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Ingeborg Schüßler/ Rolf Arnold

Erwachsenendidaktik – theoretische Zugänge,


Handlungsstrategien und neuere Entwicklungen1

Einleitung
Die Didaktik ist die Wissenschaft vom lernwirksamen und kompetenzbildenden Lehren bzw.
Unterrichten. Wortgeschichtlich stammt der Begriff vom griechischen Verb >didaskein< ab,
das einmal aktiv mit lehren, unterrichten, passiv mit lernen, belehrt werden, unterrichtet wer-
den und medial mit aus sich selbst lernen, ersinnen, sich aneignen übersetzt werden kann.
Hier wird ersichtlich, dass sich die Didaktik bereits in der Antike auf das Lehren und auf das
Lernen gleichermaßen bezieht. Didaktische Konzeptionen beschreiben deshalb die Wechsel-
wirkung von Lehren und Lernen im unterrichtlichen Interaktionsprozess. Didaktik dient der
Aufklärung und Verbesserung des pädagogischen Handelns, einerseits durch Analyse der Un-
terrichtswirklichkeit (dies geschieht im nachhinein und wird als Deskription bezeichnet) und
andererseits durch Planung von besserem Unterricht (was als Präskription benannt wird, da
sie im voraus geschieht).
In den folgenden Kapiteln ist von Erwachsenendidaktik (Tietgens 1992) die Rede und nicht
etwa von Erwachsenenbildungsdidaktik. Mit dem Begriff der Erwachsenendidaktik wird dar-
auf verwiesen, dass Erwachsene keinesfalls nur in organisierten Bildungsveranstaltungen ler-
nen. Vielmehr ist das ganze Leben – und somit selbstverständlich auch das Erwachsenenleben
– eine lernende Auseinandersetzung mit der eigenen Umwelt und sich selbst. Und für das Er-
wachsenenlernen gilt ebenso wie für jedes andere Lernen: Je „eingebetteter“ dieses in die Le-
bens- und Arbeitssituation ist, desto wirksamer und nachhaltiger ist es.
Im folgenden werden didaktische Modelle und Theorien (Kapitel 1) sowie Ziele und Strate-
gien erwachsenendidaktischen Handelns (Kapitel 2) näher erläutert, wobei vor allem neueren
Entwicklungen zum selbstgesteuerten und lebenslangen Lernen Rechnung getragen werden
soll. Aus diesem Grunde ist es auch sinnvoll und notwendig, den didaktischen Blick auf das
Erwachsenenlernen nicht nur in institutionalisierten, sondern auch nicht-institutionalisierten
Lernformen zu richten, weshalb am Ende auch einige neure Entwicklungen in diesem Bereich
aufgezeigt werden (Kapitel 3).
Damit ist bereits der Leitgedanke einer Erwachsenendidaktik deutlich umrissen. Es geht heute
weniger um „Lehren“, i.S. von „Be-Lehren“ als vielmehr um die Schaffung und Nutzung von
Lernmöglichkeiten für das selbstgesteuerte und selbstorganisierte Lernen von erwachsenen
Lernenden. In diesem Sinne plädiert Erhard Meueler für eine Erwachsenendidaktik, die sich
„intensiv um die Realisierung von subjektiven Lernwünschen der Betroffenen und darum
kümmert, welche Bedeutung der Sache von den angesprochenen Subjekten zugesprochen o-
der aberkannt wird (Meueler 2001, S. 11). Deshalb lässt sich für eine subjektorientierte Er-
wachsenendidaktik auch ein Primat der Bedingungs- vor den Entscheidungsfaktoren fordern
bzw. um im Sprachgebrauch der lerntheoretischen Didaktik zu bleiben, ließe sich auch von
„Mit-Entscheidungsfaktoren“ sprechen. Eine solche subjektorientierte Erwachsenendidaktik
folgt notwendig dem Prinzip einer situativen bzw. rollenden Unterrichtsplanung (Kapitel 2.1),
d.h. sie fragt nach den „mitgebrachten“ Lernprojekten, Lernstrategien, Anwendung- und
Transfersituation der Lernenden und ist situationssensibel für die im Hier und Jetzt der Lern-

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Erschienen in: Grundlagen der Weiterbildung – Praxishilfen. Loseblattsammlung. Ergänzungslieferung 45. De-
zember 2001

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situation sich ergebenden kognitiven und emotionalen Anschlussmöglichkeiten oder Lernwi-
derstände.
1 Erwachsenendidaktische Modelle und Theorien

1.1 Didaktische Modelle


Die in der Schulpädagogik entwickelten didaktischen Modelle gehen von einem unterschied-
lichen „weiten“ Didaktikbegriff aus und bestimmen auch das Verhältnis zwischen Didaktik
und Methodik in einer jeweils spezifischen Art und Weise, weshalb sie als Ausgangspunkt
kurz skizziert werden.
Während die der geisteswissenschaftlichen Pädagogik entstammenden bildungstheoretischen
Didaktikansätze „Didaktik“ in engerem Sinne als eine Theorie der Bildungsinhalte definieren
und sich demzufolge auf die Bestimmung und Legitimation des „Was?“ konzentrieren (z.B.
Klafki), gehen z.B. die der stärker analytisch orientierten Pädagogik nahe stehenden Konzep-
tionen der lehr-lerntheoretischen Didaktik (Heimann, Otto und Schulz) in ihrem Strukturmo-
dell des Lehr-Lern-Prozesses von einem weiten Didaktikbegriff aus. In diesem Strukturmodell
firmiert der Inhalt „gleichberechtigt“ neben den anderen didaktischen „Entscheidungsfakto-
ren“, wie Ziele, Methoden und Medien (so genannt, weil über sie „entschieden“ werden
kann), wobei der Didaktik in diesem Strukturmodell die Funktion zukommt, das Zusammen-
wirken dieser prinzipiell „entscheidbaren“ Faktoren zu analysieren, zu beschreiben und in
Abhängigkeit zu den Bedingungsfaktoren (die Lernbedingungen sowie Lernvoraussetzungen
der Lernenden) zu konzipieren (vgl. Jank/ Meyer 1991).

Abb.1: Strukturmodell des Unterrichts der lehr-lerntheoretischen Didaktik (Jank/ Meyer 1991, S. 199)

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Während im bildungstheoretischen Didaktikverständnis die „Methode“ als „Weg“ (griech.
methodos = der Weg) zu den Bildungsinhalten eine weitgehende untergeordnete, dienende
Funktion erfüllt, steht die Methode in dem lerntheoretischen Didaktikmodell in einer Wech-
selbeziehung („Interdependenz“) mit den anderen didaktischen Faktoren, und es ist auch ein
methodenorientierter Lernprozess denkbar, in dem es nicht um die Aneignung von inhaltli-
chem Wissen, sondern um die Aneignung methodischer Kompetenzen (z.B. Lern-, Erschlie-
ßungs-, Problemlösungskompetenz) geht. Gerade im Zusammenhang mit der Forderung nach
der Entwicklung von Schlüsselqualifikationen sind Konzeptionen einer stärker methodenori-
entierten Erwachsenendidaktik (vgl. Kapitel 3.2) in den Vordergrund getreten.
Die von der bildungstheoretischen Didaktik in der „didaktischen Analyse“ entwickelten Leit-
fragen an den Gegenstand, mit deren Hilfe geprüft und entschieden werden kann, ob ein In-
halt „es wert ist“ im Lernprozess einer bestimmten Teilnehmergruppe eine Rolle zu spielen,
sind auch für die Erwachsenenbildung von Belang, wie z.B. die Folgenden (Abb. 2):

Checkliste zur didaktischen Analyse

1. Welche Ziele sollen erreicht werden? Welche kategorialen Einsichten, Fähigkeiten oder
Fertigkeiten sind zu erwerben und welche ausgewählten Gegenstände/Inhalte sind hierfür
von exemplarischer Bedeutung?
2. Worin liegt ihr Bildungsgehalt? Welche grundlegenden (kategorialen) Einsichten, Prinzi-
pien, Gesetzmäßigkeiten lassen sich in der Auseinandersetzung mit den Gegenständen er-
arbeiten?
3. Welchen Bezug weist der Gegenstand zur gegenwärtigen Lebenswelt und den Erfahrun-
gen der Adressaten auf und worin liegt ihr Transfergehalt, d.h. in welchen späteren (be-
ruflichen und privaten) Situationen lassen sich die zu gewinnenden Elementaria und Fun-
damentalia transferieren?
4. Welche (auch außerfachlichen) Methoden, Fähigkeiten und Fertigkeiten lassen sich am
Lerninhalt erwerben und welche bereits verfügbaren Kenntnisse, Methoden, Fähigkeiten
und Fertigkeiten lassen sich an ihm üben, anwenden, transferieren?
5. Wie lässt sich der Inhalt und seine Elemente im Hinblick auf die Verständnisfähigkeit
und die Motivierung der Adressaten strukturieren?

Abb. 2: Schlüsselfragen zur didaktischen Analyse (nach Arnold 1990, S. 54, Klafki 1969, S. 15ff.)

