die anderen Menschen
zu leiden.
Ein einmaliges Angebot
Die Zehn Gebote Wenn wir im Alten Testament die Geschichte Israels
Aus diesem Grunde hat Gott den Menschen immer lesen, merken wir, daß sein Volk immer wieder das
wieder gesagt, was sie tun und wie sie leben sollen. Gesetz gebrochen hat. Sie haben sich andere Götter
Er wollte nicht, daß sie leben, ohne zu wissen, was gemacht und auch miteinander nicht so gelebt, wie
richtig und was falsch ist. Am deutlichsten ist dies Gott es wollte. Sie waren nicht in der Lage, die Gebote
in den sogenannten „Zehn Geboten“ geschehen, die zu halten. Deswegen wurden sie vor Gott schuldig,
Gott seinem Volk Israel auf dem Berg Sinai gegeben und er mußte sie bestrafen.
hat. Sie zeigen auf, wie die Menschen ihr Verhältnis
Aber auch wir haben dasselbe Problem. Wir können
zu Gott (1.-4. Gebot) und das Zusammenleben
die Gebote Gottes nicht halten, wenn wir uns auch
miteinander (5.-10. Gebot) gestalten sollen. Im
sehr anstrengen. Und Gott weiß das. Wir merken,
einzelnen lauten die Gebote (siehe 2. Mose/Exodus
daß wir Sünder sind, getrennt von Gott. Deswegen
20, 1-17) wie folgt:
hat er seinen Sohn Jesus Christus auf diese Erde ge-
1. Ich bin der Herr, dein Gott! Du sollst keine anderen schickt. Er allein hat alle Gebote gehalten und so
Götter neben mir haben. gelebt, wie Gott es möchte. Für unsere Schuld ist Er
2. Du sollst dir kein Gottesbild anfertigen. Wirf dich am Kreuz gestorben. Jetzt kann jeder, der an Jesus
nicht vor fremden Göttern nieder und diene ihnen Christus glaubt, von Gott Vergebung geschenkt be-
nicht. kommen.
3. Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht In Jesus macht Gott uns ein einmaliges Angebot.
mißbrauchen; denn der Herr wird jeden bestrafen, Nicht durch das Halten der Gebote, sondern nur in-
der das tut. dem wir uns ganz auf Jesus Christus verlassen, kön-
4. Halte den Ruhetag, den siebten Tag der Woche! Er nen wir vor Gott bestehen (Galater 3, 21 - 26). Und
ist ein heiliger Tag, der dem Herrn gehört. als Christen dürfen wir damit rechnen, daß Jesus in
5. Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren. uns lebt und uns hilft, ein Leben zu leben, das Gott
6. Du sollst nicht morden. gefällt. Ein Leben, in dem Gott an erster Stelle steht
7. Du sollst nicht die Ehe brechen. und in dem wir die Menschen wirklich lieben kön-
8. Du sollst nicht stehlen. nen (vgl. Matth. 22, 37 - 40).
9. Du sollst nichts Unwahres über deinen Mitmenschen 1
das Chaos [ka:os]: ein sehr großes Durcheinander
sagen. 2
die Norm: eine allgemein anerkannte Regel, nach der
10. Du sollst nicht versuchen, etwas an dich zu bringen, sich andere Menschen verhalten sollen;
das deinem Mitmenschen gehört. Moralvorstellung
9
Jugend in Deutschland

Christiane - Praktikantin mit Weitblick ➁/➂➂


Unser Mitarbeiter Lothar von Seltmann hat zu Beginn des Vor einigen Jahren war mein Vater einmal hier, um
Jahres ein paar Tage im christlichen Erholungsheim „Schön- sich Anregungen zu holen und sich beraten zu las-
blick“ in der Nähe der alten Stauferstadt1 Schwäbisch Gmünd sen zum Ausbau von „Haus Waldesruh“. Als meine
verbracht. Dort ist er Christiane A. begegnet, die in dem Haus Schwester Ulrike dann von zu Hause weg wollte,
die Gäste betreut. Hier nun ein Interview mit ihr.
fand sie als Köchin in diesem Haus einen Arbeits-
platz. Bei einem Besuch zu Hause hat sie erzählt,
Christiane, erzähl mir bitte etwas über Dein Leben! daß man hier auch als Praktikantin arbeiten oder
Vor 18 Jahren bin auch ein Soziales Jahr11 machen kann. Im Februar
ich in Leipzig ge- ’98 besuchte ich meine Schwester. Ich habe in der
boren. Mein Vater Zeit probeweise im Speisesaal mitgeholfen und ein
ist Metzger und Gespräch mit dem Hausvater geführt. Einige Wo-
meine Mutter Se- chen später bekam ich die Nachricht, daß meine
kretärin. Ich habe Bewerbung um einen Praktikumsplatz angenom-
zwei Schwestern, men war. So habe ich Ende Juli begonnen, hier auf
die älter sind als dem „Schönblick“ zu schaffen12. Das macht mir al-
ich. Silvia ist les sehr viel Freude, und ich lerne vieles dabei für
schon verheiratet, mein Leben.
studiert aber noch
Sozialpädagogik2. Du bist in der damaligen DDR aufgewachsen. Woran
Ulrike arbeitet hast Du noch gute Erinnerungen und woran würdest
hier in diesem Er- Du Dich am liebsten gar nicht mehr erinnern?
holungsheim als Ich erinnere mich noch gut an die häufigen Appel-
Köchin. Meine El- le13 auf unserem Schulhof. Wir mußten klassen-
tern waren seit 1981 Mitarbeiter im christlichen weise antreten, standen dann in einem Viereck auf
Erholungsheim „Haus Waldesruh“ im Kurort3 Bären- dem Hof, und der Direktor hielt uns eine Anspra-
fels im östlichen Erzgebirge4. Seit 1990 sind sie dort che über den ,großen Bruder‘ Sowjetunion und über
Hauseltern. das Leben im Sozialismus. Wir Geschwister waren
Drei Schulen habe ich in meinem Leben besucht: zwar keine Pioniere14, und wir trugen auch nicht
die Grundschule, das Bergstadtgymnasium „Glück das blaue Pionierhemd mit dem Halstuch. Wir nah-
auf “ in Altenberg und die Mittelschule Dippoldis- men aber trotzdem an den meisten Schulver-
walde. Dort habe ich 1998 den Realschulabschluß5 anstaltungen teil. Ehe der Unterricht begann, muß-
gemacht. ten wir als Schüler hinter unseren Stühlen stehen.
Wenn der Lehrer hereinkam, fragte er uns jedes-
Als Hobbys höre ich gerne Musik und lerne und
mal: „Seid ihr bereit?“, und wir mußten antwor-
spiele ein wenig Klavier und Gitarre. Ich bastle
ten: „Immer bereit!“
Fensterbilder6 und ähnliches, lese viel und schrei-
be häufig Briefe. Woran ich mich nicht mehr gerne erinnere ist, daß
viele Menschen immer wieder versuchten, über die
Seit August des vorigen Jahres bin ich als Prakti-
Grenze in den Westen zu kommen. Viele haben das
kantin7 hier auf dem „Schönblick“. Ich möchte ein
nicht geschafft, weil die Polizei es verhinderte. Von
bißchen Lebenserfahrungen sammeln und die Zeit
den meisten hat man danach nichts mehr gehört.
nutzen, mir darüber klar zu werden, welchen Be-
Sie waren wohl ins Gefängnis gekommen wegen
ruf ich einmal lernen will. Es soll etwas Praktisches
versuchter Republikflucht. Viele DDR-Bürger haben
sein, z.B. Akustikerin8, Optikerin9, Zahntechnikerin10
auch einfach ihre Familien verlassen, um im We-
oder ähnliches.
sten ein schöneres Leben zu haben. Das fand ich
Wie ist es gekommen, daß Du hier auf dem „Schön- immer grausam. Dabei sind viele Familienbe-
blick“ arbeitest? ziehungen zerstört worden; denn in den Westen
10
zu reisen, um die Verwandten zu besuchen, war Wunschberufe und wo ich diese Lehrstelle finden
nicht möglich. Und wer illegal15 in den Westen ge- werde. Wenn Gott möchte, daß ich einen meiner
gangen war, durfte die DDR nicht mehr betreten. Wunschberufe erlerne, dann wird er das gesche-
Er wäre sofort verhaftet worden. hen lassen. Ich baue einfach auf Ihn und lasse im
Vertrauen alles auf mich zukommen.
Dann kam die Wende. Wie hast Du die Ereignisse da-
mals erlebt? Hast Du eine Perspektive16 für dein Leben?
Die Ereignisse der Wende und der Grenzöffnung Eine Perspektive für mein Leben habe ich auf jeden
habe ich mit meiner Familie am Fernseher miter- Fall. Nach der Schule wollte ich gerne ein freiwilli-
lebt. Ich fand es eine spannende Sache, wie die Leu- ges Soziales Jahr machen, um Erfahrungen für mein
te jubelten und sich freuten, obwohl ich sicher noch Leben zu sammeln und einfach etwas anderes zu
nicht recht verstehen konnte, was da alles passier- sehen. Da bin ich jetzt auch noch mitten drin. Da-
te. Ich war ja erst acht Jahre alt. Meine Eltern ha- nach werde ich eine gute Ausbildung machen. Spä-
ben mir später erzählt, daß die Tage vor der Wen- ter möchte ich gerne heiraten und eine Familie
de in Leipzig wohl sehr schlimm gewesen sind. gründen und mindestens zwei Kinder haben. Ich
Mein Patenonkel lebt noch in Leipzig, und von ihm würde allerdings nicht unbedingt nur Hausfrau sein
haben meine Eltern davon erfahren. Ich erinnere wollen, sondern wenigstens halbtags meinem Be-
mich auch, daß ich mir einen Film über die Nikolai- ruf nachgehen können und trotzdem viel Zeit für
Kirche angesehen habe, die in den Wendeer- meinen Mann und die Kinder haben.
eignissen eine bestimmte Rolle gespielt hat. Christiane, ich danke Dir für das Gespräch, und ich wünsche
Dir, daß Gott dir Deinen Weg und Deine Zukunft segnet.
Was hat sich für Dich durch die Wiedervereinigung
der beiden Deutschlands verändert?
1
Staufer, die: altes deutsches Fürstengeschlecht, später
Kaisergeschlecht mit den überragenden Staatsmännern
Plötzlich gab es keine Probleme mehr, in den We- Friedrich I. Barbarossa (ca. 1123-1190), Heinrich VI. (1165-
sten zu reisen. Es gab sogar am Anfang ein 1197) und Friedrich II. (1194-1250), die das Reich zu höch-
Begrüßungsgeld von 100.- DM. Bald gab es viel ster Macht und Blüte führten; die Stammburg der Staufer,
heute nur noch wenige Ruinenreste, liegt auf dem Hohen-
mehr Dinge zu kaufen als vorher. In den Geschäf- staufen, einem Berg in der Nähe von Schwäbisch Gmünd,
ten hatte man jetzt die große Auswahl. In den Schu- ca. 40 km östlich von Stuttgart. 2
die Sozialpädagogik:
len änderte sich auch vieles. Es gab bei uns dann zusammenfassende Bez. für außerschulische und außer-
die vierklassige Grundschule. Danach konnte man familiäre Erziehungsbemühungen, bes. Ergänzung oder Er-
fünf Jahre zur Hauptschule gehen oder die satz von Familienerziehung durch Jugendhilfe (Kinderhei-
me), Freizeithilfe (bes. bei gefährdeten Kindern und Jugend-
sechsklassige Realschule besuchen. Man konnte lichen), Erziehungsfürsorge, berufspädag. Hilfe, Erziehungs-
auch zum Gymnasium gehen und nach acht Jahren beratung, Gesundheitswesen usw. 3der Kurort: ein Ort mit
dort das Abitur machen. Nach der Wende gab es einem besonderen Klima, Heilquellen o. ä. 4das Erzgebir-
viel mehr Möglichkeiten, einen Beruf zu erlernen. ge: deutsches Mittelgebirge im Grenzbereich zwischen
Deutschland und Tschechien 5der Realschulabschluß: qua-
Es war auch kein Problem mehr, in andere Bundes- lifizierter Schulabschluß nach der Klasse 10 6das Fenster-
länder zu gehen. bild: Bilder aus Papier, Karton oder Holz, die man ins Fen-
ster hängt 7die Praktikantin/der Praktikant: jmd., der für
Viele Menschen sehen mit Ängsten auf die Jahrtausend- eine bestimmte Zeit in einem Beruf (für geringe Bezahlung)
wende. Hast Du auch solche Ängste? arbeitet, um praktische Erfahrungen zu sammeln 8
der
Akustiker: ein Fachmann auf dem Gebiet von Schall und
Für mich ist die Jahrtausendwende nichts Großes. Klang; er hilft u. a. Menschen, die schlecht hören können.
Das ist doch ein Jahreswechsel wie jeder andere. 9
der Optiker: jmd., der beruflich Brillen, Mikroskope, Fern-
Ich mache mir da keine besonderen Gedanken. Da gläser usw. macht, repariert und verkauft 10der Zahntech-
ich auf Gott vertrauen kann, sehe ich der Jahrtau- niker: jmd., der künstliche Gebisse macht 11das Soziale(s)
Jahr: ein Orientierungsjahr für junge Leute, in dem sie für
sendwende ganz zuversichtlich entgegen. Ängste ein Taschengeld in einer sozialen Einrichtung arbeiten
habe ich da keine. Ich finde es eher spannend zu 12
schaffen: arbeiten 13der Appell: (hier) eine Veranstaltung,
sehen, wohin mich mein Weg führen und wieviel bei der sich Leute aufstellen, um gezählt zu werden und Be-
Neues und Unbekanntes auf mich zukommen wird. fehle zu erhalten 14die Pioniere: Organisationsform für Kin-
der in sozialistischen Staaten 15illegal: gegen das Gesetz;
Gedanken mache ich mir höchstens darüber, ob ich ungesetzlich 16die Perspektive: (hier) die Möglichkeiten,
eine Ausbildungsstelle bekomme für einen meiner die sich in der Zukunft bieten; Zukunftsaussichten

