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Realismus (1848 – 1890)

Die Epoche des Realismus


Die Literaturepoche des Realismus wird in der deutschen Literatur zwischen 1848 und
1890 angesiedelt. Der Begriff Realismus geht auf das lateinische Wort »res« für
Sache, Ding, Wirklichkeit zurück. Die Kunst dieser Epoche beschäftigt sich also mit
der Wirklichkeit und versucht, diese möglichst objektiv abzubilden. Dabei wird nichts
bewusst beschönigt oder idealisiert, wie es in früheren Epochen, etwa der Romantik,
üblich war. In den Texten des Realismus soll das Typische, Wesentliche im
Mittelpunkt stehen. Dabei wird Wert auf eine einwandfreie, klare und schlichte
Sprache gelegt.

Wichtige Autoren des Realismus


 Wilhelm Busch
 Theodor Fontane
 Emanuel Geibel
 Franz Grillparzer
 Friedrich Hebbel
 Gottfried Keller
 Conrad Ferdinand Meyer
 Wilhelm Raabe
 Theodor Storm
HISTORISCHE HINTERGRÜNDE DES REALISMUS
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ändert sich das Leben der Menschen in
Europa deutlich. Dabei spielt die Industrialisierung eine wichtige Rolle. Durch die
Fortschritte in Wissenschaft und Technik werden viele einfache Arbeiten, die zuvor
von Menschen verrichtet wurden, von Maschinen übernommen. Die arbeitslose
Landbevölkerung strömt in die Städte, wo es jedoch ebenfalls nicht genug Arbeit gibt.
Es kommt zu Spannungen zwischen den Gesellschaftsschichten, besonders zwischen
wohlhabenden Bürgern und armen Arbeitern. Durch neue naturwissenschaftliche
Erkenntnisse werden zudem das christliche Weltbild und damit auch die traditionellen
Werte infrage gestellt.

MERKMALE LITERARISCHER TEXTE DES REALISMUS


Die Literaturepoche Realismus setzt sich bewusst nicht mit den politischen und
gesellschaftlichen Hintergründen auseinander, sondern stellt einzelne Menschen in
überschaubaren Zusammenhängen in den Mittelpunkt. Häufig sind die Hauptpersonen
Kaufleute, Handwerker oder Bauern, und die Handlung spielt bevorzugt in kleinen,
überschaubaren Dörfern oder Städten. Die Auswirkungen der gesellschaftlichen
Gegebenheiten auf den Einzelnen werden kommentarlos dargestellt, es bleibt dem
Leser überlassen, vom Einzelfall auf die allgemeine Situation zu schließen.

Wenn zum Beispiel Theodor Fontane in seinem Roman »Effi Briest« von den
tragischen Auswirkungen einer arrangierten Ehe auf eine junge Frau erzählt, kritisiert
er nur indirekt die gesellschaftlichen Gepflogenheiten der damaligen Zeit.

Da der Realismus eine enge Verbindung zwischen Kunst und Leben anstrebt, lautet
die wichtigste Frage, an der sich literarische Texte in dieser Epoche messen lassen
müssen: Hätte die Geschichte in der Wirklichkeit so geschehen können?

Epische Texte des Realismus, teilweise aber auch Balladen oder Dramen, sind oft
gekennzeichnet durch eine Rahmenhandlung. In dieser wird ein Erzähler eingeführt,
der dann möglichst objektiv die eigentliche Geschichte erzählt. Dies soll die
Wirklichkeitsnähe des Textes betonen.

Im Vergleich zum französischen oder russischen Realismus herrscht in der deutschen


Literatur das Bemühen vor, die Wirklichkeit nicht nur widerzuspiegeln, sondern sie
künstlerisch zu gestalten, was im Grunde einen Widerspruch zu den erklärten
Absichten des Realismus darstellte. Deshalb spricht man besonders in Deutschland
vom poetischen Realismus.

Beispiele für die dichterische Gestaltung realistischer Texte sind Beschreibungen von
Landschaften, Gegenständen oder Wetterlagen, die auf das Innenleben eines
Charakters hindeuten. Außerdem finden sich häufig Anklänge von Humor und Ironie,
die eine Distanz zu den Schilderungen der harten Wirklichkeit aufbauen. Diese und
ähnliche Kunstgriffe werden in der darauffolgenden literarischen Epoche, dem viel
radikaleren Naturalismus, nicht mehr eingesetzt.

ROMANE, NOVELLEN UND GESCHICHTEN IM REALISMUS


Epische Texte sind im Realismus die bedeutendste Literaturgattung. Zahllose Romane
und Novellen aus dieser Zeit sind heute noch bekannt.
Die wichtigsten Genres, in die die Romane dieser Epoche unterteilt werden können,
sind:

 Entwicklungsromane (z.B. »Soll und Haben« von Gustav Freytag)


 Gesellschaftsromane (z.B. »Effi Briest« von Theodor Fontane)
 Historische Romane (z.B. »Vor dem Sturm« von Theodor Fontane)
Eine Gruppe für sich bildet die Reiseliteratur, in der möglichst objektiv Orte und
Begebenheiten geschildert werden. Auch hier ist Theodor Fontane mit seinen
»Wanderungen durch die Mark Brandenburg« einer der bekanntesten Vertreter.
Der Realismus brachte einige bis heute bekannte Novellendichter hervor. Zu ihnen
zählen Keller (»Kleider machen Leute«), Storm (»Der Schimmelreiter«), Stifter
(»Bergkristall«) und andere.

LYRIK IM REALISMUS
In den Kunstepochen vor dem Realismus, vor allem in der Romantik und dem
Biedermeier, hatte sich die Sprache der Lyrik immer weiter von der Alltagssprache
entfernt. Dieser Tendenz versuchen die Dichter im Realismus entgegenzuwirken. Die
Gedichte werden nicht mehr mit Metaphern überladen, bedienen sich einer schlichten
Sprache und bemühen sich um eine genaue und dennoch künstlerische Darstellung.
Allerdings unternehmen die Lyriker nicht den Versuch, die Wirklichkeit im Gedicht
realistisch darzustellen, sondern wollen eine poetische Welt als Spiegel der Realität
erschaffen.

Typisch für die Lyrik des Realismus sind die sogenannten Dinggedichte, in denen ein
Gegenstand genau beschrieben und alles Unwichtige, Nebensächliche weggelassen
wird. Solche Gedichte finden sich unter anderem im Werk von Rilke und Mörike.
»Der römische Brunnen« von C. F. Meyer gilt als klassisches Dinggedicht.

Auch Balladen gehören zu den im Realismus verbreiteten Gedichtformen. Ähnlich wie


in den Romanen dieser Epoche steht auch hier in der Regel ein einzelner Held im
Mittelpunkt. Ein bekanntes Beispiel ist Fontanes Ballade »John Maynard«.

DAS DRAMA IM REALISMUS


Dramen spielen im Realismus eine wesentlich kleinere Rolle als epische Texte und
Gedichte. Nur wenige Dramatiker gelten heute als Vertreter dieser Epoche. Zu ihnen
gehören Hebbel und Grillparzer. Allerdings stellen auch diese weniger das Individuum
in den Mittelpunkt als vielmehr die Beziehung einzelner Menschen zur Gesellschaft,
was eigentlich nicht den Regeln des Realismus entspricht. Dennoch wird
beispielsweise das noch heute häufig gespielte Stück »Agnes Bernauer« von Hebbel
als realistisches Drama betrachtet.

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