Entsprechende Überlegungen haben ihren Niederschlag in den für die Erwachsenendidaktik


maßgeblichen didaktischen Prinzipien der Teilnehmerorientierung, der Erfahrungsorientie-
rung und des Lebensweltbezuges sowie der Exemplarik gefunden. Mit Hilfe dieser didakti-
schen Prinzipien hat die Erwachsenendidaktik Kriterien definiert, die es auch ermöglichen,
dem bildungstheoretischen Anliegen der Inhaltslegitimation gerecht zu werden und die Fra-
gen zu klären, welche Bedeutung ein Lerngegenstand bereits jetzt im Leben der Lernenden
spielt (Erfahrungsorientierung), welchen er für die Zukunft der Lernenden spielt (Lebenswelt-
bezug) und welche Bedeutung ihm für das Verständnis anderer bzw. weiterführender Inhalts-
bereiche zukommt (Exemplarik). In dem didaktischen Leitprinzip der Teilnehmerorientierung
ist dabei der Anspruch der Erwachsenendidaktik verdichtet, dass Bildung Erwachsener nur
gelingen kann, wenn die Teilnehmenden tatsächlich ein Korrektiv des Geplanten im Lernpro-
zess sind, weil Partizipationsmöglichkeiten gegeben sind, ihre subjektiven und soziobio-
graphischen Bedingungen im Lernprozess berücksichtigt werden (Identitätsbezug), sie im

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Hinblick auf Kompetenz und Autonomie „ernst genommen“ werden (Abbau des überflüssi-
gen pädagogischen Gefälles) und in der Lernsituation aktiv sein „dürfen“ (Aktivität). Diese
didaktischen Aspekte kennzeichnen ein erwachsenengemäßes Lernen, dessen Kriterien in der
folgenden Übersicht zusammenfassend dargestellt werden (vgl. Abb. 3).

10 aus 5 – Raster zum „erwachsenengemäßen Lernen“

Didaktische Selbstwahl 1. Lernziele/ -inhalte/ -themen können (mit-)bestimmt werden


2. Eigene Lernprojekte können eingebracht und weiter bearbeitet werden

Didaktische Selbstorgani- 3. Lernorganisation ist zeit- und methodenflexibel, lässt mehrere Lernwege
sation offen
4. Es werden gezielt Lerner-, Aktivitäts- und Selbsterschließungsmethoden
eingesetzt
Kommunikatives und er- 5. Es wird gezielt/ möglichst an Lebenssituation und/ oder Berufserfahrun-
fahrungsoffenes Lernen gen angeknüpft
6. Die soziale und kommunikative Ebene des Lernprozesses wird absichts-
voll gefördert
Fachlich-inhaltliche Be- 7. Inhaltsauswahl ist curricular, didaktisch bzw. bildungstheoretisch be-
gründung gründet
8. Angebotene Lerninhalte werden „fassbar“ reduziert
Außerfachliche Begrün- 9. angebotene Lerninhalte können selbsttätig erschlossen werden (Aktivi-
dung tätsthese)
10. Handlungsbezogene Problemstellung sind explizit Thema“

Abb. 3: Didaktische Aspekte und Kriterien erwachsenengemäßen Lernens (Arnold 1996, S. 199)

Eine besondere Variante der Inhaltslegitimation liefert die curriculare Didaktik, die auch in
der Erwachsenenbildung, insbesondere in der beruflichen Weiterbildung eine gewisse Bedeu-
tung erlangt hat. Sie erhebt das didaktische Prinzip der Verwendungsorientierung (bisweilen
auch „Praxisbezug“ oder „Bedarfsorientierung“) zum erwachsenendidaktischen Leitprinzip
und „misst“ die Inhalte an ihrem prospektiven Beitrag zur „Bewältigung späterer Lebenssitua-
tionen“ (vgl. Robinsohn 1969). Das Problem der curricularen Didaktik ist allerdings die Prog-
nostizierbarkeit relevanter Lerninhalte. Sie nimmt gerade in Zeiten rasanter Veralterungsraten
im Bereich berufsrelevanten Fachwissens dramatisch ab. Es gab und gibt deshalb in der Be-
rufsbildung immer wieder Stimmen, die die Auffassung vertreten, dass die beste Form der
Bedarfsorientierung die „Nichtorientierung an einem Bedarf“ sei. Gleichzeitig wird das me-
thodenorientierte Lernen erwachsenendidaktisch aufgewertet, wobei davon ausgegangen wird,
dass Erwachsenenlernen, insbesondere im Hinblick auf den sich rasant verändernden berufli-
chen Bereich, Fachwissen (know-how) nicht mehr zeitgerecht vermitteln kann, sondern sich
vielmehr auf die Vermittlung methodischer und reflexiver Kompetenzen (know-how-to-
know) konzentrieren solle (vgl. Abb. 4). Berufsorientiertes Erwachsenenlernen erhält so die
Funktion, Erwachsene auf die Selbstanpassung an den Wandel vorzubereiten.

1.2 Das didaktische Koordinatensystem


In dem Spannungsverhältnis von Bildungs-, Identitäts-, Qualifikations- und Selbstlernen hat
Horst Siebert (1996, S. 73ff.) einen Vorschlag zur Systematisierung vorgelegt, der es erlaubt,
didaktische Designs im Hinblick auf ihre Zielsetzungen hin zu analysieren. Im Unterschied

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zur Schulpädagogik taucht die lehr-lerntheoretische Didaktik hier nicht mehr auf, wohl auch,
weil sie eher ein zeitloses Strukturmodell schulischen Unterrichts liefert und nicht die Spezi-
fika des Erwachsenenlernens berücksichtigt. Neben bildungs- und curriculumtheoretischer
Didaktik tritt zum einen die identitätstheoretische Didaktik. Sie verweist auf die Bedeutung
identitätsrelevanter Bildungsangebote, die im Bereich der Selbstverwirklichung, -sicherheit, -
hilfe, -erfahrung sowie des Selbstmanagement angesiedelt sind und vorrangig dem Bedürfnis
nach kommunikativem Austausch und biographischer Selbstvergewisserung Rechnung tra-
gen. Zum anderen weist Siebert auf die zunehmende Bedeutung selbstorganisierter Lernpro-
zesse und kultureller Aktivitäten hin, in denen Bildungsangebote zwischen Kulturarbeit und
Gemeinwesenarbeit angesiedelt sind, z.B. bei Bürgerinitiativen zur Verkehrsplanung. Diese
handlungs- und gruppenorientierten Anbote folgen eher einer Animationsdidaktik. Der Leh-
rende versteht sich als Arrangeur von Lernsituationen und Animateur von Lernprojekten, wo-
bei er ein non-direktives Verhalten zeigt, d.h. auf Belehrungen verzichtet und sich mit seinen
Interventionen zurück hält.
Die vier didaktischen Theorieansätze betonen dabei unterschiedliche Akzente der Bildungsar-
beit, die in der Realität ineinander überfließen. Ob eine Maßnahme stärker Qualifizierungs-
charakter trägt oder im Bereich Identitätslernen angesiedelt ist, hängt auch von der Intention
des Bildungsträgers und den Erwartungen der Teilnehmenden ab. Aus diesem Grunde eignet
sich dieses „didaktische Koordinatensystem“ (vgl. Abb. 4) weniger zur Vorbereitung und Pla-
nung von Veranstaltungen (Präskription), als vielmehr zur Analyse ihrer didaktischen Struktur
(Deskription). Gleichwohl können mit Hilfe dieser Systematisierung auch Passungsprobleme
analysiert werden, wenn sich z.B. zeigt, dass eine betriebliche Qualifizierungsmaßnahme zum
Thema Gruppenarbeit nicht den erhofften Erfolg bringt. Wenn erkannt wird, dass bei den
Teilnehmenden weniger Interesse an der inhaltlichen Darlegung von Gruppenarbeitsmodellen
und ihrer betrieblichen Umsetzung besteht, sondern die Sorge nach den Konsequenzen für ih-
ren eigenen Arbeitsplatz überwiegt, dann dürfte deutlich werden, dass das durch Qualifikati-
onslernen vermittelte Wissen, kaum von den Lernenden nachhaltig angeeignet werden wird,
wenn nicht auch entsprechendes Identitätslernens möglich wird, was Tietgens (1986, S. 31)
schlussfolgern lässt: „Dementsprechend werden Qualifikationslernen und Identitätslernen
nicht in einem Gegensatz, sondern in wechselseitiger Durchdringung gesehen.

Animationsdidaktik
(selbsterschließungs- u.
projektorientiert)

Bildungstheoretische z.B. sokratisches Ge- z.B. Selbsthilfegruppe Identitätstheoretische


Didaktik spräch Didaktik
(aufklärungsorientiert) z.B. Bildungsurlaub z.B. Yogakurs (kommunikationsorientiert)

Curriculumtheoretische
Didaktik
(qualifizierungsorientiert)

Abb.4: Didaktisches Koordinatensystem (nach Siebert 1996, S. 73)

Das didaktische Profil, das diesen unterschiedlichen didaktischen Theorien zugrunde liegt und
mit dessen Hilfe Bildungsveranstaltungen hinsichtlich ihrer Zielsetzung kritisch überprüft
werden können, lässt sich dann folgendermaßen differenzieren:

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Bildungstheorie Curriculumtheorie Identitätstheorie Animation
Menschenbild Vielseitig entwickelte Funktionale Rollen Individualisierung, Selbsttätigkeit
Persönlichkeit Sozialisationstheorie (Konstruktivismus)
Gesellschaft Demokratie Industriegesellschaft Modernitätskrisen Erlebnisgesellschaft

Richtziel Vernunft (Mündigkeit) Qualifikation Biographizität Kreativität

Lernaktivität Diskurs, Weltverstehen Training Reflexion, Erfahrung Experiment

Lehre Erschließungswissen Vorbild/ Anleitung Beobachtung II. Anregung


Ordnung
Inhalte Schlüsselprobleme Verwendungssituationen Generative Themen Soziokultur

Gefahren Einwirkungsaufklärung Utilitarismus Introvertiertheit Aktionismus

Abb. 5: Didaktische Profile (Siebert 1996, S. 93)

Jedes dieser didaktischen Theoriemodelle ist im Ansatz einer oder mehrerer wissenschafts-
theoretischen Position(en) zuzuordnen, z.B. stützt sich die bildungstheoretische Didaktik auf
die wissenschaftstheoretischen Grundlagen der Geisteswissenschaften, die curriculumtheore-
tische Didaktik auf die empirische Lernforschung. Jedes didaktische Modell geht von einem
bestimmten Theorie-Praxis-Verhältnis aus, z.B. liefert das eine unmittelbare Handlungsorien-
tierungen für Lehrer, das andere nur die theoretische Aufarbeitung und Begründung der vor-
handenen Praxis.