11
Auf der Jagd nach dem Erfolg ➂
59 Jahre bin ich heute, und den größten Teil dieser So kann es nicht weitergehen
Zeit war ich unterwegs. Ob geschäftlich oder pri-
vat, auf dem alten In welchem Wahn8 und in welcher Einbildung ich
und dem neuen Kon- den größten Teil meines Lebens verbracht hatte,
tinent1, als Opportu- kam mir erst zum Bewußtsein, als ich nach 25 Jah-
nist 2 und Schatz- ren ohne Todesfälle in der Verwandtschaft inner-
jäger, beseelt 3 von halb von gut zwei Jahren meine Schwiegereltern,
der Vorstellung, daß meine Eltern und zwei weitere nahe Verwandte
alles möglich und al- verlor. Nüchtern mußte ich auf einmal feststellen,
les machbar sei. daß nicht ich gearbeitet und gehandelt hatte, son-
dern daß ich durch Motive wie Ehrgeiz, Selbstsucht
Seit 33 Jahren bin ich und Streben nach Anerkennung getrieben wurde.
verheiratet. Wir ha- Und ich dachte: „Du hattest doch einmal eine Be-
ben zusammen drei ziehung zu diesem Gott, der über Leben und Tod
Sonntagskinder, die steht. Doch wie vielen kleinen Götzen9 ist es ge-
uns alle viel Freude lungen, dich von der Wahrheit, die du einmal ver-
bereiten. Sonntagskinder sind sie für uns deshalb, standen hattest, abzuwenden. So kann es nicht
weil ich meiner Frau erklärte, daß der Sonntag der weitergehen!“
einzige Tag wäre, an dem ich bei der Geburt dabei
sein könnte. Wie in früheren Jahren verbrachte ich im Dezem-
ber 1991 eine Skiwoche in St. Moritz. Was sich dort
Ein Sklave des eigenen Erfolgs am zweiten Abend ereignete, hat mein ganzes Le-
ben mehr beeinflußt als alles, was ich in den ver-
Mein Vater betrieb eine Bauspenglerei4 und meine
gangenen 30 turbulenten10 und ereignisreichen
Mutter ein Textilgeschäft. Mit 25 Jahren bestand
Jahren erlebt hatte: Ich begegnete meinem Schöp-
ich die Meisterprüfung und übernahm von mei-
fer und Gott tatsächlich und real11 neu.
nem Vater zusammen mit meiner Frau die Abtei-
lung Sanitäranlagen5 auf eigene Rechnung. Ich Weil mein unruhiges Gewissen mich sehr gedrängt
wurde selbständiger Unternehmer. hatte, hatte ich mir eine Woche zuvor eine Bibel
gekauft. Vor dem Zubettgehen begann ich nun-
Im Laufe der Zeit kaufte ich verschiedene Firmen
mehr, darin zu lesen. Beim Lesen eines Textes wur-
dazu. Mit meiner Tätigkeit in Europa, USA, Afrika
de ich plötzlich von seiner Aussage so direkt ge-
und dem mittleren Osten waren die Unternehmun-
troffen, daß mir schlagartig und mit aller Schreck-
gen nahezu weltweit erfolgreich tätig. Die Bilanz-
lichkeit bewußt wurde, daß mein so gut organi-
summe6 unseres Gesamtunternehmens betrug in
siertes und gesichertes Leben sinnlos und ich ver-
den besten Jahren einige hundert Millionen Sfr7.
loren12 war. Ich erkannte meine Schuld vor Gott
Dabei wurde ich zum Sklaven des eigenen Erfol-
und den Irrtum der falsch gesetzten Ziele mit ih-
ges und der falsch gesetzten Ziele.
rer schrecklichen Konsequenz13.
Meine ruhelose Jagd nach noch nicht eroberten
Gipfeln und menschlich Erstrebenswertem ist ei- Eine nie gekannte Freude
gentlich unverständlich, wenn man bedenkt, daß
ich in jungen Jahren aus dem Elternhaus und dem Bevor jedoch die lähmende Angst mein Herz zu-
schulischen Unterricht die Bibel kannte und daß schnürte, durfte ich verspüren, wie eine bis dahin
ich einmal in einer direkten Beziehung zu Gott leb- nie gekannte Freude, Hoffnung und Glückseligkeit
te. Durch den Aufbau des Geschäftes und einer sich in mir ausbreitete. Ich wußte nicht, wie mir
immer größer werdenden Aktivität blieb allerdings geschah. Ich fiel auf die Knie und dankte Gott un-
immer weniger Zeit, meine Gottesbeziehung aus- ter Tränen für die Befreiung, die ich soeben erfah-
zuleben. Sie wurde dadurch in dem Maße ärmer, ren durfte. Ganz plötzlich erlebte ich persönlich
in dem meine anderen Verpflichtungen zunahmen. die Zusage Gottes, daß er in Jesus Christus seinen
12
Frieden gibt. Frieden, den die Welt nicht geben Ein Helfer in Nöten
kann, den sie aber auch nicht nehmen kann. Frie-
den über allen Gedanken und Vorhaben. Frieden Besonders deutlich wurde dies, als es meinem Un-
mit meiner Familie, mit den Mitmenschen, über ternehmen wirtschaftlich immer schlechter ging.
meiner Arbeit mit all ihren scheinbar unüberwind- Die anbrechende wirtschaftliche Rezession15 for-
lichen Hindernissen und ganz besonders Frieden derte die ersten Opfer. Im Zuge der Rationalisie-
mit meinem Schöpfer und Erlöser. Ich lernte: Den rung16 von Betrieben sowie durch die Aufgabe und
Sinn meines Daseins schaffe ich nicht selbst, ich den Verkauf einzelner Fabrikationszweige mußten
empfange ihn von Gott. Mitarbeiter entlassen werden. Der Immobilien-
bereich17 brach zusammen, und die einstigen An-
Wie aber sieht die Bilanz14 nach dem Fest aus, wenn lageperlen18 verwandelten sich in wertlose Kiesel-
der Alltag wieder einkehrt? Wenn ich mich im Ge- steine.
schäft, in der Familie, in der Gesellschaft und un- Hier wollten Angst und Zweifel immer größer wer-
ter Kollegen im alten Umfeld bewegen muß? Wie den, aber ich durfte meinen Gott und Vater haut-
verhalte ich mich als Christ wenn Dinge passie- nah, lebendig und als Sieger über alle Bedrängnis,
ren, die ich mit der Bibel im Herzen nicht mehr als Tröster, Helfer und Retter kennenlernen.
akzeptieren und mit denen ich nicht mehr leben
kann? Im Geschäft, wo es sich um materielle Wer- Was sich für die betroffene Gesellschaft als Kata-
te handelte, ging es um gerechte Entscheidungen, strophe19 anbahnte, war für Gott eine ideale Gele-
zu denen mir Gott immer wieder half. Schritt um genheit, mir zu zeigen, daß Er nie und in keiner
Schritt, ohne mich zu überfordern, gab er mir auch Situation überfordert ist. Er bietet Lösungen an,
die notwendige Einsicht und die Kraft, diese Ent- die ich anfänglich kaum als solche erkannte, und
scheidungen auszuführen. Er bestätigte mir so seine absolute Souveränität20.
Ich lernte aber auch sehr bald: Gott erfüllt nicht
alle meine Wünsche, aber alle seine Zusagen.
Geheilte Verletzungen
Auch unsere Ehe, die während 25 Jahren immer Sich Gottes Führung überlasssen
mehr auseinander gelaufen und verödet war, konn- Je mehr mein Vertrauen zunahm, desto mehr flüch-
te nicht einfach durch ein „Verzeih“ an den Anfang tete ich bei anstehenden Schwierigkeiten aus dem
zurückgedreht werden. Zuviel Persönliches war Büro in mein Privatzimmer, kniete nieder und
verletzt, zu viele Gefühle waren zurückgewiesen brachte meine Anliegen und Sorgen im Gebet vor
oder im Keim erstickt worden, zu häufig war der Gott. Ich möchte keinen Tag der vergangenen Zeit
Partner absichtlich oder unabsichtlich in seinem mit meinem Herrn und Gott missen. Da, wo die
Innersten verwundet worden. Hier half uns das Situation ausweglos war und wo ich mit meinen
tägliche - wenn möglich - gemeinsame Gebet. Wir Möglichkeiten am Ende war, durfte ich erleben,
konnten einander wieder vergeben, und durch auf- was Gott unter Geschäftsführung versteht. Ich
richtiges Bitten um Liebe, Verständnis und gegen- durfte erfahren, was Unternehmensstrategie sein
seitige Achtung schenkte uns Jesus Christus, daß kann, wenn der Planer über der Zeit steht und die
wir einander wieder neu annehmen konnten und Zukunft bei ihm auch Gegenwart ist. Ich wünsche
wieder zueinander fanden. mir nichts mehr, als daß mein ganzes Sinnen und
Welch eine Veränderung meines Lebens nach Got- Trachten von Gottes Führung geprägt ist.
tes Eingreifen. Welch eine Veränderung durch sei- Glauben, so lernte ich, ist nicht Logik, Philosophie
ne Zusage: Ich bin dein Schöpfer, dein Gott und oder Wissenschaft, sondern völliges Vertrauen auf
deine Lebensmitte. Du bist jetzt mein Kind und ich Gottes Gegenwart und die Gewißheit, daß Er an
dein Vater. Ich lernte bald, daß ich Gottes Nähe, meinem Leben und an meinem Wohlergehen mehr
Seine Hilfe und Seinen Beistand erleben und er- interessiert ist als an allen Schätzen der Welt. Wer
fahren kann. Und dies nicht nur im problemlosen Gott vertraut, verändert nicht sein altes Leben. Er
Alltag, sondern besonders dann, wenn ich mit mei- wird zu einem durch und durch neuen Menschen.
nen Möglichkeiten am Ende bin und wenn ich ihm Wer sich gegen Gott entscheidet, gleicht dem
erlaube, in meinem Leben zu wirken. Mann, der in den falschen Zug steigt: Für ihn sind
13
alle kommenden Stationen falsch. Ich lade Sie ein: den) 7 Sfr.: Schweizer Franken 8der Wahn: eine unrealisti-
Entscheiden Sie sich heute für den einzig richti- sche, oft krankhafte Vorstellung oder Hoffnung 9der Göt-
ze: etwas, das jmd. übertrieben wichtig nimmt, wie ein Gott
gen, für alle Ewigkeit gültigen Weg, den Weg mit verehrt wird 10 turbulent: stürmisch, sehr bewegt 11real:
Jesus Christus. so, wie sie in Wirklichkeit sind; wirklich, tatsächlich
12
verloren: ohne Jesus zur ewigen Trennung von Gott be-
Markus Eichenberger, Schweiz stimmt 13 Konsequenz: logische Folge 14die Bilanz: das
Resultat einer Folge von Ereignissen; Ergebnis 15 Rezessi-
1
der neue Kontinent: Amerika 2
Opportunist: jmd., der on: Rückgang der wirtschaftlichen Produktivität, der ge-
sich aus Nützlichkeitserwägungen schnell und bedenkenlos schäftlichen Umsätze, der Arbeitsauslastung 16 Rationali-
der jeweiligen Situation anpaßt 3
von etw. beseelt: von sierung: Ersatz überkommener, meist veralteter Produktions-
etwas erfüllt 4
Spengler: anderer Begriff für Klempner und Handelsverfahren durch zweckmäßigere, modernere,
(heute eher Installateur für Gas- und Wasserleitungssysteme) besser durchdachte 17 Immobilien: Grundstücke, Gebäu-
5
Sanitäranlagen: technische Anlagen, die zur Gesundheits- de, unbewegliche Güter 18die Anlageperlen: (hier) Aktien,
pflege erforderlich sind (z.B. Toiletten, Bäder, u.ä.) 6
Bi- Häuser etc., in denen man sein Geld angelegt hat und von
lanzsumme: Geldbetrag, der sich ergibt bei der Gegenüber- denen man viel Gewinn erwartet 19 Katastrophe: schlim-
stellung von Vermögen und Schulden für ein Geschäftsjahr mes, folgenschweres Ereignis 20
Souveränität: höchste
(positive B. = mehr Vermögen; negative B. = mehr Schul- Herrschaftsgewalt; Hoheitsgewalt, Unabhängigkeit

Die Grammatikecke
Die Behandlung der Passivformen des Verbs aus der vorigen Als Wiederholung: Nach einem Partizip (hier:gefragt) steht nur
Ausgabe wird fortgesetzt. „worden“, z.B. Ihr wäret gefragt worden, ob ihr etwas über
den Diebstahl wißt. Gebt zu, daß ihr gewarnt worden seiet!
Vorausgeschickt wird, daß die Modalverben können, müssen, Die Tasche wäre gefunden worden, wenn sie nicht im Gebüsch
lassen, dürfen, sollen kein Passiv bilden. gelegen hätte. Ich hätte den Mantel gekauft, wenn er im Preis
Die Konjugation des Verbs: Passiv, Konjunktiv von „fragen“ herabgesetzt worden wäre.

