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gration (denen als erster Dürkheim 'Immunisierungseigenschaften' zuschrieb). Siegrist


bezeichnet soziale Unterstützung als gesellschaftliche Ressource; sie sei im unteren
sozio-ökonomischen Gruppen weniger verfügbar12, was zur Erklärung des sozialen Krank-
heitsgradientens beitragen könne.

Job-Strain: Das Job-Strain-Modell (vgl. Karasek/Theorell 1990) postuliert stress- und


lerntheoretische Interaktionen: Arbeitsplätze mit hohen Anforderungen einerseits und
geringem Entscheidungsspielraum andererseits produzieren Belastungen und verhindern das
Erlernen von Problemlösungen. Es ist einige empirische Evidenz für dieses Modell vor­
handen; nach einer Kalkulation des Anteils aller Herzinfarkte bei Männern und Frauen im
erwerbstätigen Alter, welche mittels Reduktion hoher Job-Strain-Niveaus auf durchschnitt­
liche Niveaus vermeidbar wären, beträgt die "ätiologische Fraktion" von Job-Strain zwischen
9 und 16% (vgl. Karasek/Theorell 1990). Weitere Entwicklungsmöglichkeiten und -notwen-
digkeiten dieses Ansatzes sehen die Autoren in der stärkeren Einbeziehung individueller
Faktoren zur Erklärung der Varianz kognitiver, affektiver und physiologischer Reaktionen
von Individuen auf gleiche Arbeitsbedingungen.

Effort-Reward-Imbalance: Das dritte Modell zur Erklärung sozialer Unterschiede bei koro­
naren Herzkrankheiten wurde von Siegrist und Mitarbeitern entwickelt. Das Modell geht von
einem Mißverhältnis zwischen niedriger eigener Statuskontrolle und hoher Arbeitsbelastung
aus, welches sozio-emotionale Belastungen verursache, die sich bei bestimmten individuellen
kognitiven und affektiven Reaktionsmustern (Coping) in pathophysiologische Veränderungen
und damit letztlich in koronare Herzkrankheiten umsetzen. Ebenso wie "Job Strain" tritt ver­
mutlich auch "Effort-Reward-Imbalance" vor allem bei unteren sozioökonomischen Gruppen
auf, so daß diese Ansätze einen Beitrag zur Erklärung von gesundheitlicher Ungleichheit
leisten können.

Frühere Versionen dieses Theoriemodells griffen auf den Begriff des sozialen Ortes zurück.
Das Grundprinzip der Vergesellschaftung, nach dem das Individuum soziale Identität erst
dann herausbilden könne, wenn es den ihm ideell als Gesellschaftsmitglicd zugewiesenen Ort
auch tatsächlich einnehmen könne und somit allgemeine und individuenbezogene Rollen­
erwartungen konvergieren, sei in Frage gestellt, wenn die Statuszuweisung verweigert oder
rückgängig gemacht werde (Siegrist 1985, S. 149.) Es wird also eine makro-strukturell
bedingte soziale Identitätskrise in ihren subjektiven Wirkungen auf die "Emotionalität basaler
Vergesellschaftungsprozesse" betrachtet. In einer neueren Publikation (Siegrist 1991) wird
die bedrohende Wirkung von Rollendiskontinuität unter Bezug auf das Konzept des Selbst
expliziert.

12 Vgl. hierzu: Diewald 1991

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