1.3 Erzeugungs- und Ermöglichungsdidaktik


Erwachsenendidaktik ist – wenn sie realistisch und erfolgreich pädagogisches Handeln von
Dozentinnen oder Weiterbildnern beschreiben, reflektieren und orientieren möchte – nicht als
Erzeugungsdidaktik, sondern als Ermöglichungsdidaktik zu konzipieren.
Mit dem Begriff der „Ermöglichungsdidaktik“ (Arnold 1996) wird ein Verständnis des Lehr-
Lern-Prozesses charakterisiert, das um die Konstruktivität und Eigendynamik sowie die be-
grenzte „Machbarkeit“ von Lernergebnissen weiß. Anders als erzeugungsdidaktische Konzep-
te geht die Ermöglichungsdidaktik nicht davon aus, dass durch eine möglichst exakte Lern-
zielbestimmung und eine möglichst detaillierte Lernplanung (curriculumtheoretische Didak-
tik) Lernerfolge sozusagen technokratisch gewährleistet werden können. Im Anschluss an
neuere kognitionstheoretische sowie konstruktivistische Konzepte werden die erwachsenen
Lernenden vielmehr als relativ geschlossene, selbstorganisierte Systeme verstanden, deren
Entwicklung (z.B. durch Lernen) zwar durch externe Inputs angeregt, aber nicht determiniert
werden kann (vgl. Siebert 1999). Professionelle Lehr-Lern-Arrangements können demnach
individuelle Aneignung von Neuem sowie eine Weiterentwicklung von Kognition und Kom-
petenz ermöglichen, sie können aber nicht wie bei einer Trivialmaschine bestimmte Lerner-
gebnisse erzeugen. Als nachhaltig und transformierend wird deshalb ein Erwachsenenlernen
angesehen, das die Lernenden nicht nach einem geplanten Konzept zu „belehren“ trachtet,
sondern ihnen zumindest auch die Möglichkeit gibt, aktiv, selbstorganisiert bzw. selbstgesteu-
ert, konstruktiv und situiert (auf ihre Lebenssituation bezogen) eigene Lernprozesse zu reali-
sieren. Damit in der Erwachsenenbildung eine Kultur des selbstgesteuerten Lernens „mög-
lich“ wird, ist es allerdings notwendig, dass sich die Professionals selbst von ihrer Rolle als
im Zentrum des Geschehens stehende „Macher“ lösen und bereit sind, Lerngelegenheiten zu
schaffen, in denen Erwachsene selbstgesteuert lernen, dabei ihre eigenen Lernmethoden ver-

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feinern und so ein Vertrauen in ihre eigenen Kräfte entwickeln können. Erwachsenenpädago-
gisches Personal, das solche Lernprozesse begleitet, hat mit dem Dozenten oder der Referen-
tin traditioneller Prägung nur noch wenig gemeinsam. Es ist vielmehr auf die Rolle eines
Lernarrangeurs, einer Lernberaterin sowie eines Coaches für die Lernenden verwiesen und
spielt damit die Rolle eines „Facilitators“ („Ermöglichers“) im Sinne von Carl Rogers. Eine
solche Ermöglichungsdidaktik schafft somit wesentliche Voraussetzungen für die Fähigkeit
zum lebenslangen Lernen des Einzelnen und der Gesellschaft.

Traditionelle konstruktivistische
„Erzeugungsdidaktik“ „Ermöglichungsdidaktik“
Paradigma
Mechanistisches Bild Systembild des Lernens
des Lernens
Grundsicht- • lineare Prozesse • nicht-lineare Prozesse
weise von • schwache Wechselwirkungen • starke Wechselwirkungen zwischen
Lernprozessen zwischen Lehrenden und Lernenden Lehrenden und Lernenden (sowie
(sowie zwischen den Lernenden) zwischen den Lernenden)
• programmierte Handlungsweisen • situativ-flexible Handlungsweisen
• Wissenserwerb durch • Wissenserwerb durch Selbst-
Fremdorganisation organisation
Didaktische • Erzeugungsdidaktik = Stellvertretende • Ermöglichungsdidaktik =
Folgerungen Erschließung von Bildungsinhalten Selbsterschließung von
• Planungsdenken: Unterricht = Bildungsinhalten
Realisierung und Kontrolle von • Operatives Denken: Unterricht =
geplanten Lehrschritten Realisierung und Begleitung von
• Normative Position, die zu erziehen, Lernprojekten
belehren, aufzuklären und die Vielfalt • Reflexive Position, die Individu-
der Wirklichkeitskonstruktionen zu alisierungs- und Pluralisierungs-
normieren versucht prozessen Rechnung trägt, aber die
Gültigkeit der Wirklichkeitskon-
struktionen im Dialog reflektiert und
problematisiert
Professiona- • Lehren • Lernbegleitung
lität des • Vermitteln • Aneignungsprozesse fördern
Lehrenden • Führen • Selbsttätigkeit unterstützen
Vorrangiges Vermittlung und Nachvollzug Entwicklung und Konstruktion reflexiven
Ziel geforderten Wissens Wissens

Abb. 6: Erzeugungsdidaktik versus Ermöglichungsdidaktik (vgl. Arnold/ Schüßler 1998, S. 120ff., Schüßler
2000, S. 170)

Die vorgestellte Unterscheidung zwischen Erzeugungs- und Ermöglichungsdidaktik schafft


somit nur eine Reflexionsfolie für praktisches Handeln, indem sie verinnerlichte didaktische
Normen und Haltungen bewusst macht. Ob sie als solche tatsächlich pädagogisches Handeln
anregen kann, hängt davon ab, inwieweit Lehrende in der Lage sind, die selbstorganisierte
Aneignungslogik der Lernenden zu erkennen und sich von ihrem vertrauten Modell der „Als-
ob-Didaktik“ (Kösel 1993, S. 62ff., Arnold/ Schüßler 1998, S. 6) zu lösen, d.h. von der letzt-
lich trivialen Kernvorstellung, Wissen lasse sich durch exakte didaktische Planung vermitteln.

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Einer solchen ermöglichungsdidaktischen Sicht des Lernens geht es dabei nicht um Wissens-
vermittlung, sondern um Kompetenzentwicklung. „Kompetenz“, im Sinne der Fähigkeit und
Bereitschaft selbstgesteuert problemlösend handeln zu können, ergibt sich nicht automatisch
dadurch, dass Lernenden neue Kenntnisse sowie komplexere Sicht- und Begründungsweisen
zugänglich gemacht werden. Wissen kann sich vielmehr nur zu einer handlungsleitenden Ori-
entierung entwickeln, wenn es vom Subjekt „anverwandelt“ werden kann. Bei dieser Anver-
wandlung spielen die biographisch erworbenen Deutungsmuster und Erfahrungen ebenso eine
Rolle, wie die tief in der Persönlichkeitsstruktur verankerten Emotionsmuster. Es spricht viel
dafür, dass eine angstgeprägte Persönlichkeit letztlich nicht innovativ handeln können wird,
d.h. neue Kooperations- und Problemlösungsverfahren „ausprobiert“, wenn sie nicht glei-
chermaßen ihre subjektiven Fähigkeiten zum „Loslassen“ des Vertrauten, zum Umgang mit
Unsicherheit ihre seine Bereitschaft, Fehler und Rückschläge auszuhalten, entwickeln kann.
Eine ermöglichungsdidaktische Sicht des Lernens Erwachsener ist deshalb notwendig mit ei-
nem ganzheitlichen Wissensbegriff verbunden, der Wissen nicht nur objektivistisch als kohä-
renten Zusammenhang erklärungsrelevanter Informationen definiert, sondern als subjektives
Handlungspotenzial. „Aktives Wissen“ (Argyris 1997) entsteht nur, wenn objektives Erklä-
rungswissen zu einem subjektiven Handlungspotenzial transformiert werden kann. Und dieser
Transformationsprozess ist weniger einer der Wissenstransformation, wie es die stark inhalts-
orientierten Didaktikmodelle sehen, sondern letztlich einer der Kompetenztransformation, bei
welchem die kognitiv-emotionalen Vorstrukturen sowie die Flexibilitäten und Bereitschaften
des Subjektes, Altes loszulassen und Neues zuzulassen, dafür ausschlaggebend sind, ob Ler-
nen gelingt oder misslingt.
Für eine Ermöglichungsdidaktik steht somit Wissen mit seinen kognitiv-emotionalen Dimen-
sionen als Begründungs- und Handlungspotenzial des lernenden Subjekts im Zentrum der Be-
trachtung. Ein solcher ermöglichungsdidaktische Wissensbegriff, der Wissen in seiner An-
verwandelbarkeit und letztlich seiner „Zumutung“ für den Lernenden zu begreifen vermag, ist
bislang erst in Umrissen entfaltet worden (vgl. Kösel 2001). Aber nur, wenn es gelingt, einen
solchen Wissensbegriff empirisch basiert zu entwickeln, werden wir auch in der Lage sein,
Lernwiderstand als das zu begreifen, was er häufig ist: eine Plausibilitäts- und Handlungssi-
cherheit gewährleistende Abspaltung von kognitiver und emotionaler Verunsicherung.