Der Prüfling befürchtete, daß er nach den schwierigsten The- „geworden“ ist das Partizip Perfekt von „werden“ (dem Hilfs-
men gefragt werde. (Er werde gefragt - 3.Pers. Sing. Präs. Pass. verb), z. B. Es ist hier sehr still geworden. Der Verwalter war
Konj.) Nach der Prüfung erkundigte sich der Vater bei seinen derart erregt, daß er sehr laut geworden war.
beiden Söhnen, ob sie Schwieriges gefragt worden seien. Bist du jetzt fleißig geworden? Die Erde ist durch Gottes Schöp-
(3.Pers. Plur. Perfekt. Pass. Konj.) ferhand schön geworden; bewahre Sie! Heute Mittag war es
noch richtig warm geworden.
Konjunktiv
Präsens Perfekt Stilkunde
ich werde gefragt ich sei gefragt worden
Wortschatzübungen: Wähle das treffende Wort aus und un-
du werdest gefragt du seiest gefragt worden
er,sie,es werde gefragt er,sie,es sei gefragt worden terstreiche es!
wir werden gefragt wir seien gefragt worden Als ich gestern früh auf die Straße trat, hörte ich lautes (Ge-
ihr werdet gefragt ihr seiet gefragt worden schrei, Rufen, Geplauder, Geräusch). Ein Mann (fuhr, raste, eil-
sie werden gefragt sie seien gefragt worden
te, stürmte) auf einem Rad die Straße entlang, (verfolgt, be-
Präteritum Plusquamperfekt schimpft, überholt, gestoppt) von einem Polizisten und meh-
ich würde gefragt ich wäre gefragt worden reren Passanten. Der Polizist (bremste, verhaftete, überholte,
du würdest gefragt du wärest gefragt worden hielt an) einen zufällig des Weges kommenden Radler, (bestieg,
er,sie,es würde gefragt er,sie,es wäre gefragt worden schwang sich auf, nahm Platz auf) dessen Rad und setzte so
wir würden gefragt wir wären gefragt worden die (Jagd, Verfolgung, Hetze, Tätigkeit) fort. Als sich auch noch
ihr würdet gefragt ihr wäret gefragt worden ein Motorradfahrer den Verfolgern (zugesellte, anschloß, hin-
sie würden gefragt sie wären gefragt worden zufügte), gelang es bald, den Räuber (zu überwältigen, zu er-
Futur I Futur II fassen, einzuholen).
ich werde gefragt werden ich werde gefragt worden sein Als Nebenerscheinung hilft diese Übung, das Vokabelwissen
du werdest gefragt werden du werdest gefragt worden sein zu erweitern.
er,sie.es werde gefragt werden er,sie,es werde gefragt worden sein Jagd, anschloß, einzuholen.
wir werden gefragt werden wir werden gefragt worden sein Lösung: Geschrei, raste, verfolgt, hielt an, schwang sich auf,
ihr werdet gefragt werden ihr werdet gefragt worden sein
sie werden gefragt werden sie werden gefragt worden sein Zusammengestellt und mit Beispielen versehen von A. Schulz-Corte

14
Johann Wolfgang von Goethe - Gedichte
Aus Anlaß seines 250. Geburtstages haben wir hier einige der schönsten Naturgedichte dieses berühmten
deutschen Dichters zusammengestellt.

Mailied
Wie herrlich leuchtet O Lieb, o Liebe, So liebt die Lerche
Mir die Natur! So golden schön, Gesang und Luft,
Wie glänzt die Sonne! Wie Morgenwolken Und Morgenblumen
Wie lacht die Flur1! Auf jenen Höhn3! Den Himmelsduft,
Es dringen Blüten Du segnest herrlich Wie ich dich liebe
Aus jedem Zweig Das frische Feld, Mit warmem Blut,
Und tausend Stimmen Im Blütendampfe Die du mir Jugend
Aus dem Gesträuch, Die volle Welt. Und Freud und Mut
Und Freud und Wonne2 O Mädchen, Mädchen, Zu neuen Liedern
Aus jeder Brust. Wie lieb’ ich dich! Und Tänzen gibst.
O Erd, o Sonne, Wie blinkt dein Auge! Sei ewig glücklich,
O Glück, o Lust, Wie liebst du mich! Wie du mich liebst.

Gefunden
Ich ging im Walde Ich wollt es brechen, Und pflanzt es wieder
so für mich hin, da sagt’ es fein: am stillen Ort;
und nichts zu suchen, „Soll ich zum Welken nun zweigt5 es
das war mein Sinn. Gebrochen sein?“ immer
und blüht
Im Schatten sah ich Ich grub’s mit allen
so fort.
ein Blümchen stehn, den Würzlein4 aus;
wie Sterne leuchtend, zum Garten trug ich’s
wie Äuglein schön. am hübschen Haus.

Wanderers Nachtlied Ein Gleiches


Der du von dem Himmel bist, Über allen Gipfeln
alles Leid und Schmerzen stillest, ist Ruh;
den, der doppelt elend ist, in allen Wipfeln
doppelt mit Erquickung6 füllest, spürest du
ach, ich bin des Treibens müde! kaum einen Hauch;
Was soll all der Schmerz und Lust? die Vögelein schweigen im Walde.
Süßer Friede, Warte nur, balde
komm, ach, komm in meine Brust! ruhest du auch!

1
die Flur: Äcker und Wiesen, die nicht mit Häusern bebaut sind 2die Wonne: ein Zustand, in dem man sehr glücklich
und zufrieden ist 3Höhn = (Berg)Höhen 4die Würzlein: kleine Wurzeln 5zweigen: (verzweigen); wachsen und dabei
neue Zweige bilden 6die Erquickung: Erfrischung

15
Moderne deutsche Geschichte
Deutschland von 1945 bis 1960: Der Wiederaufbau ➁/➂

Am Ende des 2. Weltkriegs (1939-45) war Deutsch- schränkungen abzubauen. 1955 wurde die Bundes-
land ein zerstörtes Land. Seine Städte lagen in Trüm- republik ein souveräner3 Staat. Adenauer war ein
mern1, viele Menschen hungerten. Zusätzlich zu geschickter, kluger Politiker. Deutschland verdankt
der Bevölkerung im restlichen Deutschland muß- ihm viel.
ten acht Millionen Vertriebene aus den an Polen
Die Sozialdemokratische Partei (SPD), die zweit-
und die Tschechoslowakei verlorengegangenen
stärkste Partei im Bundestag, bekämpfte die Wie-
Ostgebieten versorgt werden. Jede der vier Sieger-
derbewaffnung Deutschlands in den fünfziger Jah-
mächte USA, England, Frankreich und Rußland
ren. Sie forderte auch eine größere Offenheit gegen-
bekam einen Teil von Deutschland als Besatzungs-
über dem kommunistischen Rußland. Aber Adenau-
zone zur Verwaltung zugewiesen.
er band die Bundesrepublik eng an den Westen. Er
setzte die Wiederbewaffnung Deutschlands durch
Die Bundesrepublik entsteht als Schutz vor einem kommunistischen Angriff.
1949 wurde aus den Besatzungszonen der drei
Westmächte, also aus Westdeutschland, die Bun- Das „Wirtschaftswunder“
desrepublik Deutschland gebildet. Ihre Hauptstadt
wurde Bonn am Rhein. Ihr erster Kanzler war für Eine andere Aufgabe der deutschen Regierung war
viele Jahre Konrad Adenauer. der Wiederaufbau des zerstörten Landes. In den
fünfziger Jahren fand das sogenannte deutsche
„Wirtschaftswunder“ statt. Millionen Wohnungen
wurden gebaut. Die Menschen konnten sich wie-

Die sogenannten „Trümmerfrauen“ räumten mit bloßen


Händen die Überreste der zerstörten deutschen Städte weg.
Adenauers Partei war die bürgerliche Christlich-
Der 500 000. Volkswagen läuft 1953
demokratische Union (CDU). Sie war oft die stärk-
in Wolfsburg vom Band
ste Partei im Bundestag, dem Parlament der Bun-
desrepublik. Alle wichtigen Beschlüsse des Bundes- der satt essen. Eine regelrechte „Freßwelle“4 setz-
tages mußten noch vom Bundesrat, der Vertretung te nach den vielen Jahren der Entbehrung ein. Mil-
der jetzt 16 deutschen Länder und Stadtstaaten, lionen Arbeitslose fanden in neuen Fabriken eine
gebilligt2 werden. Anstellung. 1959 hatte jeder Deutsche einen Ar-
beitsplatz. Der Wohlstand zog ein. Immer mehr
Die 1949 entstandene Bundesrepublik war aber
Menschen leisteten sich ein Auto und eine Urlaubs-
noch kein selbständiger Staat. Noch hatten die drei
reise ins Ausland.
Westmächte die letzte Entscheidung in allen wich-
tigen Fragen. In geduldigen Verhandlungen mit Wir nennen die Form der deutschen Wirtschaft
ihnen gelang es Adenauer, allmählich alle Be- „Soziale Marktwirtschaft“. Das heißt: eine freie Wirt-
16
schaft ohne staatliche Bevormundung, in der - wie Die fünfziger Jahre waren eine Zeit der „Restaurati-
auf einem Markt - Verkäufer und Käufer frei mit- on“, der Wiederherstellung der früheren guten al-
einander verhandeln können, und wo doch der ten bürgerlichen Ordnungen. Man legte Wert auf
Staat dem einzelnen ausreichend sozialen Schutz Anstand und Moral, auf Fleiß und Pünktlichkeit.
gewährt. Viele und besonders ältere Menschen sehnen sich
heute nach dieser Zeit zurück.
Entstehung der DDR
Die Schattenseite des Materialismus
Eine andere Entwicklung nahm die russische Be-
satzungszone in Ostdeutschland. Hier entstand Aber diese Jahre hatten auch ihre Schattenseiten.
keine echte Demokratie mit freien Wahlen. Nur Der zunehmende Wohlstand veränderte die Men-
Kommunisten konnten bei den Wahlen gewählt schen zur Oberfläch-
werden. Ostdeutschland wurde so schließlich als lichkeit und zum Ma-
„Deutsche Demokratische Republik“ (DDR) ein kom- terialismus5. Der Va-
munistischer, von Rußland abhängiger Staat. Als ter des deutschen
die Bundesrepublik der NATO beitrat, wurde die Wirtschaftswunders,
DDR dem Warschauer Pakt eingegliedert. der erste deutsche
Wirtschaftsminister
Alle Fabriken und alle landwirtschaftlichen Flächen
Ludwig Erhard, sag-
in der DDR wurden allmählich verstaatlicht. Der
te später einmal:
Aufstand der Arbeiter am 17. Juni 1953 wurde blu-
„Ich habe zwar die
tig niedergeschlagen. Millionen Ostdeutsche flohen
Portemonnaies6 der
deshalb im Laufe der Jahre nach Westdeutschland. Deutschen gefüllt,
aber ihre Kirchen ge-
Suche nach der „heilen Welt“ leert“. Nach dem „Wohlstand für alle!“ -
Die Menschen in der Bundesrepublik der fünfziger Krieg, als Deutsch- Der deutsche Wirtschaftsmi-
Jahre sehnten sich nach Wohlstand, Ruhe und Frie- land arm war, frag- nister Ludwig Erhard
den. An die Schrecken des Kriegs und der Naziherr- ten viele Menschen nach Gott. Mit zunehmendem
schaft wurde man nicht gern erinnert. Naziverbre- Wohlstand wurde Gott immer unwichtiger.
cher wurden von den Gerichten meist zu verhält- Aber ohne Gott können wir auch keinen Wohlstand
haben und genießen. Denn Gott ist es ja, der uns
unseren ganzen Besitz schenkt. Wenn wir Gott
nicht haben, bringt uns deshalb letzten Endes auch
unser Wohlstand keinen Gewinn. Wir haben dann,
ohne Gott, keinen inneren Frieden. Wir werden
Materialisten und Egoisten, die immer mehr ha-
ben wollen. Wir zerstören unser Leben. Und wenn
wir Gott nicht danken und ehren, der uns unser
ganzes Leben schenkt, enden wir einmal in ewi-
ger Verzweiflung.
Hans Misdorf
1
in Trümmern liegen: (mst. durch einen Bombenangriff)
Freizeitvergnügen junger Leute völlig zerstört sein; zusammengebrochen sein 2billigen:
nismäßig milden Strafen verurteilt, sofern man sie etwas positiv beurteilen und es deshalb zulassen; akzep-
tieren, gutheißen 3souverän: [suvä’rä:n] von keinem an-
überhaupt bestrafte. In den Kinos waren Filme mit
deren Staat regiert oder verwaltet werden; selbst herr-
einer „heilen Welt“ und viel Gefühl beliebt: wo Lie- schend 4die Freßwelle: eine Zeit, in der sehr viel (über die
bende sich heiraten konnten, Menschen in einer Maßen) gegessen wird 5der Materialismus: eine Einstel-
Familie glücklich waren oder eine schöne Heimat lung zum Leben, die sich an materiellen Werten orientiert
hatten. 6
das Portemonnaie [portmone:]: Geldbeutel, Geldbörse
17
Aus Literatur und Kunst Â
Friedrich Dürrenmatt
Kurzbiographie Zum Werk von F. Dürrenmatt
Friedrich Dürrenmatt gehört ebenso wie Hermann Hes- Lachen angesichts der Katastrophe, trotz des Chaos5
se und Eduard Mörike in die Reihe der protestantischen und der Sinnlosigkeit. So läßt sich die Wirkung der
Pfarrerssöhne, die es zur Schriftstellerei zieht. Am 5. Werke Dürrenmatts beschreiben. Seine Komödien sind
Januar 1921 geboren, nicht bloße Komik. Die Texte wollen Unruhe stiften.
wächst er zusammen mit Indem sie die Zustände übertreiben, ziehen sie der Welt
einer jüngeren Schwester die Maske vom Gesicht. Hinter dem grotesken6 Spiel
in Kanolfingen auf, einem auf der Bühne zeigt sich dem Zuschauer der wahre
Dorf im schweizerischen Charakter der Welt: Geldgier und Ohnmacht des Ein-
Kanton Bern. Sein Vater er- zelnen.
weckt Friedrichs Interesse
F. D. hat ein gewaltiges Werk verfaßt mit 23 Dramen,
für Geschichte, griechische
zahlreichen Romanen, Erzählungen und Hörspielen
Sagen und die Theologie.
sowie Reden. So vielfältig die Stoffe auch sind, die er
Die bibeltreue Frömmig-
bearbeitete – es gibt doch einige Grundthemen, die
keit seiner Eltern lehnt
immer wieder auftauchen. Da ist einmal der Zweifel,
Dürrenmatt später ab, aber
Zweifel am Sinn des menschlichen Tuns. Kann der ein-
religiöse Fragen beschäfti-
zelne etwas am Lauf der Welt ändern? Zweitens zeigt
gen ihn sein Leben lang. Er schildert sein Elternhaus so:
F. D. seinem Publikum die Welt als Labyrinth7: Der
„Meine Eltern waren geistliche Pfarrersleute, sie wiesen Mensch ist eingeschlossen in einer Welt, in der Chaos
niemanden ab und ließen mitessen, wer mitessen wollte. herrscht und die vom Zufall regiert wird. Dieses Ge-
So die Kinder eines Zirkusunternehmens, welches das Dorf fühl der Hilflosigkeit gegenüber Ungerechtigkeit ist
jährlich besuchte.“ auch heute noch aktuell. Besonders in den frühen Wer-
Der 20-jährige Friedrich beginnt, in Bern Philosophie ken herrscht die totale Ausweglosigkeit: In „Weihnacht“
und Literatur zu studieren. Eigentlich will er Maler (1943) findet ein Wanderer das tote Christkind; die Er-
werden, aber einige Berufsmaler verkennen seine Be- zählung „Der Tunnel“ (1952) endet hoffnungslos mit
gabung und raten ihm ab, diesen Weg weiter zu ver- dem Rasen des Zuges durch einen vorher kaum beach-
folgen. So widmet er sich dem Schreiben. Seiner Mal- teten Tunnel ins Erdinnere; in der Erzählung „Die Pan-
leidenschaft bleibt Dürrenmatt aber sein Leben lang ne“ (1956) wird der harmlose Held des Mordes bezich-
treu. Sein Sinn für das Bildhafte und Sinnliche kommt tigt8 und erhängt sich.
seinen Theaterstücken sehr zugute. Er beschäftigt sich In seinen späteren Werken entwickelt F. D. zunehmend
mit Kierkegaard1 und den französischen Existentiali- Perspektiven für den einzelnen: Der Mensch soll das
sten. Gerade die Auseinandersetzung mit Satre2 und Chaos nicht mehr hinnehmen, sondern die Welt stän-
Camus3 verdeutlicht die allgemeine Hoffnungslosigkeit dig in Zweifel ziehen. In „Der Besuch der alten Dame“
nach dem 2. Weltkrieg. (1956) wandelt sich ein schmieriger9 Vertuscher10 sei-
ner Taten zum verantwortlichen Helden, der seine
Nach Abschluß des Studiums – erste Erzählungen sind
Schuld erkennt. Am Schluß muß er sterben, aber er
bereits veröffentlicht – heiratet F. D. die Schauspiele-
hat seine Würde wiedergewonnen. Die Verlassenheit
rin Lotti Geißler. Drei Kinder werden geboren, und die
der verantwortungsbewußten Menschen hat F. D. in
Dürrenmatts beziehen ein Haus am Rande von
seinem Erfolgsstück „Die Physiker“ (1961) thematisiert.
Neuchâtel 4. Um die Familie ernähren zu können,
Erzählt wird die Geschichte des Physikers Möbius, der
schreibt F. D. Auftragsarbeiten, Hörspiele und Krimi-
in die Irrenanstalt geht, um den Mißbrauch seines
nalromane. Die Geldsorgen hören erst 1957 mit dem
Wissens zu verhindern. Doch die (tatsächlich wahnsin-
großen Erfolg von „Der Besuch der alten Dame“ auf, zu
nige) Leiterin der Anstalt hat sich bereits seiner For-
einer Zeit, als Dürrenmatt längst bekannt und preisge-
meln bemächtigt. Thema ist hier die unausweichliche
krönt ist. 1983 stirbt seine Frau. Ein Jahr später heira-
Bedrohung durch die Kernphysik. Schließlich führt F.
tet F. D. abermals: die Journalistin Charlotte Kerr. Am
D. in „Der Meteor“ vor, daß er sogar am Zweifel zwei-
14. Dezember 1990 erliegt er im Alter von 69 Jahren den
Folgen eines Herzinfarktes. felt...