2 Ermöglichungsdidaktisches Handeln und Planen


Folgt man einer neueren Definition von H. Siebert, so kann man „Didaktik“ definieren als
„(...) die Vermittlung zwischen der Sachlogik des Inhalts und der Psychologik des/der Ler-
nenden. Zur Sachlogik gehört eine Kenntnis der Strukturen und Zusammenhänge der Thema-
tik, zur Psychologik die Berücksichtigung der Lern- und Motivationsstrukturen der Adres-
sat/innen“ (Siebert 1996, S. 2). Die Vermittlung dieser beiden Seiten geschieht durch „didak-
tisches Handeln“ (vgl. Arnold 1996; Siebert 1996) der für das Arrangement bzw. die Insze-
nierung und Begleitung von Lehr-Lern-Prozessen verantwortlich zuständigen Professionals.

2.1 Didaktische Planungsebenen


Die Vermittlung zwischen der Sach- und der Psychologik geschieht sowohl bei der Planung
des erwachsenenpädagogischen Handelns als auch in der Handlungssituation selbst. In der
Erwachsenenpädagogik lassen sich nach Siebert die folgenden Ebenen und Dimensionen er-
wachsenenpädagogischen Planens und Handelns unterscheiden:
a) „eine curriculare, vorbereitende Planung als Auswahl von Lernzielen, Inhalten, Mate-
rialien, Methoden angesichts der (meist vorgegebenen) Lernzeiten, Lernorte, ggfs.
Prüfungsrichtlinien und Adressaten;
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b) die Überlegung möglicher Alternativen und Varianten im Blick auf die Vorkenntnisse,
Lernstile, Verwendungssituationen, Heterogenität und Größe der Teilnehmergruppe
(die vor Seminarbeginn oft unbekannt ist);
c) eine mentale Einstellung der Lehrenden auf Überraschungen, d.h. auf ungewöhnliche
Deutungen, auf unerwartete Zwischenfragen, auf Teilnehmervorschläge, die dem ei-
genen Konzept widersprechen, auf Teilnehmer, die ‚aus der Rolle fallen’, auf Zwi-
schenfälle (z.B. die vielzitierte defekte Birne des Overhead-Projektors)“ (Siebert 1996,
S. 4).
Hier wird bereits auf die Schwierigkeit einer exakten Planung und Steuerung von Lernprozes-
sen in der Erwachsenenbildung verwiesen. Notwendig wird ein antizipatives und situatives
didaktisches Handeln und Planen, weil sich Erwachsene das Wissen auf der Grundlage frühe-
rer Erfahrungen je individuell aneignen: „Gelernt wird nicht, was einem ‚gesagt’ wird, son-
dern was als relevant, bedeutsam, integrierbar erlebt wird“ (ebd., S. 19).
Zu berücksichtigen ist auch, dass eine Volkshochschulleiterin, die für die administrative Ko-
ordinierung der Abläufe sowie für das Gesamtprofil der Einrichtung verantwortlich ist, auf ei-
ner anderen Ebene didaktisch tätig ist als ein Abteilungsleiter oder gar die unmittelbar im
Kursgeschehen stehende Kursleiterin eines Kurses. Aus diesem Grunde unterscheidet man
zwischen Makro- und Mikrodidaktik. Die Makrodidaktik umfasst das didaktische Handeln im
Bereich der Programmplanung, der Konzeptionierung von Fachbereichsangeboten sowie or-
ganisatorischen und administrativen Voraussetzungen eines organisierten Weiterbildungsan-
gebotes. Demgegenüber beschreibt die Mikrodidaktik die Ebenen didaktischen Handelns bei
der die unmittelbare Interaktion zwischen Lehrenden und Lernenden im Vordergrund steht
(Kursleitung, Lernberatung etc.).
Löst man das Verständnis didaktischen Handelns von seiner Verengung auf den Unterricht, so
lassen sich nach Siebert (1996, S. 7ff.) in Anlehnung an Flechsig und Haller insgesamt fünf
Dimensionen identifizieren, in denen didaktische Entscheidungen getroffen werden:
(1) Bildungspolitik:
Hier enthalten insbesondere Gesetze didaktische Implikationen, z.B. in Bezug auf die Re-
gelung von Mindesteilnehmerzahlen oder die Bedingungen für die Anerkennung neuer
Einrichtungen.
(2) Institutionsdidaktik
Je nach Institution und Träger differenzieren sich auch der Bildungsauftrag und damit Or-
ganisationsstruktur, Stellenplan und Inhalte der Einrichtung.
(3) Fachbereichsdidaktik
Je nach Fachbereichen (z.B. berufliche Weiterbildung, Sprachen), Zielgruppen (z.B. be-
triebliche Managementschulung oder Altenbildung) und Aufgabenbereiche (z.B. zweiter
Bildungsweg) ergeben sich makro- und mikrodidaktische Überlegungen.
(4) Seminarplanung
Auf dieser Ebene werden die einzelnen Kurse, Lernorte, -zeiten-, -inhalte und -materialien
je nach Zielgruppen geplant, Ankündigungstexte ausgewählt und die Finanzierung gere-
gelt.
(5) Lehr-Lernsituation
Auf dieser Ebene erfolgt die mikrodidaktische Feinplanung eines einzelnen Kurses.

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2.2 Situative und subsidiäre Veranstaltungsplanung
Wie bereits angedeutet ändert sich im Rahmen ermöglichungsdidaktischer Lernprozesse auch
das Aufgabenprofil von Dozentinnen und Dozenten in der Weiterbildung – vor allem auf der
mikrodidaktischen Ebene. Diese müssen zwar nach wie vor in „ihrem“ Fach zuhause sein,
doch dürfen sie ihr Fachwissen nicht mehr nur präsentieren. Es kommt vielmehr darauf an,
dieses Fachwissen, „erschließungsstrukturiert“ zugänglich zu machen. Dies bedeutet, dass die
Lehrenden in der Weiterbildung sich nicht mehr damit zufrieden geben können, fachliche Zu-
sammenhänge und Einsichten für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer – gewissermaßen
„stellvertretend“ – zu erschließen. Sie müssen vielmehr darum bemüht sein, Lernthemen und
Handlungsproblematiken der Lernenden zu identifizieren, sie in bearbeitbare Aufgabenstel-
lungen zu überführen und die Lernenden in der Arbeit an ihren Lernprojekten zu unterstützen
(vgl. Holzkamp 1996), wobei sie das Wissen situativ, d.h. in Abhängigkeit der Fragestellun-
gen der Lernenden, zur Verfügung stellen (vgl. Kaiser 1998). Dabei sollten sie zugleich die
Selbsterschließung sowie die aktive Aneignung durch die Lernenden selbst anbahnen, anregen
und unterstützen. Ihr eigenes Lehrhandeln ist demgegenüber „subsidiär“; es „folgt“ dem
selbstgesteuerten Lernen der Teilnehmenden, begleitet und ergänzt dieses.

Checkliste subsidiärer Veranstaltungsplanung

• Wie lässt sich der Lerngegenstand differenziert bearbeiten und ein Lernarrangement so
gestalten, dass sowohl lerngewohnten als auch lernungewohnten Teilnehmende ein Zugang
zum Thema und individuelle Lernchancen ermöglicht werden?
• Welche Sozial- und Aktionsformen sind zu wählen, um individuelle Entfaltungsmöglich-
keiten für die Lernsubjekte zu gewährleisten?
• Kann der zu erreichende Wissenstransfer von den Lernenden selbständig erarbeitet wer-
den,
- wie müssen dafür Lernanregungen und Arbeitsaufträge gestaltet werden,
- in welchen Situationen kann der Lehrende seine Eingaben von außen reduzieren,
- an welchen Stellen sind fachliche Inputs notwendig und wie können diese sinnvoll in den
Unterrichtsablauf eingebunden werden?
• Wie muss das Lernarrangement aussehen, welche Strukturierungs- und Arbeitsanweisun-
gen (Fallbeschreibungen, empirische Daten etc.), Medien, Sozialformen u.a. müssen vor-
bereitet werden, damit die Teilnehmenden auch ihre Lern- und Arbeitstechniken (Metho-
denkompetenz), die Fähigkeit zur Teamarbeit und zur Kommunikationsfähigkeit (Sozial-
kompetenz) verbessern können?
• Wo im alltäglichen Leben wird der Lerngegenstand relevant, welche Bedeutung hat er im
Leben des Einzelnen und im gemeinschaftlichen Zusammenleben; wie lassen sich Alltags-
erfahrungen und Lerngegenstand aneinander anschließen?
• Wie werte ich die Ergebnisse der Aktivitätsphasen aus, um auch die überfachlichen Lern-
ergebnisse für die Weiterarbeit zu sichern?

Abb. 7: Schlüsselfragen zur Eröffnung handlungsorientierter Lernchancen (nach Arnold/ Schüßler 1998, S. 124)

Letztlich ist ein solcher subsidiärer Ansatz realistischer und erfolgversprechender:

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¾ „Realistischer“ ist er, weil Erwachsene in vielfältigen und unterschiedlichen Lebensbezü-
gen stehen, die es mit sich bringen, dass sie mit unterschiedlichen Fragestellungen, Lern-
interessen und Lernmotivationen an einen Lerngegenstand herantreten und deshalb auch
bisweilen sehr unterschiedlich lernen. Es ist deshalb unrealistisch anzunehmen, es hänge
allein oder in erster Linie von den Lehrenden ab, was gelernt werde.
¾ „Erfolgversprechender“ ist er, weil er den Kriterien für ein nachhaltiges Lernen, wie sie
sich uns aus der Lehr-Lern-Forschung darstellen, stärker Rechnung trägt. Nach den Er-
gebnissen der Lehr-Lernforschung lernen Erwachsene dann nachhaltig, wenn der Lern-
prozess selbst aktives, selbstgesteuerten und konstruktives Handeln ermöglicht sowie situ-
ativ und soziale eingebettet ist (vgl. Reinmann-Rothmeier/ Mandl 1997, S. 356). Dies be-
deutet, dass Dozentinnen und Dozenten in der Erwachsenenbildung systematisch darum
bemüht sein müssen, „ihren Stoff“ in einer Form zugänglich zu machen, die solche leben-
digen Formen des Lehrens und Lernens möglich macht.
Die Frage ist nun, ob und wie ein solches Arrangement von Lernprozessen - angesichts ihrer
Kontingenz - erwachsenendidaktisch gestaltet werden kann. Konzentrieren wir uns auf die
mikrodidaktische Ebene, so scheint die von Schmidt (1996) vorgeschlagene „Rollende Pla-
nung und Prozessbegleitung“ hilfreich.

Rollende Planung und Prozessbegleitung


Unter einer rollenden Planung ist eine Veranstaltungsplanung zu verstehen, die zwischen Ü-
berorganisation und Unterstrukturierung angesiedelt ist; die zum einen um die Unvorhergese-
henheiten weiß, diese aber versucht zu antizipieren, in der Mögliches und Notwendiges ge-
plant, aber bei Bedarf auch revidiert werden kann. Die rollende Planung beginnt mit einer Vo-
rabinformation und -einschätzung vor Seminarbeginn, durch eine so genannte Bedingungs-
analyse. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass eine rollende Planung den spezifischen Rah-
menbedingungen anzupassen ist. Es muss daher zu Beginn ebenso geprüft werden, wo und in
welchem Umfang zeitliche und inhaltliche Vorgaben situationsorientiertes Handeln ein-
schränken (z.B. in einem Zertifikatskurs). Ist der organisatorisch-didaktische Rahmen vorge-
geben, so gilt es gezielt Nischen der flexiblen und teilnehmeraktivierenden Gestaltung zu ent-
decken und zu nutzen.

Checkliste zur Bedingungsanalyse

1. Aus welchen Sozialmilieus und aus welchen Bildungskarrieren kommen die Teilneh-
menden?
2. Welche Einstellungen, Sichtweisen und Deutungsmuster haben sie dort erworben? Wie
sieht ihr persönlicher und beruflicher Erfahrungsbereich aus?
3. Wie ist die Adressatengruppe intern strukturiert (Geschlecht, Alter, berufliche Position
etc.)?
4. Wie verlief die bisherige Bildungsgeschichte der Teilnehmenden? Welche Lehr-
Lernformen wurden kennen gelernt?
5. Welche fachlichen und methodischen (z.B. Lernstrategien) Voraussetzungen bringen
die Teilnehmenden mit, um die Lernziele zu erreichen?
6. Welche Erwartungen haben die Teilnehmenden an den Lerngegenstand, an ihre Weiter-
bildung und an zukünftige berufliche oder persönliche Entwicklungen?

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7. Mit welchen extremen Lernverhaltensweisen (Lernschwierigkeiten, Sonderbegabungen,
mangelnde Belastbarkeit etc.) ist in der Adressatengruppe zu rechnen?
8. Wie sind die sozialen Beziehungen in der Lerngruppe strukturiert (EinzelkämpferIn,
MitläuferIn etc.)?
9. Sind die erforderlichen Voraussetzungen (z.B. Lerninfrastruktur) gegeben, um zu ge-
währleisten, dass alle Teilnehmenden die Lernziele erreichen können? Welche weiteren
Lernhilfen wären erforderliche?
10. Mit welchen Erwartungsstrukturen der Teilnehmenden ist durch den Ankündigungstext
der Veranstaltung zu rechnen? Wie könnten diese Erwartungen die Unterrichtsplanung
und den –verlauf beeinflussen?

Abb. 8.: Schlüsselfragen zur Bedingungsanalyse bei der Planung von Lernprozessen (nach Arnold/ Krämer-
Stürzl/ Siebert 1999,S. 84)

Auf der Grundlage der Bedingungsanalyse entsteht ein Konstrukt des Teilnehmers bzw. der
Teilnehmerin an dem sich zunächst die Planung orientiert. Es ist daher notwendig dieses Kon-
strukt mit Beginn des Seminars durch Beobachtungen und Gespräche immer wieder zu korri-
gieren und darauf die Planung anzupassen. Darüber hinaus muss eine rollende Planung ebenso
den unterschiedlichen Gruppenentwicklungsphasen Rechnung tragen (vgl. Voigt 1993).
• Die „Anfangsphase“ (Forming) dient dem Kennenlernen der Teilnehmenden und der
Kursleitung, sie ist vor allem durch das Bedürfnis nach Orientierung und die Unsicherheit
der Teilnehmenden geprägt. Die Aufgabe der Kursleitung besteht darin,
- Unsicherheiten abzubauen (durch Angaben bzw. Vereinbarung über Ziele, Inhalte,
Ablauf, Erwartungsabfrage, offene Punkte klären, Mitgestaltungsmöglichkeiten nen-
nen, gegenseitiges Kennen lernen fördern),
- Ein Klima der Zusammenarbeit schaffen (Gelegenheiten zum Mittun schaffen, Teil-
nehmende ernstnehmen etc.),
- Normen der Zusammenarbeit vorleben (eigene Unsicherheiten eingestehen, aktiv Zu-
hören, eigenes Engagement zeigen, zwischenmenschliche Beziehungen und Gespräche
fördern, kooperatives Verhalten zeigen).

• Die „Nahkampfphase“ (Storming) ist durch Konfrontation und Konflikte in der Gruppe
und eine mögliche emotionale Ablehnung der Thematik gekennzeichnet. Die Aufgabe der
Kursleitung besteht in dieser Phase darin,
- die Rollen- und Positionsfindung der Gruppenmitglieder anzuerkennen und Integration
zu unterstützen, indem auf die einzelnen Individuen, ihre persönliche Entwicklung und
Fähigkeiten eingegangen wird und Wünsche in die Gruppen integriert werden,
- Gruppenintegration zusätzlich durch direkte Ansprache und Leistungsherausforderung
zu unterstützen,
- der Gruppe Vorbild zu sein z.B. im Hinblick auf das eigene Kommunikationsverhal-
ten, Umgang mit Kritik und Feedback.

• Die „Konsolidierungsphase“ (Norming) ist durch eine Entwicklung von Gruppenzusam-


mengehörigkeit und gegenseitige Unterstützung gekennzeichnet. Kooperatives Arbeiten
ist nun möglich. Die Aufgabe der Kursleitung besteht in dieser Phase darin,
- eine Balance zwischen Gruppeninteressen, Aufgabenzielen und persönlichen Bedürf-
nissen zu schaffen,
- die Verantwortung für den Lernprozess sukzessive an die Gruppenmitglieder zu über-
tragen,

12
- die Teilnehmenden mit den nötigen Lernressourcen zu versorgen und beratend zur Sei-
te zu stehen.

• Die „Verschmelzungsphase“ (Performing) ist dadurch gekennzeichnet, dass die Lerngrup-


pe zielorientiert und produktiv an ihren Lernprojekten arbeitet. Es ist die Hauptarbeitspha-
se. Die Kursleitung hat hier die Aufgabe,
- die Kreativität zu fördern,
- die Konzentration auf die Sachaufgabe zu unterstützen,
- die Arbeit an neuen Zielen und Aufgaben anzuregen.

• Die „Ausstiegs- und Transferphase“ ist vom Abschluss und Abschied gekennzeichnet.
Vielen Teilnehmenden fällt es in dieser Phase schwer, sachlich und emotional mit der
Veranstaltung abzuschließen. Die Kursleitung hat hier die Aufgabe,
- Raum für den Abschied zu geben,
- Zeit für die Ergebnissicherung einzuplanen,
- den Transfer in den Alltag vorzubereiten.

Auch hier gilt eine Gleichzeitigkeit der Ungleichzeitigkeit, d.h. die Phasen werden nicht linear
durchlaufen, es können sich auch Phasen wiederholen oder gar nicht auftauchen und nicht alle
Gruppenmitglieder befinden sich immer zum gleichen Zeitpunkt in einem gleichen Entwick-
lungsprozess.
Da der Lernprozess sich als eine themenzentrierte Interaktion gestaltet (vgl. Langmaak/ Brau-
ne-Krickau 1987), müssen sich die begegnenden und miteinander kooperierenden Personen
im Abschluss eines Arbeitsbündnisses ihr wechselseitiges Aufeinander-Angewiesensein defi-
nieren. Zur Gestaltung eines solchen „dialogischen Beziehungs-Modells“ zwischen Lehren-
den und Lernenden schlägt Erhard Meueler den so genannten Lehr-Lern-Vertag (vgl. Know-
les 1980, S. 62f.) vor, in dem die Formen der Kooperation und letztlich didaktische Entschei-
dung gemeinsam - von Lehrenden und Lernenden – festgelegt werden:

Lehr-Lern-Vertrag - Basis kooperativen Lernens

Entscheidungsfeld Fragestellung
Lernthemen • Was wollen wir gemeinsam als die in der je individuellen oder kollektiven
Lebenspraxis zu bewältigenden Probleme und konkreten Situationen, als die
zu beantwortenden offenen Fragen, die mit den im Alltag zur Verfügung ste-
henden Denk- und Praxisformen nicht bearbeitbar sind, ansehen?
Lernziele • Welche Lernerfordernisse ergeben sich von dieser Problemanalyse her? Was
hat die diesbezügliche inhaltliche, d.h. fach- und sachstrukturelle Vorbereitung
durch den Erwachsenenbildner ergeben?
• Welche Ziele wollen wir als Bewältigungsformen im Hinblick auf die als un-
umstritten ermittelten Problemstellungen in der Form von Kompetenzen, Fä-
higkeiten, Fertigkeiten, Einsichten Qualifikationen anstreben?
Lernbedürfnisse • Welche konkreten situationsbezogenen Lernbedürfnisse und -wünsche beste-
hen auf der Seite der Teilnehmenden?
Lerninhalte • Wie balancieren wir die vom Lehrenden ermittelten ‘objektiven’ Lernerfor-
dernisse und die ‘subjektiven’ Lernbedürfnisse und -wünsche der Teilneh-
menden miteinander aus?
• Was ist an Wissen nötig? Was sollen und können wir gemeinsam lernen?