18
Dürrenmatt glaubt nur an die Macht der Vernunft. Sei- 1
Kierkegaard, Sören: dänischer philosophisch-theologischer
ne Figuren sind sehr einsam. Sie leben nicht nur ohne Schriftsteller (1813-1855); Wegbereiter der modernen Existenz-
philosophie 2Satre, Jean-Paul: französicher Schriftsteller und
Gott, sondern auch ohne Liebe zu anderen. Trotzdem
Philosoph (1905-1980); betonte die Sinnleere der Existenz 3Ca-
lohnt es sich, seine Werke zu lesen. Vor allem, wenn mus, Albert [kamü:]: französischer Schriftsteller (1913-1960);
man Freude an Sprachwitz hat. Zweifel an allen Sinn- betonte die Sinnlosigkeit des Lebens 4Neuchâtel: Stadt in der
deutungen liegt ja auch dem Materialismus zugrunde. französichsprachigen Schweiz 5
das Chaos [‘ka:os]: ein sehr
Anstatt das Gefühl der Sinnlosigkeit zuzudecken, großes Durcheinander 6
grotesk: mit einer komischen oder
lächerlichen Wirkung, weil einige Merkmale übertrieben sind
kommt es bei Dürrenmatt wenigstens zur Sprache. 7
das Labyrinth: ein kompliziertes System von Straßen, Gängen
Daniel Ziegler und Wegen, in dem man leicht die Orientierung verliert; Irrgar-
Wenn Sie mehr über die Themen dieser Rubrik wissen möchten oder per- ten 8jmdn. etw. bezichtigen: beschuldigen 9 schmierig: auf
sönliche Fragen an mich haben, schreiben Sie an: Daniel Ziegler, unehrliche und unangenehme Art freundllich 10
etw. vertu-
Klombeckstr. 51, D-47533 Kleve oder schicken Sie ein E-Mail an: schen: etwas tun, damit etwas Negatives nicht öffentlich be-
ziegler@mail.regio.rhein-ruhr.de. kannt wird

Leider nicht mehr zu gebrauchen ... ➂


„Sie sind ein guter Mitarbeiter mit viel persönli- eine Stelle im Konzern7 an einem anderen Stand-
chem Einsatz - aber leider können wir Sie nicht ort anbiete. Ich kann mich neben den Mitarbeiter
mehr gebrauchen. Die Arbeit läuft aus, die Betriebs- stellen und mich in seine Rolle versetzen, d.h. mich
stätte wird geschlossen.“ So oder ähnlich began- nicht über ihn stellen. Ich kann aber nicht statt
nen viele Gespräche, nachdem ich den Auftrag be- seiner gehen. Es mußte erreicht werden, daß alle
aus dem Arbeitsbereich ausschieden.
Mir war klar, daß das am Ende auch für mich galt,
und so war auch meine Situation offen. Da paßt
ein Wort Gottes an Josua, der nach dem Tode von
Mose, dem Führer des Volkes Israel über 40 Jahre,
als neuer Führer eingesetzt war und alles hinwer-
fen wollte: „Ich sage dir noch einmal: Sei tapfer
und entschlossen! Laß dich durch nichts erschrek-
ken und verliere nie den Mut, denn ich, der Herr,
dein Gott, bin bei dir, wohin du auch gehst.“
Ich möchte heute feststellen, daß mein Handeln
von meinem Glauben an Jesus bestimmt wurde.
Ob und inwieweit das auch bei der Entscheidung
und dem, was danach mit den einzelnen Mitarbei-
kam, - man sagt das so - „Betrieb und Arbeitsplät- tern wurde, der Fall war, kann ich nur dem Urteil
ze abzuwickeln1“. Dieses Unwort2 unserer Zeit wird Gottes überlassen. Der Glaube macht es in diesem
zu harter Realität, wenn man als Macher und Be- Fall nicht leichter, weil zusätzliche Maßstäbe hin-
troffener dabei ist. Ich habe einen Engineering3- zukommen - aber mein Glaube hat mir dabei sehr
und Experimentierbereich mit fast 150 Mitarbei- geholfen. Das sage ich, obwohl ich weiß, daß eini-
tern geleitet. Ich war 52 Jahre alt, als die Aufgabe ge nicht wieder in einem guten Arbeitsverhältnis
so ihren Abschluß gefunden hatte. Als Christ war stehen. Ich muß hier die Mitarbeiter als Menschen
das für mich eine besondere Herausforderung. Gott überlassen.
Verantwortung für die Mitarbeiter Bewährung als Betroffener
Wo bleibt der Anspruch an mich als Christ „Liebe
4 Ich war, mit Leitungsfunktion betraut, in dieser
deinen Nächsten wie dich selbst“, wenn ich ande- Situation auch Betroffener. Mit der Beendigung der
re mit Hilfe von sozialverträglichen5 Maßnahmen Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter, dem Verkauf
zum Weggang oder Vorruhestand6 bewege oder von Inventar8 und Gebäuden war auch meine Auf-

19
gabe beendet. Man sitzt auf einem Ast, der Stück Wir dürfen heute schon sagen, daß es nicht leicht
um Stück abgesägt wird, und fragt sich dann: „Was ist, aus einer gefügten 11 Arbeits- und Privat-
nun? Finde ich einen anderen Ast oder falle ich umgebung wegzugehen. Wir haben aber erlebt,
hinunter?“ Mich trieb also die Frage um, was aus daß das Vertrauen auf Gott sich lohnt; wir wuß-
mir wird und ob es eine andere Aufgabe innerhalb ten uns stets in Ihm geborgen. Wir haben Gemein-
oder außerhalb des Konzerns für mich gibt. Freun- schaft mit anderen Christen gefunden und können
de merkten mir an, daß ich bedrückt war. Schließ- auf Menschen zugehen, denen wir den Glauben an
lich habe ich meine Arbeit immer mit Freude und Jesus Christus nahebringen wollen. Bindungen und
Einsatz getan. Ich stand in der Gefahr, meine posi- Rücksichten, die wir früher hatten, konnten wir
tive Einstellung zu verlieren und von Selbst- zurücklassen und können ohne sie den Menschen
zweifeln bestimmt zu werden. freier begegnen.
Im Gespräch mit meiner Frau wurde mir aber klar, Wenn wir die Arbeit in und außerhalb des Berufes
daß hier etwas schief lief9. Aus unserm Glauben als Gabe auf Zeit annehmen, werden wir frei und
heraus wurde uns ganz wichtig, im Vertrauen auf sind dann doch zu gebrauchen, eine Erfahrung, die
Gott der Zukunft entgegenzusehen. Wir wollten sich lohnt.
für berufliche Veränderungen offen sein, die auch Dr. -Ing. Walter Theymann
eine Chance für neue Aufgaben für Gott sein kön-
nen. Wir wollten offen sein für den Ort, an den
1
abwickeln: (hier) auflösen 2das Unwort: eine Wort-
prägung, die einen schlimmen Sachverhalt verniedlicht
wir gestellt werden sollten. Das haben wir im Ge-
bzw. sehr negative Wirkungen hat 3das Engineering
bet gesagt, und ich habe es an Menschen herange- [endschini(e):ring]: Ingenieurwesen (technisches Fach)
tragen, die mir helfen konnten. 4
Anspruch: (oft relativ hohe) Erwartung oder Forderung,
die man in bezug auf jmdn. hat 5sozialverträglich: eine
Ich bekam dann eine neue Aufgabe weg von der
für den Betroffenen belastende Maßnahme, die durch
reinen Technik im Marketing10 und Vertrieb. Das begleitende finanzielle Sozialleistungen (z. B. finanziel-
bedingte für meine Frau und mich nach 28 Jahren le Hilfen) erträglicher gemacht wird 6der Vorruhestand:
an einem Ort einen Umzug anderswohin. Wir Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor dem normalen
schrieben damals an unsere Verwandten, Freunde Rentenalter bei Beibehaltung einer bestimmten Summe
und Bekannten: „Ein wenig kommt es uns so vor des bisherigen Gehalts 7der Konzern: mehrere große
wie bei Abraham. Ihn rief Gott in ein Land, das er Firmen, die sich zu einer größeren Einheit zusammen-
ihm zeigen wollte, weg aus der gewohnten Umge- geschlossen haben und zentral geleitet werden, aber
rechtlich selbstständig sind 8das Inventar: alle beweg-
bung. Gott hatte in dem Fall Bestimmtes mit Abra-
lichen Dinge, die ein Betrieb, eine Firma besitzt, z.B.
ham vor. Wir nehmen das auch für uns so an und Maschinen, Geräte, Möbel ... 9etw. läuft (geht) schief:
sind gespannt, was daraus werden wird. Das gilt etwas gelingt nicht; etwas hat nicht das Ergebnis, das
sicher beruflich, besonders aber für unser persön- man erwartet hat 10das Marketing: alles, was eine Fir-
liches Umfeld. Werden es ähnliche Aufgaben sein, ma tut, um die eigenen Produkte gut zu verkaufen 11ge-
oder gibt es ganz neue Herausforderungen?!“ fügt: so, daß alles gut zueinander paßt

Johann Wolfgang von Goethe - Sprüche


Gut verloren - etwas verloren!
1 Die Welt ist nicht aus Brei und Mus2 geschaffen,
Mußt rasch dich besinnen Deswegen haltet euch nicht wie Schlaraffen3;
Und neues gewinnen. Harte Bissen gibt es zu kauen:
Ehre verloren - viel verloren! Wir müssen erwürgen4 oder sie verdauen.
Mußt Ruhm gewinnen, 1
das Gut: Dinge, die jmdm. gehören; Besitz 2das Mus: eine weiche
Masse meist aus gekochtem oder zerdrücktem Obst 3die Schlaraf-
Da werden die Leute sich anders besinnen. fen: Menschen, die im Schlaraffenland leben. Das Schlaraffenland
Mut verloren - alles verloren! ist eine an die antike Tradition anknüpfende, seit dem 13. Jh. durch
die Lit. verbreitete Vorstellung von einem Märchenland, in dem
Da wäre es besser: nicht geboren. alle Güter ohne Arbeit und Mühe entstehen und im Überfluß vor-
handen sind. 4 erwürgen: hier benutzt im Sinne von „erbrechen“

20
Wir erinnern uns ... ➂
Juni - Oktober 1999 Vor 225 Jahren (1774):

Deutsche Feiertage: 5.9. Geburtstag des Malers und Graphikers Caspar


David Friedrich in Greifswald. Er ist einer der be-
3.10.: Tag der Deutschen Einheit (Erinnerung an die Wieder- deutendsten Maler der deutschen Romantik. Caspar
vereinigung der beiden deutschen Staaten am 3.10. 1990) David Friedrich lebte nach seinen Studienjahren
Gedenktage: 1794–98 in Kopenhagen, dann bis zu seinem Tod in
Dresden. Dort lernte er bedeutende junge Künstler
Vor 50 Jahren (1949):
14.8. In der neugegründeten Bundesrepublik fan-
den zum ersten Mal seit der Weimarer Republik
freie Wahlen für den ersten Deutschen Bundestag
statt. Dabei erhielt die CDU mit 31% den höchsten
Stimmenanteil, gefolgt von der SPD mit 29,2% und
der F.D.P. mit 11,9%. Auch mehrere andere kleine
Parteien waren im damaligen Bundestag vertreten.
Im Wahlkampf hatten vor allen Dingen weltanschau-
liche Themen, der Gegensatz von Christentum und
Sozialismus sowie die Wirtschaftspolitik im Vorder-
grund gestanden.
12.9. Theodor Heuss, der Vorsitzende der F.D.P., wur-
de zum ersten Bundespräsidenten der BRD ge-
wählt. Er gewann die Wahl gegen Kurt Schumacher
von der SPD. Theodor Heuss fand in allen Parteien C. D. Friedrich: Das Kreuz im Gebirge
und in der Bevölkerung Respekt und Anerkennung.
der Romantik kennen. Zu ihnen gehörte der Maler
15.9. Konrad Adenauer wurde erster Bundeskanz- Philipp Otto Runge, neben Friedrich der bedeutend-
ler der BRD. Er stand einer Koalition aus CDU/CSU, ste Maler der Frühromantik. Auch Dichter gehörten
F.D.P. und DP (Deutsche Partei) vor. Schwerpunkte dazu, z.B. Ernst Moritz Arndt, Ludwig Tieck und
der neuen Regierung waren in Heinrich von Kleist oder der Baumeister Karl Fried-
der Innenpolitik der Ausbau rich Schinkel.
der sozialen Marktwirtschaft,
C. D. Friedrichs frühe Arbeiten sind durchweg Tusch-
der Abbau der Arbeitslosigkeit,
und Federzeichnungen. Erst 1807 schuf er sein er-
die Förderung des Wohnungs-
stes bedeutendes Ölgemälde ›Kreuz im Gebirge‹
baus und die Integration der
(Tetschener Altar). Hauptthema von Friedrich ist die
Heimatvertriebenen und
Landschaft und in ihr das Werden und Vergehen im
Kriegsbeschädigten. Außenpo-
Wandel der Jahreszeiten. Er strebte in Farbe, Linie
litische Themen waren die
und Motiv einen hohen Symbolgehalt an (Jahreszei-
Nichtanerkennung der Oder-
ten, Naturvorgänge werden zu Allegorien1 mensch-
Neiße-Grenze, die Überwin-
lichen Lebens) und schuf eine neue Ikonographie2.
dung der Teilung und die Westintegration der BRD.
Er starb am 7. 5. 1840 in Dresden. Zu seinen wich-
8.9. Todestag des Komponisten und Dirigenten Ri- tigsten Werken gehören: ›Der Mönch am Meer‹
chard Strauss. Zu seinen bekanntesten Werken zäh- (1808– 10); ›Zwei Männer in Betrachtung des Mon-
len unter anderem die symphonischen Dichtungen: des‹ (um 1820); ›Das Eismeer‹ (1821); ›Mondaufgang
›Don Juan‹ (1889), ›Till Eulenspiegels lustige Streiche‹ am Meer‹ (1822); ›Die Lebensstufen‹ (um 1834).
(1895), ›Also sprach Zarathustra‹ (1896), ›Ein Helden-
Vor 250 Jahren (1749):
leben‹ (1899) und die Opern ›Salome‹ (1905), ›Elektra‹
(1909), ›Der Rosenkavalier‹ (1911) und ›Ariadne auf 28.8. Geburtstag des Dichters Johann Wolfgang von
Naxos‹ (1912). Goethe. Sein Geburtstag ist sicherlich der bedeutend-

21
ste Gedenktag in diesem Jahr. Eine ausführliche Bio- Schauspiele und zeitkritische Prosa (›Die deutsche
graphie folgt im nächsten Heft. Gelehrtenrepublik‹, 1774). Kloppstock starb am 14.
3. 1803 in Hamburg.
Vor 275 Jahren (1724):
1
die Allegorie: die Darstellung eines abstrakten Begriffs (z.
1. 9. Geburtstag des Dichters Friedrich Gottlieb B. des Todes, der Liebe) als Bild oder Person in der Malerei,
Kloppstock in Quedlinburg. Epochemachend wirk- Dichtung usw. 2die Ikonographie: allg. Identifizierung und
te sein biblisches Epos3 ›Der Messias‹ (1748–73), das Deutung der dargestellten Bildgegenstände; bes. dann von
erste große Epos der neuhochdeutschen Literatur. Bedeutung, wenn es sich um allegorische oder emblemati-
Durch gefühlsbetonte, enthu- sche Darstellung ungegenständlicher Ideen oder Begriffe
siastisch-visionäre Darstel- handelt 3das Epos: Mz. Epen: frühe Großform der Epik; sie
verherrlicht in gehobener, metrisch gebundener Sprache und
lung aus pietistischem4 Geist,
breiter, monumentaler Darstellung mythische, sagenhafte
kühne sprachliche Neuschöp- oder historische Stoffe und Persönlichkeiten und schafft ein
fungen und feierliche Überhö- geschlossenes Weltbild. 4der Pietismus: Reformbewegung
hung des Stils zeugte es von innerhalb des deutschen Protestantismus des 17./18. Jh. Sie
einer neuen, religiösen und wendete sich besonders gegen die Erstarrung der Kirche,
nationalen Auffassung des die die Kirche als Organisation und die richtige Lehre in den
Dichterberufs. Kloppstock ge- Vordergrund gestellt hatte. Sie betonte besonders eine le-
bendige Erfahrung der biblischen Heilsbotschaft und ein
lang der Durchbruch aus der gelebtes Christentum. 5die Empfindsamkeit: stark gefühls-
konventionellen, rational be- betonte literarische Richtung der Aufklärung, zw. 1740 und
stimmten Aufklärungs-Literatur zur Erlebnis- 80 bes. in bürgerlich-pietistischen Kreisen, entstanden als
dichtung der Empfindsamkeit5 und des Sturm und Reaktion gegen den Rationalismus 6der Sturm und Drang:
Drang6. Durch Einführung des Hexameters7 löste er deutsche literarische Bewegung um 1765–1785. Sie forder-
die deutsche Metrik aus der Bindung an französiche te in Abwehr des Rationalismus der Aufklärung die unein-
geschränkte Entfaltung des schöpferisch-genialen Individu-
Vorbilder. Auch in seinen Oden (1771) griff er zu-
ums aus ursprünglicher Gefühlskraft. 7
der Hexameter:
nächst auf griechische und englische Vorbilder zu- aus sechs Versfüßen (meist Daktylen = eine lange und zwei
rück, wandte sich aber dann zunehmend freien kurze Silben) bestehender epischer Vers, dessen letzter Vers-
Rhythmen zu. Er verfaßte auch Dramen, religiöse fuß um eine Silbe gekürzt ist.

Es war einmal: Frau Holle ➀


Eine Witwe1 hatte zwei Töchter. Die eine war schön Angst lief das Mädchen zur Stiefmutter6, um ihr
und fleißig, die andere häßlich und faul. Sie hatte das zu sagen. Die wurde sehr böse und sagte: „Du
die häßliche und faule hast die Spule hinunterfallen lassen. Jetzt mußt du
Tochter aber viel lieber, sie auch wieder heraufholen.“
denn sie war ihre
richtige Tochter.
Die Prüfung
Die andere, ihre
S t i e f t o c h t e r 2, Die Stieftochter ging zum Brunnen zurück. Sie
aber mußte wußte nicht, was sie tun sollte. In ihrer Angst
allein alle Arbeit sprang sie in den Brunnen hinein. Und dann stand
tun. Jeden Tag sie plötzlich auf einer grünen Wiese. Die Sonne
Lana Jefimova mußte sie sich an schien warm, und viele Blumen blühten. Als sie
den Brunnen 3 setzen über die Wiese ging, kam sie an einem Ofen vorbei.
und spinnen . Und zwar so lange, bis ihr das Blut
4
Der war voller Brot. Das Brot im Ofen rief: „Ach,
aus dem Finger tropfte. zieh uns heraus, sonst verbrennen wir!“ Das fleißige
Eines Tages saß sie wieder am Brunnen. Die Spule5, Mädchen ging zum Ofen und holte die Brote
die sie zum Spinnen brauchte, war ganz blutig heraus. Dann kam es an einen Apfelbaum. Der rief:
geworden. Da wollte sie diese im Brunnenwasser „Ach, schüttele mich. Meine Äpfel sind schon lange
abwaschen. Dabei fiel ihr die Spule aus der Hand reif!“ Da schüttelte das Mädchen den Baum, und
und in den Brunnen hinein. Erschrocken und voll alle Äpfel fielen auf den Boden.
22
Nach einiger Zeit kam sie an ein kleines Haus. Eine machen!“ und ging weiter. Auch den Apfelbaum
alte Frau schaute aus dem Fenster. Sie hatte große wollte sie nicht schütteln. Als sie zu Frau Holle
Zähne, und das Mädchen bekam Angst. Es wollte kam, ging sie gleich zu ihr hinein, um bei ihr zu
weglaufen. Aber die Frau rief: „Hab keine Angst. arbeiten. Am ersten Tag war sie auch noch recht
Bleib doch bei mir. Wenn du alle Arbeit ordentlich tust, fleißig, aber dann wurde sie immer fauler. Das Bett
soll es dir gutgehen. Nur mußt du mein Bett so schüttelte sie nicht so, daß die Federn flogen. Da
aufschütteln7, daß die Federn fliegen. Dann schneit8 wurde Frau Holle ärgerlich, und das Mädchen
es auf der Welt. Ich bin nämlich die Frau Holle.“ mußte wieder gehen. Als sie zum Tor kamen,
dachte das Mädchen:
„ Jetzt kommt der
Die Belohnung
Goldregen.“ Aber
Das Mädchen blieb bei Frau Holle und tat alle Arbeit statt Gold wurde
sehr gut. Frau Holle war freundlich zu ihr, und sie schwarzes Pech13
hatte dort ein schönes Leben. Nach einiger Zeit über sie aus-
aber bekam sie Heimweh9. Auch wenn es ihr hier geschüttet. „Das
besser ging als zu Hause, so wollte sie doch wieder ist der Lohn für
zurück. Frau Holle war einverstanden, und sie deine Arbeit“,
begleitete die Stieftochter auf dem Weg nach sagte Frau Holle
Hause. Als sie durch ein großes Tor gingen, öffnete und schloß die
sich eine Luke, und ein großer Goldregen fiel auf Tür hinter ihr zu.
das Mädchen herab. „Das Gold ist dein Lohn, weil Als der Hahn zu
du so fleißig gewesen bist“, Hause das
Lana Jefimova
sagte Frau Holle, und sie schwarze Mäd-
gab dem Mädchen chen sah, rief er: „Kikeriki, unsere schmutzige
auch die Spule Jungfrau ist wieder hie!“ Das Pech aber blieb immer
zurück. Als sich das an ihr hängen, so lange sie lebte.
Tor geschlossen
hatte, war „Gold- Nach dem Märchen der Brüder Grimm.
marie“ nicht mehr 1
die Witwe: eine Frau, deren Ehemann gestorben ist 2 die
weit von zu Hause Stieftochter: Mädchen, das ein Partner mit in die Ehe
weg. Als sie dort gebracht hat 3der Brunnen: ein tiefes Loch, das in die Erde
ankam, rief der gegraben ist, um daraus Wasser schöpfen zu können
4
spinnen: Wolle drehen und so zu Fäden machen 5die Spule:
Hahn: „Kikeriki,
eine Art Rad oder Rolle, um die man einen Faden o.ä. wickelt
unsere goldene 6
die Stiefmutter: nicht die eigene Mutter, sondern die Frau,
Lana Jefimova
Jungfrau10 ist wie- die der Vater nach dem Tod der Mutter geheiratet hat
der hie !“ Sie ging nach Hause, und weil sie so mit
11 7
aufschütteln: etwas lockern oder mischen, indem man es
Gold bedeckt war, wurde sie freudig von ihrer schüttelt 8
schneien: es schneit = Schnee fällt 9
das
Heimweh: der starke Wunsch, nach Hause, in die Heimat
Stiefmutter aufgenommen,. zurückzukehren 10die Jungfrau: ein unverheiratetes junges
Mädchen 11 hie = hier (verkürzt wegen des Reims: Kikeriki
- hie) 12verschaffen: dafür sorgen, daß jmd./man selbst
Die Strafe für Faulheit etwas bekommt 13das Pech: eine schwarze Masse, die stark
Als die Mutter die Geschichte von Goldmarie gehört klebt und mit der man z. B. Dächer oder Schiffe abdichten,
d.h. gegen Wasser schützen kann (das Pech: im übertragenen
hatte, wollte sie auch der eigenen faulen Tochter Sinn auch: das Unglück)
dieses Glück verschaffen12. Sie mußte sich an den
Brunnen setzen und spinnen. Aber damit ihre Spule Do you speak english? Then you can order the easy-
english paper „SOON“ free of charge. Write to: SOON, 44
blutig wurde, stieß sie sich in den Finger, und dann
Twyford Road, Willington, Derby, DE65 6BN, England
warf sie die Spule in den Brunnen. Sie sprang
hinterher und kam so auch auf die schöne Wiese. Parlez –vous francais? Commandez „Bientôt“ de: Bientôt,
Als sie aber den Backofen sah und hörte, wie das Unit 6 Garcia Trading Estate, Canterbury Road, Worthing,
Brot rief, sagte sie: „Ich will mich nicht schmutzig West Sussex, BN13 1AL, England