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Lernmethoden • Auf welchen Wegen wollen wir vorgehen (Methoden-Vorschläge des Lehren-
den als Angebot bewährter Praxisformen, die in den Blick genommene Prob-
lematik aufzuschlüsseln; im Alltag bewährte Lernstrategien der Teilnehmen-
den)?
Sozialformen • Wie wollen wir miteinander umgehen?

Zeitlicher Ablauf • Womit wollen wir beginnen und was folgt dann als zweitens, drittes etc.

Kompetenz- • Wer wird für was verantwortlich sein?


verteilung
Transfer • Welche Handlungskonsequenzen sollte das gemeinsame Lernen im Alltag als
einer veränderten Lebenspraxis haben?

Abb. 9: Der Lehr-Lernvertrag als Basis kooperativen Lernens (in Anlehnung an Meueler 1994, S. 626)

Der Lehr-Lern-Vertrag ist ein „Steuerungsinstrument“, weil über ihn Voraussetzungen für den
gemeinsamen Lernprozess in der Gruppe geschaffen werden, der Arbeitsprozess dadurch
transparenter gestaltet wird und der Dozent bzw. die Dozentin konkrete Hinweise zur weite-
ren Planung erhält. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass lernungewohnte Teilneh-
mende sich durch die im Lehr-Lern-Vertrag zu treffenden didaktischen und methodischen
Entscheidungen auch überfordert und durch eine offene Planung eher verunsichert fühlen
könnten. Diesem Aspekt ist insofern Rechnung zu tragen, als die Entscheidungsräume dann
erst im Laufe einer Veranstaltung sukzessive geöffnet und Teilnehmende in der Reflexion ih-
res eigenen Lernprozess gefördert werden.
Diese Prozessbegleitung wird auch darin unterstützt, gemeinsam mit den Teilnehmenden in
regelmäßigen Abständen den Lernprozess mit den getroffenen Lernvorhaben abzugleichen.
Durch Formen prozessbegleitender Evaluation (Feedback-Verfahren, Blitzlicht, etc.) kann so
überprüft werden, ob die Lerngruppe noch zielgerichtet arbeitet oder sich durch den Lernpro-
zess neue zu bearbeitenden Prioritäten und Fragestellungen ergeben haben, die eine Revision
der Ergänzung des Lehr-Lern-Vertrags – und somit der Planung – notwendig erscheinen las-
sen.

2.3 Relations-, Projektions- und Geschlechterbewusstsein


Tietgens weist darauf hin, „dass die fehlende direkte Koppelung von Ursachen und Wirkun-
gen, Zwecken und Mitteln, von Aussagen und Handlungen eine Fähigkeit situationsbestimm-
ten Zuhörens verlangt ,ein Relationsbewusstsein, das es erlaubt, aus einem abstrahierten Wis-
sensfundus je aufs Neue aufgabengerechte Konsequenzen zu ziehen“ (Tietgens 1981, S. 170).
Darüber hinaus beinhaltet ein solches Relationsbewusstsein aber auch ein gewisses Maß an
emotionaler Selbstreflexivität der Lehrenden. Sie müssen letztlich auch psychisch in der Lage
sein, ihren eigenen Narzissmus sowie die projektiven Verklammerungen mit ihrer Lehrfunkti-
on zu erkennen, um die Teilnehmenden von Ansprüchlichkeiten zu entlasten, die mit ihren
Lernprojekten und ihrem Kompetenzwachstum nichts zu tun haben. Die berufliche Identität
zahlreicher ErwachsenenbildnerInnen ist durch die unsere Lernkulturen prägende Leitdiffe-
renz (Luhmann) „Wissen – Nichtwissen“ bestimmt, hinter der sich letztlich auch die Diffe-
renz „Erwachsener – Kind“ verbirgt. Solange das Erwachsenenlernen mehr oder weniger be-
wusst entlag dieser Differenzen als ein durch ein pädagogisches Gefälle gekennzeichneter
Lehr- oder Unterweisungsprozess zwischen Lehrenden (= „Wissende“, d.h. „Erwachsene“)
und Lernende (= „Nichtwissende“, d.h. „Kinder“) konstruiert ist, bleibt die Möglichkeit zu ei-
ner echten lernverträglichen Partnerschaft verstellt. Hindernd wirken sich dabei vor allem die

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zuerst kaum ausgeprägten emotionalen Möglichkeiten der Beteiligten aus, mit ihrem „inneren
Kind“ selbstreflexiv und beziehungsentlastend umzugehen. Zwar wissen wir noch zu wenig
über die psychischen Motivationslagen von ErwachsenenbildnerInnen, „lehrend“ tätig zu sein,
doch spricht einiges dafür, dass diese nicht frei sind von einem recht entschiedenen Bemühen,
die lernenden, suchenden und unberechenbaren, d.h. „kindlichen“ Anteile des eigenen Ich ab-
zuspalten und in einem lernverträglichen Setting zu externalisieren. Der Lernende „über-
nimmt“ dann – gewissermaßen ungefragt – die Funktion, für das abgespaltene Kindliche des
Lehrenden als Projektionsfläche „herzuhalten“. Das pädagogische Gefälle abbauen und den
Lernenden als „suchenden“ Erwachsenen, der auch bereits über Wissen verfügt, konzipieren
zu können, setzt deshalb notwendig voraus, dass ErwachsenenbildnerInnen ihre – möglicher-
weise Berufswahl leitende – abgespaltene Kindlichkeit reintegrieren. Das von Tietgens ange-
mahnte Relationsbewusstsein darf sich deshalb nicht allein auf die äußeren didaktischen As-
pekte beschränken, sondern muss die innere „Erwachsener-Kind-Relation“ mit reflektieren.
Relationsbewusstsein muss so Projektionsbewusstsein einschließen.
Darüber hinaus weisen Untersuchungen zur Inszenierung des Geschlechterverhältnisses in der
Erwachsenenbildung (vgl. Derichs-Kunstmann/ Auszra/ Müthing 1999) darauf hin, dass auch
die Geschlechtsidentität der Teilnehmenden und Kursleitenden – meist sehr subtil, i.S. eines
heimlichen Lehrplans - auf den Verlauf des Lernprozesses wirken. Aus diesem Grunde ist
auch von der Kursleitung sowohl eine Reflexion ihrer eigenen geschlechtstypischen Vorstel-
lungen zu erwarten, wie auch eine sensible Wahrnehmung und Gestaltung der Lernsituation
nach geschlechtergerechten Prinzipien. „Geschlechtsgerechte Didaktik impliziert eine umfas-
sende Berücksichtigung der Geschlechterdifferenz bei Planung und Durchführung von Bil-
dungsveranstaltungen. Das betrifft die Inhalte der Seminare, das Verhalten der Teilnehmen-
den und Teamenden, die methodische Gestaltung der Seminare und die Gestaltung der Rah-
menbedingungen von Bildungsarbeit“ (Derichs-Kunstmann 2000, S. 128, vgl. Merz 2001,
Baur/ Marti 2000).
Um ein solches umfassendes Planungsbewusstsein zu entwickeln, d.h. auf Unvorhergesehenes
und Überraschungen in einem Seminargeschehen situativ-flexibel, i.S. einer rollenden Pla-
nung, reagieren zu können, empfiehlt sich eine reflexive Auseinandersetzung mit dem Pla-
nungsprozess, wozu eine „Planungscheckliste“, wie die von Siebert entwickelte (1996, S.
207ff.) hilfreich ist (siehe auch Abb. 8).

Planungscheckliste
Einrichtung:
• Verfügt die Einrichtung über ein bestimmtes Selbstverständnis eine Tradition, eine ein-
deutige Zielsetzung?
• Was verbindet mich als Lehrkraft mit dieser Einrichtung?
• Was erwartet die Einrichtung von mir?
• Ist in der Einrichtung jemand für mich als Berater/in zuständig?
• Welches Image hat die Einrichtung in der Öffentlichkeit, welches Milieu, welche Ziel-
gruppe spricht sie an?

Erwartungshaltung
• Für welche Adressat/innen biete ich das Seminar an (was steht im Ankündigungstext)?

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• Welche Vorinformationen habe ich über die Gruppe (z.B. durch Anmeldungen oder frühe-
re ähnliche Seminare)?
• Mit welchen Motivationslagen ist zu rechnen?
• Wie groß sollte die Gruppe optimal sein, was mache ich, wenn sie größer/ kleiner als ge-
plant ist?
• Wie homogen/ heterogen ist die Gruppe vermutlich (z.B. hinsichtlich des Anspruchni-
veaus)?
• Welchen Teilnehmertyp bevorzuge, welchen fürchte ich?
• Was möchte ich von den Teilnehmer/innen lernen?
• Wie gehe ich mit (für mich) ‚schwierigen’ Teilnehmer/innen um?
• Wie wirke ich (vermutlich) auf Teilnehmer/innen?
• Mit welchen Sprachcodes ist zu rechnen?
• Mit wie vielen männlichen und weiblichen Teilnehmenden ist zu rechnen?

Thema
• Wie wichtig ist mir das Thema?
• Welche Lernerfahrungen habe ich mit der Thematik gemacht?
• Was beherrsche ich gut, wo bin ich unsicher?
• Was möchte ich noch zu dem Thema lernen?
• Gibt es neue thematische Entwicklungen und Erkenntnisse, bin ich auf dem neuesten
Stand?
• Sind die vorliegenden Materialien/ Lehrbücher ausreichend und für die Gruppe geeignet?
• Welche Fachtermini sind unverzichtbar? Über welche Erfahrungen und welches Alltags-
wissen verfügen die Teilnehmenden vermutlich?
• Welche Fähigkeiten sollen sie anhand des Lerngegenstands erwerben?
• Inwieweit können Wünsche der Teilnehmenden berücksichtigt werden?
• Inwieweit spielen biographische Erfahrungen der teilnehmenden Frauen und Männer eine
Rolle für die Themenbearbeitung bzw. inwieweit muss ich darauf Rücksicht nehmen?
• Sind bestimmte Lernschwierigkeiten zu erwarten?
• Mit wem kann ich mein Konzept besprechen?

Schlüsselqualifikationen
• Wie kann die selbständige Auswahl und Aneignung des Stoffs unterstützt werden?
• Gibt es zentrale Schlüsselbegriffe, Schlüsselfragen für die Thematik?
• Erfordert die Thematik die Beherrschung bestimmter Methoden (z.B. Interpretation von
Statistiken, Texten der Massenmeiden, Theorie-Praxis-Transfer)?
• Können anhand dieser Thematik bestimmte formale Fähigkeiten geübt werden (z.B. abs-
trahierendes, begriffliches Denken, vernetztes Denken, kreatives Denken)?
• Können kommunikative Fähigkeiten gefördert werden (z.B. aktives Zuhören, Pro- und
Contra-Debatte, geschlechtergerechtes Kommunikationsverhalten)?
• Wie kann ich das selbstständige Weiterlernen unterstützen?

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Lehr-Lernmethoden
• Gibt es bewährte Methoden für diese Thematik?
• Lässt sich vermuten, welche Methoden gerade für diese Gruppe geeignet sind?
• Mit welchen Methoden habe ich (in welchen Kontexten) gute/ schlechte Erfahrungen ge-
macht?
• Wie viel Methodenwechsel ist angebracht?
• Für welche Methoden sind die Rahmenbedingungen passend/ ungünstig (Raum, Zeit, Me-
dien...)?
• Welche Methoden eigenen sich insbesondere zur Aktivierung und Motivierung?

Interaktion
• Mit welchen Konflikten ist in dieser Gruppe und bei dieser Thematik zu rechnen?
• Wie kann ich auf mögliche Konkurrenzstrukturen und Cliquenbildungen reagieren?
• Wie gehe ich mit Schweigern und Vielrednern um?
• Wann sind welche Formen von Metakommunikation angebracht?
• Worauf reagiere ich gereizt/ ungeduldig/ aggressiv?
• Wie viel sozialemotionale Nähe oder Distanz wird vermutlich gewünscht und erscheint
mir angemessen?
• Welche Rolle nehme ich in der Gruppe ein (Moderator, Animateur, Experte...)?
• Welche eigenen Unterrichtsbilder trage ich in die Lehr-Lern-Situation?
• Welches Bild habe ich vom Teilnehmenden, welche Rolle und Kompetenzen weise ich
ihm zu und wie gehe ich mit männlichen und weiblichen Teilnehmenden um?

Abb. 10: Fragen zur Veranstaltungsplanung in Kooperation mit einer Einrichtung der Erwachsenenbildung (nach
Siebert 1996, S. 207ff.)

3 Erwachsenendidaktische Herausforderungen
Ziel erwachsenendidaktisches Handeln ist es, die Kompetenzentwicklung der Lernenden zu
unterstützen und zu begleiten. Dabei zeichnet sich diese Kompetenzentwicklung dadurch aus,
dass sie auch den Werten, Einstellungen und Deutungen der Lernenden Rechnung trägt durch
ein Methodenlernen unterstützt wird und den vielfältigen auch informellen Lernerfahrungen
der Lernenden Rechnung trägt. Die Grundlinien dieser Aufgabe und die daraus sich ergeben-
den Herausforderungen für ErwachsenenbildnerInnen werden im Folgenden skizziert.

3.1 Kompetenzentwicklung als Deutungslernen


Im Gegensatz zu Qualifikationen bezeichnen Kompetenzen die kognitiven, emotionalen und
psychomotorischen Fähigkeiten einer Person, die sich in der Qualität der sichtbaren Handlun-
gen niederschlagen und diese regulieren und somit als Merkmale der Persönlichkeit aufschei-
nen. Im Zentrum dieses Kompetenzverständnisses steht somit das Individuum, mit all seinen
Interessen und Bedürfnissen und nicht eine rechtsförmig bescheinigte Fertigkeit, im Sinne ei-
ner Qualifikation. Kompetenz bezieht sich auf die Fähigkeit, das für konkrete Handlungen
notwendige deklarative und exekutive Situationswissens zu kennen und zu beherrschen. Per-
formanz dagegen bedeutet, die Handlungsmuster auch tatsächlich erfolgreich anzuwenden.
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Kompetenz umfasst letztlich das hinter einer Fertigkeit stehende Wissen, ohne das das ent-
sprechende Handlungsmuster nicht situationsadäquat eingesetzt werden kann. Dieses situative
Wissen umfasst sowohl Regelwissen (Skripts) als auch subjektive Akzentuierungen dieser
Wissensbestände. Gemeinsam bilden sie den Bestand von Deutungs- und Handlungsmustern
eines Individuums, der als subjektive „Kompetenz” bezeichnet werden kann. Wenn nun in
Weiterbildungsveranstaltungen von „Qualifizierung” die Rede ist, so beziehen sich diese Qua-
lifikationen zunächst auf ein Spektrum erwarteter Handlungsmuster in einem definierten
Handlungsfeld unabhängig von dem jeweils handelnden Individuum. Diese definierten Hand-
lungsmuster bzw. Qualifikationen beruhen auf Erfahrungswerten hinsichtlich der Frage, wel-
che Handlungsanforderungen die Situation zu ihrer Bewältigung erfordert. Da solche Situati-
onen z.B. in der Arbeitswelt zunehmend komplexer werden oder sich sukzessive durch
Marktanpassungen verändern (müssen), ist in den letzten Jahren deutlich geworden, dass es
nicht so sehr um Qualifizierung als um Schlüsselqualfizierung i.S. einer Kompetenzentwick-
lung gehen müsse, in der das Lernsubjekt im Mittelpunkt der Bemühungen steht. Hier geht es
vor allem um die Reflexion eigener Deutungs- und Handlungsmuster und möglicher Hand-
lungsoptionen. Ein solches reflexives, deutungsmusteranknüpfendes Lernen, kann als „Deu-
tungslernen“ (vgl. Arnold 1996, Schüßler 2000) beschrieben werden und stützt sich vor allem
auch auf konstruktivistische und systemtheoretische Arbeiten zum Erwachsenenlernen (vgl.
u.a. Arnold/ Siebert 1999, Siebert 1996). Erwachsenenlernen stellt sich dabei nicht nur als
Aneignung neuen Wissens dar, sondern umfasst ebenso die Vergewisserung, Überprüfung
und Modifizierung vorhandener Deutungen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass „Realitätsdeu-
tungen (...) keineswegs nur kognitive, informationsgesättigte Interpretationen (sind), sondern
auch emotional verankerte, libidinös besetzte Bestandteile unserer Identität“ (Siebert 1996, S.
113). Diese affektiven Komponenten in Deutungsmustern lassen sich nicht einfach durch
vermeintlich „richtige“ - wenn auch wissenschaftlich legitimierte - Aussagen des Dozenten
ersetzen.
Um ein Deutungslernen zu unterstützen, stellen sich somit an das erwachsenendidaktische
Handeln folgende Aufgaben (vgl. Mezirow 1991, S. 199, Schüßler 2000, S. 378):
• Dem Lernenden helfen, sich von der Abhängigkeit vom Lehrenden zu lösen.
• Den Lernenden darin unterstützen, eigene und fremde Lernressourcen zu nutzen, insb. die
Erfahrungen anderer Lernender und des Lehrenden.
• Den Lernenden darin begleiten, seine Lernbedürfnisse zu formulieren und eine zuneh-
mende Verantwortung dafür zu übernehmen, die eigenen Lernziele zu definieren, den ei-
genen Lernweg festzulegen und dessen Verlauf selbst zu evaluieren.
• Dem Lernenden helfen, den Lehrstoff mit Blick auf derzeitige Probleme, Interessen und
Verstehensebenen zu ordnen.
• Den Lernenden darin fördern, Entscheidungen und eine Auswahl zwischen relevanten
Lernerfahrungen zu treffen und seine Wahlmöglichkeiten zu erweitern sowie ihn darin un-
terstützen, alternative Perspektiven anderer zu verstehen und zu akzeptieren.
• Den Perspektivenwechsel und die Reflexion eigener Deutungsmuster gezielt unterstützen
durch Metakommunikation, mäeutische Gesprächstechniken und Deutungsangebote.
• Den Lernenden ermutigen, solche Entscheidungs- und Beurteilungskriterien anzuwenden,
die die Selbstreflexion, die Integration von Erfahrung sowie eine zunehmend differenzier-
te Wahrnehmung ermöglichen.
• Das Selbstkonzept (Selbstbewussteins) als Lernende und Handelnde stärken, indem die
Teilnehmenden auf eine zunehmende Eigenständigkeit vorbereitet werden.
• Erfahrungsbezogene, partizipative und projektorientierte Lernmethoden betonen sowie
ggf. selbst als Vorbild dienen und Lehr-Lern-Verträge anwenden.