23
Schüler machen Zeitung ➂
Unter diesem Titel schrieben im letzten Jahr Schüler verschiedener Schulen Artikel für die Rheinische Post, eine
der großen Tageszeitungen Deutschlands. Sie verarbeiteten dabei Themen, die junge Leute heute interessieren.
Zwei Texte davon haben wir ausgesucht.
Und so geht’s weiter ... und weiter ...
Süchtig nach der „Daily Soap1“
Eigentlich ist es ja Schwachsinn2, doch trotzdem Doch wie kommt es dazu? Suchen die Teenies9 und
schauen so viele Jugendliche täglich in die Glotze3: Twens10 bewußt oder unbewußt die sogenannte
Serien sind „in“4. Fast 65 Prozent der befragten Jun- „heile Welt“? Versuchen sie, sich mit den Darstel-
gen und 80 Prozent der Mädchen sehen sich regel- lern zu identifizieren? Das letzte trifft wohl eher zu.
mäßig Serien an, wobei das Interesse je nach Alter Die Produzenten haben es genau darauf abgesehen
(zwischen 10 und 19 Jahren) variiert5. Während die und stellen für möglichst viele Typen11 eine Rolle
Jüngeren die Qualität der Serien noch nicht beurtei- bereit. Die Zuschauer sind nun gespannt darauf, wie
len, wissen die Älteren sehr genau, daß die Hand- ihre Vorbilder und Idole die vermeintlichen Proble-
lungen banal6 und die Probleme oftmals an den Haa- me lösen.
ren herbeigezogen7 sind. „Es ist mühselig, die Seri-
Es ist einfacher, passiv zu bleiben und sich die Lö-
en zu gucken, da sie eine endlose Aneinanderreihung
von irrealen Problemen sind“, so ein Schüler der sungen „second hand“12 servieren zu lassen. Die
Gefahr der geistigen Abhängigkeit ist leicht gege-
Jahrgangsstufe 12.
ben, und oft verschwindet mit ihr die Fähigkeit, Pro-
Trotzdem sind Schüler Fans8 der sogenannten „daily bleme eigenständig zu lösen oder überhaupt lösen
soaps“. Vermeintliche „Realitätsnähe“, „Spannung“ zu wollen, sei es im privaten oder im politischen
und „Langeweile“ sind die meist genannten Gründe Bereich.
dafür, daß sich die Serien so großer Beliebtheit er-
freuen. Die meisten Jugendlichen geben „Gute Zei- Doch ist es wirklich schon so weit gekommen, daß
man mit seinen Problemen nicht mehr fertig wird?
ten, schlechte Zeiten“ als ihre Lieblingsserie an, die
Wird eine Generation ihr Leben und ihre Zukunft
12- bis 13jährigen schätzen diese „soap-opera“ so-
gar zu 100 Prozent(!). nach den Klischees13 der „soap-operas“ gestalten?
Klasse 10 A, Gymnasium Goch
Unterschiedliche Richtungen favorisiert

Moderne Musik: mehr als nur Gehämmere?


Um den Musikgeschmack der Jugendlichen festzu- gionslehrer des Konrad-Adenauer-Gymnasiums in
stellen, führte unsere Projektgruppe eine Umfra- Kleve.
ge in der Klever Innenstadt durch. Es wurde klar,
daß Jungen mit zunehmendem Alter mehr „härte- Mädchen sind toleranter
re“ Musikrichtungen hören. Als „harte“ Musik- Anders sieht es da bei den Mädchen aus. Sie ha-
richtungen wurden unter anderem Rock, Punk14, ben, wie es scheint, eine größere Toleranz gegen-
Heavy Metal15 und Grunch16 genannt. über den verschiedenen Geschmäckern. Ausnah-
Gerade bei Jungen wurde das Problem des men bestätigen allerdings auch hier die Regel. Ihr
Gruppenzwangs mehr und mehr in den Vorder- Musikgeschmack hält sich schon von sehr jung an
grund gerückt, wie manche Jugendliche es berich- bis über die Volljährigkeit hinaus die Waage.
teten: Hat man nicht den „richtigen“ Musik- Es war auch sehr auffallend, daß Mädchen den re-
geschmack, wird man schnell als Außenseiter ge- gelrechten Kult17 um einen Star häufiger und in-
sehen. „Das ist sehr traurig, aber in der heutigen tensiver betreiben. Konzerte sind ein Ort, wo die-
Zeit nicht zu vermeiden“, meinte Bruno Kelz, Reli- ser Kult praktiziert wird. Reihenweise fallen die
24
Fans in Ohnmacht, kreischen18 sich die Lunge aus 1
die Soap-Opera [sou:p opera]= Seifenoper: rührselige
dem Hals19 oder singen einfach nur mit. Hörspiel- oder Fernsehserie; [wohl so genannt, weil solche
Serien insbesondere von (Waschmittel-)Firmen durch
Genau auf diesen Kult reagieren auch die Medien. Werbesendungen in Fernsehen und Rundfunk finanziert
Es gibt ein Meer von Zeitschriften, die sich nur mit wurden] 2der Schwachsinn: (gespr.) Blödsinn, Unsinn
dem Leben der zur Zeit angesagten Musikstars 3
die Glotze: Fernsehen, TV 4
in: (engl.) aktuell, beliebt
beschäftigen. Diese Magazine versuchen, das Ver-
5
vari’ie’ren: verändern, unterscheiden 6
banal: sehr
einfach; nicht kompliziert, nicht außergewöhnlich; auch:
trauen der Jugendlichen zu gewinnen. Das Vertrau-
ohne gute Ideen, trivial 7an den Haaren herbeigezogen:
en zum Jugendmagazin „Bravo“ zum Beispiel äu- sehr unwahrscheinlich und unrealistisch sein; sehr weit
ßert sich dadurch, daß immer mehr Jugendliche hergeholt sein 8
Fans [fäns]: (engl. pl.) Verehrer,
den persönlichen Beratungsdienst dieser Zeit- Bewunderer 9Teenie: Teenager (13 - 19 J.) 10Twen: (von
schrift in Anspruch nehmen. engl. twenty): die erwachsenen Jugendlichen 11der Typ:
eine Art von Menschen oder Dingen, die bestimmte
Ein anderer Weg, die Produkte an die Jugendlichen charakteristische Merkmale oder Eigenschaften
zu bringen, ist der übers Fernsehen. Es gibt schon gemeinsam haben 12second hand [seke:nd hän:d]: aus
drei Fernsehsender, die den ganzen Tag nur Musik zweiter Hand; gebraucht, nicht neu 13das Kli’schee: eine
für diese Zielgruppe spielen - Viva, Viva 2, MTV20. ganz feste Vorstellung, die kein Bild der Realität mehr ist;
Hier herrscht auch ein starker Konkurrenzkampf, Vorurteil 14
Punk [pank]: ab Mitte der 70er Jahre
der nicht minder21 aggressiv ist als der unter den Musikrichtung und Lebensart aus Großbritannien; P. ist
durch hohe Aggressivität, Zynismus (›No Future‹/Keine
Zeitschriften. Zukunft), Selbstverstümmelung und Härte gekenn-
zeichnet. Ihre Vertreter bekleiden sich mit metall-be-
Anlaß für Streit setztem Leder und tragen wilde, schrillgefärbte Frisuren.
Im Zusammenhang mit der Musik der Jugendlichen
15
Heavy Metal [häwi: mät:el] seit den 70er Jahren eine E-
Gitarren-orientierte, extrem laut gespielte Art der
steht auch stark die Gewalttätigkeit. Bei Befragun-
Rockmusik 16 Grunch (eigtl. Grunge) [gransch] : eine
gen von Freunden, die ein wenig offener mit uns musikalische Mischung aus Punk, Heavy Metal und Rock -
gesprochen haben, wurde uns deutlich aufgezeigt, gespielt von Bands, die sich im Gegensatz zu den Erfindern
daß nicht selten der Auslöser für einen Streit der dieses Stils mit der Musikindustrie arrangiert haben.
unterschiedliche Musikgeschmack ist. Solch ein 17
der Kult: das Verhalten, bei dem man bestimmte Dinge
Streit, der auch manchmal in eine Prügelei ausar- oder Personen viel zu wichtig nimmt oder sie verehrt
tet, hinterläßt oft tiefe Wunden, die man eigent-
18
kreischen: mit lauter und hoher Stimme schreien 19sich
die Lunge aus dem Hals ...: sehr laut sein 20 private
lich hätte vermeiden können.
Musiksender, die über Satellit zu empfangen sind
Victor Vehreschild, Holger Bohnke, 8a, Konrad-Adenauer-Gymnasium 21
minder: weniger

Vater und Sohn: Der Schmöker aus „e. o. plauen, Vater und Sohn“
© Südverlag GmbH, Konstanz

25
Deutschland aktuell ➂
Gewalt unter Schülern paar Stunden und verdienen so Geld zu ihrem
Taschengeld dazu. Besonders beliebt ist hier das
Auch vor der Schule macht die Gewalt nicht halt. Austragen von Zeitungen. Andere Schüler haben
Immer öfter werden Konflikte nicht mehr nur mit keinen eigenen Verdienst. Sie bekommen aber etwas
Worten gelöst. So passiert es dann schnell, daß Taschengeld von den Eltern. Damit kaufen sie sich
Schüler schlagen und geschlagen werden. Besonders unter anderem Zeitschriften, CDs5, Kleidung oder
bei Schülern unter 14 Jahren ist die Bereitschaft zur Unterhaltungselektronik. Hier ist der Walkman 6
Gewalt in den letzen Jahren sehr gestiegen. Oft wird besonders beliebt. Mehr als 60 Prozent aller Kinder
sogar noch weiter geschlagen und getreten, wenn das haben ein eigenes Gerät zu Hause. Aber manche
Opfer schon kampfunfähig auf dem Boden liegt. Vor Jugendliche haben auch ein eigenes Fernsehgerät,
kurzem hatte man Schüler zwischen 6 und 19 Jahren eine Stereo-Anlage, einen CD-Player oder ein
befragt. Dabei stellte man fest, daß 67 Prozent von Kofferradio.
ihnen bereits gewalttätige Auseinandersetzungen
erlebt hatten. Und jeder dritte war schon selbst
einmal Opfer. Junge Menschen werden
wieder konservativer
Daß Jugendliche zu Gewalt- und Straftätern werden,
liegt oft auch an der Familie. So hat man festgestellt, Umfragen des Bielefelder Meinungsforschungs-
daß viele gewalttätige Jugendliche zu Hause instituts EMNID ergaben, daß sich bei jungen Leuten
geschlagen wurden, demnach selbst Gewalt erdulden in Deutschland ein Wertewandel vollzieht. Leistung
mußten. Wer also selber Gewalt erlebt, wird auch eher und Selbstverantwortung sind bei vielen Jugendlichen
Gewalt ausüben. Jeder vierte Jungendliche ist schon wieder beliebter. Fragt man etwa: „Wer ist für Dein
Opfer von Gewalt geworden. An erster Stelle standen Leben verantwortlich - Du selbst oder der Staat?“
Körperverletzung, dann folgten Raub, Erpressungen1 dann meinen zwei Drittel der Erwachsenen, der Staat
und Sexualdelikte2. Aber auch die Jugendkriminalität solle für sie sorgen. Bei den Jugendlichen hat nicht
im allgemeinen nimmt zu. Die häufigsten Straftaten einmal mehr die Hälfte diese Anspruchshaltung.
von Jugendlichen sind Ladendiebstahl, Sach-
beschädigung und Körperverletzung. Tradition und Religion spielen bei jungen Menschen
heute weniger eine Rolle7 als es früher der Fall war.
Dagegen sind Werte wie Leistung, Durchsetzungs-
Urlaub in Deutschland vermögen, Freiheit und auch Pflicht vielen wichtig.
weiterhin beliebt Festzustellen ist aber auch eine größere Polarisierung8
bei jungen Menschen. Neben dem größten Teil derer,
Die Deutschen machen weiterhin gerne Urlaub im für die Leistung, berufliches Vorankommen und auch
eigenen Land. Dies ergab eine Umfrage. Aber sehr Konsum9 wichtig ist, gibt es einen anderen, allerdings
beliebt sind auch Ferien im Süden, weil man dort so kleineren Teil, der genau das Gegenteil davon lebt
gut wie sicher mit sonnigem und warmem Wetter oder für richtig hält.
rechnen kann. Beliebtestes Ausflugsziel der
Deutschen ist daher Spanien, gefolgt von Italien. Umzug nach Berlin
Danach kommen Österreich, die Türkei, Frankreich
und Griechenland. Nachdem Berlin schon seit dem 3.10.1990 Hauptstadt
der BRD ist, werden in diesem Jahr auch die Regie-
rung und der Bundestag nach Berlin umziehen. Der
Kinder geben fast 50 DM aus
Bundestag wird dann im neu gestalteten Reichstags-
Kinder zwischen 6 und 17 Jahren können durch- gebäude tagen10. Damit ist Berlin nicht nur Haupt-
schnittlich 47 Mark im Monat für sich ausgeben. Das stadt, sondern auch Regierungssitz der BRD.
Ergebnis einer Studie3 ist natürlich nicht für jedes
Kind zutreffend. Einige Kinder haben mehr Geld, viele Die Jugend schreibt wieder
andere auch weniger. Besonders ältere Schüler
verdienen sich oft etwas Geld beim „Jobben“4. Das Das Internet11 hat zu einem „Schreibboom“12 bei jun-
heißt, sie arbeiten nach der Schule ab und zu für ein gen Menschen geführt. „Früher konnte man Jugend-