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Diese ganzheitliche Sichtweise findet ihre Korrespondenz in veränderten Lehr- und Lernfor-
men. So werden ein „reflexives Erfahrungslernen“ sowie produktive, ganzheitliche, diskursi-
ve, selbstorganisatorische und identitätsstützende Lernmethoden gefordert. Allerdings muss
sich auch hier der Erwachsenenbildner bzw. die Weiterbildnerin kritisch mit mindestens fol-
genden Fragen auseinandersetzen (vgl. Schüßler 2000, S. 119):
• Wie kann sichergestellt werden, dass die Lernenden zu einem selbstreflexiven, diskursi-
ven Lernen in der Lage sind?
• Welche Anforderungen und Grenzen stellen sich an ein Deutungslernen bei lernunge-
wohnten Teilnehmenden und wie kann darauf didaktisch-methodisch angemessen reagiert
werden?
• Wie wird angesichts der identitätsstabilisierenden Funktion von Deutungsmustern mit
Widerständen oder massiven Verunsicherungen der Teilnehmenden im Lernprozess um-
gegangen?
• Wie kann die Verschränkung von Wissenschaftswissen und Alltagswissen didaktisch in-
szeniert werden ohne in völlige Belehrung oder pures Geschichtenerzählen zu verfallen?
• In welchen Themenbereichen wird ein deutungsmusteranknüpfendes Lernen mehr oder
weniger notwendig?

3.2 Kompetenzentwicklung als Methodenlernen


Nicht nur in Anbetracht der rasanten Veralterungsrate in bestimmten Wissensgebieten, son-
dern auch angesichts gestiegener Anforderungen an die Selbststeuerungs- und Selbsterschlie-
ßungskompetenzen der Menschen hat sich für die Erwachsenendidaktik ein gewandelter Stel-
lenwert des Lerninhalts ergeben. Zwar lernen Erwachsene nach wie vor zumeist mit dem Ziel
der Kompetenzsicherung bzw. -erweiterung, doch fordert das Sich-Orientieren in geänderten
Arbeits- und Lebenswelten nicht mehr nur Wissenserwerb, sondern vermehrt Fähigkeiten zum
Umgang mit Wissen. Erwachsenenbildung muss sich deshalb verstärkt darum bemühen, Er-
wachsene in „den Besitz“ von effektiven Methoden des Lernens, der Wissenserschließung,
der Kooperation und Moderation in arbeitsteiligen Formen der Problembearbeitung zu „brin-
gen“. Gleichzeitig sind Methoden der Aufarbeitung, Reflexion und konstruktiven Weiterent-
wicklung „innerer Erfahrungen“ (Projektionsrücknahme, Empathie, Umgang mit Fehlern und
Feedback etc.) auch und gerade von inhaltlicher Bedeutung. Damit löst sich der didaktische
Gegensatz von Inhalt und Methode tendenziell auf. Effektives und nachhaltiges Erwachsenen-
lernen setzt vielfach Methodenlernen voraus; Erwachsene benötigen zwar nach wie vor in ih-
ren Arbeits- und Lebensvollzügen das jeweils aktuelle Fach- oder Orientierungswissen, doch
dieses ist vielfach „flüchtig“, erfordert kontinuierliche Aktualisierung durch informelles und
kooperative Lernen und Arbeiten, um überhaupt seine Handlungsrelevanz entfalten zu kön-
nen.
Diese Methodisierung des Inhaltlichen setzt eine methodenorientierte Erwachsenendidaktik
zwingend voraus. Eine solche geht mit einem veränderten Methodenverständnis einher, wel-
ches Methoden nicht länger nur als die vom Lehrenden eröffneten „Wege“ oder inhaltlichen
Einsichten versteht, sondern als Möglichkeit für die Lernenden, eigene Wege zu erkunden
bzw. selbstständig zu suchen. Lebenslanges Lernen setzt Methodenkompetenz voraus, die
sich aber nur entwickeln kann, wenn die Lehrenden ihre Funktion nicht nur aus einer inhaltli-
chen Zuständigkeit ableiten, sondern darüber hinaus auch als Lernspezialisten wirksam wer-
den, deren „vornehmste“ Aufgabe darin besteht, das Lernen und die selbstgesteuerten Prob-
lemlösungen ihrer Lernenden, d.h. ihre Lernfähigkeit systematisch zu fördern. Dabei müssen
sie ihr Methodenmonopol aufgeben und die Lernenden durch eine entsprechende aktivierende

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Didaktisierung selbst zu MethodenbesitzerInnen machen. Es spricht viel dafür, dass für einen
solchen Wechsel in Richtung methodenorientierte Erwachsenenbildung Lernermethoden noch
stärker entwickelt, erfunden oder adaptiert werden müssen (vgl. Meueler 2001).

3.3 Kompetenzentwicklung durch informelles Lernen


Menschen lernen nicht nur in institutionalisierten Kontexten, sondern auch am Arbeitsplatz,
im Freundeskreis, im Verein, bei der Ausübung eines Hobbies oder im Rahmen ihres Bürger-
engagements im sozialen Umfeld. Dieses selbstgesteuerte und autodidaktische Lernen gelingt
umso besser, je mehr die Lernenden über so genannte Selbstlernkompetenzen verfügen, d.h.
die Fähigkeit besitzen, ihren Lernbedarf zu diagnostizieren, die weiteren Lernschritte eigen-
ständig zu planen sowie durchzuführen und die Bereitschaft mitbringen, gegebenenfalls auch
umzulernen. Wenn pädagogische Professionals diese Form der informellen Kompetenzent-
wicklung unterstützen wollen, so stellt sich die Frage, ob vorab didaktisierte Weiterbildungs-
angebote den Lerninteressen gerecht werden. Weiterbildungsinstitutionen müssen möglicher-
weise anfangen, darüber nachzudenken, diese informellen Suchbewegungen der Lernenden
anderweitig zu unterstützen. Dabei stellen sich auch hier vielfache Anforderungen:
• Didaktisches Handeln gestaltet sich dann eher in Form einer „aufsuchenden Erwachse-
nenbildung“ (Arnold 1999, S. 9). Dies kann z.B. darin geschehen, dass Weiterbildungsein-
richtungen Prozesse der lokalen Agenda 21 moderieren, eine Bürgerbewegung gegen
Rechtsradikalismus in der Aufarbeitung der Nazi-Vergangenheit ihrer Heimat begleiten
oder eine Vermittlungsfunktion übernehmen, beim Wunsch ansässiger Unternehmen,
Kontakte zu sozialen Einrichtungen zu knüpfen, in denen ihre MitarbeiterInnen soziale
Kompetenzen erwerben können. Damit verändern sich ebenso erwachsenendidaktische
Aufgaben. Neben der Planung und Gestaltung von Bildungsmaßnahmen, treten die Mode-
ration individueller und kollektiver Entwicklungsvorhaben und die Lernberatung (vgl.
Siebert 2001, Pätzold 2001, Kemper/ Klein 1998) unterschiedlichster Akteure in Fragen
informeller Kompetenzentwicklung.
• Die Aneignungsaktivitäten der Lernenden sind individuell unterschiedlich, folgen unter-
schiedlichen Lerntempi und hängen von verschiedenen Lernstilen und -erfahrungen ab.
Damit wird ein „Lernen im Gleichschritt“ fragwürdig, das der Maxime folgt: Alle lernen
zum selben Zeitpunkt das Gleiche, was bedeutet, dass die individuellen Fragestellungen,
die Probleme und die Nachfragen der Lernenden keine Berücksichtigung erfahren und den
Lernprozess nicht bzw. kaum konstituieren. Internetbasierte, multimediale Lernangebote
stellen dabei eine neue Angebotsform dar, die - lernortunabhängig - den unterschiedli-
chen Lerninteressen entgegen kommt, vor allem der zukünftigen Klientel der Erwachse-
nenbildung, die mit dem Medium Computer aufgewachsen ist. Dies erfordert ein Pla-
nungsdenken in einer multimedialbasierten und onlinegestützten Lern- und Interaktions-
form, das sich von einer klassischen seminaristischen Lernsituation deutlich unterscheidet
und an das makro- und mikrodidaktische Handeln nicht nur inhaltliche, sondern vor allem
auch strukturelle Anforderungen stellt (vgl. Dörr/ Jüngst 1998, Kerres/ Gorhan 1998).
• Institutionen der Erwachsenenbildung sind immer auch eingebettet in einen spezifischen
regionalen Kontext und somit beeinflusst von Ereignissen im unmittelbaren sozialen Um-
feld. Gleichzeitig sind sie ein Element in der Bildungslandschaft neben anderen Bildungs-
institutionen, wie Schulen, Berufsschulen, betrieblichen oder gewerkschaftlichen Weiter-
bildungseinrichtungen, Bildungswerken etc. Diese Institutionen wiederum sind nicht die
alleinigen Träger und „Vermittler“ von Wissen. Auch Bibliotheken, Arbeitsämter, politi-
sche Organisationen oder kommunale Gremien produzieren „Wissen“, stellen Informatio-
nen bereit oder bieten „Weiterbildung“ an, wenn eine Bibliothek z.B. zu einer Autorenle-

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sung einlädt. Auch hier stellt sich die Frage, wie diese unterschiedlichen Akteure und de-
ren Wissens- und Vermittlungsressourcen so miteinander vernetzt und aufbereitet werden
können, dass sie die verschiedenen Lernbemühungen der Individuen unterstützen. Es wäre
dann die Aufgabe von Weiterbildungsinstitutionen am Aufbau regionaler Lernnetzwerke
(vgl. Stahl/ Schreiber 1999) mitzuarbeiten, was mindestens die Überprüfung und Revision
der eigenen organisationalen Strukturen sowie der institutionellen Lernkultur voraussetzt.

Erwachsenendidaktisches Handeln wird unter diesen Entwicklungen zukünftig weiter gefasst


werden müssen. Und es ist die Aufgabe der Erwachsenenpädagogik, nötiges Theoriewissen
als auch Praxisanregungen dazu – unter besonderer Berücksichtigung der Besonderheiten all-
gemeiner und beruflich-betrieblicher Weiterbildung - zur Verfügung zu stellen.
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