26
liche nicht dazu bewegen, einmal im Jahr eine Karte herauspressen 2
das Delikt: eine illegale Handlung;
an die Tante zu schicken. Heute schreiben sie am Com- Vergehen; Straftat 3
die Studie [studi’e]: schriftliche
puter wie die Weltmeister“, so die Sprachwissen- wissenschaftliche Arbeit; Untersuchung 4
jobben
schaftlerin Prof. Eva Maria Jakobs. „Die These, daß [tschobben]: arbeiten, mal hier, mal da (aus dem engl. job =
Arbeit abgeleitetes ‘neudeutsches‘ Verb) 5die CD [tse:de:]
unsere Jugend nicht mehr schreibt und liest, stimmt
Abk. für „Compact Disk“; eine kleine Schallplatte, die mit
nicht mehr.“ einem Laserstrahl abgespielt wird 6
der Walkman
[wo:k’män] (engl.): ein kleiner tragbarer Kassettenrekorder
Lukas und Maria sind beliebt 7
etw. spielt (k)eine Rolle: etwas ist in einer Situation, für einen
Zweck, für jndn. (nicht) wichtig, hat (k)eine Bedeutung 8die
Die beliebtesten Vornamen für Neugeborene waren Polarisierung: Gegensätzlichkeit; das immer größere
im letzten Jahr bei den Jungen Lukas, Alexander, Auseinandergehen von Meinungen 9
der Konsum: das
Maximilian, Daniel. Philipp, Felix, Tim, Jan, Florian Verbrauchen von Waren 10tagen: die Mitglieder einer
und Jonas. Diese Rangliste ermittelte die Gesellschaft Organisation o.ä. halten eine wichtige und meist lange
für deutsche Sprache bei den Standesämtern13 in Sitzung, Versammlung oder einen Kongreß ab 11das Internet:
Deutschland.. Bei den Mädchen waren die die weltweite Vernetzung von Computern, durch die man
beliebtesten zehn Vornamen Maria, Julia, Anna, Zugriff auf Daten anderer Computer hat und elektronische
Sophie, Marie, Laura, Lisa, Vanessa, Sarah und Post (die „E-Mail“) versenden kann 12der Boom [bu:m]
(engl.): plötzlicher Aufschwung, plötzliche Zunahme [dieser
Katharina.
Anglizismus ist dem Originaltext entnommen worden] 13das
1
die Erpressung: durch Drohungen oder Gewalt etwas von Standesamt: die Behörde, vor der man die Ehe schließt und
jemandem fordern und bekommen; etwas aus jmdm. bei der man Geburten und Todesfälle meldet

Das Seepferdchen1 ➁
Es war einmal ein Seepferdchen, das eines Tages sei- wegs, mein Glück zu suchen“, antwortete das See-
ne sieben Taler2 nahm und in die Ferne galoppierte3, pferdchen. „Das hast du ja gut getroffen. Wenn du
sein Glück zu suchen. Es war noch gar nicht weit diese kleine Abkürzung machen willst“, sagte der
gekommen, da traf es einen Aal4, der Haifisch und zeigte auf seinen geöffneten Rachen,
zu ihm sagte: „Psst. Hallo, Kumpel5. „sparst du eine Menge Zeit.“ „Ei, vielen Dank“, sag-
Wo willst du hin?“ „Ich bin un- te das Seepferdchen und sauste in das Innere des
terwegs, mein Glück zu suchen“, Haifisches und wurde dort verschlungen.
antwortete das Seepferdchen
Die Moral12 dieser Geschichte: wenn man nicht ge-
stolz. „Da hast du’s ja gut getrof-
nau weiß, wohin man will, landet man leicht da, wo
fen“, sagte der Aal, „für vier Taler
man gar nicht hin wollte. Und wenn du auf dem
kannst du diese schnelle Flosse6 ha-
Wege bist, dein Glück zu suchen, dann laß dich nicht
ben, damit kannst du viel schneller
zu Abkürzungen überreden; sie können tödlich sein.
vorwärtskommen.“ „Ei, das ist ja pri-
ma“, sagte das Seepferdchen, bezahlte, zog nach Robert F. Mager
die Flosse an und glitt7 mit doppelter Ge- 1
das Seepferd: ein kleiner (Meeres)Fisch, dessen Kopf wie der
schwindigkeit von dannen8. Kopf eines Pferdes aussieht 2der Taler: altes, deutsches
Geldstück 3galoppieren: sehr schnell, wie ein Pferd laufen
Bald kam es zu einem Schwamm9, der es ansprach: oder reiten 4der Aal: ein (Speise)Fisch, der wie eine Schlange
„Psst. Hallo, Kumpel. Wo willst du hin?“ „Ich bin un- aussieht 5der Kumpel: guter Freund 6die Flosse: (hier)
terwegs, mein Glück zu suchen“, antwortete das See- Schuhe aus Gummi, mit denen man (unter Wasser) besser
pferdchen. „Da hast du’s ja gut getroffen“, sagte der schwimmen kann 7
gleiten: sich leicht und (scheinbar)
mühelos über eine Fläche bewegen 8 von dannen = davon
Schwamm, „für ein kleines Trinkgeld10 überlasse ich 9
der Schwamm: ein Lebewesen mit einem elastischen Körper
dir dieses Boot mit Düsenantrieb; damit könntest du mit vielen kleinen Öffnungen, das im Meer lebt und an einer
viel schneller reisen.“ - Da kaufte das Seepferdchen Stelle festgewachsen ist 10das Trinkgeld: eine relativ kleine
das Boot mit seinem letzten Geld und sauste mit fünf- (Geld)Summe, die man z. B. einem Kellner oder einem
facher Geschwindigkeit durch das Meer. Taxifahrer zusätzlich gibt 11der Haifisch: ein großer, grauer
Fisch, der bes. in warmen Meeren vorkommt, mehrere Reihen
Bald traf es einen Haifisch11, der zu ihm sagte: „Psst. von scharfen Zähnen hat und manchmal Menschen angreift
Hallo, Kumpel. Wo willst du hin?“ „Ich bin unter-
12
die Moral: (hier) etwas, das man aus einer Geschchte lernen
kann
27
Jugend
ndssprache – „e
Jugend ch
chtt vvooll ab
„ech ge
abgefah
fahrren“
gefah ➁

Sprache unterliegt einem ständigen Wandel. Wör- te dieses Wort ein Schüler unserer Schule. Ich den-
ter verändern sich, gewinnen neue Bedeutungen.... ke nicht, daß es dort heute noch einer kennt. Es
Die sogenannte ‚Jugendsprache‘ erlebt dies in gro- war ‚unser’ Wort, ohne Bedeutung für andere. Auf
ßer Geschwindigkeit. diese Weise entstehen auch regionale Unterschiede.
Wörter, die in den 50er-60er Jahren in der Alltags- Ein entscheidender Erfinder und Verbreiter dieser
sprache mit einer eindeutigen Bedeutung gespro- Sprache ist das Fernsehen. Insbesondere sind es
chen wurden, bedeuten heute – für die Jugend – Jugendsendungen, die bewußt in Jugendsprache
oft etwas völlig anderes. moderiert4 werden. Nicht alle der dort neu einge-
brachten Wörter werden zum Bestandteil der
Wer aber sind ‚die Jugendlichen‘? Wer bestimmt,
Jugendsprache, viele verschwinden nach einiger
welche Wörter „in“1 sind, welche eine neue Bedeu-
Zeit wieder. Ein Beispiel hierfür ist das Wort
tung bekommen? Warum sprechen Jugendliche
„spacig“ (von space - Weltraum). Dieses Wort war
eine andere Sprache als Erwachsene? Hören Ju-
vor ca. zwei Jahren „in“. Heute wird es weder in
gendliche auch wieder auf, Jugendsprache zu spre-
der Jugendsprache noch in der ‚regulären’ Sprache
chen, wenn sie erwachsen werden?
gesprochen.
Ich möchte mit diesem Artikel versuchen, auf die-
Viele Wörter der Jugendsprache kommen aus dem
se Fragen eine Antwort zu geben. Gleichzeitig
Englischen bzw. dem Amerikanischen. Das bekann-
möchte ich Wörter aus der aktuellen Jugend-
teste Beispiel hierfür ist das Wort „cool5“. Die ei-
sprache vorstellen, auch auf die Gefahr hin, daß
gentliche Bedeutung im Englischen ist „kühl“. In
sie im Sommer bereits nicht mehr aktuell sind oder
der Jugendsprache wird es benutzt, um einen schö-
schon wieder eine veränderte Bedeutung haben. nen, tollen, guten Sachverhalt zu beschreiben. So
ist ein Schwimmbadbesuch nicht schön oder gut
Regionale Unterschiede gewesen, sondern „cool“. Dieses Wort ist schon seit
über zehn Jahren Bestandteil der Jugendsprache
‚Die Jugendlichen‘ sind zwischen 13 und 25 Jahre
und wird auch in der regulären Sprache immer
alt. Das hohe Alter erklärt sich durch die ‚Verlän-
häufiger benutzt. Es wird in ähnlicher Weise auch
gerung der Jugendzeit durch das Studium‘.
auf Menschen angwendet. Man sagt: „Er / Sie ist
Allerdings spricht auch diese Gruppe keinen wirk- ein cooler Typ.“
lich gemeinsamen Slang2. Unterschiede ergeben
sich zudem auf regionaler Ebene. So sprechen Ju- Ein Mittel der Abgrenzung
gendliche in Bayern anders als Jugendliche in Nord-
rhein Westfalen. Die Antwort auf die Frage, warum Jugendliche eine
andere Sprache sprechen als Erwachsene, liegt auf
Daraus ergibt sich die Frage, wer bestimmt, welche der Hand. Gerade in der Zeit der Pubertät ist es für
Worte in die Jugendsprache aufgenommen werden. Jugendliche wichtig, sich von Erwachsenen, ins-
Zu dieser Frage gibt es mehrere Antworten: besondere ihren Eltern, abzugrenzen. Eine Mög-
lichkeit, dies zu tun, besteht darin, eine ‚andere’
Jugendsprache wird ‚gemacht‘. Sprache zu sprechen.
Genau wie Mode gemacht wird, wird auch Jugend- Die Frage, ob Jugendliche irgendwann aufhören,
sprache gemacht. Jugendsprache entwickelt sich Jugendsprache zu sprechen, ist schwierig zu be-
durch Wortschöpfungen einzelner Jugendlicher. So antworten. Mit dem Ende der Pubertät6 verliert der
war z. B. zu meiner Gymnasialzeit das Wort „Brazz“ Wunsch, sich durch Sprache abzugrenzen, an Be-
„in“3. Dieses Wort hatte viele Bedeutungen. Man deutung, aber bestimmte Wörter sind so ein Teil
konnte damit extreme Ereignisse, Menschen, Emp- des Sprachschatzes geworden, daß sie fortbeste-
findungen oder Dinge beschreiben. Erfunden hat- hen und mit der Zeit zum Bestand der regulären
28
Sprache werden. Ein Beispiel hierfür ist das Wort den Ball flachhalten ruhig bleiben,
„Chaot7“. Dieses Wort beschreibt einen unorgani- eine Situation im Griff haben, etwas nicht
sierten Menschen. Es stammt aus der Jugend- überbewerten
sprache meiner Eltern, ist aber heute in der regu- sauber normal, in
lären Sprache fest verankert. Ordnung, z.B.: Der Typ ist nicht mehr ganz sauber.
Wörter aus der aktuellen Jugendsprache und ihre Be- verticken verkaufen,
deutung: z.B.: Ich hab‘ meine CD’s vertickt.
total sehr ziehen nehmen, (klauen)
z.B.: Wo hast du dir das denn gezogen?
abgefahren sehr gut, schön,
z.B.: Die Hose ist total abgefahren. Wie schon gesagt, ist dies nur eine kleine Auswahl
geil sehr gut, schön, der in der heutigen Jugendsprache benutzen Wör-
z.B.: geile Schuhe ter. Für viele Deutschlernende sind sie sicherlich
zuerst schwer zu verstehen. Da ist es schon wich-
voll ganz
tiger, zunächst einmal die „normale“ deutsche
daneben schlecht, falsch, Sprache zu lernen. Wer diese gut kann und noch
doof, z.B.: Die Frau ist voll daneben. „Bock hat11“, kann sich dann gerne auch noch
Lack in Ordnung, Wörter der Jugendsprache „reinziehen12“.
z.B.: Bei dir ist alles im Lack. Alexandra Ziegler
ultra- sehr, 1
in: aktuell, modern; Ggs. „out“ [aut’] 2
der Slang:
z.B.: Etwas / Jemand ist ultracool. [slän’(g)] sehr saloppe Form der gesprochenen Sprache
cool schön, toll, gut 3
in: (engl.) aktuell, modern 4 moderieren: im Rundfunk
oder Fernsehen als Sprecher (Moderator) eine Sendung
chatten8 reden, plaudern gestalten, indem man informiert, unterhält und Kom-
(kommt aus dem Internet) mentare gibt 5[ku:hl] 6die Pubertät: die Zeit, in der sich
labern reden9, der Körper des Menschen von dem eines Kindes zu dem
z.B.: Mit euch kann man gut labern. eines Erwachsenen verändert 7[kao:t] 8[tschätt(e)n] 9
bedeutet auch: sinn- und ziellos schwätzen 10[gräit]
great10 großartig, wird 11
Bock haben: (jgspr.) Lust, Freude haben 12etw. rein-
oft als Lob verwandt, z.B.: Das war echt great. ziehen: (jgspr.) etw. lernen

Herzlichen Glückwunsch!
Vielen Dank allen Lesern, die an unserem Jubiläumskreuzworträtsel Russland; Elena Dralina, Pensa, Russland; Katalin Székóné Tóth, Bu-
teilgenommen hatten. 489 Einsender hatten die Lösungsworte “Herz- dapest, Ungarn; V. Marmakova, Kozul, Russland
lichen Glü(ue)ckwunsch” herausgefunden. Diese Beteiligung hat alle
11. - 40. Preis (Taschenbuch): Ilnur Sibgatullin, Fergana, Usbeki-
unsere Erwartungen übertroffen. Es freut uns sehr, daß Ihnen das
stan; Swetlana Swetlakowa, Swetlopoljansk, Russland; Svetlana
Rätsel so viel Freude gemacht hat.
Borsisova, Riga, Lettland; Marina Nikuljonkova, Saransk, Russland;
Leider können wir nicht allen Einsendern einen Preis geben, auch Peter Vasylega, Sumy, Ukraine; Meri Tschintscharauli, Vladikavkas,
wenn wir es gerne getan hätten. Wir haben aber noch einmal zehn Russland; Andreij Serikov, Tomsk, Russland; Katja Fedorova, Sankt-
Taschenbücher als Gewinn dazugetan, so daß es jetzt insgesamt 40 Petersbur, Russland; Szilvia Gal, Furta, Ungarn; Natali Tcheika,
Gewinne gibt. Konstantinowka, Ukraine; Irena Frys, Lviv, Ukraine; S. Fedorov, Minsk,
Belarus; Irene Mingatina, Makejewka, Ukraine; Bela Rugan,
Folgende Personen haben wir aus den richtigen Einsendungen als Mikepércs, Ungarn; Marina Sassedatelewa, Tscheljabinsk, Russland;
Gewinner gezogen: Dalia Pestininkaite, Marijampole, Litauen; Dina Masur, Kiew, Ukrai-
ne; Dalia Pliatkute, Baisogala, Litauen; Katja Motina, Penza,
1. Preis (Bildatlas Deutschland): Larissa Klischina, Fastow, Russland
Russland; Dzintra Meldere, Sigulda, Lettland; Baiba Strausa, Riga,
2. + 3. Preis (Grammatik Deutsch): Liudvika Urbonaviciute, Siauliai, Lettland; Marina Alekseenko, Rostov-am-Don, Russland; Ljudmila
Litauen; Agne Bitinaityte, Vilnius, Litauen Duncalf, Isle of Man, Großbritannien; Agnese Bergholde, Münster,
Deutschland; A. Schaschkow, Nowopolotsk, Belarus; Vera Andersch
4. - 10. Preis (Abraham, elementar erzählt): T.V. Sundukova, Poltava, Ukraine; Elvira Dervele, Ludza, Lettland; Olga Kuzmina,
Moskovskaja obl., Russland; Elena Kotzeva, Dimitovgrad, Bulgarien; Ruzaevka, Russland; Oxana Kamyschanskaja, Debalzewo, Ukraine;
Galija Luskeviciute, Juodsiliai, Litauen; Rida Kabirowa, Ismailowo, Marina Sidorenko, Nitschin, Ukraine

29
Die bunte Seite
Das folgende Kreuzworträtsel möchte wieder einmal Ihr Wissen testen. Leider ließ es sich aber aus technischen Gründen nicht
vermeiden, daß einige der Wörter auch schon bei unserem Jubiläumskreuzworträtsel gesucht wurden. Also nicht nachschau-
en. Wissen Sie (noch) alles?
1 2 3 4 5 WAAGERECHT SENKRECHT
6 7 3 Einfall 1 nicht kalt
8 9 10 11 12 5 geschlossen 2 nicht mager
6 ("blauer") Planet 3 darin
13 14 15
8 Farbe 4 Schluß
16 17 18 19 10 Mann von Eva 5 zu dem (Abk.)
20 21 13 Gleichklang im Vers 7 Abk. Ostdeutschlands
15 ungebraucht vor der Wiedervereinigung
22 23 24
17 Hühnerprodukt 9 Hauptstadt Österreichs
25 26 27 28 29 18 Bindewort (Konjunktion) 10 Radio- oder Fernseh-
30 31 32 33 20 Philosoph sprecher
21 Wort des Widerspruchs 11 Sinnesorgan
34
22 getrocknetes Gras 12 Abk. für Bundesrepublik
35 36 37 38 39 24 Zeitabschnitt Deutschland
40 41 42 25 Mutter (Kosename) 14 Tagesabschnitt
43 44 45 46
27 Lebensbund 16 nicht weit
29 in der Nähe von 19 Eierteigware
47 48 49
(Präposition) 23 Fluß, der durch
50 51 52 30 Farbe Hamburg fließt
53 54 55 31 fertig gekocht 25 Monatsname
33 Stacheltier 26 Wehlaut
56 57
34 Märchenwesen 28 Laubbaum
58 36 unbrauchbares Schiff 29 Hauptstadt der Schweiz
39 bloß, lediglich 32 Alphabet
Zwei Mädchen schleichen am spä- 40 deutsche Anrede 35 nicht selten
41 Blutgefäß 36 deutscher Opernkompo-
ten Abend von einer Party nach
43 Dichter nist (Ring der Nibelungen)
Hause. „Meine Mutter wird vor
45 Bitte oder Dank an Gott 37 Insel in der Ostsee
Wut kochen!“ sagt die eine. Erwi- 38 Der gestiefelte ...
46 unversehrt, unverletzt
dert die andere: „Du hast es gut! Ich bekomme um diese 47 schmal, begrenzt 42 längster Fluß der BRD
Uhrzeit nichts Warmes mehr zum Essen ...“ 48 Wasservogel 44 deutscher König/Kaiser
Tante Rosi ist zu Besuch. Der kleine Neffe fragt: „Tante Rosi, 50 kleines Gewässer im 10. Jh. (Heiliges
woher nimmst du eigentlich den ganzen Senf?“ - „Von 51 Hast Römisches Reich Deutscher
welchem Senf redest du denn, mein Junge?“ - „Na, Papa 53 Fest der Auferstehung Jesu Nation)
55 unbestimmter Artikel 47 kleines Lasttier
hat doch gesagt, du würdest einfach zu allem deinen Senf
56 Monatsname 49 Stück vom Ganzen
dazugeben!“ 52 ungefähr, annähernd
57 bekannte deutsche
Am Frühstückstisch. Der Sohn sagt zur Mutter: „Ein Bröt- Automarke 54 persönliches Fürwort
chen!“ Erwidert die Mutter: „Zuerst das Zauberwort mit 58 ungebunden ö=oe; ü=ue 55 gefrorenes Wasser
zwei ,t‘.“ - „Aber flott!“
Der Klassenlehrer läßt die Mutter eines Schülers zu sich
kommen und beschwert sich: „Also, Frau Bayer, wenn Mäx-
G UND
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Rätselauflösung:

chen von seinem Banknachbarn abschreibt, drücke ich ja


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schon meistens beide Augen zu, aber daß er ihn jetzt auch
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noch verprügelt, weil die Aufgaben falsch sind, das geht


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dann nun doch zu weit!“


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In der Drogerie. „Guten Tag, ich hätte gern hundert Mot-


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tenkugeln.“ - „Haben Sie nicht schon gestern 100 Stück


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gekauft?“ - „Na und? Treffen Sie etwa mit jedem Wurf?“


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F E

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T
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A

30
Leser schreiben Lesern
Liebe Leser, hier ist wieder unsere Briefkontaktecke mit einem Teil der uns vorliegenden Adressen.
Wir würden uns sehr freuen, wenn noch viele unserer Leser dadurch einen neuen Brieffreund oder
eine neue Brieffreundin finden. Viel Spaß beim Schreiben!
Inese Skujina Boda Julika Airida Mitkute Erik Resanov
Liela iela 43 - 7 4700 Zalau, jud. Salaj Zalioji 5 Lielais pr. 26 - 25
LV-3100 Tukums str. Porolissum, Bl.P.84, Ap. 5. 5684 Ylakiai, Skuodo raj. LV-3600 Ventspils
Lettland Rumänien Litauen Lettland
22 J.; H: Deutsch, Lesen, 19 J; liebt die Natur 18 J.; H: Reisen, Deutsch, Tanzen, 47 J; H: Musik, Fremdsprachen, Auto
Fotografieren, Reisen, Gedichte und Sonata Partikaite Sport Ljubow Tschernowa
Briefe schreiben Gedimino g. 27 - 28 Olga Polujanenkowa Uljanowskaja obl.
Liga Sagune Jurbakas 4430 Outokumpu 7 - 26 ul. Osipenko, 7 - 8
Stacijas iela 21 - 9 Litauen EE2020 Kohtla-Järve 433510 Dimitrowgrad
LV-4201 Valmiera 17 J: H: Musik, Brieffreunde, Disco Estland Russland
Lettland Janusz Podzorski 18 J; H: Basketball; Musik; 21 J; Deutschlehrerin; H: Literatur,
Laura Pawarotnikaite ul. 1 Maja 16/1 Schwimmen, Reisen Sprachen, Tanzen, Lesen
Agirdo 11 - 21 43 - 440 Goleszów, woj: Bielskie Maria Antajewa Friends’ School Kamusinga
5670 Skuodas Polen REA 12 c/o David Mwangale Musungu
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Die Erfüllung eines Wunsches zieht immer
einen neuen Wunsch nach sich.
Michael Ende

Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland


Herr von Ribbeck1 auf Ribbeck im Havelland2, Als um eine Birn ins Grab er bat,
Ein Birnbaum in seinem Garten stand, Und im dritten Jahr aus dem stillen Haus
Und kam die goldene Herbsteszeit Ein Birnbaumsprößling12 sproßt heraus.
Und die Birnen leuchteten weit und breit,
Und die Jahre gehen wohl auf und ab,
Da stopfte, wenn’s Mittag vom Turme scholl3,
Längst wölbt13 sich ein Birnbaum über dem Grab,
Der von Ribbeck sich beide Taschen voll,
Und in der goldenen Herbsteszeit
Und kam in Pantinen4 ein Junge daher,
Leuchtet’s wieder weit und breit.
So rief er: „Junge, wiste ‘ne Beer5?“
Und kommt ein Jung übern Kirchhof her,
Und kam ein Mädel, so rief er: „Lütt Dirn,
So flüstert’s im Baume: „Wiste ‘ne Beer?“
Kumm man röwer, ick hebb ‘ne Birn6.“
Und kommt ein Mädel, so flüstert’s: „Lütt Dirn,
So ging es viele Jahre, bis lobesam7 Kumm man röwer, ick gew di ‘ne Birn.14“
Der von Ribbeck auf Ribbeck zu sterben kam.
So spendet Segen noch immer die Hand
Er fühlte sein Ende, ‘s war Herbsteszeit,
Des von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland.
Wieder lachten die Birnen weit und breit;
Da sagte von Ribbeck: „Ich scheide nun ab8. Theodor Fontane (Schriftsteller, * 30. 12. 1819 in
Legt mir eine Birne mit ins Grab!“ Neuruppin, † 20. 9. 1898 in Berlin)
Und drei Tage drauf, aus dem Doppeldachhaus8b 1
Ribbeck: Ort westlich von Berlin [von .. auf ..: Adelstitel]
Trugen von Ribbeck sie hinaus. 2
das Havelland: Landschaft in Brandenburg; wird vom Fluß
Alle Bauern und Büdner9 mit Feiergesicht9b Havel (Nebenfluß der Elbe) durchflossen 3schallen: so laut
Sangen „Jesus meine Zuversicht“, klingen, daß man es von weitem hören kann; gemeint sind
Und die Kinder klagten, das Herze schwer: hier die Glocken 4die Pantine: (nordd.) ein Schuh (mit einer
Sohle) aus Holz 5Willst du eine Birne? 6Liebes Mädchen,
„He is dod nu. Wer giwt uns nu ‘ne Beer?10“ komm mal rüber, ich habe eine Birne. 7lobesam: (veraltet)
verdienstvoll 8abscheiden: sterben 8b das Doppeldachhaus:
So klagten die Kinder. Das war nicht recht, Bauernhaus, in dem sich Wohnteil und Wirtschaftsteil unter
Ach, sie kannten den alten Ribbeck schlecht; einem Dach befinden 9der Büdner: (landsch.) Besitzer eines
Der neue freilich, der knausert11 und spart, kleinen bäuerlichen Anwesens 9bdas Feiergesicht: der feierli-
Hält Park und Birnbaum strenge verwahrt. chen Situation angepaßtes Gesicht 10Er ist nun tot. Wer gibt
Aber der alte, vorahnend schon uns nun eine Birne? 11knausern: übertrieben sparsam, klein-
lich sein 12der Sprößling: (veraltet) Sproß; (junger) Trieb
Und voll Mißtrauen gegen den eigenen Sohn, einer Pflanze; Nachkomme 13wölben: in der Form eines Bo-
Der wußte genau, was damals er tat, gens über etwas stehen 14ich gebe dir eine Birne

Der W
Weeg zum Ziel - Eine Zeitsc hrift für Deutsc
Zeitschrift hlernende
Deutschlernende
Ausgabe Nr. 27 (Juni - Oktober 1999) Erscheinungsweise: dreimal jährlich
Redaktion: Volker Schmidt Bezug: kostenlos
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